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    Deutscher Bundestag 137. Sitzung Bonn, den 15. Oktober 1964 Inhalt: Glückwünsche zum 70. Geburtstag des Herrn Bundespräsidenten 6761 A Erweiterung der Tagesordnung 6761 A Wahl des Abg. Dr. Achenbach zum Mitglied des Europäischen Parlamentes . . . . 6763 A Wahl des Abg. Dr. Hellige zum ordentlichen Mitglied der Beratenden Versammlung des Europarates und der Versammlung der Westeuropäischen Union 6763 A Wahl des Abg. von Mühlen zum Stellvertretenden Mitglied der Beratenden Versammlung des Europarates und der Versammlung der Westeuropäischen Union 6763 A Fragestunde (Drucksachen IV/2586, IV/2599) Fragen des Abg. Wächter: Viehschädigungen durch Düsenjägerlärm — Äußerungen des Generals Panitzki betr. einen zweiten „Grünen Plan" von Hassel, Bundesminister . . . 6764 B Wächter (FDP) . . . . . . . . 6765 A Frage des Abg. Kaffka: Äußerung des Generals Panitzki betr. Opferbereitschaft des deutschen Volkes von Hassel, Bundesminister . . 6765 B, C, D, 6766 B Kaffka (SPD) 6765 C Cramer (SPD) 6765 C, D Gerlach (SPD) . . . . . . . 6765 D Frau Dr. Flitz (FDP) 6766 A Wächter (FDP) . . . . . . . 6766 B Frage des Abg. Dr. Müller-Emmert: Umgehungsstraße der B 270 . . . . 6766 C Frage des Abg. Schwabe: Mittel für den Straßenbau 1964 . . . 6766 D Frage des Abg. Schwabe: Kapazität des deutschen Straßenbaugewerbes 6766 D, 6767 A Frage des Abg. Schwabe: Sofort-Maßnahmen zur Behebung des Straßenbaunotstandes . . 6766 D, 6767 A Frage des Abg. Bading: Bundesstraße 253 . . . . . . . . 6767 A II Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 137. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 15. Oktober 1964 Frage des Abg. Flämig: Verkehrsverhältnisse an der Einmündung der Bundesstraße 43 in die Bundesstraße 8 6767 B Frage des Abg. Flämig: Straßenbrücke über den Main mit Anschluß an die Bundesbahnstraßen bei Hanau 6767 C Frage des Abg. Flämig: Ausbau der Bundesstraße 40 im Land- kreis Gelnhausen 6767 D Frage des Abg. Peiter: Teilstück der Lahntalstraße DiezLaurenburg 6767 D Frage des Abg. Josten: Straßentunnel der B 267 bei Altenahr Dr.-Ing. Seebohm, Bundesminister 6768 A, B Josten (CDU/CSU) 6768 B Frage des Abg. Dr. Luda: Entgiftung der Auspuffgase Dr.-Ing. Seebohm, Bundesminister 6768 C, D, 6769 A Dr. Luda (CDU/CSU) 6768 D Büttner (SPD) . . . . . 6768 D, 6769 A Frage des Abg. Dr. Kohut: Umgehungsstraße im Zuge des MainNeckar-Schnellweges Dr.-Ing. Seebohm, Bundesminister . 6769 B Dr. Kohut (FDP) 6769 B Frage des Abg. Dr. Kohut: Ost-Tangente von der B 8 über den Main bei Groß- und Klein-Auheim Dr.-Ing. Seebohm, Bundesminister 6769 C, D Dr. Kohut (FDP) 6769 C Frage des Abg. Dr. Imle: Ausbau der B 76 von Flensburg nach Schleswig Dr.-Ing. Seebohm, Bundesminister . 6769 D, 6770 A Dr. Imle (FDP) 6770 A Frage des Abg. Moersch: Bauzaun an der Saale-Brücke Dr.