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ID0413723600

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    Deutscher Bundestag 137. Sitzung Bonn, den 15. Oktober 1964 Inhalt: Glückwünsche zum 70. Geburtstag des Herrn Bundespräsidenten 6761 A Erweiterung der Tagesordnung 6761 A Wahl des Abg. Dr. Achenbach zum Mitglied des Europäischen Parlamentes . . . . 6763 A Wahl des Abg. Dr. Hellige zum ordentlichen Mitglied der Beratenden Versammlung des Europarates und der Versammlung der Westeuropäischen Union 6763 A Wahl des Abg. von Mühlen zum Stellvertretenden Mitglied der Beratenden Versammlung des Europarates und der Versammlung der Westeuropäischen Union 6763 A Fragestunde (Drucksachen IV/2586, IV/2599) Fragen des Abg. Wächter: Viehschädigungen durch Düsenjägerlärm — Äußerungen des Generals Panitzki betr. einen zweiten „Grünen Plan" von Hassel, Bundesminister . . . 6764 B Wächter (FDP) . . . . . . . . 6765 A Frage des Abg. Kaffka: Äußerung des Generals Panitzki betr. Opferbereitschaft des deutschen Volkes von Hassel, Bundesminister . . 6765 B, C, D, 6766 B Kaffka (SPD) 6765 C Cramer (SPD) 6765 C, D Gerlach (SPD) . . . . . . . 6765 D Frau Dr. Flitz (FDP) 6766 A Wächter (FDP) . . . . . . . 6766 B Frage des Abg. Dr. Müller-Emmert: Umgehungsstraße der B 270 . . . . 6766 C Frage des Abg. Schwabe: Mittel für den Straßenbau 1964 . . . 6766 D Frage des Abg. Schwabe: Kapazität des deutschen Straßenbaugewerbes 6766 D, 6767 A Frage des Abg. Schwabe: Sofort-Maßnahmen zur Behebung des Straßenbaunotstandes . . 6766 D, 6767 A Frage des Abg. Bading: Bundesstraße 253 . . . . . . . . 6767 A II Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 137. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 15. Oktober 1964 Frage des Abg. Flämig: Verkehrsverhältnisse an der Einmündung der Bundesstraße 43 in die Bundesstraße 8 6767 B Frage des Abg. Flämig: Straßenbrücke über den Main mit Anschluß an die Bundesbahnstraßen bei Hanau 6767 C Frage des Abg. Flämig: Ausbau der Bundesstraße 40 im Land- kreis Gelnhausen 6767 D Frage des Abg. Peiter: Teilstück der Lahntalstraße DiezLaurenburg 6767 D Frage des Abg. Josten: Straßentunnel der B 267 bei Altenahr Dr.-Ing. Seebohm, Bundesminister 6768 A, B Josten (CDU/CSU) 6768 B Frage des Abg. Dr. Luda: Entgiftung der Auspuffgase Dr.-Ing. Seebohm, Bundesminister 6768 C, D, 6769 A Dr. Luda (CDU/CSU) 6768 D Büttner (SPD) . . . . . 6768 D, 6769 A Frage des Abg. Dr. Kohut: Umgehungsstraße im Zuge des MainNeckar-Schnellweges Dr.-Ing. Seebohm, Bundesminister . 6769 B Dr. Kohut (FDP) 6769 B Frage des Abg. Dr. Kohut: Ost-Tangente von der B 8 über den Main bei Groß- und Klein-Auheim Dr.-Ing. Seebohm, Bundesminister 6769 C, D Dr. Kohut (FDP) 6769 C Frage des Abg. Dr. Imle: Ausbau der B 76 von Flensburg nach Schleswig Dr.-Ing. Seebohm, Bundesminister . 6769 D, 6770 A Dr. Imle (FDP) 6770 A Frage des Abg. Moersch: Bauzaun an der Saale-Brücke Dr.-Ing. Seebohm, Bundesminister . 6770 B Frage des Abg. Dr. Schmidt (Wuppertal) : Auswirkungen des Personenkraftverkehrs auf die öffentlichen Verkehrsmittel Dr.-Ing. Seebohm, Bundesminister . 6770 C, 6771 A, B, C Dr. Müller-Hermann (CDU/CSU) . . 6770 D Geiger (SPD) . . . . . . . 6771 B, C Frage des Abg. Kaffka: Bundesstraße 10 Dr.-Ing. Seebohm, Bundesminister 6771 C, D, 6772 A Kaffka (SPD) . . . . . 6771 D, 6772 A Frage des Abg. Lemper: Schienenbusse im Kreis Bergheim Dr.-Ing. Seebohm, Bundesminister 6772 A, C Lemper (SPD) . . . . . . . . . 6772 B Frage des Abg. Lemper: Personenbeförderung im Kreis Bergheim Dr.-Ing. Seebohm, Bundesminister . 6772 C Frage des Abg. Lemper: Bundesbahnbusse im Kreis Bergheim Dr.-Ing. Seebohm, Bundesminister 6772 D, 6333 B, C, D Lemper (SPD) 6773 A Dr. Kohut (FDP) 6773 A Ritzel (SPD) 6773 B, C Frage des Abg. Hilbert: Wohnungsmieten in bundesbahneigenen Gebäuden Dr.-Ing. Seebohm,' Bundesminister 6773 D Hilbert (CDU/CSU) 6774 B Geiger (SPD) 6774 B Dröscher (SPD) 6774 C Frage des Abg. Hilbert: Tragbare Wohnungsmieten in bundesbahneigenen Wohnungen Dr.-Ing. Seebohm, Bundesminister 6774 D Geiger (SPD) 6774 D Frage des Abg. Anders: Finanziell geförderte Wohnungen — Mieterhöhungen Dr.-Ing. Seebohm, Bundesminister . 6775 A Anders (SPD) . . . . . . . . . 6775 A Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 137. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 15. Oktober 1964 III Fragen des Abg. Eisenmann: Bauzustand der Ufer des Nord-OstseeKanals Dr.-Ing. Seebohm, Bundesminister . 6775 C Frage des Abg. Müller (Erbendorf) : Ausbau der Bundesstraße 15 Dr.-Ing. Seebohm, Bundesminister . 6776 A Müller (Erbendorf) (SPD) . . . . 6776 B Frage des Abg. Folger: Schülermonatskarten für Praktikanten Dr.-Ing. Seebohm, Bundesminister 6776 C Folger (SPD) 6776 C Frage des Abg. Schmitt-Vockenhausen: Schleuse Kostheim am Main Dr.-Ing. Seebohm, Bundesminister . 6776 D Schmitt-Vockenhausen (SPD) . . . 6777 A Frage des Abg. Dröscher: Handhabung des Grundstücksverkehrsgesetzes Schwarz, Bundesminister . . . 6777 A Dröscher (SPD) 6777 C Frage des Abg. Dröscher: Unterstützung der Forstwirtschaft Schwarz, Bundesminister . . . . 6777 D Dräscher (SPD) . . . . . . . . 6778 B Entwurf eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Rechnungsjahr 1965 (Haushaltsgesetz 1965) (Drucksache IV/2500) — Erste Beratung —; in Verbindung mit Entgegennahme einer Erklärung des Bundeskanzlers Dr. Dr. h. c. Erhard, Bundeskanzler . 6778 C Dr. Barzel (CDU/CSU) 6788 C Erler (SPD) . . . . . . . . 6794 C Zoglmann (FDP) 6810 A Dr. h. c. Strauß (CDU/CSU) . . . 6816 A Frau Strobel (SPD) 6831 A Scheel, Bundesminister . . . . 6835 D Dr. Dahlgrün, Bundesminister . . 6836 B Dr. Carstens, Staatssekretär . . 6840 A Frau Dr. Schwarzhaupt, Bundesminister . . . . . . 6843 A Leber (SPD) 6844 B Katzer (CDU/CSU) . . . . . . 6849 D Schmitt-Vockenhausen (SPD) . . 6851 D Riedel (Frankfurt) (CDU/CSU) . . 6855 C Mündlicher Bericht des Vermittlungsausschusses zu dem Gesetz zur Durchführung der Verordnung Nr. 13/64/EWG (Milch- und Milcherzeugnisse) des Rats der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (Durchführungsgesetz EWG Milch und Milcherzeugnisse) (Drucksachen IV/2260, IV/2387, IV/2457, IV/2603) und Mündlicher Bericht des Vermittlungsausschusses zu dem Gesetz zur Durchführung der Verordnung Nr. 14/64/EWG (Rindfleisch) des Rats der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (Durchführungsgesetz EWG Rindfleisch) (Drucksachen IV/2254, IV/2366, IV/2458, IV/2604) Brand (CDU/CSU) . . . . . . 6809 B Nächste Sitzung 6856 D Anlage 6857 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 137. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 15. Oktober 1964 6761 137. Sitzung Bonn, den 15. Oktober 1964 Stenographischer Bericht Beginn: 9.01 Uhr
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    Anlage zum Stenographischen Bericht Liste der beurlaubten Abgeordneten Abgeordneter) beurlaubt bis einschließlich a) Beurlaubungen Dr. Aigner* 16. 10. Frau Albertz 16. 10. Dr. Aschoff 16. 10. Dr.-Ing. Balke 16. 10. Frau Berger-Heise 16. 10. Frau Brauksiepe 16. 10. Dr. von Brentano 15. 11. Dopatka 17. 10. Ehren 14. 11. Faller* 16. 10. Flämig 16. 10. Dr. Dr. h. c. Friedensburg* 16. 10. Dr. Furler* 16. 10. Gehring 23. 10. Gräfin vom Hagen 31. 10. Hahn (Bielefeld)* 16. 10. Dr. Hahn (Heidelberg) 16. 10. Hammersen 16. 10. Heiland 18. 10. Dr. Dr. Heinemann 16. 10. Heix 23. 10. Hellenbrock 16. 10. Frau Dr. Heuser 20. 10. Holkenbrink 15. 10. Illerhaus* 16. 10. Jacobi (Köln) 16. 10. Kahn-Ackermann 20. 11. Kalbitzer 16. 10. Klinker* 16. 10. Könen (Düsseldorf) 16. 10. Koenen (Lippstadt) 16. 10. Kraus 31. 10. Kubitza 31. 10. Freiherr von Kühlmann-Stumm 4. 11. Lenz (Bremerhaven) 15. 10. Abgeordneter) beurlaubt bis einschließlich Lenz (Brühl)* 16. 10. Liehr 31. 10. Dr. Löhr* 16. 10. Lücke (Bensberg) 16. 10. Lücker (München)* 16. 10. Frau Meermann 16. 10. Memmel 31. 10. Dr. von Merkatz 16. 10. Michels 15. 10. Mick 16. 10. Dr. h. c. Dr.-Ing. E. h. Möller 18. 11. Murr 16. 10. Peters (Norden) 31. 10. Peters (Poppenbüll) 16. 10. Dr.-Ing. Philipp * 16. 10. Pöhler 16. 10. Rademacher 16. 10. Rauhaus 23. 10. Reichhardt 31. 10. Rollmann 31. 10. Ruf 16. 10. Seidel (Fürth) 24. 10. Seidl (München) 16. 10. Dr. Serres 16. 10. Spies 16. 10. Spitzmüller 15. 10. Stein 16. 10. Wehking 15. 10. Weinkamm ** 16. 10. Dr. Willeke 23. 10. Dr. Zimmer 16. 10. Frau Zimmermann (Brackwede) 15. 10. b) Urlaubsanträge Börner 23. 10. *) Für die Teilnahme an Sitzungen des Europäischen Parlaments.
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Franz Josef Strauß


