Rede:
ID0500723900

insert_comment

Metadaten
  • sort_by_alphaVokabular
    Vokabeln: 8
    1. Das: 1
    2. Wort: 1
    3. hat: 1
    4. der: 1
    5. Herr: 1
    6. Abgeordnete: 1
    7. Professor: 1
    8. Schiller.\n: 1
  • tocInhaltsverzeichnis
    Deutscher Bundestag 7. Sitzung Bonn, den 29. November 1965 Inhalt: Überweisung an den Haushaltsausschuß . . 69 A Erweiterung der Tagesordnung . . . . . 69 B Abwicklung der Fragestunde . . . . . . 69 B Fragestunde (Drucksache V/38) Frage des Abg. Biechele: Versuche zur Vermeidung von Gesundheitsschäden durch Auspuffgase Grund, Staatssekretär . . . . . 69 D Biechele (CDU/CSU) 70 A Frage des Abg. Biechele: Versuche mit CO-Kontrollplaketten Grund, Staatssekretär 70 B Biechele (CDU/CSU) 70 C Fragen des Abg. Dr. Kliesing (Honnef) : Änderung der Regelung des § 14 Kraftfahrzeugsteuergesetz Grund, Staatssekretär 71 A Frage des Abg. Ertl: Verhandlungen über die Agrarfinanzierung in Brüssel Grund, Staatssekretär 71 B Ertl (FDP) 71 B Frage des Abg. Dr. Schmidt (Wuppertal) : Steuerrechtliche Gleichbehandlung der Bandweber mit Gewerbetreibenden Grund, Staatssekretär . . . . . . 71 C Dr. Schmidt (Wuppertal) (CDU/CSU) 72 A Fragen des Abg. Folger: Erhebung der Sektsteuer Grund, Staatssekretär . . . . . . 72 B Felder (SPD) . . . . . . . . . 72 C Frage des Abg. Genscher: Bewertung von Halb- und Fertigfabrikaten 72 C Frage des Abg. Genscher: Anerkennung der Unterstellkosten für Kfz in Parkhäusern etc. in der Nähe des Arbeitsplatzes als Werbungskosten . . 72 C Fragen des Abg. Dr. Marx (Kaiserslautern): Schießplatz in Landstuhl, Kreis Kaiserslautern Grund, Staatssekretär . . . . . . 72 D Frage des Abg. Dr. Marx (Kaiserslautern): Entschädigung für Nutzungen von Forstflächen durch alliierte Streitkräfte 72 D II Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 7. Sitzung. Bonn, Montag, den 29. November 1965 Fragen des Abg. Dr. Wuermeling: Kürzung der Ausbildungszulage Grund, Staatssekretär . . . . . . 73 A Dr. Wuermeling (CDU/CSU) . . . . 73 C Dröscher (SPD) . . . . . . . 74 B Westphal (SPD) . . . . . . . . 74 C Frage des Abg. Sanger: Bericht über die Konzentration in der Wirtschaft Dr. Langer, Staatssekretär . . 74 D Sänger (SPD) 75 A Schmitt-Vockenhausen (SPD) . . 75 C Fragen der Abg. Flämig und Dr. Tamblé: Maßnahmen zur Verhinderung eines durch längeren Stromausfall etwa entstehenden Chaos' Dr. Langer, Staatssekretär 76 A, 76 C Flämig (SPD) 76 B Fragen der Abg. Frau Schanzenbach:. Industrieansiedlungen im badischen Grenzland — Lieferbedingungen für neue Stromkraftwerke am Oberrhein . 76 D Frage des Abg. Dr. Müller-Hermann: Referenzpreise für Orangen Höcherl, Bundesminister 76 D Dr. Müller-Hermann (CDU/CSU) . 77 A Frage des Abg. Schmitt-Vockenhausen: Bekämpfung von Tierseuchen Höcherl, Bundesminister 77 C Fragen des Abg. Schwabe: Roggenmischbrot 77 C Frage des Abg. Dröscher: Beteiligung des Landes Rheinland-Pfalz an Mitteln aus dem Ausrichtungs- und Garantiefonds der EWG Höcherl, Bundesminister . . . . . 77 D Frage des Abg. Schmidt (Braunschweig) : Einfuhr von Zuckerschnitzeln Höcherl, Bundesminister . . . . . 77 D Fragen der Abg. Frau Dr. Krips: Verteuerung der Apfelsinen durch Referenzpreise Höcherl, Bundesminister . . . . . 78 A Frau Dr. Krips (SPD) . . . . . . 78 B Frage des Abg. Ertl: Verspätetes Erscheinen der Richtlinien für die landwirtschaftliche Anpassungshilfe Höcherl, Bundesminister . . . . 78 C Ertl (FDP) 78 C Frage des Abg. Ertl: Mittel für bauliche Maßnahmen in der Landwirtschaft Höcherl, Bundesminister 78 D Ertl (FDP) . . . . 78 D Fragen des Abg. Bading: Anpassungsbeihilfe für landwirtschaftliche Betriebsinhaber Höcherl, Bundesminister . 79 A, 79 B Bading (SPD) . . . . . . . . . 79 B Fragen des Abg. Leukert: Bindungsermächtigung in Höhe von 120 Mio DM für die ländliche Siedlung Höcherl, Bundesminister 79 D Leukert (CDU/CSU) . . . . . . 79 D Fragen des Abg. Reichmann: Ausformdaten für Butter Höcherl, Bundesminister 80 B Reichmann (FDP) . . . . . . . 80 B Fragen des Abg. Wächter: Notwendigkeit einer einheitlichen Regelung betr. Attestierung des Freiseins von Maul- und Klauenseuche bei der Einfuhr von Zucht- und Nutzvieh Höcherl, Bundesminister 80 C Wächter (FDP) . . . . . . . . . 81 A Fragen des Abg. Büttner: Moderne Mastmethoden bei Hühnern, Kälbern und Schweinen Höcherl, Bundesminister . 