-Ing. Seebohm, Bundesminister . 6770 B Frage des Abg. Dr. Schmidt (Wuppertal) : Auswirkungen des Personenkraftverkehrs auf die öffentlichen Verkehrsmittel Dr.-Ing. Seebohm, Bundesminister . 6770 C, 6771 A, B, C Dr. Müller-Hermann (CDU/CSU) . . 6770 D Geiger (SPD) . . . . . . . 6771 B, C Frage des Abg. Kaffka: Bundesstraße 10 Dr.-Ing. Seebohm, Bundesminister 6771 C, D, 6772 A Kaffka (SPD) . . . . . 6771 D, 6772 A Frage des Abg. Lemper: Schienenbusse im Kreis Bergheim Dr.-Ing. Seebohm, Bundesminister 6772 A, C Lemper (SPD) . . . . . . . . . 6772 B Frage des Abg. Lemper: Personenbeförderung im Kreis Bergheim Dr.-Ing. Seebohm, Bundesminister . 6772 C Frage des Abg. Lemper: Bundesbahnbusse im Kreis Bergheim Dr.-Ing. Seebohm, Bundesminister 6772 D, 6333 B, C, D Lemper (SPD) 6773 A Dr. Kohut (FDP) 6773 A Ritzel (SPD) 6773 B, C Frage des Abg. Hilbert: Wohnungsmieten in bundesbahneigenen Gebäuden Dr.-Ing. Seebohm,' Bundesminister 6773 D Hilbert (CDU/CSU) 6774 B Geiger (SPD) 6774 B Dröscher (SPD) 6774 C Frage des Abg. Hilbert: Tragbare Wohnungsmieten in bundesbahneigenen Wohnungen Dr.-Ing. Seebohm, Bundesminister 6774 D Geiger (SPD) 6774 D Frage des Abg. Anders: Finanziell geförderte Wohnungen — Mieterhöhungen Dr.-Ing. Seebohm, Bundesminister . 6775 A Anders (SPD) . . . . . . . . . 6775 A Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 137. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 15. Oktober 1964 III Fragen des Abg. Eisenmann: Bauzustand der Ufer des Nord-OstseeKanals Dr.-Ing. Seebohm, Bundesminister . 6775 C Frage des Abg. Müller (Erbendorf) : Ausbau der Bundesstraße 15 Dr.-Ing. Seebohm, Bundesminister . 6776 A Müller (Erbendorf) (SPD) . . . . 6776 B Frage des Abg. Folger: Schülermonatskarten für Praktikanten Dr.-Ing. Seebohm, Bundesminister 6776 C Folger (SPD) 6776 C Frage des Abg. Schmitt-Vockenhausen: Schleuse Kostheim am Main Dr.-Ing. Seebohm, Bundesminister . 6776 D Schmitt-Vockenhausen (SPD) . . . 6777 A Frage des Abg. Dröscher: Handhabung des Grundstücksverkehrsgesetzes Schwarz, Bundesminister . . . 6777 A Dröscher (SPD) 6777 C Frage des Abg. Dröscher: Unterstützung der Forstwirtschaft Schwarz, Bundesminister . . . . 6777 D Dräscher (SPD) . . . . . . . . 6778 B Entwurf eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Rechnungsjahr 1965 (Haushaltsgesetz 1965) (Drucksache IV/2500) — Erste Beratung —; in Verbindung mit Entgegennahme einer Erklärung des Bundeskanzlers Dr. Dr. h. c. Erhard, Bundeskanzler . 6778 C Dr. Barzel (CDU/CSU) 6788 C Erler (SPD) . . . . . . . . 6794 C Zoglmann (FDP) 6810 A Dr. h. c. Strauß (CDU/CSU) . . . 6816 A Frau Strobel (SPD) 6831 A Scheel, Bundesminister . . . . 6835 D Dr. Dahlgrün, Bundesminister . . 6836 B Dr. Carstens, Staatssekretär . . 6840 A Frau Dr. Schwarzhaupt, Bundesminister . . . . . . 