Rede:
ID0411607200

insert_comment

Metadaten
  • sort_by_alphaVokabular
    Vokabeln: 6
    1. Das: 1
    2. Wort: 1
    3. hat: 1
    4. der: 1
    5. Abgeordnete: 1
    6. Hirsch.: 1
  • tocInhaltsverzeichnis
    Deutscher Bundestag 116. Sitzung Bonn, den 20. Februar 1964 Inhalt: Fragestunde (Drucksache IV/1935) Frage des Abg. Ertl: Offizieller Führer der IX. Olympischen Winterspiele Dr. Hölzl, Staatssekretär . . . . . 5295 C Ertl (FDP) . . . . . . . . . . 5296 A Vogt (CDU/CSU) . . . . . . 5296 B Frage des Abg. Priebe: Standorte des Bundesgrenzschutzes in der Ortsklasse B Dr. Hölzl, Staatssekretär . . . . . 5296 C Priebe (SPD) . . . . . . . . . 5296 C Fragen des Abg. Baier (Mosbach) : Lohnsteuerabzug bei von Osterreich gezahlten Renten Dr. Claussen, Staatssekretär . . . 5296 C Baier (Mosbach) (CDU/CSU) . . . 5297 A Frage des Abg. Dröscher: Altersrenten für Bäuerinnen Dr. Claussen, Staatssekretär . . 5297 C Dröscher (SPD) 5297 D Antrag betr. europäisches Jugendwerk (SPD) (Drucksache IV/1855) Liehr (SPD) . . . . . . . . . 5298 A Rollmann (CDU/CSU) . . . . . . 5300 C Kubitza (FDP) . . . . . . . . 5301 D Frau Haas (CDU/CSU) . . . . . 5302 D Josten (CDU/CSU) . . . . . . . 5304 A Dr. Heck, Bundesminister . . . . 5304 D Entwurf eines Gesetzes zur Abgeltung von Reparations-, Restitutions-, Zerstörungs- und Rückerstattungsschäden (Reparationsschädengesetz — RepG) (Drucksache IV/1456) — Erste Beratung —; in Verbindung mit dem Entwurf eines Gesetzes zur Entschädigung von Reparations-, Restitutions- und Rückerstattungsschäden (Abg. Dr. Weber [Koblenz], Dr. Wahl, Hoogen, Dr. Dehler, Dr. Dörinkel, Stiller, Schlick u. Gen.) (Drucksache IV/1762) — Erste Beratung — Dr. Dahlgrün, Bundesminister . . . 5307 A, 5317 C, 5327 A, 5336 A, 5339 A Dr. Weber (Koblenz) (CDU/CSU) . 5311 A Windelen (CDU/CSU) 5319 A Hirsch (SPD) 5323 C Dr. Wahl (CDU/CSU) 5327 B Dr. Dörinkel (FDP) 5329 A Sänger (SPD) 5336 C Dr. Rutschke (FDP) 5338 B Rasner (CDU/CSU) . . . . . . 5339 D II Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 116. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 20. Februar 1964 Entwurf eines Gesetzes zur Änderung der Höfeordnung (Drucksache IV/1810) — Erste Beratung — 5340 C Entwurf eines Gesetzes zur Änderung der Gewerbeordnung (Abg. Dr. Luda, Dr. Weber [Koblenz], Dr. h. c. Güde, Frau Dr. Kuchtner u. Gen. und Fraktion der CDU/CSU, Abg. Dr. Imle, Mertes, Dr. Hellige und Fraktion der FDP) (Drucksache IV/1821) — Erste Beratung — . . 5340 C Entwurf eines Gesetzes zur Änderung der Gewerbeordnung (CDU/CSU, FDP) (Drucksache IV/1822) — Erste Beratung — 5340 D Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Gaststättengesetzes (CDU/CSU, FDP) (Drucksache IV/1823) — Erste Beratung — 5340 D Entwurf eines Gesetzes über den Übergang von Zuständigkeiten auf dem Gebiete des Rechts des Gesundheitswesens (Drucksache IV/1832) — Erste Beratung — 5341 A Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Maß- und Gewichtsgesetzes (Abg. Unertl, Dr. Kempfler, Dr. Huys, Wieninger und Fraktion der CDU/CSU) (Drucksache IV/1862) — Erste Beratung — 5341 B Unertl (CDU/CSU) . . . . . . . 5341 C Entwurf eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 23. Juli 1963 mit der Italienischen Republik über den Schutz von Herkunftsangaben usw. (Drucksache IV/1925) — Erste Beratung — 5343 C Entwurf eines Gesetzes zu dem Übereinkommen vom 14. September 1961 über die Anerkennung der Vaterschaft und vom 12. September 1962 über die Feststellung der mütterlichen Abstammung nichtehelicher Kinder (Drucksache IV/1933) — Erste Beratung — 5343 C Entwurf eines Dritten Gesetzes zur Änderung des Zollgesetzes (Drucksache IV/1681); Schriftlicher Bericht des Finanzausschusses (Drucksache IV/1905) — Zweite und dritte Beratung — . . . . 5343 D Entwurf eines Gesetzes zu der Vereinbarung vom 17. Dezember 1962 über die Anwendung des Europäischen Übereinkommens vom 21. April 1961 über die internationale Handelsschiedsgerichtsbarkeit (Drucksache IV/1595); Schriftlicher Bericht des Rechtsausschusses (Drucksache IV/1900) — Zweite und dritte Beratung — 5344 A Entwurf eines Gesetzes zu dem Europäischen Übereinkommen vom 21. April 1961 über die internationale Handelsschiedsgerichtsbarkeit (Drucksache IV/ 1597); Schriftlicher Bericht des Rechtsausschusses (Drucksache IV/1901) — Zweite und dritte Beratung — 5344 B Entwurf eines Gesetzes zur Aufhebung von Erwerbsbeschränkungen für Staatsangehörige und Gesellschaften der Mitgliedstaaten der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (Drucksache IV/1650); Schriftlicher Bericht des Wirtschaftsausschusses (Drucksache IV/1908) — Zweite und dritte Beratung — . . . . . . . . 5344 C Antrag betr. steuerliche Rücklagen des Anlagevermögens (Abg. Dr. Besold, Wieninger, Burgemeister, Riedel [Frankfurt], Gewandt u. Gen.) (Drucksache IV/1754) 5344 D Antrag betr. Neuregelung der Arbeitszeit der Beamten des Bundes (SPD) (Drucksache IV/1816) 5344 D Schriftlicher Bericht des Außenhandelsausschusses über die Siebenundvierzigste und Neunundvierzigste Verordnung zur Änderung des Deutschen Zolltarifs 1963 (Drucksachen IV/1874, IV/1875, IV/1910); in Verbindung mit dem Schriftlichen Bericht des Außenhandelsausschusses über die Sechsundvierzigste und Einundfünfzigste Verordnung zur Änderung des Deutschen Zolltarifs 1963 (Drucksachen IV/1873, IV/1885, IV/1912) 5344 D Bericht des Außenhandelsausschusses über die Vierte Verordnung zur Änderung der Außenwirtschaftsverordnung (Drucksachen IV/1827, IV/1898); in Verbindung mit dem Bericht des Außenhandelsausschusses über die Elfte Verordnung zur Änderung der Einfuhrliste (Drucksachen IV/1828, IV/1899); dem Bericht des Außenhandelsausschusses über die Fünfunddreißigste Verordnung zur Änderung des Deutschen Zolltarifs 1963 (Zucker) (Drucksachen IV/1861, IV/1909); und dem Bericht des Außenhandelsausschusses über die Vierunddreißigste, Sechsunddreißigste, Dreiundvierzigste und Achtundvierzigste Verordnung zur Änderung des Deutschen Zolltarifs 1963 (Drucksachen IV/1868, IV/1879, IV/1880, IV/1881, IV/1911) 5345 A Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 116. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 20. Februar 1964 III Schriftlicher Bericht des Ernährungsausschusses über den Vorschlag der Kommission der EWG für eine Verordnung des Rats zur Änderung der Verordnungen Nr. 19, 20, 21, 22 und 23 des Rats zur Einführung einer Bezugnahme auf die zu erreichenden Ziele (Drucksachen IV/1904, IV/1932) 5345 B Antrag des Bundesministers der Finanzen betr. Veräußerung eines Teils der ehem. Hacketäuer-Kaserne in Köln-Mülheim (Drucksache IV/1890) . . . . . . . 5345 C Schriftlicher Bericht des Außenhandelsausschusses über die Dreiundfünfzigste Verordnung zur Änderung des Deutschen Zolltarifs 1963 (Kaffee) (Drucksachen IV/1927, IV/1959) . . . . . . . . . 5345 D Schriftlicher Bericht des Außenhandelsausschusses über den Vorschlag der Kommission der EWG für eine Verordnung des Rats über die Regelung für Reis und Bruchreis aus den assoziierten afrikanischen Staaten und Madagaskar und aus überseeischen Ländern und Gebieten (Drucksachen IV/1928, IV/1957) . . . . 5345 D Antrag betr. Änderung und Ergänzung der Geschäftsordnung; Geheimschutzordnung (CDU/CSU, SPD, FDP) (Drucksache IV/1949) 5346 A Nächste Sitzung 5346 C Anlagen 5347 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 116. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 20. Februar 1964 5295 116. Sitzung Bonn, den 20. Februar 1964 Stenographischer Bericht Beginn: 15.01 Uhr
  • folderAnlagen
    Anlage 1 Liste der beurlaubten Abgeordneten Anlagen zum Stenographischen Bericht Abgeordnete (r) beurlaubt bis einschließlich a) Beurlaubungen Arendt (Wattenscheid) * 21. 2. Dr. Atzenroth 21. 2. Balkenhol 20. 2. Bauer (Wasserburg) 21. 2. Benda 21. 2. Birkelbach 22. 2. Fürst von Bismarck 22. 2. Dr. Böhm (Frankfurt) 21. 2. Dr. von Brentano 21. 3. Brünen 21. 2. Diekmann 20. 2. Dr. Dörinkel 22. 2. Dr. Effertz 20. 2. Ehren 22. 2. Frau Dr. Elsner * 20. 2. Etzel 21. 2. Even (Köln) 29. 2. Dr. Dr. h. c. Friedensburg 21. 2. Dr. Furler * 21. 2. Gaßmann 22. 2. Gedat 21. 2. Frau Geisendörfer 22. 2. Gibbert 21. 2. Haage (München) 21. 2. Hammersen 20. 2. Dr. von Haniel-Niethammer 21. 2. Dr. Harm (Hamburg) 26. 3. Hauffe 15. 3. Höhne 21. 2. Hörauf 1. 3. Illerhaus * 21. 2. Dr. Imle 29. 2. Knobloch 21. 2. Könen (Düsseldorf) 21. 2. Kraus 22. 2. Dr. Kreyssig * 22. 2. Kriedemann 21. 2. Lenz (Bremerhaven) 15. 3. Dr. Löhr 20. 3. Margulies * 21. 2. Mattick 21. 2. Mauk * 21. 2. Dr. h. c. Menne (Frankfurt) 20. 2. Metzger * 21. 2. Missbach 21. 2. Dr. h. c. Dr.-Ing. E. h. Möller 15. 3. Müser 21. 2. Dr.-Ing. Philipp 21. 2. Frau Dr. Probst * 21. 2. Ramms 21. 2. Richarts * 21. 2. Rohde * 21. 2. Ruland 21. 3. Schlick 21. 2. Schneider (Hamburg) 21. 2. Dr. Schneider (Saarbrücken) 21. 2. Abgeordnete (r) beurlaubt bis einschließlich Schulhoff 29. 2. Schultz 20. 2. Seidl (München) 21. 2. Spitzmüller 21. 2. Dr. Starke 21. 2. Storch * 21. 2. Frau Strobel * 21. 2. Dr. Supf 21. 2. Theis 29. 2. Verhoeven 21. 2. , Dr. Vogel 22. 2. Wächter 21. 2. Weber (Georgenau) 21. 2. Wegener 29. 2. Weinzierl 22. 2. Wellmann 22. 2. Frau Welter (Aachen) 29. 2. Wischnewski * 20. 2. Dr. Wuermeling 22. 2. b) Urlaubsanträge Dr. Bleiß 21. 3. * Für die Teilnahme an Sitzungen des Europäischen Parlaments Anlage 2 Schriftliche Begründung des Abgeordneten Dr. Weber (Koblenz) zu dem Entwurf eines Gesetzes zur Entschädigung von Reparations-, Restitutions- und Rückerstattungsschäden (Drucksache IV/1762). A Allgemeiner Teil I. Gegenstand des Gesetzes 1. Gegenstand des Gesetzentwurfs ist die Abgeltung von Reparations- und Restitutionsschäden sowie von Rückerstattungsschäden. Der Erlaß eines solchen Gesetzes ist durch § 3 des Allgemeinen Kriegsfolgengesetzes (AKG) vom 5. November 1957 (BGBl. I S. 1747) vorbehalten. a) Bei den Reparations- und Restitutionsschäden handelt es sich um Verluste durch Entziehung von Vermögenswerten zum Zwecke der Reparationen, die privaten Personen oder privaten Unternehmungen entstanden sind - durch Demontage im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland und West-Berlin, - durch Ablieferung von Schiffen und Hafeneinrichtungen, - durch Wegnahme von Holz aus Gemeinde- und Privatwaldungen, 5348 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 116. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 20. Februar 1964 — durch Einziehung von deutschem Auslandsvermögen — und schließlich um solche Verluste, die gutgläubigen Erwerbern entstanden sind aus der Rückgewähr (Restitution) von Gegenständen, die während des Krieges in den von deutschen Truppen besetzten Gebieten nach Deutschland verbracht worden waren. b) Unter Rückerstattungsschäden im Sinne dieses Gesetzentwurfs sind solche Schäden zu verstehen, die auf Grund der Rückerstattungsgesetzgebung eingetreten und gutgläubigen oder loyalen Erwerbern aus der Rückerstattung von ehemals meist jüdischem Eigentum erwachsen sind. 2. Der vorliegende Gesetzentwurf stellt eine Weiterentwicklung des Initiativgesetzentwurfs der Abgeordneten Dr. Weber und Genossen vom 12. 7. 1961 (Bundestagsdrucksache III/2964) dar, der seinerzeit nicht mehr beraten werden konnte. Er beruht ebenso wie der damalige Entwurf auf der Erwägung, daß die Bundesrepublik sich in Art. 5 des VI. Teils des Vertrages zur Regelung aus Krieg und Besatzung entstandener Fragen — Überleitungsvertrag — (BGBl. 1955, II. S. 438) verpflichtet hat, „dafür Vorsorge zu treffen, daß die früheren Eigentümer" der zu Reparationszwecken weggenommenen Vermögen „entschädigt werden". Die in dieser Bestimmung erwähnte Entschädigungsregelung, die außerdem durch § 3 AKG vorgesehen ist, ist bislang, nahezu 9 Jahre nach Inkrafttreten des Überleitungsvertrages, noch nicht getroffen worden. Sie erscheint deshalb vordringlich, vor allem im Hinblick auf die Tatsache, daß Ende 1962 ein USA- Gesetz die Rückgabe des beschlagnahmten deutschen Privateigentums endgültig zunichte gemacht hat. Den Anspruch der gutgläubigen oder loyalen Rückerstattungsverpflichteten auf Entschädigung hatte der Deutsche Bundestag bereits in seiner einstimmigen Entschließung vom 11. September 1952 (Bundestagsdrucksache I, 3583 unter II) anerkannt und die Bundesregierung ersucht, alsbald einen Gesetzentwurf vorzulegen. 3. Die Bundesregierung hat — im August 1963 — dem Deutschen Bundestag den Entwurf eines Gesetzes zur Abgeltung von Reparations-, Restitutions-, Zerstörungs- und Rückerstattungsschäden (Bundestagsdrucksache IV/1456) vorgelegt. Dieser im Bundesfinanzministerium ausgearbeitete Entwurf wird jedoch den im Überleitungsvertrag übernommenen Verpflichtungen nicht gerecht, weil er für juristische Personen überhaupt keine Entschädigung und für die übrigen Betroffenen lediglich eine Abgeltung nach Lastenausgleichsgrundsätzen vorsieht. Der dem Regierungsentwurf zugrunde liegende Begriff des Reparationsschadens ist im übrigen mit der gesetzlichen Begriffsbestimmung in § 3 AKG vom 5. November 1957 nicht in Einklang zu bringen. 4. Im Gegensatz zum Regierungsentwurf sind die Antragsteller in Übereinstimmung mit früheren Erklärungen der Bundesregierung und mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes der Auffassung, daß den von Reparations, Restitutions- und Rückerstattungsmaßnahmen Betroffenen ein Rechts anspruch auf Entschädigung zusteht. Der anliegende Gesetzentwurf trägt diesem Anspruch Rechnung, berücksichtigt aber zugleich die sich aus dem völligen Zusammenbruch ergebenden begrenzten wirtschaftlichen Möglichkeiten. II. Entstehungsgeschichte und Umfang der Schäden 5. Reparationsschäden (Demontageschäden und Wegnahme des deutschen Auslandsvermögens), Restitutionsschäden und Rückerstattungsschäden. Der Begriff der Reparationen wurde erstmals im Zusammenhang mit der Wiedergutmachungspflicht des deutschen Reiches nach dem ersten Weltkrieg verwendet. Der Begriff der Restitutionen und Rückerstattungen ist erst nach dem zweiten Weltkrieg entstanden. Die Reparationspflicht beinhaltet die Pflicht des besiegten Staat es zur Wiedergutmachung eines durch Unrechtshandlung begangenen Schadens. Der Gedanke einer solchen Schadensersatzpflicht — d. h. die Verrechtlichung der Entschädigungsforderung — war die Folgerung aus dem Verbot des Angriffskrieges (Féaux, AKG-Kommentar § 3, Anm. 14 a). Im Versailler Vertrag mußte sich das Deutsche Reich zu hohen jährlichen Devisenzahlungen, zur Ablieferung der Handelsflotte und zu Sachleistungen aus der laufenden Produktion verpflichten. Außerdem erfolgte die Liquidation nahezu des gesamten deutschen Auslandsvermögens. Soweit Leistungen aus der laufenden Produktion vorgesehen waren, kaufte das Reich die notwendigen Wirtschaftsgüter oder enteignete sie gegen angemessene Entschädigung. Für die Ablieferung der deutschen Handelsflotte zahlte das Reich den betroffenen Eigentümern entsprechend dem sogenannten Reedereiabfindungsvertrag vom 23. Februar 1921 eine Summe von insgesamt rund 12 Milliarden Mark. Auch für die Verluste infolge der Liquidation des deutschen Auslandsvermögens sah die Kriegsfolgengesetzgebung des Reiches zunächst eine Entschädigung nach Enteignungsgrundsätzen vor. Infolge des völligen wirtschaftlichen Zusammenbruchs konnte diese Absicht später jedoch nicht verwirklicht werden. An die Stelle der zunächst vorgesehenen Enteignungsentschädigung trat deshalb später eine nach der Höhe des Schadens gestaffelte und im Ergebnis sehr viel niedrigere Schadensabgeltung. Die rechtliche Handhabe für diese Regelung bot Art. 153 der Weimarer Reichsverfassung. Die gesamten Reparationsleistungen des Reiches beliefen sich auf rund 67 Milliarden Goldmark. Der infolge dieser Verpflichtungen eingetretene Verfall der deutschen Währung und der deutschen Wirtschaft machten schließlich umfangreiche Stützungsaktionen der ehemaligen Feindmächte, insbesondere der USA erforderlich. Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 116. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 20. Februar 1964 5349 6. Reparationsmaßnahmen nach dem zweiten Weltkrieg. Mit Rücksicht auf die nach dem ersten Weltkrieg mit der damaligen Reparationsregelung gemachten schlechten Erfahrungen sahen die Alliierten nach dem zweiten Weltkrieg davon ab, Reparationen in Form von Devisenzahlungen und Leistungen aus der laufenden Produktion zu fordern. Statt dessen sah bereits .das Potsdamer Abkommen vom 2. August 1945 Reparationen durch die Leistung von Kapital gütern (Demontagen, Schiffe) und durch .die Liquidation des deutschen Auslandsvermögens vor (Féaux de la Croix, DOV 1962 S. 590). In Ausführung des Potsdamer Abkommens haben die Alliierten in den folgenden Jahren — und zwar im Westen bis in das Jahr 1952 — die Demontage zahlreicher Betriebe durchgeführt und die deutsche Handelsflotte bis auf wenige Ausnahmen weggenommen (vgl. hierzu Art. 1 des VI. Teils des Überleitungsvertrages). In der überwiegenden Zahl der Fälle haben die Alliierten bei der Durchführung der Demontage den früheren Eigentümern eine Empfangsbestätigung mit dem Stempelaufdruck „Reparation Account; Payment deferred" (Reparationskonto; Zahlung aufgeschoben) ausgehändigt. Dagegen sind den früheren Inhabern .ausländischer Vermögenswerte, mit einigen seltenen Ausnahmen, Empfangsbestätigungen durch die enteignenden ausländischen Behörden nicht ausgestellt worden. 7. Das Charakteristische bei den Reparationsleistungen besteht darin, daß die inländischen Demontagemaßnahmen ebenso wie die Enteignung des deutschen Auslandsvermögens zugunsten des Deutschen Staates erfolgt sind zwecks Abtragung der ihm obliegenden politischen Reparationsschuld; oder, um es mit anderen Worten zu sagen, Reparationen werden nicht von dem einzelnen Privaten oder von dem einzelnen privaten Unternehmen ge-schuldet, sondern Schuldner der Reparationen ist immer der Staat. Infolgedessen hat die Aufbringung von Reparationen durch Private die der Bundesrepublik obliegende Reparationslast getilgt. Insoweit ist daher die Bundesrepublik ungerechtfertigt bereichert und infolgedessen verpflichtet, den geschädigten Eigentümern die von diesen geleisteten Opfer zu ersetzen. 8. Der Umfang der infolge der Demontagen, Schiffsablieferungen und Restitutionen eingetretenen Schäden ergibt sich aus der von der Bundesregierung im Zusammenhang mit .den Ländern aufgestellten sogenannten Reparationskartei. Sie betragen ca. 2,9 Milliarden DM. Hinzu kommen Demontagen in West-Berlin im Werte von etwa 1 Milliarde DM. Die Höhe .der ausländischen Vermögenswerte, die die Reparationsbetroffenen erlitten haben, wird auf ca. 8 Milliarden DM geschätzt. Zu einem annähernd ähnlichen Ergebnis gelangen offenbar auch die im Auftrage der Bundesregierung angestellten Ermittlungen. 