81 B, 81 D Büttner (SPD) . . . . . 81 B, 82 A Frage des Abg. Schmitt-Vockenhausen: Tierquälerische Methoden der fabrikmäßigen Aufzucht von Tieren Höcherl, Bundesminister 82 B Schmitt-Vockenhausen (SPD) . . . 82 B Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 7. Sitzung. Bonn, Montag, den 29. November 1965 III Aussprache über die Erklärung der Bundesregierung in Verbindung mit dem Entwurf eines Gesetzes zur Sicherung des Haushaltsausgleichs (Haushaltssicherungsgesetz) (Drucksache V/58) Dr. Barzel (CDU/CSU) 82 C Erler (SPD) 91 C Dr. Dr. h. c. Erhard, Bundeskanzler 106 C Freiherr von Kühlmann-Stumm (FDP) 110 D Dr. Althammer (CDU/CSU) . . . . 119 B Dr. Schiller (SPD) 127 C Nächste Sitzung 136 D Anlagen 137 A Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode 7. Sitzung. Bonn, Montag, den 29. November 1965 69 7. Sitzung Bonn, den 29. November 1965 Stenographischer Bericht Beginn: 14.03 Uhr
  • folderAnlagen
    Anlage 1 Liste der beurlaubten Abgeordneten Abgeordnete (r) beurlaubt bis einschließlich a) Beurlaubungen Dr. Arndt /Berlin /Köln 2. 12. Bäuerle 29. 11. Dr.-Ing. Balke 29. 11. Frau Berger-Heise 7. 12. Dr. Birrenbach 2. 12. Blachstein 30. 11. Dr. Czaja 29. 11. Deringer 29. 11. Diekmann 29. 11. Eisenmann 29. 11. Dr. Freiwald 29. 11. Fritz /Welsheim 29. 11. Dr. h. c. Güde 2. 12. Haar /Stuttgart 29. 11. Hilbert 2. 12. Hörmann /Freiburg 30. 11. Jaschke 2. 12. Dr. Koch 29. 11. Koenen /Lippstadt 31. 12. Kubitza 29. 11. Lemmer 29. 11. Lücker /München * 30. 11. Marquardt 2. 12. Mauk * 30. 11. Memmel 29. 11. Dr. h. c. Menne /Frankfurt 29. 11. Dr. h. c. Dr.-Ing. Möller 29. 11. Dr. Morgenstern 29. 11. Dr. Müthling 30. 11. Paul ** 29. 11. Peters /Norden 29. 11. Rawe 8. 12. Dr. Reischl 29. 11. Röhner 30. 11. Sander 29. 1.1. Frau Schanzenbach 31. 12. Frau Schimschok 31. 12. Schmidt /Würgendorf 2. 12. Schultz 2. 12. Seither 29. 11. Dr. Siemer 30. 11. Spillecke 2. 12. Spitzmüller 2. 12. Dr. Vogel 29. 11. Dr. Wahl ** 3. 12. Wienand 29, 11. Dr. Wörner 3. 12. Zerbe 2. 12. b) Urlaubsanträge Kriedemann 31. 12. * Für die Teilnahme an einer Ausschußsitzung des Europäischen Parlaments ** Für die Teilnahme an einer Ausschußsitzung des Europarats Anlagen zum Stenographischen Bericht Anlage 2 Schriftliche Ergänzung zu den mündlichen Ausführungen des Abgeordneten Dr. Walter Althammer Gesetzentwürfe und kostenwirksame Anträge aus der SPD-Fraktion in Mio DM IV /273 Gesetz über die Gewährung von Sparbeiträgen 360 IV /415 Gesetz über die Ausbildungsförderung 750 IV /468 Bundeskindergeldgesetz 220 IV /562 2. Gesetz zur Änderung und Verbesserung des Mutterschutzgesetzes . 590 IV /694 Flüchtlingsgesetz 900 IV /1850 3. Wohnungsbaugesetz 800 IV /1855 Europäisches Jugendwerk 50 IV /1947 3. Gesetz zur Änderung des Gesetzes über Altershilfe für Landwirte 210 IV /2005 Änderung der Zuschußrichtlinien für Straßenbaumaßnahmen der Gemeinden 110 IV /2338 Kredit- und Bürgschaftsprogramm gegen Luftverschmutzung 15 IV /2575 Schiffbarmachung der Saar 48 IV /2608 Kindergeldgesetz - hier Wegfall der Einkommensgrenze - 780 IV /2626 Änderung des Gesetzes über Wohnbeihilfen 40 IV /2687 Änderung des Vermögensbildungsgesetzes 170 IV /2770 Änderung des Gesetzes über Weihnachtszuwendungen 90 IV /2782 Gesetz zur Änderung des Postverwaltungsgesetzes 820 IV /2822 Marktstrukturgesetz 600 IV /2751 Änderung des Bundesfernstraßengesetzes 40 IV /3605 Kriegsgefangenenentschädigungsgesetz 500 dazu Einnahmeausfälle IV /64 Zuckersteuer 110 IV /65 Kaffeesteuer 1 000 IV /66 Teesteuer 32 IV /2047 EStG, erschwerte Haushaltsführung 273 IV /2687 Änderung des Vermögensbildungsgesetzes 170 IV /2782 Änderung des Postverwaltungsgesetzes 600 9 278 138 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 7. Sitzung. Bonn, Montag, den 29. November 1965 Abzusetzen Einnahmeerhöhungen entspresprechend den Anträgen IV /722, 1569, 1567 — 358 insgesamt 8 920 Bei den Anträgen IV /2687 und 2782 wurden Mehrkosten und Einnahmeausfälle getrennt aufgeführt. Mehrkosten nicht zu beziffern IV /358 Änderung des II. Vierjahresplanes zum Ausbau der Bundesfernstraßen (in 4 Jahren 3 Mrd. DM mehr) IV /406 Beseitigung sozialer Härten aus der Währungsreform IV /1347 Abzugsfähigkeit von Ausbildungskosten IV /1494 Förderung von Wissenschaft und Forschung IV /2332 16. Änderungsgesetz zum UStG
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Walter Althammer


