Rede:
ID0413720200

insert_comment

Metadaten
  • sort_by_alphaVokabular
    Vokabeln: 7
    1. Herr: 1
    2. Abgeordneter: 1
    3. Stoltenberg: 1
    4. möchte: 1
    5. eine: 1
    6. Zwischenfrage: 1
    7. stellen.: 1
  • tocInhaltsverzeichnis
    Deutscher Bundestag 137. Sitzung Bonn, den 15. Oktober 1964 Inhalt: Glückwünsche zum 70. Geburtstag des Herrn Bundespräsidenten 6761 A Erweiterung der Tagesordnung 6761 A Wahl des Abg. Dr. Achenbach zum Mitglied des Europäischen Parlamentes . . . . 6763 A Wahl des Abg. Dr. Hellige zum ordentlichen Mitglied der Beratenden Versammlung des Europarates und der Versammlung der Westeuropäischen Union 6763 A Wahl des Abg. von Mühlen zum Stellvertretenden Mitglied der Beratenden Versammlung des Europarates und der Versammlung der Westeuropäischen Union 6763 A Fragestunde (Drucksachen IV/2586, IV/2599) Fragen des Abg. Wächter: Viehschädigungen durch Düsenjägerlärm — Äußerungen des Generals Panitzki betr. einen zweiten „Grünen Plan" von Hassel, Bundesminister . . . 6764 B Wächter (FDP) . . . . . . . . 6765 A Frage des Abg. Kaffka: Äußerung des Generals Panitzki betr. Opferbereitschaft des deutschen Volkes von Hassel, Bundesminister . . 6765 B, C, D, 6766 B Kaffka (SPD) 6765 C Cramer (SPD) 6765 C, D Gerlach (SPD) . . . . . . . 6765 D Frau Dr. Flitz (FDP) 6766 A Wächter (FDP) . . . . . . . 6766 B Frage des Abg. Dr. Müller-Emmert: Umgehungsstraße der B 270 . . . . 6766 C Frage des Abg. Schwabe: Mittel für den Straßenbau 1964 . . . 6766 D Frage des Abg. Schwabe: Kapazität des deutschen Straßenbaugewerbes 6766 D, 6767 A Frage des Abg. Schwabe: Sofort-Maßnahmen zur Behebung des Straßenbaunotstandes . . 6766 D, 6767 A Frage des Abg. Bading: Bundesstraße 253 . . . . . . . . 6767 A II Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 137. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 15. Oktober 1964 Frage des Abg. Flämig: Verkehrsverhältnisse an der Einmündung der Bundesstraße 43 in die Bundesstraße 8 6767 B Frage des Abg. Flämig: Straßenbrücke über den Main mit Anschluß an die Bundesbahnstraßen bei Hanau 6767 C Frage des Abg. Flämig: Ausbau der Bundesstraße 40 im Land- kreis Gelnhausen 6767 D Frage des Abg. Peiter: Teilstück der Lahntalstraße DiezLaurenburg 6767 D Frage des Abg. Josten: Straßentunnel der B 267 bei Altenahr Dr.-Ing. Seebohm, Bundesminister 6768 A, B Josten (CDU/CSU) 6768 B Frage des Abg. Dr. Luda: Entgiftung der Auspuffgase Dr.-Ing. Seebohm, Bundesminister 6768 C, D, 6769 A Dr. Luda (CDU/CSU) 6768 D Büttner (SPD) . . . . . 6768 D, 6769 A Frage des Abg. Dr. Kohut: Umgehungsstraße im Zuge des MainNeckar-Schnellweges Dr.-Ing. Seebohm, Bundesminister . 6769 B Dr. Kohut (FDP) 6769 B Frage des Abg. Dr. Kohut: Ost-Tangente von der B 8 über den Main bei Groß- und Klein-Auheim Dr.-Ing. Seebohm, Bundesminister 6769 C, D Dr. Kohut (FDP) 6769 C Frage des Abg. Dr. Imle: Ausbau der B 76 von Flensburg nach Schleswig Dr.-Ing. Seebohm, Bundesminister . 6769 D, 6770 A Dr. Imle (FDP) 6770 A Frage des Abg. Moersch: Bauzaun an der Saale-Brücke Dr.-Ing. Seebohm, Bundesminister . 6770 B Frage des Abg. Dr. Schmidt (Wuppertal) : Auswirkungen des Personenkraftverkehrs auf die öffentlichen Verkehrsmittel Dr.-Ing. Seebohm, Bundesminister . 6770 C, 6771 A, B, C Dr. Müller-Hermann (CDU/CSU) . . 6770 D Geiger (SPD) . . . . . . . 6771 B, C Frage des Abg. Kaffka: Bundesstraße 10 Dr.-Ing. Seebohm, Bundesminister 6771 C, D, 6772 A Kaffka (SPD) . . . . . 6771 D, 6772 A Frage des Abg. Lemper: Schienenbusse im Kreis Bergheim Dr.-Ing. Seebohm, Bundesminister 6772 A, C Lemper (SPD) . . . . . . . . . 6772 B Frage des Abg. Lemper: Personenbeförderung im Kreis Bergheim Dr.-Ing. Seebohm, Bundesminister . 6772 C Frage des Abg. Lemper: Bundesbahnbusse im Kreis Bergheim Dr.-Ing. Seebohm, Bundesminister 6772 D, 6333 B, C, D Lemper (SPD) 6773 A Dr. Kohut (FDP) 6773 A Ritzel (SPD) 6773 B, C Frage des Abg. Hilbert: Wohnungsmieten in bundesbahneigenen Gebäuden Dr.-Ing. Seebohm,' Bundesminister 6773 D Hilbert (CDU/CSU) 6774 B Geiger (SPD) 6774 B Dröscher (SPD) 6774 C Frage des Abg. Hilbert: Tragbare Wohnungsmieten in bundesbahneigenen Wohnungen Dr.-Ing. Seebohm, Bundesminister 6774 D Geiger (SPD) 6774 D Frage des Abg. Anders: Finanziell geförderte Wohnungen — Mieterhöhungen Dr.-Ing. Seebohm, Bundesminister . 