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ID0413718300

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    Deutscher Bundestag 137. Sitzung Bonn, den 15. Oktober 1964 Inhalt: Glückwünsche zum 70. Geburtstag des Herrn Bundespräsidenten 6761 A Erweiterung der Tagesordnung 6761 A Wahl des Abg. Dr. Achenbach zum Mitglied des Europäischen Parlamentes . . . . 6763 A Wahl des Abg. Dr. Hellige zum ordentlichen Mitglied der Beratenden Versammlung des Europarates und der Versammlung der Westeuropäischen Union 6763 A Wahl des Abg. von Mühlen zum Stellvertretenden Mitglied der Beratenden Versammlung des Europarates und der Versammlung der Westeuropäischen Union 6763 A Fragestunde (Drucksachen IV/2586, IV/2599) Fragen des Abg. Wächter: Viehschädigungen durch Düsenjägerlärm — Äußerungen des Generals Panitzki betr. einen zweiten „Grünen Plan" von Hassel, Bundesminister . . . 6764 B Wächter (FDP) . . . . . . . . 6765 A Frage des Abg. Kaffka: Äußerung des Generals Panitzki betr. Opferbereitschaft des deutschen Volkes von Hassel, Bundesminister . . 6765 B, C, D, 6766 B Kaffka (SPD) 6765 C Cramer (SPD) 6765 C, D Gerlach (SPD) . . . . . . . 6765 D Frau Dr. Flitz (FDP) 6766 A Wächter (FDP) . . . . . . . 6766 B Frage des Abg. Dr. Müller-Emmert: Umgehungsstraße der B 270 . . . . 6766 C Frage des Abg. Schwabe: Mittel für den Straßenbau 1964 . . . 6766 D Frage des Abg. Schwabe: Kapazität des deutschen Straßenbaugewerbes 6766 D, 6767 A Frage des Abg. Schwabe: Sofort-Maßnahmen zur Behebung des Straßenbaunotstandes . . 6766 D, 6767 A Frage des Abg. Bading: Bundesstraße 253 . . . . . . . . 6767 A II Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 137. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 15. Oktober 1964 Frage des Abg. Flämig: Verkehrsverhältnisse an der Einmündung der Bundesstraße 43 in die Bundesstraße 8 6767 B Frage des Abg. Flämig: Straßenbrücke über den Main mit Anschluß an die Bundesbahnstraßen bei Hanau 6767 C Frage des Abg. Flämig: Ausbau der Bundesstraße 40 im Land- kreis Gelnhausen 6767 D Frage des Abg. Peiter: Teilstück der Lahntalstraße DiezLaurenburg 6767 D Frage des Abg. Josten: Straßentunnel der B 267 bei Altenahr Dr.-Ing. Seebohm, Bundesminister 6768 A, B Josten (CDU/CSU) 6768 B Frage des Abg. Dr. Luda: Entgiftung der Auspuffgase Dr.-Ing. Seebohm, Bundesminister 6768 C, D, 6769 A Dr. Luda (CDU/CSU) 6768 D Büttner (SPD) . . . . . 6768 D, 6769 A Frage des Abg. Dr. Kohut: Umgehungsstraße im Zuge des MainNeckar-Schnellweges Dr.-Ing. Seebohm, Bundesminister . 6769 B Dr. Kohut (FDP) 6769 B Frage des Abg. Dr. Kohut: Ost-Tangente von der B 8 über den Main bei Groß- und Klein-Auheim Dr.-Ing. Seebohm, Bundesminister 6769 C, D Dr. Kohut (FDP) 6769 C Frage des Abg. Dr. Imle: Ausbau der B 76 von Flensburg nach Schleswig Dr.-Ing. Seebohm, Bundesminister . 6769 D, 6770 A Dr. Imle (FDP) 6770 A Frage des Abg. Moersch: Bauzaun an der Saale-Brücke Dr.-Ing. Seebohm, Bundesminister . 6770 B Frage des Abg. Dr. Schmidt (Wuppertal) : Auswirkungen des Personenkraftverkehrs auf die öffentlichen Verkehrsmittel Dr.-Ing. Seebohm, Bundesminister . 6770 C, 6771 A, B, C Dr. Müller-Hermann (CDU/CSU) . . 6770 D Geiger (SPD) . . . . . . . 6771 B, C Frage des Abg. Kaffka: Bundesstraße 10 Dr.-Ing. Seebohm, Bundesminister 6771 C, D, 6772 A Kaffka (SPD) . . . . . 6771 D, 6772 A Frage des Abg. Lemper: Schienenbusse im Kreis Bergheim Dr.-Ing. Seebohm, Bundesminister 6772 A, C Lemper (SPD) . . . . . . . . . 6772 B Frage des Abg. Lemper: Personenbeförderung im Kreis Bergheim Dr.-Ing. Seebohm, Bundesminister . 6772 C Frage des Abg. Lemper: Bundesbahnbusse im Kreis Bergheim Dr.-Ing. Seebohm, Bundesminister 6772 D, 6333 B, C, D Lemper (SPD) 6773 A Dr. Kohut (FDP) 6773 A Ritzel (SPD) 6773 B, C Frage des Abg. Hilbert: Wohnungsmieten in bundesbahneigenen Gebäuden Dr.-Ing. Seebohm,' Bundesminister 6773 D Hilbert (CDU/CSU) 6774 B Geiger (SPD) 6774 B Dröscher (SPD) 6774 C Frage des Abg. Hilbert: Tragbare Wohnungsmieten in bundesbahneigenen Wohnungen Dr.-Ing. Seebohm, Bundesminister 6774 D Geiger (SPD) 6774 D Frage des Abg. Anders: Finanziell geförderte Wohnungen — Mieterhöhungen Dr.-Ing. Seebohm, Bundesminister . 6775 A Anders (SPD) . . . . . . . . . 6775 A Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 137. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 15. Oktober 1964 III Fragen des Abg. Eisenmann: Bauzustand der Ufer des Nord-OstseeKanals Dr.-Ing. Seebohm, Bundesminister . 6775 C Frage des Abg. Müller (Erbendorf) : Ausbau der Bundesstraße 15 Dr.-Ing. Seebohm, Bundesminister . 6776 A Müller (Erbendorf) (SPD) . . . . 6776 B Frage des Abg. Folger: Schülermonatskarten für Praktikanten Dr.-Ing. Seebohm, Bundesminister 6776 C Folger (SPD) 6776 C Frage des Abg. Schmitt-Vockenhausen: Schleuse Kostheim am Main Dr.-Ing. Seebohm, Bundesminister . 6776 D Schmitt-Vockenhausen (SPD) . . . 6777 A Frage des Abg. Dröscher: Handhabung des Grundstücksverkehrsgesetzes Schwarz, Bundesminister . . . 6777 A Dröscher (SPD) 6777 C Frage des Abg. Dröscher: Unterstützung der Forstwirtschaft Schwarz, Bundesminister . . . . 6777 D Dräscher (SPD) . . . . . . . . 6778 B Entwurf eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Rechnungsjahr 1965 (Haushaltsgesetz 1965) (Drucksache IV/2500) — Erste Beratung —; in Verbindung mit Entgegennahme einer Erklärung des Bundeskanzlers Dr. Dr. h. c. Erhard, Bundeskanzler . 6778 C Dr. Barzel (CDU/CSU) 6788 C Erler (SPD) . . . . . . . . 6794 C Zoglmann (FDP) 6810 A Dr. h. c. Strauß (CDU/CSU) . . . 6816 A Frau Strobel (SPD) 6831 A Scheel, Bundesminister . . . . 6835 D Dr. Dahlgrün, Bundesminister . . 6836 B Dr. Carstens, Staatssekretär . . 6840 A Frau Dr. Schwarzhaupt, Bundesminister . . . . . . 6843 A Leber (SPD) 6844 B Katzer (CDU/CSU) . . . . . . 6849 D Schmitt-Vockenhausen (SPD) . . 6851 D Riedel (Frankfurt) (CDU/CSU) . . 6855 C Mündlicher Bericht des Vermittlungsausschusses zu dem Gesetz zur Durchführung der Verordnung Nr. 13/64/EWG (Milch- und Milcherzeugnisse) des Rats der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (Durchführungsgesetz EWG Milch und Milcherzeugnisse) (Drucksachen IV/2260, IV/2387, IV/2457, IV/2603) und Mündlicher Bericht des Vermittlungsausschusses zu dem Gesetz zur Durchführung der Verordnung Nr. 14/64/EWG (Rindfleisch) des Rats der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (Durchführungsgesetz EWG Rindfleisch) (Drucksachen IV/2254, IV/2366, IV/2458, IV/2604) Brand (CDU/CSU) . . . . . . 6809 B Nächste Sitzung 6856 D Anlage 6857 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 137. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 15. Oktober 1964 6761 137. Sitzung Bonn, den 15. Oktober 1964 Stenographischer Bericht Beginn: 9.01 Uhr
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    Anlage zum Stenographischen Bericht Liste der beurlaubten Abgeordneten Abgeordneter) beurlaubt bis einschließlich a) Beurlaubungen Dr. Aigner* 16. 10. Frau Albertz 16. 10. Dr. Aschoff 16. 10. Dr.-Ing. Balke 16. 10. Frau Berger-Heise 16. 10. Frau Brauksiepe 16. 10. Dr. von Brentano 15. 11. Dopatka 17. 10. Ehren 14. 11. Faller* 16. 10. Flämig 16. 10. Dr. Dr. h. c. Friedensburg* 16. 10. Dr. Furler* 16. 10. Gehring 23. 10. Gräfin vom Hagen 31. 10. Hahn (Bielefeld)* 16. 10. Dr. Hahn (Heidelberg) 16. 10. Hammersen 16. 10. Heiland 18. 10. Dr. Dr. Heinemann 16. 10. Heix 23. 10. Hellenbrock 16. 10. Frau Dr. Heuser 20. 10. Holkenbrink 15. 10. Illerhaus* 16. 10. Jacobi (Köln) 16. 10. Kahn-Ackermann 20. 11. Kalbitzer 16. 10. Klinker* 16. 10. Könen (Düsseldorf) 16. 10. Koenen (Lippstadt) 16. 10. Kraus 31. 10. Kubitza 31. 10. Freiherr von Kühlmann-Stumm 4. 11. Lenz (Bremerhaven) 15. 10. Abgeordneter) beurlaubt bis einschließlich Lenz (Brühl)* 16. 10. Liehr 31. 10. Dr. Löhr* 16. 10. Lücke (Bensberg) 16. 10. Lücker (München)* 16. 10. Frau Meermann 16. 10. Memmel 31. 10. Dr. von Merkatz 16. 10. Michels 15. 10. Mick 16. 10. Dr. h. c. Dr.-Ing. E. h. Möller 18. 11. Murr 16. 10. Peters (Norden) 31. 10. Peters (Poppenbüll) 16. 10. Dr.-Ing. Philipp * 16. 10. Pöhler 16. 10. Rademacher 16. 10. Rauhaus 23. 10. Reichhardt 31. 10. Rollmann 31. 10. Ruf 16. 10. Seidel (Fürth) 24. 10. Seidl (München) 16. 10. Dr. Serres 16. 10. Spies 16. 10. Spitzmüller 15. 10. Stein 16. 10. Wehking 15. 10. Weinkamm ** 16. 10. Dr. Willeke 23. 10. Dr. Zimmer 16. 10. Frau Zimmermann (Brackwede) 15. 10. b) Urlaubsanträge Börner 23. 10. *) Für die Teilnahme an Sitzungen des Europäischen Parlaments.
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Rainer Barzel