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)

    Herr Kollege Erler, ich darf vielleicht noch einmal ganz klar herausstellen, warum ich Ihnen diese Dinge hier ausdrücklich vorgeführt habe. Ich bin nämlich der Meinung, daß die Opposition nicht gut daran täte, dieses Doppelspiel fortzusetzen.

    (Zuruf von der Mitte: Doppelspiel!)

    Entweder soll sie sagen, sie sei für Mehrausgaben. Gut, das ist ihr Standpunkt; die Regierung und die Regierungsmehrheit werden dann entscheiden, was geschehen soll. Aber sie kann nicht gleichzeitig immer und überall mehr verlangen und der Regierung auf der anderen Seite den Vorwurf machen, es sei zuviel ausgegeben worden. Darum geht es.

    (Beifall bei der CDU/CSU. — Abg. Erler: Wer hat denn hier die Mehrheit? Haben Sie die Mehrausgaben beschlossen oder nicht?)




    Dr. Althammer
    — Ich darf vielleicht darum bitten, daß Sie diese Dinge, die für Sie vielleicht hart sein mögen, trotzdem einmal zur Kenntnis nehmen.

    (Zurufe von der CDU/CSU. — Abg. Erler: Wo kommen denn die 6 Milliarden her, von Ihnen oder von uns?)

    Ich darf auf diesen Punkt, der mit der längerfristigen Haushaltsplanung im Zusammenhang steht, noch näher eingehen. Die SPD hat uns immer vorgeworfen, daß wir keine Schwerpunkte bildeten, die auch im Haushalt abzulesen seien. Ich habe mich bei der ersten Lesung des Haushalts 1965 der Mühe unterzogen, diese Schwerpunkte ganz klar herauszustellen. Ich darf auf meine damaligen Ausführungen verweisen, aus denen sich diese Schwerpunkte, Beseitigung der Kriegsfolgelasten, Wiedergutmachungsleistungen, soziale Ausgaben, Verteidigungsbeitrag und dann als neue Schwerpunkte Straßenbau, Verkehrsförderung und jetzt Wissenschaft und Forschung ergeben, verweisen. Der SPD war diese Schwerpunktbildung nicht genug. Sie verlangte und verlangt einen Mehrjahreshaushalt mit einer genauen Planung für die Zukunft. Sie selbst hat im Juli 1965 für den Bund eine solche konkrete Vorausplanung vorgelegt und war auf diese sehr stolz. Ich darf zitieren, was im SPD-Pressedienst vom 6. September 1965 darüber gestanden hat:
    Die SPD ist vor dieser Bundestagswahl 1965 die einzige Partei, die den Mut und das Verantwortungsbewußtsein hat, ein klares und ausgewogenes Ausgaben- und Finanzierungsprogramm für die nächste Legislaturperiode vorzulegen und damit die Erklärung zu verbinden, daß sie die Steuern nicht erhöhen wird.
    Meine sehr verehrten Damen und Herren, wer allerdings erwartet hatte, daß die rund 20 Programme, die von der SPD im Verlaufe des Wahlkampfes verkündet worden sind, mit genauen finanziellen Berechnungen vorgelegt worden wären, sah sich getäuscht.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Das war geheim!)