8. a) Der Umfang der Rückerstattungsschäden wird auf rund 1 Milliarde DM geschätzt. III. Stellungnahme der Alliierten zur Reparations-frage 9. Im Gegensatz zu der dem Regierungsentwurf eines Reparationsschädengesetzes zugrunde liegenden Annahme (TZ 2), sind die Alliierten von Anfang an davon ausgegangen, daß die von den Reparationsmaßnahmen betroffenen früheren deutschen Eigentümer eine angemessene Entschädigung erhalten müssen. Der US-Oberbefehlshaber in Deutschland wurde bereits im Jahre 1947 angewiesen, „beim Kontrollrat die Anerkennung des Grundsatzes durchzusetzen, .daß Entschädigung für Eigentum gezahlt wird, das für Reparationen beschlagnahmt oder auf Grund des Abkommens über die wirtschaftliche Abrüstung zerstört wurde. Solche Entschädigungen sollen 'zu Lasten der gesamten deutschen Wirtschaft gehen" (vgl. Seidl-Hohenveldern/ Ipsen „Entschädigungspflicht der Bundesrepublik für reparationsbezogenes Auslandsvermögen" S. 100). Ähnlich haben sich auch die britischen Behörden im Jahre 1949 geäußert (vgl. .Städter „Deutsche Vermögenswerte im neutralen Ausland", S. 25). Der Anspruch der Reparationsbetroffenen auf eine angemessene Entschädigung wurde erneut in § 29 des von den Alliierten erlassenen Umstellungsgesetzes vom 27. Juni 1948 bestätigt (Amerikanisches .und Britisches Kontrollgebiet: Gesetz Nr. 63; Französisches Kontrollgebiet: Verordnung Nr. 160). Die Bestimmung der Höhe der für Reparationsschäden .zu gewährenden Entschädigung wurde in dieser Vorschrift zwar dem deutschen Gesetzgeber übertragen; aus dem Wortlaut der Vorschrift ergibt sich, jedoch zweifelsfrei, daß die Alliierten eine Entschädigung nach Lastenausgleichsgrundsätzen nicht für .angemessen gehalten haben. Besonders deutlich wird dies im englischen Text im § 29 des Umstellungsgesetzes, der klar zwischen Lastenausgleich (equalization of burdens) und Entschädigung für Reparationsverluste (compensation for losses) unterscheidet. Dementsprechend haben die Alliierten der Bundesrepublik in Art. 5 des VI. Teils des Überleitungsvertrages (BGBl. 1955, Teil II, S. 301 ff.) die Verpflichtung auferlegt, dafür Vorsorge zu treffen, daß .die früheren Eigentümer entschädigt werden. Der in diesem Zusammenhang in der Begründung des Regierungsentwurfs (TZ 2) gebrachte Hinweis auf den niemals veröffentlichten sogenannten Homburger Plan ist schon deshalb abwegig, weil dieser Plan bereits seinerzeit von den Alliierten verworfen worden ist. IV. Stellungnahme deutscher Stellen zur Reparationsfrage 10. Auch auf deutscher Seite ist nirgends zunächst bezweifelt worden, daß die Reparationsverluste nach Enteignungsgrundsätzen und nicht nach den für den Lastenausgleich geltenden Vorschriften 5350 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 116. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 20. Februar 1964 entschädigt werden müssen. Das Bundesfinanzministerium hatte sich bereits im Jahre 1949 in dem Bericht „Der endgültige Lastenausgleich" Textziffer 113, wie folgt geäußert: „Zur Erörterung steht ferner die Frage eines Ausgleichs der Schäden aus Reparationsentnahmen, insbesondere der Verluste aus Demontagen und Restitutionen. Wer den Grundgedanken des Lastenausgleichs in seiner sozialen Zielsetzung sieht, wird von vornherein einer Berücksichtigung dieser Verluste, außerhalb des Lastenausgleichs zuneigen. Vom Standpunkt eines reinen Vermögensausgleichs dürften dagegen überwiegend Gründe für eine Berücksichtigung innerhalb des Lastenausgleichs sprechen. Es ist jedoch zu beachten, daß rechtlich die Lage bei derartigen Verlusten eine völlig verschiedene ist gegenüber der bei Verlusten, die etwa Flüchtlinge und Kriegssachgeschädigte erlitten haben. Demontagen sind eine neue Form von Reparationen, die nach allgemeinen Grundsätzen der unterlegene Staat selbst zu tragen hat." In Übereinstimmung mit diesen Grundsätzen hat auch die deutsche Verhandlungsdelegation bei den Verhandlungen über den Überleitungsvertrag ebenso wie die Alliierten selbst stets die Auffassung vertreten, daß die Bundesrepublik zur Entschädigung der Reparationsverluste nach Enteignungsgrundsätzen verpflichtet sei (vgl. den Bericht des Leiters der deutschen Delegation, Professor Dr. Erich Kaufmann, im Bulletin ,der Bundesregierung vom 19. September 1952 sowie im Archiv des öffentlichen Rechts, März 1963, Bd. 88 S. 24). 11. Welche Bedeutung besonders die Bundesregierung seinerzeit der in Art. 5 des VI. Teils des Überleitungsvertrages übernommenen Verpflichtung zur Entschädigung der früheren Eigentümer beigemessen hat, ergibt sich aus ihren im sogenannten Gutachterverfahren vor dem Bundesverfassungsgericht abgegebenen schriftsätzlichen Erklärungen. Zu diesem Gutachterverfahren ist es seinerzeit gekommen, weil in den Jahren 1952 und 1953 die Verträge zur Ablösung des Besatzungsregimes von der SPD-Fraktion und einzelnen Bundesländern vor dem Bundesverfassungsgericht mit dem Hinweis bekämpft wurden, die Verträge bzw. das Ratifikationsgesetz zu ihnen seien wegen Verstoßes gegen die Eigentumsgarantie des Art. 14 des Grundgesetzes verfassungswidrig. Begründet wurde der damalige Angriff der Opposition und einzelner Bundesländer damit, daß weder im Vertrag noch im Ratifikationsgesetz eine angemessene Entschädigung der früheren Eigentümer der zu Reparationszwecken entzogenen Vermögensgegenstände vorgesehen ist (Schriftsatz vom 8 10. 52 in „Der Kampf um den Wehrbeitrag" Bd. II S. 241 ff.) Die Bundesregierung trat diesem Angriff vor dem Bundesverfassungsgericht mit folgenden Äußerungen in ihrem Schriftsatz vom 31. 10. 52 entgegen („Der Kampf um den Wehrbeitrag", Bd. II S. 701 ff. und Bd. III S. 296) : Bei den Maßnahmen gegen das deutsche Auslandseigentum handelt es sich um unrechtmäßige Eingriffe fremder Staaten in die Vermögenssphäre einer bestimmten Gruppe deutscher Staatsangehöriger. Wie in dem Beschluß des Großen Senats für Zivilsachen des Bundesgerichtshofes vom 9./10. Oktober 1952 (Juristenzeitung 1952, S. 626 ff.) entschieden worden ist, muß bei unrechtmäßigen Eingriffen, die nach ihrem Inhalt und nach ihrer Wirkung eine Enteignung darstellen und in ihrer tatsächlichen Wirkung den Betroffenen ein besonderes Opfer auferlegen, auf Grund des Gleichheitgedankens, der einen Ausgleich für besondere Opfer gebietet, eine Entschädigung gewährt und deren Art und Umfang unter entprechender Anwendung dieses Grundsatzes zugunsten der durch die Maßnahmen nach Art. 2 und 3 des Sechsten Teils Betroffenen ist es von entscheidender Bedeutung, daß eine Verrechnung der Liquidationserlöse auf die Reparationsschuld der Bundesrepublik stattfindet. Mit Rücksicht auf diesen Zusammenhang entspricht es dem erwähnten allgemeinen rechtsstaatlichen Grundsatz, für den Artikel 14 Abs. 3 nur eine positiv-rechtliche Ausdrucksform ist, daß die Bundesrepublik den Betroffenen eine Entschädigung gewährt. Die Entschädigung ist unter gerechter Abwägung der Interessen der Allgemeinheit und der Beteiligten zu bemessen. Bei dieser Abwägung wird die Leistungsfähigkeit der Bundesrepublik unter Berücksichtigung des in Art. 20 GG ausgesprochenen Bekenntnisses zum sozialen Staat ein wesentlicher Faktor sein. Dem ist durch die Vereinbarung der Bestimmung des Art. 5 Genüge geschehen. Erst durch die in dem Sechsten Teil des Kontrollratsgesetzes Nr. 5 (Art. 2 des Sechsten Teils) ist Raum für diese Entschädigungspflicht geschaffen worden. Die Bundesregierung hat diese Auffassung im Schriftsatz vom 14. 8. 53 bestätigt. Dort heißt es: Die Enteignung des deutschen Auslandsvermögens erfolgt zugunsten Deutschlands zwecks Abtragung der ihm obliegenden politischen Reparationsschuld. Daher ist die Bundesrepublik verpflichtet, die liquidierten Eigentümer gemäß den Bestimmungen ihres Grundgesetzes zu entschädigen. Um diese Entschädigungspflicht zu begründen, bedarf es keiner besonderen vertraglichen oder gesetzlichen Grundlage; sie ergibt sich aus den dem Institut der Enteignung zugrundeliegenden „allgemeinen Rechtsgrundsätzen". 12. Anscheinend will sich die Bundesregierung an ihre Äußerungen aus den Jahren 1952 und 1953 nicht mehr halten. Im offenen Gegensatz zu ihren früheren Erklärungen sieht sie nunmehr eine gesetzliche Regelung der Reparationsschäden im Wege des Lastenausgleichs „nicht nur politisch für zwingend, sondern auch rechtlich für zulässig, ja sogar für geboten" an, und meint, daß es von vornherein nahegelegen habe, die Regelung zum Ausgleich der Reparationsverluste in Anlehnung an diejenigen Grundsätze zu treffen, die das Lastenausgleichs- Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 116. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 20. Februar 1964 5351 Besetz beherrschen (TZ 11 und 12 — Bundestagsdrucksache IV/1456). Eine solche Meinungsänderung muß schon aus allgemeinen Erwägungen schwerste Bedenken auslösen. Im einzelnen ist u. a. auf folgendes hinzuweisen. Die Bundesregierung behauptet in der Begründung des Regierungsentwurfs (vgl. TZ 2 und 11), daß „zunächst die Absicht bestanden" habe bzw. daß es „von vornherein nahegelegen" habe, die Schäden der zu Reparationsleistungen zugunsten Deutschlands in Anspruch genommenen Bürger im Rahmen des Lastenausgleiches zu regeln. Das Gegenteil ist zutreffend. Das ergibt sich aus dem bereits erwähnten Bericht des Bundesministeriums der Finanzen aus dem Jahre 1949 (TZ 10), wo es weiter heißt: Der Einzelzugriff des Siegers auf Privat- vermögen von Angehörigen des besiegten Landes ist vom Standpunkt des Völkerrechts mindestens ungewöhnlich. Soweit ausnahmsweise nach dem ersten Weltkrieg einzelne Werke von den Alliierten zu Zwangslieferungen verpflichtet wurden (z. B. im Rahmen der sog. Micum-Verträge), erfolgte nachträglich eine Entschädigung durch das Reich in Anlehnung an den Grundgedanken der §§ 74 und 75 der Einleitung zum Preußischen Allgemeinen Landrecht. Dies spricht grundsätzlich gegen eine Regelung der Schäden aus Reparationsentnahmen im allgemeinen Lastenausgleich. Dieselbe Meinung muß der Äußerung des seinerzeit zuständigen Abteilungsleiters des Bundesfinanzministeriums vor dem Bundestagsausschuß für Finanz- und Steuerfragen am 29. 10. 1952 entnommen werden, in der auf die Anfrage eines Abgeordneten mitgeteilt ist, daß ein „reiner Rechtsanspruch" auf Reparationsentschädigung dann gegeben ist, wenn für Leistungen zu Reparationszwecken eine Anrechnung auf Reparationskonto erfolgt ist. In der Regierungsbegründung wird ferner vorgetragen, daß mangels vertraglicher Vereinbarungen über eine Reparationsschuld der Bundesrepublik nicht davon gesprochen werden könne, daß Deutschland durch die Reparationsentnahmen der Alliierten von Reparationsverbindlichkeiten befreit und daher durch die entsprechenden Leistungen seiner Staatsbürger begünstigt oder gar zu ihren Lasten ungerechtfertigt bereichert sei (TZ 17 a Abs. 4). Eine solche Feststellung steht in eindeutigem Widerspruch zu Erklärungen der Bundesregierung in der Begründung zum Vertrag über die Beziehungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Drei Mächten (Deutscher Bundestag, Erste Wahlperiode, Anlage 4 zur Drucksache 3500, S. 56). Dort ist ausgeführt, daß nach dem Verlust der deutschen Auslandswerte zu Reparationszwecken und dem Verzicht der Alliierten auf Leistungen aus der laufenden Produktion „das Reparationsproblem des Zweiten Weltkrieges, das nach dem Ersten Weltkrieg bis 1932 die politischen und wirtschaftlichen Beziehungen aller Staaten belastete, als praktisch erledigt anzusehen sein dürfte". Unter Hinweis auf die Regelung der deutschen Auslandsschulden durch das Londoner Schuldenabkommen und die Übernahme des Wehrbeitrages, fährt die Bundesregierung an derselben Stelle damit fort, daß nun „kein Raum mehr" sei „für Reparationen für die Zeit des Krieges". Mit der Wiedergabe und Würdigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung verfährt die Bundesregierung in der Begründung ihres Gesetzentwurfs gleichfalls in einer Weise, die nur schwer zu begreifen ist. Wenn etwa behauptet wird (TZ 17 a Abs. 2 Regierungsbegründung), „in obergerichtlichen Urteilen" sei „sogar für Requisitionen, bei denen die Besatzungsmächte als Funktionsinhaber der Staatsgewalt des besetzten Gebietes tätig werden, wiederholt ausgesprochen, daß es sich hier um Akte handelt, die nicht den deutschen Behörden zugerechnet werden können", so liegt darin ein grobes Mißverstehen der in Requisitionssachen ergangenen Entscheidungen der höchsten deutschen Gerichte. (Bundesgerichtshof in BGHZ 11, 43 ff; 12, 52 ff und in NJW 1954 S. 1321 ff; Bundesverwaltungsgericht in BVBL 1958 S. 1872 und in MDR 1960 S. 954/55). Mit dieser unzutreffenden Wiedergabe der Rechtsprechung wird ein entscheidender Gesichtspunkt der Unterscheidungen zwischen Requisitionen und Reparationsentnahmen verwischt. In der Regierungsbegründung wird wiederholt die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 14. November 1962 (NJW 1963 S. 32) zitiert. Dabei wird übersehen, daß sich diese Entscheidung lediglich auf Sachverhalte bezieht, in denen bereits vor Kriegsende Ansprüche gegen das Deutsche Reich entstanden waren. Das Bundesverfassungsgericht stellt dementsprechend auch eindeutig fest, daß nach dem Zusammenbruch entstandene Ansprüche nach anderen Gesichtspunkten geregelt werden müssen. Um solche Ansprüche aber handelt es sich gerade bei denjenigen, die von den zu Reparationsleistungen in Anspruch genommenen Personen heute geltend gemacht werden. 13. Vor allem aber ist folgendes schon zu §§ 1 und 2 des Regierungsentwurfs zu sagen. Der Entwurf der Bundesregierung soll ebenso wie der vorliegende Gesetzentwurf der Ausfüllung des Vorbehalts in § 3 AKG dienen, d. h. die „Reparations"- schäden regeln. Der Begriff Reparationsschaden ist ein ganz bestimmter, eng umrissener Begriff. Er ist in § 3 AKG klar formuliert, insbesondere nach der Richtung, daß es sich dabei um eine Vermögensentziehung „zum Zwecke der Reparation oder Restitution" handelt. Der Regierungsentwurf läßt nun einfach die Worte „zum Zwecke der Reparation" weg und glaubt, im Hinblick „auf den Zweck des Gesetzes" einen besonders „weitgefaßten" Begriff des Reparationsschadens prägen zu müssen. Diese Ausweitung des Reparationsschadensbegriffs über den Rahmen des § 3 AKG hinaus widerspricht dem Gesetzesvorbehalt in § 3 AKG. Sie führt zu einer Verwässerung des Reparationsschadenbegriffs, wie die Begründung des Regierungsentwurfs selbst zeigt. Der Begriff des Regierungsentwurfs erfaßt nämlich mit dem Wort Reparationsschaden sämtliche bereits 5352 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 116. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 20. Februar 1964 im LAG geregelten Vertreibungsschäden, er umschließt ferner z. B. die Zerstörungsschäden sowie die Gelegenheits-, Folge- und mittelbaren Schäden und Umsiedlerschäden — so daß der Regierungsentwurf schließlich in TZ 29 selbst bekennen muß, daß die im spanischen Bürgerkrieg von 1936 bis 1939 eingetretenen Schäden nicht unter den Reparations-begriff fallen! Diese Vermengung des Begriffs Reparationsschaden, eines Schadens also, der durch gezielte Maßnahmen der Besatzungsmächte nach Kriegsende entstanden ist, mit anderen allgemeinen und zufälligen Kriegs- und Kriegsfolgeschäden ist dem Regierungsentwurf deshalb möglich, weil er das in § 3 AKG erwähnte Begriffsmerkmal „zum Zwecke der Reparation" gänzlich fallen läßt. Auf diese Weise werden alle bestehenden rechtlichen Unterschiede verwischt und der Gesetzesvorbehalt des § 3 AKG in unzulässiger Weise ausgeweitet. Auf keinen Fall ist daher die Behauptung des Regierungsentwurfs, daß der erweiterte Begriff des Reparationsschadens sich bereits eingebürgert habe (TZ 28), zutreffend. 14. Was insbesondere die Vermischung des Begriffs der Reparationsschäden mit dem Begriff der Ost-Vertreibungsschäden anlangt, so darf auf die in rechtlicher wie in tatsächlicher Beziehung klaren Unterschiede hingewiesen werden. Reparationsschäden sind durch staatliche Hoheitsakte verursachte und gezielte Vermögensentziehung. Die Aufbringung von Reparationen durch Private tilgte die der Bundesrepublik obliegende Reparationslast. Vertreibungsschäden sind zwar auch gezielte Maßnahmen, aber sie haben im Gegensatz zu den Reparationsleistungen Privater keine Minderung der Reparationslast für die Bundesrepublik Deutschland gebracht. Weder durch die Vertreibungsschäden noch übrigens auch durch andere Kriegsfolgeschäden z. B. Zerstörungen, ist — im Gegensatz zu den Reparationsleistungen — eine Schuld der Bundesrepublik Deutschland bezahlt worden. Grundlage der Reparationsmaßnahmen der Siegermächte war das Potsdamer Abkommen vom 2. 8. 