6775 A Anders (SPD) . . . . . . . . . 6775 A Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 137. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 15. Oktober 1964 III Fragen des Abg. Eisenmann: Bauzustand der Ufer des Nord-OstseeKanals Dr.-Ing. Seebohm, Bundesminister . 6775 C Frage des Abg. Müller (Erbendorf) : Ausbau der Bundesstraße 15 Dr.-Ing. Seebohm, Bundesminister . 6776 A Müller (Erbendorf) (SPD) . . . . 6776 B Frage des Abg. Folger: Schülermonatskarten für Praktikanten Dr.-Ing. Seebohm, Bundesminister 6776 C Folger (SPD) 6776 C Frage des Abg. Schmitt-Vockenhausen: Schleuse Kostheim am Main Dr.-Ing. Seebohm, Bundesminister . 6776 D Schmitt-Vockenhausen (SPD) . . . 6777 A Frage des Abg. Dröscher: Handhabung des Grundstücksverkehrsgesetzes Schwarz, Bundesminister . . . 6777 A Dröscher (SPD) 6777 C Frage des Abg. Dröscher: Unterstützung der Forstwirtschaft Schwarz, Bundesminister . . . . 6777 D Dräscher (SPD) . . . . . . . . 6778 B Entwurf eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Rechnungsjahr 1965 (Haushaltsgesetz 1965) (Drucksache IV/2500) — Erste Beratung —; in Verbindung mit Entgegennahme einer Erklärung des Bundeskanzlers Dr. Dr. h. c. Erhard, Bundeskanzler . 6778 C Dr. Barzel (CDU/CSU) 6788 C Erler (SPD) . . . . . . . . 6794 C Zoglmann (FDP) 6810 A Dr. h. c. Strauß (CDU/CSU) . . . 6816 A Frau Strobel (SPD) 6831 A Scheel, Bundesminister . . . . 6835 D Dr. Dahlgrün, Bundesminister . . 6836 B Dr. Carstens, Staatssekretär . . 6840 A Frau Dr. Schwarzhaupt, Bundesminister . . . . . . 6843 A Leber (SPD) 6844 B Katzer (CDU/CSU) . . . . . . 6849 D Schmitt-Vockenhausen (SPD) . . 6851 D Riedel (Frankfurt) (CDU/CSU) . . 6855 C Mündlicher Bericht des Vermittlungsausschusses zu dem Gesetz zur Durchführung der Verordnung Nr. 13/64/EWG (Milch- und Milcherzeugnisse) des Rats der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (Durchführungsgesetz EWG Milch und Milcherzeugnisse) (Drucksachen IV/2260, IV/2387, IV/2457, IV/2603) und Mündlicher Bericht des Vermittlungsausschusses zu dem Gesetz zur Durchführung der Verordnung Nr. 14/64/EWG (Rindfleisch) des Rats der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (Durchführungsgesetz EWG Rindfleisch) (Drucksachen IV/2254, IV/2366, IV/2458, IV/2604) Brand (CDU/CSU) . . . . . . 6809 B Nächste Sitzung 6856 D Anlage 6857 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 137. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 15. Oktober 1964 6761 137. Sitzung Bonn, den 15. Oktober 1964 Stenographischer Bericht Beginn: 9.01 Uhr
  • folderAnlagen
    Anlage zum Stenographischen Bericht Liste der beurlaubten Abgeordneten Abgeordneter) beurlaubt bis einschließlich a) Beurlaubungen Dr. Aigner* 16. 10. Frau Albertz 16. 10. Dr. Aschoff 16. 10. Dr.-Ing. Balke 16. 10. Frau Berger-Heise 16. 10. Frau Brauksiepe 16. 10. Dr. von Brentano 15. 11. Dopatka 17. 10. Ehren 14. 11. Faller* 16. 10. Flämig 16. 10. Dr. Dr. h. c. Friedensburg* 16. 10. Dr. Furler* 16. 10. Gehring 23. 10. Gräfin vom Hagen 31. 10. Hahn (Bielefeld)* 16. 10. Dr. Hahn (Heidelberg) 16. 10. Hammersen 16. 10. Heiland 18. 10. Dr. Dr. Heinemann 16. 10. Heix 23. 10. Hellenbrock 16. 10. Frau Dr. Heuser 20. 10. Holkenbrink 15. 10. Illerhaus* 16. 10. Jacobi (Köln) 16. 10. Kahn-Ackermann 20. 11. Kalbitzer 16. 10. Klinker* 16. 10. Könen (Düsseldorf) 16. 10. Koenen (Lippstadt) 16. 10. Kraus 31. 10. Kubitza 31. 10. Freiherr von Kühlmann-Stumm 4. 11. Lenz (Bremerhaven) 15. 10. Abgeordneter) beurlaubt bis einschließlich Lenz (Brühl)* 16. 10. Liehr 31. 10. Dr. Löhr* 16. 10. Lücke (Bensberg) 16. 10. Lücker (München)* 16. 10. Frau Meermann 16. 10. Memmel 31. 10. Dr. von Merkatz 16. 10. Michels 15. 10. Mick 16. 10. Dr. h. c. Dr.-Ing. E. h. Möller 18. 11. Murr 16. 10. Peters (Norden) 31. 10. Peters (Poppenbüll) 16. 10. Dr.-Ing. Philipp * 16. 10. Pöhler 16. 10. Rademacher 16. 10. Rauhaus 23. 10. Reichhardt 31. 10. Rollmann 31. 10. Ruf 16. 10. Seidel (Fürth) 24. 10. Seidl (München) 16. 10. Dr. Serres 16. 10. Spies 16. 10. Spitzmüller 15. 10. Stein 16. 10. Wehking 15. 10. Weinkamm ** 16. 10. Dr. Willeke 23. 10. Dr. Zimmer 16. 10. Frau Zimmermann (Brackwede) 15. 10. b) Urlaubsanträge Börner 23. 10. *) Für die Teilnahme an Sitzungen des Europäischen Parlaments.
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Fritz Erler