    Immerhin wurde eine konkrete Vorausberechnung der Einnahmen des Bundes für die kommenden vier Jahre gegeben. Dabei errechneten Kollege Alex Möller und seine Mitarbeiter zunächst eine Zuwachsrate von 76 Milliarden DM — basierend auf der Einnahmeentwicklung der Jahre 1961 bis 1965. Auf dieser Basis wurden die verschiedenen Ausgabenbereiche mit ihren Steigerungsquoten von der SPD festgesetzt. Dabei ging die SPD in ihrem Finanzierungsplan von der Voraussetzung aus, daß über 50 Milliarden DM dieser Mehreinnahmen bereits durch bestehende Verpflichtungen fetsgelegt seien. Rund ein Drittel sollte der Finanzierung der SPD- Programe dienen. Die konkrete Summe, die sie von dieser Gesamtsumme abzweigen wollte, wurde immer wieder geändert — von einem Volumen von 25 Milliarden DM bis schließlich herunter auf 18,5 Milliarden DM.
    Dieses große Programm mit einer Fülle von Programmpunkten wurde von der SPD herausgestellt, aber die genauen Zahlenangaben fehlten. Man konnte nur in einzelnen Fällen recht mühsam irgendwelche Anhaltspunkte finden. So ist z. B. Zahlenmaterial für die sogenannte Volksversicherung vorgelegt worden. Dieses Zahlenmaterial wurde sofort lebhaft umstritten und nie ganz klargestellt. Pauschal waren auch die Angaben darüber, daß etwa 5 % des Bruttosozialprodukts für Bildung und Kultur ausgegeben werden sollten. Weiter wurde die Angabe gemacht, daß ab 1. Januar 1967 1 % des Gesamtsteueraufkommens zusätzlich an die Gemeinden zu leiten sei. Außerdem sollte die Gemeindequote an der Treibstoffsteuer auf 15 % erhöht werden.
    Auch zur Agrarfinanzierung wurden einige konkrete Zahlen genannt, die aber von verschiedenen Stellen der SPD wiederum verschieden angegeben wurden. In der Quotenaufschlüsselung des neuen Kollegen Klaus Dieter Arndt ist eine Zahl von 8 Milliarden DM genannt. In der Presseverlautbarung vom 13. August 1965 errechnet sich dann plötzlich ein Mehr von 4,5 Milliarden DM, wobei für 1969 ein Gesamtbetrag von 5,2 Milliarden genannt ist. Nach einer Presseerklärung von Professor Schiller am 4. Juli 1965 war jedoch für das Jahr 1969 plötzlich wieder eine Summe von 6,06 Milliarden DM vorgesehen.
    Schon aus diesen wenigen Zahlen ergibt sich die Fragwürdigkeit der Finanzierung dieser rund 20 Programme.

    (Zuruf der CDU/CSU: So etwas Unseriöses!)

    Man muß sich die Frage stellen, wie sich solche Widersprüche erklären. Vor allem aber muß man sich fragen, wo das genaue Finanzierungsprogramm, aus dem sich die SPD-Berechnungen für ihre Einzelprogramme ergeben, bleibt. Nicht einmal durch recht provokatorische Gegenrechnungen des Deutschen Industrieinstituts konnte sich die SPD dazu bewegen lassen, hier genaue Einzelangaben zu machen. Die Ausflüchte des SPD-Vorsitzenden Herrn Brandt klingen wirklich sehr lahm. Er erklärte am 2. September 1965 im Fernsehen, auf diesen Punkt angesprochen:
    Das Finanzierungsprogramm jetzt insgesamt zu veröffentlichen, würde bedeuten, daß ein wichtiges Werk dem Druck der Interessengruppen ausgesetzt würde. Das wollen wir nicht.

    (Abg. Rasner: Geheimpolitik!)

    Hier sind sie jetzt plötzlich, diese Interessengruppen!
    Die Zurückhaltung des damaligen Kanzlerkandidaten erwies sich allerdings als berechtigt. Binnen vier Wochen mußte die SPD unter dem Druck der sachkundigen Kritik ihr stolzes Werk demontieren.

    (Hört! Hört! bei der CDU/CSU.)

    Der Rückzug erfolgte in der Presseerklärung vom 9. September 1965. Nachdem zunächst auf vier Seiten Sperrfeuer geschossen wurde gegen die Einwände von Franz Josef Strauß, gegen die Einwände der CDU, gegen die Einwände des Industrieinstituts, gab Alex Möller am Schluß endlich zu, daß die für den Bund zu erwartenden Einnahmen nicht wie bisher
    126 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 7. Sitzung. Bonn, Montag, den 29, November 1965
    Dr. Althammer
    behauptet 76 Milliarden DM, sondern nur 48 Milliarden DM ausmachen würden.

    (Zurufe von der Mitte.)

    Mit einem Zauberschlag verschwinden plötzlich 28 Milliarden DM. Ich weiß nicht einmal, ob der Mitarbeiter Klaus Dieter Arndt dazu gekommen ist, diese 28 Milliarden DM von seiner Quotenaufteilung abzusetzen; in der Öffentlichkeit jedenfalls wurde davon nichts bekannt. Die SD-Wahlprogramme blieben dennoch unverändert. Das alles nährt doch einen schrecklichen Verdacht: Hielt es die SPD gar mit dem Märchen von des Kaisers neuen Kleidern? Gab es ein solches Finanzierungsprogramm am Ende etwa überhaupt nicht? Es wäre jedenfalls begreiflich, wenn die fleißigen Finanzexperten des SPD-Parteibüros die Ubersicht über diese Programmflut verloren hätten und mit dem Aufrechnen nicht mehr nachgekommen wären.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Ich möchte nicht annehmen, daß die Sammlung dieser SPD-Programme jetzt nach der fünften Wahlniederlage der Opposition eingemottet und erst 1969 wieder hervorgeholt wird. Weil wir aber annehmen, daß diese Punkte auch im Oppositionsprogramm der nächsten Jahre eine Rolle spielen, deshalb müssen wir nach der finanziellen Seite all dieser Vorhaben fragen.
    Alex Möller hat an das Ende seines Rückzugs bei diesen mißglückten Einnahmevorausschätzungen einen goldenen Satz gestellt, den ich hier wiederholen darf:
    Wer Geldwertstabilität will, muß sich nach der der Decke der Zukunft strecken.