1945. Es regelt die Reparationsfrage im Abschitt V, während die Gebietsabtrennungen an die Sowjetunion und Polen und die Vertreibung der deutschen Bevölkerungsteile aus Osteuropa in den Abschnitten VI, IX und XIII behandelt sind. Die Gebietsabtrennung wurde nicht als Reparation angesehen und daher auch nicht in den Abschnitt V des Abkommens aufgenommen. Die Vertreibung deutscher Bevölkerungsteile aus Osteuropa und den unter fremde Verwaltung gestellten Gebieten, einschließlich der Konfiskation des gesamten Eigentums dieser Bevölkerungsgruppen, entsprang ebenfalls einer von den Reparationen völlig verschiedenen Motivationskette. Sie ist von der Beschlagnahme und Liquidation deutscher Auslandsvermögen zu Reparationszwecken im Sinne des Potsdamer Abkommens und der dieses Abkommen ausführenden Maßnahmen, z. B. des Kontrollratsgesetzes Nr. 5, scharf zu unterscheiden. Die primären Maßnahmen der Ausbürgerung und Vertreibung und die Komplementärmaßnahmen der Konfiskation des Vermögens sind Ausdruck einer totalitären, nationalen Staatspolitik gewesen. Die Motivation der verschiedenen Maßnahmen und die formelle Trennung im Potsdamer Abkommen zeigen: a) Die Reparationsmaßnahmen und die Vertreibungsmaßnahmen wurden von den Siegermächten als völlig verschiedene Dinge angesehen. b) Die Alliierten verstanden unter den für Reparationsleistungen verfügbaren deutschen Vermögenswerte nur die nach Abzug der Vermögen in den abgetrennten deutschen Staatsgebieten und nach Abzug des Vermögens der vertriebenen deutschen Bevölkerungsteile verbleibende „Potsdamer Masse". Auf diese Masse bezogen sich die Reparationsforderungen der Siegermächte. c) Die alliierten Reparationsmaßnahmen richteten sich nur auf Enteignung von Kapitalgütern, Schiffen und deutschen Auslandsvermögen, die dieser Masse zuzurechnen sind. Die weiteren Maßnahmen im Zuge der Reparationspolitik liegen auf der Linie dieser Zweiteilung und beweisen den unterschiedlichen rechtlichen Charakter. Die — nur wenige Wochen arbeitende — interalliierte Reparationskommission, das Kontrollratsgesetz Nr. 5 und das Pariser Reparationsabkommen vom Januar/Juni 1946 haben die Gebietsabtretung, die Vertreibung und die mit ihr verbundene Konfiskation des Eigentums der Vertriebenen ebensowenig als Wiedergutmachungsleistungen Deutschlands betrachtet und bewertet wie die Außenministerkonferenz von Paris und Moskau 1946 und 1947. Als Reparationsquelle wurde stets nur die „Potsdamer Masse" angesehen. Auch das AHK-Gesetz Nr. 63, das die Reparationsmaßnahmen der westlichen Alliierten versteinerte und durch den Überleitungsvertrag „festgeschrieben" worden ist, geht von den Begriffen des Potsdamer Abkommens aus. Der mittelbare auf das Gesetz Nr. 63 Bezug nehmende, im Titel „Reparation" stehende Art. 5 des VI. Teils des Überleitungsvertrages, mit dem die Bundesrepublik sich gegenüber den Westalliierten zur Entschädigung der früheren Eigentümer der zu Reparationsleistungen herangezogenen Vermögenswerte verpflichtete, hat daher nur die Reparationen aus Kapitalgütern, Schiffen und deutschen Auslandsvermögen, nicht aber die Vertreibungsschäden im Auge. Diese rechtliche Trennung zeigt sich auch an der verschiedenen Stellung des Lastenausgleichs für Vertriebene und der Entschädigung der Reparationsbetroffenen. Bereits das Kontrollratsgesetz Nr. 5 geht vom Grundsatz der Entschädigung für Reparationsleistungen aus, schiebt aber die nähere Regelung noch auf. Die in der Präambel des Währungsgesetzes dem deutschen Gesetzgeber übertragene Regelung des Lastenausgleichs bezog sich nur auf die Regelung der Vertreibungs- und Kriegsschäden. Es besteht „kein Zweifel, daß auch den Besatzungsmächten dabei n u r die Problematik der Vertreibungs- und der Kriegssachschäden" (Féaux de la Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 116. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 20. Februar 1964 5353 Croix „Die öffentliche Verwaltung" 62, S. 589 Nr. 8) und nicht die Reparationsverluste vor Augen standen. Die dann im § 29 des Umstellungsgesetzes auch legislativ zum Ausdruck gebrachte Unterscheidung zwischen dem Lastenausgleich und dem Reparationskomplex liegt auch dem Überleitungsvertrag im VI. und X. Teil — Art. 3 und 6 — zugrunde. Die im Kontrollratsgesetz Nr. 5 aufgeschobene Regelung wurde durch § 29 des Umstellungsgesetzes und Art. 5 des Sechsten Teils dahin getroffen, daß die Reparationsbetroffenen nicht einen Ausgleich der Lasten, sondern eine Entschädigung erhalten sollten. Diese verschiedene Behandlung der Komplexe durch die Alliierten und die Anerkennung der Verschiedenheit durch die Bundesrepublik im Überleitungsvertrag schließt eine Gleichsetzung dieser Verluste, sei es unter einem verwässerten Begriff der Reparation, sei es unter dem Vulgärbegriff des Kriegsfolgenschadens, aus. Infolgedessen muß man — auch bei voller Berücksichtigung des harten, durch den Verlust der Heimat noch erschwerten Schicksales der Vertriebenen — der bitteren Tatsache ins Auge sehen, daß Deutschland durch diese Vermögenskonfiskation von seiner Reparationsschuld nicht befreit worden ist, sondern die Befreiung nur durch die Eigentümer der zu Reparationszwecken beschlagnahmten Vermögenswerte erlangt hat. 15. Eine ganz besondere Verwirrung des Begriffs „Reparationsschaden" stellt es dar, wenn der Regierungsentwurf in § 2 Abs. 2 als Reparationsschaden auch solche Schadensvorgänge bezeichnet, bei denen ein Reparationscharakter keinesfalls angenommen werden kann. Das ist z. B. der Fall bei den sogenannten Zwangsexporten von Schrott. Wenn also, wie es damals vorkam, Schrott zwangsweise exportiert worden ist, die Alliierten das Exportgut zu Weltmarktpreisen bezahlten und die Vergütung nach Abzug der Unkosten an deutsche Staatshaushalte abgeführt haben, so will der Regierungsentwurf dafür nur einen Lastenausgleichssatz gewähren. In Wirklichkeit ist in solchen Fällen eine volle Entschädigung de jure anzuerkennen. 16. Ähnliches ist zu sagen in bezug auf diejenigen Fälle, in denen bereits durch rechtskräftiges Urteil dem Geschädigten Ansprüche zuerkannt sind. Hier sieht § 49 des Regierungsentwurfs vor, daß nur Lastenausgleichsleistungen auch in den Fällen gewährt werden sollen, in denen bereits Entschädigungsansprüche nach Enteignungsgrundsätzen höchstrichterlich und rechtskräftig festgestellt sind. Daß diese Regelung ihrerseits nicht etwa nur eine Klarstellung, sondern eine glatte Enteignung enthält, die den Verfassungsvorschriften des Art. 14 Abs. 3 des Grundgesetzes widerspricht, bedarf nicht näherer Darlegungen. Nicht minder schweren und ähnlichen grundsätzlichen Bedenken begegnen die Vorschriften der §§ 2 Abs. 6, 13 Abs. 1 Ziff. 2 und 59 des Regierungsentwurfs; denn diese Bestimmungen sollen eine Einengung des Begriffs des Besatzungsschadens mit sich bringen, um der gefestigten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts für die Zukunft entgegentreten zu können. Es ist schließlich schwer zu verstehen, wenn in § 14 Abs. 1 Ziffer 11 des Regierungsentwurfs bestimmte Leistungen zur Abwendung der Reparationsentnahme (§ 7 des Regierungsentwurfs) nicht als entschädigungsfähig bezeichnet werden. Die Leistungen zur Abwendung von Reparationsentnahmen sollten nach der Rechtsauffassung der Bundesregierung rechtswidrige Eingriffe der Alliierten in deutsches Volksvermögen verhindern. Es ist nicht einzusehen, warum und wann die Abwendung derartiger Eingriffe als ein „gegen die guten Sitten verstoßender Zweck" anzusehen ist, wie es in § 14 Abs. 1 Nr. 11 des Regierungsenwurfs heißt. 17. Aus den §§ 12 Abs. 1 und 36 Abs. 1 des Regierungsentwurfs geht hervor, daß juristische Personen nicht in den Genuß der im Gesetz vorgesehenen Ausgleichsleistungen kommen sollen. Diese Regelung widerspricht der Bestimmung des Art. 19 Abs. 3 des Grundgesetzes und der Verpflichtung, die von der Bundesrepublik in Art. 5 des VI. Teils des Überleitungsvertrags übernommen worden ist, schon deshalb, weil sie den Betroffenen praktisch den Status „früherer Eigentümer" ab erkennt. Im übrigen beweist die Lage mancher deutscher juristischer Personen, vor allem der klein- und mittelständischen Unternehmen, daß die Behauptung der Regierungsbegründung zum angeblichen Schadensausgleich bei den juristischen Personen (TZ 91 Abs. 3) in der Allgemeinheit, mit der sie vorgetragen wird, nicht zutrifft. Entsprechende Behauptungen für natürliche Personen, die gewerbliche Betriebe unterhalten, könnten ebenfalls aufgestellt werden, was im Hinblick auf Art. 3 des Grundgesetzes erwähnt sei. 18. Bedenklich erscheint auch § 41 des Regierungsentwurfs. Diese Bestimmung soll die Bereinigung von Reichsverbindlichkeiten erleichtern. So verständlich diese Regelung ist, so läßt sie doch fiskalische Interessen zu sehr in den Vordergrund treten. 19. Die Begründung zum Regierungsentwurf ist aber auch in sich teilweise widersprüchlich. So sind z. B. die Auslandsschäden in TZ 188 Regierungsentwurf mit 12,6 Milliarden DM angegeben und in TZ 203 Regierungsentwurf mit 9,4 Milliarden DM. Diese beiden sich widersprechenden Angaben sind trotz der Erläuterungen in TZ 192 und 203 nicht auf einen Nenner zu bringen. 20. In der Rechtswissenschaft ist die Frage, ob den von den Reparationsmaßnahmen der Alliierten Betroffenen ein Rechtsanspruch gegen die Bundesrepublik zusteht, immer wieder ausführlich erörtert worden. Fast ausnahmslos sind alle Untersuchungen zu dem Ergebnis gelangt, daß die Bundesrepublik zur Abgeltung der eingetretenen Verluste in unmittelbarer oder entsprechender Anwendung der verfassungsmäßigen Entschädigungsvorschriften für Enteignungen (Art. 14 des Grundgesetzes verpflichtet ist. Im einzelnen dürfen folgende Abhandlungen angeführt werden: 5354 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 116. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 20. Februar 1964 Jahrreis „Die Rechtspflicht der Bundesrepublik Deutschland zur Entschädigung für Reparations-und Demilitarisierungseingriffe der Kriegsgegner des Reiches in Privatvermögen", Köln 1950; Krüger „Wesen, Grund und Höhe des Reparationsentschädigungsanspruchs", Hamburg 1953; Erler, Direktor des Institutes für Völkerrecht der Universität Göttingen „Das Rechtsproblem der Bundesentschädigung für innerdeutsche Reparationsdemontagen", Göttingen 1958; Seidl-Hohenveldern und Ipsen „Entschädigungspflicht der Bundesrepublik für reparationsentzogenes Auslandsvermögen", Heidelberg 1962; Kaufmann, Rechtsberater der Deutschen Reichsregierung vor 1933 und der Deutschen Bundesregierung seit 1949 „Die Reparationsschäden", Tübingen März 1963 in: Archiv des öffentlichen Rechts, Band 88 S. 24 ff. Die Begründung für die Entschädigungspflicht der Bundesrepublik ist allerdings unterschiedlich. Nach der einen Meinung handelt es sich bei den Reparationseingriffen der allierten Siegermächte um völkerrechtswidrige Maßnahmen, durch die unmittelbar eine Entschädigungspflicht der Bundesrepublik nicht begründet wurde. Die Vertreter dieser Auffassung sehen die Grundlage des Entschädigungsanspruchs in dem in Art. 3 des VI. Teiles des Überleitungsvertrages ausgesprochenen Verzicht der Bundesrepublik auf Einwendungen gegen die von den Alliierten getroffenen Maßnahmen. Infolge dieses Verzichts seien die gegen die Alliierten bestehenden Ersatzansprüche untergegangen. Art. 3 des VI. Teils des Überleitungsvertrages enthalte mithin eine Enteignung, für die die Bundesrepublik Entschädigung zu leisten habe. Professor Dr. Erich Kaufmann vertritt die inzwischen weithin übernommene Meinung, daß die von den Alliierten zur Durchführung dieser Reparationsentnahmen getroffenen Maßnahmen enteignungsgleiche Eingriffe sind, die in stellvertretender Ausübung der deutschen Staatsgewalt vorgenommen wurden. Dabei kann es auf sich beruhen, ob die Reparationsmaßnahmen der Alliierten in rechtmäßiger Ausübung der deutschen Staatsgewalt erfolgt sind oder ob sie unrechtmäßig waren, da in beiden Fällen ein Anspruch gegen die Bundesrepublik begründet ist. 21. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes haben die Besatzungsmächte nach dem Zusammenbruch des deutschen Reiches die Ausübung der deutschen Staatsgewalt selbst übernommen. Dadurch erhielt die „von den Besatzungsmächten ausgeübte Oberste Gewalt einen doppelten Charakter. Dieser beruhte teilweise auf der Ausübung der Rechte, die die kriegerische Besatzung (occupatio bellica) den Besatzungsmächten verlieh. Die deutsche Staatsgewalt konnte dadurch in ihrem Kerngehalt nicht beseitigt werden. Soweit aber die Besatzungsmächte eine weitergehende oberste Regierungsgewalt in Deutschland beansprucht und ausgeübt haben, kann dies rechtlich nur dahin gedeutet werden, daß für den zwar rechtsfähig gebliebenen, aber handlungsunfähig gewordenen deutschen Staat die deutsche Staatsgewalt einstweilen treuhänderisch von den Besatzungsmächten wahrgenommen wurde. Legitimer Inhaber dieser Staatsgewalt blieb aber nach wie vor das deutsche Staatsvolk. Soweit die Besatzungsmächte diese Staatsgewalt ausübten, übten sie daher deutsche Staatsgewalt aus" (Beschluß des Großen Senats für Zivilsachen vom 20. Mai 1954, BGHZ 13, 265 ff., 294). Dementsprechend hat der Bundesgerichtshof in verschiedenen Entscheidungen die Entschädigungspflicht des deutschen Staates für enteignungsgleiche Eingriffe der Besatzungsmächte bejaht, soweit diese Eingriffe in Ausübung deutscher Staatsgewalt erfolgt sind. In diesem Sinne hat der V. Zivilsenat einen Entschädigungsanspruch wegen der Entnahme von Baustoffen aus einem beschädigten Grundstück auf Grund einer Anordnung der britischen Militärregierung gemäß Art. 153 der Weimarer Reichsverfassung anerkannt, weil die „britische Militärregierung . . . damals stellvertretend für die nicht funktionsfähige Zentralgewalt" gehandelt habe (BGHZ 10 S. 255 ff.). Der III. Zivilsenat hat dem Eigentümer eines von der Besatzungsmacht beschlagnahmten Wagens mit der gleichen Begründung einen Entschädigungsanspruch nach Enteigungsgrundsätzen zuerkannt. Die gleichen Grundsätze hat der Bundesgerichtshof in zahlreichen weiteren Entscheidungen vertreten. Es kommt also nach dieser Rechtsprechung darauf an, ob auch die Reparationsentnahmen der Alliierten in Ausübung deutscher Staatsgewalt oder, wie die Bundesregierung annimmt, in rechtswidriger Überschreitung ihrer Besatzungsbefugnisse erfolgt sind. Mit dieser Frage hatte sich der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes in seiner Entscheidung vom 31. Oktober 1962 (Außenwirtschaftsdienst des Betriebsberaters 1963, S. 22) auseinanderzusetzen. Er hat folgendes angeführt: „. . .Hierbei ist von dem Verhalten der Besatzungsmächte in Deutschland auszugehen, die nach dem Zusammenbruch zunächst die Staatsgewalt in Deutschland ausgeübt haben. Aus ihrem Verhalten ist zu entnehmen, daß sie im Bereich ihrer Besatzungszonen ebenfalls grundsätzlich von dem Territorialitätsprinzip ausgegangen sind und daß sie demzufolge Beschlagnahme- und Enteignungsmaßnahmen anderer Mächte im Gebiet ihrer Besatzungszonen nur mit ihrer Zustimmung anerkannt haben. Dabei haben sie zum Zwecke der Reparation und der Restitution in ihrer Besatzungszone gelegene Vermögenswerte auch an andere Staaten und an Angehörige anderer Staaten übertragen. Immer aber haben sie in diesem Zusammenhang die von ihnen in Anspruch genommene Staatsgewalt unmittelbar oder durch beauftragte Dienststellen ausgeübt." Da der Bundesgerichtshof, wie sich aus der oben zitierten Rechtsprechung ergibt, die Entschädigungspflicht der Bundesrepublik für in Ausübung deutscher Staatsgewalt erfolgte Eingriffe der Alliierten stets bejaht hat, kann aus dieser Entscheidung des II. Zivilsenats nur der Schluß gezogen werden, daß den Reparationsgeschädigten nach der Ansicht des Bundesgerichtshofes ein Entschädigungsanspruch Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 116. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 20. Februar 1964 5355 gegen die Bundesrepublik zusteht. Soweit deutsche Dienststellen an Reparationsmaßnahmen der Alliierten mitgewirkt haben, hat der Bundesgerichtshof die Entschädigungspflicht des deutschen Staates bereits in mehreren Entscheidungen anerkannt (vgl. BGH, NJW 59, S. 1037). 22. Auch die SPD-Fraktion hat sich für den Rechtsanspruch der Reparationsgeschädigten ausgesprochen. Sie hat das Zustimmungsgesetz zu den Pariser Verträgen für verfassungswidrig gehalten, weil es keine Entschädigungsregelung für die Reparationsgeschädigten vorsah. „Der Kampf um den Wehrbeitrag", Bd. II S. 241 ff., (Schriftsatz der SPD-Fraktion vom 8. 10. 52 zu XI). V. Rückerstattungsschäden 23. Nach dem Zusammenbruch bestimmte der Alliierte Kontrollrat in seiner Proklamation Nr. 2 vom 10. Oktober 1945, daß die Rückerstattung des jüdischen Vermögens zu erfolgen habe. In Ausführung dieser Proklamation haben die alliierten Militärregierungen durch Gesetze und Verordnungen die Rückerstattungspflicht in einer Weise geregelt, die den neuen Eigentümern früheren jüdischen Vermögens die Rückgabe an die früheren jüdischen Eigentümer auch dann zur Pflicht machte, wenn sie das Eigentum an diesen Vermögenswerten in einer sittlich nicht zu beanstandenden Weise erworben hatten. Insbesondere handelt es sich um jene Fälle, in denen die früheren jüdischen Eigentümer einen gerechten Kaufpreis erhalten hatten oder in denen der Erwerb des jüdischen Vermögens in einer dem früheren jüdischen Eigentümer günstigen Absicht erfolgt war. In allen diesen Fällen haben die Erwerber des jüdischen Vermögens durch die Rückerstattung einen von ihnen selbst nicht zu vertretenden Schaden erlitten, der seinen Grund letztlich in den Verfolgungsmaßnahmen des Staates gegen die jüdischen Bürger hat. Der Bundestag hat deshalb bereits in seiner 229. Sitzung am 11. September 1952 folgende vom Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht beantragte Entschließung angenommen (BT-Drucksache I, 3583 unter II) : Die Bundesregierung wird ersucht, alsbald einen Gesetzentwurf über die Regelung der rückerstattungsrechtlichen Verbindlichkeiten des Deutschen Reiches und zur Behebung der durch die von der Besatzung vorgenommene Regelung der Rückerstattung entstandenen offenkundigen Härten vorzulegen. Dabei werden insbesondere folgende Gesichtspunkte zu beachten sein: A. B. C. Das Gesetz soll auch offenkundige Härten der durch die besatzungsrechtlich angeordneten Rückerstattung mildern und den Rückerstattungspflichtigen einen Ausgleichsanspruch gegen den Bund geben, wenn ... (folgen im einzelnen die Voraussetzungen) D. Unter den gleichen Voraussetzungen kann einen Ausgleich auch verlangen, wer wegen eines Rückgriffsanspruchs auf Grund eines rechtskräftigen Urteils oder eines gerichtlichen Vergleichs einem Nacherwerber Schadensersatz geleistet hat. E. Der Schaden, welcher den sogenannten loyalen Rückerstattern durch die Erfüllung der ihnen durch die Gesetzgebung auferlegten Rückgabeverpflichtung entstanden ist, wird auf rund 1 Milliarde DM geschätzt. VI. Zusammenfassung 24. Reparationsschäden. Es ist schon oben unter Textziffer 19 dieser Begründung ausgeführt worden, daß der Rechtsanspruch der Reparations-, Restitutions- und Rückerstattungsgeschädigten auf verschiedene Art zu begründen ist. Dieser Anspruch ergibt sich entweder aus dem Gesichtspunkt der Geschäftsführung ohne Auftrag oder aus Bereicherungsgesichtspunkten. Es ist durchaus denkbar, daß den Demontagebetroffenen ein Anspruch wegen ungerechtfertigter Bereicherung gegeben ist; denn die Bundesrepublik ist durch die von privater Seite erbrachten Reparationsleistungen von ihrer Verpflichtung zur Zahlung von Reparationen an die Alliierten befreit worden. Unter Berücksichtigung dieser Tatsache hat die Bundesrepublik, ähnlich wie es nach dem Ersten Weltkrieg geregelt war und entsprechend der von ihr übernommenen Verpflichtung im Überleitungsvertrag, die Reparationsgeschädigten insoweit zu entschädigen, als diese die Schuld des Deutschen Staates aus ihren privaten Vermögen bezahlt haben. Auch die These, daß der Bund im Überleitungsvertrag auf das zu Reparations- oder Restitutionszwecken entnommene Vermögen verzichtet habe, erscheint als eine durchaus mögliche Begründung für die den Reparationsgeschädigten zustehenden Rechtsansprüche. Es ist mit dieser Argumentation Art. 3 des Überleitungsvertrages angesprochen. In dieser Bestimmung mußte sich die Bundesrepublik verpflichten, in Zukunft keine Einwendungen mehr gegen die Maßnahmen zu erheben, die gegen das deutsche Inlands- und Auslandsvermögen zum Zwecke der Reparation und Restitution auf Grund des Kriegszustandes oder auf Grund von Abkommen der Alliierten und neutraler Staaten durchgeführt worden sind. Die Bundesrepublik mußte sich ferner verpflichten, den von den Alliierten mit Österreich abzuschließenden Staatsvertrag hinzunehmen. Der Rechtsanspruch ergibt sich eindeutig daraus, daß die von den Alliierten zur Durchführung ihrer Reparationsentnahmen getroffenen Maßnahmen enteignungsgleiche Eingriffe sind, die in stellvertretender Ausübung der deutschen Staatsgewalt vorgenommen wurden. Dabei kann es auf sich beruhen, ob die Reparationsmaßnahmen der Alliierten in rechtmäßiger Ausübung der deutschen Staatsgewalt durchgeführt sind oder ob sie unrechtmäßig waren, wie es Professor Dr. Kaufmann in seinen Ausführungen vom März 1963 dargelegt hat. 25. Rückerstattungsschäden. Die rechtlichen Gesichtspunkte, nach welchen die Bundesrepublik zur 5356 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 116. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 20. Februar 1964 Entschädigung der Rückerstattungsbetroffenen verpflichtet ist, sind in der 229. Sitzung des 1. Deutschen Bundestages, dessen Entschließung teilweise oben im Wortlaut wiedergegeben ist, bereits — wenigstens im wesentlichen — vorgetragen worden, so daß im einzelnen darauf Bezug genommen werden kann. Auch die bereits erwähnten Rückerstattungsgesetze der Alliierten sind in Ausübung deutscher Staatsgewalt erlassen worden. Die rechtlichen Erwägungen, welche zu diesem Ergebnis führen, sind die gleichen wie bei den Reparationsentnahmen, so daß insoweit auf die oben gemachten Ausführungen Bezug genommen werden kann. Wenn die Alliierten seinerzeit die Rückerstattung des den Verfolgten des Naziregimes entzogenen Vermögens nicht selbst geregelt hätten, so hätte sich der deutsche Gesetzgeber der Regelung dieser Materie annehmen müssen. Daß diese Absicht tatsächlich bestanden hat, erweist der in der 229. Sitzung des 1. Deutschen Bundestages von dem Abgeordneten Dr. Arndt (SPD) erwähnte Umstand, daß der süddeutsche Länderrat in Stuttgart bereits ein deutsches Rückerstattungsgesetz beschlossen hatte. Die amerikanische Besatzungsmacht hatte diesem Gesetz seine Zustimmung versagt, weil sie offenbar der Auffassung war, daß die von ihr selbst beabsichtigte Regelung geeigneter und zweckmäßiger sei. Die schließlich durch die alliierte Gesetzgebung bestimmte Rückerstattung stellt für die loyalen Rückerstatter eine Enteignung dar, für die die Bundesrepublik in entsprechender Anwendung von Art. 14 des Grundgesetzes Entschädigung zu leisten hat. Darüber hinaus erscheint die Entschädigung dieser Rückerstattungsgeschädigten aber auch deswegen gerechtfertigt, weil sie ebenso wie die Reparationsgeschädigten durch das von ihnen erbrachte Sonderopfer eine Verbindlichkeit des deutschen Staates getilgt haben, der sich — wie auch die verschiedenen Wiedergutmachungsabkommen beweisen — die Bundesrepublik weder entziehen konnte noch wollte. 26. Keine Auswirkung auf andere gesetzliche Schadensregelungen. Wegen ihres abgegrenzten Rechtstatbestandes kann die Regelung dieses Gesetzentwurfes ebensowenig eine Auswirkung auf andere Schadensregelungen, z. B. auf das Lastenausgleichsgesetz, haben, wie dies bei dem Gesetz über die Abgeltung von Besatzungsschäden, beim Gesetz zum Art. 131, bei der gesetzlichen Regelung der Verbindlichkeiten der Reichsbank, beim Altsparergesetz und anderen Entschädigungsregelungen der Fall gewesen ist. B Besonderer Teil 27. Der Entwurf ist in drei Teile gegliedert. Der erste Teil enthält die Entschädigungsvorschriften und besteht aus den Abschnitten a) allgemeine Vorschriften (§§ 1-17) b) Entschädigung von Reparations- und Restitutionsschäden (§§ 18-25) c) Entschädigung von Rückerstattungsschäden (§§ 26-31). Der zweite Teil enthält die Verfahrensvorschriften (§§ 32-47). Der dritte Teil (§§ 48-51) enthält die Schlußvorschriften. 28. Im ersten Abschnitt des ersten Teils sind vornehmlich die Begriffsbestimmungen enthalten. Mit Rücksicht darauf, daß der Regierungsentwurf eines Reparationsschädengesetzes von zum Teil gänzlich anderen Begriffen ausgeht, ist der diesem Gesetzentwurf zugrunde liegende Reparationsbegriff im folgenden kurz zu erläutern. Unter Reparationsschäden werden im vorliegenden Gesetzentwurf nur solche Schäden verstanden, welche durch Reparationsmaßnahmen der Siegermächte im Sinne des Potsdamer Abkommens verursacht worden sind. Daraus ergibt sich, daß Vertreibungsschäden und Kriegssachschäden keine Reparationsschäden sind. Der Regierungsentwurf, welcher auch die Vertreibungsschäden und eine Reihe von anderen nicht in diesen Zusammenhang gehörenden Schäden in den Reparationsbegriff einbezieht, setzt sich damit in Widerspruch zum bisherigen Sprachgebrauch, zur Rechtswissenschaft und zu allen amtlichen Äußerungen deutscher und alliierter Stellen. Grundlage der Reparationsmaßnahmen der Siegermächte war das Potsdamer Abkommen vom 2. August 1945. Es regelt die Reparationsfrage im Abschnitt V, während die Gebietsabtrennungen an die Sowjetunion und Polen und die Vertreibung der deutschen Bevölkerungsteile aus Osteuropa in den Abschnitten VI, IX und XIII behandelt sind. Als Reparationsquelle wurden nur zwei Wertgruppen genannt — Sachwerte aus dem Gebiet der Besatzungszonen (d. h., ohne das Gebiet östlich der Oder/Neiße) und das deutsche Auslandsvermögen. Die Gebietsabtrennung wurde nicht als Reparation angesehen und daher auch nicht in den Abschnitt V des Abkommens aufgenommen. Die Vertreibung deutscher Bevölkerungsteile aus Osteuropa und den unter fremde Verwaltung gestellten Gebieten, einschließlich der Konfiskation des gesamten Eigentums dieser Bevölkerungsgruppen, entsprang ebenfalls einer von den Reparationen völlig verschiedenen Motivationskette. Sie ist von der Beschlagnahme und Liquidation deutscher Auslandsvermögen zu Reparationszwecken im Sinne des Potsdamer Abkommens und der dieses Abkommen ausführenden Maßnahmen, z. B. des Kontrollratsgesetzes Nr. 5, scharf zu unterscheiden. Die — nur kurze Zeit arbeitende — Interalliierte Reparationskommission, das Kontrollratsgesetz Nr. 5 und das Pariser Reparationsabkommen vom Januar/ Juni 1946 haben die Gebietsabtrennung, die Vertreibung und die mit ihr verbundene Konfiskation des Eigentums der Vertriebenen ebensowenig als Wiedergutmachungsleistungen Deutschlands betrachtet und bewertet wie die Außenministerkonferenzen von Paris und Moskau 1946 und 1947. Als Reparationsquelle wurde stets nur die „Potsdamer Masse" angesehen. Auch das AHK-Gesetz Nr. 63, das die Reparationsmaßnahmen der westlichen Alliierten versteinerte und durch den Überleitungs- Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 116. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 20. Februar 1964 5357 vertrag „festgeschrieben" worden ist, geht von den Begriffen des Potsdamer Abkommens aus. Der mittelbar auf das Gesetz Nr. 63 Bezug nehmende, im Titel „Reparationen" stehende Art. 5 des VI. Teils des Überleitungsvertrages, mit dem die Bundesrepublik sich gegenüber den Westalliierten zur Entschädigung der früheren Eigentümer der zu Reparationsleistungen herangezogenen Vermögenswerte verpflichtete, hat daher nur die Reparationen aus Kapitalgütern, Schiffen und deutschen Auslandsvermögen, nicht aber die Vertreibungsschäden im Auge (vgl. Féaux de la Croix Die öffentliche Verwaltung 62, 589 Nr. 8). Zu einem Abgehen von diesem herrschenden Reparationsbegriff besteht um so weniger Veranlassung, als die Vertreibungsschäden, welche der Regierungsentwurf in den Reparationsbegriff einbezieht, bereits in der Lastenausgleichsgesetzgebung geregelt sind und nach dem Regierungsentwurf ohnehin nicht abgegolten werden, sollen. Die Gleichsetzung von Reparations- und Vertreibungsschäden erscheint aber auch deswegen nicht unbedenklich, weil die Reparationsverluste ihrer Natur nach endgültige Schäden sind, auf deren Ersatz die Bundesrepublik im Überleitungsvertrag ausdrücklich Verzicht geleistet hat. Durch die Gleichsetzung der Vertreibungsschäden mit diesen — endgültigen und unwiderruflichen — Reparationsschäden würde der Gesetzgeber die Auffassung zum Ausdruck bringen, daß auch die Vertreibungsschäden endgültig seien. Der im vorliegenden Gesetzentwurf verwandte Reparationsbegriff erscheint mithin sachgerechter als die weder sachlich noch rechtlich begründete Ausweitung des Reparationsbegriffes im Regierungsentwurf. 29. Im zweiten Abschnitt des ersten Teils wird die Entschädigung der Reparations- und Restitutionsverluste geregelt. Der Gesetzentwurf geht hinsichtlich der Höhe der Schäden von der Reparationskartei der Bundesregierung aus; für solche Schäden, die nicht in dieser Kartei erfaßt sind, sieht er eine Nachbewertung nach den gleichen Richtlinien vor. Die Entschädigung erfolgt sodann gemäß § 22 nach einer Staffel, die für die Schäden bis zu 50 000,— DM eine volle Entschädigung und für die darüber hinausgehenden Schäden je nach ihrer Höhe eine Entschädigung von 50 bis 20 v. H. vorsieht. Das bedeutet, je höher der einzelne Schaden ist, desto niedriger wird die Quote. Dabei ist von der Tatsache ausgegangen, daß die meisten Schäden, nämlich 92 %, kleine und mittlere Schäden sind, d. h. Schäden bis zu 100 000 DM. Meist sind diese Schäden auch den kleineren und mittleren Unternehmen bzw. dem privaten Mittelstand erwachsen. Es handelt sich also insoweit auch um eine echte Mittelstandsangelegenheit. Diese Schäden machen insgesamt einen Betrag von rund 770 Millionen DM aus, eine in Beziehung zu den Gesamtschäden verhältnismäßig kleine Summe. Die vorgesehene Regelung entspricht dem Grundsatz, daß die Entschädigung unter gerechter Abwägung der Interessen der Allgemeinheit und der Beteiligten zu bestimmen ist. Die Rücksicht auf die Interessen der Allgemeinheit erfordert es, wenigstens für die großen Schäden eine geringere Entschädigung zu gewähren, um die zur Abgeltung der Verluste erforderlichen Mittel in einem nach der Haushaltslage vertretbaren Rahmen zu halten. Die unterschiedliche Behandlung durch Degression der Entschädigungssätze ist angesichts der Konkurslage nach dem völligen Zusammenbruch rechtlich möglich und vertretbar. Die Entschädigung soll, abgesehen von kleinen Schäden, deren Abgeltung in bar vorgesehen ist, in Schuldbuchforderungen oder Schuldverschreibungen des Bundes gewährt werden. Die Tilgung der Schuldbuchforderungen soll erst dann beginnen, wenn die Leistungen für die Hauptentschädigung nach dem Lastenausgleichsgesetz auslaufen. Auf diese Weise wird das vorrangige Interesse der Verfolgten und Vertriebenen an einem Ausgleich ihrer Verluste berücksichtigt. 30. Die Entschädigung der Rückerstattungsschäden erfolgt nach den gleichen Grundsätzen wie die Entschädigung der Reparations- und Restitutionsschäden. Für diese Schäden gilt lediglich die Besonderheit, daß ihre Bewertung nach dem Verkehrswert erfolgt. Diese Regelung erwies sich als notwendig, weil eine der Reparationskartei entsprechende Erfassung der Schäden nicht vorliegt und eine Bewertung dieser Schäden nach den für die Reparationskartei maßgebenden Richtlinien wegen ihrer meist anderen Natur nicht möglich erscheint. Anlage 3 Schriftliche Begründung des Abgeordneten Dr. Luda zu dem Entwurf eines Gesetzes zur Änderung der Gewerbeordnung (Drucksache IV/1821). Seit einiger Zeit nimmt die Zahl der Diebstähle von Werken der bildenden Künste aus Kirchen und Kapellen in erschreckendem Maße zu. Von 1958 bis Mai 1963 sind allein in Bayern 551 Kirchen beraubt worden. Zu diesen Fällen zählt beispielsweise der Diebstahl der Madonna von Tilman Riemenschneider aus der Volkacher Wallfahrtskirche. Nur 162 dieser Diebstähle konnten aufgeklärt werden. Es ist jedoch davon auszugehen, daß es sich in etwa 60 % der Fälle uni gewerbliche Diebstähle handelt. Dem deutschen Kulturgut drohen somit unersetzbare Verluste. Offenbar gewähren also die bestehenden Gesetze keinen ausreichenden Schutz. Durch die beantragte Ergänzung der Gewerbeordnung sollen die Landesregierungen in den Stand gesetzt werden, den Kunsthandel in der jeweils erforderlichen Weise zu kontrollieren. Die bloße Kontrollmöglichkeit wird den Kunsthandel sicher zu größerer Vorsicht beim Ankauf veranlassen und mit den Absatzchancen die Zahl der Diebstähle reduzieren. 5358 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 116. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 20. Februar 1964 Anlage 4 Schriftliche Antwort der Frau Bundesminister Dr. ,Schwarzhaupt vom 19. Februar 1964 auf die Mündlichen Anfragen des Abgeordneten Dr. Dittrich (Drucksache IV/1884 Fragen XI/ 1 und XI/2) : Trifft es zu, daß ca. 55 000 Arzneispezialitäten, die am 30. September 1961 im Handel waren, zur Registrierung beim Bundesgesundheitsamt angemeldet sind? Nach § 54 Abs. 1 des Arzneimittelgesetzes sind von den Herstellern beim Bundesgesundheitsamt rund 58 000 Arzneispezialitäten, die am 30. 9. 1961 im Verkehr waren, zur Registrierung angemeldet worden. Ist die Bundesregierung ebenfalls der Meinung, daß nach dem bisherigen Fortgang der Registrierung von Arzneispezialitäten etwa 15 Jahre vergehen werden, bis sämtliche angemeldete 55 000 Arzneispezialitäten registriert werden können? Die Bundesregierung ist nicht dieser Meinung. Das Bundesgesundheitsamt wird diese Arbeit vermutlich in wesentlich kürzerer Zeit durchgeführt haben. In der Zeit vom 1. 10. 1961-30. 1. 1964 sind im Bundesgesundheitsamt 3647 dieser Arzneispezialitäten, die am 30. 9. 1961 im Verkehr waren, registriert worden. In der gleichen Zeit wurden 2560 Arzneispezialitäten registriert, die am 30. 9. 1961 noch nicht im Verkehr waren. Insgesamt sind demnach 6207 Arzneispezialitäten registriert worden. Bis zum 1. Oktober 1963 bestand im Bundesgesundheitsamt lediglich eine Arbeitsgruppe, bestehend aus einem wissenschaftlichen Mitarbeiter und einigen Hilfskräften, die diese Registrierung vornahm. Seit dem 1. Oktober 1963 ist eine zweite Arbeitsgruppe vorhanden. Auch mit diesen Kräften würden allerdings die „alten Arzneispezialitäten" nicht in angemessener Frist registriert werden können, zumal alle organisatorischen Möglichkeiten, mit denen sich das Verfahren beschleunigen läßt, bereits ausgeschöpft sind. Deshalb ist vorgesehen, das zur Zeit vorhandene Personal vorübergehend zu verdoppeln. Der Haushaltsausschuß des Deutschen Bundestages hat im Dezember vorigen Jahres gemäß § 14 HG 1963 die erforderlichen neuen Planstellen bewilligt, mit denen zwei weitere Arbeitsgruppen eingerichtet werden sollen. Sämtliche Stellen sind mit einem kw-Vermerk für 31. Dezember 1967 versehen. Das Einstellungsverfahren ist eingeleitet und zum größten Teil ,abgeschlossen. Schwierigkeiten haben sich lediglich bei der Besetzung der beiden BAT II-Stellen für die Leiter der neuen Arbeitsgruppen ergeben. Unter der Voraussetzung, daß die beiden zusätzlich geschaffenen Arbeitsgruppen in absehbarer Zeit ihre Arbeit aufnehmen können, ist damit zurechnen, daß die „alten Arzneispezialitäten" in 6 bis 7 Jahren registriert sein werden. Daneben werden laufend die neu in den Verkehr zu bringenden Arzneispezialitäten registriert. Anlage 5 Schriftliche Antwort der Frau Bundesminister Dr. Schwarzhaupt vom 19. Februar 1964 auf die Mündlichen Anfragen des Abgeordneten Dr. Pohlenz (Drucksache IV/1884 Fragen XI/6 und XI/7) : Ist der Bundesregierung bekannt, ob nach Inkrafttreten des Verbotes der Verwendung von Hexamin bei der Haltbarmachung von Fischpräserven dieser Konservierungsstoff von Teilen der Fischindustrie noch weiterverwendet wird? Mitteilungen darüber, daß nach dem 31. Dezember 1963 Hexamethylentetramin zur Konservierung von Fischerzeugnissen entgegen den Bestimmungen des Lebensmittelgesetzes noch zugesetzt worden ist, liegen mir nicht vor. Rückfragen bei den obersten Landesbehörden der Küstenländer und des Landes Nordrhein-Westfalen haben ergeben, daß auch dort nichts über einen unzulässigen Zusatz des Konservierungsstoffes bekannt ist. Sind die bei der Begründung der Antragstellung für die Fristverlängerung der Verwendung des Hexamins in der deutschen Fischindustrie angeführten Gefahren in irgendeiner Form sichtbar geworden? Die Fischindustrie befürchtet existenzgefährdende Auswirkungen auf die Herstellerbetriebe von Fisch- und Krabbenerzeugnissen, wenn. Hexamethylentetramin nicht weiterhin verwendet werden darf. Solche Auswirkungen sind der Bundesregierung bisher nicht bekannt geworden. Nach unseren Erfahrungen reicht der Zeitraum von einem Monat für solche Feststellungen auch nicht aus. In Betrieben, die Krabbenerzeugnisse herstellen, könnten sich nachteilige Auswirkungen frühestens im Frühjahr bemerkbar machen, da Krabben in den Wintermonaten nicht angelandet werden. Anlage 6 Schriftliche Antwort des Herrn Bundesministers Höcherl vom 18. Februar 1964 auf die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Wächter (Drucksache IV/1915 Frage VI/3*). Ist es mit dem Gleichheitsgrundsatz zu vereinbaren, wenn in verschiedenen Städten der Bundesrepublik im öffentlichen Dienst Beschäftigte, die unter gleichen Voraussetzungen leben, nach unterschiedlichen Ortsklassen besoldet werden? In § 13 Abs. 3 des Bundesbesoldungsgesetzes ist die Bundesregierung ermächtigt worden, durch Rechtsverordnung Anlagen und Einrichtungen für Sonderzwecke von der Ortsklasse ihrer Gemeinde auszunehmen und einer höheren Ortsklasse zuzuteilen, wenn ihr Verbleiben in der Ortsklasse ihrer Gemeinde eine erhebliche Härte bedeutet oder unabweisbare dienstliche Belange es erfordern. Die Bundesregierung hat von dieser Ermächtigung Gebrauch gemacht, wenn die bezeichneten gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt waren. Da hiernach die Besoldung nach unterschiedlichen Ortsklassen entweder dem Ausgleich einer erheblichen Härte oder der Berücksichtigung von dienstlichen Belangen dient, kann der Gleichheitsgrundsatz nicht verletzt sein. *) Siehe 114. Sitzung Seite 5190 C
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Heinrich Windelen