6843 A Leber (SPD) 6844 B Katzer (CDU/CSU) . . . . . . 6849 D Schmitt-Vockenhausen (SPD) . . 6851 D Riedel (Frankfurt) (CDU/CSU) . . 6855 C Mündlicher Bericht des Vermittlungsausschusses zu dem Gesetz zur Durchführung der Verordnung Nr. 13/64/EWG (Milch- und Milcherzeugnisse) des Rats der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (Durchführungsgesetz EWG Milch und Milcherzeugnisse) (Drucksachen IV/2260, IV/2387, IV/2457, IV/2603) und Mündlicher Bericht des Vermittlungsausschusses zu dem Gesetz zur Durchführung der Verordnung Nr. 14/64/EWG (Rindfleisch) des Rats der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (Durchführungsgesetz EWG Rindfleisch) (Drucksachen IV/2254, IV/2366, IV/2458, IV/2604) Brand (CDU/CSU) . . . . . . 6809 B Nächste Sitzung 6856 D Anlage 6857 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 137. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 15. Oktober 1964 6761 137. Sitzung Bonn, den 15. Oktober 1964 Stenographischer Bericht Beginn: 9.01 Uhr
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    Anlage zum Stenographischen Bericht Liste der beurlaubten Abgeordneten Abgeordneter) beurlaubt bis einschließlich a) Beurlaubungen Dr. Aigner* 16. 10. Frau Albertz 16. 10. Dr. Aschoff 16. 10. Dr.-Ing. Balke 16. 10. Frau Berger-Heise 16. 10. Frau Brauksiepe 16. 10. Dr. von Brentano 15. 11. Dopatka 17. 10. Ehren 14. 11. Faller* 16. 10. Flämig 16. 10. Dr. Dr. h. c. Friedensburg* 16. 10. Dr. Furler* 16. 10. Gehring 23. 10. Gräfin vom Hagen 31. 10. Hahn (Bielefeld)* 16. 10. Dr. Hahn (Heidelberg) 16. 10. Hammersen 16. 10. Heiland 18. 10. Dr. Dr. Heinemann 16. 10. Heix 23. 10. Hellenbrock 16. 10. Frau Dr. Heuser 20. 10. Holkenbrink 15. 10. Illerhaus* 16. 10. Jacobi (Köln) 16. 10. Kahn-Ackermann 20. 11. Kalbitzer 16. 10. Klinker* 16. 10. Könen (Düsseldorf) 16. 10. Koenen (Lippstadt) 16. 10. Kraus 31. 10. Kubitza 31. 10. Freiherr von Kühlmann-Stumm 4. 11. Lenz (Bremerhaven) 15. 10. Abgeordneter) beurlaubt bis einschließlich Lenz (Brühl)* 16. 10. Liehr 31. 10. Dr. Löhr* 16. 10. Lücke (Bensberg) 16. 10. Lücker (München)* 16. 10. Frau Meermann 16. 10. Memmel 31. 10. Dr. von Merkatz 16. 10. Michels 15. 10. Mick 16. 10. Dr. h. c. Dr.-Ing. E. h. Möller 18. 11. Murr 16. 10. Peters (Norden) 31. 10. Peters (Poppenbüll) 16. 10. Dr.-Ing. Philipp * 16. 10. Pöhler 16. 10. Rademacher 16. 10. Rauhaus 23. 10. Reichhardt 31. 10. Rollmann 31. 10. Ruf 16. 10. Seidel (Fürth) 24. 10. Seidl (München) 16. 10. Dr. Serres 16. 10. Spies 16. 10. Spitzmüller 15. 10. Stein 16. 10. Wehking 15. 10. Weinkamm ** 16. 10. Dr. Willeke 23. 10. Dr. Zimmer 16. 10. Frau Zimmermann (Brackwede) 15. 10. b) Urlaubsanträge Börner 23. 10. *) Für die Teilnahme an Sitzungen des Europäischen Parlaments.
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Fritz Erler


