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ID0409620300

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    Deutscher Bundestag 96. Sitzung Bonn, den 14. November 1963 Inhalt: Abg. Mischnick — stellvertretendes Mitglied des Wahlprüfungsausschusses . . 4367 A Fragestunde (Drucksache IV/1614 [neu]) Frage des Abg. Seuffert: Lärmbelästigung beim Flugplatz Schleißheim Hopf, Staatssekretär 4367 B, D, 4368 A, B Seuffert (SPD) 4367 D Ertl (FDP) 4368 A Mertes (FDP) . . . . . . . . 4368 A, B Frage des Abg. Dr. Steinmetz: Rechtsunwirksame Beförderungen in der früheren deutschen Wehrmacht Hopf, Staatssekretär 4368 C, D Dr. Steinmetz (CDU/CSU) . . . 4368 D Frage des Abg. Dr. Kohut: Unbewohnte Einfamilienhäuser in Wahn Dr. Dollinger, Bundesminister . 4369 A, B, C Dr. Kohut (FDP) . . . . . . . 4369 B, C Fragen des Abg. Dr. Aigner: Luitpold-Hütte in Amberg Dr. Dollinger, Bundesminister . . . 4369 C, 4370 B, C, D, 4331 A, C, D, 4372 A Dr. Aigner (CDU/CSU) . . . . 4370 A, B, 4371 A, B, 4372 A Frage des Abg. Dr. Eppler: Aktion Deutsch-Französische Freundschaft von Hase, Staatssekretär . . , 4372 B, C, D 4373 A Dr. Eppler (SPD) 4372 B Dr. Schäfer (SPD) 4372 C Dr. Mommer (SPD) 4372 C, D Frau Meermann (SPD) 4373 A Frage des Abg. Kaffka: Mit Moslems verheiratete deutsche Frauen Dr. Carstens, Staatssekretär . , 4373 B, C, D, 4374 A, B Kaffka (SPD) 4373 C Dr. Schäfer (SPD) 4373 C Jahn (SPD) 4373 D Dr. Rinderspacher (SPD) . . . . 4374 A, B Frage des Abg. Welslau: Einkommen einer Arbeitnehmerfamilie mit drei Kindern Blank, Bundesminister 4374 C II Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 96. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 14. November 1963 Frage des Abg. Welslau: Eigenheimerwerb einer Arbeitnehmerfamilie mit drei Kindern bei 700 DM Einkommen Lücke, Bundesminister . 4374 D, 4375 A, C Welslau (SPD) 4375 A Dr. Schäfer (SPD) 4375 B, C Dr. Aigner (CDU/CSU) . . . . 4375 D Frage der Abg. Frau Meermann: Verteilung der Mappe „Schwarz auf Weiß" Lücke, Bundesminister . . 4375 D, 4376 A Frau Meermann (SPD) . . 4375 D, 4376 A Frage des Abg. Dröscher: Uranerz-Verarbeitung im Steinautal Lenz, Bundesminister 4376 B, C Dröscher (SPD) 4376 B, C Frage des Abg. Dröscher: Verfälschtes Eigelb Frau Dr. Schwarzhaupt, Bundesminister . 4376 D, 4377 A, B, C Dröscher (SPD) . . . . 4376 D, 4377 A Dr. Roesch (SPD) 4377 A, B Frau Dr. Kiep-Altenloh (FDP) . 4377 B, C Frage des Abg. Folger: Bittere Mandeln Frau Dr. Schwarzhaupt, Bundesminister . . . 4377 C, 4378 A Folger (SPD) . . . . . . . . . 4378 A Frage des Abg. Dröscher: Signalanlagen innerhalb von Ortsdurchfahrten Dr. Dahlgrün, Bundesminister 4378 B, C, D, 4379 A Dröscher (SPD) 4378 C, D Fragen des Abg. Seidel (Fürth):: Verlegung amerikanischer Anlagen aus dem Langwassergebiet der Stadt Nürnberg Dr. Dahlgrün, Bundesminister . 4379 A, C Seidel (Fürth) (SPD) 4379 B, C Entwurf eines Sechsten Gesetzes über die Anpassung der Renten aus den gesetzlichen Rentenversicherungen sowie über die Anpassung der Geldleistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung (Sechstes Rentenanpassungsgesetz — 6. RAG) (Drucksache IV/1584) — Erste Beratung —; in Verbindung mit dem Bericht der Bundesregierung über die Entwicklung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit und der Produktivität sowie die Veränderungen des Volkseinkommens je Erwerbstätigen und über die Finanzlage der gesetzlichen Rentenversicherungen (Sozialbericht 1963) (Drucksache IV/1486) Blank, Bundesminister 4379 D Dr. Franz (CDU/CSU) 4381 D Dr. Schellenberg (SPD) 4384 B Spitzmüller (FDP) 4387 A Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Einkommensteuergesetzes (Abg. Dr. Burgbacher, Scheppmann, Arendt [Wattenscheid], Dr. Aschoff u. Gen.) (Drucksache IV/1555) — Erste Beratung — 4390 A Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Einkommensteuergesetzes (SPD) (Drucksache IV/1567) — Erste Beratung —; in Verbindung mit dem Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Einkommensteuergesetzes (SPD) (Drucksache IV/1568) — Erste Beratung — und dem Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Körperschaftsteuergesetzes (SPD) (Drucksache IV/1569) — Erste Beratung — Seuffert (SPD) 4390 B Dr. Dahlgrün, Bundesminister . . 4394 B Dr. Artzinger (CDU/CSU) . . . 4397 A Dr. h. c. Dr.-Ing. Möller (SPD) . . 4400 D Dr. Imle (FDP) . . . . . . . 4403 D Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Bundesentschädigungsgesetzes (2. ÄndG-BEG) (Drucksache IV/1550) — Erste Beratung —; in Verbindung mit dem Entwurf eines Dritten Gesetzes zur Änderung des Bundesrückerstattungsgesetzes (Drucksache IV/1549) — Erste Beratung — Dr. Dahlgrün, Bundesminister . . . 4406 B, 4423 A Dr. Böhm (Frankfurt) (CDU/CSU) . 4411 C Hirsch (SPD) 4418 A Dr. Kohut (FDP) . . . . . . . 4424 C Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 96. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 14. November 1963 III Entwurf eines Gesetzes über Umstellung der Abgaben auf Mineralöl (Drucksache IV/1473); Schriftlicher Bericht des Finanzausschusses (Drucksachen IV/1613, zu IV/ 1613) — Zweite und dritte Beratung — Dr. Bleiß (SPD) . . . . 4427 A, 4433 B Drachsler (CDU/CSU) . . . . . . 4429 C Dr. Imle (FDP) . . . . . . . . 4431 D Dr. Eppler (SPD) . . . . 4434 A, 4435 B Dr. Stecker (CDU/CSU) . . . . . 4434 D Mertes (FDP) . . . . . . . . . 4435 C Antrag betr. Vorlage des Entwurfs eines Gesetzes zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung (SPD) (Drucksache IV/ 1494) Dr. Lohmar (SPD) . . . 4436 A, 4447 D Dr. Hahn (Heidelberg) (CDU/CSU) . 4439 A Dr. Hellige (FDP) . . . . . . . 4442 A Lenz, Bundesminister . . . . . . 4444 B Entwurf eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 16. Mai 1961 mit der Republik Togo über die Förderung der Anlage von Kapital (Drucksache IV/592) ; Schriftlicher Bericht des Wirtschaftsausschusses (Drucksache IV/884) — Zweite und dritte Beratung — 4448 C Neunundzwanzigste Verordnung zur Änderung des Deutschen Zolltarifs 1963 (Zollkontingent für feste Brennstoffe) (Drucksache IV/1612) 4448 D Entwurf eines Gesetzes über den Übergang des zur Bundeswasserstraße Elbe gehörigen Nebenarms „Alte Süderelbe" auf die Freie und Hansestadt Hamburg (Drucksache IV/1593) — Erste Beratung — . . 4449 A Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Rennwett- und Lotteriegesetzes (Drucksache IV/1587) — Erste Beratung — . . 4449 A Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Offshore-Steuergesetzes (Drucksache IV/ 1589) — Erste Beratung — 4449 A Mündlicher Bericht des Ausschusses für wirtschaftlichen Besitz des Bundes über den Antrag des Bundesministers der Finanzen betr. Zustimmung zur Überlassung junger Anteile an wirtschaftlichen Unternehmungen an andere Bezieher als den Bund; hier: Kapitalbeteiligung des Landes Nordrhein-Westfalen und des Vereins für die bergbaulichen Interessen an der Treuhandstelle für Bergmannswohnstätten im rheinisch-westfälischen Steinkohlenbezirk mbH in Essen (Drucksachen IV/1389, IV/1610) 4449 A Schriftlicher Bericht des Ernährungsausschusses über den Antrag der Abg. Logemann, Sander, Wächter u. Gen. betr. EWG-Agrarpreispolitik (Drucksachen IV/ 1258, IV/1611) 4449 C Nächste Sitzung 4449 D Anlagen 4451 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 96. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 14. November 1963 4367 96. Sitzung Bonn, den 14. November 1963 Stenographischer Bericht Beginn: 9.00 Uhr
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    Anlage 1 Liste der beurlaubten Abgeordneten Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich a) Beurlaubungen Arendt (Wattenscheid) * 15. 11. Dr. Arndt (Berlin) 31. 12. Dr. Arnold 15. 11. Dr. Atzenroth 15. 11. Bading 15. 11. Benda 14. 11. Bergmann * 14. 11. Berlin 20. 11. Birkelbach * 14. 11. Fürst von Bismarck 15. 11. Börner 15. 11. Dr. von Brentano 15. 11. Brese 16. 11. Burckardt 15. 11. Burgemeister 16. 11. Cramer 15. 11. Dr. Deist * 15. 11. Deringer 14. 11. Dr. Dichgans * 15. 11. Dopatka 18. 11. Dorn 14. 11. Frau Dr. Elsner * 15. 11. Etzel 15. 11. Fritsch 30. 11. Dr. Furler * 14. 11. Goldhagen 16. 11. Freiherr zu Guttenberg 15. 12. Hahn (Bielefeld) 15. 11. Hauffe 15. 11. Dr. Hesberg 14. 11. Holkenbrink 15. 11. Dr. Hoven 30. 11. Illerhaus * 14. 11. Kahn-Ackermann 15. 11. Kalbitzer 15. 11. Frau Kipp-Kaule 15. 11. Dr. Kliesing (Honnef) 14. 11. Knobloch 15. 11. Kreitmeyer 16. 11. Kriedemann * 16. 11. Dr. Krümmer 14. 11. Leber 15. 11. Lenz (Brühl) * 15. 11. Dr. Löbe 15. 11. Dr. Löhr 15. 11. Lücker (München) * 15. 11. Mauk * 15. 11. Merten 16. 11. Anlagen zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich Metzger 21. 11. Dr. h. c. Dr.-Ing. E. h. Möller 14. 11. Freiherr von Mühlen 24. 11. Müller (Aachen-Land) 16. 11. Müller (Remscheid) 15. 11. Neumann (Allensbach) 16. 11. Ollenhauer 31. 12. Pöhler 15. 11. Porten 15. 11. Porzner 15. 11. Rademacher * 15. 11. Frau Renger 15. 11. Richarts * 15. 11. Dr. Schneider (Saarbrücken) 15. 11. Schoettle 31. 12. Dr. Seffrin 16.11. Seifriz 15. 12. Storch* 15. 11. Frau Strobel * 15. 11. Dr. Supf 15. 11. Dr. Freiherr von Vittinghoff-Schell 15. 12. Walter 14. 11. Weber (Georgenau) 15. 11. Weinkamm 15. 11. Wellmann 16. 11. Wendelborn 15. 11. Dr. Wilhelmi 16. 11. Wischnewski * 15. 11. b) Urlaubsanträge Freiherr von Kühlmann-Stumm 29. 11. Dr. Müller-Hermann 15. 12. * Für die Teilnahme an Sitzungen des Europäischen Parlaments Anlage 2 Umdruck 359 Änderungsantrag der Fraktion der SPD zur zweiten Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über Umstellung der Abgaben auf Mineralöl (Drucksachen IV/1473, IV/1613, zu IV/1613). Der Bundestag wolle beschließen: In Artikel 8 erhält Artikel 1 des Straßenbaufinanzierungsgesetzes folgende Fassung: „Artikel 1 Zweckbindung des Aufkommens der Mineralölsteuer Das Aufkommen an Mineralölsteuer, ,ausgenommen das Aufkommen aus der Besteuerung der 4452 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 96. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 14. November 1963 Schweröle und Reinigungsextrakte nach § 8 Abs. 2 des Mineralölsteuergesetzes, ist in Höhe von 55 von Hundert für Zwecke ides Straßenwesens zu verwenden." Bonn, den 14. November 1963 Ollenhauer unid Fraktion Anlage 3 Umdruck 357 (neu) Änderungsantrag der Fraktion der SPD zu Nummer 2 des Antrages des Finanzausschusses zu dem von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf eines Gesetzes über Umstellung der Abgaben auf Mineralöl (Drucksachen IV/1473, IV/1613, zu IV/1613). Der Bundestag wolle beschließen: In Nr. 2 b) des Ausschußantrags - Drucksache IV/1613 — wird der letzte Satzgestrichen und als gesonderter Entschließungsantrag als Buchstabe c wie folgt gefaßt: „c) Die Bundesregierung wird ersucht,alsbald Vorschläge zu unterbreiten, die die Wiettbewerbsverzerrungen durch das Eigenverbrauchsprivileg der Raffinerien zu Lasten konkurrierender mittelständischer Betriebe beseitigen." Bonn, Iden 14. November 1963 Ollenhauer und Fraktion Anlage 4 Umdruck 360 Änderungsantrag der Abgeordneten Dr. Imle, Mertes und Genossen zu Nummer 2 des Antrages des Finanzausschusses zu dem von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf eines Gesetzes über Umstellung der Abgaben auf Mineralöl (Drucksachen IV/1473, IV/1613, zu IV/1613). Der Bundestag wolle beschließen: In Nr. 2 b) des Ausschußantrages — Drucksache IV/1613 — wird der letzte Satz gestrichen und als gesonderter Entschließungsantrag als Buchstabe c wie folgt gefaßt: „c) Die Bundesregierung wird ersucht, Vorschläge zu unterbreiten, wie eine Wettbewerbsgleichheit mittelständischer Unternehmen gegenüber dem Eigenverbrauchsprivileg der Raffinerien sichergestellt werden kann." Bonn, den 14. November 1963 Dr. Imle Mertes Dr. Danz Deneke Dr. Emde Ertl Frau Dr. Flitz (Wilhelmshaven) Dr. Hamm (Kaiserslautern) Dr. Kohut Logemann Dr. Mälzig Margulies Murr Peters (Poppenbüll) Dr. Rieger (Köln) Dr. Rutschke Soetebier Zoglmann Anlage 5 Umdruck 358 (neu) Entschließungsantrag der Fraktion der SPD zur dritten Beratung des von .der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über Umstellung der Abgaben auf Mineralöl (Drucksachen IV/1473, IV/1613, zu IV/1613). Der Bundestag wolle beschließen: Die Bundesregierung wird ersucht, 1. zu prüfen, ob der 2. Vierjahresplan für den Ausbau der Bundesfernstraßen durch die starke Entwicklung der Motorisierung überholt und 2. gegebenenfalls bis zum 31. März 1964 einen modifizierten 2. Vierjahresplan vorzulegen, der es ermöglicht, unter voller Ausschöpfung der Straßenbaukapazität den Ausbau des Bundesfernstraßennetzes an die Motorisierung anzupassen. Bonn, den 13. November 1963 Ollenhauer und Fraktion
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    Rede von Dr. Franz Böhm