    (Zustimmung in der Mitte.)

    Diese Decke wird zwar größer sein; sie ist aber nicht groß genug für Ausgabenerhöhungen an allen Fronten.
    Der abgetretene Kanzlerkandidat Brandt hat in seiner Eigenschaft als SPD-Vorsitzender — das ist er noch — erklärt, daß die Opposition ein sachliches Alternativprogramm vorstellen wolle.

    (Zurufe von der Mitte.)

    Hier in dieser Debatte ist zum erstenmal Gelegenheit, diesen neuen Stil der Opposition in Finanzfragen zu demonstrieren.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Ich muß leider feststellen, daß die erste Rede des Kollegen Erler dazu wenig Hoffnung gibt.
    Die Bundesregierung hat sich bei der Verkündung ihres Sparprogramms für das Haushaltsjahr 1965 auch ganz klar für die künftigen Jahre ausgesprochen. Der Bundeskanzler hat heute abend im Wortlaut zitiert, was die Bundesregierung bereits am 12. August 1965 über notwendige Kürzungen und Hinausschiebungen auch bei Gesetzen ausgeführt hat; das geschah am 12. August dieses Jahres, mitten im Wahlkampf. Kollege Möller hat einen Tag später in einer Presseerklärung folgendes festgestellt:
    Wir Sozialdemokraten haben klar zum Ausdruck gebracht, daß wir bei diesem finanzpolitischen Erbe es als die vordringlichste Aufgabe ansehen, das Jahr 1966 zum Jahr der Sicherung einer stabilen Finanzordnung zu machen.

    (Zuruf von der Mitte.)

    Sie sehen, meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, die Bundesregierung hat diese Maßnahmen bereits eingeleitet. Sie hat inzwischen nicht nur das Haushaltssicherungsgesetz eingebracht. Sie hat bereits auf Kabinettsebene Kürzungen in Höhe von mehr als 2 Milliarden DM durchgeführt, und sie wird noch weitere Kürzungen in Höhe von mehr als 2 Milliarden DM vornehmen. Wir von seiten der Koalition haben uns vorgenommen, im Parlament ebnfalls weitere Kürzungen vorzunehmen.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Dort liegt die Antwort auf Ihre Frage, wie wir dieser Verantwortlichkeit gerecht werden wollen. Es sind inzwischen nicht allein Vorschläge zur Änderung des Art. 113 des Grundgesetzes gemacht worden; es sind auch Vorschläge in Arbeit, die Geschäftsordnung dieses Hohen Hauses zu ändern, um in der Zukunft für die Sicherung der Währungsstabilität auch das notwendige Instrumentarium in der Hand zu haben.
    Der inzwischen abgelöste Kanzlerkandidat der SPD hat für seine nichtrealisierten Kanzlertage der Presse erklärt:
    Als erstes würde eine Beratung mit meinen
    engsten Mitarbeitern darüber sein, wie wir die
    Menschen in der Bundesrepublik ins Vertrauen
    ziehen, um zu einer Rangordnung der Aufgaben zu kommen.

    (Hört! Hört! in der Mitte.)

    Die Regierung — das darf ich hier feststellen — hat inzwischen bereits gehandelt.

    (Zuruf von der SPD: Wo denn? — Gegenruf von der Mitte: Da haben Sie geschlafen!)

    Es bleibt die Frage an die SPD: Will die SPD die Sorge um die Stabilität mit uns tragen? Das heißt konkret: Ist sie bereit, ihre Vorschläge in den Gesamtrahmen des verfügbaren finanziellen Haushaltsvolumens einzuplanen?

    (Sehr gut! in der Mitte.)

    Es ist die Frage: Wird die SPD die Regierung bei ihrem Bemühen sachlich unterstützen?
    Ich darf noch einmal Kollegen Möller zitieren, der laut Stuttgarter Nachrichten am 8. August dieses Jahres erklärt hat, daß der Bund über beträchtliche stille Reserven verfüge.

    (Zurufe von der SPD.)

    Auch im Landwirtschaftsetat habe er einige Polster. Jetzt kommt die Frage: Will Kollege Möller uns konkret sagen, was er damit meint und wo diese Stellen sind?

    (Beifall in der Mitte.)

    Wenn Parteivorsitzender Brandt erklärt, die SPD wolle ein sachliches Alternativprogramm entwickeln,

    (Zurufe von der SPD)




    Dr. Althammer
    dann frage ich: Wo sind diese sachlichen Alternativen?

    (Beifall bei der CDU/CSU.) .

    Oder aber soll das alte Spiel weitergehen, daß man die Regierung und die Koalition wegen zu hoher Ausgaben kritisiert,

    (Zuruf von der SPD: Natürlich!)

    daß man weiterhin so wie bisher von Wahlgeschenken spricht?

    (Sehr wahr! bei der SPD. — Zuruf des Abg. Mattick.— Gegenrufe von der Mitte.)

    Der Finanzexperte der SPD, der in einer Pressekonferenz am 19. August in Frankfurt konkret gefragt worden ist, worin er denn diese Wahlgeschenke sehe, hat darauf die Antwort gegeben, er halte eine solche Frage für „groben Unfug" und eine Antwort darauf für „einen politischen Selbstmord".