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Kollege Wehner, diese Frage enthält in sich so viele Unterstellungen,

    (Abg. Wehner: Wie Ihre Feststellung!) daß ich es ablehne, darauf zu antworten.


    (Abg. Wehner: Wie Ihre Feststellung! Da kennen wir uns also noch nicht! Das versuchen Sie auch noch!)

    — Herr Kollege Wehner, ich glaube, daß das, was ich hier sagte, völlig klar war.

    (Abg. Wehner: Das war es!)

    Wenn Sie die Unterstellung in Ihrer Fragestellung zurückziehen, dann bin ich gern bereit, zu sagen, daß ein solcher Gedanke Ihnen — wie ich hoffe — genauso fernliegt, wie er mir immer ferngelegen hat und fernliegt.

    (Beifall in der Mitte. — Abg. Rasner: So höflich ist er nicht!)

    Meine Damen, meine Herren! Wir unterstreichen, was der Kanzler über die Mauer in Berlin sagt: Diese Mauer bleibt eine Frage an ihre Erbauer ebenso wie die Fremdherrschaft über einen Teil unseres Landes. Wir meinen, wenn wir diese Politik der Stärkung der Realitäten sehen, daß es gut wäre, wenn die Bundesregierung die Frage der Medikamentenverordnung, der zurückgehaltenen Kinder, des Sportverkehrs, des Zeitungsaustausches — um nur das zu nennen — erneut in geeigneter Weise stellt, ohne natürlich hierbei irgendwie in Fragen der juristischen Position hereinzukommen.
    Wir meinen zum weiteren, daß es sicher gut wäre, wenn die Bundesregierung vielleicht in der Form einer Klageschrift, einmal an Hand der Menschenrechtserklärungen der Vereinten Nationen die Verletzung der Menschenrechte unserer Landsleute drüben belegen und weltweit kundmachen würde. Ich glaube, daß es so leichter wäre, die Positionen zu halten wie auch weiter alle an die Freundespflicht zu erinnern, die heißt: Wer unser Freund ist, kann nicht zugleich der Pankows sein. Wir meinen, daß auch die zuständigen Stellen die leidige Frage der Patenschaften von Städten unserer Verbündeten mit Orten in der SBZ ansprechen und ernsthaft diskutieren sollten.

