Rede von
Ernst
Kuntscher
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Von den Koalitionsfraktionen der CDU/CSU und der FDP bin ich ermächtigt, zum Hilfsmaßnahmengesetz folgende Erklärung abzugeben.
Das Gesetz über Hilfsmaßnahmen für Deutsche aus der sowjetisch besetzten Zone Deutschlands und dem sowjetisch besetzten Sektor von Berlin ist am 27. Januar 1965 in diesem Hohen Hause mit seltener Einmütigkeit verabschiedet worden. Der Deutsche Bundestag hat hierbei hinsichtlich der Kostenverteilung an dem Vorschlag der Bundesregierung festgehalten.
Es ist zuzugeben, daß der Bundesrat im ersten Durchgang statt einer Kostenteilung im Verhältnis von 25 : 75 eine Kostenteilung im Verhältnis von 20 : 80 vorgeschlagen hatte. Die Differenz war also nicht erheblich und vor allem nicht grundsätzlicher Art.. Trotzdem hielt es der Bundesrat für notwendig, den Vermittlungsausschuß anzurufen. Sein Petitum ging überraschend weiter; denn er lehnte mit Ausnahme der landwirtschaftlichen Siedlung jede Kostenbeteiligung ab. Diese Haltung ist um so unverständlicher, als gerade von den Länderfachministern immer wieder auf eine baldige Verabschiedung des Gesetzes gedrängt wurde und die Beteiligung an der Mittelaufbringung niemals völlig abgelehnt wurde. Es sei darauf hingewiesen, daß die Verabschiedung dieses Gesetzes in der vom Bundestag beschlossenen Fassung zwar eine Beteiligung vorsieht, aber gleichzeitig gewisse finanzielle Entlastungen bei den Ländern bzw. bei den von den Ländern zu betreuenden Gemeinden eintreten.
Die formale Frage, ob es sich bei der Durchführung dieses Gesetzes um eine, Auftrags- oder eine eigene Angelegenheit der Länder handelt, kann angesichts dieser staatspolitischen Bedeutung des Gesetzes nicht ausschlaggebend sein. Eis liegt auf der Hand, daß die Betreuung und Eingliederung der Millionen Flüchtlinge aus Mitteldeutschland eine gemeinsame Aufgabe von Bund und Ländern sein muß.
Der Vorschlag des Vermittlungsausschusses geht an dieser Grundtatsache vorbei. Die Fraktionen der CDU/CSU und der FDP können ihm daher ihre Zustimmung nicht geben. Sie bedauern, daß es zu einem solchen Vorschlag gekommen ist und die Vertreter einer Fraktion im Vermittlungsausschuß in diesem Punkt eine andere Haltung eingenommen haben als bei der Beschlußfassung über dieses Gesetz hier im Plenum. Wenn sich nun unliebsame Verzögerungen für die Flüchtlinge aus Mitteldeutschland ergeben, so müssen die Fraktionen der CDU/CSU und der FDP darauf hinweisen, daß sie die Verantwortung dafür nicht tragen.