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich habe die Aufgabe, zu dem Regierungsentwurf und dem Initiativentwurf im Namen der CDU/CSU Stellung zu nehmen. Die CDU/CSU-Fraktion begrüßt die Einbringung des Regierungsentwurfs als einen weiteren Schritt zur Liquidierung des zweiten Weltkriegs und seiner Folgen. Gewiß mag man bedauern, daß diese Regelung so lange auf sich hat warten lassen. Man wird aber nicht verkennen können, daß diese Verzögerung teilweise durchaus auch im Einvernehmen mit den Betroffenen erfolgt ist und wegen der schwebenden Verhandlungen über die Rückgabe der Auslandsvermögen auch in ihrem Interesse gelegen hat. Man wird ferner anerkennen müssen — das hat Herr Kollege Dr. Weber ja auch getan —, daß es bei dem Ausmaß der Kriegsschäden und bei unserer allgemeinen wirtschaftlichen und finanziellen Situation in jenen Jahren schlechterdings unmöglich gewesen wäre, alle Schäden sofort und gleichzeitig zu regeln.
    Vor diesem Hintergrund taucht noch einmal die Zahl auf, die der Herr Bundesfinanzminister genannt hat, jene 290 Milliarden DM, die seit der Währungsreform vom Bund, von den Ländern, den Gemeinden und dem Lastenausgleichsfonds für die Liquidation der Kriegsschäden, der Schäden, die durch das NS- Regime ausgelöst worden sind, aufgebracht und gezahlt worden sind, und es taucht noch einmal auf, daß zeitweise über 50 % des gesamten öffentlichen Finanzbedarfs für diese Zwecke ausgegeben werden mußten.
    Der Regierungsentwurf, das hat der Herr Finanzminister deutlich gemacht, bewegt sich, und zwar ganz bewußt, etwa in dem Rahmen und verfährt nach den Grundsätzen, nach denen auch andere Kriegsschäden geregelt und entschädigt worden sind. Er geht also im wesentlichen von den Bestimmungen des Lastenausgleichsrechts aus. Nun, ich halte es für sehr verständlich, daß die Betroffenen damit nicht ohne weiteres einverstanden sind. Auch die Lastenausgleichsgeschädigten, auch die Kriegssachgeschädigten waren keineswegs begeistert oder gar einverstanden mit dem, was man ihnen unter der Überschrift eines Ausgleichs, einer ausgleichenden Gerechtigkeit anbot. Ich halte es für verständlich, daß sich auch die Geschädigten, um die es hier geht, zur Wehr setzen und alle Hebel in Bewegung setzen, um dem Parlament deutlich zu machen, daß das, was hier vorgesehen ist, den Namen Ausgleich oder Entschädigung nicht verdiene. Ich habe für diesen Standpunkt Verständnis.
    Ich habe auch Verständnis für die Initiatoren, die dieser Meinung Ausdruck verliehen haben, indem sie den uns nun vorliegenden eigenen Gesetzesentwurf eingebracht haben. Wir werden uns allerdings mit diesem Entwurf sehr gründlich zu beschäftigen haben. Geht er doch nicht nur sachlich, sondern vor allen Dingen finanziell sehr viel weiter, um ein Vielfaches weiter als die Regelungen, die wir für Kriegsschäden auf anderen Gebieten zu treffen in der Lage waren. Der Initiativgesetzentwurf geht von der Auffassung aus, daß es sich hier nicht um normale Kriegs- und Kriegsfolgeschäden, sonder um etwas ganz anderes handele, nämlich um einen Rechtsanspruch, der nach den Enteignungsgrundsätzen etwa auf der Basis des Art. 14 des Grundgesetzes entschädigt werden müsse. Es ist gar kein Zweifel, daß man, wenn man sich zu dieser Auffassung bekennt und sie als Ausgangspunkt nimmt, zwingend, ob man es will oder nicht, zu völlig anderen finanziellen Größenordnungen kommen muß. Ich bedauere ein wenig die von mir jedenfalls als etwas polemisch empfundene Kritik, Herr Kollege Weber, die Sie äußerten, als ich Ihnen auf Ihre Erklärung, Sie wollten keineswegs die finanzielle Ordnung der Bundesrepublik erschüttern, sagte: Sie wollen das natürlich nicht, aber Sie tun es letzten Endes, weil Sie, wenn Sie vom Enteignungsrecht ausgehen, zwingend zu gewissen Konsequenzen kommen, die mit dem Volumen Ihres Antrages noch längst nicht ausgeschöpft sein werden, wie ich mich gleich bemühen werde darzutun.
    Nun, wie immer man das Problem auch sehen mag: Nicht strittig ist in diesem Hause, nicht strittig ist zwischen Regierung und Parlament, daß auch diese Schäden eine im Rahmen des Möglichen gerechte Entschädigung finden müssen und finden sollen. Strittig ist also lediglich die Frage: Wieviel können wir in Anbetracht aller anderen Verpflichtungen für diese Geschädigtengruppe ausgeben und verantworten? Strittig ist also lediglich Art und Umfang der Regelung, nicht die Notwendigkeit der Entschädigung als solcher.
    Bei der weitreichenden Bedeutung dieser Frage aber wird eine sehr gründliche, eine sehr sorgfältige Prüfung aller Zusammenhänge notwendig sein; denn hier wird ganz deutlich von den Grundsätzen abgewichen, die bisher bei der Regelung von Kriegsschäden und Kriegsfolgeschäden gegolten haben. Es ist völlig klar, daß das weitreichende Folgen haben muß, Folgen, die sich, dessen bin ich sicher, dann nicht auf den eigentlichen Bereich dessen, was hier zu regeln ist, beschränken lassen. Es wird Auswirkungen politischer und sozialer Natur geben. Die Besserstellung einer Gruppe, die zumindest nach außen sichtbar unter gleichen Voraussetzungen, unter gleichen Kriegsfolgen steht, wird selbstverständlich alle anderen Gruppen auf den Plan rufen