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Ich denke nicht daran, einen Satz zurückzunehmen, den ich inhaltlich für richtig halte. Die Bundesrepublik Deutschland muß eine gerechte Heimstatt freier Menschen werden, weil es in der Gerechtigkeit hier noch eine ganze Reihe von Dingen zu vollenden gilt. Das ist unsere Aufgabe.

    (Lebhafter Beifall bei der SPD. — Zurufe von der CDU/CSU. — Abg. Rasner: Das bedeutet was, was Sie gesagt haben, Herr Erler!)

    — Ja, weil es in der Gerechtigkeit noch eine ganze Reihe von Dingen zu erfüllen gilt. Das ist unsere gemeinsame Aufgabe.

    (Abg. Rasner: Wir kommen darauf zurück! — Weitere Zurufe von der CDU/CSU.)

    — Meine Damen und Herren, regen Sie sich doch nicht künstlich auf! Auf Ihren Kriegsopfer- und Gesundheitskongressen führen Sie eine andere Sprache. Wir sind es gewohnt, nicht mit zwei Zungen zu reden,

    (Beifall bei der SPD — Zurufe von der CDU/CSU)

    sondern hier die Wahrheit genauso auszusprechen wie draußen.

    (Abg. Rasner: Wir kommen darauf zurück!)

    — Kommen Sie darauf zurück! Sie können ja Ihr Fest heute hier haben. Ich habe ja gar nichts dagegen. Ich bin nur der Meinung, daß wir eigentlich, nachdem Sie also Ihre Freude hatten, auch noch über einige der wirklich wichtigen politischen Fragen zu reden haben.

    (Abg. Rasner: Das war eine sehr wichtige Frage!)

    — Sicher! Sie wollen Ihren Wahlkampf gegen Schweden führen. Ich wünsche Ihnen viel Vergnügen.

    (Lachen bei der SPD. — Zurufe von der CDU/CSU. — Abg. Majonica: Und Sie gegen die Bundesrepublik, Herr Kollege Erler!)

    Wer hat denn das Thema hier eingeführt?
    — Nein, nicht gegen die Bundesrepublik, für den Ausbau der Bundesrepublik unter sozialdemokratischer Führung. Dazu führen wir den Wahlkampf, jawohl.

    (Beifall bei der SPD. — Zurufe von der CDU/CSU: Ja, nach schwedischem Muster!)


    (Lachen bei der CDU/CSU)

    wie Ihnen das Wahlresultat von Nordrhein-Westfalen die schlotternde Nervosität eingegeben hat, hat gezeigt — —

    (Beifall bei der SPD. — Lachen bei der CDU/CSU. — Abg. Rasner: Das hören wir jetzt schon fünfzehn Jahre! — Zuruf von der CDU/CSU: Baden-Württemberg!)

    — In Baden-Württemberg haben wir der Koalition schließlich drei Mandate abgenommen. Da sind Sie trotzdem noch mit einem blauen Auge davongekommen.
    Meine Damen und Herren, ich glaube, es ist notwendig, daß Sie sich nun allmählich etwas zügeln.

    (Zurufe von der CDU/CSU.)

    — Die Zwischenfragen haben Sie doch gestellt!

    (Zuruf von der CDU/CSU: Sie müssen sich zügeln!)

    — Das müssen Sie bei Ihren Zwischenfragen. — Wir sollten uns nun wieder dem Problem des europäischen Einigungswerks zuwenden.

    (Abg. Dr. Barzel: Und der „Heimstatt der Deutschen" !)

    — Herr Barzel, zügeln Sie sich doch bitte hier. Bei der „Heimstatt der Deutschen" waren wir doch längst. Müssen wir die gerechte „Heimstatt der Deutschen" ,immer wieder behandeln? Sie haben doch nun die Zitate, von denen Sie glauben, daß sie bei der Wahl Ihnen helfen; das langt doch. Wir meinen, daß sie uns helfen; das langt uns. Nun können wir doch weitergehen.
    Also zurück zum europäischen Einigungswerk. Ich bleibe dabei, daß es verdienstvoll wäre, auch wenn Ihnen das vielleicht nicht schmeckt, den europäischen Neutralen einschließlich Schwedens, Österreichs und der Schweiz eine faire Behandlung durch die europäischen Gemeinschaften zuteil werden zu lassen.

    (Beifall bei der SPD.)

    Vielleicht einigen wir uns wenigstens in dieser Frage. Für die Einbeziehung der politischen und der Verteidigungsfragen in das Werk der europäischen Einigung sind die Erfahrungen der vorhandenen Gemeinschaften von größtem Wert. Unentbehrlich ist ein Organ, das vom Gemeinschaftsinteresse her die politischen und Verteidigungsprobleme erörtert und Vorschläge macht und frei ist von Weisungsgebundenheit durch die nationalen Regierungen. Sonst kommen wir nicht zu gemeinschaftlichem Denken und damit zur Vorbereitung einer gemeinschaftlichen Politik.
    Interessant sind hierzu die Vorschläge, welche die EWG-Kommission in ihrer Initiative 1964 vorgelegt hat. Ich hätte mich gefreut, wenn die Bundesregierung durch den Kanzler etwas präziser zu diesen Vorschlägen Stellung genommen hätte.

    (Zuruf von der SPD: Kann er nicht! — Lachen bei der CDU/CSU.)

    Europa, meine Damen und Herren, muß demokratisch organisiert sein. Ich wundere mich, daß Vertreter der christlich-demokratischen Parteien in Rom für direkte Wahlen eintreten, hier aber offenbar große Bedenken gegen die Beratung des Gesetzentwurfs der Sozialdemokraten haben, der diesem Ziel dient. Ich möchte annehmen, daß wir nach den Beschlüssen der Christlichen Demokraten in Rom endlich Ihre Unterstützung bei der Durchsetzung der



    Erler
    direkten Wahl der Abgeordneten finden werden, weil man schließlich nicht woanders anders reden kann als hier zu Hause.

    (Beifall bei der SPD.)

    Wichtig ist, daß der Widerstand eines Mitgliedstaates gegen Gemeinschaftslösungen kein Grund zur Aufgabe des als richtig erkannten Ziels sein darf. Die Bundesregierung muß allen Beteiligten klar sagen, was sie will, weil diese Klarheit das beste Mittel ist, um den noch abseits Stehenden allmählich von seiner Abseitslage zu überzeugen und damit durch das eigene Interesse auf den Weg gemeinschaftlicher Lösungen zurückzuführen.
    Wir haben auch gefordert, daß bis zum Abschluß der entsprechenden neuen Verträge die regelmäßigen Konsultationen der Regierungen im Rahmen der Gemeinschaft der Sechs, die seit 1962 eingeschlafen sind, wieder aufgenommen werden. Für eine solche Konsultation brauchen wir gar keinen neuen Vertrag. Ein Vertrag, der nur dies enthielte, verdiente den Namen „politische Union" nicht; der wäre nur eine Vorspiegelung falscher Tatsachen.

    (Sehr wahr! bei der SPD.)