    (Sehr richtig! in der Mitte.)

    Bei all diesen Dingen möchte ich, damit sich nicht irgendwo ein falsches Bild entwickelt, doch daran erinnern, daß wir weiter wissen: wir haben es mit Kommunisten zu tun, mit Feinden der Freiheit, die uns ans Leder wollen. Gleichwohl werden wir weiter die Bemühungen der Bundesregierung unterstützen, die sie in den kommunistisch beherrschten Ländern Mittel- und Osteuropas unternimmt. Da dort neben dem Einfluß Moskaus immer mehr auch der Rotchinas spürbar wird, sollte schon aus diesem Grunde in unseren Überlegungen Peking immer seinen Platz haben.
    Wir meinen, daß alles das dazu beitragen kann, nicht abzuwarten, sondern einen Zeitpunkt herbeizuführen, zu dem die durch Einwirkung veränderten Realitäten so stark gegen den Status quo stehen, daß dieser fällt. Es liegt an uns, die Realitäten, die die Kommunisten setzen, zu unseren Gunsten zu verändern. Unsere Festigkeit im Prinzipiellen, unser unbezweifelbares Festhalten an den rechtlichen Positionen erlaubt uns diese Beweglichkeit in den Methoden, und darum sagen wir auch dies: Nicht „Wandel durch Annäherung", sondern „Änderung durch Einwirken" ist die richtige Politik.

    (Beifall in der Mitte.)

    Meine Damen und Herren, ein Wort zu den jungen Menschen in der Zone. Sie haben sich — und wir sollten das der Welt sagen und die Verpflichtung, die aus dieser Haltung spricht, selbst übernehmen — nicht arrangiert. Trotz antireligiöser Pädagogik, trotz Zwangs zur Jugendweihe wächst die Zahl jugendlicher Kirchgänger. Trotz aller Angebote zur sozialistischen Feierabendgestaltung wird die Freizeit privat genutzt. Trotz verordneten Geschmacks haben die jungen Menschen westliche Musik und westliche Tänze durchgesetzt. Trotz „Staatsjugend" — und wir wissen, was das bedeutet — sinkt die Mitgliederzahl der FDJ. Trotz Todesstreifen fliehen gerade junge Menschen unter Lebensgefahr. Diese Jugend nimmt uns in die Pflicht, vom Unrecht an Deutschen in Deutschland nicht zu schweigen, sondern für sie davon zu sprechen

    (Beifall bei den Regierungsparteien)

    und niemals unsere Wohlfahrt zu erkaufen um den Preis der Menschenrechte unserer Landsleute. Das gilt auch, wenn irgendwann eben dies, etwa unter einer Überschrift wie „Entspannung", von uns verlangt werden sollte.
    Meine Damen und meine Herren! Die Entwicklung im kommunistisch besetzten Teil Europas läuft ganz anders, als die Kommunisten es wollten und dachten. Das Nationale gewinnt wieder an Bedeutung, wie die Kraft der Religion und die der Familie bleibt. Die menschliche Natur hat dem Kommunismus in diesen Bereichen einen Bewegungsspielraum abgetrotzt, der eines Tages Freiheit heißen könnte. Die Kommunisten, im Zwange, ihre ökonomische Basis zu stärken, beginnen zu ahnen, daß Produktivität sich nicht befehlen und erzwingen läßt. Die Konsequenzen ziehen sie bitter, und sie tun es gegen ihr Programm.
    Ich sage dies, weil ich möchte, daß wir nicht einstimmen, daß keiner von uns einstimmt in den „Chor der Blinden", die ob dieser erregenden Phänomene meinen, der Kommunismus hätte sich gewandelt. Was sich gewandelt hat, ist dies: Die Völker haben ihren kommunistischen Zwingherren ein Stück Bewegungsraum abgetrotzt, und in der Pflicht



    Dr. Barzel
    dieser Völker sind wir und nicht in der der kommunistischen Unterdrücker.

    (Lebhafter Beifall in der Mitte.)

    Meine Damen! Meine Herren! Bei dieser Lage, wo wir die Chance haben, das Humanum auch dort zu stärken, wo Kommunisten regieren, sollte der Westen mehr noch als bisher gemeinsam handeln, auch bei den Krediten, auch beim Kulturaustausch, auch bei der Harmonisierung der Art und des Tempos dieser Politik wie bei der Aufteilung der Aufgaben. Die Bundesregierung hat unsere Unterstützung für eine solche gemeinsame westliche Politik, und sie ist herzlich von uns ermuntert, die Vorhaben und Initiativen weiter fortzusetzen.
    Damit wir uns aber hier recht verstehen: Nichts zwingt uns, durch nichts sind wir gezwungen, etwa zugunsten dieser aktiveren Politik irgend etwas aufzugeben von unserer prinzipiellen Position in der deutschen Frage. Nichts zwingt uns, etwas aufzugeben zugunsten einer aktiveren Ostpolitik. Unsere Politik der Einigung Europas und der atlantischen Gemeinschaft — alles dies bedingt einander — ist eine Sache, nämlich europäisch und freiheitlich gedachte deutsche Politik. S

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Bei alledem unterstreichen wir auch, was der Bundeskanzler in seiner Regierungserklärung andeutete: daß Moskau ein Platz Europas ist und wir mit dem russischen Volk noch manches zu bereinigen haben.
    Damit aber nun gar kein Mißverständnis aufkommen kann, möchte ich noch folgendes erklären, und ich tue dies auch auf Grund eines Gerüchts, das aus Berlin in diesem Zusammenhang gegen mich verbreitet worden ist: Die rechtlichen, die moralischen und die historischen Argumente der Nichtanerkennung der Zone wie der Nichtanerkennung der Oder-Neiße-Linie sind bekannt, sie gelten fort und sind durch den Deutschlandvertrag verbindlich. Es gibt keinen Grund, diese Position zu ändern. Im Gegenteil! Wenn die Analyse der Verhältnisse in Ost- und Mitteleuropa stimmt, dann haben wir die Pflicht, die europäische Funktion unserer Politik der Nichtanerkennung zu begreifen und fest zu beziehen.

    (Lebhafter Beifall in der Mitte.)

