Herr Dr. Imle, wenn Sie zugehört hätten, hätten Sie gemerkt, daß ich in meinen Ausführungen auf diesen Termin hingewiesen habe. Ich darf nur sachlich feststellen: das war keine Erklärung im Widerspruch zu 'der Erklärung von Herrn Dr. Mende, die er als Vorsitzender der FDP abgegeben hat.
Lassen Sie mich au dem Antrag der FDP folgende Feststellungen treffen:
Erstens. Die Forderung nach einem Berufsausbildungsgesetz nachträglich etwa mit einer Novellierung der Gewerbeordnung parieren zu wollen müßte als eine unzumutbare Einengung des einstimmig gefaßten Beschlusses des Deutschen Bundestages angesehen werden und die Ernsthaftigkeit der Arbeitsweise dieses Hauses generell in Frage stellen.
Zweitens. An Stelle des Berufsausbildungsgesetzes nunmehr das Ganze auf 'die Gewerbeordnung beschränken zu wollen wäre ein Tiefschlag gegen alle sachverständigen Bestrebungen, die Berufsausbildung zu vereinheitlichen und zu modernisieren. Das würde gewissermaßen einer Zementierung der Rechtszersplitterung im Bereich der Berufsausbildung gleichkommen, zumal, Herr Dr. Imle, der Teil der Handwerksordnung, der sich auf Berufsausbildung bezieht, nach Ihrem Vorschlag und nach Art. II des FDP-Antrages das Berliner Berufsausbildungsgesetz aufgehoben werden sollen. Mit dem Wegfall des Berliner Berufsausbildungsgesetzes würde ein anerkanntermaßen auch für die Bundesgesetzgebung
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beispielhaftes Gesetz gegen ein Linsengericht preisgegeben werden.
Drittens. Der FDP-Entwurf übernimmt zum Teil wortwörtlich den vor etwa zwei Jahren vom Bundeswirtschaftsminister erstellten Diskussionsentwurf zur Änderung der Gewerbeordnung, der — das will ich hier hinzufügen — nach dem Beschluß des Bundestages vom 27. Juni 1962 vom Ministerium erfreulicherweise nicht weiter verfolgt wurde. Der FDP-Entwurf beinhaltete gegenüber diem anderen Entwurf lediglich noch einige Verschlechterungen.
Im übrigen fehlt im Entwurf der Freien Demokratischen Partei der Hinweis auf die notwendige Zusammenarbeit zwischen Arbeitgeber, Betriebsvertretung und Berufsschule. Es ist nichts gesagt über die Anerkennung der Ausbildungsbefugnis. Es kann auch nicht darauf verzichtet werden, auf eine ständige Überwachung der Berufsausbildung hinzuwirken. Dabei spielt auch die Durchführung obligater Zwischenprüfungen eine herausragende Rolle.
In diesem Entwurf ist auch nichts zur überbetrieblichen Berufsausbildung gesagt, die gerade für die Fülle der Klein- und Mittelbetriebe in der Praxis wachsende Bedeutung erhält. Es fehlt jeder Hinweis, wie man die nicht in einem Ausbildungsverhältnis stehenden Jugendlichen fachlich zu fördern gedenkt. Man schweigt auch über die Notwendigkeit, allen an der Berufsausbildung Beteiligten ein Selbstverwaltungsorgan zur Verfügung zu stellen. Man erwähnt nicht einmal die paritätisch zu besetzenden Ausbildungsausschüsse bei den Industrie-und Handelskammern.
Nicht zuletzt fehlt in dem FDP-Antrag der vorwärtsdrängende Geist, die fortschrittliche Einstellung. Lassen Sie mich auch sagen: Es fehlt der Wille, die Probleme der Berufsausbildung zu bewältigen, wie er z. B. auch bei der Formulierung und Kommentierung der zehn EWG-Grundsätze zur Berufsausbildung spürbar geworden ist.
