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    Deutscher Bundestag 7. Sitzung Bonn, den 29. November 1965 Inhalt: Überweisung an den Haushaltsausschuß . . 69 A Erweiterung der Tagesordnung . . . . . 69 B Abwicklung der Fragestunde . . . . . . 69 B Fragestunde (Drucksache V/38) Frage des Abg. Biechele: Versuche zur Vermeidung von Gesundheitsschäden durch Auspuffgase Grund, Staatssekretär . . . . . 69 D Biechele (CDU/CSU) 70 A Frage des Abg. Biechele: Versuche mit CO-Kontrollplaketten Grund, Staatssekretär 70 B Biechele (CDU/CSU) 70 C Fragen des Abg. Dr. Kliesing (Honnef) : Änderung der Regelung des § 14 Kraftfahrzeugsteuergesetz Grund, Staatssekretär 71 A Frage des Abg. Ertl: Verhandlungen über die Agrarfinanzierung in Brüssel Grund, Staatssekretär 71 B Ertl (FDP) 71 B Frage des Abg. Dr. Schmidt (Wuppertal) : Steuerrechtliche Gleichbehandlung der Bandweber mit Gewerbetreibenden Grund, Staatssekretär . . . . . . 71 C Dr. Schmidt (Wuppertal) (CDU/CSU) 72 A Fragen des Abg. Folger: Erhebung der Sektsteuer Grund, Staatssekretär . . . . . . 72 B Felder (SPD) . . . . . . . . . 72 C Frage des Abg. Genscher: Bewertung von Halb- und Fertigfabrikaten 72 C Frage des Abg. Genscher: Anerkennung der Unterstellkosten für Kfz in Parkhäusern etc. in der Nähe des Arbeitsplatzes als Werbungskosten . . 72 C Fragen des Abg. Dr. Marx (Kaiserslautern): Schießplatz in Landstuhl, Kreis Kaiserslautern Grund, Staatssekretär . . . . . . 72 D Frage des Abg. Dr. Marx (Kaiserslautern): Entschädigung für Nutzungen von Forstflächen durch alliierte Streitkräfte 72 D II Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 7. Sitzung. Bonn, Montag, den 29. November 1965 Fragen des Abg. Dr. Wuermeling: Kürzung der Ausbildungszulage Grund, Staatssekretär . . . . . . 73 A Dr. Wuermeling (CDU/CSU) . . . . 73 C Dröscher (SPD) . . . . . . . 74 B Westphal (SPD) . . . . . . . . 74 C Frage des Abg. Sanger: Bericht über die Konzentration in der Wirtschaft Dr. Langer, Staatssekretär . . 74 D Sänger (SPD) 75 A Schmitt-Vockenhausen (SPD) . . 75 C Fragen der Abg. Flämig und Dr. Tamblé: Maßnahmen zur Verhinderung eines durch längeren Stromausfall etwa entstehenden Chaos' Dr. Langer, Staatssekretär 76 A, 76 C Flämig (SPD) 76 B Fragen der Abg. Frau Schanzenbach:. Industrieansiedlungen im badischen Grenzland — Lieferbedingungen für neue Stromkraftwerke am Oberrhein . 76 D Frage des Abg. Dr. Müller-Hermann: Referenzpreise für Orangen Höcherl, Bundesminister 76 D Dr. Müller-Hermann (CDU/CSU) . 77 A Frage des Abg. Schmitt-Vockenhausen: Bekämpfung von Tierseuchen Höcherl, Bundesminister 77 C Fragen des Abg. Schwabe: Roggenmischbrot 77 C Frage des Abg. Dröscher: Beteiligung des Landes Rheinland-Pfalz an Mitteln aus dem Ausrichtungs- und Garantiefonds der EWG Höcherl, Bundesminister . . . . . 77 D Frage des Abg. Schmidt (Braunschweig) : Einfuhr von Zuckerschnitzeln Höcherl, Bundesminister . . . . . 77 D Fragen der Abg. Frau Dr. Krips: Verteuerung der Apfelsinen durch Referenzpreise Höcherl, Bundesminister . . . . . 78 A Frau Dr. Krips (SPD) . . . . . . 78 B Frage des Abg. Ertl: Verspätetes Erscheinen der Richtlinien für die landwirtschaftliche Anpassungshilfe Höcherl, Bundesminister . . . . 78 C Ertl (FDP) 78 C Frage des Abg. Ertl: Mittel für bauliche Maßnahmen in der Landwirtschaft Höcherl, Bundesminister 78 D Ertl (FDP) . . . . 78 D Fragen des Abg. Bading: Anpassungsbeihilfe für landwirtschaftliche Betriebsinhaber Höcherl, Bundesminister . 79 A, 79 B Bading (SPD) . . . . . . . . . 79 B Fragen des Abg. Leukert: Bindungsermächtigung in Höhe von 120 Mio DM für die ländliche Siedlung Höcherl, Bundesminister 79 D Leukert (CDU/CSU) . . . . . . 79 D Fragen des Abg. Reichmann: Ausformdaten für Butter Höcherl, Bundesminister 80 B Reichmann (FDP) . . . . . . . 80 B Fragen des Abg. Wächter: Notwendigkeit einer einheitlichen Regelung betr. Attestierung des Freiseins von Maul- und Klauenseuche bei der Einfuhr von Zucht- und Nutzvieh Höcherl, Bundesminister 80 C Wächter (FDP) . . . . . . . . . 81 A Fragen des Abg. Büttner: Moderne Mastmethoden bei Hühnern, Kälbern und Schweinen Höcherl, Bundesminister . 81 B, 81 D Büttner (SPD) . . . . . 81 B, 82 A Frage des Abg. Schmitt-Vockenhausen: Tierquälerische Methoden der fabrikmäßigen Aufzucht von Tieren Höcherl, Bundesminister 82 B Schmitt-Vockenhausen (SPD) . . . 