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)

    Herr Schäfer. ich bedauere, ich muß jetzt meine Rede weiter halten.

    (Lachen bei der SPD. — Abg. Dr. Schäffer: Das wäre interessant!)

    Ich wäre auf diese Sache ohnehin nicht eingegangen,
    wenn nicht der Kollege Erler diese Bemerkung gemacht hätte, zu der ich ja Rede und Antwort stehen muß. Es ist Sache jedes Staatsbürgers, sein Recht zu verlangen.

    (Zuruf von der SPD: Sie haben nicht Rede und Antwort gestanden! — Abg. Dr. Schäfer: Sie haben also nicht die Absicht, an der Aufklärung mitzuwirken! Deshalb entziehen Sie sich der Vernehmung!)

    — Soll ich Ihnen in diesem Zusammenhang sagen, daß ich in zwei Schriftsätzen auf über 120 Seiten eine genaue Darstellung der Sach- und Rechtslage gegeben habe, wie sie erschöpfender überhaupt nichtmöglich ist? Ich werde zu gegebener Zeit darauf zurückkommen.

    (Zurufe von der SPD.)

    Die Haushaltsrede des Bundesministers der Finanzen enthält eine Fülle von Zahlen, Vergleichen und Argumenten, die eine eindeutige und durch keine Kasuistik ,aus der Welt zu schaffende Beweisführung dafür sind, daß unter dieser Politik nicht nur der Wiederaufbau eines mit verzweifelten Menschen überfüllten Trümmerhaufens erfolgt ist, sondern in den letzten Jahren .auch der innere Ausbau, der wirtschaftliche Aufstieg, die soziale Ausgestaltung und der Bau des Weges in die Zukunft weiter gediehen sind.
    Lassen Sie mich einige Einzelprobleme aus dem Bereich der Innenpolitik herausgreifen. Man geht nicht fehl in der Annahme, daß bei einer Umfrage nach den Problemen, an denen unser Volk auf dem Gebiet der Innenpolitik am meisten interessiert ist, die Frage der Geldwertstabilität mit Abstand im Vordergrund .steht.

    (Beifall in der Mitte.)

    Es ist im Rahmen einer kurzen Rede nicht möglich, dieses Problem in seinen Einzelheiten zu behandeln. Man sollte sich aber auch hier vor jedem Extremismus hüten. Gerade in einer Hochkonjunktur stellt sich die Aufgabe, auf die Stabilität des Geldwerts .zu achten, besonders dringlich.
    Die First National City Bank in New York hat in Ihrem Juli-Bericht eine Zusammenstellung auf der Grundlage der Lebenshaltungskosten und der Preisindizes veröffentlicht, in ,dem die Geldwertveränderungen von 1953 bis 1963 in 42 Ländern ausgewiesen werden. Man muß natürlich wie von jeder Statistik so auch hier einen behutsamen Gebrauch machen, weil ihr wirklicher Wert nur bei genauer Analyse der Grundannahmen ermessen werden kann. Immerhin geht daraus hervor, daß die Geldwertstabilität der Bundesrepublik unter .den genannten 42 westlichen Währungen zusammen mit der amerikanischen und der belgischen am wenigsten gelitten hat und daß die Geldentwertung sowohl in ,einer Reihe von EWG-Ländern wie besonders in den drei skandinavischen Ländern in diesem Zeitraum am stärksten in Erscheinung getreten ist.

    (Abg. Dr. Barzel: Sehr wahr!)

    Der Bundeskanzler hat Zahlen genannt, die auf einem anderen Index aufgebaut sind, aber in der gleichen Richtung liegen.



    Dr. h. c. Strauß
    Es bedarf keiner Erwähnung, daß der Geldwert kein Selbstzweck ist. Aber er ist ein relativ hoher Wert mit weitreichenden Auswirkungen für die wirtschaftliche Stabilität, für die soziale Sicherheit und für das gesellschaftliche Verhalten des einzelnen.
    Ich möchte in dem Zusammenhang nicht auf die Rolle eingehen, die in den Jahren 1930 und 1931 gerade die Deflation mit ihren Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt hatte. Es ist aber falsch — ich möchte das in aller Deutlichkeit sagen —, das Gespenst einer Inflation ständig an die Wand zu malen;

    (Sehr richtig! in der Mitte)

    denn allein durch den Gebrauch dieses Wortes wird eine Wirkung erzeugt, die dann erst durch ihre Eigengesetzlichkeit geldwertschädigende Tendenzen aufweist.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Immerhin hat die EWG-Kommission auch jetzt wieder der Bundesrepublik für ihre Konjunkturpolitik unter sämtlichen Mitgliedsländern der EWG das beste Zeugnis ausgestellt.
    Der Vizepräsident der EWG-Kommission, Marjolin hat am 23. September dieses Jahres im Europäischen Parlament in Straßburg eine zusammenfassende Darlegung über den Stand der Durchführung der Empfehlungen des EWG-Ministerrats zur Wiederherstellung des inneren- und äußeren Gleichgewichts in der Gemeinschaft gegeben. Er hat dabei festgestellt, die Lage sei auch weiterhin in der Bundesrepublik zufriedenstellend. Die Konjunkturpolitik weise unter diesem Gesichtspunkt zahlreiche positive Aspekte auf, und die Produktion habe sich als bemerkenswert elastisch erwiesen. Sowohl die Entwicklung der Verbraucherpreise wie die Lohnkosten je Produktionseinheit gäben nach wie vor zu keinen Besorgnissen Anlaß. Das gehe Hand in Hand mit der Tatsache, daß die Zahlungsbilanzüberschüsse sich verminderten und die Gesamtzahlungsbilanz sogar leicht negativ geworden sei.
    Auch bei diesem Anlaß möchte ich den Hinweis auf den notwendigen Unterschied zwischen Geldentwertung und gestiegenen Preisen geben. Beides ist nicht ohne weiteres identisch. Gestiegene Preise sind auch eine Folge der sozialen Umschichtung, der höheren Bewertung des Produktionsfaktors Arbeit, der damit verbundenen höheren Preise, besonders im Dienstleistungsgewerbe, und damit eine Folge der von uns gewünschten sozialen Integration, deren Konsequenzen dann aber nicht einfach geleugnet oder ignoriert werden dürfen.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Man soll jetzt auch nicht mehr allzuviel von der Notwendigkeit einer Konjunkturdämpfung sprechen. Auch hier haben sich die Verhältnisse weitgehend beruhigt. Gemeinsame Aufgabe von Bund, Ländern und Gemeinden, der großen Verbände und des einzelnen, der Parlamente und der Parteien ist es, zur Erhaltung des Geldwertes durch ihr Verhalten beizutragen.
    Der Finanzminister hat ein großes Wort gelassen ausgesprochen: daß nämlich nur durch eine nachhaltige Verminderung des Einnahmeanstiegs eine Wachstumsbegrenzung der öffentlichen Ausgaben zu erreichen sei. Damit taucht die alte Frage auf: Nicht mehr ausgeben, als man einnimmt, — aber auch die Frage: So viel einnehmen, als man ausgeben muß.
    Der Bundesminister der Finanzen hat sich eingehend mit der brennenden Frage der Investitionen der öffentlichen Hand befaßt. Erlauben Sie mir, hierzu meine Meinung zu sagen. Die Bedeutung der Investitionen der öffentlichen Hand wird in der Regel im Hinblick auf die private Produktion und das gesamte wirtschaftliche Wachstum völlig unterbewertet oder häufig mit negativem Akzent versehen. Die Gründe dafür sind historisch bedingt, hängen aber auch mit der Natur der Dienstleistungen des Staates zusammen. Die Urbedürfnisse des Menschen sind Nahrung, Kleidung, Wohnung und eine geordnete Umwelt; dabei findet man für das letzte häufig nicht genügend Verständnis. Dazu kommt noch, daß die Dienstleistungen meistens nicht materiell gemessen werden können und den staatlichen Investitionen der Vorwurf gemacht wird — der oftmals nicht stimmt —, sie stünden im Gegensatz zu der gütererzeugenden Privatwirtschaft.
    Eine Ubersicht über die Verteilung der öffentlichen Investitionen auf die öffentlichen Aufgabengebiete zeigt, daß die staatliche Vermögensbildung nicht immer der Sucht der öffentlichen Hand entspringt, sich auf Kosten des Steuerzahlers zu bereichern, sondern daß sie eine zwangsläufige Folge der Aufgabenerfüllung des Staates ist, die sich aus dem Wachstum unserer Wirtschaft ergibt, verbunden mit dem oft übertriebenen Ruf nach dem Staate, und zwar in allen Bereichen.
    Auch die technische Entwicklung und ihre industrielle Anwendung haben die Notwendigkeit der Investitionen in den letzten Jahren zunehmend verstärkt. Im Zuge der wirtschaftlichen Entwicklung der letzten 15 Jahre hat sich aus diesen Gründen in der Bundesrepublik oft ein Widerspruch zwischen dem Wachstum auf privater Seite und den öffentlichen Einrichtungen entwickelt. Man sagt, die Üppigkeit des privaten Sektors — auch das ist ein Schlagwort — stehe im Gegensatz zur Dürre des öffentlichen Sektors. Aber eine wachsende Zahl an Autos erfordert mehr Straßen, mehr Parkplätze, mehr Verkehrsregeln, mehr Polizei, mehr Unfallschutz. Dazu kommen mehr Bauland, größere Ausgaben für die Reinhaltung von Luft und Wasser, steigende Anforderungen an Geist und Körper; sie erfordern mehr Schulen, mehr Sportplätze, mehr Spielplätze, mehr Krankenhäuser, Erholungsheime, Altersheime, mehr und bessere Wohnungen. Dazu kommen Stadtplanung und Raumordnung. Der Anteil der öffentlichen Investitionen an den gesamten Investitionen der Bundesrepublik beträgt heute ein Viertel. Um ein gesundes Verhältnis zwischen Leistungen der Privatwirtschaft und den Anstrengungen der Allgemeinheit einerseits sowie den öffentlichen Einrichtungen andererseits wiederherzustellen, müßte der Anteil der öffentlichen Investitionen