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ursprünglich hatten wir angenommen, daß vielleicht nach der Rede des Herrn Bundeskanzlers eine Unterbrechung der Sitzung nötig werden würde, um sich mit neuen, dem Hause bisher unbekannten Gedanken und Tatsachen zu beschäftigen.

    (Lachen in der Mitte.)

    Dazu bestand kein Anlaß, weil es außer allgemeinen Bekenntnissen sehr wenig präzise Aussagen gab und kaum etwas Neues zu hören war.

    (Beifall bei der SPD.)

    Sie wollten durch die Art des Aufzugs der Debatte die Erfüllung der Aufgabe einer politischen Durchleuchtung des Bundeshaushalts verhindern. Das ist danebengegangen. Diese Durchleuchtung findet, wie es sich gehört, in der nächsten Woche statt.
    Sie haben heute — das war von Anfang an zu erkennen — diese Debatte als eine Art Einigkeitsfest der Koalition angelegt. Das war auch dringend nötig, nachdem es vorher einige Uneinigkeitsfeste gegeben hatte.

    (Heiterkeit und Beifall bei der SPD.)

    Mit Napoleons Mutter kann man da nur sagen: pourvu que ça dure!

    (Zurufe von der Mitte.)

    — „Hoffentlich dauert's!", wenn Sie es genau wissen wollen.
    Für dieses Einigkeitsfest brauchen Sie zwei Dinge, die heute in reichlichem Maße serviert wurden: einmal eine selbstgefällige Rückschau auf die Gemeinschaftsleistung unseres ganzen Volkes und zweitens einen wortreichen Angriff auf die Sozialdemokraten. Sie brauchen diese beiden Dinge, weil Sie in dem, was heute und morgen praktisch zu tun ist, selber heillos zerstritten sind.

    (Beifall bei der SPD.)




    Erler
    In einer Reihe von Fragen ist es Ihnen nicht einmal gelungen, noch vor dieser Debatte die Gegensätze unter den Teppich zu kehren. Aber selbst die unter dem Teppich liegenden Gegensätze sind eine unbequeme Grundlage für einen Marsch zum Sieg — die kommen nämlich doch wieder zum Vorschein.

    (Heiterkeit und Beifall bei der SPD.)

    An den polemischen Ton des Herrn Bundeskanzlers sind wir ja durchaus gewöhnt. Er ist zur Demonstration der Einigkeit in der Koalition nötig, weil es ja außer dem Gegensatz zur SPD nichts gibt, was Sie überhaupt noch einig hält, meine Damen und Herren von der Koalition!

    (Heiterkeit bei der SPD.)

    Aber dieser polemische Ton ist kein Ersatz für die Lösung der heute anstehenden großen Fragen.

    (Abg. Dr. Schäfer: Sehr richtig!)

    Wenn die Bundesregierung meint, daß die politische Diskussion wichtiger Fragen — statt sie der Bevölkerung vorzuenthalten — ein politischer Krawall sei, so geht das doch wohl an den wirklichen Aufgaben dieses Hauses und an der Notwendigkeit der Wachsamkeit der Opposition völlig vorbei.

    (Beifall bei der SPD.)

    Allerdings verstehe ich den Zorn des Kanzlers; denn mindestens einige Regierungsmitglieder scheinen das Monopol für politische Krawalle selber in Anspruch nehmen zu wollen.

    (Heiterkeit und Beifall bei der SPD.)

    Sicher sehnt sich der Wahlkämpfer Erhard nach den Zeiten zurück, als sein Vorgänger die Sozialdemokratie als „Untergang Deutschlands" diffamierte und dabei leider auch mehr Glauben fand, als unserem Volke dienlich war. Diese Zeit, darauf können Sie sich verlassen, gehört der Vergangenheit an, die werden Sie auch mit den größten rhetorischen Kunststücken nicht wieder lebendig machen können.

    (Beifall bei der SPD.)

