Herr Präsident, meine Damen und Herren! Von den Ihnen vorliegenden vier Gesetzentwürfen zur Urheberrechtsreform bildet der Entwurf des Gesetzes über Urheberrecht und verwandte Schutzrechte das Kernstück. Mit ihm sollen das Urheberrecht an Werken der Literatur und Kunst sowie die sogenannten verwandten Schutzrechte neu gestaltet werden. Solche sind insbesondere die Rechte der ausübenden Künstler an Darbietungen von Werken sowie die Rechte der Schallplattenhersteller und der Sendeunternehmen.
Der Entwurf des Verwertungsgesellschaftengesetzes regelt die Wahrnehmung von Urheberrechten und verwandten Schutzrechten durch sogenannte Verwertungsgesellschaften wie die Ihnen bekannte GEMA.
Die beiden letzten Entwürfe betreffen Zustimmungsgesetze zu internationalen Abkommen auf dem Gebiet des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte, die einen angemessenen Rechtsschutz der deutschen Urheber und Schutzrechtsinhaber auch außerhalb der Bundesrepublik sicherstellen sollen.
Die Urheberrechtsreform ist ein seit Jahrzehnten angestrebtes großes Gesetzgebungsvorhaben auf einem Rechtsgebiet, das — auch international in seinen Feinheiten nur spezialisierten Fachjuristen vertraut ist. Gleichwohl erfaßt dieses Gesetzeswerk in seinen Auswirkungen weite Lebensbereiche. Es berührt nicht nur die Urheber, d. h, die Schriftsteller, Komponisten und bildenden Künstler, die ausübenden Künstler, wie Musiker und Schauspieler. Seine Ausgestaltung berührt zugleich auch die Interessen aller Kreise, die sich mit der Verwertung der Werke der Urheber, der Darbietungen der ausübenden Künstler und der übrigen geschützten Leistungen befassen, vor allem das Verlagswesen in seinen verschiedenen Sparten wie Buch-, Zeitungs- und Musikverlag, das Bühnenwesen, den Rundfunk, die Schallplattenindustrie, die Filmindustrie, das Kunstgewerbe, das photographische Gewerbe, die Musikvereine, Gastwirte und sonstige Veranstalter öffentlicher Musikdarbietungen sowie nicht zuletzt jeden einzelnen von uns, der sich an den Schöpfungen und Darbietungen von Literatur und Kunst erfreuen will. Es überschneiden sich hier vielfältige Interessen, deren richtige Abgrenzung schwierig ist.
Eine Reform des deutschen Urheberrechts wird seit langem allgemein gefordert. Die geltenden Ur-
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heberrechtsgesetze — das Gesetz betreffend das Urheberrecht an Werken der Literatur und der Tonkunst von 1901 und das Gesetz betreffend das Urheberrecht an Werken der bildenden Künste und der Photographie von 1907 — sind veraltet. Sie berücksichtigen teils gar nicht, teils nur unvollkommen die zahlreichen neuen Möglichkeiten der Vervielfältigung und Wiedergabe, die sich seit dem ersten Jahrzehnt unseres Jahrhunderts für die Werke der Literatur und Kunst durch die stürmische technische Entwicklung insbesondere auf dem Gebiet des Rundfunks und Fernsehens, des Films, der Schallplatte, des Magnettonverfahrens und der photomechanischen Vervielfältigungsverfahren ergeben haben. Zwar hat die Rechtsprechung den Urhebern die wichtigsten Rechte an diesen neuen Verwertungsmöglichkeiten ihrer Werke zuerkannt, so daß fühlbare Lücken im Rechtsschutz der Werkschöpfer vermieden werden konnten. Auch der fortschrittlichsten Rechtsprechung sind hierbei jedoch Schranken gesetzt. Sie bleibt an den veralteten Rahmen der Gesetze gebunden, der eine sachgerechte Abgrenzung der neuen Befugnisse nicht immer ermöglicht, und zum Teil enthalten die bestehenden Gesetze auch ausdrückliche, heute als unbillig empfundene Einschränkungen des Urheberrechts. Darüber hinaus ist es in hohem Maße unbefriedigend und beeinträchtigt die Rechtssicherheit, wenn sich der geltende Rechtszustand durch Richterrecht vom Wortlaut der Gesetze immer weiter entfernt.
Auch im Hinblick auf die fortgeschrittene inter) nationale Rechtsentwicklung ist eine Fortentwicklung des geltenden Rechts erforderlich. Die internationalen Abkommen auf dem Gebiet des Urheberrechts, zu denen Zustimmungsentwürfe vorgelegt werden, sehen zum Teil Rechte vor, die in den bestehenden Urheberrechtsgesetzen nicht gewährt werden oder abweichend geregelt sind. Die wünschenswerte Beteiligung der Bundesrepublik an diesen Abkommen setzt eine entsprechende Angleichung des deutschen Rechts voraus.