    Dr. h. c. Strauß
    trotz allem noch erhöht werden. Ich weiß, daß das ein Wort ist, das nicht allseits Beifall finden kann. Aber uns sind auch Grenzen gezogen, Grenzen, die nur durch Umgestaltung der Haushalte und Erhöhung der dispositionsfähigen Teile des Haushalts wieder verschoben werden können.
    Wir können an der Tatsache nicht vorbeigehen, daß die rasche Zunahme der Bevölkerung durch die erzwungene Ost-West-Wanderung, die natürliche Vermehrung der Bevölkerung, die damit verbundenen Probleme des Zusammenlebens von immer mehr Menschen auf engerem Raum, die Auswirkungen der modernen Technik in ihrem rapiden Fortschritt, die dadurch bedingten soziologischen Veränderungen und auch die damit Hand in Hand gehende Steigerung der Lebensansprüche, aber auch die Zukunftsvorsorge heute die öffentliche Hand vor gewaltige Aufgaben stellen, die sich in den Investitionsplänen von Gemeinden, Ländern und Bund niederschlagen.
    Wer aber heute offenen Auges durch unser Land fährt, der wird feststellen, daß hier dank der konsequenten Wirtschafts-, Finanz- und Sozialpolitik und dank der Leistung unseres Volkes Verhältnisse geschaffen worden sind, die sich mit denen in anderen europäischen Ländern und in Nordamerika, auch solchen Ländern, die nicht vom Krieg betroffen waren, sehr wohl vergleichen 'lassen.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Selbstverständlich sagen wir damit nie, daß bei uns alles Gold sei, was glänzt. Es ist hier ein Engpaß entstanden, den man aber nicht einfach durch Drosselung der Investitionsprogramme beseitigen kann.
    Aus diesem Anlaß eine spezielle Frage an den Finanzminister für die nächste Woche. Der Finanzminister hat darauf hingewiesen, daß der Bund noch nicht seinen vollen Bedarf auf dem Kapitalmarkt decken konnte. Aus den Übersichten der Bundesbank ergibt sich, daß auf dem Gebiete der Zahlungsbilanz sich die Dinge wieder normalisieren. Ich stelle deshalb anheim, zu prüfen, ob es unter diesen Umständen noch nötig ist, an der Kuponsteuer für Gebietsfremde bei Rentenwerten festzuhalten. Normalerweise muß man der Meinung sein, daß der Einstrom ausländischen Kapitals, soweit es nicht für wirtschaftsgefährdende Spekulationen angelegt wird, ein gutes Zeichen ist, nämlich ein Beweis des Vertrauens zu den wirtschaftlichen Verhältnissen eines Landes und zur Stabilität dieser Verhältnisse. Mindestens sollte ernsthaft geprüft werden, ob derjenige, der sozusagen im guten Glauben einmal die Papiere erworben hat, ebenso behandelt werden soll wie der Neuerwerber.
    Wir haben gerade in den letzten Jahren auf dem Gebiet des Straßenbaus erlebt, daß die Begrenzung der Ausgaben auf Grund der voraussichtlichen Kapazität nicht der entscheidende Maßstab ist. Die Tatsache, daß gutes Wetter und vermehrte Kapazität geholfen haben, das Straßenbauprogramm 1964 schon in den ersten drei Quartalen zu bewältigen, konnte nicht dazu führen, den Straßenbau für den Rest des Jahres einzustellen. Es gibt Bedürfnisse, die nicht allein nach haushaltstechnischen oder konjunkturpolitischen Gesichtspunkten manipuliert werden können.
    Wir haben ernste Verhältnisse auf dem Arbeitsmarkt, zum Glück nicht Arbeitslosigkeit, sondern Überbeschäftigung. Wir können leider nicht mehr der Meinung sein, daß heute eine Steuerbefreiung von Überstundenzuschlägen oder eine Steuerbefreiung von Überstundenlöhnen überhaupt noch ein wirksames Mittel wäre. Das einzige wirksame Mittel ist eine beschleunigte Investitionstätigkeit der Wirtschaft, eine erweiterte Investitionstätigkeit der Wirtschaft und eine staatliche Steuerpolitik, die ihr auch dazu verhilft. Der Zustand, den wir heute haben — 1 Million Fremdarbeiter, 600 000 offene Stellen —, ist unbefriedigend. Natürlich wird eine vermehrte Nachfrage nach Investitionsgütern auch hier die Gefahr in sich bergen, daß auf diesem Gebiete die Preise steigen. Aber erfahrungsgemäß führt eine vermehrte Nachfrage nach Investitionsgütern noch nicht zu einer unmittelbaren Auswirkung auf die Konsumgüterpreise.
    Man soll auch bei uns nicht darauf hoffen, daß durch Strukturumgestaltung der Landwirtschaft in absehbarer Zeit noch eine größere Zahl von Arbeitskräften freigemacht werden kann.

    (Zustimmung in der Mitte.)

    Für uns ist die Existenzerhaltung des bäuerlichen Familienbetriebs nicht allein eine wirtschaftspolitische Frage, sondern eine allgemeinpolitische Frage von größter, auch über den nationalökonomischen Bereich hinausgehender Bedeutung.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Der Haushalt enthält eine Reihe von Schwerpunkten, auf die hier nicht im einzelnen eingegangen werden kann. Aber es muß diesem Haushalt zuerkannt werden, daß er trotz der starken gesetzlichen Bindungen und ihrer automatischen Wirkungen klar erkennbare Schwerpunkte aufweist. Es ist heute sehr häufig üblich geworden, auf eine Synopse zu verzichten und jeweils vor einem bestimmten Kreis in Form von Spezialtagungen, Spezialkonferenzen, Spezialkongressen die Interessen des betreffenden Kreises anzusprechen und dabei gezielte Zusagen zu geben. Die Addition dieser Zusagen ergibt dann durchweg eine Gesamtsumme, die weit jenseits des heute Vorhandenen oder überhaupt unter äußerster Ausnutzung der öffentlichen Einnahmenpolitik Erreichbaren läge.
    Ich glaube, Herr Kollege Erler, daß die Festsetzung von Schwerpunkten eine Aufgabe auch der Opposition ist. Hier wird man um die Entscheidung zwischen konsumtiven und investiven Staatsausgaben, auch wenn eine Verlagerung auf das zweite manche politische Schwierigkeit mit sich bringt, nicht herumkommen.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Das ist die Frage, vor der wir heute im besonderen stehen und in den nächsten Jahren immer noch stärker stehen werden.
    Am Schluß der Haushaltsbetrachtung möchte ich auf ein besonderes Thema eingehen, nämlich auf die Frage der ständigen Verminderung des Dispositiv-