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Herr Bundesfinanzminister hat dem Hause einen Überblick über die bisherigen Wiedergutmachungsleistungen der Bundesrepublik gegeben. Er hat Zahlen genannt, die sehr eindrucksvoll sind.
    Man könnte den Überblick durch einen Hinweis auf die bedeutenderen Gesetze, die es auf diesem Gebiete gibt, und die bedeutenderen Verträge, die hier abgeschlossen worden sind, vervollständigen. Da ist allen voran das Bundesentschädigungsgesetz zu nennen, ursprünglich unter dem Namen „Bundesergänzungsgesetz" 1953 in Kraft getreten, sehr umfassend im Jahre 1956 novelliert. Da ist das Bundesrückerstattungsgesetz aus dem Jahre 1957. Da ist das Bundesgesetz zur Regelung der Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts für Angehörige des öffentlichen Dienstes aus dem Jahre 1951 und ein anderes Gesetz zur Regelung 'der Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts für die im Ausland lebenden Angehörigen des öffentlichen Dienstes aus dem Jahre 1952. Da ist ein Gesetz, das noch aus dem Jahre 1949 stammt und wenige Tage nach Errichtung 'der Bundesrepublik noch vom Wirtschaftsrat erlassen worden ist, über die Behandlung der Verfolgten des Nationalsozialismus in der Sozialversicherung. Da ist dann noch das Gesetz aus dem Jahre 1953 zur Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts in der Kriegsopferversorgung für Berechtigte im Ausland. Dazu kommen noch vier alliierte Rückerstattungsrechte der amerikanischen, britischen und französischen Zone und der Kommandantur Berlin. Das wären die wesentlichsten Gesetze.
    An bedeutenden Verträgen wären zu erwähnen der Israel-Vertrag vom 10. September 1952 und der Vertrag — offiziell durch zwei Protokolle bezeichnet — mit der Conference on Jewish Material Claims against Germany, also der Konferenz der Weltvereinigungen der jüdischen Verfolgtenverbände, ebenfalls vom 10. September 1952. Einige Monate früher wurde der Überleitungsvertrag zum DeutschlandVertrag vom 26. Mai 1952 abgeschlossen. In den Verträgen mit der Claims Conference, an dem Protokoll Nr. 1 und im Überleitungsvertrag zum Deutschland-Vertrag hat die Bundesregierung Verpflichtungen in bezug auf den Mindestinhalt der Gesetzesvorschläge zur Wiedergutmachung übernommen, die sie dem Bundestag einzureichen gedachte. Diese Vertragsverpflichtungen binden ausschließlich



    Dr. Böhm (Frankfurt)

    die Bundesregierung in bezug auf die Gesetzentwürfe, die sie dem Bundestag einreicht. Sie binden nicht den Bundesgesetzgeber.

    (Zuruf von der Mitte: Sehr richtig!)

    Dazu kommen zehn Verträge mit europäischen Staaten, auf Grund deren Globalsummen an diese Staaten bezahlt wunden, die sie in den Stand setzen sollten, ihrerseits die Verfolgten zu entschädigen, die als Angehörige ihres Staates in diesen Staaten leben. Unsere Wiedergutmachungsgesetze sehen nämlich individuelle ,Entschädigungen nur für solche Opfer des Nationalsozialismus vor, die irgendeine territoriale Beziehung zur Bundesrepublik haben. Es ist keine Entschädigung für Bürger anderer Staaten vorgesehen, ,die früher in den anderen Staaten gewohnt haben und heute dort noch wohnen. Allerdings ist dieser Personenkreis erweitert worden, namentlich bewußt zugunsten jüdischer Verfolgter, die sich in den DP-Lagern auf dem Gebiete der Bundesrepublik am 1. Januar 1947 befunden haben und von dort aus nach Israel oder in die ganze Welt weitergewandert sind. Auch sie erhalten Entschädigung.
    Ferner ist eine individuelle Entschädigung für solche Ausländer vorgesehen worden, die im mittelbaren oder unmittelbaren Zusammenhang mit der Verfolgung irgendwann einmal vor Inkrafttreten des Gesetzes staatenlos geworden sind, zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Gesetzes im Jahre 1953 Staatenlose oder Flüchtlinge waren und nun im Ausland leben. Denn diese Personen haben ja auch keinerlei Aussicht, aus etwaigen Reparationszahlungen oder Globalzahlungen Deutschlands, wie wir sie z. B. mit den zehn Ländern vereinbart haben, entschädigt zu werden. Sie haben keinen Schutzstaat. Wir haben auch eine beschränkte individuelle Entschädigung dieser Personengruppe übernommen. Aber z. B. Holländer, die während der Besetzung Hollands durch deutsche Truppen ins Konzentrationslager verbracht worden sind und heute wieder als holländische Staatsbürger in Holland leben, erhalten keine Entschädigung aus unseren Individualgesetzen. Die Grundvorstellung war, daß alle diejenigen Personen, die während des Krieges in den besetzten Gebieten geschädigt worden sind, nicht individuell als Personen entschädigt werden sollen, sondern daß es den Regierungen dieser Länder vorbehalten bleiben muß, im Friedensvertrag mit Deutschland Reparationszahlungen oder Globalzahlungen zu erwirken.
    Nun hat sich, wie Sie alle mit Kummer und Sorge miterlebt haben, die Herstellung eines allseitigen Friedenszustandes bis zum heutigen Tage verzögert, und noch heute ist kein Ende abzusehen. Das hat in den mit uns befreundeten Nationen des Westens die Aussichten für die dort lebenden Verfolgten, noch zu ihren Lebzeiten eine Entschädigung zu bekommen, in die Ferne gerückt. Aus diesem Grunde hat die Bundesregierung mit diesen Staaten die Globalbeträge vereinbart. Dazu kommen noch die Verträge, die der Bundesfinanzminister erwähnt hat: ein Vertrag mit dem Hohen Kommissar für Flüchtlinge; durch einen anderen Vertrag mit Osterreich haben wir uns zu gewissen Beitragszahlungen zur internen österreichischen Wiedergutmachung verpflichtet.
    Die Zahlen brauche ich Ihnen nicht zu wiederholen. Ich will nur eine nennen, die auch der Herr Bundesfinanzminister genannt hat: die Zahlungen, die sich pauschal aus all dem ergeben werden, wenn die beiden Novellen, die dem Hohen Hause vorliegen, unverändert angenommen werden. Für diesen Fall ist ein Gesamtbetrag von etwa 40 Milliarden DM geschätzt und errechnet worden, eine gewaltige Summe.
    Es kommt noch der recht erhebliche Verwaltungsaufwand für die Durchführung des Bundesentschädigungsgesetzes hinzu, der in erster Linie von den Ländern getragen wird. Ich nenne hier die Entschädigungsämter. Dann ist auch eine außerordentliche Mühe zu berücksichtigen, die für die Materialsammlung aufgewendet worden ist. Selbstverständlich dürfen auch die hierfür notwendigen Mittel nicht vergessen werden. Denken Sie doch bitte einmal daran, wie wir mit unserer Wiedergutmachung angefangen haben: die Angestellten und Beamten der Entschädigungsämter haben damals im Durchschnitt nur eine sehr blasse Vorstellung von der Verfolgungswirklichkeit im Dritten Reich gehabt. Heute dagegen sind allein in den Archiven und Akten der Außenstelle des Entschädigungsamtes RheinlandPfalz in Berlin Materialien über die Verfolgungswirklichkeit in Rumänien und verschiedenen anderen Staaten des damals von Hitler besetzten östlichen Bereichs zusammengetragen, die einen unheimlichen Überblick und eine Kenntnis von der Wirklichkeit und den geschichtlichen Vorgängen in diesen Bereichen vermitteln. Wir haben die Wiedergutmachungsgerichte; bei den Gerichten sind Wiedergutmachungskammern und Wiedergutmachungssenate eingerichtet worden. Bei den entscheidenden Bundesministerien und den Ministerien der Länder sind Wiedergutmachungsreferate errichtet worden. Es besteht also ein außerordentlich umfassender Verwaltungsapparat zur Durchführung der Wiedergutmachung.
    Erst die Abwicklung der praktischen Wiedergutmachung hat uns überhaupt eine Kenntnis von dem schauderhaften Umfang der Verfolgung und des in der Hitler-Zeit begangenen Unrechts und der Summe der Leiden verschafft.
    Übrigens haben unsere Bundesgesetze auch eine Vorgeschichte. Ich glaube, es ist heute, da diese sogenannten Schlußgesetze vorliegen, auch ein Anlaß, einen historischen Rückblick auf die Entstehung der Wiedergutmachung zu werfen. Von diesem Rückblick kann nämlich auch ein sehr schlüssiger Rückschluß auf ihren Sinn und ihren Erklärungswert gezogen werden.