Der Entwurf des Urheberrechtsgesetzes beschränkt sich allerdings nicht auf die notwendige Anpassung an die technische Entwicklung und die neuen internationalen Konventionen. Er sieht auch neue Rechte vor, die weder durch die moderne Technik bedingt sind noch bereits international allgemeine Anerkennung gefunden haben. Ich nenne hier besonders das sogenannte Folgerecht der bildenden Künstler, den Vergütungsanspruch für das Vermieten von Vervielfältigungsstücken, insbesondere von Büchern durch Leihbüchereien, sowie die sogenannte Urhebernachfolgevergütung, im internationalen Sprachgebrauch domaine public payant genannt. Mit diesen Neuerungen soll begründeten Wünschen der Urheber entsprochen werden, deren Verwirklichung durch die Urheberrechtsreform seit langem gefordert wird. Das neue Urheberrechtsgesetz, das, wie ich hoffe, wiederum für ein Menschenalter die Grundlage für den Rechtsschutz der geistig Schaffenden bilden soll, darf sich nach Auffassung der Bundesregierung nicht auf eine bloße Modernisierung der bestehenden Gesetze beschränken. Es muß gerade in einer zunehmend materiell eingestellten
Welt die Achtung vor der geistig-schöpferischen Leistung und das Rechtsgefühl für ihre Schutzwürdigkeit stärken und dafür sorgen, daß auch dem Urheber der gebührende Lohn zuteil wird. Der Urheber ist wie jeder andere heute darauf angewiesen, von den Einkünften aus seiner Arbeit zu leben. Das Zeitalter des Mäzenatentums, der Fürsten und reichen Kunstliebhaber, die freigebig Dichtern und Künstlern die Sorge für ihren Lebensunterhalt abnahmen, gehört der Vergangenheit an.
Die Ausgestaltung der neuen Befugnisse lehnt sich großenteils an Vorbilder an, die in einigen modernen ausländischen Urheberrechtsgesetzen schon gegeben sind. Der Gedanke, daß das Recht an Schöpfungen der Literatur und Kunst gleichermaßen schutzwürdig und schutzbedürftig ist wie das Eigentum an Sachgütern, hat seinerzeit von den Kulturländern Europas, namentlich Frankreich und Deutschland, seinen Ausgang genommen, und diese Länder waren es, die stets einer Erweiterung und Vervollkommnung des Schutzes geistiger Schöpfungen die stärksten Impulse gegeben haben. Wir setzen dabei eine gute Tradition fort, wenn wir uns mit der Urheberrechtsreform wiederum in die Reihe der Staaten einfügen, die den Urhebern durch moderne Gesetze einen sachgerechten und wirksamen Schutz gewähren, wie z. B. Frankreich, England und die skandinavischen Staaten.
Da mit der Begründung neuer Rechte der Urheber zwangsläufig für die Verwerter ihrer Werke vermehrte Belastungen entstehen, ist es verständlich, daß die Neuerungen nicht ungeteilte Zustimmung finden. Soweit sie mittelbar zu einer Verteuerung des Kunstgenusses für jeden einzelnen führen können, sind sie vollends unpopulär. Man sollte jedoch bei der notwendigen Abwägung der Interessen stets im Auge behalten, daß die Urheber weitgehend zu den sozial nicht gesicherten Schichten gehören und daß die Förderung der geistigschöpferischen und künstlerischen Menschen gesellschaftspolitisch wichtig ist. Nicht zuletzt ist bei der Einschätzung der öffentlichen Meinung zu Fragen des Urheberrechts auch zu berücksichtigen, daß es sich hier um ein junges, noch in der Entwicklung begriffenes Rechtsgebiet handelt. Der Gedanke, daß das sogenannte geistige Eigentum ebenso eines Rechtsschutzes bedarf wie das Sacheigentum, ist erst wenige hundert Jahre alt. Er hat sich gegenüber der aus Altertum und Mittelalter überkommenen Rechtsüberzeugung, daß Geisteswerke um „Gotteslohn" geschaffen werden und ihre Nutzung jedermann freistehen müsse, nur schrittweise durchsetzen können. Der Gesetzgeber muß daher das Rechtsempfinden für den Schutz, der den Schöpfungen der Urheber gebührt, verfeinern und fortbilden helfen. Auch in den Urheberrechtsgesetzen von 1901 und 1907 wurden neue Befugnisse der Urbeher eingeführt, die in weiten Kreisen der Öffentlichkeit damals unpopulär waren. Ich denke hier besonders an das Aufführungsrecht an Werken der Musik, das vielen als Überspitzung des Urheberrechts galt und für nicht durchsetzbar gehalten wurde, heute jedoch zum gesicherten Bestand des Urheberrechtsschutzes gehört.
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Das Urheberrecht ist ein Individualrecht. Es wird dem Urheber zum Schutz der persönlichen schöpferischen Leistung gewährt, die er mit seinem Werk erbringt. Eine besondere Aufgabe der Urheberrechtsreform muß es sein, diesen Individualcharakter des Urheberrechts in einer Zeit zu wahren, die zunehmend auch auf dem Gebiet des geistigen Schaffens zur Kollektivierung drängt. Aus dieser Haltung tritt der Entwurf allen Versuchen entgegen, die Rechte des Urhebers zugunsten eines Kollektivs zu beschneiden. So lehnt er es ab, für bestimmte Rechte die Wahrnehmung durch eine Verwertungsgesellschaft zwingend vorzuschreiben; er vermeidet es, das Urheberrecht an sogenannten Kollektivwerken, z. B. Filmwerken, Hörspielen und Lexika, an deren Herstellung zahlreiche Urheber mitwirken, unter Ausschluß der Rechte der eigentlichen Verfasser unmittelbar dem organisatorischen und geschäftlichen Leiter, dem „Produzenten" des Werkes, zu gewähren. Der Entwurf hindert die Urheber allerdings nicht daran, freiwillig ihre Rechte einem anderen, insbesondere einer Verwertungsgesellschaft, zur gemeinschaftlichen Wahrnehmung anzuvertrauen. Man würde den Urhebern einen schlechten Dienst erweisen, wollte man ihnen aus allgemeiner Ablehnung von Kollektivierungstendenzen eine solche freiwillige Zusammenfassung ihrer Rechte verbieten. In vielen Fällen ist diese Zusammenfassung zur wirksamen Ausnutzung der Urheberrechte geradezu unentbehrlich.