    In der Pflicht dieser Völker, von denen viele Menschen ein Stück ihrer eigenen Hoffnung darauf setzen, daß wir uns nicht mit den von den Kommunisten geschaffenen Tatsachen arrangieren, und viele hoffen, daß, solange die Deutschen sich nicht mit dem abfinden, was die Kommunisten schufen, eine westliche Dynamik gegen den Status quo erhalten bleibt, in der Pflicht dieser Völker sollten wir die europäische Funktion der Politik der Nichtanerkennung beziehen. Denn solange wir das tun, halten wir dort mehr als Hoffnung aufrecht.
    Ich möchte zu den anderen Fragen, die der Herr Bundeskanzler in diesem Teil seiner Regierungserklärung angeschnitten hat, nichts sagen als dies: Er sprach von Warschau und Polen. Wir wissen, daß nicht nur 11 Millionen Deutsche durch die Sowjetunion vertrieben sind, sondern auch 3,5 Millionen
    Polen. Wir sind zum Ausgleich auf der Basis des Rechts bereit. Könnten alle Völker Europas, könnten alle Nachbarn frei sprechen, nichts stünde dem Weg der Verständigung im Wege. Gerade so gesehen bleiben unsere Position der Selbstbestimmung, unsere Position in der Frage der Oder-Neiße-Linie — die nicht mehr ist als eine Demarkationslinie; wir stehen zu der Erklärung des Kanzlers hierzu — Positionen von hohem europäischem Rang. Dies allerdings ist der unbequemere Weg. Bequemer — aber das wäre dann das Bezahlen des Heute mit dem Morgen, wie der Bundeskanzler gesagt hat — wäre das, was der eine oder andere uns in einer Illustrierten nahebringt.
    Zum zweiten! Anders als früher bestreitet heute niemand mehr, daß die Politik zur Wiedervereinigung unser Mühen um die Einheit Europas nicht nur nicht ausschließt, sondern erfordert. Wir danken Ihnen, Herr Bundeskanzler, daß Sie den Mut und die Beharrlichkeit aufgebracht haben, allen Widerwärtigkeiten zum Trotz das europäische Gespräch zu beleben, den toten Punkt zu überwinden und alle an diesen Punkt weiterer gemeinsamer Schritte heranzuführen.

    (Beifall in der Mitte.)

    Ihr realistisches Konzept in dieser Frage findet unsere Zustimmung. Wir sagen ja dazu, weil es die heute möglichen Schritte empfiehlt, ohne den Weg zu dem größeren Ziel zu verbauen. Wir hoffen, daß alle Mitgliedstaaten der EWG mitmachen werden. Indem die Sechs — alle Sechs — voranschreiten, beleben sie auch — dessen bin ich sicher — das angelsächsische Interesse an Europa neu.
    Wir freuen uns, Herr Bundeskanzler, daß es gelungen ist, das Klima zwischen Paris und Bonn wieder zu verbessern. Die deutsch-französische Freundschaft bleibt die Basis unserer Politik. Hier ist noch ein weites Feld nicht ausgeschöpfter praktischer Möglichkeiten gemeinsamer Politik. Die Bundesregierung ist unserer Unterstützung hierfür sicher.
    Zugleich hoffen wir, daß die Bundesregierung wie bisher ihren konstruktiven Beitrag zum Erfolg der „Kennedy-Runde" wie zum Abschluß der MLF leisten wird. Die weitere atlantische Verzahnung macht immer mehr den Atlantik zu einem Binnenmeer unserer Zeit und damit die Anwesenheit der amerikanischen Truppen hier zu einer erwünschten und dankenswerten Selbstverständlichkeit. Wir begrüßen diese Entwicklung, denn die USA bleiben unser wichtigster Verbündeter.
    Gerade weil die USA durch die Aggressivität Rotchinas besonders und weltweit engagiert sind, müssen wir Europäer endlich mehr Verständnis für den Wunsch der USA .nach einem einigen Europa als atlantischem Partner aufbringen.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Der Rang Europas in der Welt wie in der NATO wird von Europa selbst bestimmt, durch den Grad seiner Vereinigung. Wir meinen deshalb, daß jetzt der Zeitpunkt ist, daß die Mitgliedstaaten der EWG einen weiteren Schritt tun sollten, um diese Gemeinschaft weiter attraktiv zu machen. Die Bundesregierung kann der Unterstützung der CDU/CSU-Fraktion



    Dr. Barzel
    sicher sein für alle Schritte, die zu vermehrter Gemeinsamkeit in Europa führen. Das heute Mögliche jetzt zu tun, ist auch für Europa besser, als auf ein glücklicheres Morgen zu warten. Inzwischen sehen auch unsere Kritiker, wie unlösbar der Zusammenhang zwischen westlicher Einigung und Fortschritten gegenüber den Kommunisten ist. Ich füge deshalb hinzu — um hier einmal ein Mißverständnis von hinten auszuräumen —, daß sich ohne die Politik westlicher Stärke, die ein Hauptteil auch in Kennedys „Strategie des Friedens" ist, der östliche Polyzentrismus, wie man es nennt, nicht so und nicht in diesem Tempo entwickelt hätte.
    Hinter allem steht doch, daß die ökonomische Basis der Kommunisten zu schwach ist, weil sie militärisch zu sehr beansprucht wird.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Meine Damen, meine Herren, die kommunistische These vom „Vorrang der Ökonomie" zeigt, daß diese Basis zu schwach ist. Diese These ist nicht zufällig, sie ist eine der Folgen der Politik westlicher Stärke.
    Nun zum dritten, zum Ausbau des sozialen Rechtsstaates. Meine Damen, meine Herren, vieles ist schon erreicht, Weiteres bleibt zu tun. Die Wiederaufbauphase hatte ihre eigenen Prioritäten. Sie geht zu Ende. Vor uns steht eine Periode, von der wir meinen, daß es die des sozialen Ausbaues und der kulturellen Gestaltung sein sollte.
    Wir wollen — ich sage es ganz ehrlich und ermutigt insbesondere durch die Ergebnisse der letzten Tage innerhalb der Koalition — in dieser Legislaturperiode noch möglichst viele der anstehenden Gesetze verabschieden und hoffen für die Verabschiedung des Notstandsrechts und die wesentlichen Punkte in diesen Gesetzen auf die Zustimmung auch der Opposition.
    Schwerpunkte des innenpolitischen Programms werden weiter in der Bildungs-, in der Familien- und in der Eigentumspolitik sowie im Straßenbau, in der Flüchtlingsgesetzgebung und in der Förderung des bäuerlichen Familienbetriebs liegen. Wir unterstreichen erneut: Wir bekennen uns zu zu der Erklärung des Herrn Bundeskanzlers vom 19. März 1964, die das Festhalten am deutschen Getreidepreis zum Inhalt hat.
    Hier und da sind im deutschen Volk Unruhe und Besorgnis wegen des Wohnungsbaues entstanden. Hierzu möchte ich in aller Form für die Fraktion der CDU/CSU folgendes erklären. Erstens: Es wird weiter gebaut, der soziale Wohnungsbau wird weiter gefördert.

    (Beifall in der Mitte. — Abg. Wehner: Aber weniger Bundesmittel!)