82 B Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 7. Sitzung. Bonn, Montag, den 29. November 1965 III Aussprache über die Erklärung der Bundesregierung in Verbindung mit dem Entwurf eines Gesetzes zur Sicherung des Haushaltsausgleichs (Haushaltssicherungsgesetz) (Drucksache V/58) Dr. Barzel (CDU/CSU) 82 C Erler (SPD) 91 C Dr. Dr. h. c. Erhard, Bundeskanzler 106 C Freiherr von Kühlmann-Stumm (FDP) 110 D Dr. Althammer (CDU/CSU) . . . . 119 B Dr. Schiller (SPD) 127 C Nächste Sitzung 136 D Anlagen 137 A Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode 7. Sitzung. Bonn, Montag, den 29. November 1965 69 7. Sitzung Bonn, den 29. November 1965 Stenographischer Bericht Beginn: 14.03 Uhr
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    Anlage 1 Liste der beurlaubten Abgeordneten Abgeordnete (r) beurlaubt bis einschließlich a) Beurlaubungen Dr. Arndt /Berlin /Köln 2. 12. Bäuerle 29. 11. Dr.-Ing. Balke 29. 11. Frau Berger-Heise 7. 12. Dr. Birrenbach 2. 12. Blachstein 30. 11. Dr. Czaja 29. 11. Deringer 29. 11. Diekmann 29. 11. Eisenmann 29. 11. Dr. Freiwald 29. 11. Fritz /Welsheim 29. 11. Dr. h. c. Güde 2. 12. Haar /Stuttgart 29. 11. Hilbert 2. 12. Hörmann /Freiburg 30. 11. Jaschke 2. 12. Dr. Koch 29. 11. Koenen /Lippstadt 31. 12. Kubitza 29. 11. Lemmer 29. 11. Lücker /München * 30. 11. Marquardt 2. 12. Mauk * 30. 11. Memmel 29. 11. Dr. h. c. Menne /Frankfurt 29. 11. Dr. h. c. Dr.-Ing. Möller 29. 11. Dr. Morgenstern 29. 11. Dr. Müthling 30. 11. Paul ** 29. 11. Peters /Norden 29. 11. Rawe 8. 12. Dr. Reischl 29. 11. Röhner 30. 11. Sander 29. 1.1. Frau Schanzenbach 31. 12. Frau Schimschok 31. 12. Schmidt /Würgendorf 2. 12. Schultz 2. 12. Seither 29. 11. Dr. Siemer 30. 11. Spillecke 2. 12. Spitzmüller 2. 12. Dr. Vogel 29. 11. Dr. Wahl ** 3. 12. Wienand 29, 11. Dr. Wörner 3. 12. Zerbe 2. 12. b) Urlaubsanträge Kriedemann 31. 12. * Für die Teilnahme an einer Ausschußsitzung des Europäischen Parlaments ** Für die Teilnahme an einer Ausschußsitzung des Europarats Anlagen zum Stenographischen Bericht Anlage 2 Schriftliche Ergänzung zu den mündlichen Ausführungen des Abgeordneten Dr. Walter Althammer Gesetzentwürfe und kostenwirksame Anträge aus der SPD-Fraktion in Mio DM IV /273 Gesetz über die Gewährung von Sparbeiträgen 360 IV /415 Gesetz über die Ausbildungsförderung 750 IV /468 Bundeskindergeldgesetz 220 IV /562 2. Gesetz zur Änderung und Verbesserung des Mutterschutzgesetzes . 590 IV /694 Flüchtlingsgesetz 900 IV /1850 3. Wohnungsbaugesetz 800 IV /1855 Europäisches Jugendwerk 50 IV /1947 3. Gesetz zur Änderung des Gesetzes über Altershilfe für Landwirte 210 IV /2005 Änderung der Zuschußrichtlinien für Straßenbaumaßnahmen der Gemeinden 110 IV /2338 Kredit- und Bürgschaftsprogramm gegen Luftverschmutzung 15 IV /2575 Schiffbarmachung der Saar 48 IV /2608 Kindergeldgesetz - hier Wegfall der Einkommensgrenze - 780 IV /2626 Änderung des Gesetzes über Wohnbeihilfen 40 IV /2687 Änderung des Vermögensbildungsgesetzes 170 IV /2770 Änderung des Gesetzes über Weihnachtszuwendungen 90 IV /2782 Gesetz zur Änderung des Postverwaltungsgesetzes 820 IV /2822 Marktstrukturgesetz 600 IV /2751 Änderung des Bundesfernstraßengesetzes 40 IV /3605 Kriegsgefangenenentschädigungsgesetz 500 dazu Einnahmeausfälle IV /64 Zuckersteuer 110 IV /65 Kaffeesteuer 1 000 IV /66 Teesteuer 32 IV /2047 EStG, erschwerte Haushaltsführung 273 IV /2687 Änderung des Vermögensbildungsgesetzes 170 IV /2782 Änderung des Postverwaltungsgesetzes 600 9 278 138 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 7. Sitzung. Bonn, Montag, den 29. November 1965 Abzusetzen Einnahmeerhöhungen entspresprechend den Anträgen IV /722, 1569, 1567 — 358 insgesamt 8 920 Bei den Anträgen IV /2687 und 2782 wurden Mehrkosten und Einnahmeausfälle getrennt aufgeführt. Mehrkosten nicht zu beziffern IV /358 Änderung des II. Vierjahresplanes zum Ausbau der Bundesfernstraßen (in 4 Jahren 3 Mrd. DM mehr) IV /406 Beseitigung sozialer Härten aus der Währungsreform IV /1347 Abzugsfähigkeit von Ausbildungskosten IV /1494 Förderung von Wissenschaft und Forschung IV /2332 16. Änderungsgesetz zum UStG
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Karl Schiller