    Dr. h. c. Strauß
    spielraums. Vor vier Jahren hat Kollege Schoettle festgestellt, daß der gesetzesgebundene oder durch andere Verpflichtungen gebundene Teil des Haushalts bereits 80 % betrage. Innerhalb weniger Jahre waren aus den 80 % 85 % geworden. Vom Finanzminister haben wir am Dienstag gehört, daß nunmehr bereits über 90 % gebunden seien. Wenn die heute noch bevorstehenden Programme auf dem Gebiet der Sozialpolitik, auf dem Gebiet des zivilen Bevölkerungsschutzes usw. durchgeführt werden, können wir uns das Jahr ausrechnen — es wird zwischen 1967 und 1970 liegen —, wo praktisch 100 % des Haushalts durch gesetzliche Bindungen oder gesetzesähnliche Verpflichtungen festgelegt sind. Damit ist aber für eine Regierung die Möglichkeit, eine gestaltende Politik zu treiben, weitgehend entfallen. Die Regierung ist damit nur noch ein Vollzugsorgan, eine Art Buchhaltungs-Durchleitungsstelle für das, was hier ohne weitschauende Planung an Gesetzen beschlossen wird. Das muß einmal gesagt werden, weil es die ernstesten Schwierigkeiten in sich birgt.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Aber der Haushalt ist auch ein Spiegelbild, ist auch ein Dokument unserer Außenpolitik. Wenn man die Leistungen für die NATO, die Leistungen für die Bundeswehr, die Leistungen für internationale Organisationen, die Leistungen für die Entwicklungshilfe und all diese Dinge sieht, erkennt man, daß wir nicht allein auf der Welt sind. Aber worum geht es wirklich? Kollege Erler hat ja heute eine Reihe von Ausführungen außenpolitischer Art gemacht und dabei auch einige gezielte Bemerkungen eingeflochten, z. B. den Bundesminister für Verkehr erwähnt und dessen Reden in einem bestimmten Zusammenhang genannt.
    Nun, dabei ist Ihnen schon durch einen Zwischenruf die Antwort gegeben worden: Wie steht es denn mit Ihrem Kollegen Wenzel Jaksch? Ich habe nicht etwa die Absicht, hier einige Zitate zu verlesen. Aber ich habe doch die Aufgabe, einiges dazu zu sagen.
    Wenn von unserer Seite aus bestimmte klare, ich darf sagen: legitime nationale Ziele vertreten werden — z. B.: keine Anerkennung der Oder-NeißeGrenze, d. h. eine Aushandelung der deutschen Ostgrenze bei einer Friedenskonferenz mit einer legitimierten, ganz Deutschland vertretenden demokratischen Regierung —, wenn für das Selbstbestimmungsrecht aller Menschen, auch der Vertriebenen, für das Heimatrecht aller Menschen, auch der vertriebenen Deutschen, eingetreten wird und wenn hinsichtlich der Annäherung durch Anpassung oder der Anpassung durch Annäherung ein kritisches Wort gesagt wird, dann erleben wir es heute häufig — und ich gebe damit nur die Wirklichkeit wieder, in der wir auf diesem Gebiete seit Monaten stehen —, daß wir — ich bitte um Entschuldigung, wenn ich hier ein militärisches Bild gebrauche — von links starkes Flankenfeuer von gewissen Heckenschützen bekommen, durch das wir abgehalten werden sollen, uns zu dieser Sache zu äußern. Gleichzeitig erleben wir aber, daß auch der Kollege 'Wenzel Jaksch und andere längst dabei sind, uns
    rechts zu überholen und im Kreise der Vertriebenen I dann eine entsprechende politische Ernte zu erzielen.

    (Beifall bei den Regierungsparteien. — Abg. Erler: Halten Sie denn nun die Seebohm-Rede für richtig oder nicht?)

    — Ich gebe Ihnen darauf eine so klare Antwort, Herr Kollege Erler, daß ich sogar froh wäre, wenn Sie dazu dann eine Zwischenfrage stellten, damit ich weiß, ob ich ein falsches Dokument bei mir habe.
    Ich habe vor mir die „Erklärung deutscher politischer Parteien zur sudetendeutschen Frage", und zwar a) die Erklärung der SPD, Bergneustadt, 22. Januar 1961:
    Auf Einladung der Friedrich-Ebert-Stiftung fand an diesem Wochenende
    — im Wahljahr 1961 —
    in Bergneustadt eine Begegnung zwischen dem Bundesvorstand und dem Präsidium der Bundesversammlung der Sudetendeutschen Landsmannschaft und Mitgliedern des Präsidiums der SPD statt.
    Nach der Begrüßung durch Alfred Nau vom Vorstand der Stiftung und Erich Ollenhauer, den Vorsitzenden der SPD, hielten Herbert Wehner für die SPD und Minister Seebohm für die SL einleitende Referate, denen sich eine ausführliche und in freimütiger Offenheit geführte Diskussion anschloß. Beide Gesprächspartner waren sich über folgende Punkte einig:
    1. Die sudetendeutsche Frage ist durch die Vertreibung der Sudetendeutschen nicht erledigt. Die Vertreibung war widerrechtlich; sie muß auf friedlichem Wege wiedergutgemacht werden, ohne daß anderen Menschen aufs neue Unrecht geschieht.
    2. Wiedergutmachung der Vertreibung heißt: Rückkehr der Vertriebenen, d. h. Verwirklichung ihres Rechtes auf Heimat.
    3. Das Recht auf die Heimat kann erst dann als verwirklicht gelten, wenn die politischen und menschlichen Freiheitsrechte in der Heimat verwirklicht und gewährleistet sind.
    4. Neben dem Recht auf die Heimat wird der Grundsatz des Selbstbestimmungsrechtes der Völker verfochten.
    5. Das Selbstbestimmungsrecht ist eine umfassende Idee. Sie läßt im gegebenen Falle verschiedene staats- und völkerrechtliche Lösungen zu.
    6. Die Feststellung, wonach Deutschland in den Grenzen von 1937 rechtlich fortbesteht, schließt das Heimat- und Selbstbestimmungsrecht der Sudetendeutschen nicht aus.
    7. Die offene Entnationalisierung der heute noch in der Tschechoslowakei zurückgehaltenen Deutschen widerspricht den Grundsätzen eines auf den Menschenrechten gegründeten Volks-



    Dr. h. c. Strauß
    gruppenrechts, zu denen sich die SPD in ihrem
    Godesberger Grundsatzprogramm bekannt hat.
    Quelle: SPD-Pressedient vom 23. Januar 1961

    (Hört! Hört! bei der CDU/CSU.)

    Hier ist nicht der geringste materielle Unterschied zu den beiden Reden von Herrn Seebohm, die Sie heute zitiert und so heftig kritisiert haben.

    (Beifall bei den Regierungsparteien. — Abg. Erler: Na, na!)

    Darf ich — wenn Sie nicht eine Zwischenfrage stellen oder die Echtheit des Dokuments bestreiten wollen — aus Ihrer Zustimmung schließen, daß das die offizielle Politik der SPD ist? In diesem Falle darf ich Ihnen sagen, daß ich und wohl auch meine ganze Fraktion mit dieser Politik bis ins Letzte übereinstimmen.

    (Beifall bei der CDU/CSU. — Abg. Erler: Na, also!)

    Wenn Sie aber diesen Grundsätzen zustimmen, dann dürfen Sie, Ihre Fraktion und Ihre Partei sowie Ihre Anhänger — soweit Sie die Kontrolle über diese haben — auch nicht an Bundesminister Seebohm wegen seiner beiden Reden eine solche Kritik üben, wenn Sie genau dasselbe vertreten, was Seebohm in seinen beiden Reden gesagt hat.

    (Beifall bei der CDU/CSU und Abgeordneten der FDP. — Abg. Erler: In der Außenpolitik, Herr Strauß, kommt es auch aufs Wörterbuch an! Und man sollte auch nicht Öl ins Feuer gießen!)

    Ich wäre sogar begierig, von Ihnen oder von dem Nachredner — wahrscheinlich Kollege Wehner — zu erfahren, ob Sie zu dieser Erklärung stehen und inwieweit sich diese Erklärung von dem Inhalt der Reden des Sprechers der Sudetendeutschen Landsmannschaft unterscheidet. Wenn wir uns hier einig sind, dann sollte dieses Thema nicht mehr Gegenstand parteipolitischen Streites werden, weil es um sehr ernste Fragen geht.

    (Beifall bei der CDU/CSU und Abgeordneten der FDP.)

    Sie haben sich heute zum Teil durch witzige Bemerkungen, zum Teil durch lautes oder lauteres Lachen zu dem Thema „Diskussion in der Union" geäußert, und Sie haben heute morgen das Wort vom Zerstrittensein gebraucht — ich weiß nicht, ob für die Koalition oder auch für die CDU/CSU.

    (Abg. Erler: Beide!)

    — Ich komme Ihnen sogar entgegen, obwohl die verbale Interpretation das nicht unbedingt rechtfertigt. Ich habe vorhin schon eine Antwort darauf gegeben. Dadurch, daß die Opposition auf außenpolitischem Gebiet heute nicht in der Lage ist. irgendeine weiterführende Idee zu bringen, ein alternatives Konzept zu zeigen und ihre Funktion auf diesem Gebiet zu erfüllen, richtet sich die Öffentlichkeit auf unsere Überlegungen, weil wir bemüht sind, ,die Grundsätze und Ziele unserer alten Politik, den zeitgemäßen Umständen entsprechend und den Veränderungs- und Entwicklungsgesetzen
    der Zukunft Rechnung tragend, in die Zukunft hinein zu gestalten. Daß das eine Diskussion ergibt, ist selbstverständlich, aber eine Diskussion, die nicht die Interpretation verdient, wie sie heute von Ihnen — ich darf sagen: in diesem Falle sogar noch sehr maßvoll — gegeben worden ist.

    (Abg. Erler: Der Bundeskanzler war in München viel deutlicher, dagegen war ich harmlos! — Heiterkeit.)

    — Nun, so deutlich war er auch wieder nicht.

    (Lachen 'bei der SPD.)

    Aber sie haben ihm ja nach seiner Münchener Rede besonderen Beifall gezollt. Das war ihm hernach gar nicht so unbedingt angenehm.

    (Lachen bei der SPD.)