    Erfreulich an der Regierungserklärung war die Aufzeichnung des Rahmens, in dem in den großen Lebensfragen der Nation die verantwortlichen politischen Kräfte zusammenstehen — ich hätte allerdings dabei gern etwas genauer gewußt, ob sich das auch immer auf die ganze Regierungskoalition bezieht —, und zum zweiten das Bekenntnis — bis in die Worte hinein — zu den Gemeinschaftsaufgaben. Ich fand mich sehr an das sozialdemokratische Regierungsprogramm von 1961 erinnert,

    (Beifall bei der SPD)

    das ja damals von Ihnen mit Spott und Hohn übergossen wurde. Sicher sind wir uns einig darin, daß uns — —

    (Zurufe von den Regierungsparteien.)

    — Bei Ihnen konnten wir nicht abschreiben, weil Sie ja stolz darauf sind, gar kein Programm zu haben; das haben Sie draußen immer verkündet.

    (Beifall bei der SPD.)

    Sie halten den jeweiligen Kanzler durchaus als Ersatz für brauchbar. Manchmal hat es geholfen, aber immer langt es nicht. Verlassen Sie sich darauf!

    (Beifall bei der SPD.)

    Wir sind uns einig darin, daß es keine Allzuständigkeit des Staates geben darf. Auch das steht im Godesberger Programm, meine Damen und Herren. Das darf aber keine Ausrede dafür sein, daß der Staat sich der Verantwortung gegenüber bestimmten Gruppen seiner Bürger entzieht. Hier helfen keine philosophischen Bekenntnisse, sondern nur Taten. Wenn wir uns einmal mit der Begabtenförderung in diesem Lande beschäftigen, dann darf man doch wohl an die Leidensgeschichte all der Dinge erinnern, die wir Land für Land haben durchsetzen und durchtrotzen müssen, von der Schulgeldfreiheit angefangen bis hin zum Ausbau des Honnefer Modells und bis hin zu dem heute noch in den Ausschüssen des Bundestages liegenden Ausbildungsförderungsgesetz, an das Sie doch nicht herangegangen sind.

    (Lebhafter Beifall bei der SPD.)

    Vieles von dem, meine Damen und Herren, worauf
    Sie heute so stolz sind, ist Ihnen abgetrotzt worden.

    (Widerspruch bei den Regierungsparteien.)

    Teils in hartem Ringen hier im Parlament, teils durch die Angst vor dem Wahlausgang ist Ihnen manches in letzter Stunde eingefallen, was wir vorher gefordert hatten. Sie beschäftigen sich ja jetzt wieder mit einem ganzen Bündel solcher Dinge, für die Sie nicht Zeit genug hatten, dafür zu sorgen, daß sie noch in den Bundeshaushaltsplan eingearbeitet wurden.

    (Beifall bei der SPD.)

    Das wiederholt sich immer etwa dreiviertel Jahr vor der Wahl. Wir kennen das ja nun schon langsam.
    Der Kollege Barzel hat hier einige Fragen des parlamentarisch-politischen Diskussionsstils angeschnitten. Das Parlament leidet sicher, wenn es statt eines Dialogs zwischen Regierungsmehrheit und Opposition sich dem Versuch gegenübersieht, die politische Mehrheit dreimal in verschiedenem Gewande auftreten zu lassen: als Kanzler, als Minister und dann außerdem auch noch als Parteiensprecher, und dann noch je nach Bedarf getrennt. Wenn es um die Besetzung von Positionen geht, dann ist die CDU/CSU-Fraktion eine Fraktion, bei Sendezeiten und aus anderen Anlässen handelt es sich um zwei Parteien, wie es gerade nützlich ist.

    (Abg. Dr. Schäfer: Bei der Parteienfinanzierung!)

    Herr Barzel vermißt hier im Hause den Vorsitzenden der Sozialdemokratischen Partei. Herr Barzel, Sie müssen sich mit mir trösten. Ich bin der gewählte Vorsitzende der sozialdemokratischen Bundestagsfraktion,

    (anhaltender lebhafter Beifall bei der SPD)

    bin stellvertretender Vorsitzender der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands und bin, im Gegen-



    Erler
    Satz zu vielleicht bei Ihnen geltenden Bräuchen, legitimiert, mit voller Autorität für meine Partei hier zu sprechen und überall, wo wir uns hinstellen.