    Meine Damen und Herren, die Bundesregierung sollte allen Fehldeutungen ein Ende machen und, nachdem sie ihre Sondierungen weitgehend gefördert hat, ihre Vorschläge vorlegen und gleichzeitig bekanntgeben, welche dieser Vorschläge nicht voll mit ihrem Ziel übereinstimmen, d. h. wo sie weiter will, weil es für die anderen Partner wichtig ist, die Marschroute zu erkennen. Wenn man nämlich in Kommuniqués immer nur von Übereinstimmung mit Partnern liest, die untereinander gar nicht übereinstimmen, dann gerät man in den Verdacht, daß man es heimlich mit dem anderen halte. Das ist der sicherste Weg, zum Schluß zwischen allen Stühlen zu landen. Die Klarheit in diesen Fragen litt unter den Rivalitäten im Regierungslager. Europa kann nur eine Gemeinschaft in atlantischer Solidarität sein. Es kann sich also nicht um die Unterstützung einer Politik der dritten Kraft handeln, die „Europa" sagt, aber Anschluß an die derzeitige Haltung Frankreichs in allen wesentlichen außenpolitischen und Verteidigungsfragen bedeutet. Diese Kernauseinandersetzung geht in Wahrheit um die Geltung der vom Deutschen Bundestag in diesem Hause beschlossenen Präambel zum deutsch-französischen Vertrag.
    Die andere Kernfrage, die in Ihren eigenen Reihen heiß umstritten war, ist die, ob wir noch zu dem von uns im Jahre 1961 beschlossenen sogenannten Jaksch-Bericht stehen oder nicht. Dabei handelt es sich um Schritte zu einem besseren Verhältnis zu den osteuropäischen Nachbarn.
    In diesen beiden Fragen, der Beziehungen zu den osteuropäischen Staaten und der Konstruktion Europas, haben wir ein ergötzliches Schauspiel innerhalb der größten Regierungspartei erlebt. Es gab heftige Attacken und Gegenangriffe. Das las sich dann etwa so — der Herr Bundeskanzler auf dem Parteitag der CSU —:
    Sind wir tatsächlich noch so einig? Man müsse
    die Diskussion ehrlich und wahrhaftig führen
    und nicht mit Verbrämungen und Verdächtigungen, die man nur als schamlos bezeichnen kann.
    Ein bemerkenswertes Wörterbuch! Sehr interessant! Es ist also nicht immer nur der Opposition vorbehalten, heftig abgestraft zu werden. Dann folgt die Versöhnung auf Raten mit gelegentlichen Essen bis zum nächstenmal.

    (Heiterkeit bei der SPD.)

    Wir haben in diesem Jahr schon mehrere Versionen erlebt. Das Schauspiel zeugt von viel persönlichem Ehrgeiz und Profilneurose.

    (Erneute Heiterkeit bei der SPD.)

    Die kleineren Parteien suchen ihre Eigenständigkeit zu bekunden. Sie wollen gern ein Achtellos in der Regierung mitspielen, aber sich gleichzeitig draußen im Lande oppositionell gebärden.

    (Beifall bei der SPD. — Zurufe von der FDP.)

    Meine Damen und Herren, ein richtiges Mitte] deutscher Außenpolitik muß darin bestehen, Vertrauen zu schaffen zu unserem Kurs,

    (Sehr wahr! bei der SPD)

    das, was da ist, zu erhalten und zu vermehren und nicht aufs Spiel zu setzen. Dazu gehört, sich als verantwortungsvolles Glied in den europäischen Gemeinschaften zu zeigen, keine gefährlichen nationalistischen Einzelgänge auch nur durchschimmern zu lassen,

    (Abg. Rasner: Keine Experimente! — Abg. Dr. Schäfer: Seien Sie nicht so leichtfertig, Herr Rasner!)

    volle Vertragstreue und Zuverlässigkeit.
    Gilt das eigentlich auch für die Reden des Bundesverkehrsministers in Nürnberg und Lichtenfels? Meint der Herr Bundeskanzler, daß die dortige Wahl der Worte dazu dienlich ist, Verständnis und Solidarität in der Umwelt für die deutschen Sorgen zu wecken?

    (Abg. Majonica: Dementieren Sie jetzt Herrn Kollegen Jaksch?)

    — Ich spreche von der Wahl der Worte eines Mitgliedes der Regierung. Daß Sie natürlich gern ablenken möchten, kann ich verstehen. Aber verantwortlich vor diesem Hause ist die Regierung der Bundesrepublik Deutschland.

    (Beifall bei der SPD. — Abg. Majonica: Herr Jaksch nicht?)

    — Herr Jaksch hat sich auch in der Wortwahl erheblich vernünftiger ausgedrückt, um es einmal ganz klar zu sagen.

    (Abg. Rasner: Und dem Sinn nach dasselbe gesagt!)

    Wie paßt das eigentlich zu der Regierungserklärung, in der es hieß:
    Alle meine Kabinettskollegen stimmen mit mir darin überein, daß sie sich nicht nur als Ressortminister, sondern nicht minder als Mitglieder des Gesamtkabinetts verantwortlich fühlen.



    Erler
    Die Frage ist erlaubt, ob der Bundeskanzler Ordnung im eigenen Hause zu schaffen gedenkt, nachdem der Minister trotz der Rüge die früheren Reden wörtlich bestätigt hat. Oder bedeutet die damalige sogenannte Bereinigung, daß der Bundeskanzler mit Herrn Seebohms Reden und ihren Wiederholungen voll einverstanden ist? Nach der heutigen Regierungserklärung kann das gar nicht der Fall sein.
    Wir bleiben bei unserem vor Monaten gemachten Angebot, daß die Parteien unter Hinzuziehung der Vertriebenenvertreter, weil nicht hinter ihrem Rükken Politik gemacht werden kann — selbstverständlich nicht! —, einige dornige Fragen und auch die Art ihrer öffentlichen Behandlung gemeinsam erörtern sollten. Leider haben wir bisher darauf keine Antwort erhalten.

    (Hört! Hört! bei der SPD.)

    Für Vertrauen in der Welt draußen ist auch unser Verhältnis zu Israel wichtig.

    (Abg. Wehner: Herr Barzel, da wollten Sie nämlich nicht den Herrn Brandt haben! Das wollten Sie es mit anderen ausmachen! Da ist der Grund! Wie es Ihnen gerade paßt! — Abg. Dr. Barzel: Er hat gesagt, wir hätten es nicht besprochen! Wir haben es doch besprochen! Bleiben wir dabei! — Abg. Wehner: Ich komme darauf zurück!)

