Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Gestatten Sie, daß ich die Stellungnahme meiner Fraktion zu diesen Gesetzentwürfen mit einem Stoßseufzer beginne, und zwar mit dem Stoßseufzer: endlich! Endlich sind wir so weit, daß wir die erste Lesung im Plenum des Bundestages beginnen und damit die Arbeit an diesen schon seit langem vorgelegten Gesetzentwürfen aufnehmen können. Es ist zwar sehr spät für die Einbringung dieser Gesetzentwürfe im Bundestag, aber hoffentlich noch nicht zu spät, um die Urheberrechtsform in dieser Legislaturperiode noch zu verabschieden. Ich darf für meine Fraktion hier gleich mit aller Klarheit sagen, daß wir gewillt sind, mit allen Kräften den Versuch zu unternehmen, die Reform in dieser Legislaturperiode noch zu verwirklichen.
Dabei muß grundsätzlich davon ausgegangen werden, daß die Bewertung der geistigen Leistungen ohnehin in unserer etwas sehr materialistisch eingestellten Zeit immer mehr in den Hintergrund geraten ist und daß es in unserem deutschen Rechtsleben — möchte ich jetzt einmal etwas überspitzt sagen — kaum ein Rechtsgebiet gibt, auf dem die geltenden Gesetze so sehr von der technischen Entwicklung überholt worden sind, wie gerade das Gebiet des Urheberrechts.
Nun mag man sagen, der Bundesgerichtshof hat auf vielen Gebieten eine Anpassung an die moderne, jetzige Rechtslage versucht; es ist ihm dies in vielen Punkten sicher auch gelungen. Aber vergessen Sie nicht: Richterrecht kann auf einem so wichtigen Rechtsgebiet nicht Gesetzesrecht ersetzen, ganz abgesehen davon, daß wir in unserem Rechtssystem ohnehin in erster Linie vom Gesetzesrecht auszugehen haben und Wert darauf legen müssen, daß ein so wichtiges Rechtsgebiet, auf dem es so viele schwierige Abgrenzungsfragen gibt, auch in einem Gesetzgebungswerk geregelt ist.
Nun fragt sich natürlich jemand, der diese Gesetzentwürfe sieht: Wird es denn möglich sein, das Paket von Gesetzen in dieser Legislaturperiode noch zu verabschieden? Ich möchte das für meine Fraktion ausdrücklich bejahen. Ich glaube, davon ausgehen zu können — aus der Äußerung des Kollegen Deringer habe ich es bereits entnommen, und ich bin davon überzeugt, daß es bei der FDP-Fraktion auch nicht anders sein wird —, daß wir alle miteinander uns darüber einig sind, daß dieses so wichtige Rechtsgebiet noch in dieser Legislaturperiode geregelt werden sollte, und ich möchte hier den Wunsch des Herrn Ministers nachdrücklich unterstreichen.
Vor allem möchte ich mich auch gegen einen Gedanken wenden, der hin und wieder aufgetaucht ist, den Gedanken an ein sogenanntes Vorschaltgesetz. Das ist eine sehr gefährliche Sache bei einem so wichtigen Rechtsgebiet. Was das Gebiet des Urheberrechts betrifft, so ist es schon sehr fraglich, welche wirklich wichtigen Fragen hereingenommen werden
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sollten. Wir könnten möglicherweise sogar in den Verdacht kommen, wenn wir gezielt einzelne Fragen, die von der Rechtsprechung so oder so entschieden worden sind, nun plötzlich gesetzgeberisch und womöglich anders regeln, daß wir den Versuch unternehmen wollten, mit einer gezielten Gesetzgebung in die Rechtsprechung einzugreifen. Daran muß man dabei auch denken. Aber ganz abgesehen davon halte ich ein Vorschaltgesetz einfach deswegen für unzweckmäßig, weil man sich nämlich dann in den kommenden Legislaturperioden auf diesem Ruhekissen ausruhen wird; und da das Haus ohnehin sehr stark belastet ist, wird man sagen: Wir haben ja die wichtigsten Fragen geregelt; jetzt haben wir wieder Zeit. Wir sind es unseren Urhebern in Deutschland eigentlich schuldig, daß wir gerade das nicht tun, sondern daß wir endlich zu einer umfassenden und modernen Regelung des Urheberrechts kommen, ganz abgesehen davon, daß es ja auch notwendig ist, nun endlich der neuesten Fassung des Urheberrechtsabkommens beizutreten; denn wir können das mit Rücksicht auf die Gleichbehandlung unserer Urheber ja nur dann, wenn wir unsere Gesetzgebung diesem Abkommen angeglichen haben. Wir können also die Abkommen auch nicht vorweg verabschieden, sondern wir müssen immer gleichzeitig die innerstaatlichen Bestimmungen mit verabschieden.