    (Sehr richtig! bei der SPD.)

    So hatten wir, bevor es eine Bundesrepublik gab, Wiedergutmachungsgesetze der Länder. Um 1947 herum sind die ersten entstanden, und zwar verschieden in den vier Zonen. Diese Ländergesetze waren die einzige Grundlage für die Entschädigungsansprüche bis zum Erlaß des Bundesergänzungsgesetzes im Jahre 1953.



    Dr. Böhm (Frankfurt)

    Aber nicht nur vor der Errichtung der Bundesrepublik hat es Wiedergutmachungsgesetze gegeben. Es hat schon vor dem Zusammenbruch des Dritten Reiches, also im Dritten Reich selber, Widerstandsbewegungen gegeben, die — darunter die wichtigsten und bedeutendsten Widerstandsbewegungen — die Wiedergutmachung zu einem Programmpunkt für die Wiederaufrichtung des Rechts und eines neuen Deutschland gemacht haben. Ich wäre in der Lage, Ihnen näheres über diese Zeit zu sagen; aber viele von Ihnen wissen das schon selber. Das Programm dieser Widerstandskreise im Dritten Reich ging dahin, daß eine neue deutsche Regierung das Steuer vom Unrecht, Terror und von der Gewalt auf die Wiederaufrichtung des Rechts herumwerfen müsse und daß hier sozusagen als Nagelprobe die Übernahme einer Haftung für den Schadensersatz für zugefügtes Unrecht im Vordergrund stehen sollte.
    Schon damals waren sich die betreffenden Kreise darüber einig, daß es sich bei der Entschädigung der Opfer der Verbrechen nicht etwa um einen Samariterdienst handelt wie beim Roten Kreuz, sondern um eine Rechtspflicht zum Ersatz von Unrechtsschaden, Schaden, der zugefügt worden ist von einer Unrechtsregierung des Reiches und für den die nachfolgende, auf das Recht verpflichtete und eingestellte Regierung, gerade um diesen Wandel nicht nur zu dokumentieren, sondern auch durch die Tat zu bewähren, die Haftung übernehmen sollte. Statt Tötung, Beraubung, Entwürdigung, Qual, Gesundheitszerrüttung sollten treten die Sorge für die Hinterbliebenen der Opfer, die Rückerstattung des Raubes, die Wiederherstellung des sozialen, beruflichen und moralischen Status der Opfer, insbesondere auch der Juden und des Judentums im ganzen, Wiedereingliederung der Opfer in die Gesellschaft, Sorge für Alter und für Invalidität.
    Der Gedanke war auch der, daß durch das Indenvordergrundstellen einer solchen Entschädigung von Gewaltopfern einer eigenen Regierung ein ganz anderes Ausleseprinzip innerhalb des Staates und der Gesellschaft gewährleistet werden sollte. Ein Staat, der die Parole ausgibt: „Juda verrecke!" erzielt eine andere Auslese — in seinen Schlägergarden und seinen Funktionärskorps — als ein Staal, der die Parole der Wiedergutmachung ausgibt. Im einen Staat werden sich alle Menschen mit Gewaltinstinkten, Roheitsinstinkten und Unterwerfungsinstinkten an die Spitze drängen; im anderen Fall werden den Ton in der Gesellschaft die Menschen des Rechts und der Menschlichkeit angeben. Das ist ein ganz entscheidender politischer, ich möchte sagen, verfassungspolitischer Programmsatz schon im Widerstand gewesen.
    Die Erfolgsbilanz, die aus der Wiedergutmachungsgesetzgebung gezogen werden kann, wird wohl dahin gehen: Es ist kein Werk aus einem Guß entstanden und konnte kein Werk aus einem Guß entstehen. Wir haben uns auf Neuland bewegt, wir haben improvisieren müssen. Geschichtliche Zufälligkeiten waren maßgebend für die Auswahl der Personengruppen, für die Auswahl der Tatbestände. Wir haben Lehrgeld bezahlt. Bevor es eine Bundesrepublik gab, gab es nur Länder, die einzeln vorgehen mußten. Wir haben heute einen Bundesstaat, bei dem nicht nur die Wiedergutmachungsgesetzgebung, sondern auch der Vollzug der Wiedergutmachung im Verhältnis zu zentral organisierten Staaten kompliziert ist. Der Gesetzgeber ist ferner abhängig von der Rechtsprechung unabhängiger Gerichte, von den Entscheidungen zahlreicher Entschädigungsämter und von den verwaltungs-organisatorischen Schwierigkeiten, die sich hier ergeben. Die ganze Verwaltung, die ganze Ausübung der Wiedergutmachung ist fast vollständig in die Regie der Länder gegeben. Auch hier ist eine gewaltige organisatorische Leistung von jenen vollbracht worden, die diese Verwaltungsapparate aufgebaut haben, aber auch durch die Treue und Gewissenhaftigkeit, mit der die Leiter der Entschädigungsämter zusammen mit ihren Angestellten im Laufe der Zeit bei ihrer Aufgabe zu Werk gegangen sind. Es ist erstaunlich, wie sich die berufliche Qualität, die Kenntnisse und die Einsichten im Laufe der Jahre verbessert haben. Am Anfang waren wir zeitweise in Verzweiflung und glaubten, das würde nicht gehen. Aber da ist doch sehr viel geschehen. Wir haben deshalb heute auch Anlaß, dankend all der unzähligen Namenlosen zu gedenken, die zu dem Vollzug der Wiedergutmachung nach besten Kräften und zum Teil mit einem bemerkenswerten Geschick, mit einem warmen Herzen und einem scharfen Verstand beigetragen haben.

    (Allgemeiner Beifall.)

    Historisch könnte man vielleicht die Frage stellen: warum kam eigentlich die Wiedergutmachung nach 1945 nur so langsam in Gang? Wieso hat sich bei vielen, auch bei vielen unserer Landsleute der Eindruck bilden können, als sei die Wiedergutmachung gar kein deutsches Anliegen, sondern ein Anliegen der Alliierten gewesen? Nun, dafür gibt es sehr durchschlagende Gründe. Insbesondere gab es für den Anfang der Wiedergutmachung zwei Hemmnisse. Wir hatten in den Jahren nach dem Zusammenbruch nur die Länder, keinen Bund, keine Zentralgewalt, nicht einmal eine partielle Zentralgewalt. Natürlich kann jedes Land Gesetze erlassen für die Entschädigung derjenigen Opfer des Nationalsozialismus, die in seinem Gebiete wohnen. Aber wie sollte Bayern oder Hessen oder Schleswig-Holstein dazu kommen, etwa diejenigen, die innerhalb der besetzten Gebiete während der Hitler-Zeit geschädigt worden sind — ich denke insbesondere an die ungeheuren Massaker und die Verfolgung der Juden außerhalb des Reichsgebiets —, in ihre Entschädigung einzubeziehen? Hier mußte erst die Bildung einer zentraleren Gewalt, die Errichtung der Bundesrepublik abgewartet werden, ehe sich die Wiedergutmachung auf diese Geschädigten erstrecken konnte. An sich wäre die deutsche Initiative auf keinem Gebiet so aussichtsreich gewesen wie auf diesem, und bei keinem Gebiet hätten die Alliierten es so verstanden, wenn die Initiative von uns ausgegangen wäre. Man muß sagen, daß die Länder, nachdem die Sache begonnen hatte, doch zum Teil vorbildliche und wegweisende Arbeit in der damaligen Zeit geleistet haben. Das gilt auch für den süddeutschen Länderrat. Nach der Errich-



    Dr. Böhm (Frankfurt)

    tung der Bundesrepublik ist in den ersten Jahren der Bundesrat der Hauptträger auch der gesetzgeberischen Vorarbeiten jener Zeit gewesen.
    Der entscheidende Durchbruch der deutschen Initiative erfolgte aber — man kann es auf den Tag genau angeben — am 27. September 1951. Damals hat Bundeskanzler Dr. Adenauer im Namen der Bundesregierung vor dem Bundestag eine Erklärung abgegeben, die so bedeutsam ist, daß ich -zumal das Bewußtsein von der ursprünglichen Konzeption zuweilen in der öffentlichen Diskussion verlorenzugehen droht — einige der wichtigsten und entscheidensten Sätze mit Genehmigung des Herrn Präsidenten im Wortlaut verlesen möchte. In der Erklärung bekundete die Bundesregierung ihre Bereitschaft,
    gemeinsam mit Vertretern des Judentums und des Staates Israel, der so viele heimatlose ... Flüchtlinge aufgenommen hat, eine Lösung des materiellen Wiedergutmachungsproblems herbeizuführen, um damit den Weg zur seelischen Bereinigung unendlichen Leides zu erleichtern. Sie ist tief davon durchdrungen, daß der Geist wahrer Menschlichkeit wieder lebendig und fruchtbar werden muß. Diesem Geist mit aller Kraft zu dienen, betrachtet die Bundesregierung als die vornehmste Pflicht des deutschen Volkes.
    Ferner wird gesagt:
    Die Bundesregierung und mit ihr die große Mehrheit des deutschen Volkes sind sich des unermeßlichen Leides bewußt, das in der Zeit des Nationalsozialismus über die Juden in Deutschland und in den besetzten Gebieten gebracht wurde. Das deutsche Volk hat in seiner überwiegenden Mehrheit die an den Juden begangenen Verbrechen verabscheut und hat sich an ihnen nicht beteiligt. Es hat in der Zeit des Nationalsozialismus im deutschen Volke viele gegeben, die mit eigener Gefährdung aus religiösen Gründen, aus Gewissensnot, aus Scham über die Schändung des deutschen Namens ihren jüdischen Mitbürgern Hilfsbereitschaft gezeigt haben. Im Namen des deutschen Volkes
    — das ist ein entscheidender Satz —
    sind aber unsagbare Verbrechen begangen worden, die zur moralischen und materiellen Wiedergutmachung verpflichten, sowohl hinsichtlich der individuellen Schäden, die Juden erlitten haben, als auch des jüdischen Eigentums, ...
    Dieses Wort von der moralischen und materiellen Wiedergutmachung will nicht besagen, daß die Bundesregierung die" Pflicht zur Wiedergutmachung nur für eine moralische Pflicht gehalten hätte. Vielmehr ist der Ausdruck „moralische Wiedergutmachung" dem Ausdruck „materielle Wiedergutmachung" entgegengestellt, und man verstand unter der moralischen Wiedergutmachung die Herstellung der Ehre und die Wiedergutmachung der Entwürdigung geschändeter Menschen, insbesondere auch mit den Mitteln der Erziehung, des Geschichtsunterrichts. Dagegen war sich die Regierung von vornherein darüber im klaren, daß die Wiedergutmachung im
    Grunde eine Rechtspflicht war, die zwar aus verschiedenen Gründen formell durch Gesetze noch besonders übernommen werden mußte, aber nicht erst durch diese Gesetze geschaffen worden ist, vor allen Dingen nicht erst durch die Verträge. Nicht durch die Verträge mit der Claims Conference und durch die Verträge mit den Alliierten ist die Wiedergutmachungspflicht des Bundes völkerrechtlich-vertraglich statuiert worden. In diesen Verträgen ist vielmehr lediglich der Mindestinhalt der von der Bundesregierung vorzulegenden Gesetze zum Gegenstand einer Verpflichtung gemacht, aber nicht die Wiedergutmachungspflicht als solche geschaffen worden.
    Es hat zuweilen den Anschein, daß neuerdings eine Tendenz besteht, unsere Wiedergutmachungspflicht aus diesen Verträgen abzuleiten, um dann mit besonderem Nachdruck hervorzuheben, daß wir ja über den Mindestinhalt dieser Verträge hinausgegangen sind. Das gibt doch eine etwas falsche Darstellung der historischen und politischen Bedeutung der Wiedergutmachung.