    — Unser Angebot, dieses Thema gemeinsam zu erörtern, ist von Ihnen leider auf den Bundestag verlagert worden. Das Angebot, die Parteien müßten weiterreden, haben Sie abgelehnt.

    (Abg. Barzel: Sehr richtig! Aber eben haben Sie gesagt, dazu hätten wir uns nicht geäußert!)

    -Nein, wir warten auf die Antwort. Wir haben damals die Frage gestellt: wann sieht man sich zu dem Thema wieder? — Schweigen im Walde!

    (Zuruf von der SPD: Wie immer!)

    Für Vertrauen in der Welt ist das Verhältnis der Bundesrepublik Deutschland zu Israel wichtig, nach allem, was geschehen ist, ein besonders delikates Problem. Die Regierung jenes Landes befindet sich in einer schwierigen Lage; Angriffsdrohungen der Umwelt mehren sich. In dem Appell des Ministerpräsidenten Eschkol findet sich — in dieser Lage finde ich das besonders bemerkenswert — viel Anerkennung für unser Volk mit dem Hinweis darauf, daß sich in diesem Millionenvolk Kräfte der Erneuerung und der Abschüttelung der jüngsten Vergangenheit regen: „hervorbrechen" sagt er. Jetzt ist es an uns, zu zeigen, daß diese Kräfte in Parlament und Regierung sichtbaren Ausdruck finden.

    (Beifall bei der SPD.)

    Deshalb müssen wir dafür sorgen, daß das vor den
    Ferien eingebrachte zweite Ausführungsgesetz zu
    Art. 26 des Grundgesetzes endlich behandelt wird.

    (Sehr gut! bei der SPD.)

    Die Regierung muß klarmachen, daß die Tätigkeit
    Deutscher bei der Waffenproduktion gegen Israel
    unvereinbar mit den Lebensinteressen unseres Volkes ist und daß das nicht mit anderen Problemen zu vermischen ist.

    (Lebhafter Beifall bei der SPD.)

    Ein Ansatz ist heute gemacht worden. Wir sollten es aber nicht bei der Aufforderung zur Rückkehr bewenden lassen, sondern ein Gesetz so gestalten, daß jeder weiß: die Nichtbefolgung ist strafbar. Dies stört die guten Beziehungen zu den arabischen Staaten nicht, was auch von dort immer gesagt werden mag. Wir wünschen den arabischen Staaten Erfolg beim Aufbau eines menschenwürdigen Lebens nach errungener Unabhängigkeit und helfen doch weiß Gott nach Kräften dabei mit. Aber jene Völker müssen verstehen, daß nach allem Geschehenen Deutsche nicht Handlanger eines neuen Anschlages gegen die Überlebenden des jüdischen Volkes werden dürfen.

    (Beifall bei der SPD und bei der FDP.)

    Unser Volk hat auf Gewalt als Instrument der Politik verzichtet, der Herr Bundeskanzler hat das heute noch einmal ausdrücklich wiederholt. Es darf an seine Freunde appellieren, ein Gleiches zu tun. Eine allmähliche Normalisierung des Verhältnisses zu Israel allgemein ist erwünscht. Wir müssen daran arbeiten, um Voraussetzungen zu schaffen, daß besseres Verständnis auch bei anderen für dieses Problem geweckt werden kann.
    Auch unsere Entwicklungspolitik ist ein Stück bewiesener Solidarität. Leider ist die Geschäftsverteilung auf diesem schwierigen Gebiet immer noch nicht verbessert worden.

    (Bundeskanzler Dr. Dr. h. c. Erhard: Doch!)

    Die Bundesregierung hat rasch, kurz vor Toresschluß, eilig etwas beschlossen, aber sachlich kaum etwas verbessert, obwohl uns hier zugesagt worden ist, daß die Verhandlungen darüber noch vor der Behandlung des Haushalts im Plenum abgeschlossen sein würden.
    Die Politik der Bundesrepublik Deutschland den osteuropäischen Staaten gegenüber — außerhalb der Sowjetunion — gehört gleichfalls in dieses Kapitel hinein. Grundlage dafür ist der Jaksch-Bericht. Auf dieser Basis sollten wir weiterfahren. So muß die Furcht abgebaut und das Deutschlandbild korrigiert werden. Dazu kann man die wirtschaftlichen und kulturellen Möglichkeiten nutzen. Die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft ist ein Beispiel der Aussöhnung früherer Gegner und des Einbringens der Probleme in eine Gemeinschaft, die es Deutschland unmöglich macht, nationalistische Eigengänge zu unternehmen. Das Beispiel sollten wir, Schule machend, unseren osteuropäischen Nachbarn darlegen.
    Beim Handel gilt es, die wachsende nationale Eigenständigkeit jener Länder zu beachten, nicht alles über einen Kamm zu scheren. Im Verhältnis zur Sowjetunion selber muß der Ost-West-Handel innerhalb des Westens einschließlich der Fragen der Kredite besser koordiniert werden. Dann erst ist auch ein politischer Ertrag einer solchen langfristigen Handels- und Wirtschaftspolitik möglich. Blinde Konkurrenz schafft die Vorteile nur in sowjetische



    Erler
    Hände, auch wenn wir diesen Ertrag nicht überschätzen wollen. Die Bundesregierung sollte dieses Thema auf die NATO-Konferenz im kommenden Dezember bringen.
    Der Besuch des sowjetischen Ministerpräsidenten kann nützlich sein. Wir sollten uns dabei aber auch vor Illusionen hüten. Wir müssen vor allem — das ist ja wohl auch eingeleitet — unsere Freunde über die Einzelheiten unserer Gedanken dabei informieren und konsultieren. Es ist richtig und die gemeinsame Auffassung dieses Hauses, daß bei den Besprechungen kein Thema ausgeklammert werden kann. Man muß die deutsche Frage, auch wenn das noch so schwierig ist, erörtern. Eine Normalisierung im deutsch-sowjetischen Verhältnis kann es nur geben, wenn die Deutschen normal leben, d. h. in einem Staatsverband in Freiheit zusammen ihr eigenes Schicksal gestalten können.

    (Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der CDU/CSU.)