    Während Sie sich — ich sage das ohne polemische Aggressivität, aber auch mit voller Deutlichkeit — heute mühsam dazu durchgerungen haben, im großen und ganzen den Standpunkt der bisherigen Regierungspolitik einzunehmen, denken wir darüber nach — nicht sie aufzugeben, aber sie richtig weiterzuentwicklen und sie angesichts einer Welt, die voller Veränderungen ist, zeitgemäß zu gestalten, ohne Grundsätze und Ziele aufzugeben, aber dafür die richtigen Wege und Methoden zu finden.
    Ich weiß noch, daß — ich weiß nicht, ob es von Ihnen hier geschehen ist, Herr Kollege Erler, sicherlich aber von Ihrem Presseorgan — jahrelang gesagt worden ist, die CDU/CSU sei gar keine richtige politische Partei, da gebe es gar keine Diskussion, es sei eine Marschkolonne unter Konrad Adenauer, sie schwenke nach dieser oder jener Seite, wie der Kanzler es befehle. In dem Augenblick, wo wir angesichts entscheidender Einschnitte in der Welt, die sich vor unseren Augen anbahnen, um den richtigen Weg ringen, beanspruchen wir nur das Recht, eine echte politische Partei zu sein, in der der Wille zur gemeinsamen Politik stärker ist als der Spielraum unserer Überlegungen, mit dem wir aber auch zum Ziel kommen werden.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Wenn wir fragen: haben wir unsere bisherige Politik zu modifizieren?, dann möchte ich von vornherein sagen, daß ,die heutige Entwicklung in der Welt, auch der Disput im westlichen Bereich, insbesondere aber die Veränderungen im bisherigen Sowjetblock uns in keiner Weise einen Anlaß zum Kleinmut oder zur Angst geben. Ganz im Gegenteil! Eine Politik, die den Glauben nicht als zweckmäßiges Propagandainstrument, sondern als ethischen Auftrag unter Verantwortung vor Gott und den Menschen empfindet, kann nicht nach radikalen, durchgreifenden und schnellen Lösungen mit allen Mitteln streben. Die erste Phase der Nachkriegspolitik ist vorbei. Ihre Stationen brauchen nicht aufgezählt zu werden, sie sind uns bekannt. Immerhin haben zwei große Lebenslinien der Politik der Bundesrepublik 'und der freien Welt sich bewährt. Das eine ist das wirtschaftliche und politische Zusammenwachsen Europas in verschiedenen Formen, das andere ist das Bündnis zwischen Amerika und Europa, das nicht nur jede weitere Ausdehnung des Kommu-



    Dr. h. c. Strauß
    nismus, sei es auf gewaltsamem, sei es sozusagen auf friedlichem Wege, in seinem Bereich verhindert hat, sondern dessen Existenz in Verbindung mit der waffentechnischen Entwicklung zu einer Umstellung der kommunistischen Politik geführt hat. Wir reagieren heute nicht auf eine von Chruschtschow eingeleitete neue Phase einer Koexistenz- und Entspannungspolitik, sondern das Verhalten des sowjetischen Ministerpräsidenten, der kommunistischen Führung ist eine Konsequenz aus der Tatsache, daß der Kommunismus mit den bisherigen Mitteln sein Ziel nicht mehr erreicht und seine Politik umstellen mußte.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Wir haben nicht die Zeit, das im einzelnen auszuführen. Aber die kommunistische Geschichtsphilosophie ist gerade im Laufe der NATO-Zeit ad absurdum geführt worden. Ihre Prognose, daß sich die nichtkommunistische Welt durch blutige Kriege gegenseitig zermürben und gegenseitig vernichten werde, war falsch.
    Das Mittel des Krieges gibt es heute zwischen den demokratischen Industriestaaten des Westens nicht mehr. Die Prognose von der revolutionären Erhebung der unterdrückten Arbeitermassen ist falsch; sie hat sich eindeutig als falsch erwiesen. Die Prognose vom Aufstand der Farbigen ist dank der Vernunft der ehemaligen Kolonialmächte nicht in die Wirklichkeit übergegangen; im Gegenteil, wir haben diesen Völkern geholfen, den Weg zu einer normalen Entwicklung zu finden. Und viertens: die Weltrevolution im Zusammenwirken von innerer Revolution und äußerer militärischer Unterstützung durch die Rote Armee wird nicht mehr stattfinden.
    Das sind die Punkte; das sind die Entscheidungen, vor denen Chruschtschow heute steht.
    Wir sollten uns aber von dieser Formel „Koexistenz und Entspannung" nicht bluffen lassen. Diese Formel ist nicht von Chruschtschow erfunden und der beglückten westlichen Welt als Morgengabe eines geläuterten, mit Demokratisierungs- und Liberalisierungstendenzen gesegneten Kommunismus geboten worden, sondern der Westen hat seit dem Jahre 1945 bewiesen, daß er immer nach Koexistenz und Entspannung gestrebt hat, wo immer die kommunistischen Machthaber einen Krieg entfacht, eine Unruhe erzeugt oder eine internationale Situation zur Ausdehnung der Weltrevolution zu benutzen versucht haben. Der Westen hat auch in der Zeit des Alleinbesitzes der Atomwaffen durch die Amerikaner weder militärischen noch politischen Mißbrauch getrieben, und er hat niemals versucht, den territorialen Status quo mit gewaltsamen Mitteln zu ändern. Dagegen hat der Kommunismus immer versucht, die staatliche Einheit Deutschlands zu verhindern, den Wiederaufstieg Europas unmöglich zu machen, das Bündnis Europa—Amerika zu verhindern oder zu zerschlagen. Er hat immer versucht und versucht auch heute noch, nur mit anderen Mitteln, die westliche Welt zu schwächen und die eigene Position zu stärken. Er hat sich dafür einer Fülle von Plänen, Methoden und Wegen bedient, die manchmal auch im Westen da oder dort ihre naive Unterstützung gefunden haben. Aber im großen und ganzen ist der Kommunismus gescheitert. Seine Parole heißt heute: Entspannung und Koexistenz.
    Was geht denn vor sich?
    Da mir so oft vorgeworfen worden ist, daß die außenpolitische Diskussion über gewisse Probleme, auch mit den Schlagworten „Gaullisten", „Atlantikur", „Europa" — diese oder jene Form —, „ZweierUnion", außerhalb dieses Hauses geführt wird, erinnere ich an das, was ich eingangs dieser Debatte gesagt habe. Sie kann sehr wohl auch hier geführt werden, weil damit sehr leicht falsche Akzente verwischt werden können, soweit der gute Wille dazu vorhanden ist.
    Nach 1945 war die Welt in drei Bereiche geteilt: die freie Welt mit der Führungsmacht USA, die kommunistische Welt mit der Führungsmacht Moskau, also kommunistischer Block und die sogenannte Non-committed world, die farbige Welt mit verschiedenen Schwerpunkten und Zentren und verschiedenen Erscheinungsformen.
    So sah die Welt nach 1945 aus. Bis vor einigen Jahren standen sich immer gegenüber auf der einen Seite die freie Welt mit den USA, auf der anderen Seite der kommunistische Block mit Moskau. Das war in Berlin der Fall, das war an der Zonengrenze der Fall, das war der Fall in Korea, das war der Fall in Indochina, auch wenn dort andere sozusagen im Auftrag gehandelt haben.
    Wie sieht es heute aus?
    Die Frage, ob das Schisma im Kommunismus den Kommunismus bereits weniger gefährlich gemacht hat, ihm seine Stoß- und Schwungkraft genommen hat, kann man heute noch nicht mit einem klaren Ja oder Nein beantworten. Es ist sehr wohl möglich, daß die Varianten von zwei kommunistischen Erscheinungsformen je nach dem einzelnen Gebiet und nach der einzelnen regionalen Struktur vorübergehend eine noch größere Anziehungskraft haben könnten als eine Variante. Aber unbestreitbar ist, daß es zwischen Moskau und Peking nicht zu einem Spiel mit einem vorgetäuschten, geblufften Riß, sondern zu einem echten, zur Zeit unheilbar scheinenden Riß gekommen ist.
    Was sind die Gegensätze? Nun, diese Fragen stehen mit den Denkansätzen unserer Politik in einem so engen Zusammenhang, daß sich niemand mit deutschen, europäischen oder atlantischen Fragen beschäftigen kann, ohne den Gesamtzusammenhang der Dinge in diese Betrachtung einzubeziehen. Wir haben zwischen Moskau und Peking einmal den Gegensatz der verschiedenen Anwendung der Ideologie. Wir haben zweitens den Kampf um die Führung innerhalb der kommunistischen Welt. Wir haben drittens den Kampf um die Führung in der farbigen Welt, wo China versucht, Moskau völlig zu verdrängen. Wir haben viertens den Gegensatz zweier Großmächte, die eine gemeinsame Grenze haben und auch imperiale Kontroversen miteinander haben. Ich wäge nicht moralisch zwischen Moskau und Peking. Ich erkläre nicht, daß die einen so und die anderen so zu beurteilen seien. Für uns ist nur eines von Bedeutung: daß die Einheit der kom-