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Bitte!


Rede von Josef Ertl
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Herr Kollege Schiller, gilt das „Genuß mit Reue" auch für Ihre Fraktion?

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    Rede von Dr. Karl Schiller


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Das haben Sie eben ja gemerkt; die Fraktion war sehr damit einverstanden.
    Allerdings kommt das, was heute von der Bundesregierung als Kürzungsprogramm offeriert wird, zu spät. Das von der Regierung eingebrachte Kürzungsprogramm wäre für das Jahr 1965 bitter nötig gewesen. Für das Jahr 1966 kann dieses Programm konjunkturpolitisch sogar falsch sein. Ich zitiere als Beleg für die Zweifel nur den BDI, den Bundesverband der Deutschen Industrie, der — laut Industriekurier vom 13. November — folgendes warnend erklärt hat:
    Die Dämpfungsmaßnahmen trafen bisher, selbst wenn sie im Höhepunkt des Aufschwungs ergriffen wurden, oft die Produktion mit voller Härte, wenn die Kräfte des Marktes bereits den Aufschwung eingeleitet hatten,



    Dr. Schiller
    Der BDI warnt vor der nächsten Zeit, indem er sagt:
    Nur einer florierenden Wirtschaft schadet der Aderlaß an Liquidität zugunsten der öffentlichen Kassen nicht. Was geschieht aber bei uns, damit die Wirtschaft weiter blüht? Die ihr zugemutete Funktion des Prügelknaben ist wahrlich kein Leitbild zur Prosperität.
    Das, meine Damen und Herren, war der Bundesverband der Deutschen Industrie in seiner Stellungnahme zu diesen Maßnahmen. Ich brauche diesen Sätzen nichts oder kaum etwas hinzuzufügen.
    Das alles zeigt, ein einmaliger verspäteter Ruck an der Notbremse, wie ihn das Kürzungsprogramm darstellt, genügt nicht mehr. Eine vollständige Überprüfung unserer Wirtschafts- und Finanzpolitik ist nötig. Ein Konzept ist vonnöten, das uns über mehrere Jahre hinweg erlaubt, die Lasten, die Aufgaben und die Möglichkeiten der Deckung zu verteilen.
    Was finden wir dazu, zu dem Konzept der Wirtschafts- und Finanzpolitik auf mittlere Frist, in der Regierungserklärung? Meine Damen und Herren, wir finden viele Beschwörungen und Appelle, Seelenmassage nach freischaffender Künstler Art; aber wohin soll die Reise gehen?

    (Zuruf von der CDU/CSU: Frei nach Schiller!)

    — Ach Gott, der Name Schiller — an den werden Sie sich hier auch gewöhnen;

    (Beifall bei der SPD)

    kommt schon noch! — Sätze von atemberaubender Kühnheit sollen uns den Weg weisen. Ich werde einen verlesen: „Das Post- und Fernmeldewesen ist für jede entwickelte Volkswirtschaft ein unentbehrlicher Faktor." So weit das Zitat.

    (Heiterkeit bei der SPD. — Abg. Haase [Kassel] : Leugnen Sie das?)

    Und im Verfolg dieser bewegenden Aufklärung — es bewegt Sie auch, wie ich eben merke — heißt es weiter, wird dann die Bundesregierung prüfen, welche Maßnahmen „ ... zu treffen sind",... geeignet sind", ... möglich sind", „ ... Sorge tragen" usw. — So geht es seitenlang, Seite auf, Seite ab.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Bei Ihnen doch auch! — Abg. Rasner: Nun mal konkret!)

    Ich darf nur bemerken: das ist jene Sprache der puren Binsenweisheit — die muß man hier einmal so nennen! —,

    (Zuruf von der CDU/CSU: Denken Sie mal an Ihre Wahlinserate!)

    wie sie Walter Jens einmal charakterisiert hat. (Zurufe von der CDU/CSU.)

    — Ich bringe jetzt ein Zitat von einem vielleicht auch Ihnen nicht unbekannten deutschen Schriftsteller; ,es lautet: — —

    (Abg. Rasner: Nur keinen Bildungshochmut, Herr Professor! -Anhaltende Zurufe und Gegenrufe.)

    — Sie sind schon vorher so erregt. Es ist ein ganz nettes und einfaches Zitat. Das Zitat lautet, und es
    ist stellvertretend für das meiste, was in dieses
    Regierungserklärung steht: „Die Familie ist nütz
    lieh, und der Sport dient der Körperertüchtigung.'

    (Große Heiterkeit und Beifall bei der SPD.)

    In diesem Sammelsurium von Allgemeinheiter finden wir dann den überlebensgroßen Gedanker von der deutschen Überstunde,

    (erneute Heiterkeit bei der SPD)

    als wirklich Konkretes. Zu dem überlebensgroßer Gedanken der deutschen Überstunde brauche ich mich nicht mehr zu äußern, das Nötige hat dazu Herr Erler gesagt, und im übrigen sehe ich heute abend in dieser Stunde von acht bis neun, wie Sie von der CDU/CSU eine deutsche Überstunde auffassen.

    (Heiterkeit und Beifall bei der SPD. — Abg. Rösing: Herr Schiller, da müssen Sie ein bißchen produktiver sein! — Weitere Zurufe von der CDU/CSU.)

    — Ja, wir können auch eine Büttenrede halten. (Zuruf von der CDU/CSU: Ist ja eine!)

    Dann spricht der Kanzler im konjunkturpolitische: Zusammenhang von einem „weitentwickelten Instrumentarium". Wo ist das sagenhafte Instrumentarium?

    (Abg. Haase [Kassel] : Wo ist denn Ihres?)

    — Ich frage den Kanzler! Ich habe es ja nicht gesagt. „Wettentwickeltes Instrumentarium" — ich wage so etwas gar nicht zu behaupten.

    (Abg. Rasner: Sie haben auch keines!)

    — Aber er hat es in seiner Regierungserklärung! vom 10. November gesagt. Auf jeden Fall kann ici nur sagen: Aus der schönen Anlage Nr. 1 zum Wirtschaftsbericht der Bundesregierung 1964, Nachtrag — das war ein Lehrbuch über das moderne konjunkturpolitische Instrumentarium —, ist in de Realität nichts geworden. Wie es beim Kanzler ist Die Welt als Wille und Vorstellung! Das war nicht Schiller!

    (Heiterkeit und Beifall bei der SPD.)

    Da gibt es noch ein anderes Konkretum. Es ist das famose Deutsche Gemeinschaftswerk als Grundlage
    — wörtlich!— für eine antizyklische Ausgabenpolitik der öffentlichen Hand. Dazu ist zweierlei zu sa gen:
    Erstens, meine Damen und Herren: Abschöpfung der durch die Steuerprogression bei Zunahme de Einkommen insgesamt anfallenden Mehreinnahme
    — daraus soll das Deutsche Gemeinschaftswerk ja
    — finanziert werden —, das bedeutet also: keine Steuersenkung, Aufschub jeglicher Steuersenkung bi ans Ende der „Formierten Gesellschaft".

    (Heiterkeit und Beifall bei der SPD.)