    Zweitens: Wir denken nicht daran, Menschen aus Sozialwohnungen herauszusetzen. Ich erwähne dies auch, weil draußen im Lande hierzu oft eine falsche und böswillige Propaganda betrieben wird.
    Darum auch diese Zahlen: Das Jahr 1964 wird ein Rekordjahr des Wohnungsbaues werden. 600 000
    Wohnungen werden erstehen. Seit 1953 wird in der Bundesrepublik jede Minute eine Wohnung fertig.

    (Abg. Wehner: Alle vom Bund bezahlt?)

    — Aber, Herr Kollege Wehner, wollen wir uns hier vielleicht über die schwedische Wohnungsbausituation unterhalten? Das wäre nicht richtig.

    (Abg. Wehner: Sie rutschen immer zu schnell aus! Sie müssen noch einiges lernen!)

    Ich darf einmal die deutschen Erfolge erwähnen. Wir haben über 21/2 Millionen Familienheime gebaut. 1939 hatten wir 3,8 Einwohner je Wohnung, während es 1962 noch 3,3 waren. Herr Kollege Wehner, ich gestehe gern — vielleicht verstehe ich Ihren Einwand richtig —, daß dies alles, wie ich in meinem ersten Satz sagte, das Gemeinschaftswerk des deutschen Volkes ist. Dies alles wurde aber möglich durch eine kluge Politik, die uns bis hierher geführt hat.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Eine andere Frage, die ich eben noch aufgreifen muß, weil die Opposition sicher erneut darauf zu sprechen kommen wird, ist die Finanzreform. Wir haben mit Freude zur Kenntnis genommen, daß die Bundesregierung mit den Ministerpräsidenten gesprochen und mit ihnen gemeinsam eine Kommission von sogenannten vier Weisen eingesetzt hat, die erst einmal die Aufgabenverteilung prüfen soll.

    (Abg. Dr. Schäfer: Hat lange gedauert, ehe das durchgesetzt war!)

    — Wenn die Opposition das beklagt, Herr Kollege Schäfer, dann kann sie sich mit ihrem Tempo und ihrer Beschleunigung mindestens in ebensolchem Umfang, wie sie sich hier betätigt, in den sozialdemokratisch regierten Ländern betätigen und sich vielleicht auch bei dem Mitglied der Kommission der vier Weisen, das Ihnen nahesteht, ein bißchen mehr erkundigen. Wir freuen uns auch zu hören, daß die Vorarbeiten für eine längerfristige Finanzplanung voranschreiten.
    Noch zwei Punkte in diesem kurzen innenpolitischen Teil. Wir begrüßen es, daß die Bundesregierung sich seit zwei Jahren verstärkt um Hilfe für das Zonenrandgebiet bemüht. Die Bundestagsfraktion der CDU/CSU unterstützt das. Sie sieht hierin einen weiteren innenpolitischen Schwerpunkt und erwartet weitere Vorschläge der Bundesregierung.
    Wir begrüßen besonders, daß der Bundeskanzler heute morgen die Gelegenheit genommen hat, hier im Hause zu einigen Fragen der Bundesbahn Stellung zu nehmen. Ich möchte dazu nur sagen, daß auch wir nicht daran denken, uns die gestern publizierten Vorschläge zu eigen zu machen. Wir wollen weiter die bewährten Dienste unserer Eisenbahner in Anspruch nehmen, auch im Personenverkehr, auch auf kleinen Bahnhöfen.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Ich komme zum Schluß. Die Fraktion der CDU/CSU wird weiter diese Bundesregierung unterstützen. Wir werden diese Koalition fortsetzen. Wenn der Herr Regierende Bürgermeister von Berlin erklärt, die deutsche Hauptstadt habe keine Sorge, so ist das



    Dr. Barzel
    ein Indiz dafür, daß die Bundesregierung auf dem rechten Weg ist.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Aber ich muß nun, damit der Kreis sich schließt, noch einmal auf den Führer der Opposition zu sprechen kommen, diesmal in seiner Eigenschaft als Kolumnist. In seiner letzten, ich glaube, etwas lyrischen Kolumne im „Stern", wo er uns ermuntert: „Schaut nach Norden", hat er uns ein Ziel gesetzt und dem deutschen Volk ein Paradies verkündet, nämlich: Deutschland nach schwedischem Muster. Meine Damen und meine Herren, wir bedauern, daß wir so gezwungen sind, innenpolitische Dinge eines befreundeten Landes hier kontrovers zu erörtern. Aber hier ist ein böser Anfang gemacht. Wenn ich Ihnen, Herr Kollege Erler, noch einen Tip gleich für Ihre Rede geben kann,

    (Heiterkeit in der Mitte)

    dann darf ich Ihnen sagen, daß der Weg über Stockholm nach Rom wahrscheinlich erheblich gestört sein wird. Wenn Sie genau wissen wollen, was ich meine, lesen Sie vielleicht die „Stimmen der Zeit" hierzu nach.
    Meine Damen und Herren, wir haben hier die Daten über die Entwicklung in Schweden. Wir sind bereit, die Debatte über die Entwicklung in Schweden aufzunehmen. Ist das im Interesse der ganzen Sache, wenn wir hier Datum auf Datum vergleichen und die Innenpolitik eines befreundeten Landes durchgehen? Ich kann es tun. Wir haben die Daten hier. Ein paar Kollegen kommen gerade aus Schweden zurück. Sie sind bereit, Ihnen das Material, die Zahlen aufzublättern. Aber ich hoffe doch, daß durch eine tunliche Erklärung der Opposition diese Debatte noch verhindert werden kann und wir nicht weiter gehalten werden, die sozialdemokratischen Antworten auf die deutschen Fragen von heute nach schwedischem. Vorbild zu bekommen.

    (Beifall bei den Regierungsparteien. — Abg. Wehner: Wer benutzt denn Schweden als Vorbild?)

    Ich habe nichts gegen die Schweden — —

    (Abg. Erler: Halten Sie Ihre Propagandisten im Zaum, dann löst sich das von selbst!)

    — Wenn das die ganze Erklärung ist, die sie hierzu zu geben haben, Herr Kollege Erler, dann würde schon bald jemand mit der albernen Retourkutsche kommen können, nachdem nun bei uns die „Gaullisten" und „Atlantiker" gestorben sind, vielleicht nun bei Ihnen die „Römer" und die „Schweden" auseinanderzudividieren.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Ich möchte nochmals sagen, daß es Mir gut schiene, diese Debatte zu vermeiden. Wir haben in Schweden einen wichtigen Freund. Aber wir haben hier unsere Probleme und müssen unsere Antworten geben.

    (Sehr richtig! in der Mitte.)

    Aber, Herr Kollege Erler, nehmen Sie zur Kenntnis, daß wir ob dieses Artikels Sie etwas fragen —
    den Herrn Regierenden Bürgermeister können wir ja nicht fragen —, nämlich: ob etwa indirekt dieser Hinweis „Schaut nach Norden" und die Formulierung eines der vorletzten Absätze irgendein Hinweis auf das Vorbild auch der Bündnisfreiheit sein könnte. Hierzu erwarten wir, erwartet das deutsche Volk die Antwort ,der sozialdemokratischen Fraktion.