    (Zurufe von der SPD: Allerdings! Sehr wahr!)

    Nun haben sich an diese entscheidende Erklärung der Bundesregierung damals sofort Schlag auf Schlag wichtige Akte angeschlossen. Da waren zunächst die Kontakte mit dem Staat Israel und mit der Claims Conference. Es hat Anfang Dezember 1947 ein Treffen zwischen Bundeskanzler Adenauer und Dr. Nahum Goldmann in London stattgefunden. Bei diesen Gesprächen erbot sich Dr. Nahum Goldmann auch, bei der israelischen Regierung zu sondieren sowie eine Konferenz der großen Weltverbände vorzubereiten. Die Verhandlungen mit Israel ebenso wie mit der Claims Conference haben dann im März 1952 angefangen; die Verhandlungen mit den westlichen Besatzungsmächten über den Deutschlandvertrag hatten schon etwas früher begonnen. Die Verhandlungen haben dann in Verträgen einen Abschluß im Jahre 1952 gefunden.
    Im Sommer 1953 hat die Bundesregierung das Bundesergänzungsgesetz im Bundestag eingebracht. Die Bundesregierung hat sich darin ziemlich streng an den in dem Vertrag mit der Claims Conference und in dem Überleitungsvertrag festgelegten Mindestinhalt gehalten und ist kaum darüber hinaus gegangen. Der Deutsche Bundestag war damals — es war in den letzten Monaten oder Wochen der Wahlperiode des 1. Deutschen Bundestages — unglücklich darüber, daß er keine Gelegenheit mehr hatte, Kritik an diesem nach seiner Meinung viel zu bescheidenen Gesetz zu üben, wollte aber die Legislaturperiode nicht vorübergehen lassen, ohne ein Gesetz anzunehmen. So ist ohne wesentliche Aussprache das Bundesergänzungsgesetz von 1953 angenommen worden.
    Das bitte ich jetzt auch zu berücksichtigen: die Sprecher aller Fraktionen dieses Hauses — und es waren damals noch mehr Fraktionen da — haben ohne Ausnahme das Bundesergänzungsgesetz von 1953 als unzureichend bezeichnet und haben bemängelt, daß sich die Bundesregierung so eng an die



    Dr. Böhm (Frankfurt)

    Mindesterfordernisse in den beiden Verträgen gehalten hat.

    (Abg. Jahn: Der Bundesfinanzminister weiß das nur nicht mehr!)

    Der 2. Bundestag, der dann zusammentrat, hat alsbald die Initiative ergriffen. Er hat sogar in Betracht gezogen, ein Bundesentschädigungsgesetz in eigener Regie, also durch sämtliche damaligen Fraktionen, einzubringen. Aber Herr Bundesfinanzminister Schäffer hat die Einrichtung einer gemischten Kommission zur Anfertigung einer die bloße technische Novelle weit überschreitenden neuen Novelle zu diesem Gesetz angeboten. Damit ist zum erstenmal und ich glaube, auch zum einzigen Male in diesem Hause eine Regierungsvorlage von einer Kommission bearbeitet worden, der Abgeordnete aller Fraktionen des Bundestages, die Ressorts der Bundesregierung und außerdem fünf Länder einschließlich Berlins angehört haben.
    Diese Kommission hat 9 Monate getagt und die ganze Zeit nichts anderes getrieben, als dieses ganze Gesetz zu novellieren. Dieser Entwurf ist dann von der Bundesregierung im Bundestag eingebracht worden, der am Tage der Einbringung dieses Gesetzentwurfs einen eigenen Ausschuß, den Wiedergutmachungsausschuß, eingesetzt hat.
    Die Novelle selbst ist dann am 20. Juni 1956 mit sehr starken Erweiterungen verabschiedet worden. Nunmehr war klar, daß Bundesregierung und Bundestag eindeutig die Initiative für die Wiedergutmachung als eine deutsche Frage in ihre Hand genommen hatten und sich von der Anlehnung an alliierte Vorschläge und von der Bindung an alliierte Aktivität vollständig emanzipiert hatten. Die Annahme der Novelle vom Jahre 1956 war ein wiedergutmachungsgeschichtlich und nicht nur wiedergutmachungsgeschichtlich bedeutsames Ereignis; es war ein bedeutendes Ereignis in unserer Geschichte.

    (Sehr gut! bei der SPD.)

    An diesem Geist muß festgehalten werden — das war von vornherein die Idee -, und er muß zu einer festen, nicht mehr zu verlassenden Tradition unserer Politik werden.
    Wichtig war nach der Auffassung, die sich damals in der Kommission, die den Gesetzentwurf erstellen sollte, im Wiedergutmachungsausschuß und in diesem Hohen Hause bei der Konzeption unseres Bundesentschädigungsgesetzes durchgesetzt hat, die Vorstellung, daß die Rechtsgrundlage der Wiedergutmachungspflicht die Vorschriften der §§ 823 ff. unseres Bürgerlichen Gesetzbuches waren, die vorsehen, daß sich an die Verübung von Unrechtshandlungen eine zivilrechtliche Schadensersatzpflicht, und zwar eine Verpflichtung auf Ersetzung des vollen Schadens, anknüpft, und es war die Rechtsauffassung von uns allen, daß jeder, der im Dritten Reich verfolgt worden ist, am Tage, an dem ihm das Unrecht zugefügt worden ist, einen zivilrechtlichen Anspruch gegen die Hitlerregierung und gegen das Hitlerreich auf Grund des damals ohne Einschränkung gültigen Bürgerlichen Gesetzbuches erworben hatte, einen Anspruch, der allerdings nicht geltend gemacht werden konnte, da sich kein Gericht gefunden hätte, das ihn angenommen hätte. Aber dieser Anspruch war auf damaliges Recht gegründet, und es handelte sich nun darum, diese Schuld eines dahingegangenen Reiches zu übernehmen, und zwar dadurch, daß die- Haftung für die Bewirkung dieser Schuld übernommen wurde. Gleichzeitig ist die Schuld selber aus einer privatrechtlichen Schuld in eine öffentliche-rechtliche Entschädigungsverpflichtung verwandelt worden.
    Diese Verwandlung in eine öffentlich-rechtliche Entschädigungsverpflichtung hat zwei bedeutsame Wirkungen gehabt; die eine hat sich hauptsächlich zugunsten der Verfolgten, die andere zuungunsten — aber mit Absicht zuungunsten — der Verfolgten ausgewirkt. Zugunsten der Verfolgten hat sich ausgewirkt, daß dadurch, daß die Entschädigungspflicht zu einer öffentlich-rechtlichen Verpflichtung gemacht worden ist, der Schuldner, also der Bund und die Länder, oder die Haftenden, die Zahlungsverpflichteten ihrerseits den Verfolgten, ihren Gläubigern eine Verwaltungsapparatur zur Verfügung gestellt haben, die den Verfolgten die in vielen Fällen äußerst schwierige Beschaffung der Beweise ex officio erleichtern sollte. Ganz zweifellos wäre, wenn wir die Sache im bürgerlichen Recht gelassen hätten, der überwältigende Teil der Ansprüche ganz einfach an der Beweisfrage gescheitert. Die Beweisregelung und das Beweisverfahren bei unseren Entschädigungsämtern hat dies weitgehend beseitigt. Es ist auch eine sehr merkwürdige Konstruktion, daß der Schuldner, der daran interessiert ist, wenig oder nichts zu zahlen, seinem Gläubiger dabei helfen soll, diese Schuld zu beweisen, und unsere Rechnungshöfe haben Mühe gehabt, diese Quadratur des Zirkels zu begreifen. Es handelte sich also um eine Anerkennung der Haftung für diese Schuldverpflichtungen des Dritten Reichs.
    Zum Nachteil des Verfolgten hat sich ausgewirkt, daß sich die Bundeserpublik vorbehalten hat und vorbehalten mußte, wie schon in der Regierungserklärung stand, den Umfang ihrer Entschädigungsverpflichtung aus dem Gesichtspunkt der Begrenzung der Leistungsfähigkeit zu limitieren. Das bedeutet aber, daß alles Unrecht, das durch die Verfolgung begangen worden ist, wieder gutgemacht werden muß, bis die Grenze der Leistungsfähigkeit erreicht wird, daß auch eine sorgfältige Abstimmung der Wiedergutmachungsverpflichtungen mit den anderen Verpflichtungen und lebendigen Aufgaben unseres Staates vorgenommen wird.
    Der Herr Bundesfinanzminister hat schon mit Recht darauf hingewiesen, daß die Bundesrepublik die einzige politische Gewalt auf dem Gebiete des ehemaligen großdeutschen Reichs Adolf Hitlers ist, die diese Übernahme der Haftung vollzogen hat. Die Sowjetzone gewährt zwar ihren in ihrem Gebiet sitzenden Verfolgten eine gewisse Entschädigung, aber, wie gesagt, nur an Einwohner und nicht als Schadensersatz, sondern als eine Art von öffentlicher Verfolgtenzulage, eine Art von politischer Auszeichnung, einen Zuschlag zu einer prinzipiell ganz anderen Einkommensverteilung, als wir bei uns haben. Keinen Pfennig leistet die Sowjetzone an



    Dr. Böhm (Frankfurt)

    auswärts lebende Verfolgte, auch nicht an solche im Ausland lebende Verfolgte, die auf ihrem Gebiet geschädigt worden sind, keinen Pfennig an Staatenlose, Flüchtlinge und DPs. Die Entschädigung für das an den Juden verübte Unrecht hat fast ausschließlich die Bundesrepublik auf ihre Schultern genommen. Die Sowjetzone lehnt jede Verantwortlichkeit für irgend etwas ab, was sich vor ihrer glorreichen Urzeugung in der Geschichte zugetragen hat. Sie benimmt sich wie eine geschichtslose Gralstaube, vollkommen neugeboren im Geiste Lenins, gereinigt vom Erdenrest, heißt Hase und weiß von nichts, besonders nichts von den Schulden vorheriger Regierungen.
    Der Staat Österreich hat sich als ein selbst verfolgter Staat etabliert, mit dem Verfolgerstaat weder verwandt noch verschwägert, auf dem Gebiet der Wiedergutmachung allenfalls Gläubiger, nicht Schuldner, leistet eine gewisse Wiedergutmachung an im Lande lebende österreichische Juden, nicht aber an die österreichischen Juden, die heute in Israel oder sonst in anderen Ländern leben. An der innerösterreichischen Wiedergutmachung beteiligt sich auch die Bundesrepublik. Die in Israel und im sonstigen Ausland lebenden österreichischen Juden und Verfolgungsopfer aber stehen vor der Situation: entweder gar nichts oder Entschädigung von der Bundesrepublik, die dann in diesem Fall ihre einzige Hoffnung ist.
    Die Welt hat sich überhaupt so sehr an die bewußt übernommene Verantwortung der Bundesrepublik gewöhnt — das hat der Bundesfinanzminister schon mit Recht erwähnt —, daß sich der Tadel wegen Unvollkommenheiten und Mißständen der Wiedergutmachung nur an die Bundesrepublik richtet, nicht an diejenigen politischen Erben hitlerischer Aktiven, die keine Wiedergutmachung leisten, von denen man vielmehr weiß, daß es ganz zwecklos ist, sie überhaupt auf Wiedergutmachung anzusprechen. Ja, die Sowjetzone und Sowjetrußland haben sogar versucht, uns — der Bundesrepublik — aus der Bereitschaft zur Wiedergutmachung politisch und moralisch einen Strick zu drehen. Sie haben behauptet, darin liege eine Identifikation mit dem Hitlerstaat; deshalb bewirkten wir die Zahlung von Hitlerschulden. Als ob jemals in der Weltgeschichte ein Verbrecherregime seine Opfer entschädigt hätte! Die Schulden von Unrechtsregimen werden immer nur von Regimen des Rechts bezahlt.