    Dann ein Zweites. Wichtig ist auch hier die Dimension. Wir wollen hier über Zahlen reden, übe die Globalzahlen. Der Bundeskanzler hat gesagt Ein Prozent des Bruttosozialprodukts. Das wäre: jährlich 4 bis 5 Milliarden DM. Meine Damen und Herren, für das Jahr 1966 kann man ungefähr



    Dr. Schiller
    schätzen, daß die öffentlichen Hände — Bund, Länder, Gemeinden, mit den hilfsfiskalischen Einrichtungen — Investitionen von 36 Milliarden DM tätigen werden. Ich frage nur: Wie soll man angesichts dieser Größenverhältnisse mit einem Sondertopf „Gemeinschaftswerk" von 4 Milliarden DM gegen die gesamte übrige öffentliche Investitionsmasse antizyklische Politik betreiben? Das ist meine Frage. Ist es dann nicht viel wichtiger, Instrumente zu schaffen, die auf das Ganze der öffentlichen Investitionen hinwirken? Ist nicht also eine globale Steuerung notwendig?
    Meine Damen und Herren, der Bundeskanzler liebt überhaupt nicht die sich hier andeutende Politik auf mittlere Sicht, die mittelfristige Finanzplanung, auch wenn er das Wort nennt. Er liebt nicht das geduldige, vorausschauende, systematische Ansteuern der Ziele etwa auf der Basis eines mehrjährigen Plans. Der Kanzler liebt mehr die Augenblickshandlung, das Übersteigern seiner Kräfte und Anstrengungen in einem Punkt und in einer akuten Situation.
    Genau ein solches Verfahren führt dazu, daß man nach der einmaligen Anstrengung die Dinge wieder selbst weitertreiben läßt, so daß man dann womöglich ins andere Extrem gerät. Das ist die einmalige Anstrengung des Kürzungsprogramms. Das ist genau die Politik, die heute und morgen nicht angebracht ist.
    Nun, meine Damen und Herren, werden Sie mich fragen — und ich bin schon gefragt worden, auch in der Debatte, in Nebendebatten —: Wie stellen sich die Sozialdemokraten den weiteren Gang der Dinge vor?

    (Zurufe von der CDU/CSU: Jetzt kommt's!)

    — Ich werde Ihnen einiges skizzieren. Ich kann Ihnen nicht alles sagen. Sie haben ja auch noch nicht das Zauberwort gefunden, daß man mit einem Wort alles zugleich sagen kann. Ein bißchen Geduld müssen Sie schon haben mit Leuten, die einen langsamen Verstand haben.

    (Heiterkeit bei der SPD.)

    Ich würde als erstes sagen: Eine Regierungserklärung in der heutigen Situation müßte der Bevölkerung für die kommenden vier Jahre klare quantitative ökonomische Ziele setzen. Damit würde ich anfangen, um auch mit der mittelfristigen Finanzpolitik überhaupt weiterzukommen. Es müßte also heißen: „Trotz der erschwerten Umstände hält es die Bundesregierung" — so würde ich sagen — „für möglich, in den kommenden vier Jahren das reale Bruttosozialprodukt jährlich um 5 % zu steigern." Ebenfalls ist es, glaube ich, möglich, in den kommenden vier Jahren den Produktivitätsfortschritt von 5,5 % fortzusetzen, jenen Fortschritt, den wir in den letzten Jahren hatten.
    Dieser Produktivitätsfortschritt ist das Ergebnis
    — das wissen wir alle, meine Damen und Herren
    — besserer Arbeitsleistung, technischen Fortschritts und der Investitionen.

    (Abg. Rasner: Und der Erhardschen sozialen Marktwirtschaft!)

    Soweit dieser Produktivitätsfortschritt in seinem Prozentsatz die Zuwachsrate des Bruttosozialprodukts übersteigt, sind dann auch in der kommenden Periode Verminderungen der Zahl der geleisteten Arbeitsstunden möglich. Soweit in den kommenden fünf Jahren die Zahl der aktiven Arbeitskräfte gehalten werden kann — bisher ist sie stets gestiegen —, kann die eben beschriebene Differenz sogar einer weiteren Arbeitszeitverkürzung zugute kommen. — Das war die exakte Antwort auf die „deutsche Überstunde".

    (Beifall bei der SPD.)

    Weiter müßte es in der Botschaft heißen: „Um diese reale Expansion des Bruttosozialprodukts mit dieser Zielangabe durchzusetzen, sind die treibenden Kräfte des marktwirtschaftlichen Leistungswettbewerbs, der unternehmerischen Investitionstätigkeit und des technischen Fortschritts in ihrer Eigendynamik zu fördern."
    Zweitens wirtschafts- und finanzpolitisches Ziel der Bundesregierung sollte es sein, die gegenwärtig auf 3,8 bis 4 % stehende Preissteigerungsrate in den kommenden vier Jahren Schritt für Schritt zurückzubringen. Hierüber wird gleich noch gesondert gesprochen. Auf jeden Fall können wir auch bei rückgehender Preissteigerungsrate im Jahre 1969 ein Bruttosozialprodukt von 590 Milliarden DM gegenüber 480 bis 485 Milliarden DM im Jahre 1966 erreichen. Das sollte das globale gesamtwirtschaftliche Ziel der Bundesregierung sein.
    Daran anschließend müßte nun der mittelfristige Finanzplan auf dieser Basis konstruiert sein, ein ausgeglichener Finanzplan. Aus ihm müßte dann zu erkennen sein, welche Ausgaben nicht im ersten Jahr, sondern im Jahre 1967 oder 1968 geleistet werden können. Erst in einem solchen Rahmen kann man das jetzt vorgelegte Kürzungsprogramm und damit die Größe des Haushalts 1966 bewerten. In der Regierungserklärung vom 10. November werden nur die Worte „langfristige Haushaltsplanung" und „längerfristige Zielsetzung der Stabilitäts- und Wachstumspolitik" erwähnt. Materiell bringt die Erklärung in dieser Hinsicht nichts, ein paar Worte eben, sonst gar nichts.
    Einen zentralen Punkt der großen preispolitischen Diskussion in diesen Wochen und auch in diesem Hause stellt die Lohnpolitik der Tarifparteien dar. Um es ganz klar zu sagen, meine Damen und Herren: solange die Bundesregierung keine Angaben über ihre preispolitischen Ziele in den nächsten Jahren macht — also auf 3 % und 2 % Preissteigerungsrate usw. zurückzugehen —, solange sie nicht ihre Strategie mit einem breiten wirtschaftspolitischen Instrumentarium darlegt, solange man die Dinge treiben läßt, ist immer noch die Chance gegeben — auch in den nächsten Wochen —, daß sich die Tarifparteien auf das einigen, was für die Zukunft allgemein erwartet wird. Dann käme in den nächsten Wochen und Monaten wieder die bekannte Lohnformel heraus, nämlich: „Produktivitätssteigerung plus Preissteigerung". Hier erkennen wir zugleich, wie wichtig es wäre, wenn die Bundesregierung tatsächlich eine mittelfristige Gesamtrechnung aufmachen und einen mittelfristigen Haushaltsplan für vier Jahre vorlegen