    (Aha!-Rufe und Lachen in der Mitte. — Zurufe von der SPD.)

    Ich darf die Frage noch einmal an den Kollegen Erler richten. Der Kollege Erler hat heute abend hier auch wieder von Wahlgeschenken gesprochen.

    (Zurufe von der SPD: Sehr richtig! Sehr wahr!)

    Ich fragen den Herrn Kollegen Erler und alle anderen Herren von der SPD, die hier so lautstark zustimmen: Welche Gesetze — bitte genau —, welche Anträge bezeichnen sie als Wahlgeschenke?

    (Beifall in der Mitte. — Zuruf des Abg. Eschmann .— Abg. Dr. Schäfer: Sie haben sie doch alle aufgeführt! — Gegenruf von der Mitte: Heraus mit der Sprache! — Sie drücken sich um die Wahrheit! — Abg. Haase [Kassel] : Wo sind die Experten?!)

    Die Opposition wird Antwort geben müssen auf die Frage, ob sie künftig den Realzuwachs des Bruttosozialprodukts als Orientierungsgrenze anerkennt oder aber ob das Wort vom Herrn Minister Kubel zu gelten hat. Wenn die SPD sich nach der finanziellen Decke strecken will, dann heißt das konkret, daß sie ihre Anträge auf die verfügbare Finanzmasse begrenzt. Das würde dann eine sehr interessante Auseinandersetzung in diesem Hause bedeuten, nämlich die Auseinandersetzung über die Rangfolge der einzelnen Leistungen.

    (Beifall in der Mitte. — Zurufe von der SPD.)

    Für die Opposition würde das bedeuten, daß sie um ihrer Glaubwürdigkeit willen auch sagen müßte, wo sie die zusätzlichen Milliarden, die sie für ihre Programme benötigt, wegkürzen will und wo sie Einsparungsvorschläge machen will.

    (Erneuter Beifall in der Mitte. — Anhaltende Zurufe von der SPD. — Gegenruf von der Mitte: Ja, schreit man!)

    Wenn die Opposition heute zu diesem neuen realistischen Stil in der Finanzpolitik fände, so wäre das ein gutes Ergebnis dieser Debatte. Die SPD könnte sich dann in Wahrheit um die Stabilität verdient machen. Wir haben jetzt 16 Jahre lang wortgewaltige Negation von der SPD erlebt. Die Mißerfolge der Opposition bei den Wahlen waren fünfmal deutlich. Ich frage: Will die SPD diesen erfolglosen Weg weitere vier Jahre fortsetzen?

    (Anhaltender, lebhafter Beifall bei den Regierungsparteien.)



Rede von Dr. Carlo Schmid
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Professor Schiller.

(Zuruf von der CDU/CSU: Jetzt wird nur noch ein Professor helfen! — Abg. Rasner: Jetzt wird es schwer! — Abg. Stingl: Jetzt muß er bekennen!)


  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Karl Schiller


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! 141 Abgeordnete sind neu in diesen Bundestag eingezogen. Einer von denen spricht zu Ihnen. Viele Erwartungen, viele guten Vorsätze

    (Zurufe von der Mitte)

    — nun hören Sie doch mal zu — und große Bereitschaften kommen daher.

    (Weitere Zurufe von der Mitte.)


    (Widerspruch in der Mitte — Abg. Rasner: Für unsere nicht!)

    — Was ich jetzt sage, werden Sie sicherlich billigen; lassen Sie mich mal ausreden, Sie werden es sicherlich billigen! Wir fragen uns: Wird es den alten wie den neuen Mitgliedern dieses Hohen Hauses gelingen, dieses Parlament in seiner Stellung im politischen Leben unserer Republik zu stärken, wird es aus dem Schatten heraustreten, in den es deutlich in einer langjährigen Entwicklung hineingeraten ist?

    (Abg. Rasner: Wieso? — Weitere Zurufe von der Mitte.)

    Das ist die Stätte hier, in der in freier Rede

    (Zuruf von der Mitte: Nach Schiller!)

    — gar nicht nach Schiller; Sie können auch Grass nehmen —(Abg. Rasner: Ja, der fehlt uns noch!)

    über die deutsche Politik, über ihre Grundsätze, über ihre Ziele und Mittel gesprochen werden soll.

    (Zurufe von der Mitte.)

    Ich glaube, dieses Parlament ist nicht lediglich eine Riesenmaschine — wir sind uns wohl alle darüber einig —, die mit Bienenfleiß unaufhörlich Gesetze produziert und über das Land ausschüttet.

    (Abg. Ruf: Das bestreitet keiner!)