    (Abg. Jahn: Leider ja!)

    An nichts anderem kann man einen Rechtsstaat in solchen Fällen wirklich erkennen

    (Abg. Jahn: Sehr wahr!) als daran, daß er das tut.


    (Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und der FDP.)

    Das ist ein glaubwürdiger Test; 40 Milliarden DM zahlt kein Volk aus der Westentasche. Wenn die Bundesrepublik ihren Anspruch, Gesamtdeutschland zu vertreten und zu repräsentieren, erhebt, dann ist das keine leere Behauptung, hinter der keine Taten
    stünden. Hinter diesem Anspruch steht die Wiedergutmachung.

    (Sehr gut! bei der SPD.)

    Der Herr Bundesfinanzminister hat uns schon Auskunft gegeben über den Grund der Änderungsbedürftigkeit des Bundesentschädigungsgesetzes und des Bundesrückerstattungsgesetzes; ich brauche nicht mehr viel auf die Details einzugehen. Die Hauptpunkte sind, daß sich nach 1953 noch ganz unerwartete Wanderbewegungen von Juden in Rumänien, in Ungarn, in Bulgarien vollzogen haben, die nach der Befreiung aus dem Konzentrationslager erst nach 1953 aus ihrer alten Heimat, in die sie zurückgekehrt waren, entweder nach Israel oder sonstwohin in die Welt ausgewandert sind, — aus keinem anderen Grund als dem, daß sie vorher von den kommunistischen Regierungen nicht herausgelassen worden sind.
    Es war ganz unerwartet, daß Rumänien plötzlich die Genehmigung für die Auswanderung — vorübergehend — gegeben hat. Und es war ganz unerwartet, daß in Ungarn die Revolution ausbrach und für ein paar Tage die Grenze geöffnet war. Durch diese Lücke sind sehr erhebliche Mengen von ehemaligen Hitlerverfolgten teils nach Israel, teils nach Amerika, teils in andere Staaten ausgewandert. Sie können nach unserem Gesetz keine Entschädigung bekommen, weil unser Gesetz verlangt, daß sie schon im Jahre 1953 Staatenlose oder Flüchtlinge gewesen sind.
    So treffen sich also heute in israelischen Dörfern Verfolgte, die schon zusammen das gleiche Schicksal in einem Konzentrationslager erlebt haben. Der eine von ihnen war zufällig am 1. Januar 1947 in einem deutschen DP-Lager — der wird am besten entschädigt —, der andere war vor 1953 Staatenloser oder Flüchtling geworden; der wird am zweitbesten und, wenn er in Israel sitzt, am drittbesten entschädigt. Dann kommen diejenigen, die erst nach 1953 die Möglichkeit hatten auszuwandern, diese bekommen überhaupt nichts.
    Früher, auch zur Zeit der Verfolgung, hieß es: Ein Reich, ein Volk, ein Führer, eine Verfolgung. Heute ist der Wiedergutmachungsanspruch vielfach von Zufälligkeiten des positiven Rechts, an die wir auch nicht gedacht haben, abhängig, so daß neue Ungerechtigkeiten entstanden sind. Für die große Gruppe der hiervon betroffenen Menschen sieht der Regierungsentwurf einen Härtefonds in Höhe von 600 Millionen DM vor. Härtefonds bringen große Schwierigkeiten für die Verwaltung, die Verteilung und die praktische Handhabung mit sich. Sie haben aber den sehr großen Vorteil für den Wiedergutmachungsschuldner, daß sie eine fest begrenzte Summe darstellen, mit der der Bundesfinanzminister, mit der der Haushalt rechnen kann und von der man weiß, daß sie nicht überschritten wird. Wenn wir demgegenüber lediglich den Gesetzestext ändern, kann die Gesamtbelastung nicht zuverlässig geschätzt werden, weil wir nicht wissen, wie viele Verfolgte dieser Kategorien es gibt, wie viele von ihnen den Antrag stellen und wie viele die Beweise erbringen können. oder nicht.



    Dr. Böhm (Frankfurt)

    Unserer Fraktion leuchtet die Lösung, wie sie hier vorgesehen ist, ein. Unsere Fraktion begrüßt auch die sonstigen Verbesserungen. Es sind zum Teil entscheidende Verbesserungen und Erweiterungen, die der Regierungsentwurf vorsieht. Sie begrüßt auch — das möchte ich besonders hervorheben — die Tendenz, die Grenzen der Leistungsfähigkeit mit Ernst und Gewissenhaftigkeit zu beobachten, nicht nur bei der Wiedergutmachung, sondern schlechterdings bei allen mit Haushaltsbelastungen verbundenen Gesetzen. Diese Tendenz, die insbesondere in der Regierungserklärung zum Ausdruck kommt, wird von unserer Fraktion mit einhelliger Zustimmung aufgenommen.
    Schon in der 1951 von Dr. Adenauer verlesenen Erklärung wurde der Vorbehalt der Leistungsfähigkeit gemacht. Es wurde von Belastungen der Leistungsfähigkeit durch andere Verpflichtungen gesprochen. Unter diesen anderen Verpflichtungen sind schon damals zwei ausdrücklich erwähnt worden, nämlich die Leistungen der Kriegsopferversorgung und an die Flüchtlinge.
    Bei beiden Schlußgesetzen wird diese Frage mit der größten Akribie geprüft werden müssen, mit größerer Akribie als zuvor, auch in einer engeren Kooperation mit dem Haushaltsausschuß, als es früher geschehen ist.
    Wir haben nämlich, wie der Herr Bundesfinanzminister ebenfalls ausgeführt hat, inzwischen die Grenze erreicht, wo eine empfindliche Vermehrung der Haushaltsbelastung durch eine, wie die Erfahrung lehrt, leider sehr verführerische, aber schlechterdings nicht zu verantwortende Vernachlässigung der Geldwertstabilität erkauft werden müßte. Wir würden dann statt echter Leistungen Schwundleistungen darbieten, was auch keine redliche Wiedergutmachungspolitik sein würde.
    In diesem Zusammenhang wird auch immer darauf aufmerksam gemacht, wie stark wir im Jahre 1956 die Belastung durch die damalige Novelle unterschätzt haben. Aber ganz abgesehen davon, daß uns die gleiche Unterschätzung auch beim Lastenausgleichsgesetz und bei anderen Gesetzen unterlaufen ist, ist das bei der Wiedergutmachung besonders zu erklären. Das plötzliche Anschwellen der Anträge war eine Folge der Seriosität unseres Wiedergutmachungswillens in jenen Jahren. Vorher hieß es im Ausland vielfach, hinter der Wiedergutmachung stünden nur die Alliierten, und wenn die Alliierten abrückten, werde keine Wiedergutmachung mehr geleistet. Die eindrucksvolle Ausweitung unseres Entschädigungsgesetzes im Jahre 1956 hat schlagartig das Vertrauen in die wiedergutmachungsrechtliche Seriosität der Bundesrepublik in der ganzen Welt erhöht. Die Wirkung war, daß viele Personen, die vorher, um nicht Enttäuschungen zu erleben, keine Anträge geschickt hatten, ihre Anträge einreichten. Heute sind wir in einer besseren Lage. Heute haben wir ein viel übersehbareres Feld, wir haben mehr Anhaltspunkte für den Umfang der einzelnen Kategorien und für die Beurteilung der finanziellen Auswirkungen einzelner Bestimmungen.
    Der Abstrich aus dem Gesichtspunkt der begrenzten Leistungsfähigkeit darf aber nur innerhalb dieser Grenze ernsthaft geprüft werden. Das gleiche gilt für die Frage, wo, bei welchen Vorhaben Abstriche im Hinblick auf die Dringlichkeit vorgenommen werden sollen. Im übrigen muß es dabei bleiben: es darf nicht so sein, daß unsere Wiedergutmachungspflicht nur so weit reicht, wie unser Gesetz reicht, auch wenn neue Tatbestände oder neue Gruppen auftauchen, sondern unsere Wiedergutmachungspflicht reicht so weit, wie sie von uns nicht ausdrücklich, und zwar nur mit dem Hinweis auf die begrenzte Leistungsfähigkeit, eingeschränkt ist. Beim Auftauchen neuer Tatbestände muß also immer geprüft werden: Wie groß ist der Personenkreis, welchen Umfang haben die noch nicht entschädigten Schadenstatbestände, in welcher Höhe würde das insgesamt den Haushalt belasten, und überschreitet diese Belastung zusammen mit den anderen Belastungen die Leistungsfähigkeit des Bundes? Wir werden diese Sorgfalt, da ja die Frage noch offen ist, wie im einzelnen die Verbesserungen dosiert werden müssen, in den Ausschüssen anwenden müssen. Bevor das geschehen ist, läßt sich hier noch kein deutliches Bild gewinnen.
    Ich habe mich hier nur bemüht, die Prinzipien aufzuzeigen, nach denen wir verfahren müssen. Wir dürfen in unserer Wiedergutmachungsseriosität nicht erlahmen. Es darf nicht eine Stimmung aufkommen, als gelte es, jetzt noch ein lästiges Pensum zu absolvieren, sondern es muß bis zur letzten Entscheidung mit größtem Ernst verfahren werden. Es darf auch keine allgemeine Stimmung aufkommen, die etwa auf Wiedergutmachungsbehörden, auf Rechnungshöfe oder auf Wiedergutmachungsgerichte lähmend einwirken könnte. Die Wiedergutmachung ist nichts, was von selbst zustande kommt; ,die Wiedergutmachung stellt hohe sittliche Ansprüche an ein Volk, das es mit der Umkehr, mit der Rückkehr und mit der Aufpflanzung des Rechtsgedankens ernst meint. Man muß sich dieser Pflicht bis zum letzten Tage mit voller Hingabe und mit vollem Ernst widmen. Tun wir das nicht, so bringen wir Leistungen, die wir schwer genug aufgebracht haben, nachträglich um einen Teil ihres Segens. Nicht etwa, weil heute das Gesetz nicht zur vollen Befriedigung ausfällt — es kann nicht zur vollen Befriedigung ausfallen —, sondern weil ein unguter Eindruck über zunehmende, wollen wir einmal sagen, Wiedergutmachungsverdrossenheit entsteht.

    (Beifall im ganzen Hause.)

    Das darf nicht erfolgen. Wir würden eine der wichtigsten Entscheidungen, die wir getroffen haben, seitdem es eine Bundesrepublik Deutschland gibt, wir würden eine wichtige Weichenstellung ohne jede Not und leichtfertig ändern, wenn wir uns nicht von diesen Prinzipien leiten ließen.

    (Beifall im ganzen Hause.)



Rede von Dr. Carlo Schmid
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Das Wort hat der Abgeordnete Hirsch.