    Dr. Schiller
    würde, wie wichtig es gewesen wäre, wenn die Bundesregierung diese Planungen und diese Rechnungen mit einer abfallenden Preissteigerungsrate versehen hätte. Sie würde damit nämlich die Preiserwartungen aller günstig beeinflussen. Aber die Bundesregierung tut dies nicht; sie begnügt sich in ihrer Erklärung mit einer Reprise ihrer bekannten Appelle an die Disziplin der Sozialpartner. Diesmal war es auf diesem Gebiet nur ein Kurzappell. Im übrigen verweist man auf die Möglichkeiten eines Dialogs mit allen wichtigen sozialen Gruppen.
    Nun, meine Damen und Herren von der Regierungskoalition, wir freuen uns, daß Sie unseren Gedanken eines Dialogs mit den Sozialpartnern — von seiten des Staates her eingeleitet — aufgenommen haben.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Der Erfinder des Dialogs!)

    — Sie fassen das immer als eine Teestunde, eine Schaumburger Teestunde auf.

    (Zuruf von der Mitte: Wir wollen uns doch nicht etwas weismachen lassen!)

    — Nun gut, wenn Sie dem zustimmen, was ich jetzt zu dem Dialog sage, sind wir schon einen Schritt weitergekommen. Ich meine nämlich, für diesen Dialog ist es notwendig, daß man die volkswirtschaftliche Gesamtrechnung ausbaut, daß man den Sachverständigenrat von seiten der Regierung in seiner Autorität stärkt und respektiert

    (Beifall bei der SPD)

    und das neueste Gutachten des Sachverständigenrates für diese Diskussion auf den Tisch legt. Das nenne ich Dialog. Wie wir gehört haben, ist das letzte Gutachten des Sachverständigenrates am 15. November — wohl termingerecht — eingegangen. Der Bundespressechef hat gesagt, dieses Sachverständigengutachten werde mit der Stellungnahme der Bundesregierung etwa im Januar erscheinen.

    (Hört! Hört! bei der SPD.)

    Meine Damen und Herren, das zeigt, wie weit wir noch von dem entfernt sind, was dieser Dialog eigentlich sein sollte,

    (Abg. Wehner: Sehr wahr!)

    nämlich eine rechtzeitige Information der Sozialpartner,

    (Beifall bei der SPD)

    eine rechtzeitige Information über den Stand der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung, über die mutmaßliche Entwicklung des kommenden Jahres, rechtzeitig, bevor die Tarifparteien ihre Forderungen publiziert haben, bevor sie sich ihre Meinungen gebildet haben.
    Sie sehen, meine Damen und Herren, daß der richtige Zeitpunkt für einen rationalen Dialog wieder einmal verpaßt ist; denn jetzt sind wir schon mittendrin.

    (Widerspruch in der Mitte.)

    — Ja, Sie schütteln das Haupt. Das sind doch aber
    Tatbestände, die vorliegen und die man einfach erwähnen muß, wenn man davon spricht, daß die
    Lohnpolitik und die Einkommenspolitik für das weitere Gleichgewicht von Bedeutung sind. Ich bin der Meinung, daß eine neue Auffassung von der Verantwortlichkeit der Wirtschafts- und Finanzpolitik auf diesem Gebiet notwendig ist. Natürlich soll auch weiterhin die Lohnbildung des Geschäft der autonomen Tarifparteien sein; aber der Staat hat die Pflicht, rechtzeitig Orientierungshilfen zu geben.

    (Beifall bei der SPD.)

    Diese Orientierungshilfen sind auch diesmal in der neuen Runde, in der wir stehen, nicht gegeben worden.

    (Abg. Wehner: Hört! Hört!)

    Meine Damen und Herren, ich hoffe noch immer, daß sich die Bundesregierung nach der Veröffentlichung des Sachverständigenrates, die eigentlich heute bei dieser Debatte auf dem Tisch liegen müßte, korrigiert und in einer Erklärung etwa sagt: „Die Darstellung des Bundespressechefs war ein bedauerlicher, aber verständlicher Irrtum; die Bundesregierung wird das Sachverständigengutachten morgen unverzüglich der Öffentlichkeit übergeben. Das wäre eine gute Lösung."

    (Beifall bei der SPD.)

    Dann ist weiter noch ein kleines Gebiet zu erwähnen, bevor wir auf das Programm zu sprechen kommen, das ist das Gebiet der Wettbewerbspolitik und der Ordnungspolitik. Das ist ja auch wichtig für die Preisbildung. Ordnungspolitik war früher ein Lieblingsthema von Ludwig Erhard, als er noch ein Neo-Liberaler war. Heute, im nebligen Dämmerlicht der formierten Gesellschaft, scheint das alles nicht mehr so zu stimmen. Heute ist er kein Liberaler mehr. — Aber ich komme gleich darauf zurück.
    In der Tat, was wir in der Regierungserklärung über die Weiterentwicklung des Wettbewerbsrechts, der Wettbewerbsordnung, der marktwirtschaftlichen Ordnung vernahmen, war zartestes Pianissimo; da ist eine kleine Verbeugung vor den Mittelschichten und vor ihrer zwischenbetrieblichen Kooperation. Und dann steht nur ein kurzer Satz da: „Es bleibt das unablässige Bemühen der Wirtschaftspolitik, mißbräuchliche wirtschaftliche Machtausnutzung zu verhindern. Das ist alles, meine Damen und Herren, was von dem neoliberalen Aufbruch übrigblieb. Gestern — im 4. Bundestag — zog man noch gegen die Preisbindung der zweiten Hand zu Felde. Heute hört man nichts mehr davon.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Wer zog dagegen zu Felde?)