All dies veranlaßt uns also, die FDP zu bitten, ihre eigenen Absichten noch einmal zu überprüfen. Den vorliegenden Entwurf lehnen wir jedenfalls ganz entschieden ab, weil wir ihn für antiquiert halten und glauben, daß er einer zukunftorientierten Regelung im Wege steht. Wir Sozialdemokraten werden uns gegen alle Versuche wehren, sich durch unzulängliche Teillösungen im Bereich der Berufsausbildung gewissermaßen um die notwendige Gesamtreform der Berufsausbildung herumzumogeln. Die Leidtragenden wären dabei nicht nur die unmittelbar Betroffenen, nämlich die Lehrlinge, sondern angesichts der Komplexität und der anerkanntermaßen wachsenden Bedeutung der Berufsausbildung für unsere Volkswirtschaft überhaupt letzten Endes wir alle.
All die Fragen im Zusammenhang mit der Berufsausbildung gehen weit über den Bereich der Wirtschaft hinaus. Sie sind mit entscheidend für die soziale Stellung und das Leben des einzelnen ebenso wie für die Gemeinschaft. Deshalb vertreten wir erneut die Forderung, daß die Berufsausbildung endlich zu einer öffentlichen Aufgabe wird.
Dies ist ganz gewiß eine Aufgabe von hohem Rang, die nicht zuläßt, daß sie unter dem Kompetenzstreit zweier Ministerien im Keim erstickt wird. Es ist ganz bemerkenswert, daß heute an Stelle des Herrn Bundesarbeitsministers, der sonst bei diesen Fragen immer anwesend war, der Herr Bundeswirtschaftsminister zu dem ganzen Komplex Stellung genommen hat. Wir können nur hoffen, daß daraus nicht zu schlußfolgern ist, daß darin gewissermaßen eine Vorentscheidung darüber liegt, ob wir dann schließlich doch nur zu einer Novellierung der Gewerbeordnung kommen. Dais wäre jedenfalls zutiefst bedauerlich.
Herr Bundesminister Schmücker hat in diesem Zusammenhang das Haus auch darum gebeten, ihm noch ein wenig Zeit einzuräumen. Daraus ergibt sich die Frage, Herr Minister, ob das bedeutet, daß die Lösung gewissermaßen bis zum Sankt-Nimmerleinstag vor uns hergeschoben werden soll und daß wir in dieser Legislaturperiode nicht mehr damit rechnen können, daß ein solcher Entwurf vorgelegt wird. Es wäre also begrüßenswert, wenn Sie sich dazu äußern würden.
Im übrigen ist es doch zu begrüßen, daß die CDU/ CSU — gegenteilige Erklärungen haben wir bis jetzt nicht gehört — jedenfalls bereit ist, zu dem gemeinsam gefaßten Beschluß dieses Hauses vom Juni 1962 zu stehen. Sie werden uns einräumen, meine Damen und Herren, daß wir mit Recht darauf bestehen müssen, daß die Aufträge, die dieses Haus an die Regierung erteilt, auch ordnungsgemäß erfüllt werden. Das heißt hier in dem speziellen Bereich, daß dem Bundestag gesetzliche Teillösungen erspart bleiben. Insofern ist also durchaus anzuerkennen — das war eben, wie gesagt, noch nicht ganz eindeutig, aber in der Tendenz ist es jedenfalls anzuerkennen daß Herr Wirtschaftsminister Schmücker nicht daran denkt, diese kleine Teillösung, von der er hier sprach, diesem Hause zu empfehlen, sondern daß er, um es einmal mit anderen Worten zu sagen, dieses Haus nach wie vor mit einer großen Lösung konfrontieren wird.