Lassen Sie mich jetzt — gerade weil ich von der Möglichkeit der Behandlung in dieser Legislaturperiode gesprochen habe — etwas zur Systematik des Gesetzes sagen. Das Gesetz enthält eine Reihe von urhebervertragsrechtlichen Bestimmungen, die zum Teil wie Herr Kollege Deringer schon sehr eingehend ausführte; ich möchte ihn nicht wiederholen -- in der Öffentlichkeit umstritten sind und die zu zahlreichen Äußerungen beider Seiten Anlaß gegeben haben. Ich erinnere an den sehr umstrittenen § 36, der in einem bewußten Eingriff in den Grundsatz „pacta sunt servanda" über eine Art clausula rebus sic stantibus eine Möglichkeit schaffen will, einen völlig ungerechten Vertrag einer neuen Situation anzupassen. Ein solche Regelung, meine Damen und Herren, wirft sehr schwerwiegende Fragen für unser Rechtssystem auf, und wir werden uns diese Sache sehr, sehr eingehend überlegen müssen.
Eine zweite Bestimmung, die ich in diesem Zusammenhang erwähnen darf, betrifft das Rückrufsrecht wegen gewandelter Überzeugung: § 42. Auch das ist in seinen letzten Auswirkungen noch nicht ganz übersehbar und muß zumindest sehr sorgfältig geprüft werden. Um einem Mißverständnis vorzubeugen, möchte ich sagen, daß ich hier nicht endgültig Stellung zu diesen beiden Bestimmungen nehmen will, und ich möchte auch keineswegs für meine Fraktion erklären, daß wir diese Bestimmungen etwa ablehnen. Ich will nur sagen, daß wir sie sehr sorgfältig prüfen wollen.
Nun erhebt sich die Frage, ob es wirklich zweckmäßig ist, einzelne Bestimmungen des Urhebervertragsrechts in dieses Urheberrechtsgesetz aufzunehmen. Die Regierung selber kündigt nämlich den Entwurf eines Urhebervertragsgesetzes an; sie sagt weiter, daß das Verlagsgesetz als einziges bisher
vorhandenes „Urhebervertragsgesetz" sich bewährt hat. Es wird von der Rechtsprechung weitgehend entsprechend angewandt.
Es ist also die Frage, ob wir uns, wenn wir in Zeitdruck kommen, nicht zweckmäßigerweise überlegen sollten, Bestimmungen, die die Beratungen deshalb aufhalten könnten, weil sie besonders problematisch sind, und die ohnehin später wieder aus dem Gesetz heraus sollen, dem späteren Gesetz vorzubehalten. Denn für unsere Urheber ist das Wichtigste, daß das moderne Urheberrecht verabschiedet wird.
Ein zweites Gebiet ist das Gebiet der Leistungsschutzrechte, vor allem also der Schutz des ausübenden Künstlers, der Schutz der Tonträgerhersteller und der Schutz der Sendeunternehmen. Dieses Gebiet ist mit dem Urheberrecht in einem Gesetz zusammengefaßt, wofür — das möchte ich ausdrücklich betonen — sehr viel spricht, zumal man ja weitgehend auf die Regelung verweisen muß. Aber aus den Kreisen der Urheber wird nicht ganz zu Unrecht eingewandt, daß eine zu enge Zusammenführung dieser beiden Gebiete die Rechtsprechung dazu bringt, die Analogie zwischen den beiden Gebieten noch weiterzutreiben, als es vielleicht richtig wäre. Vor allem besteht eine gewisse Gefahr — sie ist wirklich nicht ganz zu verkennen —, daß durch eine Überspitzung der Leistungsschutzrechte das Urheberrecht selbst gefährdet wird. Daß man das auch im Ausland erkennt, zeigt sich daran, daß man es für notwendig gehalten hat, in den Art. 1 des Internationalen Abkommens über den Schutz der ausübenden Künstler, der Hersteller von Tonträgern und der Sendeunternehmen — das dem Hause noch nicht vorliegt, das aber wohl demnächst vorgelegt werden soll — eine ausdrückliche Bestimmung aufzunehmen, die den Primat des Urheberrechts vor dem Leistungsschutzrecht festlegt.