    — Na, Sie doch auch. Ihr heutiger Bundeskanzler und damaliger Bundeswirtschaftsminister war — und ich hoffe, er ist es auch noch — persönlich gegen die Preisbindung der zweiten Hand. Er hat das bloß nicht durchgebracht.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Aber die SPD auch!)

    — O nein, wir haben uns in diesem Punkte ganz. eindeutig geäußert.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Nein, Sie waren ja damals noch gar nicht hier! — Sie können das nicht wissen!)




    Dr. Schiller
    — Doch, ich kann das wissen. Ich bin sogar in dieser Sitzung gewesen. Sie müssen nicht so vorschnell etwas behaupten. Der Wirtschaftsausschuß des Deutschen Bundestages tagt — im Unterschied zum Plenum — hin und wieder in Berlin; als Vertreter des Landes Berlin war ich bei diesen Sitzungen dabei.

    (Beifall bei der SPD.)

    Auf jeden Fall finden Sie beim besten Willen in der Regierungserklärung kaum etwas über die Wettbewerbspolitik. Selbst des Marktes liebstes Kind, der Verbraucher, fehlt in der Regierungserklärung gänzlich. Und dabei hat man doch sonst so fleißig alle erreichbaren Vokabeln zusammengetragen! Ich kann nur fragen, meine Damen und Herren: „Sind die Helden des Marktes müde geworden? Ist man auch in diesem marktwirtschaftlichen Kurs unsicher geworden?"
    Nach diesen Bemerkungen möchte ich nun das, was mir für einen sofortigen und erfolgreichen Feldzug gegen die Preissteigerung notwendig erscheint, zusammenfassen. Zuerst das Allerwichtigste: Die Bevölkerung muß ihr Vertrauen in eine stabile wirtschaftliche und finanzielle Entwicklung zurückgewinnen. Um es deutlicher zu sagen: Die Bevölkerung braucht eine Regierung, der sie vertrauen kann.

    (Zurufe von der CDU/CSU: Ja, ja!)

    — Ich freue mich, daß Sie mir so zustimmen. Die Bevölkerung braucht eine Regierung, die in ihren Worten glaubwürdig und in ihrem Handeln vertrauenswürdig ist. Das ist die erste Vorbedingung.

    (Beifall bei der SPD.)

    Ein schlechter politischer Stil, meine Damen und Herren, verdirbt auch die Märkte und Preise; das möchte ich hier sagen.

    (Beifall bei der SPD.)

    Solange die Bedingungen für einen guten politischen Stil nicht gegeben sind, helfen auch die technischen Mittel der Wirtschafts- und Finanzpolitik nur sehr begrenzt.
    Nun zu den technischen Mitteln ein paar Grundsätze! Erstens: Wir erreichen eine Umkehr in der schleichenden Inflation nicht dadurch, daß wir die Volkswirtschaft einer Roßkur à la Brüning, einer allgemeinen Deflation unterwerfen. Das würde Wachstum und Vollbeschäftigung in Gefahr bringen und die Produktionskosten durch Minderauslastung nur steigern. Wir sind uns, glaube ich, in diesem ersten Punkte einig. Er lautet: Die Expansion der Güterproduktion muß weitergehen.
    Zweitens: Preis- und Lohnstopps sind ganz und gar untaugliche Mittel der Stabilisierung.

    (Beifall bei der CDU/CSU. — Rufe von der SPD zur CDU/CSU.)

    Drittens. Der Bevölkerung müssen klare Ziele der ökonomischen Entwicklung gezeigt werden. Eine mittelfristige volkswirtschaftliche Gesamtrechnung mit Projektion und ein mittelfristiger balancierter Finanzplan sind notwendig und müssen der Bevölkerung Aufschluß über die kommenden Aufgaben und Belastungen geben.
    Viertens. Die Geldpolitik der Bundesbank und die Finanzpolitik der öffentlichen Hände müssen aufeinander abgestimmt werden. Hier ist als erste Maßnahme die Einsetzung eines Konjunkturrates notwendig.

    (Zuruf von der Mitte: Noch ein Rat! — Lachen in der Mitte.)

    — Warum den nicht? Der Bundeswirtschaftsminister ist verantwortlich für die Konjunktur und für die Preise. Er hat keine Instrumente. Warum gibt man ihm nicht das Instrument Konjunkturrat? In diesem Konjunkturrat sollten versammelt sein der Bundeswirtschaftsminister, der Bundesfinanzminister, der Präsident der Bundesbank, die Vorsitzenden der Landesfinanzminister- und Landeswirtschaftsministerkonferenzen. Dann hat der Bundeswirtschaftsminister in diesem Konjunkturrat endlich alle die Figuren versammelt, die die entscheidenden Instrumente in der Hand haben. Das ist ein erster Vorschlag.

    (Zuruf von der Mitte: Seelenmassage!) — Das ist gar keine Seelenmassage.

    Fünftens: Zur Deckung des Kapitalbedarfs der öffentlichen Hände und der privaten Wirtschaft muß alles versucht werden, um den Kapitalmarkt wieder zu beleben. Deswegen sollte der Konjunkturrat als erstes prüfen, wann die Kuponsteuer wieder aufgehoben werden sollte. Damit haben Sie diesen Punkt.
    Sechstens: Die noch bestehenden Möglichkeiten für zusätzliche Einfuhren sollten rechtzeitig ausgeschöpft werden. Es sollten nicht erst Anträge in Brüssel gestellt werden, wenn die Versorgungslükken offensichtlich werden.

    (Beifall bei der SPD.)

    Die Einfuhr- und Vorratsstellen müssen unverzüglich angewiesen werden, preissenkende Auslagerungen vorzunehmen.
    Siebtens: Die Preisbindung der zweiten Hand ist durch eine Novelle zum Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkung sofort aufzuheben.

    (Beifall bei der SPD.)