    Adressat für die Lösung der deutschen Frage bleibt Moskau. Der Westen kann der Sowjetunion nicht die Lösung der deutschen Frage in seinem Sinn aufzwingen, aber wir brauchen uns auch nicht von der Sowjetunion die Lösung der deutschen Frage im sowjetischen Sinne, d. h. auf der Grundlage der Spaltung und des Herausbrechens Berlins aus dem Raum der Freiheit, aufzwingen zu lassen. Was unter diesen Umständen also möglich ist, ist, die deutsche Frage offen zu halten und Zug um Zug allmählich wieder ins diplomatische Gespräch und damit vorwärts zu bringen.
    Dazu gehört dann auch ein entsprechendes deutsches Verhalten in den Abrüstungsproblemen. Die Rede des Bundeskanzlers hierzu war sehr unpräzise. Selbstverständlich kann es keine Abrüstungsvereinbarung geben, die das weltpolitische Gleichgewicht zerstören, den Westen einseitig schwächen und nicht durch angemessene Kontrollen die Einhaltung der Vereinbarungen sichern würde. Das ändert aber nichts an der Tatsache, daß die Spaltung Deutschlands bestehen bleibt, solange das Wettrüsten allgemein und auch auf deutschem Boden unbegrenzt weitergeht. Umgekehrt führt die Abrüstung nicht automatisch zur Wiedervereinigung Deutschlands. Die Kunst der deutschen Politik muß darin bestehen, Fortschritte auf dem Wege zur Abrüstung nicht zu blockieren — sonst geht die Friedenssehnsucht der Völker über unseren Kopf hinweg —, sondern sie so mit deutschen Anregungen zu fördern, daß die deutschen Interessen dabei nicht in Mitleidenschaft gezogen, sondern sogar gefördert werden. Dazu gehört zunächst ein Bremsen des Wettrüstens und dann Schritt für Schritt Rüstungsbegrenzung und -kontrolle.
    Das ist bei der schnellen Veränderung der Machtverhältnisse und der Technologie ein sehr dorniges Problem. Dringend notwendig ist daher zu seiner Lösung, daß wir unsere Regierung mit einem Instrument ausstatten, das alle Einzelheiten dieses Problems so im Griff hat, daß auch deutsche Anregungen schnell erarbeitet werden können. Deshalb haben wir die Einrichtung eines Abrüstungsamtes
    gefordert. Die organisatorische Gestalt ist weniger wichtig. Die Hauptsache ist, daß es ausreichend ausgestattet wird und seine Gedanken an die auswärtige, die Verteidigungspolitik und die Regierungsspitze heranbringen kann.
    Bis Erfolge in der deutschen Frage erzielt sind, sind zum Offenhalten eine Reihe von Voraussetzungen zu schaffen. Die erste ist, daß wir uns um Berlin scharen. Hier geht uns wohl allen nahe das großartige Wort des Bundespräsidenten, daß wir uns zu Berlin so verhalten müssen, daß unbeschadet der Verantwortung anderer wir so handeln, als hinge das Schicksal dieser Stadt allein von uns Deutschen ab.
    Das hat dann aber auch Konsequenzen. Berlin, das freie Berlin, ist ein Symbol für die nicht gelöste deutsche Frage. Es ist eine Ermutigung unserer Landsleute in der Zone und in Ostberlin, daß auch für sie die Stunde der Freiheit einmal kommen wird, und es ist ein Beweis, daß das sowjetische Ultimatum vorn November 1958 gescheitert ist. Die Lebenskraft dieser Metropole, die Aufrechterhaltung und Stärkung der Verbindung mit dem anderen, größeren Teil des freien Deutschland haben dazu beigetragen, und deshalb sollten wir auch an die Haushaltsprobleme nicht engherzig fiskalisch herangehen, sondern wissen, daß die Berliner Wirtschaft eine stärkere Expansion als die Wirtschaft in der Bundesrepublik nötig hat, weil immer noch ein gewisser Nachholbedarf zu stillen ist und weil Standortnachteile, die sich offenkundig ergeben, in vernünftiger Weise ausgeglichen werden müssen.
    Ein zweites, psychologisch ähnliches Problem betrifft die Zonenrandgebiete. Wir dürfen sie nicht veröden lassen. Schließlich hieß es früher von Thüringen, jetzt auf der anderen Seite, es sei das grüne Herz Deutschlands. Wir haben es also mit Randgebieten an einer Demarkationslinie, aber nicht mit einem fernen Grenzland zu tun. Wir müssen Konsequenzen ziehen für Straßen, Bahnen, Wirtschaft, kulturelles Leben aller Art bis hin zum Ausbau des Schulwesens, damit die Menschen Ausbildungs- und Aufstiegschancen haben, ohne ihre Heimat verlassen zu müssen.
    Gerade bei den Bahnen geschieht leider das Gegenteil. Auch ohne das vorhin erwähnte Gutachten sind viele für jene Gebiete wichtige Strecken stillgelegt worden, was große Unbill für die Betroffenen gebracht hat und einer Verödung Vorschub leistet. Die Diskussion wird nun ja wohl doch wieder in Gang kommen. Die Bundesregierung hat heute ein paar Prinzipien verkündet. Ich hoffe, daß aus diesen Prinzipien auch sehr präzise Entscheidungen gegenüber den Plänen mancher Sachverständiger der Bundesbahn werden.
    Der dritte Punkt zum Offenhalten der deutschen Frage ist das Sichtbarmachen des Willens zur Einheit. Hier dürfen wir an den großen Erfolg der Weihnachtsbegegnung in Berlin erinnern, ein Besuch, der sich jetzt wiederholt, ein Beweis für die Welt, daß die Deutschen sich auch durch Mauer und Stacheldraht nicht auseinanderreißen lassen. Wir müssen uns zur Wehr setzen, wenn der Versuch unternommen wird, einschränkende Schikanen ein-



    Erler
    zuführen oder politisches Kapital für die Kommunisten daraus zu schlagen. Aber wir dürfen nicht die Nerven verlieren und den Kommunisten den Gefallen tun, von uns aus die Mauer dicht zu machen oder kommunistische Behauptungen als bare Münze hierzulande zu verbreiten. Der Bundeskanzler hat recht: die Mauer wird nicht durch Passierscheine abgetragen. Durch Sonntagsreden auch nicht! Ich möchte annehmen, daß dazu wesentlich mehr an politischen Taten gehört. Die menschliche Bewährungsprobe der Verbundenheit der Deutschen beseitigt die Mauer nicht. Aber sie ist unentbehrlich dafür, daß die Welt weiß, daß die Deutschen noch zusammenkommen wollen. Denn ohne diesen Beweis gibt es überhaupt keine Lösung der deutschen Frage.