Nach diesen allgemeinen Bemerkungen über einige grundsätzliche Leitgedanken der Reform 1 möchte ich noch einige Worte über den bisherigen Verlauf der Reformarbeiten sagen, bevor ich zu dem Entwurf des Urheberrechtsgesetzes selbst komme.
Die Arbeiten reichen über 30 Jahre zurück. Nach Veröffentlichung mehrerer privater Entwürfe für ein neues Urheberrechtsgesetz veröffentlichte 1932 das Reichsjustizministerium einen amtlichen Entwurf, der 1933 überarbeitet wurde und später als Grundlage für einen 1939 von der damaligen Akademie für Deutsches Recht herausgegebenen neuen Entwurf diente. Der zweite Weltkrieg unterbrach die Reformarbeiten. Das Bundesjustizministerium nahm sie 1950 wieder auf und veröffentlichte 1954 und 1959 Vorentwürfe des Urheberrechtsgesetzes und — entsprechend einer Anregung aus dem Bundestag — erstmals auch eines Verwertungsgesellschaftengesetzes, aus denen die Ihnen nunmehr vorliegenden Regierungsentwürfe dieser Gesetze nach mehrfacher Anhörung aller Beteiligten hervorgegangen sind.
Der Entwurf des Gesetzes über Urheberrecht und verwandte Schutzrechte, der das zur Zeit in mehreren Gesetzen geregelte Rechtsgebiet des Urheberrechtes einschließlich der verwandten Schutzrechte zusammenfaßt, folgt in Aufbau und Systematik den neuen Erkenntnissen der Urheberrechtswissenschaft.
Der Erste Teil des Entwurfs ist dem Urheberrecht gewidmet. Urheberrechtsschutz besteht für alle Werke auf dem Gebiet der Literatur, Wissenschaft und Kunst. Auf die Qualität der Geistesschöpfung kommt es — wie nach geltendem Recht und auch nach allen ausländischen Urheberrechtsgesetzen — nicht an. Seichteste Unterhaltungslektüre und das, was man Schnulzen nennt, genießen ebenso Urheberrechtsschutz wie die kulturell bedeutenden Werke. Dies mag unbefriedigend erscheinen. Alle Versuche jedoch, eine künstlerische Wertung als Schutzvoraussetzung einzuführen, müßten auf den Irrweg eines Kulturdirigismus führen.
Träger des Urheberrechts ist nach dem Entwurf stets der Schöpfer des Werkes, also der Urheber selbst, nicht sein etwaiger Auftrag- oder Arbeitgeber. Der Urheber wird in seinen persönlichen Beziehungen zum Werk sowie in der Nutzung des Werkes geschützt.
Der Inhalt des Urheberrechts umfaßt dementsprechend persönlichkeitsrechtliche Befugnisse, wie z. B. das Recht, Entstellungen zu verbieten, und vermögensrechtliche Befugnisse, die sogenannten Verwertungsrechte wie das Recht der Vervielfältigung, des Sendens und Aufführens. Zu den vermögensrechtlichen Befugnissen gehören auch das Folgerecht des bildenden Künstlers und der Vergütungsanspruch für das Vermieten von Vervielfältigungsstücken, die ich eingangs bereits als vorzuschlagende Neuerungen erwähnt habe.
Das Folgerecht soll dem Urheber eines Werkes der bildenden Künste, z. B. eines Gemäldes oder einer Plastik, einen Anspruch auf Beteiligung an dem Erlös gewähren, den der Erwerber des Kunstwerkes bei einer späteren Weiterveräußerung erzielt. Ein Kunstwerk bleibt auch nach seiner erstmaligen Veräußerung als Verkörperung der schöpferischen Leistung des Künstlers mit diesem eng verbunden. Diese urheberrechtliche Dauerbeziehung rechtfertigt eine fortdauernde Beteiligung des Künstlers an den Erlösen aus Weiterverkäufen. Diese Erlöse übersteigen häufig wegen der zwischenzeitlichen Wertsteigerungen des Werkes das an den Urheber gezahlte Entgelt um ein Vielfaches, und hierin kommt in aller Regel eine zunehmende Anerkennung der Leistung des Künstlers zum Ausdruck. Der Beteiligungsanspruch soll 1 °/o des Veräußerungserlöses betragen. Er soll bei allen Veräußerungen im geschäftlichen Verkehr geltend gemacht werden können, d. h. bei Veräußerungen auf Kunstauktionen und im Kunsthandel. Dagegen sollen Veräußerungen, die sich unmittelbar zwischen Privatpersonen abspielen, außer Betracht bleiben.