  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Martin Hirsch


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Man soll sich in der Politik keine Illusionen machen. Ich habe gewußt, welche Mißverständnisse und Irrtümer in der deutschen Bevölkerung über das bestehen, was wir Wiedergutmachung nennen. Ich habe gewußt, daß man glaubt, nur Juden bekämen Wiedergutmachungsleistungen. Ich habe gewußt, daß man glaubt, das sei mehr oder weniger freiwillig an die Juden hinausgeworfenes Geld; und ich habe gewußt, daß das keine sehr populäre Sache ist. Aber ich bin in der Meinung hierher gekommen, daß der federführende Minister für Wiedergutmachung, nämlich der Herr Bundesfinanzminister, wenigstens über die Rechtsgrundlagen der Wiedergutmachung Bescheid wüßte und über Idas, worum es dabei geht und welche Verpflichtungen wir als Deutsche haben. Herr Minister, meine persönliche Wertschätzung für Sie läßt mich annehmen, daß Sie falsch unterrichtet sind. - Herr Professor Böhm hat Ihnen in der ihm eigenen, sehr ruhigen Art einiges gesagt. Ich muß im Gegensatz zu meiner Absicht das noch etwas unterstreichen, was er gesagt hait.

    (Abg. Jahn: Sehr gut!)

    Herr Minister, Sie gehen davon aus, wir Deutsche, die Bundesrepublik Deutschland, hätten keine Verpflichitung gegenüber den Naziopfern. Dabei vergessen Sie zunächst einmal ganz offensichtlich, weil Sie bei dieser Ihrer Auffassung auf die Auswirkung der Verträge mit der Claims Conference und mit Israel abstellen, 'daß es in Deutschland nicht nur jüdische Verfolgte gegeben hat. Herr Minister, in Deutschland sind nicht nur Juden verfolgt worden, sondern Geistliche aller Konfessionen, Zentrumsleute, Leute von der Bayerischen Volkspartei, Sozialdemokraten, Kommunisten, Leute der konservativen Richtung — Graf Stauffenberg und andere!

    (Abg. Jahn: Sehr wahr!)

    Nicht nur Herr Dr. Hundhammer und Herr Breitscheid, sondern auch Herr Dr. Adenauer und Graf Stauffenberg und Herr Ulrich von Hassel und nicht zuletzt Dr. Kurt Schumacher. In Deutschland sind durch die Nazis verfolgt worden der Präsident dieses Hauses und einige der Vizepräsidenten dieses Hauses und sehr viele Mitglieder dieses Hauses, auf die wir stolz sind.

    (Sehr wahr! bei der SPD.)

    Man kann unmöglich damit argumentieren, daß diese Gruppe der deutschen Verfolgten, die praktisch für uns das Kapital 'dargestellt haben, mit dem wir nach 1945 personell wieder halben aufbauen können,

    (Zustimmung bei der SPD)

    irgendwelche Verzichterklärungen über die Claims Conference abgegeben hätten.
    In unserer Öffentlichkeit denkt man immer „Milliarden für die Juden" und vergißt dabei, daß ein Viertel der Wiedergutmachungsanträge von deutschen Verfolgten stammt und daß ein Viertel der Geldleistungen nicht an Juden geht, sondern an deutsche Verfolgte. Man sollte meinen, gerade wir in diesem Hause sollten stolz darauf sein, daß es so ist, daß es Leute im Dritten Reich gegeben hat, die dem Teufel widerstanden haben.

    (Beifall bei der SPD und in der Mitte.)

    Ein anderes, Herr Minister! Sie haben sehr eingehend ausgeführt — Herr Professor Böhm hat Ihnen schon widersprochen, und er muß es weiß Gott wissen, denn er war dabei —: Die Verhandlungen mit Israel und mit der Claims Conference haben zu einem Programm geführt — so heißt es wörtlich im englischen und deutschen Text —, nachdem die Bundesrepublik gesagt hat, daß sie Wiedergutmachungsgesetze machen würde. Daß das ein Mindestprogramm war, hat Herr Professor Böhm schon gesagt. Es konnte nur ein Mindestprogramm sein. Ich wundere mich. Herr Professor Böhm hat nämlich schon im Jahre 1956 in seiner Rede zu dem damaligen BEG sehr eindeutig dem Finanzministerium erklärt, warum man nicht irgendwelche Dinge hinsichtlich einer Begrenzung der Wiedergutmachungsleistung mit dem Israel-Vertrag und mit dem Vertrag mit der Claims Conference begründe könne. Das war 1956, Herr Finanzminister. Inzwischen sind sieben Jahre vergangen, und gerade in diesen sieben Jahren hat es sich leider herausgestellt — ich darf nur den Eichmann-Prozeß erwähnen —, daß der Umfang der Verbrechen in den Jahren zwischen 1933 und 1945 sehr, sehr viel größer gewesen ist, als das der schlimmste Pessimist hätte annehmen können.

    (Sehr richtig! bei der SPD.)

    Hätten wir das nämlich damals 1945 gewußt, Herr Minister, wäre es schlimm um uns bestellt gewesen. Ein Trost oder eine Entschuldigung für uns Deutsche konnte immer nur sein, daß die meisten oder viele von uns nicht gewußt haben, was geschehen ist.
    Nun meinen Sie außerdem, abgesehen von Ihrer Argumentation aus den Verträgen: Wo sei überhaupt ein Rechtsgrund für die Leistungen? Das Deutsche Reich sei untergegangen und habe Bankrott gemacht, und die Bundesrepublik habe lediglich eine moralische Pflicht, etwas zu geben. Es mag sein, das Deutsche Reich hat Bankrott gemacht. Aber wer Konkurs macht, muß seine Verpflichtungen immerhin im Rahmen der Konkursordnung, im Rahmen einer Konkursquote erledigen. Die Bundesrepublik ist im Begriffe, das zu tun. Sie kann selbstverständlich nicht für all das bezahlen, was Hitler uns an Schuld hinterlassen hat, sie kann nicht bezahlen, was er uns durch vorsätzliche Verbrechen hinterlassen hat, und sie kann auch nicht bezahlen, was er fahrlässig verschuldet hat an den Kriegsopfern, Heimatvertriebenen und all den anderen. Aber die Bundesrepublik muß sich überlegen, was ihre Verpflichtungen sind. Sie muß sich überlegen, welche Verpflichtungen vorrangig sind. Sie ist als ehrlicher Schuldner, der Konkurs gemacht hat, verpflichtet, so ehrlich wie nur möglich in dem größtmöglichen Umfang diese Verpflichtungen zu erfüllen.

    (Abg. Jahn: Ehrenschuld!)




    Hirsch
    Ich würde mich nicht wohlfühlen in einem Staate, der versuchen würde, wie ein „krummer" Konkursschuldner, wie ein schlechter Konkursschuldner mit Tricks seinen Verpflichtungen zu entgehen. Meine Damen und Herren, wenn eine Aktiengesellschaft Pleite gemacht hat, dann muß sie erst ihre Schulden bezahlen, bevor sie an ihre Aktionäre etwas zahlen kann.

    (Zuruf von der CDU/CSU: So kann man doch nicht argumentieren!)

    — Das mag überspitzt klingen, aber im Kern ist es richtig, Herr Kollege. Wenn es ein göttliches oder menschliches Recht auf dieser Erde gibt, meine Damen und Herren, dann ist jemand, ob eine Person oder ein Staat, der vorsätzlich gemordet hat, der gestohlen hat, der geraubt hat, der geschändet hat, der die Menschenwürde mit Füßen getreten hat, verpflichtet, mindestens den daraus entstandenen materiellen Schaden wieder gutzumachen. Das ist eine Verpflichtung, die es in jedem Recht dieser Welt gibt. Bei primitivsten Negervölkern gibt es diese Verpflichtung, und selbstverständlich gibt es diese Verpflichtung auch für uns.
    Hätte es nicht diesen Staatskonkurs gegeben, so hätte das Deutsche Reich und hätte die Bundesrepublik diese Verpflichtung aus dem Gesichtspunkt der unerlaubten Handlung — §§ 823 ff., 839 in Verbindung mit der Weimarer Verfassung und dem Bonner Grundgesetz — im Rahmen des echten Schadensersatzes bezahlen müssen.

    (Abg. Jahn: Sehr wahr!)

    Es ist gut und richtig, Herr Professor Böhm, daß Sie herausgestellt haben, daß die Entschädigungsgesetze, ob Bundesentschädigungsgesetz oder Bundesrückerstattungsgesetz, den Verfolgten nicht etwas gegeben haben, sondern daß sie genau genommen in Erschöpfung der Möglichkeiten des Art. 135 a des Bonner Grundgesetzes eingeschränkt hat, was die Betroffenen sonst hätten beanspruchen können.

    (Sehr wahr! bei der SPD.)

    Ein Drittes, Herr Minister. Sie sind davon ausgegangen — zwar nicht direkt, aber indirekt —, die Wiedergutmachung an den Nazi-Opfern sei auch so etwas wie eine Erledigung der Kriegsfolgen. Sie haben es sogar für richtig gehalten, zu sagen — ich glaube, das war ein falscher Zungenschlag, ich möchte es hoffen! —, man dürfe doch bei diesen Forderungen, auch bei den Wiedergutmachungsgesetzen nicht vergessen, daß Hitler gelebt habe.

    (Abg. Jahn: Was soll das heißen?)

    Nun, Herr Seuffert hat das in einem ganz anderen Zusammenhang gesagt, nämlich als er darüber sprach, daß die Gruppen, die zum Teil wie das ganze deutsche Volk in einem Boot mit Hitler und den Führern gesessen haben — sie waren das Volk, und der Führer hat sie geführt —, nicht vergessen sollten, daß es Hitler gegeben habe. Aber man kann wirklich nicht gut, wenn man nicht sehr taktlos werden will, ausgerechnet den Nazi-Opfern sagen: Vergeßt nicht, daß Hitler gelebt hat!

    (Beifall bei der SPD.)

    Ihnen nun aber wirklich nicht!

    (Abg. Jahn: Ein Skandal!)

    Ein weiterer Irrtum bei Ihnen, Herr Minister! Ihre Referenten haben Sie nicht gut informiert. Sie haben immer nur davon gesprochen, in dem BEG und im Rückerstattungsgesetz gebe es Härten. Da gibt es sicherlich auch viele Härten. Aber es gibt noch viel Schlimmeres. Es gibt in unseren geltenden Gesetzen, insbesondere im Bundesentschädigungsgesetz, wirkliche Lücken und wirkliche Fehler. Herr Minister, was ist es anders als wirklich ein Fehler, was ich Ihnen an folgendem Beispiel vorführen möchte? Sie haben sich zwar gegen Beispiele gewehrt. Das ist aber kein Einzelbeispiel, sondern ein charakteristisches Beispiel für unser geltendes Gesetz. Halten Sie folgendes für eine Härte oder für einen Fehler: Zwei Brüder sind im Sudetenland verfolgt worden. Dem einen ist es gelungen, aus dem KZ zu fliehen; er lebte in England. Sein Bruder ist erst 1945, nachdem er fünf Jahre im KZ war, nach England gekommen. Beide leben sie in England. Halten Sie es für richtig, daß derjenige, der weniger erlebt hat, der nämlich hat fliehen können und schon 1938 nach England gekommen ist, höhere Ansprüche hat als sein Bruder, der die ganze Zeit in der CSR war? Unser Gesetz, für das Sie nicht verantwortlich sind, sagt nämlich, man muß, um Ansprüche nach § 150 wegen Berufsschadens zu haben, vor der allgemeinen Vertreibung ins Ausland gegangen sein. Derjenige, der im KZ war, weil er von Hitler gehindert wurde, ins Ausland zu gehen, erhält jetzt eine geringere Entschädigung als derjenige, dem es besser gegangen ist. Das ist keine Härte, sondern ein Fehler des Gesetzes.