Entscheidend ist aber, daß die Bundesregierung nun endlich den Entwurf eines umfassenden Berufsausbildungsgesetzes vorlegt. Sie erinnern sich, daß wir im Antrag erst den Termin „bis 1. Oktober 1962" stehen hatten. Dann haben die Herren der Koalition gemeint: es soll doch etwas Vernünftiges werden, verlängern wir auf den 1. Februar 1963. — Seitdem ist jetzt wieder ein Jahr vergangen. Wir erwarten also wirklich, Herr Minister, daß uns in aller Kürze — um mit Ihrer eigenen Vorlage zu sprechen, wenn ich auf den Zwischenbescheid Bezug nehmen darf —, tunlichts vor der diesjährigen Sommerpause des Parlaments ein solcher Entwurf vorgelegt wird.
Im übrigen, meine Damen und Herren, ist es nach der Beschlußfassung dieses Hauses im Juni 1962 zu manchen Ungereimtheiten gekommen. Da schrieb z. B. der „Lehrlingswart", die Zeitschrift für die gesamte Berufserziehung im Handwerk, herausgegeben im Auftrage des Deutschen Handwerkskammer-
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tages — wohlgemerkt: eine Zusammenfassung von Anstalten des öffentlichen Rechts in Form einer Dachorganisation — unter dem 15. Februar 1963:
Dieser Plan,
— nämlich ein Berufsausbildungsgesetz vorzulegen —
der aller Vernunft widersprochen hätte, ist erfreulicherweise in Bonn schon an der ersten Hürde hängengeblieben. Der Siebener-Ausschuß der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, dem der Entwurf des Bundesarbeitsministeriums für ein Berufsausbildungsgesetz inzwischen vorgelegen hat, hat sich einmütig dagegen ausgesprochen, die einschlägigen Vorschriften der Handwerksordnung durch die eines allgemeinen Berufsausbildungsgesetzes zu ersetzen.
Meine Damen und Herren, in unserer Kleinen Anfrage vom 26. März. 1963 fragten wir unter 1:
Treffen Berichte zu, wonach der Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung den in Ausführung des Bundestagsbeschlusses vom 20. 6. 1962 erstellten Referentenentwurf eines Berufsausbildungsgesetzes Mitgliedern nur einer Bundestagsfraktion zugestellt hat?
Antwort der Bundesregierung:
Die Berichte treffen nicht zu. Der Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung hat den Referentenentwurf eines Berufsausbildungsgesetzes bisher keiner Bundestagsfraktion zugeleitet, auch nicht einzelnen Abgeordneten.
Findet die Bundesregierung diesen Widerspruch nicht auch ein wenig eigenartig? Wir hätten gerne gehört, welche Erklärung die Bundesregierung dafür anzubieten hat.
Jedenfalls scheint die Bundesregierung in ihrer Wertschätzung gegenüber den Forderungen bestimmter Interessenverbände ein offeneres Ohr zu haben als für die Wünsche und Forderungen des Parlaments. Wie soll man es sich z. B. erklären, daß auf einer öffentlichen Kundgebung des Handwerks im Rahmen des Deutschen Handwerkskammertages im Juli vergangenen Jahres in Hamburg von dem damaligen Bundeswirtschaftsminister, Herrn Professor Ludwig Erhard, in bezug auf ein Berufsausbildungsgesetz wörtlich gesagt wurde:
Ein solches Gesetz ist ein wahrer Unsinn.
Meine Damen und Herren, damit hat dieser leidige Vorgang ganz besondere und bemerkenswerte Formen angenommen. Nicht nur — und insoweit darf ich das in anderer Weise wiederholen — daß dem Willen des Parlaments nicht entsprochen worden ist, daß der Wille des Parlaments strapaziert wurde, sondern nun hat auch noch ein Bundesminister es für angebracht gehalten, den Deutschen Bundestag, der den Beschluß einstimmig gefaßt hatte, in aller Öffentlichkeit herabzusetzen. Ich meine, wir haben alle Veranlassung, uns in diesem Hause dagegen ganz entschieden zur Wehr zu setzen.