Eine zweite Neuerung: Durch den Vergütungsanspruch für die Vermietung von Vervielfältigungsstücken sollen die Urheber insbesondere an den Einnahmen beteiligt werden, die Leihbüchereien durch das Vermieten von Büchern erzielen. Der Anspruch wird daher auch kurz Bücherei-Tantieme genannt. Im geltenden Recht ist ein solcher Anspruch ausdrücklich ausgeschlossen. Dies erscheint aber unvereinbar mit dem heute allgemein anerkannten Leitgedanken des Urheberrechts, nämlich den Urheber tunlichst an dem wirtschaftlichen Nutzen zu beteiligen, der aus seinem Werk gezogen wird. Die Bücherei-Tantieme soll entsprechend diesem Leitgedanken auf die Fälle beschränkt sein, in denen die Vermietung Erwerbszwecken dient. Öffentliche Bibliotheken werden daher von der Regelung nicht betroffen.
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) Während die geltenden Gesetze die Verwertungsrechte des Urhebers abschließend aufzählen, geht der Entwurf davon aus, daß dem Urheber, soweit das Gesetz keine Einschränkungen vorsieht, für seine Werke jede denkbare Verwertungsmöglichkeit vorbehalten ist. Die genannten Verwertungsrechte werden nur als Beispiele angeführt. Ergeben sich in der Zukunft durch weitere technische Fortschritte neue Verwertungsarten, so unterliegen auch diese ohne weiteres dem umfassenden Recht des Urhebers.
Das Urheberrecht soll nach dem Entwurf in seiner Gesamtheit zwar vererblich, jedoch nicht unter Lebenden übertragbar sein. Dies erscheint im Hinblick auf den untrennbar mit der Person des Urhebers verbundenen persönlichkeitsrechtlichen Gehalt geboten und entspricht im Ergebnis dem geltenden Recht. Der Urheber kann jedoch einem anderen die wirtschaftliche Auswertung seines Werkes durch Einräumung von Nutzungsrechten überlassen. Für derartige Nutzungsverträge sieht der Entwurf gewisse Auslegungsregeln zum Schutz des Urhebers und in einigen Fällen auch unabdingbare Schutzbestimmungen vor. Das erscheint deshalb gerechtfertigt, weil beim Abschluß von Nutzungsverträgen auch heute noch in der Regel der Urheber der weniger geschäftsgewandte Partner ist. Diese Schutzbestimmungen sind mit der Behauptung angegriffen worden, sie störten das Vertrauensverhältnis zwischen dem Urheber und seinem Vertragspartner, insbesondere seinem Verleger. Ich halte diese Angriffe für unberechtigt. Die Schutzvorschriften sollen nur für Fälle krasser objektiver Unbilligkeit gewisse bescheidene Mindestrechte des Autors sichern, Mindestrechte, für die die Verleger gerade im Hinblick auf das Vertrauensverhältnis zwischen ihnen und dem Autor Verständnis zeigen sollten.
Besonders gilt dies für die Vorschrift, nach der der Urheber von seinem Vertragspartner eine nachträgliche Beteiligung an unerwartet hohen Nutzungserträgen verlangen kann, wenn diese in auffälligen Mißverhältnis zu der Vergütung stehen., die der Urheber für die Einräumung des Nutzungsrechts erhalten hat. Dabei ist z. B. an den Fall gedacht, daß ein Verleger das Werk eines jungen, unbekannten Autors für eine geringe Vergütung erworben hat und dieses Werk dann unerwartet zu einem Bestseller wird. Der Beteiligungsanspruch ist auf die seltenen Ausnahmefälle beschränkt, in denen Leistung und Gegenleistung nachträglich so völlig außer Verhältnis geraten, daß objektiv ein wucherähnlicher Tatbestand eintritt. Es ist nicht einzusehen, inwiefern ein an so strenge Voraussetzungen gebundener Anspruch das Vertrauensverhältnis zwischen Autor und Verleger beeinträchtigen könnte.
Wie jedes absolute Recht ist auch das Urheberrecht sozial gebunden. Die angemessene Abgrenzung der Rechte des Urhebers gegenüber den berechtigten Interessen der Allgemeinheit an freiem Zugang zu den Kulturgütern gehört zu den schwierigsten Fragen der Reform. Die Schranken des Urheberrechts, die in den geltenden Gesetzen vorgesehen sind, gehen sehr weit und entsprechen zum
Teil nicht mehr den heutigen Anschauungen. Auf der anderen Seite ergeben sich aus der im Entwurf vorgesehenen Erweiterung der Rechte des Urhebers und aus den vielfachen neuen Nutzungsmöglichkeiten, die durch die moderne Technik entwickelt worden sind, zahlreiche neue Berührungspunkte und Überschneidungen mit schutzwürdigen Belangen der Allgemeinheit, die neue Abgrenzungen erforderlich machen.