Diese Regelung, die in einem Abkommen getroffen ist, sollte uns Anlaß geben, hier sehr sorgfältig die Abgrenzung zu suchen und darüber nachzudenken, wie eine Lösung gefunden werden kann, die es auf gar keinen Fall zuläßt, daß etwa das Leistungsschutzrecht das Urheberrecht beeinträchtigt oder gar blockiert. Gewisse Gefahren bestehen hier. Wir werden uns also sehr eingehend mit dieser Regelung befassen müssen.
Das wirft wiederum die Frage auf, ob man, wenn der Bundestag vor der Entscheidung steht, ob er wenigstens noch das Urheberrecht verabschieden sollte, gegebenenfalls das Leistungsschutzrecht einem besonderen Gesetz vorbehalten sollte, um auf diese Weise das Urheberrechtsgesetz von einem Rechtsgebiet zu entlasten, das nicht unbedingt in diesem Gesetz geregelt werden muß.
Eine letzte Frage in diesem Zusammenhang, die auch Kollege Deringer angeschnitten hat, betrifft die Urhebernachfolgevergütung. Hier möchte auch ich mit dem ganz besonderen Nachdruck, mit dem das Herr Kollege Deringer getan hat, der Auffassung des Bundesrates entgegentreten. Der Bundesrat meint: weil es sich hier nicht um eine Frage handele, die den Zusammenhang des Werkes mit dem Urheber betreffe, sei die Gesetzgebungskompetenz des Bundes nicht gegeben. Hier verwechselt der
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Bundesrat das Urheberrecht im subjektiven Sinne mit dem Urheberrecht im objektiven Sinne. Der Bundesrat will die Kompetenz des Bundes für das Urheberrecht auf eine Regelung der Rechtsstellung des Urhebers allein beschränken und übersieht, daß zum Urheberrecht im weitesten Sinne alle Regelungen gehören, die sich irgendwie mit der Nutzung geistigen Eigentums — ganz gleich, ob es geschützt oder nicht geschützt ist — befassen. Ich möchte also für meine Fraktion mit allem Nachdruck sagen, daß wir die Gesetzgebungskompetenz des Bundes für eine Regelung der Urhebernachfolgevergütung in der Form, wie sie in diesem Gesetzentwurf enthalten ist, für durchaus gegeben erachten. Die Frage ist nur, ob die vorgesehene Regelung wirklich schon bis ins letzte ausgegoren ist, ob sie tatsächlich geeignet ist, auf die Dauer gesehen die Urheber wirklich vor Not zu schützen.
Ich möchte in dem Zusammenhang auf zwei Gesichtspunkte hinweisen. Einmal ist es natürlich fraglich, ob man Werke, die schon freigeworden sind, oder gar Werke, die überhaupt nie geschützt waren, nun einfach in ein Vergütungsrecht einbeziehen kann. Ich erinnere daran, daß der französische Weg, der immer als Beispiel angeführt wird, ganz anders ist. Dort ist nämlich die Schutzdauer verlängert worden, und was während der Zeit der verlängerten Schutzdauer an Tantiemen anfällt, wird an die Caisse Nationale des Lettres abgeführt.
Die im Entwurf vorgeschlagene Regelung bringt aber weiter die Gefahr mit sich, daß hier ein gewisser kulturpolitischer Dirigismus einreißt, der gerade auf dem Gebiet der Kunst, der Dichtung usw. doch recht unangenehm wäre. In § 78 ist in den Nummern 1 und 2 von „verdienten Urhebern" die Rede und von der Würdigung ihrer Verdienste. Man fragt sich, wer eigentlich entscheiden soll, wer ein verdienter Urheber im Sinne dieses Gesetzes ist. Das ist ein Rechtsbegriff, der eine Wertung erforderlich macht, die von einer Behörde doch wohl sehr schwer vorgenommen werden kann. Ich zweifle etwas, ob diese Regelung wirklich dem, was gewollt ist, gerecht wird. Wir werden diese Sache also sehr sorgfältig ansehen müssen. Wenn wir vor der Frage stünden — das möchte ich ganz offen sagen —, ob die Verabschiedung des Urheberrechts ausgerechnet an diesem Gebiet scheitern soll, dann würde ich diesen Teil lieber herauslassen und das moderne Urheberrecht verabschieden, um auf diese Weise den Urhebern wenigstens die Rechte zu geben, die sie dringend brauchen.