    So fragen wir uns: Wird es gelingen, mit diesem Parlament einen neuen Anfang zu machen, und wird es gelingen, mit unserer Demokratie eine Erneuerung herbeizuführen?
    Meine Damen und Herren, mit diesen Gefühlen sahen viele von uns der Regierungserklärung am 10. November entgegen. Es sollte doch wohl eine Botschaft über die Lage der Nation sein, deutlich



    Dr. Schiller
    und womöglich kühn in den Zielen, abgewogen in den Rangordnungen, klar in den Wegen und Mitteln,

    (Abg. Ruf: Das ist aber auch abgelesen!)

    eine Botschaft an eine Nation, deren einer Teil nun schon 20 Jahre in Unfreiheit leben muß und deren anderer Teil seine Aktivitäten in eine Wirtschaftsgesellschaft hat einströmen lassen, an eine Nation, die insgesamt, wie die Times neulich gesagt hat, noch auf der Suche nach ihrem Staat ist.
    Gab die Regierungserklärung vom 10. November da ein neues Zeichen? Stellte sie in diesem Sinn eine Aufforderung zu neuen Ufern für uns alle dar? Kann jemand feststellen, es war eine Erklärung von geradezu lateinischer Klarheit, keine Spur von romantischem Waldweben und auch kein Versandhauskatalog von gängigen politischen Markenartikeln? — Wohl kaum!
    Um dies ganz klarzumachen, möchte ich an einigen Stellen, an einigen wesentlichen Punkten versuchen, diese Regierungserklärung an einer möglichen Botschaft über die Lage einer Nation zu messen. Zuerst müßte zu unserer gesamtdeutschen Lage, zu unserem gesamtdeutschen Elend gesprochen werden. In der Erklärung stehen ernste, notwendige und richtige Worte. Aber Wichtiges fehlt. Wie wäre es, wenn in der Botschaft auch stünde — und nun darf ich aus dieser möglichen Botschaft zitieren —:
    „Die Bundesregierung gibt im folgenden einen ausführlichen Bericht über die ökonomischen, sozialen und geistigen Lebensbedingungen unserer Landsleute in der Zone, über ihre Probleme, ihren Alltag, ihre Arbeitsverhältnisse, ihre Mühen und auch ihre kargen Fortschritte — ohne dabei die Machthaber dort auch nur mit einem einzigen Wort zu erwähnen."
    Das war das Zitat. Ich glaube, meine Damen und Herren, dieser Vorschlag ist sehr schnell zu begründen. Wir alle hier bekennen uns zum Alleinvertretungsrecht für das ganze deutsche Volk. Hat da nicht der erste Sprecher dieses Landes das Recht und die Pflicht, auch von dem im einzelnen zu reden und zu berichten, was drüben vor sich geht, damit die westdeutsche Bevölkerung das aus höchstem Munde vernimmt und damit die Welt nicht glaubt, wir hätten nach zwanzig Jahren das Interesse an dem anderen Deutschland verloren? Ein solcher Bericht aus Bonn über das andere Deutschland gehörte doch wohl an die Spitze einer Botschaft über die Lage der Nation.
    Und ein Zweites vermissen wir: in ihrer Erklärung — in der Erklärung der Bundesregierung vom 10. November — äußert sie einiges über den Zusammenhalt der beiden Teile unseres Vaterlandes. Gewiß ganz richtig, aber warum steht nicht auch dort — und ich darf wieder fiktiv zitieren —:
    „Wir werden den Interzonenhandel so weit wie möglich ausbauen. Dieser Interzonenhandel soll kein Mauerblümchen in unserem Wirtschaftsleben sein. Wir werden den innerdeutschen Reise- und Besucherverkehr fördern. Der innerdeutsche Reisescheck — sicherlich nur ein technisches Instrument zwischen beiden Währungsgebieten — wäre ein Fortschritt. Wir werden die Zuständigkeiten des Bundes in diesen Angelegenheiten straff zusammenfassen, und wir wollen die Möglichkeiten verwaltungsmäßiger Erleichterungen voll ausschöpfen. Wir sind zu ökonomischen Opfern bereit, wenn das der Sache dient.
    Und, meine Damen und Herren, ich glaube, es wäre gut, wenn ein solcher Bericht mit folgenden Sätzen abschlösse:
    „Zwanzig Jahre sind genug. Die kommenden vier Jahre sollen nicht auch noch zu den verlorenen Jahren gehören. Deswegen will die Bundesregierung noch einmal ein Versuch machen für eine Deutschlandinitiative mit Substanz. Sie bittet daher die Parteien, mit ihr sofort in eine eingehende, ausführliche und vertrauliche Beratung einzutreten über ihre Vorstellungen von dem, was man als gemeinsames Papier den Allierten unterbreiten könnte.
    Ein solches Papier der Gemeinsamkeit ist doch wohl möglich und wohl auch notwendig. Solange wir in diesem Punkte, meine Damen und Herren, nicht zu einem Ergebnis kommen, nicht zu einem gemeinsamen Ergebnis kommen, müssen wir eindeutig und klar feststellen: Im gesamtdeutschen Sinne ist die Nachkriegszeit noch nicht zu Ende.

    (Beifall bei der SPD.)

    Nun komme ich zu dem wirtschafts-, finanz- und gesellschaftspolitischen Teil der Regierungserklärung. Wir sprechen ja hier über die Regierungserklärung und nicht über Einzelheiten aus dem Wahlkampf, nicht wahr?

    (Beifall bei der SPD. — Zuruf von der CDU/CSU: Darüber hat Herr Erler mehrere Minuten gesprochen!)