Als ein allgemeiner Grundsatz hierfür kann gelten, daß der Urheber insbesondere dort freien Zugang zu seinen Werken gewähren muß, wo dies der Förderung der geistigen und kulturellen Werte dient, die Grundlage für sein Schaffen sind. Nicht gerechtfertigt erscheinen dagegen Einschränkungen zur Erfüllung von Aufgaben, die keine engere Beziehung zur Arbeit des Urhebers haben, wie etwa Sozialfürsorge, Jugendpflege und Wohltätigkeit. Die Kosten für solche Aufgaben sind von allen Bevölkerungskreisen gemeinsam zu tragen. Es wäre unbillig, insoweit den Urhebern durch Beschneidung ihrer Rechte Sonderopfer aufzuerlegen.
Eine wichtige Grenze für Einschränkungen des Urheberrechts bildet ferner der schon erwähnte Grundsatz, daß der Urheber tunlichst an dem wirtschaftlichen Nutzen zu beteiligen ist, der aus seinem Werk gezogen wird. Das Urheberrecht darf deshalb keinen Einschränkungen unterliegen, die lediglich dem wirtschaftlichen Interesse einzelner Werknutzer dienen. Es muß aber auch vermieden werden, daß eine im Allgemeininteresse gebotene Einschränkung mittelbar zu einer nicht gerechtfertigten Begünstigung derartiger wirtschaftlicher Einzelinteressen führt. In solchen Konfliktslagen erscheint es angebracht, zwar den Verbotscharakter der betreffenden Urheberrechtsbefugnis einzuschränken, dem Urheber aber einen Anspruch auf angemessene Vergütung für die Benutzung seines Werkes zu belassen.
Es würde zu weit führen, wenn ich die vorgesehenen Schranken des Urheberrechts einzeln anführen wollte. Sie dienen z. B. der Erleichterung des Schulunterrichts durch Gestattung der Aufnahme von Werken in Sammlungen für den Unterrichtsgebrauch und durch Freigabe der kurzfristigen Tonbandaufzeichnung von Schulfunksendungen, ferner der ungehinderten Unterrichtung der Öffentlichkeit über Tagesereignisse durch Freigabe des Nachdrucks aktueller Vorträge und Zeitungsberichte sowie der Freiheit des geistigen Schaffens durch Zitatrecht und Vertonungsfreiheit.
Am meisten diskutiert worden ist bisher wohl die Frage, inwieweit Vervielfältigungen zum persönlichen Gebrauch vom Recht des Urhebers freigestellt werden sollen. Die geltenden Gesetze geben ihrem Wortlaut nach die Vervielfältigung zum persönlichen Gebrauch uneingeschränkt frei. Dem früheren Gesetzgeber standen allerdings hierbei nur die zu Beginn unseres Jahrhunderts bekannten Vervielfältigungsverfahren vor Augen, in erster Linie das handschriftliche Kopieren von Schriftwerken und Noten. Im Hinblick darauf hat der Bundesgerichtshof die geltende gesetzliche Regelung einschränkend dahin ausgelegt, daß sie auf das mo-
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derne Verfahren der Tonbandvervielfältigung keine Anwendung findet, mit dem erstmals im privaten Bereich einfach und billig Vervielfältigungsstücke hergestellt werden können, die den gewerblich hergestellten Schallplatten fast oder ganz gleichwertig sind. Unter Berücksichtigung der vom Bundesgerichtshof hierbei zutreffend hervorgehobenen wesentlichen Unterschiede sah auch der Regierungsentwurf des Urheberrechtsgesetzes ursprünglich eine Sonderregelung für private Tonbandvervielfältigungen vor: Das Mitschneiden von Rundfunksendungen und das Überspielen geschützter Werke im privaten Bereich sollte zwar künftig ebenfalls ohne Erlaubnis des Urhebers zulässig sein; der Urheber sollte jedoch hierfür eine angemessene Vergütung verlangen können. Wie Sie wissen, hat der Bundesrat die Streichung dieses Vergütungsanspruchs vorgeschlagen, weil er Bedenken trug, einen Anspruch zu gewähren, der an Vorgänge im privaten Bereich anknüpfe und deshalb nicht durchsetzbar erscheine. Die Bundesregierung hat diesen Bedenken Rechnung getragen und dem Streichungsvorschlag zugestimmt. Vervielfältigungen zum Privatgebrauch sollen demnach allgemein nunmehr erlaubnis- und vergütungsfrei sein.
Neben der Vervielfältigung zum privaten Gebrauch läßt der Entwurf in gewissem Umfang auch Vervielfältigungen zum sogenannten sonstigen eigenen Gebrauch zu. So sollen insbesondere Wirtschaftsunternehmen, wissenschaftliche institute und Behörden zur schnelleren und besseren Unterrichtung ihrer Angestellten und Beamten einzelne Fotokopien oder Mikrokopien aus Fachzeitschriften und Büchern ohne Urhebererlaubnis herstellen dürfen. Solche Vervielfältigungen sind heute bereits weitgehend üblich und angesichts der Zunahme des Fachschrifttums zu einem unentbehrlichen Hilfsmittel für Wirtschaft und Wissenschaft geworden. Der Entwurf will sich dieser Entwicklung nicht entgegenstellen. Allerdings soll, soweit die Vervielfältigung gewerblichen Zwecken dient, dem Urheber eine angemessene Vergütung zu zahlen sein. Dies entspricht dem Grundsatz der Beteiligung des Urhebers an dem wirtschaftlichen Nutzen, der aus seinem Werk gezogen wird.