Lassen Sie mich bitte abschließend bei allem Respekt dem Herrn Bundeskanzler Ludwig Erhard gegenüber der von ihm gepriesenen Mustergültigkeit unseres Berufsausbildungssystems — Sie, Herr Minister Schmücker, haben das mit anderen Worten heute noch einmal unterstrichen — mit einer sachlichen Kritik begegnen, die, das muß ich hier von vornherein sagen, nicht meine eigene Handschrift trägt, sondern die aus der Feder eines Berufeneren' stammt. Dieser Beitrag ist unlängst veröffentlicht worden. Ich darf zitieren:
Diese Bedingungen — die jungen Menschen in ihrer Lehrzeit auf das vorzubereiten, was sie später in den Betrieben an Arbeits- und Leistungsanforderungen erwartet — werden in der Zukunft nicht die gleichen sein wie heute. Die fortschreitende technische Entwicklung bringt in zunehmendem Maße neue und neuartige Anforderungen mit sich. Wir haben durchaus Veranlassung, die ernste Frage zu stellen, ob unser industrielles Ausbildungssystem den Bedürfnissen der Gegenwart, geschweige denn denen der Zukunft, noch gerecht wird.
Das Schwergewicht des bisher praktizierten industriellen Ausbildungssystems — Ausbildung in anerkannten Lehr- und Anlernberufen — liegt in der Berufsvorbereitung. Die Zielsetzung ist dabei immer noch auf Berufsanforderungen ausgerichtet, wie sie vor einigen Jahrzehnten existierten, als dieses System auf der Grundlage der Jahrhunderte alten Berufsausbildungsordnung des Handwerks entwickelt wurde. Der zum Teil grundlegenden Wandlung der technologischen und soziologischen Bedingungen in Fertigung und Verwaltung, die neue und andersartige Berufsanforderungen mit sich gebracht hat und weiter mit sich bringen wird, ist ausbildungsmäßig nur bedingt Rechnung getragen worden. Ausbildungsziel und Berufspraxis entsprechen in vielen Tätigkeitsbereichen einander kaum noch. Manche Maßnahmen im Bereich der Erwachsenenfortbildung sind, genaugenommen, lediglich Korrekturen einer nicht mehr angepaßten Berufsvorbereitung.
Er sagt dann weiter und kommt damit zum Schluß:
In den . nächsten Jahrzehnten wird auf Grund der stürmischen Industrialisierung die wirtschaftliche und technische Konkurrenzfähigkeit von bisher unterentwickelten Ländern entscheidend wachsen. Diesem Konkurrenzdruck kann von seiten der hochindustrialisierten Länder nur begegnet werden durch die Ausnutzung und Vergrößerung des Bildungs- und Ausbildungsvorsprunges, der noch vorhanden ist und der es allein ermöglicht, in Forschung, Entwicklung und Fertigung jeweils ein Stück voraus zu sein. Unter diesen Erkenntnissen
— so schlußfolgert er —
erhält die Ausbildung vor allem im betrieblichen Bereich eine neue Bedeutung. Ihre Neuorientierung ist daher dringend erforderlich.
Meine Damen und Herren, Sie werden fragen, von
wem diese unbestreitbar sachkundigen Ausführun-
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gen stammen. Diese Feststellungen wurden von Herrn Dr.-Ing. H. Moll getroffen, der Mitglied des Kuratoriums der Firma Krupp, Essen, ist. Ich denke, daß sie in ihrer Eindeutigkeit so für sich sprechen, daß man es sich wirklich ersparen kann, noch etwas hinzuzusetzen, weil sie einfach in ihrer Nüchternheit und ihrem Realismus für gedankliche Höhenflüge keinen Platz mehr lassen.
Meine Herren von der FDP-Fraktion, Sie haben um die Überweisung Ihres Antrags an den Wirtschaftsausschuß — federführend — und zur Mitberatung an den Ausschuß für Arbeit gebeten. Wir beantragen aus grundsätzlichen Erwägungen, den FDP-Antrag an den Ausschuß für Arbeit — federführend — und zur Mitberatung an den Wirtschaftsausschuß zu überweisen.