    Windelen
    und sie veranlassen, das gleiche auch für sich zu fordern.

    (Zuruf von der SPD: Natürlich!)

    Ich bin gern bereit, mich über die Zahlen auseinanderzusetzen. Der Herr Finanzminister hat aber auch schon gesagt, daß dies eine ziemlich fruchtlose Angelegenheit ist. Ich stelle jedenfalls fest, daß auf wesentlichen Bereichen der Kriegsfolgenschadensregelung das Finanzministerium erheblich zu tief gegriffen hat. Denken wir nur an das Bundesentschädigungsgesetz und das Bundesrückerstattungsgesetz, bei denen die Zahlen zu tief gegriffen worden sind. Herr Kollege Weber, ich möchte Sie jedenfalls nicht fragen, ob Sie bereit wären, eine persönliche Bürgschaft für den überschießenden Teil Ihrer Berechnung zu übernehmen. Es wäre allerdings für den Bund auch ziemlich uninteressant, glaube ich.

    (Heiterkeit.)

    Nun, gehen wir davon aus, daß das Finanzministerium die Zahlen wie bisher nicht geschätzt, nicht gegriffen, sondern berechnet hat. Dann haben wir schon unmittelbar ein zehnfaches Volumen dessen, was der Regierungsentwurf vorsieht. Die mittelbaren Auswirkungen sind völlig unübersehbar. Der Herr Bundesfinanzminister hat sich mit guten Gründen geweigert, hier auch nur Größenordnungen zu nennen.
    Von welchen Überlegungen gingen also die Initiatoren aus, um eine völlig andere Entschädigung zu rechtfertigen? Herr Kollege Professor Wahl wird dazu im einzelnen noch Stellung nehmen. Nach den Gesprächen auch in unserer Fraktion und mit den Verbänden werden in erster Linie zwei Grundsätze genannt, und zwar zunächst der Grundsatz der Aufopferung. Man geht davon aus, daß hier eine Gruppe, und zwar nur diese, im Interesse des Staates ein besonderes, über das der anderen hinausgehendes Opfer gebracht habe. Ich stelle die Frage: Ist dieses Opfer — das ich nicht verkleinern möchte — wirklich größer als z. B. das Opfer des Spätheimkehrers, der jahrelang Sklavenarbeit in Sibirien geleistet hat,

    (Sehr gut! bei der SPD — Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP sowie bei der SPD)

    der nicht nur wertvolle Jahre verloren, sondern vielleicht auch seine Arbeitskraft und Gesundheit eingebüßt hat? Wer will diesem Spätheimkehrer klarmachen, daß seine Aufopferung im Interesse des Ganzen geringwertiger sei und eine geringere Entschädigung verdiene?

    (Abg. Jahn: Der sich nicht sanieren konnte!)

    Wer will einem Vertriebenen klarmachen, daß seine Aufopferung, die nicht nur in dem Verlust seines materiellen Besitzes, sondern auch gleichzeitig in dem unersetzlichen Verlust seiner Heimat besteht, geringwertiger sei und deswegen nur einen Bruchteil der Entschädigung jener anderen Gruppe rechtfertige? Ich beneide Sie, Herr Kollege Weber, nicht um diese Aufgabe, den Betroffenen das klarzumachen.

    (Abg. Dr. Weber [Koblenz] : Die habe ich nicht!)

    Und wer will klarmachen, daß das Opfer zum Beispiel des Sowjetzonenflüchtlings geringwertiger sei als das der heutigen Aktionäre der ehemaligen IG- Farben-AG?

    (Beifall in der Mitte und links.)

    Von dieser Seite her hat man bereits geltend gemacht, daß man gegen jede Degression verfassungsrechtliche Bedenken habe und entsprechende verfassungsgerichtliche Schritte unternehmen werde. Selbst wenn wir also diese sehr weitgehende Regelung hier verabschieden, riskieren wir nicht nur, nein, es ist uns bereits angekündigt, und zwar auf der letzten Hauptversammlung der IG-Farben i. L., daß man beabsichtige — übrigens mit vollem Recht, denn wenn man den Rechtsanspruch dem Grunde nach bejaht, kann man ihn doch nicht nachher im Umfang begrenzen —, gegen jede Degression vorzugehen.
    Die weitere Grundlage für eine völlig andersartige Regelung ist der Anspruch auf Grund des Art. 5 des Überleitungsvertrages. Hier wird mit Recht geltend gemacht, daß sich die Bundesregierung gegenüber den Alliierten verpflichtet habe, die Eigentümer der beschlagnahmten Werte zu entschädigen. Es besteht kein Zweifel darüber — gerade aus diesem Grunde hat die Regierung die Vorlage eingebracht —, daß sie beabsichtigt, dieser Verpflichtung nachzukommen. Aber es ist nicht zu bestreiten, daß der Umfang der Entschädigung dadurch keineswegs präjudiziert ist, daß also auch der Regierungsentwurf diese Verpflichtung erfüllen würde, und daß den Alliierten im übrigen wohlbekannt war, daß die Bundesregierung gar nichts anderes und gar nicht mehr beabsichtigte und beabsichtigen konnte, als eine Lastenausgleichsregelung vorzusehen.

    (Abg. Dr. Schmidt [Wuppertal] : Aber ohne die juristischen Personen!)

    Aber lassen wir die Rechtsfragen beiseite! Sie werden ohnehin noch eine große Rolle spielen. Lassen wir sie beiseite, weil sie im Grunde unfruchtbar sind! Wir haben Gutachten pro und contra. Wir haben Bundesverfassungsgerichts- und Bundesgerichtsurteile, aus denen der eine dies und der andere genau das Gegenteil entnimmt. Ich glaube, das führt uns hier nicht weiter. Das mag nachher in den Ausschüssen noch gründlicher untersucht werden.
    Viel gravierender ist das Präjudiz für alle anderen Bereiche der Kriegsfolgengesetzgebung. Ich will den Teufel nicht an die Wand malen, aber vom Finanzminister ist schon gesagt worden: Die Forderungen sind bereits angemeldet. Die Interessentenverbände, die Gruppen haben ihre Forderungen unüberhörbar angemeldet. Und wer von Ihnen hätte denn den Mut, wer von Ihnen hätte das Recht, Heimatvertriebenen oder Ausgebombten oder Zwangsarbeitern in Sibirien oder NS-Geschädigten oder Zonenflüchtlingen und vielen anderen mehr das zu verweigern, was er hier einer Gruppe — und sicher nicht gerade der schwächsten — zuzugestehen bereit ist?

    (Beifall in der Mitte.)




    Windelen
    Am Rande möchte ich noch vermerken, daß die Reparationsschäden des ersten Weltkrieges 1914/18 im Kriegsschadenschlußgesetz des Jahres 1928 ebenfalls degressiv, also nach Lastenausgleichsgrundsätzen geregelt worden sind, ohne daß es einer höchstrichterlichen Rechtsprechung eingefallen wäre, diese Regelung als rechtswidrig zu verwerfen.
    Aber beschäftigen wir uns jetzt mit den meiner Ansicht nach gravierenden Konsequenzen dieser Regelung! 'Beschäftigen wir uns mit den finanziellen Auswirkungen, und zwar zunächst einmal nur mit den geringeren, mit den unmittelbaren. Der Regierungsentwurf sieht ein Volumen von immerhin 1700 Millionen DM — 1,7 Milliarden! — vor. Ich habe das Gefühl, daß das gar keinen Eindruck mehr macht in unserer Welt. Eine Milliarde — die schluckt man herunter. Das sind 1000 Millionen. Es kommt einem gar nicht mehr zu Bewußtsein, wieviel das eigentlich ist und wieviel Steuergroschen zusammengetragen werden müssen, bis auch nur eine einzige Milliarde zustande kommt. Bei dem Zahlenrausch, in dem wir uns offensichtlich bewegen, ist man eben leicht geneigt, ein oder zwei Milliarden nur noch als eine Bagatelle anzusehen.
    Der Initiativantrag sollte nach früheren Angaben der Initiatoren etwa Kosten von 13 Milliarden Verursachen. Offensichtlich haben inzwischen neuere Berechnungen ein noch niedrigeres Ergebnis gebracht. Wenn wir bei den 13 Milliarden bleiben, sind wir, glaube ich, von der Größenordnung von 18 bis 20 Milliarden nicht mehr sehr weit entfernt. Das liegt in der üblichen Toleranzgrenze, für die
    hier keiner — auch Sie nicht, Herr Professor Wahl—
    die Verantwortung übernehmen möchte. Ich jedenfalls würde das nicht tun. Ein Volumen von etwa 18 Milliarden DM wäre immerhin das Zehnfache dessen, was nach dem Regierungsentwurf anzunehmen ist.
    Wenn wir aber die nichtreichsdeutschen Vertriebenen in den Gesetzentwurf einbeziehen müssen — und das steht drin: die Vertriebenen jenseits der Reichsgebiete, jenseits der Grenzen von 1937; das ist logisch, das ist eine zwingende Konsequenz, wenn man auf der Grundlage der Enteignung aufbaut —, wird die Belastung ein Mehrfaches sein müssen, ein Mehrfaches dessen, was sie für die Gruppe, für die hier die Zahlen genannt worden sind, betragen würde.
    Aber noch weit schwerwiegender als diese sicher schon bedeutenden unmittelbaren Auswirkungen sind die mittelbaren Auswirkungen dieses Gesetzes. Es bezieht nämlich die juristischen Personen mit ein, und ich gebe zu, daß auch das zwingend ist, wenn man auf der Grundlage der Enteignung aufbaut. Der Herr Bundesfinanzminister hat schon die Problematik der Einbeziehung der juristischen Personen in sehr treffender Weise dargestellt und auf die Tatsache hingewiesen, daß wir zu einem großen Teil dabei Inhaber von Shares entschädigen würden, die damals gar nicht geschädigt worden sind, sondern die vielleicht aus spekulativen Gründen die Anteile zu einem niedrigen Preis gekauft haben und heute noch eine Entschädigung dafür bekommen würden, daß sie in der Zwischenzeit sehr erhebliche Kursgewinne erzielt haben.

    (Beifall in der Mitte und bei der SPD.)

    Aber das ist noch nicht das Entscheidende. Wie wollen Sie denn dann im Lastenausgleich den Anspruch der juristischen Personen verneinen?
    Bei einer grundsätzlichen Anerkennung des Anspruchs auf Entschädigung nach Art. 14 des Grundgesetzes scheint mir — das habe ich vorhin schon gesagt — eine Degression nicht haltbar. Die Stimmen, die das aus den Reihen der Betroffenen — und zwar nicht aus den Reihen der Traktatbauern — bestätigen, sind unüberhörbar.
    Schließlich: Wenn wir nur für eine Gruppe 100 % Entschädigung als angemessen betrachten, — wären dann nicht ganz andere Normen, nämlich der Art. 3 des Grundgesetzes, der Gleichheitsgrundsatz, und der Art. 20 des Grundgesetzes, nämlich der Sozialstaatsgedanke, verletzt?

    (Sehr gut! bei der SPD.)

    Kann man sich denn wirklich vorstellen, daß bei Schäden, die aus gleichen Ursachen entstanden sind, nämlich Kriegssach- und Vertreibungsschäden, prinzipiell und materiell völlig andere Entschädigungsregelungen Platz greifen können? Ich muß Ihnen ehrlich sagen: ich kann es mir nicht vorstellen.

    (Sehr richtig! bei der SPD.)

    Wenn aber auf diesem Gebiet höhere Entschädigungen gegeben werden, als das Lastenausgleichsgesetz sie vorsieht, dann ist der Lastenausgleich nicht zu halten. Sie mögen das rechtlich noch so absichern können! Wie oft haben wir geglaubt, wir könnten eine Sache rechtlich absichern! Wie oft haben wir geglaubt, wir könnten einen Stichtag nur für ein Gesetz festsetzen! Als zwingende Konsequenz mußten wir dann, wenn auch nicht aus rechtlichen, so doch eben einfach aus sozialen und politischen Gründen, auf anderen Gebieten nachziehen. Ich könnte Ihnen aus dem Gedächtnis mehrere Beispiele aufzählen, wo wir gesagt haben: Rechtlich ist das völlig klar abgegrenzt. Nun ja, rechtlich natürlich, aber politisch konnten wir Konsequenzen nicht verhindern. Ich möchte den Finanzminister und den den Sozialminister und den Bundeskanzler sehen, der in der Lage ist, dann zu sagen: Aus Rechtsgründen können wir nicht und werden wir nicht und dürfen wir nicht.
    Wenn wir aus dieser zwingenden Konsequenz aber den Lastenausgleich nach gleichen Grundsätzen regeln müssen, würde das ein Finanzvolumen von — man wagt es fast nicht auszusprechen -
    145 Milliarden DM zusätzlich bedeuten. Wenn Sie das offenen Auges verantworten wollen, nun, dann mögen Sie diesen Weg weitergehen.