    Dr. h. c. Strauß
    munistischen Welt und damit auch die Einheit ihrer politischen Parolen nicht mehr vorhanden ist. Das ist ein ungeheuerer Gewinn der Politik des Westens, sei es durch unsere Anstrengungen, sei es auch durch eine Fügung, an der wir kein Verdienst haben. Wenn es — ich sage das in Zusammenhang mit der deutschen Frage — im kommunistischen Bereich dahin kommt, daß die bisherige These Moskaus von den geschichtlichen Veränderungen durch den zweiten Weltkrieg und damit die Legitimation der Teilung Deutschlands und der Spaltung Europas nicht mehr einheitliche kommunistische Sprachregelung ist, so ist das für uns bereits ein gewaltiger Vorteil in der geistigen und politischen Auseinandersetzung mit der kommunistischen Welt.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Das hat aber auch zur Folge, daß wir diese Fragen nicht nur sorgfältig beobachten, sondern unsere eigene Haltung von Phase zu Phase immer erneut auf ihre Richtigkeit überprüfen müssen. Hier geht es nicht um moralische Maßstäbe der Differenzierung zwischen Moskau und Peking. Beide vertreten den weltrevolutionären Gedanken in verschiedenen Formen. Hier geht es einfach darum, zu versuchen, mit den Mitteln unserer Politik das Bestmögliche für uns herauszuholen.
    Aber es handelt sich nicht nur um den Dualismus im kommunistischen Bereich, es handelt sich hier auch um die polyzentrische Entwicklung innerhalb des europäischen Bereichs des früher als Monolith bezeichneten Sowjetblocks. Weil soviel die Rede ist von Koexistenz und Entspannung, weil die einen als Gegner und die anderen als Freunde der Entspannung bezeichnet werden, sollte man doch einmal versuchen, diese Dinge auf ihren wahren Gehalt zu reduzieren.
    Ich glaube, daß innerhalb des europäischen Bereichs des Sowjetblocks interessante Tendenzen zu verzeichnen sind. Einmal scheint es so zu sein, daß sich die Massen in diesen Ländern nicht mehr mit dem Glück ihrer Urenkel trösten lassen wollen, weil sich die Wahrheit über die besseren Lebensverhältnisse des Westens auch trotz des Eisernen Vorhangs nicht verschweigen ließ. Zum zweiten hat der rapide Fortschritt der modernen Technik auch dort soziologische Veränderungen hervorgerufen, an denen die Machthaber nicht achtlos vorbeigehen können. Es ist dort eine neue technisch-bürokratische Mittelschicht herangewachsen, die weder aus kommunistischen Funktionären fanatischer Art noch aus überzeugten parlamentarischen Demokraten besteht, sondern aus Menschen, die besser leben wollen, mehr Spielraum haben wollen und die nicht unter der totalen Diktatur der Staatsfunktionäre stehen wollen.
    Wenn man heute sagt: Handel mit dem Osten — neue Linie unserer Politik, so sollte man hier die Zusammenhänge und die Hintergründe sehen. Ich sage kein Wort gegen die Errichtung der Handelsmissionen, ganz im Gegenteil. Aber wir sollten sehen, daß hier zwei gegenläufige Strömungen miteinander um die Oberhand ringen. Wenn der Osten — Polen, die Tschechoslowakei, Ungarn, Rumänien,
    Bulgarien — einen verstärkten Handel mit dem Westen wünscht, dann erstens, weil die Massen besser leben wollen, und zweitens, weil diese Schicht, von der ich gesprochen habe, einen größeren Spielraum und bessere Lebensverhältnisse haben will. Moskau hat selber wirtschaftliche Engpässe. Moskau kann diesen Ländern zur Zeit nicht das liefern, was sie zu einer baldigen Verbesserung ihrer Lebensverhältnisse brauchen; darum auch die Anlehnung an den Westen, das Bemühen um mittel- und langfristige Kredite. Wir sollten dazu nicht bloß nein sagen. Wir sollten nicht glauben, daß diese Bewegung einer gewissen wirtschaftlichen Unabhängigkeit von Moskau, diese Bewegung nach besserem Leben und diese Bewegung nach Liberalisierung und Demokratisierung schon automatisch dem Ende des kommunistischen Systems zusteuert.
    Die gegenläufigen Strömungen sind die: die kommunistischen Machthaber wollen mit dieser für sie auch riskanten Politik ihr Regime auf lange Sicht stabilisieren und normalisieren, und wir hoffen, daß sich durch diese Politik der Entspannung und der Koexistenz, durch die Mittel, die sie bietet, für uns eine verstärkte Einwirkung, eine verstärkte Einflußnahme ergibt, nicht für subversive Zwecke, sondern um den Gedanken der Freiheit auch dort zu einer politischen Kraft zu führen, die nicht mehr durch Rückkehr zum alten Terror ausgeschaltet werden kann.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Das ist die entscheidende Frage.
    In diesem Spiele gilt es, die Differenzierungen zu sehen; und hier sind Differenzierungen zu vermerken. Es sei erlaubt, nicht auf die Einzelheiten einzugehen. Das kann vielleicht im Zusammenhang mit einer anderen Debatte geschehen. Aber wer soll heute im Westen als Gegenpartner für diese komplizierte Aufgabe in Erscheinung treten? Damit sage ich das, was meine politische Überzeugung ist. Sie sollen sie auch hier hören, trotz der knappen Zeit, und nicht bloß etwa aus Illustrierten, aus Kolumnen und aus ähnlichen Ersatztribünen vernehmen.
    Die Vereinigten Staaten von Amerika sind und bleiben die starke Schutzmacht der freien Welt. Das Bündnis Europa-Amerika ist die Lebenslinie der freien Welt überhaupt. Die enge Verbindung mit Amerika muß ein Axiom der deutschen Politik sein und bleiben. Darüber gibt es keinen Zweifel.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Ich bitte Sie auch, Kollege Erler, wenn Sie von Mißtrauen gegen die Vereinigten Staaten sprechen, dann damit vielleicht irgendwelche anderen Kreise, aber nicht diese Überlegung zu meinen, wenn Sie es auch nicht wörtlich gesagt haben. Es gab nämlich in diesem Hause Mißtrauen gegen die Vereinigten Staaten von Amerika, als sehr viel Mut dazu gehörte, das Militärbündnis mit Amerika in diesem Hause durchzusetzen.

    (Beifall bei der CDU/CSU.) Aber das ist vorbei.


    (Abg. Erler: Der „Bayern-Kurier" war jünger!)




    Dr. h. c. Strauß
    — Ich freue mich, daß die Auflagenzahl bei häufiger
    Erwähnung aus dem Munde der Opposition steigt.
    Aber sicherlich — und das sollen wir einfach sagen — hat sich auch im Westen seit 1949 einiges verändert. Einmal ist der Monopolbesitz von Atomwaffen bei den Amerikanern — ich muß sagen: leider — entschwunden. Die Welt würde glücklicher und ruhiger leben. Ich hielte nichts von dem Ausgleich. Wenn die Amerikaner die Atomwaffen allein hätten, wäre es besser. Sie würden bestimmt keinen Mißbrauch damit treiben. Die Sowjets haben ihre Atomwaffe. Sie haben in steigendem Maße Möglichkeiten, Langstreckenträger, entwickelt, um ihre Atomsprengkörper an jedem Punkt der Erde zur Explosion zu bringen, d. h. die beiden Supermächte — wir haben uns ja oft darüber in verteidigungspolitischen Debatten unterhalten, Kollege Erler — können sich heute gegenseitig vernichten. Die Amerikaner müssen also naturgemäß Wert darauf legen, daß an den empfindlichen Stellen der Weltpolitik nicht eine Konfliktmöglichkeit entstehen oder ein Zusammenstoß erfolgen kann, der dann automatisch zu einer verhängnisvollen Kettenreaktion ähnlich dem Ausbruch des ersten Weltkrieges, der unter den damaligen Mitteln möglich gewesen ist, und damit zu einem Flächenweltbrand führen kann, der diesmal irreparabel wäre. Diese Forderung der Amerikaner ist absolut berechtigt, und wir müssen volles Verständnis für sie haben. Das bedingt aber auch gewisse Arrangements, gewisse Versuche der Absprache mit der Sowjetunion, um nicht gleich die beiden Weltmächte mit ihren Superwaffen in jedem Fall zu konfrontieren. Das ist ein Ergebnis.
    Das zweite Ergebnis seit dem Jahre 1949 ist die unbestreitbare Tatsache, daß die europäischen Mächte, damals hungernd, am Boden liegend, verzweifelt, ausgeblutet, einen Wiederaufstieg erlebten, wirtschaftliche Blüte, soziale Stabilität, auch eine gewisse militärische Bedeutung erlangt haben. Die Summe unserer Überlegungen geht dahin, daß es heute unter dem Druck der weltpolitischen Veränderungen brennend notwendig ist, daß Europa als zweiter Sprecher der freien Welt in einer mit den USA koordinierten Politik zum Zwecke dieses Spieles der Politik mit Koexistenz und Entspannung in Erscheinung treten kann.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Heute fehlt im Konzert der Weltmächte, heute fehlt in der friedlichen Auseinandersetzung mit dem Kommunismus in seinen differenzierten polyzentristischen Formen und Entwicklungen die Stimme Europas.

    (Zustimmung bei der CDU/CSU.)

    Keine europäische Nation, auch Frankreich nicht —ich wage es, das hier ausdrücklich zu sagen; ich bin nicht Mitglied der Regierung; darum kann ich es sagen —, kann diese Aufgaben alle übernehmen und damit stellvertretend für Europa handeln, weil diese Aufgaben die Kräfte einer europäischen Nation bei weitem übersteigen.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Ich möchte das Thema Gaullismus hier überhaupt nicht abhandeln. Die Franzosen haben ihre Regierungsform, und de Gaulle ist gerufen worden, als die politischen Parteien gescheitert waren und das Land vor einem Bürgerkrieg stand. Halten wir unsere parlamentarische Demokratie aktionsfähig! Halten wir mit ihr die Lebensfragen unseres Volkes in Ordnung, dann brauchen wir uns nicht über irgendeinen Ismus zu unterhalten. Ich bekenne mich zur parlamentarischen Demokratie, wie sie ist, auch in ihren Schwächen und Fehlern, aber mit ihren wesentlich größeren Vorzügen und Vorteilen.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Wenn ich dieses Wort über die Notwendigkeit Europas gesprochen habe, dann deshalb, um zu sagen, daß wir nicht Zeit haben, nach innereuropäischen Gesichtspunkten zu warten. Die Frage ist sehr offen, ob das Warten nicht den zentrifugalen Tendenzen Auftrieb gibt.
    Sie haben heute gesagt, Herr Kollege Erler, wir sollen unsere Ziele offen aussprechen. Unser Ziel — mein Ziel, ich bin nicht verantwortlich dafür; aber das wäre das Ziel, wenn ich verantwortlich wäre — ist doch nicht eine Zweierunion mit Frankreich. Wir betrachten ja schon die Sechser-Lösung als eine Minimallösung. Wir wollen gern Großbritannien, Skandinavien, die iberische Halbinsel, die südosteuropäischen Länder dabei haben. Ich rede nicht von den Bereichen jenseits des Eisernen Vorhanges. Aber wir stellen fest, daß wir heute an Grenzen stoßen, die wir nicht allein durch Fortsetzung der alten Überlegungen beliebig verändern können. Das ist doch unser gemeinsames Dilemma. Wir haben drei Gemeinschaften: Montanunion, EWG und Euratom. Es zeigt sich, daß eine Vollintegration auf Teilgebieten nicht möglich ist. Es zeigt sich, daß Faktoren von den Verträgen nicht erfaßt werden, die aber in diesen Bereich hineinwirken. Es zeigt sich, daß auf dem Gebiet der Außenbeziehungen, der Verteidigung, der Kultur und auch gewisser anderer Bereiche die Lebensverhältnisse so verschieden sind, die Ziele und Interessen noch so divergierend sind, daß wir dringend eine Periode der Harmonisierung und der Koordinierung brauchen, um dann mit der Integration fortfahren zu können.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)