    (Zuruf von der SPD: Eine echte Ungerechtigkeit!)

    — Eine echte Ungerechtigkeit! Solche Ungerechtigkeiten enthält aber unser geltendes Recht in großer Menge.
    Das ist kein Vorwurf, insbesondere nicht gegen diejenigen, die im Jahre 1953 und 1956 die beiden Gesetze gemacht haben. Hier war eine völlig neue Aufgabe gestellt, für die es keinen Vorgang gab. Wenn wir heute ein neues Strafgesetzbuch machen, dann kann man die Erfahrungen aller Strafgesetzbücher der Welt nutzen und versuchen, ein gutes Strafgesetzbuch zu machen; das gleiche ist beim Bürgerlichen Gesetzbuch der Fall. Verbrechen dieser Art sind glücklicherweise in den mehr als tausend Jahren unserer Geschichte nicht passiert. Es hat kein Volk gegeben, das in der Neuzeit mit einer solchen Schuld behaftet war. Wenn nun das deutsche Volk versuchen wollte, diese Schuld materiell wiedergutzumachen, mußte es völlig neue Wege gehen. Keiner von uns, keiner von denen, die daran mitgearbeitet haben, konnte wissen, welcher Art die Verbrechen im einzelnen waren.. Keiner konnte wissen, welche Folgen sich daraus ergeben. Insbesondere konnte keiner übersehen, wie groß das Ausmaß des Schadens ist. Welche Fehler bei der Gesetzgebung passieren könnten und welche Lücken sich ergeben würden, das wußte keiner. Unsere Aufgabe ist es, endlich diese Lücken, soweit das menschenmöglich ist, zu schließen.
    Ich könnte Ihnen, Herr Minister, Hunderte solcher krassen Fälle wie den der beiden Brüder vorführen.



    Hirsch
    Es würde zu weit führen, und ich möchte Sie nicht ermüden. Die Krux unseres geltenden Bundesentschädigungsgesetzes ist, um es ganz grob zu sagen, folgende: es gibt Gruppen, die genau genommen eigentlich zuviel bekommen, und andere Gruppen, die zu wenig bekommen. Und es gibt leider Gottes schwer verfolgte Menschen auf dieser Welt und in Deutschland, die überhaupt nichts bekommen. Das ist keine Härte mehr.
    Hier hat ein Staat Menschen verfolgt und gequält, Eltern und Kinder ermordet. Er sagt nun denjenigen, die Ansprüche stellen: Du kannst nichts bekommen, weil du zu spät in den freien Westen gekommen bist. So ist das doch bei unserem geltenden Recht. Wer das Pech hatte, nach 1945 noch von den Sowjets zurückgehalten zu werden und erst nach 1953 in den freien Westen kam, dem sagt man bei uns: Es tut uns schrecklich leid, du hast den Stichtag versäumt, du bekommst nichts. — Wie soll das jemand, dem das passiert ist, verstehen? Bei diesen Leuten ist es so wie bei den beiden Brüdern: wer Schlimmeres erlebt hat, wird in unserem Recht benachteiligt. Das ist keine bloße Härte, sondern etwas, was man bereinigen muß. Es gibt viele solcher Beispiele. Ich bin bereit, Ihnen, Herr Minister — so wenig Zeit Sie haben, so wenig Zeit ich habe —, wenn Sie wollen, tagelang ununterbrochen solche Fälle vorzutragen. Ich bin überzeugt, Sie wären der letzte, der nicht einsehen würde, wie recht ich habe. Ich will Sie aber hier mit solchen Beispielen verschonen.
    Einen ganz charakteristischen Fall, der uns alle interessieren sollte, möchte ich aber doch noch vortragen. Es ist nicht ein Einzelfall, sondern ein typischer Fall. Es gab im ersten Weltkrieg eine Schwedin: Elsa Brandström, der Engel von Sibirien. Den meisten wird der Name geläufig sein. Sie hat sich um die Betreuung der deutschen Kriegsgefangenen in Sibirien im ersten Weltkrieg verdient gemacht. Diese Frau hat später einen Deutschen geheiratet, der Jude und Sozialdemokrat war. Das war ja 1933 etwas happig! Er mußte daher sofort fliehen, sonst würde er wahrscheinlich gleich eingesperrt worden sein. Seine Frau mußte von Goebbels hören — die Dokumente liegen alle vor —: „Bleib du ruhig hier; du bist ja sehr verdient um das deutsche Volk. Laß dich scheiden von diesem Juden, laß dich scheiden von diesem Sozialdemokraten, dann wirst du hier sehr geehrt sein." Als anständige Frau hat sie sich geweigert, das zu tun. Sie mußte befürchten, deswegen zur Verantwortung gezogen zu werden, und ist bei Nacht und Nebel ins Ausland gegangen, nach Amerika zu ihrem Mann. Inzwischen ist sie gestorben. Ihre Erben haben Ansprüche auf das Hab und Gut geltend gemacht, das sie, in Leipzig, glaube ich, zurücklassen mußte. Ihre Ansprüche hat man abgelehnt, und zwar nach unserem geltenden Gesetz durchaus zu Recht — wenn man das wörtlich auffaßt —, mit der Begründung: „Du, Elsa Brand-ström, bist ja gar nicht verfolgt worden, und wenn du freiwillig deinem Mann nachgefolgt bist, so war das zwar sehr anständig, aber einen Verfolgungstatbestand stellt das nicht dar."
    Meine Damen und Herren, mit Gerechtigkeit, wie ich sie verstehe, hat das aber nicht mehr das Allergeringste zu tun.

    (Zustimmung bei der SPD.)

    In einem Staat, der die Familie schützt, müßte es selbstverständlich sein, daß die mitverfolgte Frau genauso Entschädigung bekommt — soweit es überhaupt eine Entschädigung dieses Unrechts gibt — wie der Mann, wenn sie treu zu ihm gestanden hat.
    Es gäbe, wie gesagt, der Fälle viele. Ich will Sie damit verschonen. Aber glauben Sie mir bitte: wie mir geht es allen Mitgliedern des Wiedergutmachungsausschusses. Wir stehen in diesen Dingen an der Front. Wir bekommen die Briefe aus der Bundesrepublik, aus allen Teilen dieser Welt, und wir müssen sie beantworten. Und wenn Sie, meine Damen und Herren, solche Briefe bekommen, dann schicken Sie sie meistens an uns und schreiben: „Lieber Kollege Soundso, ich verstehe das nicht; bitte kümmere dich darum! Das kann ja nicht richtig sein!" — So lese ich das und höre ich das immer wieder. Dann lesen wir diese Briefe und müssen feststellen — Querulanten gibt es überall —: erstaunlich viele dieser Briefe geben ein Schicksal wieder, geben einen traurigen Fall wieder, und man braucht kein Jurist zu sein, um sagen zu müssen: Diesem Menschen ist Böses geschehen, dieser Mensch verdient eine Entschädigung, aber er bekommt keine. Und nun antworten Sie einmal dem Betreffenden! Stellen Sie sich einmal vor: was schreiben Sie den Betreffenden in einer solchen Situation? Man versucht es. Man versucht zu 'schreiben: „Das ,deutsche Gesetz sieht es nicht vor." Man sagt: „Stichtag 1953." Man versucht zu erklären, warum die Bundesrepublik ein sehr ehrenwerter Staat ist und viel besser als die Ostzone. All das schreiben wir ununterbrochen. Aber dann kriegen wir normalerweise einen Brief zurück, in dem steht: „Das ist ja alles gut und schön; aber müssen Sie nicht zugeben, daß mir Unrecht geschehen ist, und müssen Sie nicht zugeben, daß ich dafür eine Entschädigung verdiene?" Und in dem zweiten Brief kann ich dann nur schreiben: „Ja!" Sie alle würden genauso schreiben, meine Damen und Herren.
    Wenn dem aber so ist, müssen wir uns bemühen, ob es uns gefällt oder nicht, diese Dinge in Ordnung zu bringen. Ein Gesetz ist nämlich nicht gerecht, wenn es einigen etwas gibt und gleichzeitig anderen, die es genauso verdienen, das, was ihnen gebührt, vorenthält. Ich fühle mich nicht wohl, solange diese Dinge nicht einigermaßen, soweit es menschenmöglich ist, bereinigt sind.

    (Beifall bei der SPD.)

    Herr Minister, ich möchte wieder stolz sein, mich einen Deutschen nennen zu dürfen. Solange wir diese materielle Schuld haben und nicht bereit sind, so zu bezahlen, wie sich das gehört, kann ich nicht, so gern ich es möchte, stolz sein. Ich fühle mich wie ein Schuldner, der sich um die Verbindlichkeiten, die er zu bezahlen hat, drückt. Da helfen finanzielle Argumente allein nicht.

    (Zuruf: Das sind die schwächsten dabei!)




    Hirsch
    Finanzielle Argumente sind wichtig, und niemand verlangt von Ihnen, Herr Minister, daß Sie Ihren Haushalt überziehen, daß Sie die Währung gefährden. Sie werden uns immer an Ihrer Seite finden bei allen Bemühungen, die Währung zu sichern. Ganz sicher! Aber es geht um die Akzente, und es geht darum, daß man das tut, was man nur irgendwie kann.
    Es hat mir daher wehgetan, daß Sie uns hier gesagt haben, Sie erklärten jetzt schon mit ausdrücklicher Ermächtigung der gesamten Bundesregierung, daß Sie jeder Erweiterung der von Ihnen vorgelegten Regierungsvorlage in aller Form widersprechen würden. Ich glaube, das ist nicht nur kein guter Stil, sondern entspricht nicht dem demokratischen Leben in unserer Bundesrepublik.

    (Zustimmung bei der SPD.)

    Der Bundestag ist nicht der Notar der Bundesregie-
    rung.

    (Sehr gut! bei der SPD.)

    Sie können nicht heute schon sagen, daß Sie all das,
    was wir im Wiedergutmachungsausschuß, im Haushaltsausschuß oder in diesem Parlament erarbeiten,
    ablehnen, ohne überhaupt zu wissen, was herauskommt. Es könnte ja immerhin sein, Herr Minister
    — und ich hoffe es —, daß einiges von dem, was bei
    uns erarbeitet wird, auch Ihre Billigung findet. Man
    sollte solche Grundsatzerklärungen nicht abgeben,
    man sollte nicht von vornherein sagen: „Ich lehne
    es ab", ohne zu wissen, was man überhaupt ablehnt.

    (Sehr gut! bei der SPD.)

    Ein paar Worte zu den Gesetzen im einzelnen. Beide Novellen bringen Verbesserungen. Das sei dankbar anerkannt. Es ist besonders zu begrüßen, daß das Bundesrückerstattungsgesetz eine hundertprozentige Befriedigung aller Gläubiger bringt. Das war unumgänglich nach dem absoluten Mißerfolg mit dem „Fonds", den man nach dem alten BRüG mit der 1,5-Milliarden-Begrenzung geschaffen hatte. In dem Zusammenhang darf ich sagen: so gut gemeint Ihre Fondsideen — BRüG und BEG — vielleicht sein dürften, so sehr fürchte ich, daß sie genauso schiefgehen wie die Fondsidee mit den 1,5 Milliarden beim BRüG. Mit solchen Fonds haben wir alle schlechten Erfahrungen gemacht.
    Sosehr ich begreife, daß Sie gewisse Forderungen begrenzen wollen, sosehr muß ich darauf hinweisen, daß der Grundsatzstichtag 1953, auf den Sie und Ihre Vorgänger sich immer berufen, längst kein Grundsatzstichtag mehr ist.

    (Abg. Jahn: Sehr richtig!)