Besonders erwähnen möchte ich schließlich die vorgesehene Einschränkung des Urheberrechts bei öffentlichen Musikaufführungen. Der Entwurf ist hier zurückhaltender als das geltende Recht. Öffentliche Musikaufführungen sollen grundsätzlich nur in den Fällen erlaubnis- und vergütungsfrei sein, in denen die Veranstaltung keinem Erwerbszweck dient, den mitwirkenden Künstlern keine besondere Vergütung gezahlt wird und die Teilnehmer an der Veranstaltung ohne Entgelt zugelassen werden. Darüber hinaus ist nur noch für kirchliche Veranstaltungen eine Sonderregelung vorgesehen. Sie sollen zwar uneingeschränkt erlaubnisfrei sein, der Urheber soll jedoch für sie stets eine angemessene Vergütung erhalten. Diese Regelung entspricht einer Anregung der Kirchen, die selber an einer angemessenen Entlohnung der Urheber von Kirchenmusik interessiert sind und hier wirklich mit einem sehr guten Beispiel vorangehen.
Die geltenden Gesetze sehen noch einige weitere Beschränkungen des Musikaufführungsrechts vor, insbesondere bei Volksfesten und Wohltätigkeitsveranstaltungen. Diese Einschränkungen übernimmt der Entwurf nicht. Echte, nicht kommerziellen Zwekken dienende Volksfeste gibt es heute kaum noch. Auf dem Oktoberfest und beim Karneval z. B. werden Millionenbeträge verdient; den Urheber von einer Beteiligung an diesen Verdienstmöglichkeiten auszuschließen, läßt sich nicht rechtfertigen. Auch das Privileg zugunsten der Wohltätigkeitsveranstaltungen erscheint nicht mehr zeitgemäß. Zum Wesen der Wohltätigkeit gehört es, daß sie freiwillig geübt wird. Allein den Urheber gesetzlich zur Wohltätigkeit zu verpflichten, widerspricht dem Rechtsempfinden.
Soweit der Entwurf danach gegenüber dem geltenden Recht gewisse Einengungen der Aufführungsfreiheit vorsieht, hat dies jedoch, wie ich hervorheben möchte, nur Bedeutung für öffentliche Musikveranstaltungen. Nichtöffentliche Musikaufführungen sollen nach wie vor zulässig bleiben, insbesondere Darbietungen beim Unterricht, sowie solche Musikveranstaltungen kleinerer Vereine oder Betriebe, bei denen sich die Teilnehmer persönlich kennen.
Zu den Schranken, die dem Urheberrecht im Interesse der Allgemeinheit gezogen sind, gehört im weiteren Sinne auch die Befristung des Urheberrechtsschutzes. Das Urheberrecht soll nach dem Entwurf wie im geltenden Recht 50 Jahre nach dem
Tode des Urhebers erlöschen. Abweichend vom geltenden Recht soll jedoch nach Ablauf dieser Schutzfrist die Verwertung der Werke nicht mehr völlig frei sein.
Der Entwurf sieht, gewissermaßen als Nachwirkung des individuellen Urheberrechts, die Einführung der schon erwähnten Urhebernachfolgevergütung vor, die für die Verwertung aller nicht mehr geschützten Werke zu zahlen sein soll. Die Vergütung soll ein Zehntel des Entgelts betragen, das üblicherweise der Urheber während der Laufzeit seines Rechts erhält. Der Ertrag der Vergütung soll einer privatrechtlichen Stiftung zufließen, dem Urheberfonds, der ihn für Ehrensolde an hilfsbedürftige Urheber und ihre Hinterbliebenen sowie zur Förderung begabter Urheber verwendet. Mehrere Staaten, darunter Italien und Frankreich, haben diesen Grundsatz in ihren Gesetzen bereits verwirklicht. Der Vorschlag, die Nachfolgevergütung bei uns einzuführen, ist, wie viele Neuerungen, verständlicherweise umstritten. Insbesondere der Bundesrat hat der vorgesehenen Regelung widersprochen, allerdings nicht, weil er das mit ihr verfolgte Ziel mißbilligt, .sondern weil seiner Ansicht nach dem Bund keine Gesetzgebungskompetenz insoweit zustehe. Die Bundesregierung hält diese Bedenken nicht für begründet. Indessen verkennt sie nicht, daß das mit der Nachfolgevergütung verfolgte Ziel nur unter maßgeblicher Mitwirkung der Länder erreicht werden kann. Der Entwurf überläßt daher die Errichtung des Urheberfonds sowie die nähere Ausgestaltung des Verteilungsverfahrens den Ländern. Da der Bundesrat ungeachtet der erwähnten
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verfassungsrechtlichen Bedenken es im Grundsatz als begrüßenswert anerkennt, zusätzliche Mittel für eine Förderung und Unterstützung der Urheber bereitzustellen, hofft die Bundesregierung, daß die Länder ihre Mithilfe bei der Verwirklichung der vorgesehenen Regelung nicht versagen werden, sofern dieses Hohe Haus der Regierungsvorlage zustimmt. Die für eine Verstärkung der Künstlerhilfe erforderlichen Mittel durch Gewährung zivilrechtlicher Rechtsansprüche aus der Nutzung freier Werke aufzubringen, erscheint würdiger und zugleich gesicherter als etwa eine Bereitstellung zusätzlicher öffentlicher Gelder für diesen Zweck. Eine Künstlerhilfe aus jährlich neu zu bewilligenden Haushaltsmitteln ist leicht mit dem Odium des Almosens behaftet, was gerade hier vermieden werden sollte.