    (den Entwicklungsländern Lateinamerikas, Afrikas und Asiens. Dr. h. c. Strauß Ichsage ausdrücklich: Frankreich und Deutschland sind nach meiner Überzeugung nicht Europa; soviet Bildung und politischen Verstand haben wir auch, daß wir das nicht behaupten. Aber ohne eine Einigung zwischen Frankreich und Deutschland auf den soeben genannten vier Gebieten wird es keine europäische Politik geben, und wir mögen noch Generationen abwarten, dann wird es auch keine geben. Deshalb muß — und ich sage das ohne jeden Unterton gegen Großbritannien, der mir völlig fernliegt, oder die skandinavischen Länder oder gegen Amerika — jede europäische Politik mit der Einigung zwischen Frankreich und Deutschland beginnen. Wir haben die Pläne der Bundesregierung begrüßt, weil sie einen neuen Ansatz bieten, weil sie die Staatsmanner zusammenführen sollen. Es nützt nichts, nur eine Konstruktion zu bieten, es nützt nichts, ein Begegnungsforum zu schaffen; das Wesentliche ist die Entschlossenheit der europäischen Staatsmänner, in den vorhin genannten vier großen Fragen, wo heute Europas Stimme entweder überhaupt nicht ertönt oder nur in Form kleiner schwacher divergierender Nationalstaaten knapp zu hören ist, zu einer gemeinsamen Politik zu kommen. Ich darf das wirklich als persönliche Überzeugung sagen. Ich bin der Politik der Franzosen nach dem zweiten Weltkrieg sehr kritisch gegenübergestanden; die haben zwar nicht danach gefragt, aber das ist meine Einstellung gewesen. Ich bin dem damaligen Exministerpräsidenten de Gaulle noch kritischer gegenübergestanden, und besonders kritisch, als er dazu beitrug, in Frankreich die Europäische Verteidigungsgemeinschaft zu Fall zu bringen. So haben wir damals gesprochen, und wir haben keinen Grund, unsere Einstellung von damals heute etwa schamhaft zu unterdrücken oder zu verschweigen. Aber die großen Europäer wie Robert Schuman, oder Antoine Pinay oder im besonderen de Gaulle haben einen seelischen Umschwung in Frankreich im Volk hervorgerufen, der eine einmalige geschichtliche Situation, eine Sternstunde darstellt, die man ausnutzen muß, weil sonst die Dinge sich wieder abkühlen würden. Aus diesem Grunde sind wir der Bundesregierung dankbar für ihre Pläne und bitten sie, diese Pläne vorwärtszutreiben. Es geht nicht um die Verhältnisse innerhalb Europas. Es geht um die Stimme Europas in der Welt. Es geht darum angesichts der kommenden Gespräche mit Chruschtschow. Ich vermute, Präsident Johnson wird nach Deutschland kommen, Präsident Johnson wird Chruschtschow treffen, der Bundeskanzler wird Chruschtschow treffen. Wir sehen noch heute die starken Kontakte, die Frankreich nicht nur nach Moskau und Peking, sondern auch in den Raum der kommunistischen Satelliten oder Exsatelliten hinein unterhält, und man möge mir meine Bemerkung nicht als Ausdruck nationaler Würdelosigkeit unterstellen, wenn ich sage, daß die moralische Kraft und die politische Reichweite Frankreichs in Osteuropa, in Polen, der Tschechoslowakei und auf dem Balkan größer ist als die deutsche, weil unsere tragische Vergangenheit den Ertrag und die Ernte von Generationen zerstört hat. Ein Deutschland, dessen Politik europäisch orientiert ist, ein Deutschland, dessen Politik mit Frankreich abgestimmt ist, wird in diesen Ländern viel mehr als unsere Friedensbeteuerungen und Deklamationen von Koexistenz und Entspannung glaubwürdig sein und das Gespenst einer militärischen Drohung durch ein wiedervereinigtes Deutschland aus den Herzen der Völker allmählich verdrängen können. Das ist die Überlegung, warum wir glauben, keine Zeit zu haben, warum wir die Bundesregierung — nur in Übereinstimmung mit ihren eigenen Überlegungen — gebeten haben, vorwärtszugehen. Europa hat keine Zeit. Europas Stimme muß heute im Konzert dieser Auseinandersetzung laut zu hören sein. Ich möchte sagen, die deutsche Frage kann — leider — nicht so gelöst werden, wie es sich manche in unserem Lande vorgestellt haben, nämlich durch Pläne oder Arrangements von deutscher Seite mit Abstützung auf westlicher Seite gegenüber dem Osten. Die deutsche Frage wird nur mehr zu lösen sein, wenn eine handlungsfähige freie Welt mit zwei Polen auftritt, mit zwei Sprechern, einem Europa, das mit gleicher Zunge spricht und nicht mit verschiedenen Zungen spricht, und wenn die deutsche Frage europäisiert und atlantisiert wird. Um der deutschen Frage willen, um der Überwindung der Spaltung Europas willen, um der Überwindung der Teilung Deutschlands willen ist es heute notwendig, daß wir nicht inmitten europäischer Pläne und Diskussionen steckenbleiben, uns nicht in idealistischen Vorstellungen vom größeren Europa erschöpfen, ohne zu merken, daß die Zeit verrinnt und der große Strom der Zeit und der Entwicklung an uns vorbei und über uns hinweggeht. Das war der Grund: die einmalige geschichtliche Stunde mit Frankreich, die geschichtliche Notwendigkeit, Europa zu schaffen, und dann der große Rahmen Europa-Amerika, in dem allein die deutsche Frage dann als europäische und als atlantische Frage, auch im Zeitalter der Koexistenz und der Entspannung, einer Lösung, nicht einer kurzfristigen, aber einer Lösung auf längere Sicht zugeführt werden kann. Das sind die politischen Überzeugungen, die ich in diesem Jahr erarbeitet und ausgedrückt habe — auf anderen Foren und Tribünen —, und deshalb glaubte ich, es Ihnen schuldig zu sein, es heute auch vor Ihnen, dem eigentlichen Forum der deutschen Politik, tun zu müssen. (Anhaltender lebhafter Beifall bei der CDU/CSU.)





    (Beifall bei der CDU/CSU.)


    (Beifall bei der CDU/CSU.)


    (Beifall bei der CDU/CSU.)


    (Beifall bei der CDU/CSU.)


    (Beifall bei der CDU/CSU.)



Rede von Dr. Richard Jaeger
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CSU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)
Das Wort hat Frau Abgeordnete Strobel.




  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Käte Strobel


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Regierungsparteien hatten angekündigt, daß sie heute über die Sachfragen der deutschen Politik, insbesondere über die Europapolitik, reden wollten. Ich muß sagen, wir hatten erwartet, daß die Regierung heute hier zur Präzisierung und Konkretisierung ihrer seit Juni dieses Jahres angekündigten Europa-Initiative Konkretes sagen würde. Das ist nicht geschehen. In der Rede des Herrn Bundeskanzlers gibt es nur sehr allgemeine, oft ausgesprochene Formulierungen.
    Zu dem, was Herr Kollege Strauß zum Ende seiner Rede bezüglich der Notwendigkeit, sich über die wesentlichen politischen Fragen in Europa zu einigen, und von der Zustimmung zu den Plänen der Bundesregierung gesagt hat, kann ich nur wieder die Frage stellen: Wo sind denn die Pläne der Bundesregierung, denen Sie Ihre Zustimmung gegeben haben? Nachdem offensichlich ist, daß diese Einigung nicht zustande gekommen ist, möchte ich fragen: Woran liegt es, daß die Einigung über die wesentlichen politischen Probleme bis jetzt nicht zustande kam? Es gab den Fouchet-Plan I, es gab den Fouchet-Plan II. Beide haben nicht die Zustimmung der Bundesregierung, nicht die Zustimmung der anderen Fünf in der SechserGemeinschaft gefunden. Es gab dann den Bonner Plan der anderen Fünf. Dieser hat nicht die Zustimmung de Gaulles gefunden. Das Veto de Gaulles gegen den Beitritt Englands hat die grundlegenden Meinungsverschiedenheiten über die Politik in Europa deutlich gemacht. Wir haben immer gesagt, daß es notwendig ist, diese Meinungsverschiedenheiten auszuräumen, und daß erst, wenn diese Meinungsverschiedenheiten ausgeräumt sind, eine Chance besteht, zu der politischen Union zu kommen, die wir alle wollen.
    Gestatten Sie mir ein Wort zu den Eingangsausführungen des Herrn Kollegen Zoglmann. Er hat sich dort bemüht, zu beweisen, daß die FDP als Juniorpartner der CDU auch von dieser sich nicht übertreffen lassen will in der Aufstellung von falschen Behauptungen. Herr Zoglmann, Sie werden diese falschen Behauptungen auch durch noch so sichtbare Freude am Fabulieren nicht beweisen können. Im übrigen bin ich der Meinung, Herr Strauß hat bewiesen, daß er das noch besser kann als Herr Zoglmann.
    Zu den von Herrn Strauß angeschnittenen Fragen im Zusammenhang mit wesentlichen Teilen der Außenpolitik — wenn ich die Europapolitik einmal ausklammern darf — werden Sie die erbetene Antwort von Herrn Wehner bekommen.
    Bevor ich Vu den Sachfragen der Europapolitik komme, möchte ich unter dem Eindruck dessen, was jetzt Herr Kollege Strauß gesagt hat, bemerken: Es gibt sicher niemanden in diesem Hause und wohl auch nicht außerhalb dieses Hauses, der bezweifelt hätte, daß Herr Kollege Strauß die rhetorischen und auch die sonstigen Fähigkeiten besitzt, im Gegensatz zu seinen früheren Äußerungen, bei denen in der Öffentlichkeit der Anschein entstanden ist, daß er mit der Politik der Bundesregierung nicht übereinstimmt, den Eindruck zu erwecken, daß er völlig mit ihr übereinstimme, ja daß er die Politik des
    Bundeskanzlers auch in den europäischen Fragen unterstütze. Für mich selber muß ich ehrlich sagen: Mir fehlt der Glaube,