    (Lebhafter Beifall bei der SPD.)

    Ihre Bemerkungen zeugen von einem völligen Unverständnis für das System eines föderativen Staatsaufbaus.

    (Beifall bei der SPD. — Widerspruch bei den Regierungsparteien.)

    Gerade Sie, die sie sich immer als Föderalisten gebärden, meine Damen und Herren: Länderminister
    und Länderregierungschefs sind von der Funktion
    eines Parteivorsitzenden nicht ausgeschlossen! (Beifall bei der .SPD. — Abg. Wehner: Die CDU ist gewohnt, ihre Leute zu kooptieren! — Abg. Dr. Barzel: Aber Brandt ist Kanzlerkandidat! Das ist doch der Punkt! — Weitere Zurufe.)

    — Gut, dann sollen Sie folgendes noch hören. In den Vereinigten Staaten von Amerika, einer Föderation wie bei uns, sind bisher mehr frühere Gouverneure denn Senatoren zu Präsidenten gewählt worden. Oder wissen Sie das nicht?

    (Abg. Dr. Barzel: Aber in einer parlamentarischen Demokratie gehört der Kanzlerkandidat ins Parlament!)

    Gewählt wird ein Parlament, und aus dem Parlament heraus wählen wir nachher den Kanzler. Die Sozialdemokratische Partei stellt sich jeder Auseinandersetzung hier im Bundestag. Verantwortlich ist dem Bundestag idie Regierung und nicht der Parteivorsitzende, das wissen Sie genauso wie ich.

    (Beifall bei der SPD. — Abg. Dr. Barzel: Aber der will doch Kanzler werden!)

    — Wenn er es ist, dann ist er Ihnen verantwortlich, vorher nicht.

    (Abg. Rasner: Das ist gut, das wollen wir uns merken!)

    — Selbstverständlich! Vorher stellt er sich der öffentlichen Diskussion. Sie wenden ihn schon noch genug in der Verantwortung erleben, dafür werden wir sorgen.

    (Beifall bei der SPD.)

    Natürlich sind auch Parteivorsitzende — einschließlich des Ihren — nicht der Kritik entzogen; aber dafür gibt es andere Plattformen. Auf einer stellt sich ja z. B. heute der Regierende Bürgermeister in Berlin. Sie können sich doch hier nicht hinstellen und seine Abwesenheit beklagen, während Ihr Parteifreund Amrehn ihn gleichzeitig in Berlin verhaftet.

    (Abg. Rasner: Er kann ja morgen kommen!)

    Die Gabe der Bilokation ist keinem Sterblichen verliehen, das wissen Sie genau wie ich. Für die anderen, die das nicht verstanden haben, bedeutet dies: die Gabe der gleichzeitigen Anwesenheit an zwei verschiedenen Plätzen.

    (Beifall bei der SPD. — Abg. Windelen: Das ist geistiger Hochmut!)

    — Nein, es war gar kein geistiger Hochmut; das war ein Appell an die Einsicht der katholischen Gläubigen in diesem Hause.

    (Heiterkeit und Beifall bei der SPD.)

    Meine Damen und Herren, nun komme ich zu den Fragen, die sich bei einem Überblick über die Lage unseres Volkes nach außen und innen ergeben. Es ist mit Recht vorhin auf die in Fluß geratene Weltpolitik aufmerksam gemacht worden. Wir müssen uns mit den gesellschaftlichen Veränderungen im Sowjetblock, auch innerhalb der einzelnen Staaten, einschließlich der Sowjetunion selbst, beschäftigen. Die stärkere nationale Identität der osteuropäischen Länder und das wachsende Gefühl der Verbundenheit zu Europa hin sind Faktoren von wachsender Bedeutung. Demgegenüber nehmen sich die Zustände in der sowjetischen Besatzungszone Deutschlands, selbst innerhalb des Sowjetblocks, als anachronistisch aus.

    (Sehr richtig! bei der SPD.)

