Rede von
Werner
Schwarz
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es war zu erwarten, daß die Opposition den heutigen Nachmittag zu einem großen Fest gestalten würde. Darüber waren wir alle nicht überrascht. Überrascht waren wir eigentlich mehr über die Methoden; denn ein Fest sollte doch zumindest so stattfinden, daß man auch festliche Möglichkeiten nutzt und nicht eine Fülle von unrichtigen Daten auf den Tisch legt, wie wir sie heute vernommen haben.
Herr Kollege Schmidt, ich weiß, daß auch Sie Bauer mit Leib und Seele sind. Aber es wundert mich, daß Sie davon heute in Ihren Ausführungen so weit abgerückt sind, daß wir wirklich herzlich wenig davon gemerkt haben. Denn die Vorwürfe, die Sie an die Regierung, insonderheit an das Bundeslandwirtschaftsministerium, gerichtet haben, sind doch im wesentlichen an den Dingen erheblich vorbeigegangen.
Es war für Sie natürlich eine große Freude, festzustellen, daß der Getreidepreis, von dem wir selbstverständlich immer gesagt haben, daß wir ihn halten wollten, nun nicht mehr gehalten wurde. Aber sagen Sie einmal: Warum haben wir ihn denn halten wollen? Doch unter allen Umständen deswegen, weil wir die Landwirtschaft vor Schaden aus diesem und aus den angrenzenden Bereichen bewahren wollten.
Wir stehen heute vor der Tatsache, daß irgendwann und irgendwie ein Ausgleich in irgendeiner Höhe erfolgen soll. Aber vorher werden bereits Leistungen vollzogen, die ganz erheblicher Art sind. Hier sind Voraussetzungen eingetreten, die zumindest bei meinem Amtsantritt nicht vorherzusehen waren. Das möchte ich hier feststellen. Wenn Sie aber meine persönliche Meinung hören wollen — hier spreche ich nur ad personam —, dann kann ich Ihnen nur sagen, daß mir eine Getreidepreis-
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Bundesminister Schwarz
höhe in der alten Richtung lieber wäre als alles andere,
einfach deswegen, weil ich das aus dem Produkt verdiente Geld weit höher schätze als jede Art von Subvention, auch wenn diese den doppelten Preis erbringen sollte.
Wenn sich aber im Laufe der Zeit politische Notwendigkeiten ergeben, die gravierend sind — —
— Ich brauche nicht auf das hinzuweisen, was der Herr Bundeskanzler am letzten Mittwoch hier gesagt hat. Ich spreche nur von den politischen Notwendigkeiten, die sich aus Bereichen ergeben, die ich nicht zu vertreten habe, die ich aber nicht verkenne. Deshalb muß ich schon sagen, daß man die Dinge wenigstens objektiv betrachten sollte.
Sie haben uns Vorwürfe gemacht, wir hätten von meinem Hause aus keinerlei Konzeption dafür, wie nun die Gelder, die hier in Aussicht gestellt sind, verwendet werden sollen. Ich darf daran erinnern, daß wir einen Teil im sozialen Bereich ausgeben werden; dagegen werden Sie wohl keine Einwendungen zu erheben haben. Auch einige andere Dinge werden ohne weiteres klargehen. In bezug auf Investitionen und Rationalisierung wollen wir in Zusammenarbeit mit dem Hohen Hause etwas unternehmen, was dann auch unter Ihrer Mitwirkung Gestalt annehmen soll. Das ist, glaube ich, eine bessere Methode, als wenn man in einsamem Gang im Kabinett etwas hinlegt, was gewissermaßen erledigt werden könnte, ohne daß Sie auch nur gefragt würden. Deswegen sollten wir gemeinsam arbeiten und nicht so verfahren, wie Sie das, wenn ich es richtig verstanden habe, beabsichtigen, nämlich jede Mitarbeit an dem Problem abzulehnen.
Sie haben unsere Tätigkeit in Brüssel außerordentlich hart angegriffen. Herr Dr. Schmidt, ich möchte Ihnen nur eines sagen: wer als einziger in einer Situation steht, daß ihm die Herabsetzung eines Preises abverlangt wird, ist natürlich gegenüber denjenigen, die ihn nur anzuheben brauchen und die auf diese Art und Weise ganz anders in der Lage sind, einen Druck auszuüben, erheblich im Nachteil.
Wir haben hier — gewissermaßen aus der Materie heraus — in einer Verteidigungsstellung stehen müssen, die weiß Gott von uns nicht gewünscht war, die sich aber deshalb ergeben hat, weil man sich auf der anderen Seite vor Preiserhöhungen scheute. Ich brauche nicht darauf hinzuweisen, daß natürlich auch da gewisse Berechtigungen vorlagen.
Die Vorwürfe wegen der Haushaltsmittel für 1963 sind reichlich altbacken. Wir haben sie in Berlin, wie ich glaube, eingehend erörtert, und ich brauche nicht wieder darauf einzugehen. Ich möchte sagen, daß es keineswegs ein Versehen des Hauses war, daß vielmehr hier sehr viele Umstände zusammentrafen. Da Sie aber später in irgendeiner Korrespondenz, die Ihnen nahesteht, schrieben, wir würden
für 1964 dasselbe Manöver bewußt ausüben, um für Wahlagitation und was weiß ich Mittel bereit zu haben, werden wir Ihnen laufend berichten. Daraus werden Sie erkennen, daß das Möglichste getan ist, um die Mittel so gut und so richtig zu verwenden, wie es eine ordentliche Haushaltsgebarung vorschreibt.