    (Beifall bei der CDU/CSU. — Abg. Wehner: Lesen Sie den Artikel ganz genau!)

    Unsere Bilanz ist positiv. Die Koalition hat das menschenmögliche getan. In dem Maße, in dem die Opposition das Unmögliche und alles zugleich fordert, in dem sie uns fremde Wege weist, bestätigt sie: wir sind auf dem rechten Wege.
    Wir gehen mit Zuversicht auch in die Zukunft, — mit dieser Regierung, mit ihrem Erfolg und mit ihrer Erfahrung.

    (Anhaltender Beifall bei den Regierungsparteien.)



Rede von Dr. Thomas Dehler
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Erler.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Fritz Erler


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ursprünglich hatten wir angenommen, daß vielleicht nach der Rede des Herrn Bundeskanzlers eine Unterbrechung der Sitzung nötig werden würde, um sich mit neuen, dem Hause bisher unbekannten Gedanken und Tatsachen zu beschäftigen.

    (Lachen in der Mitte.)

    Dazu bestand kein Anlaß, weil es außer allgemeinen Bekenntnissen sehr wenig präzise Aussagen gab und kaum etwas Neues zu hören war.

    (Beifall bei der SPD.)

    Sie wollten durch die Art des Aufzugs der Debatte die Erfüllung der Aufgabe einer politischen Durchleuchtung des Bundeshaushalts verhindern. Das ist danebengegangen. Diese Durchleuchtung findet, wie es sich gehört, in der nächsten Woche statt.
    Sie haben heute — das war von Anfang an zu erkennen — diese Debatte als eine Art Einigkeitsfest der Koalition angelegt. Das war auch dringend nötig, nachdem es vorher einige Uneinigkeitsfeste gegeben hatte.

    (Heiterkeit und Beifall bei der SPD.)

    Mit Napoleons Mutter kann man da nur sagen: pourvu que ça dure!

    (Zurufe von der Mitte.)

    — „Hoffentlich dauert's!", wenn Sie es genau wissen wollen.
    Für dieses Einigkeitsfest brauchen Sie zwei Dinge, die heute in reichlichem Maße serviert wurden: einmal eine selbstgefällige Rückschau auf die Gemeinschaftsleistung unseres ganzen Volkes und zweitens einen wortreichen Angriff auf die Sozialdemokraten. Sie brauchen diese beiden Dinge, weil Sie in dem, was heute und morgen praktisch zu tun ist, selber heillos zerstritten sind.

    (Beifall bei der SPD.)




    Erler
    In einer Reihe von Fragen ist es Ihnen nicht einmal gelungen, noch vor dieser Debatte die Gegensätze unter den Teppich zu kehren. Aber selbst die unter dem Teppich liegenden Gegensätze sind eine unbequeme Grundlage für einen Marsch zum Sieg — die kommen nämlich doch wieder zum Vorschein.

    (Heiterkeit und Beifall bei der SPD.)

    An den polemischen Ton des Herrn Bundeskanzlers sind wir ja durchaus gewöhnt. Er ist zur Demonstration der Einigkeit in der Koalition nötig, weil es ja außer dem Gegensatz zur SPD nichts gibt, was Sie überhaupt noch einig hält, meine Damen und Herren von der Koalition!

    (Heiterkeit bei der SPD.)

    Aber dieser polemische Ton ist kein Ersatz für die Lösung der heute anstehenden großen Fragen.

    (Abg. Dr. Schäfer: Sehr richtig!)

    Wenn die Bundesregierung meint, daß die politische Diskussion wichtiger Fragen — statt sie der Bevölkerung vorzuenthalten — ein politischer Krawall sei, so geht das doch wohl an den wirklichen Aufgaben dieses Hauses und an der Notwendigkeit der Wachsamkeit der Opposition völlig vorbei.

    (Beifall bei der SPD.)

    Allerdings verstehe ich den Zorn des Kanzlers; denn mindestens einige Regierungsmitglieder scheinen das Monopol für politische Krawalle selber in Anspruch nehmen zu wollen.

    (Heiterkeit und Beifall bei der SPD.)

    Sicher sehnt sich der Wahlkämpfer Erhard nach den Zeiten zurück, als sein Vorgänger die Sozialdemokratie als „Untergang Deutschlands" diffamierte und dabei leider auch mehr Glauben fand, als unserem Volke dienlich war. Diese Zeit, darauf können Sie sich verlassen, gehört der Vergangenheit an, die werden Sie auch mit den größten rhetorischen Kunststücken nicht wieder lebendig machen können.

    (Beifall bei der SPD.)

    Erfreulich an der Regierungserklärung war die Aufzeichnung des Rahmens, in dem in den großen Lebensfragen der Nation die verantwortlichen politischen Kräfte zusammenstehen — ich hätte allerdings dabei gern etwas genauer gewußt, ob sich das auch immer auf die ganze Regierungskoalition bezieht —, und zum zweiten das Bekenntnis — bis in die Worte hinein — zu den Gemeinschaftsaufgaben. Ich fand mich sehr an das sozialdemokratische Regierungsprogramm von 1961 erinnert,

    (Beifall bei der SPD)

    das ja damals von Ihnen mit Spott und Hohn übergossen wurde. Sicher sind wir uns einig darin, daß uns — —

    (Zurufe von den Regierungsparteien.)

    — Bei Ihnen konnten wir nicht abschreiben, weil Sie ja stolz darauf sind, gar kein Programm zu haben; das haben Sie draußen immer verkündet.

    (Beifall bei der SPD.)

    Sie halten den jeweiligen Kanzler durchaus als Ersatz für brauchbar. Manchmal hat es geholfen, aber immer langt es nicht. Verlassen Sie sich darauf!

    (Beifall bei der SPD.)

    Wir sind uns einig darin, daß es keine Allzuständigkeit des Staates geben darf. Auch das steht im Godesberger Programm, meine Damen und Herren. Das darf aber keine Ausrede dafür sein, daß der Staat sich der Verantwortung gegenüber bestimmten Gruppen seiner Bürger entzieht. Hier helfen keine philosophischen Bekenntnisse, sondern nur Taten. Wenn wir uns einmal mit der Begabtenförderung in diesem Lande beschäftigen, dann darf man doch wohl an die Leidensgeschichte all der Dinge erinnern, die wir Land für Land haben durchsetzen und durchtrotzen müssen, von der Schulgeldfreiheit angefangen bis hin zum Ausbau des Honnefer Modells und bis hin zu dem heute noch in den Ausschüssen des Bundestages liegenden Ausbildungsförderungsgesetz, an das Sie doch nicht herangegangen sind.

    (Lebhafter Beifall bei der SPD.)