    (Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der FDP.)

    Ich hoffe, daß die Bemerkungen des Bundeskanzlers
    nicht etwa bedeuten, daß er seine Verantwortung
    für die Vereinbarung von Berlin abschwächen will.
    Vor uns steht das Problem der Aufnahme Hunderttausender von alten Menschen, die aus der Zone auf Besuch kommen. Hier handelt es sich um eine nationale und menschliche Bewährungsprobe. Wir müssen sie ohne falsches Getue und Propagandagetöse bestehen.

    (Sehr wahr! in der Mitte.)

    Es handelt sich nicht um arme Verwandte, sondern um Menschen, die uns in der gemeinsamen deutschen Heimat besuchen. Sie müssen spüren, daß wir alle es ihnen in der großen Familie unseres Volkes leichtmachen, damit sie ohne Sorgen einige Zeit im anderen Teile ihres und unseres Vaterlandes verbringen können. Das geht nicht nur die Behörden an; aber auch die Behörden müssen unbürokratisch einzuspringen bereit sein.
    Herr Barzel regte einen Vorstoß wegen der Menschenrechte bei der Menschenrechtskommission an. Ich darf annehmen, daß die Bundesregierung sich unseren in dieser Sache seit Jahren gegebenen Anregungen künftig also nicht mehr widersetzen wird.

    (Abg. Dr. Barzel: Herr Kollege Erler, ich habe angeboten, eine Erklärung in der Form einer Klageschrift anhand der Menschenrechtserklärung der UNO zu publizieren! Ich habe nicht eine Initiative — —)

    — Aha, das war schon wieder eine erhebliche Abschwächung.

    (Widerspruch bei der CDU/CSU.)

    — Eine Publikation?

    (Abg. Dr. Barzel: Genau' das habe ich gesagt!)

    — Keine Abschächung? Na ja, wir haben uns verstanden. Man muß also immer einiges abstreichen.

    (Heiterkeit bei der SPD. — Zurufe von der Mitte.)

    Von Erklärungen, bei denen man glaubte, es sei mehr drin, muß man dann, wenn man sie genauer prüft, etwas abstreichen.
    Unentbehrliche Grundlage für kraftvolle Vertretung nach draußen ist eine stabile freiheitliche, sozial gerechte — ich darf das wiederholen; es gefällt Ihnen ja wohl nicht nach dem vorigen Disput — innere Ordnung. Es handelt sich um die Anpassung an die Bedingungen der modernen Industriegesellschaft. Der Wiederaufbau war eine gewaltige Gemeinschaftsleistung. Der Bundeskanzler hat dafür zu Recht unserem ganzen Volk gedankt. Dennoch bleibt ein Nachholbedarf auf einer Reihe vernachlässigter Gebiete.
    Im Vordergrund steht hier — ich verweise auf die jüngste Diskussion — das Erziehungswesen. Wir müssen uns endlich angewöhnen, das nicht pauschal zu beurteilen. Es gibt ein gewaltiges Gefälle zwischen den Bundesländern. Wir müssen endlich an die Sachfragen gehen, statt um Institutionen zu streiten. Wir hoffen, daß das von uns angeregte Parteiengespräch, das positives Echogefunden hat, bald aufgenommen wird. Es sind nämlich politische Impulse nötig, die bis in jeden Landtag hineinwirken müssen. Wir sind für einen Bildungsrat, aber vor allem muß man doch an die Lücken heran. Wenn wir einen relativen Schulbesuch der 15- bis 19jährigen in Deutschland zwischen 31,1 v. H. in Hamburg, 19,7 v. H. in Hessen und nur 11,8 v. H. an der Saar oder 13,6 v. H. in Rheinland-Pfalz haben, während er in Schweden — jetzt können Sie wieder „buh" rufen — 32,3, in Frankreich 30,8, im Bundesdurchschnitt 17,6 und in Italien 15,7 v. H. beträgt, id. h. mehr als in Nordrhein-Westfalen, Bayern, an der Saar und in Rheinland-Pfalz,

    (Hört! Hört! bei der SPD.)

    dann ist das doch ein Zeichen dafür, daß nicht nur Körperschaften, sondern vor allem Entschlüsse der Nachzügler in bestimmten Ländern nötig sind.

    (Beifall bei der SPD.)

    Außerdem sind neue Probleme entstanden, zum Teil durch den Wiederaufbau geschaffen, zum Teil überall in der Welt mit der Industriegesellschaft neu im Entstehen begriffen.
    Die Gesundheit ist ein durch Tempo, Lebensform und Umweltbedingungen unserer Zeit gefährdetes Gut. 1959 haben wir hier wegen der Umweltbedingungen eine Novelle zur Gewerbeordnung verabschiedet. Noch heute fehlen die damals angekündigten technischen Anleitungen. Mit einem solchen Stillstand der Verwaltung kann man die Verschmutzung der Gewässer und der Luft nicht bekämpfen.
    Schwere Unterlassungssünden sind in der Bekämpfung der Mütter- und der Säuglingssterblichkeit begangen worden. Auch hier, meine Damen und Herren, Vergleichszahlen aus dem Jahre 1960. Sie dürfen wieder „buh" rufen. Auf 100 000 Lebendgeborene starben in Schweden 37,2, in Frankreich 51,6, in Großbritanien 39,5, in der Bundesrepublik Deutschland 105,7 Mütter.

    (Hört! Hört! bei der SPD.)

    Das sollte ein Alarmsignal für uns alle sein. Genauso steht es mit der Säuglingssterblichkeit. Da ist Schweden wieder beispielhaft. Auf 1000 Lebendgeborene beträgt die Säuglingssterblichkeit im



    Erler
    ersten Lebensjahr in Schweden 15,3, in Frankreich 25,9, in Großbritannien 22,1 und in der Bundesrepublik Deutschland 29,3.
    Vielleicht verstehen Sie jetzt, daß es sich empfehlen würde, nicht ganz von Schweden abzuschreiben — das geht nicht —, aber sich doch einige Leistungen daraufhin anzuschauen, ob wir nicht Erfahrungen in der Bekämpfung der Gesundheitsgefahren für unser Land nutzbar machen können.

    (Beifall bei der SPD.)