Soviel zur vorgesehenen Neuregelung des Urheberrechts. In dem zweiten Teil behandelt der Entwurf die sogenannten verwandten Schutzrechte. Solche Schutzrechte sollen in Einklang mit der internationalen Entwicklung insbesondere den ausübenden Künstlern, den Schallplattenherstellern und den Sendeunternehmen gewährt werden. Besondere Bedeutung kommt dem Schutz der ausübenden Künstler zu. Nach den geltenden Gesetzen genießen die ausübenden Künstler, sofern ihre Darbietungen auf Schallplatten oder Tonbänder aufgenommen ,sind, den gleichen Schutz wie die Urheber. Diese Gleichstellung der ausübenden Künstler mit den Urhebern, die allgemein als systematisch verfehlt angesehen wird, gibt der Entwurf auf. So wichtig die Leistung der ausübenden Künstler ist, die vielen Werken, besonders den Musikwerken, erst Leben und Wirkung verleiht, — die nachschaffende Tätigkeit des Interpreten ist etwas anderes als die schöpferische Tätigkeit des Urhebers. Der Entwurf sieht deshalb wie für alle verwandten Schutzrechte auch für den Schutz der ausübenden Künstler eine klare Abgrenzung zum Urheberrecht vor und bemißt diesen Schutz enger als den Urheberrechtsschutz. Dabei war zugleich darauf Bedacht zu nehmen, daß die Urheber in der Auswertung ihrer Werke durch die Rechte der ausübenden Künstler nicht unangemessen behindert werden. So sollen insbesondere die ausübenden Künstler für die öffentliche Wiedergabe ihrer auf Schallplatten aufgenommenen oder im Rundfunk gesendeten Darbietungen kein Verbotsrecht, sondern nur einen Anspruch auf angemessene Vergütung erhalten. Die Dauer ihrer Rechte soll auf 25 Jahre beschränkt sein.
Der Dritte Teil des Entwurfs befaßt sich mit dem Filmrecht. Der Entwurf sieht hier zugunsten des Produzenten Auslegungsregeln für den Erwerb der erforderlichen Nutzungsrechte und gewisse Einschränkungen der Rechte der Filmurheber und mitwirkenden ausübenden Künstler vor. Dadurch soll mit Rücksicht auf die hohen Produktionskosten und die große Zahl der an der Herstellung eines Filmwerks beteiligten Personen die Auswertung erleichtert werden. Dem Wunsch der Filmindustrie, das Urheberrecht am Film unmittelbar dem Produzenten zuzuerkennen, entspricht der Entwurf allerdings nicht. Urheberrechte sollen, wie schon zu Beginn gesagt, nur in der Person des Werkschöpfers entstehen. Jedoch sieht der Entwurf ein eigenes Leistungsschutzrecht des Filmproduzenten vor.
Ich komme nun zu dem Entwurf des Verwertungsgesellschaftengesetzes. Die Vorlage dieses Gesetzentwurfs entspricht einer Anregung aus dem Bundestag, die schon in der ersten Wahlperiode anläßlich einer Großen Anfrage über die GEMA gegeben wurde. Die GEMA, die die Rechte der Komponisten, Textdichter und Musikverleger wahrnimmt, ist die älteste und größte zur Zeit bestehende Verwertungsgesellschaft. Entsprechende Gesellschaften sind auch für die Wortautoren sowie für die ausübenden Künstler und die Schallplattenhersteller entstanden. Die Verwertungsgesellschaften, die jeweils die Rechte an bestimmten Gattungen geschützter Werke oder Leistungen zu einheitlicher Auswertung zusammenfassen, sind nicht nur nützliche, sondern sogar unentbehrliche Einrichtungen. Sie dienen den berechtigten Interessen der Urheber und Leistungsschutzberechtigten, die ja einzeln zu einer Wahrnehmung ihrer Rechte überhaupt nicht in der Lage wären und sich deshalb in Verwertungsgesellschaften, die treuhänderisch für sie tätig sind, zusammenschließen müssen; andererseits liegt die Zusammenfassung der Verwertungsrechte gleicher Art in der Hand einer solchen Gesellschaft auch im Interesse der Werknutzer, insbesondere der Musikveranstalter. Gastwirte z. B., die ihre Gäste mit Schallplattenoder Rundfunkmusik unterhalten wollen, sind nicht an der Befugnis zur öffentlichen Wiedergabe eines einzelnen Musikwerkes interessiert, sondern benötigen die Wiedergaberechte für möglichst alle hier in Frage kommenden Musikstücke. Die GEMA ermöglicht es, diese Rechte durch Abschluß eines einzigen Vertrages kostensparend pauschal, also für ein ganzes Musikrepertoire, zu erwerben. Entsprechendes gilt für die anderen Verwertungsgesellschaften.