    Vieles von dem, meine Damen und Herren, worauf
    Sie heute so stolz sind, ist Ihnen abgetrotzt worden.

    (Widerspruch bei den Regierungsparteien.)

    Teils in hartem Ringen hier im Parlament, teils durch die Angst vor dem Wahlausgang ist Ihnen manches in letzter Stunde eingefallen, was wir vorher gefordert hatten. Sie beschäftigen sich ja jetzt wieder mit einem ganzen Bündel solcher Dinge, für die Sie nicht Zeit genug hatten, dafür zu sorgen, daß sie noch in den Bundeshaushaltsplan eingearbeitet wurden.

    (Beifall bei der SPD.)

    Das wiederholt sich immer etwa dreiviertel Jahr vor der Wahl. Wir kennen das ja nun schon langsam.
    Der Kollege Barzel hat hier einige Fragen des parlamentarisch-politischen Diskussionsstils angeschnitten. Das Parlament leidet sicher, wenn es statt eines Dialogs zwischen Regierungsmehrheit und Opposition sich dem Versuch gegenübersieht, die politische Mehrheit dreimal in verschiedenem Gewande auftreten zu lassen: als Kanzler, als Minister und dann außerdem auch noch als Parteiensprecher, und dann noch je nach Bedarf getrennt. Wenn es um die Besetzung von Positionen geht, dann ist die CDU/CSU-Fraktion eine Fraktion, bei Sendezeiten und aus anderen Anlässen handelt es sich um zwei Parteien, wie es gerade nützlich ist.

    (Abg. Dr. Schäfer: Bei der Parteienfinanzierung!)

    Herr Barzel vermißt hier im Hause den Vorsitzenden der Sozialdemokratischen Partei. Herr Barzel, Sie müssen sich mit mir trösten. Ich bin der gewählte Vorsitzende der sozialdemokratischen Bundestagsfraktion,

    (anhaltender lebhafter Beifall bei der SPD)

    bin stellvertretender Vorsitzender der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands und bin, im Gegen-



    Erler
    Satz zu vielleicht bei Ihnen geltenden Bräuchen, legitimiert, mit voller Autorität für meine Partei hier zu sprechen und überall, wo wir uns hinstellen.

    (Lebhafter Beifall bei der SPD.)

    Ihre Bemerkungen zeugen von einem völligen Unverständnis für das System eines föderativen Staatsaufbaus.

    (Beifall bei der SPD. — Widerspruch bei den Regierungsparteien.)

    Gerade Sie, die sie sich immer als Föderalisten gebärden, meine Damen und Herren: Länderminister
    und Länderregierungschefs sind von der Funktion
    eines Parteivorsitzenden nicht ausgeschlossen! (Beifall bei der .SPD. — Abg. Wehner: Die CDU ist gewohnt, ihre Leute zu kooptieren! — Abg. Dr. Barzel: Aber Brandt ist Kanzlerkandidat! Das ist doch der Punkt! — Weitere Zurufe.)

    — Gut, dann sollen Sie folgendes noch hören. In den Vereinigten Staaten von Amerika, einer Föderation wie bei uns, sind bisher mehr frühere Gouverneure denn Senatoren zu Präsidenten gewählt worden. Oder wissen Sie das nicht?

    (Abg. Dr. Barzel: Aber in einer parlamentarischen Demokratie gehört der Kanzlerkandidat ins Parlament!)

    Gewählt wird ein Parlament, und aus dem Parlament heraus wählen wir nachher den Kanzler. Die Sozialdemokratische Partei stellt sich jeder Auseinandersetzung hier im Bundestag. Verantwortlich ist dem Bundestag idie Regierung und nicht der Parteivorsitzende, das wissen Sie genauso wie ich.

    (Beifall bei der SPD. — Abg. Dr. Barzel: Aber der will doch Kanzler werden!)

    — Wenn er es ist, dann ist er Ihnen verantwortlich, vorher nicht.

    (Abg. Rasner: Das ist gut, das wollen wir uns merken!)

    — Selbstverständlich! Vorher stellt er sich der öffentlichen Diskussion. Sie wenden ihn schon noch genug in der Verantwortung erleben, dafür werden wir sorgen.

    (Beifall bei der SPD.)

    Natürlich sind auch Parteivorsitzende — einschließlich des Ihren — nicht der Kritik entzogen; aber dafür gibt es andere Plattformen. Auf einer stellt sich ja z. B. heute der Regierende Bürgermeister in Berlin. Sie können sich doch hier nicht hinstellen und seine Abwesenheit beklagen, während Ihr Parteifreund Amrehn ihn gleichzeitig in Berlin verhaftet.

    (Abg. Rasner: Er kann ja morgen kommen!)

    Die Gabe der Bilokation ist keinem Sterblichen verliehen, das wissen Sie genau wie ich. Für die anderen, die das nicht verstanden haben, bedeutet dies: die Gabe der gleichzeitigen Anwesenheit an zwei verschiedenen Plätzen.

    (Beifall bei der SPD. — Abg. Windelen: Das ist geistiger Hochmut!)

    — Nein, es war gar kein geistiger Hochmut; das war ein Appell an die Einsicht der katholischen Gläubigen in diesem Hause.

    (Heiterkeit und Beifall bei der SPD.)

    Meine Damen und Herren, nun komme ich zu den Fragen, die sich bei einem Überblick über die Lage unseres Volkes nach außen und innen ergeben. Es ist mit Recht vorhin auf die in Fluß geratene Weltpolitik aufmerksam gemacht worden. Wir müssen uns mit den gesellschaftlichen Veränderungen im Sowjetblock, auch innerhalb der einzelnen Staaten, einschließlich der Sowjetunion selbst, beschäftigen. Die stärkere nationale Identität der osteuropäischen Länder und das wachsende Gefühl der Verbundenheit zu Europa hin sind Faktoren von wachsender Bedeutung. Demgegenüber nehmen sich die Zustände in der sowjetischen Besatzungszone Deutschlands, selbst innerhalb des Sowjetblocks, als anachronistisch aus.

    (Sehr richtig! bei der SPD.)