    Woran liegt das? Das liegt daran, daß in einem gespaltenen Land Herr Ulbricht eben nicht wie andere kommunistische Führer an der Spitze einer Nation — wenn auch auf Gewalt gegründet — steht, sondern daß er allein unter dem Schutz fremder Gewalt der eigenen Nation, einschließlich des von ihm beherrschten Teils, im Wege steht. Das ist der wesentliche Unterschied.
    Es ist hier davor gewarnt worden — und ich teile diese Warnung —, sich etwa von dem langfristigen Konflikt zwischen der Sowjetunion und China kurzfristige Dividenden zu erhoffen. Mit dem Eintritt einer Reihe von Staaten Asiens, Afrikas und Lateinamerikas in die Weltpolitik beginnen auch manche Gewichte sich neu zu verschieben und zu ordnen. Demgegenüber haben wir nun eine leider lange Liste von Schwierigkeiten in der westlichen Allianz. Das fängt mit den Diskussionen über die Strategie an, geht über die Lastenverteilung und den Anteil an der Verantwortung bis hin zum Stillstand des europäischen Einigungswerks, bis hin zu den hier mit Recht erwähnten Fragen der mangelnden Koordinierung der Handelspolitik im Ostwesthandel, einschließlich der Frage der Kredite.
    Auf allen diesen Gebieten ist die deutsche Politik nach ihrem Standort gefragt; sonst wird sie von dem Fluß weggeschwemmt. Die Ziele dabei bleiben — sie sind uns gemeinsam —: die Sicherung des Friedens, die Bewahrung der Freiheit und die friedliche Durchsetzung des Selbstbestimmungsrechts auch für das deutsche Volk, die gleichbedeutend mit der Wiederherstellung der deutschen Einheit in gesicherter Freiheit ist. Als Mittel dazu — das ist bei der gegenwärtigen weltpolitischen Lage völlig offenkundig — ist die atlantische Solidarität vorrangig. Sie ist für die Bewahrung des weltpolitischen Gleichgewichts notwendig. Es ist entscheidend, daß die Sowjetunion weiß, daß sie die verschiedenen Partner in der Solidarität nicht gegeneinander ausspielen kann. Natürlich muß diese Solidarität auf Gegenseitigkeit beruhen. Wir müssen sie festigen und dürfen sie nicht schwächen lassen.



    Erler
    Die MLF ist ein denkbares Mittel zur Stärkung dieser Solidarität, aber nur, wenn sie multilateral, als Gemeinschaftsunternehmen konzipiert bleibt und nicht etwa zu einem deutsch-amerikanischen Sonderbund führt.

    (Sehr richtig! bei der SPD.)

    Dann würde sie zu einer ähnlichen Belastung der Allianz werden wie leider manche Versuche, aus der sehr guten deutsch-französischen Freundschaft eine Art von spezieller Allianz ohne oder gar gegen andere zu machen, die die Allianz nicht gestärkt, sondern geschwächt haben.
    Wenn man so an die Dinge herangeht, dann dient die MLF der dauerhaften physischen Verklammerung eines wesentlichen amerikanischen Potentials mit der europäischen Sicherheit; dann ist sie ein Gemeinschaftsunternehmen, das der Allianz neuen Schwung einhauchen kann und bietet viele Möglichkeiten, auf die Gesamtplanung besser einzuwirken. Dann ist sie auch ein Mittel der nuklearen Erziehung der europäischen Staaten, die bisher auf diesen Gebieten allzu leichtfertige Vorstellungen haben, und dann führt sie damit auch Europa in ein gewisses Maß an Mitverantwortung hinein. Wir müssen wissen, daß man einer Weltmacht die letzte Entscheidung nicht aufzwingen kann; sie muß von der Solidarität der Interessen überzeugt bleiben. Deswegen hilft uns keine Politik des Mißtrauens. Wer Mißtrauen sät, wird kein Vertrauen ernten. Hier muß eingewirkt, mit geraten, mit gedacht werden. Nur dann können wir die deutschen Interessen richtig einfügen.
    Dazu bedarf es auch der Entstehung Euroaas als eines gleichwertigen und gleichgewichtigen Partners in der atlantischen Solidarität. Hierzu müssen wir die europäische Gemeinschaft im Innern festigen und durch beitrittswillige andere Staaten des freien Euroaas anwachsen lassen. Die Ziele dürfen wir frei und offen aussprechen, auch wenn sie nicht auf einmal erreichbar sind, und jeder Schritt muß in die richtige Richtung hinführen und darf nicht von dieser Richtung wegführen.
    Die deutsch-französische Freundschaft, vom ganzen Haus bejaht und getragen, ist für uns ein großer Akt der Versöhnung, ohne den es keine europäische Gemeinschaft geben kann; aber sie muß eingebettet bleiben oder wieder eingebettet werden in die europäische Gemeinschaft und in die atlantische Solidarität.