Die Struktur, sagen Sie, stagniere. Dazu kann ich nur feststellen: Diejenigen, die im Ernährungsausschuß mitarbeiten, wissen, daß wir fast die Hälfte des Grünens Plans für Strukturverbesserungen verwenden. Man sollte nicht darüber zetern, daß hier zuwenig ausgegeben werde. Ich kann mir nämlich vorstellen, daß es auch einmal zuviel werden könnte, und zwar insofern, als man unbedachte Maßnahmen auf dem Gebiet der Struktur durchführen könnte. In unserer Landwirtschaft gibt es eine ganz, ganz große Zahl von Betrieben, die strukturell in Ordnung sind und denen es dennoch nicht gut geht.
Wenn wir für eine weise Verteilung der Mittel — sei es für struktur-, sei es für einkommensverbessernde Maßnahmen — eine gemeinsame Konzeption finden wollen, so muß sie so sein, daß sie auch für die Zukunft taugt.
Ein recht kluger Journalist hat kürzlich in einer großen Tageszeitung geschrieben:
Die sog. Fortgeschrittenen sollten sich darüber im klaren sein, daß durch ihre Fortschritte heute schon Milliarden vergeudet werden.
Ich will mir das nicht ganz zu eigen machen; aber gemeint hat er damit, daß man sich, wenn in puncto Struktur etwas allzu heftig geschieht, nach einigen Jahren darüber klarwerden muß, ob das, was man getan hat, weise gewesen ist.
Sie haben Ihre Kritik dann an der Marktstruktur aufgehängt. Ich kann nur sagen, die horizontale und die vertikale Verbundwirtschaft, die mit erheblichen Mitteln gespeist wurden, haben schon ihre Früchte getragen. Ich möchte dazu auch folgendes sagen. Wir haben in der Bundesrepublik ein System von Handel und Genossenschaften, um das uns manche anderen Länder beneiden. Ich will hier von Holland, wo alles besonders gut funktioniert, absehen. Wenn man sich dort, wo alles, sagen wir einmal, in einem gewissen Rückstand ist, sehr harter Methoden bedient, sollte man diese harten Methoden nicht ohne weiteres auf uns übertragen und glauben, sie seien auch bei uns notwendig; denn es hat sich auch schon manches zu Tode organisiert.
Die Frage der agrarpolitischen Konzeption für die EWG in der Zukunft möchte ich nur ganz kurz streifen. Selbstverständlich haben wir nicht nur ein Professoren-Gutachten und einen wissenschaftlichen Beirat, selbstverständlich haben wir auch unsere Bundesforschungsanstalten, und selbstverständlich holen wir immer wieder den Rat der einschlägigen Wissenschaftler ein. Wenn aber von der EWG-Anpassung die Rede ist, kommt mir die Fragestellung — bei der man immer so tut, als gäbe es diese Anpassung bei uns nicht — genauso vor wie Schnack, den man so gemeinhin in der Zeitung liest: Wir
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brauchen eine neue Strukturpolitik, wir brauchen eine neue Agrarpolitik. Das sagt sich nämlich sehr leicht, und man ist von dem Thema runter. Aber wie es eigentlich gemacht werden soll, sagen diese „Künstler" meistens nicht.
— Ja, wir sind sehr gespannt auf das, was da eines Tages noch im Ernährungsausschuß aus Ihrem Munde kommen wird.
— Na ja, wir werden sehen. Was z. B. die Anpassung an einen niedrigen Getreidepreis anlangt, so kann ich heute schon eines vorausahnen. Die Härte, mit der heute in unserem Berufsstand um die Existenz gerungen wird, ruft eher ein Mehr an Getreidemenge hervor als ein Weniger. Denn das, was man über den Preis nicht bekommt, versucht man über ein Mehr an Menge wieder hereinzuholen. Hier also eine EWG-Anpassung im Sinne einer Einschränkung des Getreidebaues oder einer Ersatzleistung oder einer Ersatzfurcht zu preisen, ist zwar theoretisch sehr einfach, die Realisierung ist hingegen außerordentlich schwierig. Denn wohin sollen unsere Bauern eigentlich ausweichen? Etwa in die Veredelung? Ich habe schon Sorge genug, daß unsere großen Betriebe, weil sie aus dem Getreide nicht mehr den entsprechenden Nutzen ziehen können, in die Veredelung einsteigen und unseren Bauern das Leben noch schwerer machen, als es für sie schon ist.
Nein, meine Damen und Herren, ich meine, wir sollten diese Dinge ohne Zorn und Eifer betrachten und mit nüchterner Überlegung aus einer Sache das beste zu machen versuchen, die nun einmal weiß Gott nicht einfach zu lösen ist. Wir sollten vor allen Dingen immer davon ausgehen, daß die Agrarpolitik ein Instrument ist, dessen Einsatz sich auszurichten hat an dem, was ökonomisch optimal, aber auch politisch, und 'hier möchte ich hinzusetzen: menschlich durchsetzbar ist. Diese Gesichtspunkte müssen miteinander verbunden werden. Ich habe nur den einen Wunsch: daß in diesem Hohen Hause stets ein Landwirtschaftsminister zu Worte kommt, der nicht nur Planquadrate im Kopf, sondern auch ein warmes Herz für die Anliegen unserer Bauern im Leibe hat.
Ich darf damit schließen, daß ich Ihnen sage: wir trugen mit dem Vorgehen, das wir besprochen haben, einer politischen Notwendigkeit Rechnung. Wir trugen dabei aber auch der Notwendigkeit Rechnung, unserer Landwirtschaft keinen 'Schaden zuzufügen.