Lassen Sie mich nur noch ganz kurz auf einige Grundsatzfragen des Urheberrechtsgesetzes selbst eingehen. Ich möchte mich dem Entwurf ausdrücklich darin anschließen, daß er das Wesen des Urheberrechts als eines ursprünglichen Rechts erkennt, das mit der Schöpfung des Werkes entsteht und vom Gesetzgeber nur anerkannt und abgegrenzt zu werden braucht. Der Begriff des geistigen Eigentums, der oft dafür gebraucht wird, den der Gesetzgeber aber erfreulicherweise weitgehend vermeidet, ist deswegen etwas gefährlich, weil er eine Sache, die mit dem Sacheigentum recht wenig zu tun hat, in die Nähe des Sacheigentums bringt. Ich möchte mich
zu der Behauptung versteigen, daß das Urheberrecht eigentlich mehr ist als das übliche Eigentum. Es ist ein Stück der Persönlichkeit selbst. Ein persönlicheres Recht ist kaum mehr denkbar. Ich möchte mich der angemessenen Stellung des Urheberrechts wegen dagegen wehren, daß es allzusehr mit dem Sacheigentum gleichgesetzt wird.
In diesem Zusammenhang erhebt sich für uns die Frage, ob wir nicht auch in Deutschland den Schritt tun sollten, die Schutzdauer für das Urheberrecht zu verlängern. Ich sehe ein, daß man das Urheberrecht nicht permanent vererblich machen kann wie das Sacheigentum, weil hier eben doch die persönliche Bindung an denjenigen, der das Werk geschaffen hat, so eng ist, daß der Nachfolger, je weiter er jedenfalls von dem Urheber weg ist, nicht mehr in der Lage sein wird, dieses Erbe wirklich zu verwalten. Aber ich glaube, daß die jetzige Schutzdauer von 50 Jahren einfach zu kurz ist. Sie führt nämlich dazu, daß die Witwe oder die Kinder des Urhebers, die sich mit der Verwaltung des Werks befassen, häufig noch leben, wenn das Werk frei wird. Wir sollten uns auch hier sehr sorgfältig überlegen, ob wir nicht die Schutzdauer des Urheberrechts wenigstens auf, sagen wir einmal, 80 Jahre verlängern sollten.
Über die Frage der Übertragbarkeit hat Herr Kollege Deringer schon sehr eingehend gesprochen. Ich habe Zweifel, ob das Urheberrecht selbst übertragbar gestaltet werden sollte — so ist es jetzt --, einfach deswegen, weil es sich nicht dazu eignet. Das Urheberrecht ist so stark persönlichkeitsbezogen, daß man es meines Erachtens nicht übertragen kann. Aber es ist sehr fraglich, ob man sich wirklich damit begnügen kann, wie das der Gesetzentwurf tut, daß auch an den Verwertungsrechten nur eine Art nießbrauchähnliches Nutzungsrecht eingeräumt werden kann. Es könnte für den Rechtsverkehr — und es gibt da gewichtige Einwendungen — sehr wesentlich sein, daß wenigstens das Verwertungsrecht übertragbar bleibt. Wir werden also noch eingehende Überlegungen auf diesem Gebiet in den Ausschüssen anstellen müssen.
Das Urheberrecht als absolutes Recht ist wie alle absoluten Rechte in unserem Rechtssystem sozial gebunden. Es ist deswegen außerordentlich bedeutsam, eine wirklich solide, dauerhafte und von allen anerkannte Grenze des Urheberrechts gegenüber den Interessen der Allgemeinheit zu finden.
Ich möchte aber gleich vor einem Irrtum warnen. Interessen der Allgemeinheit brauchen keineswegs immer Interessen der öffentlichen Hand zu sein. Manchmal hat man in der Debatte über das Urheberrecht den Eindruck, daß das immer in den Vordergrund rückt. Die Interessen der Allgemeinheit sind die bildungsmäßigen Interessen des ganzen Volkes an der Erhaltung und an der Weitergabe kulturellen Gutes und nicht so sehr Interessen der öffentlichen Hand an irgendwelchen Vorteilen. Wir sollten uns gerade in dieser Frage nicht so sehr von dem Grundsatz „Keine Arbeit ohne Lohn" entfernen. Kein Mensch wird auf die Idee kommen, daß etwa ein Bauunternehmer, weil das Schulwesen wichtig ist, eine Schule umsonst oder billiger her-
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stellt. Ich möchte einmal hören, welchen Sturm der Entrüstung es hervorrufen würde, wenn jemand das verlangen wollte. Bei dem geistigen Eigentum, bei den geistigen Werken ist man sehr viel schneller dabei, zu sagen: Das ist im Interesse der Öffentlichkeit, und darum mußt du es hier umsonst geben. -
Deswegen wird es sehr wesentlich sein, die Fragen gerade auf diesem Gebiet noch einmal sorgfältig zu erörtern und zu prüfen.