    (Zuruf von der SPD.)

    Wie will man uns und wie will man draußen z. B. den Unterschied zwischen zwei Betrieben klarmachen, von denen der eine ausgebombt wurde, während bei dem anderen die Maschinen demontiert wurden? Oder wie will man z. B. den Unter-



    Windelen
    schied zwischen zwei Vertriebenen rechtfertigen, von denen der eine aus Schlesien und der andere aus dem Sudetenland vertrieben ist? Wie will man es rechtfertigen, daß der zweite jeweils die mehrfache Entschädigung des ersten bekommt? Wer von Ihnen will es einem Kriegssachgeschädigten oder einem Vertriebenen deutlich machen, daß das unter dem Grundsatz des Rechts geschehe und zu geschehen habe?

    (Zuruf von der SPD.)

    Lassen Sie mich durch Gegenüberstellung einiger technischer Einzelheiten noch deutlicher machen, welchen Sprengstoff, welche Schwierigkeiten dieser Initiativentwurf enthält. Der Regierungsentwurf geht bei der Bemessung von der Grundlage des Einheitswertes aus. Daran kann man Kritik üben, und die Vertriebenen haben es immer wieder — und ich glaube, mit gutem Recht — getan. Man kann geltend machen, daß der Einheitswert eben zu niedrig sei und deswegen keine Grundlage bieten könne. Aber er ist immerhin eine klare, festumrissene Größe, auf der man aufbauen konnte.
    Der Initiativentwurf geht von der Grundlage des gemeinen Wertes auf der Basis des Jahres 1938 aus. Wer soll denn um Gottes willen z. B. bei Auslandsschäden den gemeinen Wert des Jahres 1938 so rekonstruieren, daß es nicht eine endlose Auseinandersetzung, daß es nicht endlose Verfahren gibt, bis man sich endlich auf die Basis geeinigt hat? Wo sollen denn all die Wirtschaftsprüfer und Sachverständigen herkommen, die das in der Zeit, in der das Gesetz abgewickelt werden soll, tun können?
    Der Regierungsentwurf bezieht - ich habe das schon mehrfach gesagt — die juristischen Personen aus wohlerwogenen Gründen nicht ein. Der Initiativentwurf bezieht sie ein. Im Lastenausgleich endet die Degression bei den höchsten Vermögen bei 6 1/2 %. Die Initiatoren halten 20 % für das Äußerste dessen, was noch vertrebar ist, und zwar wieder aus Rechtsgründen. Ich sehe das ein. Und wahrscheinlich wird auch diese Grenze nicht zu halten sein. Aber eines wird doch daran deutlich: daß durch den Initiativentwurf gerade die höchsten Vermögen begünstigt werden. Während diese höchsten Vermögen im Lastenausgleich einer sehr starken Degression unterliegen, werden sie nach dem Initiativentwurf ganz massiv begünstigt, wie ich Ihnen gleich noch an einigen Beispielen zeigen werde.
    Der Regierungsentwurf sieht eine Auszahlung bis 1974 und eine Verzinsung ab 1955 mit 4 % vor. Der Initiativentwurf sieht eine sofortige Barauszahlung für Beträge bis 50 000 DM vor. Allerdings wird sie zeitlich ein wenig gestaffelt. Die sonstigen Schäden sollen durch Schuldbuchforderungen und Schuldverschreibungen abgedeckt werden, die handelbar sind und deren Zinsen steuerfrei sein sollen.
    Über die praktischen Auswirkungen sollten wir uns gleich noch wenige Gedanken machen. Lassen Sie mich jetzt nur die finanziellen Auswirkungen der Regelung gegenüberstellen.
    Gehen wir einmal von gleichen Schadensbeträgen aus. Das ist allerdings nicht das gleiche; denn — ich sage es noch einmal — der Regierungsentwurf basiert auf Einheitswerten, der Initiativentwurf auf Gemeinwerten. Man wird nicht zu hoch greifen, wenn man die Einheitswerte verdoppelt, um auf den Gemeinwert zu kommen. Aber streiten wir uns darüber nicht! Jedenfalls ist eines klar: daß schon in der Bemessung des Schadensbetrages eine wesentliche Begünstigung liegt.
    Ein Geschädigter mit einem Schaden von 5000 Mark würde nach dem Regierungsentwurf 4800 und nach dem Initiativantrag 5000 Mark bekommen. Hier wird sichtbar, daß die Kleinen und Kleinsten durch den Regierungsentwurf nicht benachteiligt werden. Ich. möchte annehmen, daß der zitierte Arbeiter und wahrscheinlich auch die meisten Traktatbauern darunter fallen werden.
    Bei 50 000 Mark Schadensbetrag sieht das Bild schon wesentlich anders aus. Nach dem Regierungsentwurf beträgt die Entschädigung 17 600 und nach dem Initiativantrag 50 000 Mark; das ist Vollentschädigung.
    Gehen wir etwas höher! Bei einem Schadensbetrag von 1 Million Mark ergibt sich nach dem Regierungsentwurf eine Entschädigung von 86 800 und nach dem Initiativentwurf eine solche von 435 000 Mark. Bei einem Schaden von 2 Millionen Mark schließlich — weiter will ich nicht gehen, obwohl weit höhere Ansprüche angemeldet sind — beträgt die Entschädigung nach dem Regierungsentwurf 151 800 und nach dem Initiativentwurf etwa das Sechsfache, nämlich 835 000 Mark.
    Daraus folgt ganz eindeutig eine massive Begünstigung gerade der großen und größten Vermögen durch den Initiativentwurf gegenüber dem Regierungsentwurf. Ich konzediere freimütig, daß das nicht beabsichtigt ist.

    (Widerspruch bei der SPD.)

    Aber es ist unvermeidlich, wenn man auf die Grundlage des Rechtsanspruchs tritt.
    Wenige weitere Einzelheiten zeigen die weitere Problematik dises Initiativantrages. Würde er Wirklichkeit, dann würden Rückerstattungsgeschädigte in einzelnen Fällen besser gestellt werden als NS- Geschädigte. Malen Sie sich ,die politische Auswirkung einer solchen Regelung bitte selbst. aus!
    Auch mittelbare Schäden sollen nach dem Willen der Initiatoren berücksichtigt werden, d. h. zum Beispiel Nutzungsschäden und entgangener Gewinn. Da soll es ein Anrecht auf Darlehen geben. Kann mir jemand sagen, wie man Nutzungsschäden nach 20 Jahren beweiskräftig substantiieren will? Ich kann mir nicht vorstellen, wie das geschehen soll.
    Als Entschädigung für die 50 000 DM übersteigende Beträge denkt man an handelbare steuerfreie Schuldbuchforderungen in einem Umfang von mehreren Milliarden Mark. Es wird von 4 bis 5 Milliarden gesprochen. Können Sie sich die Wirkung auf dem Kapitalmarkt vorstellen, wenn mehrere Milliarden Mark Schuldbuchforderungen, die weder durch Leistungen noch durch Gegenwerte gedeckt sind, auf den Markt kommen? Können Sie sich vorstellen, was es an weiterer massiver Begünsti-



    Windelen
    gung der großen Einkommen bedeuten würde, wenn man die Zinsen auch noch steuerfrei macht? Können Sie ausrechnen, was in der 15jährigen Laufzeit der Schuldverschreibungen dem Staat bei Verwirklichung dieses Entwurfs an Steuerausfällen entsteht?
    Lassen Sie mich zum Schluß ganz wenige Einzelbeispiele bringen, die die teilweise geradezu grotesken Auswirkungen des Initiativentwurfs bei Einschluß auch der nichtreichsdeutschen Vertriebenen außerhalb der Grenzen von 1937 zeigen. Ein Vertriebener aus Breslau würde bei einem Schadensbetrag von 50 000 Mark — wohlgemerkt: Einheitswert — 19 360 Mark bekommen. Er bekommt sie jetzt auf Grund des Lastenausgleichs. Ein Vertriebener aus Eger würde bei dem gleichen Schaden nach dem Initiativ-Entwurf — allerdings Gemeinwert, d. h. bei niedrigerem Verlust — 50 000 Mark, also mehr als das Doppelte bekommen. Wenn der Vertriebene aus Breslau 5 Millionen verloren hat — und so etwas gibt es —, hat er nach der Lastenausgleichsregelung 381 000 DM zu erwarten; wenn er dagegen aus Eger kommt, das Fünffache, nämlich über 2 Millionen DM. Oder stellen Sie sich zwei Betriebe in Westdeutschland vor. Der eine hat einen Kriegssachschaden mit einem Teilwert von 40 000 DM; der hat Anspruch auf 16 000 DM Entschädigung; und ein Betrieb mit Demontageschaden zu einem Zeitwert von ebenfalls 40 000 DM bekommt dafür das knapp Dreifache, nämlich 40 000 DM, ausbezahlt.
    Diese Reihe ließe sich beliebig fortsetzen. Ich stelle fest, daß ich keineswegs — und zwar bewußt — die extremsten Beispiele gewählt habe, weil wir ja ein wenig in der Praxis bleiben wollen. Die Reihe ließe sich fortsetzen bei den Auslandsschäden, sie ließe sich fortsetzen auf dem Gebiet der Rückerstattungsschäden, und die Ergebnisse wären teilweise noch grotesker als die eben aufgezeigten.
    Lassen Sie mich nun zusammenfassen. Wir begrüßen den Regierungsentwurf als einen weiteren Schritt zur Liquidation des zweiten Weltkrieges und seiner Folgen. Wir sind uns bewußt, daß er keineswegs eine allseitig befriedigende Lösung darstellt. Wir sind uns bewußt, daß eine große Zahl auch von menschlich harten Fällen ungelöst bleibt, auch 'auf diesem Gebiet ungelöst bleibt, und wir bedauern das zutiefst. Aber ebensowenig wie wir bei den anderen Regelungen zu einer hundertprozentigen Gerechtigkeit kommen konnten, werden wir es eben auch hier nicht vermögen. Ich meine aber, bei einem Umfang von 1700 Millionen handelt es sich doch um eine nicht gering zu achtende Leistung, auch vor dem Hintergrund der 290 Milliarden DM, die von der Allgemeinheit, von den Steuernzahlern, von den Bürgern dieses Staates bereits aufgebracht worden sind. Vor weiteren Ausuferungen, wie sie mit dem Initiativantrag eingeleitet werden, möchte ich aber sehr dringend warnen. Ich meine, daß diese Ausweitung weder durch die Rechtslage zwingend geboten ist noch vom Standpunkt der Gleichbehandlung und der sozialen Gerechtigkeit vertretbar ist, und ich meine ferner, daß unter Berücksichtigung der unmittelbaren und vor allen Dingen der mittelbaren Belastungen des Haushalts dieser Antrag völlig indiskutabel ist.
    Wir können nur hoffen, daß sich diese Erkenntnis in den Ausschußberatungen durchsetzen wird.

    (Beifall bei Abgeordneten der Regierungsparteien und bei der SPD.)



Rede von Dr. Carlo Schmid
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Das Wort hat der Abgeordnete Hirsch.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Martin Hirsch


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich halte es grundsätzlich für erfreulich, wenn in diesem Hause auch Abgeordnete der Regierungsparteien einmal eine Gesetzesinitiative ergreifen.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Das machen sie öfter!)

    — Eben, auch Abgeordnete der Regierungsparteien sind nicht dazu da, immer nur Ja zu dem zu sagen, was die Regierung meint, und der Bundestag ist nicht der Notar der Bundesregierung. Also, im Prinzip begrüße ich es sehr, Herr Kollege Weber, daß Sie einen solchen Antrag eingebracht haben. Ich wundere mich nur etwas, .daß es so spät geschehen ist; denn zu dem Zeitpunkt, als Ihr Antrag kam, nämlich im Dezember, lag .die Regierungsvorlage schon vor, und es wäre vielleicht günstiger für Ihr Anliegen gewesen, wenn Sie das, was Sie mit ihm meinten, im Rahmen der Einzelberatung im Ausschuß durchzusetzen versucht hätten.
    Sie werden es mir nicht übelnehmen, wenn ich mich auch aus einigen anderen Gründen noch über Ihren Entwurf freue, Herr Kollege Weber. Es ist gar nicht einmal die Schadenfreude über Ihren kleinen Familienstreit im Lager der Regierungsparteien; Schadenfreude soll man schnell unterdrücken; sie ist immer etwas schäbig. Aber ich empfinde eine gewisse Genugtuung darüber, Herr Finanzminister, daß die Bundesregierung, die ja• gewußt hat, .daß der Gegenentwurf Weber käme, ihren Entwurf dennoch eingereicht hat; denn sie meint offenbar, sie könne sich auf die Opposition so verlassen, daß die Regierungsvorlage mit Hilfe der Opposition angenommen wird.

    (Heiterkeit bei der SPD.)

    Das ist natürlich eine Stärkung unserer Position, und ich bedanke mich sehr für den Ball, den Sie uns zugeworfen haben, Herr Kollege Weber. Wir werden ihn gut aufbewahren, um ihn gegebenenfalls auch bei der Wahl vorzuzeigen.
    Diese Freude, diese Genugtuung, die Sie mir bitte nicht verübeln wollen, wird aber — bitte glauben Sie mir — sehr durch das ernstliche Unbehagen überschattet, Herr Kollege Weber, das ich hinsichtlich Ihres Antrages habe.

    (Abg. Jahn: Sehr gut!)

    Ich habe dieses Unbehagen insbesondere auch wegen des Zeitpunktes, zu dem Sie mit Ihrer sehr, sehr hohen Forderung gekommen sind. Sie haben den Antrag ungefähr zu dem Zeitpunkt eingereicht, zu dem der Herr Bundeskanzler seine Regierungserklä-



    Hirsch
    rung abgegeben hat. Wir haben darin einiges von „Maßhalten" gehört, wir haben einiges und noch mehr davon gehört, daß wir unsere Währung stabil halten müssen. Wir erleben es jetzt ununterbrochen
    — die Kollegen im Haushaltsausschuß können ein bitteres Lied davon singen —, wie dort um jeden Pfennig gerungen werden muß angesichts der magischen Zahl von 60,3 Milliarden DM. In diesem Zeitpunkt kommen Sie mit Forderungen in Milliardenhöhe, Forderungen, die auch nach Ihrer Berechnung zehnmal so hoch sind wie nach der Konzeption der Bundesregierung!

    (Abg. Dr. Mommer: Hört! Hört! — Zurufe von der Mitte.)

    — Wenn man richtige Vergleiche anstellt, sind Ihre Forderungen zehnfach so hoch, und ich bin der Meinung, daß die Berechnung der Bundesregierung richtig ist.

    (Abg. Dr. Schmidt [Wuppertal] : Bis auf die magische Zahl?!)

    In diesem Augenblick also kommen Sie mit solchen Milliardenforderungen. Sie machen das offenbar, weil Sie glauben, damit unbedingt und justament einen Rechtsstandpunkt durchsetzen zu müssen.

    (Abg. Dr. Weber [Koblenz] : Den Sie in dem Schriftsatz vom 8. Oktober an das Bundesverfassungsgericht erfreulicherweise auch vertreten haben!)

    — Der Schriftsatz, den Sie meinen, hat mit der Sache überhaupt nichts zu tun. Sie meinen den Schriftsatz des Kollegen Arndt. Der ist in einem ganz anderen Zusammenhang geschrieben worden. Wenn Sie ihn richtig und vollständig lesen — nicht nur die berühmten Ausschnitte —, werden Sie feststellen, daß von Schadensersatz gar nichts drinsteht. Aber abgesehen davon: warum halten Sie m i r einen Schriftsatz vor, den ein anderer Kollege aus diesem Hause geschrieben hat?

    (Abg. Dr. Weber [Koblenz] : Die SPD-Fraktion, nicht Herr Arndt!)

    — Jetzt sprechen wir über Ihren Gesetzentwurf und nicht über den damaligen Streit über den Deutschlandvertrag, Herr Kollege. Ihr Versuch, da abzulenken,

    (Abg. Dr. Weber [Koblenz] : Sie zur Sache zu führen!)

    ist von vornherein zum Scheitern verurteilt. — Ich bin bei der Sache!
    Ich wundere mich, wie gesagt, daß Sie es für richtig halten, aus diesem Justament-Rechtsstandpunkt etwas durchzufechten, was im Endergebnis unheilvoll sein muß. Mein Vorredner hat es völlig richtig gesagt: die Konsequenzen in finanzieller Hinsicht wären überhaupt nicht abzusehen. Er hat Beispiele gebracht, und ich könnte die Beispiele noch vermehren. Es ist geradezu absurd — bitte, nehmen Sie mir den Ausdruck nicht übel —, daß jemand, der sein Geld in New York verloren hat, besser entschädigt werden soll als jemand, der sein Haus, sein Vermögen und seine Heimat dazu in Schlesien verloren hat. Ich halte es für noch absurder — auch das ist gesagt worden —, einen Kriegsgefangenen, der jahrelang Sklavenarbeit geleistet hat, so zu entschädigen, wie es unser Heimkehrergesetz vorsieht, und gleichzeitig Millionenwerte praktisch Leuten in den Rachen zu werfen, die sie gar nicht brauchen und die es, wenn sie anständig sind, ablehnen müßten, diese Beträge anzunehmen, weil sie sie wirklich nicht brauchen.