    Achtens: Die in dem vorhin beschriebenen Sinne angedeutete mittelfristige Wirtschafts- und Finanzpolitik muß es den Tarifparteien ermöglichen, bei ihren autonomen Entscheidungen den Kompromiß zu finden, der mit den Maßstäben der kommenden Jahre im Einklang steht. Damit sollte Ziel der zukünftigen Bemühungen auf diesem Gebiete sein, eine Einkommenspolitik zu erreichen, die sich in das Rahmenwerk der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung einfügt. Eine solche Einkommenspolitik, die neu ist und die die Autonomie der Tarifparteien voll zu respektieren hat, ist für die Tarifparteien allerdings so lange unzumutbar, wie die öffentlichen Hände ihrerseits sich nicht an das Rahmenwerk halten.
    Meine Damen und Herren, .das waren die paar Punkte, die ich zu diesem Thema aufzuführen hatte. Ich komme nun zu dem letzten, dem gesellschaftspoli-



    Dr. Schiller
    tischen Teil, der ja bei dem Herrn Bundeskanzler in seiner Regierungserklärung am Anfang stand. Wir alle haben wohl feststellen müssen, daß uns die Regierungserklärung weder die Lage der Nation so schonungslos schilderte, wie das nötig ist, noch uns Auskünfte über die politischen Richtlinien gab. Das alles blieb offen.
    Die „Times” hat bekanntlich den Herrn Bundeskanzler mit einem Dienstgrad etwa der Berliner Verkehrs-Gesellschaft verglichen, der Fahrgäste mit den allerverschiedensten Reisezielen in seinem Omnibus sitzen hat und nun in Schwierigkeiten gerät, den Kurs seines Fahrzeugs zu bestimmen. Meine Damen und Herren, ich wage nicht, einen solchen Vergleich selber zu ziehen. Aber wenn ich das vernehme, werde ich an eine Kurzgeschichte von zwei Sätzen erinnert, die auch Frau Landmann in ihre herrliche Sammlung jüdischer Witze aufgenommen hat: Zwei auf dem Bahnsteig wollen einander aus geschäftlichen Gründen nicht ihr Reiseziel verraten. Schließlich sagt einer: „Du bist so schlau und sagst wirklich die Wahrheit; Du willst da und da hin." Dies angewendet auf die Regierung und ihre Erklärung: Die Bundesregierung ist so klug; sie sagt die Wahrheit in der Regierungserklärung, und die Wahrheit lautete: Sie hat einfach kein Reiseziel.

    (Widerspruch in der Mitte.) — Die Bundesregierung hat kein Konzept!


    (Starker Beifall bei der SPD. — Anhaltende Zurufe von der Mitte.)

    Das neueste Beweisstück dafür, daß die Bundesregierung kein Reiseziel hat,

    (Abg. Haase [Kassel] : Ein Witz!)

    hat uns doch jetzt der Bundeswirtschaftsminister Schmücker mit seinem Vorschlag geliefert, die Mineralölgesellschaften sollten die deutschen Kohlenzechen aufkaufen und dann stillegen.

    (Lachen bei der SPD.)

    Dabei möchte ich hinzufügen: das Bundeswirtschaftsministerium hat allerdings schon seit längerer Zeit den Schlußverkauf eigener Ideen mit Erfolg hinter sich gebracht.

    (Zurufe von der Mitte.)

    Aber mit dem neuen Beitrag des Bundeswirtschaftsministers zur Kohlenfrage ist seine Wahrheitsliebe auf eindrucksvolle Weise bestätigt: nach sieben Jahren Kohlenkrise hat die Bundesregierung tatsächlich immer noch keinen energiepolitischen Plan. Das ist die Wahrheit.

    (Beifall bei der SPD.)

    Wir wissen auch, weshalb diese Bundesregierung keine Ziele und keine Lösungen angeboten hat. Weil wir und Sie alle in einer Welt von Konflikten leben! Vor diesen Konflikten scheut sie zurück! Die häufigsten Vokabeln bestehen aus „Bemühungen fortsetzen", „prüfen", „Sorge tragen", und in dieser Wirklichkeit spricht der Bundeskanzler seinen riesengroßen Gedanken von der „formierten Gesellschaft" aus, die nach seinen Worten schon begonnen hat. Eine Fülle von beglückenden Definitionen wird uns dargeboten. Zum Beispiel sei die „formierte Gesellschaft" ihrem Wesen nach eine friedliche Gesellschaft, die auf der dynamischen Kraft des Interessenausgleichs beruht". Das hindert den Kanzler in seinem großen erhabenen Widerspruch nicht daran, an anderer Stelle dieser selben Regierungserklärung die Sozialpartner zu tadeln, „wenn sie sich auf Kosten der Allgemeinheit einigen". Ich frage: ist das eine friedliche Gesellschaft? Will der Kanzler da formieren? Ist es eine friedliche Gesellschaft, wenn ein staatliches Presse- und Informationsamt mit Steuergeldern Wahlpropaganda betreibt? Ich frage nur.

    (Beifall bei der SPD.)

    Ist es eine friedliche Gesellschaft, wenn, aus welchen Quellen immer, Summen mit dreistelligen Millionenziffern zur Kursstützung der VEBA-Volksaktien ausgegeben werden, ohne daß dabei irgendein Erfolg gegen die allgemeine Börsenbaisse erreicht wurde? Ist das eine friedliche Gesellschaft oder wird da gleichzeitig formiert?
    Weiter sagte der Kanzler:
    Die formierte Gesellschaft beruht auf der Überzeugung, daß die Menschen das ihrem eigenen Wohl Dienende zu tun bereit sind.
    Heißt das nun, daß jeder seinem eigenen Nutzen folgen sollte? So war es bei den Liberalen; die waren so ehrlich und meinten sogar, in summa komme dabei am meisten heraus. Aber ein Liberaler ist der Kanzler jetzt nicht mehr. Ist er mit seiner Spätlese „formierte Gesellschaft" ins Biedermeier hinübergewechselt?

    (Zurufe von der Mitte.)

    Ist diese

    (fortgesetzte Zurufe von der Mitte)

    — ja, ich frage, was das ist —

    (Zuruf von der Mitte: Ist das Ihre Limonade?)

    seine Spätlese ein Entlastungsvorgang, ein innerer Entlastungsvorgang, ein Versuch, sich als Kanzler vor den Händeln und Greueln dieser Welt, diesem. Hick-Hack innerhalb und außerhalb der Koalition, in eine Scheinwelt der formierten Gemütlichkeit zu flüchten?