    Er ist durch die 16. Novelle zum Lastenausgleichsgesetz in voller Kenntnis der Konsequenzen zum Glück für die Sowjetzonenflüchtlinge gestrichen worden.

    (Abg. Jahn: Gott sei Dank! — Beifall bei der SPD.)

    Herr Minister, was den Sowjetzonenflüchtlingen
    recht ist, ist den politisch und rassisch Verfolgten
    billig.

    (Erneuter Beifall bei der SPD.)

    Es gibt kein Argument mehr gegen die Aufhebung
    dieses unheilvollen Stichtages. Wenn er auf einem
    Gebiet gefallen ist, müssen Sie ihn auf den anderen Gebieten ganz genauso fallenlassen. Ihr Haus hat das gewußt und hat trotzdem gegen die 16. Novelle keine Einwände erhoben, obgleich damals ausdrücklich auf die finanziellen Konsequenzen hingewiesen worden ist und obgleich Ihr Haus damals einen Katalog darüber ausgearbeitet hatte, wie sich die Aufhebung dieses einen Stichtages auf andere Gesetze auswirken würde.
    Die Idee, die Schwierigkeiten beim BRüG mit dem Fonds zu meistern, bedarf also gründlicher Überlegung. Ich würde mich wohler fühlen, wenn man dieses Problem anders löste, zumal es ja — auch darauf darf ich hinweisen — noch verfassungsrechtliche Fragen gibt. Es liegt ein Gutachten des immerhin nicht ganz unbekannten Professors Zweigert aus Hamburg vor, der in einer für mich sehr überzeugenden Art und Weise zu dem Ergebnis kommt, daß die Frist eröffnet werden muß. Wir werden uns mit diesem Gutachten auseinanderzusetzen haben. Ich weiß noch nicht, welches Ergebnis dabei herauskommt. Aber wie gesagt: Bedenken gegen den Fonds habe ich grundsätzlich.
    Im BRüG gibt es noch einige Kleinigkeiten, die anzuführen wären, auf die ich aber nicht eingehen möchte. Wir werden darüber im Ausschuß zu sprechen haben.
    Die Skala der Fragen, die im Bundesentschädigungsgesetz zu regeln sind, ist natürlich viel umfangreicher. Es geht um zwei sehr wichtige Grundsatzfragen.
    Einmal das Problem: Wie regelt man vernünftig die Gesundheitsschäden? Praktisch ist es dasselbe Problem, das sich auch bei den Kriegsopfern stellt. Es geht nämlich um die Frage, ob eine bestimmte Krankheit schicksals- oder anlagebedingt oder eine Folge der Verfolgung — bei den Kriegsopfern eine Folge des Krieges — ist. Meine Damen und Herren, ein Arzt, der das heute, im Jahre 1963, entscheiden soll, ist fürwahr überfordert.

    (Abg. Jahn: Oder ein medizinischer Beckmesser!)

    — Wir wollen das dahingestellt sein lassen. Er ist überfordert. Trotzdem soll er ein Gutachten machen. Wiederum ist es für den Verfolgten Glückssache, wie das Gutachten ausgeht. Gerade ein sehr korrekter Arzt wird sich sagen: kann sein, kann auch nicht sein; 50 : 50. Er wird erklären: Ich kann nicht sagen, daß es wahrscheinlich ist, und damit ist der Verfolgte schon um seinen Anspruch gebracht. Ein unkorrekter, böswilliger Arzt — auch solche soll es gehen; nicht alle Ärzte sind unbedingt Freunde der Verfolgten — wird von vornherein sagen: nicht wahrscheinlich. In Wirklichkeit muß sich der Arzt bei einer Herzkrankheit oder einer Magenkrankheit eines 65jährigen Menschen schon einen Ruck geben, um zu bestätigen: Das liegt wahrscheinlich an der Verfolgung, zumal alle Brücken-Symptome und so etwas meistens fehlen.
    Es ist gut, Herr Minister, daß Ihr Haus einen Vorschlag gemacht hat, der immerhin in die Richtung weist, wie man diese leidigen Dinge in der Praxis vereinfachen und zu einem vernünftigen Ergebnis führen kann. Ich meine den Vorschlag mit der Ver-



    Hirsch
    mutung: ein Jahr KZ gleich 25%ige Gesundheitsschädigung. Das ist ein sehr positiver Gedanke. Ich habe nur Bedenken, daß sich Ihr Haus darauf versteift, daß das nur für KZ-Häftlinge eigentlicher Art gelten dürfe. Ich vermag nicht recht zu verstehen, warum ein Zuchthausaufenthalt aus politischen Gründen von gleicher Dauer, warum ein Arbeitslageraufenthalt von gleicher Dauer und warum ein illegales Leben unter menschenunwürdigen Bedingungen von gleicher Dauer den Menschen nicht genauso mitgenommen haben soll.

    (Zustimmung bei der SPD.)

    Auch darüber werden wir uns noch unterhalten müssen.
    Erfreulich ist, daß Sie endlich die Witwen der vor 1953 verstorbenen Verfolgten zu ihrem Recht kommen lassen. Auch das war nämlich ein typischer Fall dieser Ungerechtigkeiten unseres geltenden Rechts.

    (Sehr wahr! bei der SPD.)

    Man hat den Witwen, deren Männer vor 1953 verstorbenen sind, keine Rente auf Grund des Berufsschadens ihres Mannes gegeben, wohl aber jenen Witwen, deren Männer nach 1953 verstorben sind. Wenn man ,es umgekehrt gemacht hätte, hätte das noch einen Grund haben können. Dann hätte man nämlich sagen können: Nun ja, nach 1953 hattest du dir wieder etwas erarbeitet und konntest für deine Witwe sorgen. Aber ausgerechnet der Witwe, deren Mann schon 1938 oder noch früher verstorben ist, nun zu sagen: Du bekommst keine Berufsschadenrente!, das war nicht nur eine Ungerechtigkeit, sondern ein Unsinn. Diesen Unsinn bereinigt der Entwurf, aber wiederum nur in dieser sehr zaghaften Art und Weise, daß Sie etwas geben und gleichzeitig etwas nehmen, nämlich in der Form, daß man den Witwen nicht ihr volles Recht gibt, sondern daß man es ihnen beschränkt gibt ab 1962 und sagt: dann wird die Kapitalentschädigung angerechnet. Bei den meisten Witwen führt das dazu, daß sie lange Jahre wiederum keinen Pfennig bekommen.
    Wenn man das schon macht — und man muß es machen —, muß man es so machen, als wenn die Witwe von vornherein richtig behandelt worden wäre. Dann gehört einfach in das Gesetz hinein: Diese Witwe bekommt ihre Rente wie alle anderen Witwen der nach 1953 Gestorbenen.
    Es gibt weitere Fragen, und es gibt eben — das haben Sie mit Recht gesagt — die ganz entscheidende Frage: post 53, also derjenigen, die erst nach 1953 in den Westen auswandern konnten. Daß diese Frage schwer zu lösen ist, daß sie ungeahnte finanzielle Probleme aufwirft, das weiß jeder Mensch, der sich mit den Dingen beschäftigt.
    Ich habe schon von dem Stichtag gesprochen. Wenn er bei der 16. Novelle gefallen ist, wird es Ihnen schwerfallen, den Stichtag ausgerechnet gegenüber den Nazi-Opfern zu verteidigen. Ich weiß nicht, ob Sie das schaffen werden, in dem Fall auch gegenüber der Weltöffentlichkeit. Daß Sie Angst davor haben, daß aus dem Problem der Nachdreiundfünfziger eines Tages das Problem der Nachdreiundsechziger werden könnte, nachdem gerade Israel danach strebt, daß möglichst viele weiteren Leute aus den Ostblockländern nach Israel auswandern können, daß Sie diese Sorge haben, verstehe ich. Natürlich wollen Sie abgrenzen können. Natürlich ist es Ihnen lieber, wenn Sie sagen können: Na gut, in Gottes Namen gebe ich für den Zweck noch soundsoviele hundert Millionen, aber keinen Pfennig mehr. Aber ob Sie das können, ob das bei — sagen wir einmal ruhig — unjuristischer Auslegung des Gleichheitsgrundsatzes möglich ist, das wage ich zu bezweifeln.
    Die Verbrechen sind nun einmal so ungeheuerlich und so umfangreich, daß wir das, was daraus an finanzieller Not entstanden ist, irgendwie fressen müssen. Wir werden ,es uns auch später nicht leisten können, daß irgendwo in der Welt jemand im Elend lebt und sagt: Das haben Hitler und seine Schergen verschuldet, aber ich kriege nichts; andere kriegen etwas; ich verstehe nicht, warum ich nichts bekomme; ich kann doch nichts dafür, daß ich erst dann und dann aus Polen herauskonnte; die Sowjets haben es mir ja nicht erlaubt. — Wir werden uns das sehr, sehr eingehend überlegen müssen, selbstverständlich unter Prüfung aller nur irgendwie einschlägigen finanziellen Fragen, aber wir können uns nicht von vornherein auf eine Konzeption festlegen. Das kann niemand von uns verlangen, das kann man auch dann nicht verlangen, wenn man an sich das Bestreben hat — und wir haben es fürwahr, meine Damen und Herren —, diese Sache wiederum so auszutragen wie 1952/53 und 1956, nämlich möglichst durch einen einstimmigen Beschluß dieses ganzen Hauses.
    Ich habe mir die Protokolle von damals sehr genau durchgelesen, und ich muß sagen, Worte, wie Sie, Herr Minister, sie heute gesagt haben, sind damals nicht gesagt worden, von niemandem in diesem Hause. Im empfehle Ihnen, einmal das nachzulesen, was Ihr Parteifreund Herr Dr. Reif damals in diesem Hause gesagt hat. Auch das wird Sie, glaube ich, nachdenklich stimmen,
    Im übrigen wird es darum gehen, sehr sorgfältig und unter Aufwendung aller Möglichkeiten, die wir haben, zu überprüfen, was wir noch tun müssen, und anschließend zu klären, ob wir es tun können und wie wir es tun können.
    Es gibt, Herr Minister, andere Möglichkeiten als die laufenden Haushaltsausgaben, um unter Umständen Schulden, 'die überhaupt nur auf längere Sicht bezahlt werden können, auch auf breitere Schultern zu legen. Warum soll man nicht Schuldverschreibungen ausgeben? Lassen Sie mich das als Laie einmal sagen. Warum soll man nicht eine Anleihe aufnehmen? Warum soll man nicht dafür sorgen, daß nicht all das in dieser kurzen Zeit von 15 oder 20 Jahren von uns allein bezahlt wird? Warum nicht? Man kann aber mit dem finanziellen Argument den Notwendigkeiten bestimmt nicht begegnen.
    Der Herr Bundeskanzler Adenauer hat in seiner Regierungserklärung 1961 davon gesprochen, die Wiedergutmachung sei eine Ehrenschuld des deutschen Volkes. Wir haben alle Beifall gezollt. Aber



    Hirsch
    wenige Tage später habe ich einen Brief von einer Dame aus Chikago bekommen, die in Berlin geboren war. Sie schrieb mir: Sehr geehrter Herr Hirsch, ich habe zunächst mit Freude gelesen, was Ihr Bundeskanzler gesagt hat, und ich habe mir das dann überlegt und mich gefragt: Was versteht man eigentlich in Deutschland unter einer Ehrenschuld? Da ist mir eingefallen, Herr Hirsch — schreibt sie mir —: eine Ehrenschuld bezahlt man doch eigentlich in 24 Stunden; und ich, Herr Hirsch, warte jetzt schon über 24 Jahre.
    Meine Damen und Herren, an das, was diese Frau geschrieben hat, sollten wir, glaube ich, alle denken, wenn wir im Ausschuß an die Beratung dieser Gesetze herangehen.

    (Beifall bei der SPD.)