    Woran liegt das? Das liegt daran, daß in einem gespaltenen Land Herr Ulbricht eben nicht wie andere kommunistische Führer an der Spitze einer Nation — wenn auch auf Gewalt gegründet — steht, sondern daß er allein unter dem Schutz fremder Gewalt der eigenen Nation, einschließlich des von ihm beherrschten Teils, im Wege steht. Das ist der wesentliche Unterschied.
    Es ist hier davor gewarnt worden — und ich teile diese Warnung —, sich etwa von dem langfristigen Konflikt zwischen der Sowjetunion und China kurzfristige Dividenden zu erhoffen. Mit dem Eintritt einer Reihe von Staaten Asiens, Afrikas und Lateinamerikas in die Weltpolitik beginnen auch manche Gewichte sich neu zu verschieben und zu ordnen. Demgegenüber haben wir nun eine leider lange Liste von Schwierigkeiten in der westlichen Allianz. Das fängt mit den Diskussionen über die Strategie an, geht über die Lastenverteilung und den Anteil an der Verantwortung bis hin zum Stillstand des europäischen Einigungswerks, bis hin zu den hier mit Recht erwähnten Fragen der mangelnden Koordinierung der Handelspolitik im Ostwesthandel, einschließlich der Frage der Kredite.
    Auf allen diesen Gebieten ist die deutsche Politik nach ihrem Standort gefragt; sonst wird sie von dem Fluß weggeschwemmt. Die Ziele dabei bleiben — sie sind uns gemeinsam —: die Sicherung des Friedens, die Bewahrung der Freiheit und die friedliche Durchsetzung des Selbstbestimmungsrechts auch für das deutsche Volk, die gleichbedeutend mit der Wiederherstellung der deutschen Einheit in gesicherter Freiheit ist. Als Mittel dazu — das ist bei der gegenwärtigen weltpolitischen Lage völlig offenkundig — ist die atlantische Solidarität vorrangig. Sie ist für die Bewahrung des weltpolitischen Gleichgewichts notwendig. Es ist entscheidend, daß die Sowjetunion weiß, daß sie die verschiedenen Partner in der Solidarität nicht gegeneinander ausspielen kann. Natürlich muß diese Solidarität auf Gegenseitigkeit beruhen. Wir müssen sie festigen und dürfen sie nicht schwächen lassen.



    Erler
    Die MLF ist ein denkbares Mittel zur Stärkung dieser Solidarität, aber nur, wenn sie multilateral, als Gemeinschaftsunternehmen konzipiert bleibt und nicht etwa zu einem deutsch-amerikanischen Sonderbund führt.

    (Sehr richtig! bei der SPD.)

    Dann würde sie zu einer ähnlichen Belastung der Allianz werden wie leider manche Versuche, aus der sehr guten deutsch-französischen Freundschaft eine Art von spezieller Allianz ohne oder gar gegen andere zu machen, die die Allianz nicht gestärkt, sondern geschwächt haben.
    Wenn man so an die Dinge herangeht, dann dient die MLF der dauerhaften physischen Verklammerung eines wesentlichen amerikanischen Potentials mit der europäischen Sicherheit; dann ist sie ein Gemeinschaftsunternehmen, das der Allianz neuen Schwung einhauchen kann und bietet viele Möglichkeiten, auf die Gesamtplanung besser einzuwirken. Dann ist sie auch ein Mittel der nuklearen Erziehung der europäischen Staaten, die bisher auf diesen Gebieten allzu leichtfertige Vorstellungen haben, und dann führt sie damit auch Europa in ein gewisses Maß an Mitverantwortung hinein. Wir müssen wissen, daß man einer Weltmacht die letzte Entscheidung nicht aufzwingen kann; sie muß von der Solidarität der Interessen überzeugt bleiben. Deswegen hilft uns keine Politik des Mißtrauens. Wer Mißtrauen sät, wird kein Vertrauen ernten. Hier muß eingewirkt, mit geraten, mit gedacht werden. Nur dann können wir die deutschen Interessen richtig einfügen.
    Dazu bedarf es auch der Entstehung Euroaas als eines gleichwertigen und gleichgewichtigen Partners in der atlantischen Solidarität. Hierzu müssen wir die europäische Gemeinschaft im Innern festigen und durch beitrittswillige andere Staaten des freien Euroaas anwachsen lassen. Die Ziele dürfen wir frei und offen aussprechen, auch wenn sie nicht auf einmal erreichbar sind, und jeder Schritt muß in die richtige Richtung hinführen und darf nicht von dieser Richtung wegführen.
    Die deutsch-französische Freundschaft, vom ganzen Haus bejaht und getragen, ist für uns ein großer Akt der Versöhnung, ohne den es keine europäische Gemeinschaft geben kann; aber sie muß eingebettet bleiben oder wieder eingebettet werden in die europäische Gemeinschaft und in die atlantische Solidarität.

    (Beifall bei der SPD.)

    Wir haben die sozialdemokratischen Vorstellungen zu wiederholten Malen präzise niedergelegt; sie sind von jedermann nachprüfbar: daß alles, was jetzt geschieht, die Gemeinschaften nicht schwächen darf, daß alle Lösungen die Türen für Großbritannien und andere beitrittswillige freie Staaten Europas offenhalten müssen, daß wir uns auch um ein faires Verhältnis zu den europäischen Neutralen bemühen müssen. Und hier ein offenes Wort zu den Ausfällen in Richtung Norden:
    Schweden ist eine gerechte Heimstatt freier Menschen geworden. Das sollten wir nicht unterschätzen,
    meine Damen und Herren. Da hat kleinliches Herumnörgeln gar keinen Sinn.

    (Zurufe von der Mitte.)

    Man kann nicht alles von einem anderen Land abschreiben.

    (Beifall bei der SPD.)

    Aber man sollte sich hüten, die schwedische Neutralitätspolitik, die eine Politik der eigenen Kraft ist, in ihrer Bedeutung — auch für unsere Sicherheit und für die Sicherheit des Ostseeraumes und für die Freiheit Finnlands — so zu unterschätzen, wie das hier der Fall gewesen ist.

    (Beifall bei der SPD. — Zurufe von der Mitte: Wer tut das? — Abg. Dr. Barzel: Herr Kollege Erler, darf ich das als Absage an Brandts Artikel auffassen?)

    — Entschuldigen Sie, ich habe hier meine Meinung gesagt.

    (Abg. Rasner: Und Herr Brandt etwas Falsches?)

    — Nein, nein, Sie haben Herrn Brandt völlig falsch interpretiert. Dagegen wird er sich selber zur Wehr setzen, aber selbstverständlich!

    (Zurufe von der Mitte.)

    — Sie haben ihn völlig falsch interpretiert, es gibt keinen Gegensatz in dieser Frage. Sie versuchen, aus Schweden einen Buhmann zu machen.

    (Zurufe von der Mitte: Nein!)

    — Natürlich.

    (Erneuter Widerspruch in der Mitte.)

    — Entschuldigen Sie, meinen Sie vielleicht, ich läse die „Neue Bildpost" nicht und läse nicht, was dort seit Jahren an Unfug im deutschen Volk verbreitet wird als Stimmungsmache gegen unser schwedisches Nachbarland, nur weil die vielleicht evangelisch sind?!

    (Lebhafter Beifall bei der SPD. — Wiederholte Rufe des Abgeordneten Dr. Barzel: Pfui! — Weitere Pfui-Rufe von der Mitte.)

    Distanzieren Sie sich bei Gelegenheit bitte einmal von diesem Organ, das sich darum bemüht, in unserem Volke zu spalten, statt die demokratischen Elemente zusammenzuführen.

    (Beifall bei der SPD.)