    Ein weiteres großes Problem ist der Städtebau. Da geht es um mehr als Verkehr. Er ist ein Teil der Strukturpolitik. Das Problem ist langfristig nur zu bewältigen, wenn das Dogma überwunden wird, daß in der Strukturpolitik, die ja auch Wirtschaftspolitik ist, das Nichtstun die beste Regierungstätigkeit sei, daß nur die Privatwirtschaft weit voraussehen dürfe, der Staat aber nicht. Die Christlichen Demokraten haben die Altstadtsanierung als eine vordringliche wohnungspolitische Aufgabe bezeichnet. Dennoch bringt die Regierung kein Städtebauförderungsgesetz zustande.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Alles gleichzeitig!?)

    Meine Damen und Herren, keine der Gemeinschaftsaufgaben ist lösbar ohne Finanzreform. Dabei handelt es sich um eine neue Zuordnung der gesamten öffentlichen Finanzmasse an Bund, Länder und Gemeinden — das ist die dritte Säule — unter Berücksichtigung ihrer wirklichen Aufgaben und der Frage, wo eine gewisse Flurbereinigung erforderlich ist.

    (Zuruf rechts: Die höchste Verschuldung der Gemeinden gibt es in Hessen! — Zurufe von der CDU/CSU.)

    - Warum haben sich denn die Gemeinden in der Bundesrepublik Deutschland so verschulden müssen? Weil durch die Mängel unseres Finanzausgleichs der Bund in derselben Zeit als Darlehengeber aufgetreten ist, und zwar in Höhe von vielen Milliarden DM, während sich die Gemeinden verschulden mußten.

    (Beifall bei der SPD. — Zurufe von der CDU/CSU.)

    Dafür sind auch im Interesse der Bürger kommunalpolitische Leistungen hingestellt worden, die sich sehen lassen können. Man hat für die Zukunft etwas hingestellt, was auch Ihre hessischen Landsleute sehr gern genießen.

    (Erneuter Beifall bei der SPD. — Erneute Zurufe von der CDU/CSU.)

    Also: die Finanzreform ist nötig. Es tut uns leid, daß viele Jahre vertan worden sind, bevor die von der Regierung so oft angekündigte Reform endlich durch Berufung der Sachverständigenkommission in Angriff genommen werden konnte. Jetzt, nachdem man Jahre nichts getan hat, sollen nun plötzlich der Kommission die Sporen angesetzt werden. Damit kommen Sie, meine Damen und Herren, über die Mitverantwortung für die Nichtberufung der Kommission seit vielen Jahren nicht hinweg. Ohne diesen Schlüssel der Finanzreform ist keine der großen Gemeinschaftsaufgaben lösbar.
    Aber die Finanzreform verteilt natürlich nur um, sie bringt nicht mehr Mittel. Deshalb gehört die Steuerreform in diesen Zusammenhang hinein. Niemand bestreitet die Notwendigkeit höherer steuerlicher Gerechtigkeit. Aber unvermeidbare Ausfälle müssen dann wenigstens teilweise durch eine bescheidene Mehrleistung derer gedeckt werden, die ohne nennenswerte Einbuße ihrer Stellung dazu fähig sind. Hier handelt es sich um eine bescheidene Erhöhung des Spitzensatzes für die Spitzeneinkommen, um die großen Vermögen, und darum, daß z. B. die großen Vermögen die Vermögensteuer nicht mehr bei der Einkommensteuer praktisch abziehen können. Sonst bekommt die Steuerreform nur den Geschmack eines Geschenkes für das Wahljahr.

    (Sehr richtig! bei der SPD.)

    Nach unserem Willen wäre das Problem ja längst abgeschlossen. Seit 1963 liegen unsere Entwürfe mit den Ausgleichsvorschlägen vor, an die Sie ja nicht heran wollen.

    (Beifall bei der SPD. — Abg. Dr. Barzel: Aber auch hier gibt es föderative Probleme!)

    — Sicher, die föderativen Probleme liegen darin, daß Sie im wesentlichen Steuersenkungen zu Lasten der Länder beschließen.

    (Zustimmung bei der SPD.)

    Für jede ernsthafte Steuerreform ist ein neues Bewertungsgesetz nötig. Wo bleibt das Bewertungsgesetz, zu dem am 13. Oktober 1964 der Finanzminister hier zu Recht sagte, „daß die letzte Feststellung der Einheitswerte des Grundbesitzes fast 30 Jahre zurückliegt. Die von Jahr zu Jahr größer werdenden Verzerrungen der Wertverhältnisse können mit dem Gebot steuerlicher Gerechtigkeit kaum noch länger vereinbart werden." Gerade hiergegen gibt es Widerstand in der Koalition bei den Interessenten, die eine gerechtere Verteilung der Steuerlast nach dem wirklichen Vermögen befürchten. Hierzu hat Minister Dahlgrün unter Ihrem stürmischem Beifall gesagt: „Möge das Parlament seiner Berufung zur Gesetzgebung rechtzeitig nachkommen." Es bezog sich auf das Bewertungsgesetz, als er sagte: „Wer den Wünschen einzelner Gruppen nachjagt, mag vielleicht hier und da einen Zipfel von Popularität erhaschen; ein dauerhafter Erfolg wird ihm versagt bleiben." Meine Damen und Herren, ich hoffe, daß wir das nun endlich einmal vom Eis bringen.
    Sie bemühen sich, den Eindruck zu erwecken, Sie verteidigten das Gemeinwohl gegen die privaten und Einzel- und Sonderinteressen. Ich habe eben an einem Beispiel das Gegenteil dargetan. Zu diesem Kapitel wurde auch in der „Welt" am 12. Oktober kritisch Stellung genommen: relativ kleine Gruppen könnten ,die Entscheidung beeinflussen, wenn es im Parlament um steuerliche oder finanzielle Fragen gehe; eine an übergeordneten Gesichtspunkten orientierte Arbeit sei in jenem Klima kaum möglich. Ich weiß, daß das Steueränderungs-



    Erler
    Besetz ein Konfliktstoff in der Koalition ist. Schon bisher ist es völlig verstümmelt worden, obwohl die Regierung doch aus der Flickarbeit herauskommen wollte. Daraus ist nichts geworden.
    Bei der Sparförderung ist immer noch keine wirkliche Harmonisierung in Sicht, obwohl dazu seit 1962 ein sozialdemokratischer Entwurf vorliegt. Es fehlt das steuerliche Konjunktur-Rahmengesetz.


Rede von Dr. Thomas Dehler
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Herr Abgeordneter Stoltenberg möchte eine Zwischenfrage stellen.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Fritz Erler


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Bitte sehr!