    (Beifall bei der SPD. — Fortgesetzte Zurufe von der Mitte.)

    — Ich frage nur! Hören Sie mal weiter meine Fragen an! Sie sehen ja, wie unfriedlich diese Gesellschaft ist;

    (Heiterkeit und Zurufe)

    ich bin auch noch nicht formiert.
    Dabei ist das Bild der formierten Gesellschaft — ich verstehe das vollkommen — noch nicht einmal anziehend. Bei formierter Gesellschaft denkt man doch an Strammstehen, nicht wahr, an Strammstehen nicht auf Grund von Befehl und Gesetz,

    (fortgesetzte Zurufe von der Mitte)

    nein, Strammstehen auf Grund höherer Einsicht; das ist die formierte Gesellschaft.

    (Beifall und Heiterkeit bei der SPD. — Zurufe von der Mitte.)




    Dr. Schiller
    Sie selbst — die Mitglieder der Mehrheitskoalition — schienen ja beim Anhören dieses Sozialmodells „formierte Gesellschaft" nicht gerade von Begeisterung erfüllt zu sein. Und ein Bundesminister — ja, ein Bundesminister — diesmal war dieser Bundesminister etwas außerhalb der Formalität, nicht wahr —, gab sich da lieber dem Genuß des General-Anzeigers aus einer kleinen verträumten Universitätsstadt am Rhein hin;

    (Zuruf von der Mitte: Was Sie nicht sagen!)

    das war sein Verhalten als das Modell der formierten Gesellschaft.

    (Anhaltende Zurufe von der Mitte.)

    Meine Damen und Herren, ich kann nur feststellen: Es besteht eine tiefe Kluft zwischen der „formierten Gesellschaft" als Leitmodell, soweit man sie erfassen kann, und den „neuen Wirklichkeiten", von denen Dr. Barzel in der letzten Zeit öfter gesprochen hat. Diese Kluft zwischen des Kanzlers Leitmotiv und Dr. Barzels Realität soll nun die Basis für eine aktive, homogene Politik der Koalition sein!

    (Zurufe von der Mitte: Denken Sie mal an!)

    Von welchem Rand der Kluft aus soll die Politik der Koalition ihre Glaubwürdigkeit beziehen?

    (Zuruf von der Mitte: Zerbrechen Sie sich nicht unseren Kopf!)

    = Nun, das ist die Interpretation auf Grund des Anhörens der Regierungserklärung.
    Ich bin der Meinung: wenn wir uns die Wirklichkeit ansehen — und wir haben ja heute einiges von dieser Wirklichkeit gehört —, dann sehen wir, daß sie keine friedliche und keine formierte Gesellschaft, sondern eine pluralistische Gesellschaft ist, die wir als freie und offene Gesellschaft weiter entwickeln wollen. Der Wettstreit der organisierten Gruppen, der Wettstreit der Interessenverbände ist die besondere Form dieser pluralistischen Gesellschaft; denn sie ist gruppenhaft organisiert.
    Ich möchte nur noch ein Wort von Hennis über die Funktion dieser Verbände bringen: Wenn der Kanzler die Interessenklüngel,

    (Zuruf von der FDP: Schillers Märchen!)

    die Lobbyisten und die Funktionäre tadelt, so übersieht er dabei, daß alle diese Menschen eine unverzichtbare und vollkommen legitime Mittlerstellung in der modernen Gesellschaft einnehmen. „Wer sie beschimpft, beschimpft das Volk:"
    Das war ein Zitat von Hennis. Meine Damen und Herren, es zeigt, daß diese unsere Gesellschaft weiterhin ihre Interessenkämpfe haben wird, daß diese Gesellschaft durch diese Interessenkämpfe ihre besonderen Impulse produziert. Was ihr fehlt, ist etwas ganz anderes: Diese Gesellschaft braucht eine Regierung mit Entschlossenheit und auctoritas, eine Regierung, die mit den Gruppen der Gesellschaft freimütig und bestimmt umgehen kann, wachsam, skeptisch, aber ohne Ressentiment und ohne heimliche Fluchtgedanken in eine gemütlichere Welt der formierten Gesellschaft. Das braucht diese Gesellschaft heute.

    (Beifall bei der SPD.)

    Meine Damen und Herren, wie wenig man mit dem Modell der formierten Gesellschaft weiterkommt, das könnte man auch noch an dem Beispiel zeigen, das aus der neuen Regierungserklärung so deutlich zu sehen ist, nämlich aus dem unguten Verhältnis der Bundesregierung zu den geistigen und kulturellen Kräften dieses Volkes. Da ist ein Unterschied. In der alten Erklärung von 1963 war noch ein Aufruf, ein Appell zur Mitarbeit der „schöpferischen Menschen in diesem Staate". So stand es da wörtlich. Das ist jetzt alles ganz anders geworden. Ist da ein deutlicher Wandel eingetreten durch das neue Leitmotiv des Kanzlers? Ich bin der Meinung, da bestehen in der Tat enge Beziehungen. In der formierten Gesellschaft gedeihen natürlich keine unabhängigen, widerborstigen Intellektuellen. Aber in unserer Gesellschaft, in der wir leben, heißt es auch für den Bundeskanzler, mit jenen unabhängigen, fachlich ungebundenen Kräften zu leben.
    Meine Damen und Herren, von diesem war in der Regierungserklärung vom 10. November kaum etwas zu spüren. Sie blieb auch hier verbindlich-unverbindlich, ganz im Allgemeinen, und so muß man über jene zwei Stunden und zwei Minuten vom 10. November sagen: Es war ein Maximum in der Aufzählung von Fachgebieten und Sachpunkten, es war ein Minimum an konkreter politischer Aussage. Um mit Bert Brecht zu sprechen, könnte der Kanzler sagen: „Und ich blieb ganz allgemein."

    (Heiterkeit und Beifall bei der SPD.)

    Doch wir könnten dann mit Bert Brecht fortsetzen und auch die Antwort geben: „Ach, da gibt's überhaupt nur: Nein."

    (Anhaltender lebhafter Beifall bei der SPD. — Abg. Haase [Kellinghusen] : Nein-Partei! Partei des Nein! — Weitere Zurufe von der CDU/CSU.)