    (Sehr wahr! bei der SPD)

    und ich nehme an, auch in den. Reihen der CDU/CSU im Hause — von der FDP ganz zu schweigen —wird manch einer genau so denken wie ich. Für die Glaubwürdigkeit und die Zuverlässigkeit der deutschen Europapolitik bei unseren Partnern, deren Vertrauen wir so dringend brauchen, ist das allerdings keine Plattform.
    Der Herr Bundeskanzler hat sich in seinen Äußerungen zur Europainitiative der Bundesregierung bemerkenswert kurz und allgemein ausgedrückt. Aber ich möchte doch das Versprechen festhalten, das die deutsche Regierung für die baldige Vollendung des Gemeinsamen Marktes eingeht. In der Tat ist das eine wesentliche Voraussetzung für eine politische Gemeinschaft in Europa. Wir Sozialdemokraten haben immer betont und auch bewiesen, daß wir jede Initiative, die einen Fortschritt im europäischen Einigungswerk bringt, begrüßen. Wir sind auch der festen Überzeugung, daß die Integration auf wirtschaftlichem Gebiet nur dann zur vollen Entfaltung kommen kann, wenn sie durch die politische Integration ergänzt wird.
    Wir verkennen nicht die Schwierigkeiten, die sich bei den institutionellen und organisatorischen Fragen ergeben, vor allen Dingen, wenn man ein Maximum an Zusammenarbeit ermöglichen will. In diesem Zusammenhang wäre es durchaus möglich, daß man die bereits bestehenden Gemeinschaften mit den politischen Aufgaben betraut, also ihre Zuständigkeit auf die politischen Aufgaben erweitert.. Ich brauche hierbei nicht zu wiederholen, was der Fraktionsvorsitzende der SPD, Kollege Erler, zu den minimalen Prinzipien, die dabei beachtet werden müssen, bereits ausgeführt hat.
    Aber ich möchte doch noch einmal betonen, daß jede Vereinbarung über eine schrittweise politische Zusammenarbeit ein Rückschritt und nicht ein Fortschritt wäre, wenn sie diese minimalen Prinzipien nicht beinhaltete. Auch ein Feuerwerk über europäische Politik, mag es im Augenblick noch so brillant erscheinen, bringt uns nicht weiter.

    (Abg. Erler: Sehr wahr!)

    Die Europapolitik muß sich nämlich am politischen Alltag orientieren und bewähren.
    Gerade zu diesem europäischen Alltag möchte ich einiges sagen, weil das bis heute nicht geschehen ist, vor allen Dingen nicht durch die Regierung und die Regierungsparteien. Je mehr anstehende Probleme in den bestehenden Gemeinschaften konkret und gemeinschaftlich gelöst werden, desto größer ist die Chance, daß die Integration vertieft und verbreitert werden kann. Ich meine, die Regierung muß den Ernst ihres bekundeten Willens in der Praxis beweisen. Das ist nicht immer genügend geschehen. Sie hat sich leider an der Verzögerung einer gemeinsamen Politik in den Gemeinschaften beteiligt. Ich möchte das nicht behaupten, ohne ein paar Beispiele dafür zu nennen.



    Frau Strobel
    Eine gemeinsame Energiepolitik ist eine wesentliche Grundlage eines gemeinsamen Marktes. Sie ist bis jetzt nicht zustande gekommen. Ihre Dringlichkeit kann nicht bestritten werden. Aber es fehlt den Regierungen, auch der deutschen Bundesregierung, der politische Wille dazu.

    (Abg. Erler: Hört! Hört!)

    Wenn die Regierung bereit wäre, einer klaren gemeinschaftlichen Konzeption für die Energiepolitik zuzustimmen, ihre Verwirklichung von ihren Partnern zu fordern, dann wäre das eine erhebliche Stärkung europäischer Politik.

    (Abg. Erler: Sehr wahr!)

    Bis jetzt hat die Regierung das versäumt, obwohl es ein Teil der Aufgaben der europäischen Gemeinschaften ist.
    Zu einem anderen Punkt, der dazugehört. Ein europäisches Bergarbeiterstatut ist bisher nicht zustande gekommen. Es ist nicht zuletzt durch den Widerstand der Bundesregierung sogar verhindert worden.

    (Abg. Erler: Hört! Hört!)

    Ein einiges Europa, meine Damen und Herren, ist aber ohne die Zustimmung der breiten Arbeitnehmerschaft nicht denkbar, und bei den Bergarbeitern wächst jetzt bereits die Skepsis. Man kann der Bundesregierung nur empfehlen, sich möglichst bald der positiven Stellungnahme des derzeitigen Präsidenten der Hohen Behörde zum Bergarbeiterstatut anzuschließen.
    In einem anderen konkreten Punkt, in der Harmonisierung der Sozialpolitik in den Gemeinschaften, hat die Bundesregierung bis jetzt jedes Verständnis vermissen lassen und die Initiativen der Kommission und des Europäischen Parlaments in dieser Beziehung immer wieder gebremst. In der Sozialkonferenz der Gemeinschaften im Dezember 1962 hat der Vertreter der Bundesregierung der EWG-Kommission das Recht abgesprochen, in der Harmonisierung der Sozialpolitik tätig zu werden. Wer denn anders als die europäische Institution sollte das denn? Das hat sich noch fortgesetzt. Bei der kürzlich durchgeführten Konferenz für soziale Sicherheit im Verkehr hat die Bundesregierung durch ihren Sprecher diesen Standpunkt wiederholt.
    Ist die Bundesregierung bereit, frage ich deshalb, auch in diesem konkreten Fall ihren Widerstand gegen einen Fortschritt in Richtung einer gemeinsamen Politik endlich aufzugeben? Akzeptiert die Bundesregierung auch für die Sozialpolitik die Grundsätze, die in der Initiative 64 von der EWG-Kommission niedergelegt sind? Das wäre ein konkreter Schritt nach vorn. In der Erklärung des Herrn Bundeskanzlers fehlt leider jede Bezugnahme auf diese Initiative 64, die gerade im Augenblick sehr aktuell ist.
    Besonders wichtig für die weitere europäische Integration ist die Außenhandelspolitik. Von einer gemeinsamen Außenhandelspolitik sind wir weit entfernt, obwohl im Vertrag über die EWG dazu der Auftrag gegeben ist. Es hat auch nicht an Initiativen der EWG-Kommission gefehlt. Sie alle sind vom
    Europäischen Parlament unterstützt worden. Aber es fehlt auch hier der politische Wille der Regierung. Auch die deutsche Regierung hat im Ministerrat nichts getan, um das im September 1962 gebilligte Aktionsprogramm für eine gemeinsame Handelspolitik zu verwirklichen. Wie wäre es denn anders möglich, daß heute noch 9 Vorschläge für Verordnungen und Entscheidungen zur schrittweisen Vereinheitlichung der Handelspolitik im Ministerrat unerledigt liegen, zum Teil seit 1963? Ein einheitliches Vorgehen in der Handelspolitik wird aber doch immer dringender — das ist heute wiederholt bewiesen worden , und zwar nicht nur wegen der Osthandelsprobleme, sondern au ch gegenüber allen Drittländern.
    Dazu kommt noch, daß die Grenzen zwischen der Außenwirtschafts- und der klassischen Außenpolitik sich einfach nicht klar ziehen lassen. Jede wirtschafts- oder handelspolitische Maßnahme, durch die eine Beeinflussung der Außenbeziehungen erfolgt, hat außenpolitischen Charakter. Nirgends zeigt sich deutlicher der politische Gehalt der bereits bestehenden Gemeinschaften als gerade in den Außenhandelsfragen.

    (Abg. Erler: Sehr wahr!)

    Deshalb möchte ich den Satz zitieren, der in der Rede des Herrn Bundeskanzlers steht: „Alle Möglichkeiten der Römischen Verträge sollen voll, ausgenützt werden", heißt es dort. Nun, da sage ich dreimal ja. Aber dann bitte nicht nur sagen, sondern auch tun!

    (Beifall bei der SPD.)

    Denn diese Verträge ausnutzen bedeutet doch nicht, die Initiative der europäischen Institutionen auf dem Gebiet der gemeinsamen Handelspolitik zu bremsen, sondern sie zu fördern. Das bringt uns einer europäischen Zusammenarbeit sehr viel näher als unverbindliche Regierungskonferenzen.

    (Sehr wahr! bei der SPD.)

    Die Bedeutung einer gemeinsamen Handelspolitik für Europa wird auch besonders deutlich in der Kennedy-Runde. Hier möchte ich sehr klar und deutlich sagen: die Kennedy-Runde, ihre Vorbereitung und ihre Behandlung in Teilen durch die Bundesregierung ist ein konkreter Fall der Gefährdung kommunautärer Politik durch das deutsche Verhalten. Die Unklarheit über die Agrarpreispolitik beeinträchtigt die so dringend notwendige Handlungsfähigkeit der Kommission. Der Ministerrat hat ja der EWG-Kommission einstimmig, also mit der Stimme der Bundesregierung, das Mandat gegeben, in der Kennedy-Runde auf der Basis der Agrarstützungen die Verhandlungen zu führen. Das ist auch eine logische Folge des mit der Zustimmung der Bundesregierung geschaffenen Marktordnungs-
    und Abschöpfungssystems. Meine Frage lautet: steht eigentlich die Bundesregierung zu diesen Beschlüssen? Das ist nämlich fragwürdig geworden. Sie hat aber auch keinen anderen Weg vorgeschlagen, wie man in der Kennedy-Runde die Agrarpolitik verhandeln könnte.

    (Abg. Ertl meldet sich zu einer Zwischenfrage.)




    Frau Strobel
    — Entschuldigen Sie, lassen Sich mich meinen Satz zu Ende führen. — Dadurch wird die Ernsthaftigkeit des Mandats der Kommission beeinträchtigt. — Bitte!