    (Beifall bei der SPD.)

    Wohin das im Endergebnis führt, Herr Kollege Weber, was Sie sich da vorstellen, das wollen Sie bitte aus folgenden zwei Zahlen entnehmen. Wir haben für 20 Millionen Vertriebene und Kriegssachgeschädigte in der Bundesrepublik 30 Milliarden DM Hauptentschädigung zu zahlen, und Sie verlangen für 120 000 Reparations- und Rückerstattungsgeschädigte nach Ihrer Konstruktion 7 Milliarden DM; nach den Berechnungen der Bundesregierung sind es 17 Milliarden.

    (Abg. Dr. Weber [Koblenz] : Vier!) Vergleichen Sie diese Zahlen!

    Noch eine andere Zahl: Der Herr Bundesfinanzminister hat hier zitiert — und Sie haben es verständlicherweise unterstrichen —, daß die Kleingeschädigten aus verschiedenen Gründen zahlenmäßig überwiegen. Das ist richtig. 92 % der Geschädigten, insbesondere der Reparationsgeschädigten, haben kleine Forderungen. Wenn Sie aber die Forderungen der Geschädigtengruppen der Höhe nach addieren, so ergibt sich genau das umgekehrte Bild: Diese 92 % der Geschädigten vertreten nämlich 5,8% der Forderungswerte, und den Rest, nach Adam Riese 94,2 %, vertreten die übrigen Gläubiger. Mit anderen Worten, eine kleine Gruppe von Gläubigern hat die großen Forderungen, und eine große Gruppe von Gläubigern hat die kleinen Forderungen. In der Spitze ist es so, daß 0,05 % der Gläubiger 33,5 % der Reparationsschäden geltendmachen, nämlich sie allein insgesamt in einer Höhe von 4,4 Milliarden DM.

    (Abg. Jahn: Hört! Hört!)

    Aus diesen Zahlen können Sie die richtigen Vergleiche ziehen. Ich möchte nicht wiederholen, was in ausgezeichneter Weise von dem Herrn Kollegen Windelen und auch von dem Herrn Bundesfinanzminister gesagt worden ist. Ich möchte lediglich einige weitere Dinge hier herausstreichen, bei denen Sie, glaube ich, Herr Weber, nicht ganz richtig liegen. Sie haben hier gemeint, man könne jetzt mit gutem Gewissen mit diesen Dingen kommen; denn die Anliegen der politisch oder rassisch Verfolgten usw. seien ja alle geregelt.

    (Abg. Dr. Weber: [Koblenz] : Das habe ich nicht gesagt!)

    — Na, aber ungefähr! Sie haben diesen Entschluß zitiert und gesagt, Sie hätten freiwillig gewartet, bis das erledigt sei.
    Meinen Sie im Ernst, Herr Kollege Weber — ich weiß nicht, ob Sie sich das überlegt haben, so wie ich Sie kenne —, daß es angehe, den Leuten, die jüdisches oder Eigentum von politisch Verfolgten weggenommen haben, dann eine Entschädigung zu



    Hirsch
    geben, wenn sie lediglich den Einheitswert dafür bezahlt haben, wo Sie genauso wie ich wissen, daß auch schon damals der Einheitswert nicht dem richtigen Wert entsprach? Und haben Sie sich einmal überlegt, wie Ihre Konzeption im Endergebnis zu einem Teil zu einer Entschädigung der „Arisöre" führt, die erheblich höher ist als die Entschädigung für die Verfolgten? Die Verfolgten — daran darf ich Sie erinnern — haben keinen Verzinsungsanspruch nach dem Rückerstattungsgesetz, sondern erst von 1967 ab, haben also nur einen praktisch völlig irrealen Anspruch. Sie wollen für die „Arisöre" eine Verzinsung schon von 1955 ab gewähren. Und haben Sie sich einmal vorgestellt, daß die Verfolgten, die keinen Rückerstattungsanspruch haben, weil sie nicht wissen, wer sie bestohlen hat, nach dem Bundesentschädigungsgesetz einen Höchstschadensbetrag für Schaden an Vermögen von 75 000 DM beanspruchen können, nach dem vorher ihre Werte 10 : 2 umgewertet worden sind? Und warum eigentlich — auch das darf ich Sie fragen, Herr Kollege Weber — halten Sie es für richtig, daß im Bereich dieser Geschädigten, der Reparationsgeschädigten usw., ausgerechnet die Bewertung für diejenigen, die — gutgläubig oder nicht gutgläubig — arisiert haben, günstiger sein soll als für die Reparationsgeschädigten und die anderen? Denn in diesem Falle stellen Sie bei der Bewertung auf den Zeitpunkt der Rückerstattung ab, in dem anderen Falle stellen Sie auf diese Reparationskarteiwerte ab. Das verstehe ich nun schon überhaupt nicht mehr, Herr Kollege.
    Sosehr nun — darüber sind wir uns ja völlig einig — das Anliegen dieses Gesetzentwurfs begründet ist, so sehr wird man im einzelnen zu überprüfen haben, ob die Regierungsvorlage richtig ist. Ich bin gar nicht ein so unbedingter Anhänger Ihrer Konzeption in allen Einzelheiten, Herr Minister, so sehr der Grundsatz richtig ist. Ich bin der Meinung, daß man viel weniger, als Sie das schließlich doch getan haben, auf ein schematisches Quotendenken abstellen sollte. Man muß vielmehr die soziale Komponente der Sache betonen! Ich bin ferner der Meinung, daß man zwischen den einzelnen Schäden wird differenzieren müssen. Denken Sie daran, daß mindestens die Reparationsgeschädigten in den Vereinigten Staaten von Amerika bis zu 10 000 Dollar, also bis zu 40 000 DM, um ihre Rückgabeansprüche oder ihre Rückgabemöglichkeit gegenüber der US- Regierung dadurch gekommen sind, daß die Bundesregierung da eine Alles-oder-nichts-Politik getrieben und das Angebot, diese 10 000 Dollar zu erstatten, praktisch nicht angenommen, die Sache also vereitelt hat, indem sie alles verlangt hat. Da meine ich, daß man sich sehr wohl wird überlegen müssen, ob die Quote dieses Aufopferungsanspruches — oder wie Sie es immer nennen wollen — für diese kleineren Reparationsgeschädigten nicht vielleicht doch etwas höher sein könnte.

    (Abg. Dr. Weber [Koblenz] : Eine ganz andere Rechtsgrundlage!)

    Ich meine darüber hinaus, daß man bezüglich einiger der Ansprüche dieser Art darüber streiten kann, ob sie Rechtsansprüche sind. Für mein Gefühl sind es alles Rechtsansprüche. Aber Rechtsansprüche sind für mich auch die Ansprüche der Heimatvertriebenen, der Heimkehrer und Soldaten; alle haben sie irgend etwas für dieses unser Vaterland geopfert. Man darf da keine Unterschiede machen. Das i s t für mich ein echter Anspruch.
    Wir sollten alle wissen, daß Ansprüche nicht nur bestehen, wenn irgend etwas gedruckt im Gesetzblatt steht. Im Gesetzblatt haben bei uns Unrecht und Verbrechen gestanden. Es gibt Recht, das nicht geschrieben steht, meine Damen und Herren. Dieses ungeschriebene Recht — ich möchte es hier einmal ganz unjuristisch als Recht auf einen Aufopferungsanspruch aller Betroffenen bezeichnen — zwingt uns also, wie gesagt, zu differenzieren und uns auch zu überlegen, inwieweit nicht z. B. bei den Demontagegeschädigten in vielen Fällen aus dem Nachteil der Demontage ein echter Vorteil geworden ist. Es ist ja Gott sei Dank so, daß diese Demontagen, so schlimm sie zunächst waren, durch die Anschaffung neuer Maschinen usw. zu einem echten Wettbewerbsvorteil geführt haben. Man wird außerdem — und da verstehe ich Sie wiederum nicht, Herr Kollege Weber — mit der Regierungsvorlage ganz genau zu prüfen haben, inwieweit hier Unternehmen geschädigt worden sind, die durch echte Kriegsgewinne großgeworden waren. Da vermisse ich bei Ihnen aber auch jeden Versuch eines Ausgleiches.

    (Beifall bei der SPD.)

    Man wird endlich genauso zu klären haben, inwieweit gewisse Schäden dieser Art — Reparationsschäden, Demontageschäden — nicht vielleicht auch durch die sehr großzügigen Kredite, die es nach dem Kriege gegeben hat — Marshallplan und was es alles war —, in Wirklichkeit bereits entschädigt sind.

    (Zuruf von der SPD: Durch die Abschreibungen!)

    In dieser Beziehung, meine ich, Herr Minister, ist Ihr Entwurf noch nicht der Stein der Weisen. Man wird da noch andere Möglichkeiten suchen müssen, diesen Ausgleich herbeizuführen.
    Ganz entscheidend aber wird man hinsichtlich der Rückerstattungsschäden differenzieren müssen. Ich bejahe durchaus, daß die alliierten Gesetze in einigen Fällen, meinetwegen sogar in vielen Fällen, zu Unrecht geführt haben. Selbstverständlich muß man etwas tun, um diese wirklich loyalen Rückerstattungsgeschädigten zu entschädigen. Aber man darf da zunächst einmal nicht auf den Einheitswert abstellen, Herr Kollege Weber, und man darf genauso nicht, wie es das Finanzministerium tut, auf 90 % des Verkehrswertes abstellen; man darf endlich auch nicht, wie Sie, Herr Weber, meinen, daß die Klausel „zugunsten Verfolgter gehandelt" etwas Brauchbares wäre. Diese Klausel verleitet geradezu zum Mißbrauch. Ich bin der Meinung, daß jemand, der Eigentum eines rassisch oder politisch Verfolgten erworben hat, auf eigenes Risiko gehandelt hat.

    (Zuruf von der Mitte: Richtig!)

    Er wußte: das ist ein Jude; er wußte: das ist ein Sozialdemokrat; er wußte: das ist ein Unternehmen des Zentrums oder der Deutschen Jugendkraft oder wer da alles in Betracht kam. Er hat es gewußt



    Hirsch
    oder hätte es wissen müssen. Es steht fest, daß so gut wie in allen Fällen der Verkäufer nicht veräußert hätte, wenn er nicht unter einem rassischen oder politschen Druck gestanden hätte. Es besteht daher für mich die Vermutung, daß eine solche Arisierung oder ein solcher Erwerb von einem politisch oder rassisch Verfolgten an sich nicht loyal gewesen ist und lediglich Ausnahmen die Regel bestätigen. Wir müssen eine Klausel finden, die diesen Ausnahmen Rechnung trägt.
    Ich meine darüber hinaus, wir müssen noch in anderer Hinsicht differenzieren. Es ist für mich ein Unterschied, ob jemand, der nach den alliierten Gesetzen rückerstattungspflichtig war, direkt von dem Verfolgten erworben hatte oder indirekt etwa über den Staat.

    (Sehr richtig! in der Mitte.)

    Das ist nämlich wiederum eine der merkwürdigen Sachen in unserer Nachkriegsgesetzgebung. Der Rückerstattungspflichtige konnte sich an den Zweiterwerber, wenn er Dritterwerber war, auch schon nach den geltenden Gesetzen halten, wenn es eine Privatperson war. War es aber der Vater Staat, dann wurde ihm das ausdrücklich verboten.

    (Abg. Dr. Weber [Koblenz]: Ja eben!)

    Herr Kollege Weber, das ist eben wirklich ein ganz anderer Fall. Da hat der Staat erst einmal arisiert und dann hat er sich noch durch den Weiterverkauf bereichert. Dann sollte er haften aus zwei Gründen, nämlich, weil er direkt mit dem Arsierungsgeschäft zu tun hatte und weil er es als Staat ermöglicht hat. In dem Falle, meine ich, müßte man also die Haftung des Staates gegenüber der, die das Bundesfinanzministerium vorsieht, verstärken.
    Es wäre noch über viele Einzelheiten zu reden. Aber vielleicht noch eine etwas polemische Bemerkung, Herr Kollege Weber. Ich habe mich auch bemüht, nicht zu polemisieren, so nahe das gelegen hätte und soviel Spaß es gemacht hätte. Aber es ist schon ein bißchen spät. Die erstaunlichste Klausel in Ihrem Entwurf ist ja die Bestimmung, die man sozusagen als „Lex IG-Farben" bezeichnen könnte. Es ist die Bestimmung des § 14, Abs. 3 S. 2 in der Sie vorsehen, daß auch diejenigen entschädigungsberechtigt sind, die in Amerika oder sonstwo als ausländische Firmen enteignet worden sind, aber in Wirklichkeit im wesentlichen deutschen Firmen gehört hätten. Das ist genau der berühmte IG-Farben-Fall in Amerika, also eine Lex IG-Farben. Das werden Sie nicht bestreiten können. Wenn man dann weiß, daß es sechs Firmen gibt, die in den Bereich dieser Möglichkeiten gehören und die allein für sich fast 2 Milliarden DM Ansprüche nach Ihrer Konzeption geltend machen könnten,

    (Hört! Hört! bei der SPD)

    dann weiß man, Herr Kollege Weber, wo die Reise hingeht.
    Wir sind in den letzten Monaten und Jahren alle mit Briefen von Rückerstattungsgeschädigten, Reparationsgeschädigten usw. überschüttet worden. In der letzten Zeit war es eine Flut. Schaut man sich diese Briefe genau an und versteht man etwas von den Dingen, muß man doch feststellen, daß das im allgemeinen irregeleitete Leute sind, die von irgendwelchen Hintermännern geschoben werden. Diese kleinen Leute kommen nämlich auch nach der Konzeption der Bundesregierung zu ihrem Recht. Sie sollen aber den Vorläufer spielen für Große, die das Geld nicht brauchen, die hinter ihnen her marschieren und ihr Schäfchen ins Trockene bringen wollen.

    (Beifall bei der SPD.)

    Das kann nicht der Sinn einer Gesetzgebung dieses Bundestages sein.
    Wir sind verpflichtet, die Schäden, die der Krieg und die Nachkriegszeit geschlagen haben, im Rahmen des Möglichen zu bereinigen. Wir sollten aber dabei wirklich nicht vergessen, daß es einen gewissen Herrn Hitler gegeben hat. Der Finanzminister hat es neulich für richtig gehalten, das ausgerechnet den Naziopfern zuzurufen. Bei ihnen war es fehl am Platze. Aber auf diesem Gebiet, mit dem wir uns heute beschäftigen, muß dieses Wort sehr dick unterstrichen werden. Hitler hat uns mindestens rund eine Billion Schulden hinterlassen, als er abtrat. Diese Billion Schulden kann kein Staat der Welt bezahlen. Er kann lediglich versuchen, bei diesem Bankrott eine einigermaßen anständige Konkursquote auszuschütten. Er kann sich lediglich bemühen, die Konkursverteilung möglichst gerecht zu gestalten, genau wie das in einem anderen Konkurs auch geschieht. Es gibt vordringliche Forderungen, es gibt weniger vordringliche Forderungen, und es gibt Forderungen, für die wird nur dann etwas gezahlt, wenn noch etwas übrigbleibt.
    Ich will nun keineswegs sagen, daß diese Reparationsgeschädigten, daß diese Restitutionsgeschädigten, daß die Demontagegeschädigten oder auch die Rückerstattungsgeschädigten diejenigen sein sollen, die nur etwas bekommen, wenn was übrigbleibt. Ganz sicher nicht. Sie sollen, und zwar zum Teil auf Grund eines Rechtsanspruches, etwas bekommen. Aber das, was sie zu bekommen haben, muß im Rahmen dessen liegen, was alle Geschädigten zu beanspruchen haben.
    Wenn sie mehr bekämen, Herr Kollege — das ist vollkommen richtig von Herrn Windelen gesagt worden —, dann würde die nach diesem Kriege vorsichtig von uns gezogene Mauer aufgerissen, und es käme eine Flut von Ansprüchen auf uns zu, die praktisch zum Staatskonkurs führen müßte. Das kann niemand von uns verantworten. So sehr wir es alle wünschen würden, wenn wir diese Briefe bekommen, jedem von diesen Geschädigten den vollen Betrag von Staats wegen auszahlen zu lassen, so können wir es nicht, genau wie wir es bei den Kriegsopfern nicht gekonnt haben, wie wir es bei den Heimkehrern nicht gekonnt haben, wie wir es bei den Heimatvertriebenen und bei den Bombengeschädigten nicht gekonnt haben. Damit müssen sich auch diese Leute, die aus anderen Anlässen geschädigt worden sind, abfinden, wenn sie etwas Gemeinschaftsgefühl und ein Gefühl für die Möglichkeiten dieses Staates haben.
    Damit darf ich schließen. Wir werden den Gesetzentwurf also in einer sozusagen schiefen Schlachtordnung beraten. Ich kann nur hoffen, daß diese



    Hirsch
    Schlachtordnung nicht wie bei der Schlacht bei Leuthen dazu führt, daß der rechte Flügel stark ist, sondern man kann auch hier nur sagen: Macht mir den linken Flügel stark!

    (Beifall bei der SPD.)