    — Das waren keine Einzelheiten aus dem Wahlkampf.
    In diesem Bereich glaubte der frühere Bundeswirtschaftsminister in ganz besonderem Maße die Wurzeln seiner Kraft zu sehen. Es ist derselbe Bereich — Wirtschaftspolitik, Finanzpolitik —, der jetzt von dem Bundeskanzler gleichen Namens nicht ohne Sorge, wie er sagt, betrachtet werden kann.
    Die Regierungserklärung konfrontiert uns auf sehr allgemeine Weise mit veränderten wirtschaftlichen Situationen. Meine Damen und Herren, wir müssen das nun etwas genauer darstellen.
    Vom Sommer 1964 bis zum Herbst 1965 — in wenig mehr als einem Jahr — hat sich die gesamtwirtschaftliche Szenerie gründlich gewandelt. Die großen Ausfuhrüberschüsse sind einem recht bescheidenen Exportsaldo gewichen. An die Stelle unsere Sorge über die „importierte Inflation" ist nun die Gefahr der „hausgemachten" Inflation getreten. Die Steigerung des Lebenshaltungskostenindex mit bisher 3,8 % in diesem Jahr stellt schon einen Rekord dar. Es sind die höchsten Preissteigerungen seit Korea. Dieser Umschwung in der Gesamtkonstellation — das muß nun einfach am An-



    Dr. Schiller
    fang als ganz klares Faktum festgestellt werden — hat stattgefunden in den zwei Jahren, in denen Ludwig Erhard Kanzler war.

    (Beifall bei der SPD.)

    Meine Damen und Herren, wir alle wisen: die Bevölkerung ist tief beunruhigt über die Preiswelle, die in diesen Wochen in einem besonderen Maße zu fühlen ist. Dabei dürfen wir die Bewegung der Preise und der Löhne nicht allein aus der heutigen Situation erklären. Die Weichen für diese heutige Bewegung, für diese heutige Preiswelle wurden viel früher gestellt, nämlich im Sommer und Herbst 1964. Damals stand die Bundesregierung — im Sommer 1964; wir müssen daran erinnern — vor der Aufgabe, zu überlegen, wie sie die großen Ausfuhrüberschüsse und damit die Gefahr der importierten Inflation wegbringen sollte.
    Verschiedene Mittel wurden dazu empfohlen. Die SPD schlug vor, gewisse umsatzsteuerliche Veränderungen im grenzüberschreitenden Verkehr zu machen. Diesem Gedanken, so glaube ich, hatte sich auch das Bundeswirtschaftsministerium angenähert. Der Gedanke wurde verworfen.
    Zweitens: Der Kanzler spielte damals mit dem Gedanken einer Schocktherapie, wie das seinem Naturell so naheliegt, mit dem § 23 des Außenwirtschaftsgesetzes, also der Einführung der negativen Devisenbewirtschaftung. Wir wurden damals nicht gehört — wenigstens damals nicht.
    Drittens: Der Sachverständigenrat empfahl flexible Wechselkurse. Auch das wurde verworfen.
    Was tat die Regierung in dieser Situation im Herbst 1964? — Teils durch Entschluß, teils durch Treibenlassen — „halb zog es sie, halb sank sie hin" — ging sie einen anderen, bequemeren Weg, nämlich den Weg, das deutsche Preis- und Lohnniveau ansteigen zu lassen, bis die Ausfuhrüberschüsse verschwunden waren. Man ging also den Weg der Anpassung nach oben. So wurde die „importierte Inflation" durch die „hausgemachte" ersetzt, und mit Recht hat einer der prominentesten deutschen Banker kürzlich gesagt: Der Ausgleich der Handelsbilanz war doch beabsichtigt.
    Meine Damen und Herren, den Prozeß, den ich soeben geschildert habe, zu später Stunde und sehr zu Ihrem Unmut

    (Zurufe von der CDU/CSU: Wieso? Das hoffen Sie!)

    — dann nehme ich es an als ein freundliches Schweigen von Ihrer Seite —, der durch jene Entscheidung oder durch jenes Gewährenlassen in Gang gekommen ist, erleben wir heute in Entfaltung. Niemand sollte sich heute über diesen Prozeß, über diese Preissteigerungen wundern, am wenigsten die Bundesregierung. Man müßte allerdings fragen: Hat die Bundesregierung, als sie jenen Weg der Anpassung des deutschen Preis- und Lohnniveaus nach oben ging, bedacht, was sie damit begann? Sie hätte wissen müssen, daß das deutsche Volk nach zwei Inflationen äußerst sensibel, ja, inflationsbewußter ist als jede
    andere Industrienation. Man hätte wissen müssen, welche Büchse der Pandora man da öffnete.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Und Ihre Fraktion?)

    — Ich habe unseren Vorschlag vorhin erwähnt. Sie werden es gehört haben.

    (Abg. Haase [Kassel] : Ja, mein Gott, das ist doch ein ganz klein bißchen angesichts der Situation!)

    — Ja, wieso? Das war das Wegbringen der Exportüberschüsse — wenn Sie es nicht verstanden haben sollten.

    (Abg. Haase [Kassel] : Waren Sie denn für flexible Wechselkurse?)

    — Nein, ich habe Ihnen den ersten Vorschlag . .

    (Abg. Haase [Kassel] : Welchen Vorschlag machen Sie denn außer dem steuerlichen? — Weitere Zurufe von der CDU/CSU.)

    — Das war der entscheidende Vorschlag, um die Exportsalden wegzubringen, ja. Tut mir furchtbar leid.

    (Weitere Zurufe von der CDU/CSU.)

    Nun gut, die Regierung hat damals diese Entscheidung der Anpassung des Preisniveaus nach oben getroffen.