Weil ich, wenn auch indirekt, die Frage der Schulbücher schon gestreift habe, sei noch hinzugefügt: Ich verkenne nicht, daß eine gewisse Gefahr besteht, daß, wenn hier ein Vergütungszwang eingeführt wird, die Verleger von Schulbüchern auf ältere und damit freie Dichter ausweichen, was für die Unterrichtung unserer Jugend auch wieder nicht zweckmäßig wäre. Gerade mit dieser Gegenüberstellung der Gesichtspunkte will ich zeigen, wie komplex all diese Probleme sind.
Wir müssen bei all diesen Regelungen immer wieder im Auge behalten, daß wir der erschreckenden Unterbewertung der geistigen Leistung in unserer heutigen Zeit nachdrücklich entgegentreten müssen. Wir müssen auch hier von dem Grundsatz ausgehen, daß keine Arbeit ohne Lohn geschehen soll und daß einer, der etwas schafft, dafür auch etwas bekommen soll.
Sehr bedenklich ist in diesem Zusammenhang nach Auffassung meiner Freunde auch die gesetzliche Lizenz. Sie ist von Herrn Kollegen Deringer, wie ich mit Erstaunen vernommen habe, bejaht worden. Hier besteht erstens das Bedenken, ob nicht die gesetzliche Lizenz für die Schallplattenhersteller längst von der Entwicklung überholt ist. Auch im Regierungsentwurf will man diese Angelegenheit sehr viel lockerer regeln als bisher. Damit ist schon gezeigt, daß hier die Entwicklung über eine alte Regelung hinweggegangen ist. Ich bin gerade bei dieser Frage für eine besonders sorgfältige Überprüfung der Bestimmungen. Denn eine gesetzliche Lizenz ist doch ein sehr starker Eingriff in die Freiheit des einzelnen Urhebers.
Sehr schwer wird es auch sein, eine gute Abgrenzung gegenüber dem privaten Bereich zu finden. Ich möchte es mir ersparen, all das zu wiederholen, was Herr Kollege Deringer schon über den Tonbandstreit angeführt hat. Gerade er zeigt, wie schwierig es ist, hier eine vernünftige Grenze zu finden. Ich möchte nur dem Gedanken entgegentreten, daß eine Rechtsprechung den Gesetzgeber bei einer völlig neuen Regelung des Urheberrechts hindern könnte, eine andere Regelung zu treffen, als die Rechtsprechung sie aufgrund des alten Rechts entwickelt hat. Hier kann man den Begriff der Enteignung nicht anführen, um den Gesetzgeber in seiner Entscheidungsfreiheit zu behindern. Der Gesetzgeber — das möchten wir mit aller Deutlichkeit sagen — ist hierin frei. Wir machen ein neues Urheberrecht und sind infolgedessen von allen auf der Grundlage des bisherigen Rechts ergangenen Entscheidungen zunächst einmal unabhängig. Daß wir sie weitgehend berücksichtigen werden, gebietet der Respekt vor unseren Gerichten und vor allem vor dem obersten Gericht. Aber daß der Gesetzgeber nicht einmal mehr soll prüfen dürfen, ob nun diese Entwicklung der Rechtsprechung so, wie sie gelaufen ist, mit dem jetzigen und mit dem gewünschten Rechtszustand, wie wir ihn schaffen wollen, wirklich übereinstimmt —, ich glaube, da sollten wir den Vorrang des Gesetzgebers mit aller Deutlichkeit klarstellen.
Damit, meine Damen und Herren, glaube ich die wichtigsten Probleme in aller Kürze behandelt zu haben. Ich darf zum Abschluß die Kollegen aller Fraktionen bitten: Helfen Sie mit uns zusammen, unseren Urhebern möglichst bald Gerechtigkeit durch ein neues, besseres Urheberrecht zu verschaffen.