So notwendig und nützlich die Verwertungsgesellschaften für alle Beteiligten somit sind, darf nicht übersehen werden, daß die Möglichkeit der Verfügung über eine Vielzahl gleichartiger Rechte ein Monopol gewährt, das auch mißbraucht werden kann. Um solchen Mißbräuchen zu begegnen, sieht der Entwurf für die Tätigkeit der Verwertungsgesellschaften eine Erlaubnispflicht vor und unterstellt sie einer auf ihre Aufgaben zugeschnittenen Staatsaufsicht. Die Verwertungsgesellschaften sollen außerdem einem Wahrnehmungszwang und einem Abschlußzwang unterworfen werden, d. h. sie sollen verpflichtet sein, alle zu ihrem Tätigkeitsbereich gehörenden Rechte auf Verlangen der Rechtsinhaber wahrzunehmen und jedermann die wahrgenommenen Rechte zu angemessenen Bedingungen zur Verfügung zu stellen. Über die hierfür geforderten Vergütungen sollen Tarife aufgestellt und veröffentlicht werden. Bei der Tarifgestaltung soll auf religiöse, kulturelle und soziale Belange der Werknutzer angemessene Rücksicht genommen werden. Ferner sind zugunsten der Urheber und Leistungsschutzberechtigten Schutzbestimmungen vorgesehen, die eine gerechte Verteilung der eingezogenen Vergütungen durch die Verwertungsgesellschaften sicherstellen sollen.
Abschließend nur noch wenige Worte zu den Zustimmungsgesetzen:
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Mit dem Entwurf des Gesetzes über die Brüsseler Fassung der Berner Übereinkunft soll der Beitritt der Bundesrepublik zu der 1948 in Brüssel beschlossenen Neufassung der bedeutendsten internationalen Urheberrechtskonvention ermöglicht werden.
Der Entwurf des Gesetzes über das Europäische Abkommen zum Schutz von Fernsehsendungen sieht die Zustimmung zu einem von der Bundesregierung bereits 1960 unterzeichneten Abkommen vor, das den Austausch von Fernsehprogrammen zwischen den europäischen Rundfunkanstalten erleichtern soll.
In den Zusammenhang der Urheberrechtsreform gehört schließlich der Entwurf eines Zustimmungsgesetzes zu einem weiteren internationalen Abkommen, das im Oktober 1961 in Rom unterzeichnet worden ist und den internationalen Schutz der ausübenden Künstler, der Hersteller von Tonträgern und der Sendeunternehmen vorsieht. Die Bestimmungen des Abkommens stehen in Einklang mit der im Enwurf des Urheberrechtsgesetzes für die verwandten Schutzrechte vorgesehenen Regelung. Der Entwurf dieses Zustimmungsgesetzes wird dem Hohen Hause noch vorgelegt werden.
Aus dem Überblick über die Entwürfe zur Urheberrechtsreform werden Sie ersehen haben, daß dieses Reformvorhaben eine große Zahl von Problemen aufwirft, um deren ausgewogene Lösung sich die Vorlage bemüht. Die Bundesregierung hofft, daß es trotz der starken Belastung des Hohen Hauses gelingen möge, die Urheberrechtsreform noch in dieser Wahlperiode zu verabschieden.
Um eine zügige Behandlung bitte ich das Hohe Haus vor allem aus folgenden Gründen:
Wie ich bereits erwähnt habe, ist es eines der wesentlichen Ziele der Reform, durch Anpassung des deutschen Urheberrechts an die fortgeschrittene internationale Entwicklung den Beitritt der Bundesrepublik zur Brüsseler Fassung der Berner Übereinkunft zu ermöglichen. Deutschland gehört zu den Mitbegründern dieser Konvention aus dem Jahre 1886 und zählte bisher stets zu den Ländern, die Neufassungen alsbald ratifizierten. Die Brüsseler Fassung stammt aus dem Jahre 1948, und es haben bereits die Vorarbeiten für die nächste Revisionskonferenz begonnen, die 1967 in Stockholm stattfinden soll. Zur Wahrung des deutschen Ansehens sollte nach Möglichkeit vermieden werden, daß die Bundesrepublik Deutschland erstmals an einer Revisionskonferenz teilnehmen müßte, ohne sein Urheberrecht der neuesten Fassung der Übereinkunft angeglichen zu haben.
Außerdem erscheint es mir als besonders dringlich, durch das Verwertungsgesellschaftengesetz eine Rechtsgrundlage für die Beaufsichtigung der urheberrechtlichen Verwertungsgesellschaften zu schaffen, zumal da die GEMA, die sich 1952 freiwillig einer gewissen Aufsicht durch das Bundesjustizministerium unterstellt hatte, die hierüber getroffene Vereinbarung kürzlich widerrufen hat.
Für die Gerichte bedeutet es eine kaum noch tragbare Belastung, wenn die Beurteilung der neuen technischen Sachverhalte auf dem Gebiet des Urheberrechts weiterhin ihrer Rechtsprechung überlassen wird.
Vor allem aber ist es nach meiner Auffassung sozialpolitisch nicht zu verantworten, den Geistesschaffenden, besonders den Schriftstellern und bildenden Künstlern, noch länger die mit der Neuordnung des Urheberrechts verbundenen Rechtsvorteile vorzuenthalten, Rechtsvorteile, die ihnen eine gebührende rechtliche und wirtschaftliche Anerkennung ihrer schöpferischen Leistung sichern sollen.