    (Beifall bei der SPD.)

    Wir haben die sozialdemokratischen Vorstellungen zu wiederholten Malen präzise niedergelegt; sie sind von jedermann nachprüfbar: daß alles, was jetzt geschieht, die Gemeinschaften nicht schwächen darf, daß alle Lösungen die Türen für Großbritannien und andere beitrittswillige freie Staaten Europas offenhalten müssen, daß wir uns auch um ein faires Verhältnis zu den europäischen Neutralen bemühen müssen. Und hier ein offenes Wort zu den Ausfällen in Richtung Norden:
    Schweden ist eine gerechte Heimstatt freier Menschen geworden. Das sollten wir nicht unterschätzen,
    meine Damen und Herren. Da hat kleinliches Herumnörgeln gar keinen Sinn.

    (Zurufe von der Mitte.)

    Man kann nicht alles von einem anderen Land abschreiben.

    (Beifall bei der SPD.)

    Aber man sollte sich hüten, die schwedische Neutralitätspolitik, die eine Politik der eigenen Kraft ist, in ihrer Bedeutung — auch für unsere Sicherheit und für die Sicherheit des Ostseeraumes und für die Freiheit Finnlands — so zu unterschätzen, wie das hier der Fall gewesen ist.

    (Beifall bei der SPD. — Zurufe von der Mitte: Wer tut das? — Abg. Dr. Barzel: Herr Kollege Erler, darf ich das als Absage an Brandts Artikel auffassen?)

    — Entschuldigen Sie, ich habe hier meine Meinung gesagt.

    (Abg. Rasner: Und Herr Brandt etwas Falsches?)

    — Nein, nein, Sie haben Herrn Brandt völlig falsch interpretiert. Dagegen wird er sich selber zur Wehr setzen, aber selbstverständlich!

    (Zurufe von der Mitte.)

    — Sie haben ihn völlig falsch interpretiert, es gibt keinen Gegensatz in dieser Frage. Sie versuchen, aus Schweden einen Buhmann zu machen.

    (Zurufe von der Mitte: Nein!)

    — Natürlich.

    (Erneuter Widerspruch in der Mitte.)

    — Entschuldigen Sie, meinen Sie vielleicht, ich läse die „Neue Bildpost" nicht und läse nicht, was dort seit Jahren an Unfug im deutschen Volk verbreitet wird als Stimmungsmache gegen unser schwedisches Nachbarland, nur weil die vielleicht evangelisch sind?!

    (Lebhafter Beifall bei der SPD. — Wiederholte Rufe des Abgeordneten Dr. Barzel: Pfui! — Weitere Pfui-Rufe von der Mitte.)

    Distanzieren Sie sich bei Gelegenheit bitte einmal von diesem Organ, das sich darum bemüht, in unserem Volke zu spalten, statt die demokratischen Elemente zusammenzuführen.

    (Beifall bei der SPD.)



Rede von Dr. Thomas Dehler
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Herr Dr. Barzel möchte eine Zwischenfrage stellen. Herr Abgeordneter Erler, gestatten Sie?

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Fritz Erler


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Bitte.