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ID0409615300

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    Deutscher Bundestag 96. Sitzung Bonn, den 14. November 1963 Inhalt: Abg. Mischnick — stellvertretendes Mitglied des Wahlprüfungsausschusses . . 4367 A Fragestunde (Drucksache IV/1614 [neu]) Frage des Abg. Seuffert: Lärmbelästigung beim Flugplatz Schleißheim Hopf, Staatssekretär 4367 B, D, 4368 A, B Seuffert (SPD) 4367 D Ertl (FDP) 4368 A Mertes (FDP) . . . . . . . . 4368 A, B Frage des Abg. Dr. Steinmetz: Rechtsunwirksame Beförderungen in der früheren deutschen Wehrmacht Hopf, Staatssekretär 4368 C, D Dr. Steinmetz (CDU/CSU) . . . 4368 D Frage des Abg. Dr. Kohut: Unbewohnte Einfamilienhäuser in Wahn Dr. Dollinger, Bundesminister . 4369 A, B, C Dr. Kohut (FDP) . . . . . . . 4369 B, C Fragen des Abg. Dr. Aigner: Luitpold-Hütte in Amberg Dr. Dollinger, Bundesminister . . . 4369 C, 4370 B, C, D, 4331 A, C, D, 4372 A Dr. Aigner (CDU/CSU) . . . . 4370 A, B, 4371 A, B, 4372 A Frage des Abg. Dr. Eppler: Aktion Deutsch-Französische Freundschaft von Hase, Staatssekretär . . , 4372 B, C, D 4373 A Dr. Eppler (SPD) 4372 B Dr. Schäfer (SPD) 4372 C Dr. Mommer (SPD) 4372 C, D Frau Meermann (SPD) 4373 A Frage des Abg. Kaffka: Mit Moslems verheiratete deutsche Frauen Dr. Carstens, Staatssekretär . , 4373 B, C, D, 4374 A, B Kaffka (SPD) 4373 C Dr. Schäfer (SPD) 4373 C Jahn (SPD) 4373 D Dr. Rinderspacher (SPD) . . . . 4374 A, B Frage des Abg. Welslau: Einkommen einer Arbeitnehmerfamilie mit drei Kindern Blank, Bundesminister 4374 C II Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 96. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 14. November 1963 Frage des Abg. Welslau: Eigenheimerwerb einer Arbeitnehmerfamilie mit drei Kindern bei 700 DM Einkommen Lücke, Bundesminister . 4374 D, 4375 A, C Welslau (SPD) 4375 A Dr. Schäfer (SPD) 4375 B, C Dr. Aigner (CDU/CSU) . . . . 4375 D Frage der Abg. Frau Meermann: Verteilung der Mappe „Schwarz auf Weiß" Lücke, Bundesminister . . 4375 D, 4376 A Frau Meermann (SPD) . . 4375 D, 4376 A Frage des Abg. Dröscher: Uranerz-Verarbeitung im Steinautal Lenz, Bundesminister 4376 B, C Dröscher (SPD) 4376 B, C Frage des Abg. Dröscher: Verfälschtes Eigelb Frau Dr. Schwarzhaupt, Bundesminister . 4376 D, 4377 A, B, C Dröscher (SPD) . . . . 4376 D, 4377 A Dr. Roesch (SPD) 4377 A, B Frau Dr. Kiep-Altenloh (FDP) . 4377 B, C Frage des Abg. Folger: Bittere Mandeln Frau Dr. Schwarzhaupt, Bundesminister . . . 4377 C, 4378 A Folger (SPD) . . . . . . . . . 4378 A Frage des Abg. Dröscher: Signalanlagen innerhalb von Ortsdurchfahrten Dr. Dahlgrün, Bundesminister 4378 B, C, D, 4379 A Dröscher (SPD) 4378 C, D Fragen des Abg. Seidel (Fürth):: Verlegung amerikanischer Anlagen aus dem Langwassergebiet der Stadt Nürnberg Dr. Dahlgrün, Bundesminister . 4379 A, C Seidel (Fürth) (SPD) 4379 B, C Entwurf eines Sechsten Gesetzes über die Anpassung der Renten aus den gesetzlichen Rentenversicherungen sowie über die Anpassung der Geldleistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung (Sechstes Rentenanpassungsgesetz — 6. RAG) (Drucksache IV/1584) — Erste Beratung —; in Verbindung mit dem Bericht der Bundesregierung über die Entwicklung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit und der Produktivität sowie die Veränderungen des Volkseinkommens je Erwerbstätigen und über die Finanzlage der gesetzlichen Rentenversicherungen (Sozialbericht 1963) (Drucksache IV/1486) Blank, Bundesminister 4379 D Dr. Franz (CDU/CSU) 4381 D Dr. Schellenberg (SPD) 4384 B Spitzmüller (FDP) 4387 A Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Einkommensteuergesetzes (Abg. Dr. Burgbacher, Scheppmann, Arendt [Wattenscheid], Dr. Aschoff u. Gen.) (Drucksache IV/1555) — Erste Beratung — 4390 A Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Einkommensteuergesetzes (SPD) (Drucksache IV/1567) — Erste Beratung —; in Verbindung mit dem Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Einkommensteuergesetzes (SPD) (Drucksache IV/1568) — Erste Beratung — und dem Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Körperschaftsteuergesetzes (SPD) (Drucksache IV/1569) — Erste Beratung — Seuffert (SPD) 4390 B Dr. Dahlgrün, Bundesminister . . 4394 B Dr. Artzinger (CDU/CSU) . . . 4397 A Dr. h. c. Dr.-Ing. Möller (SPD) . . 4400 D Dr. Imle (FDP) . . . . . . . 4403 D Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Bundesentschädigungsgesetzes (2. ÄndG-BEG) (Drucksache IV/1550) — Erste Beratung —; in Verbindung mit dem Entwurf eines Dritten Gesetzes zur Änderung des Bundesrückerstattungsgesetzes (Drucksache IV/1549) — Erste Beratung — Dr. Dahlgrün, Bundesminister . . . 4406 B, 4423 A Dr. Böhm (Frankfurt) (CDU/CSU) . 4411 C Hirsch (SPD) 4418 A Dr. Kohut (FDP) . . . . . . . 4424 C Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 96. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 14. November 1963 III Entwurf eines Gesetzes über Umstellung der Abgaben auf Mineralöl (Drucksache IV/1473); Schriftlicher Bericht des Finanzausschusses (Drucksachen IV/1613, zu IV/ 1613) — Zweite und dritte Beratung — Dr. Bleiß (SPD) . . . . 4427 A, 4433 B Drachsler (CDU/CSU) . . . . . . 4429 C Dr. Imle (FDP) . . . . . . . . 4431 D Dr. Eppler (SPD) . . . . 4434 A, 4435 B Dr. Stecker (CDU/CSU) . . . . . 4434 D Mertes (FDP) . . . . . . . . . 4435 C Antrag betr. Vorlage des Entwurfs eines Gesetzes zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung (SPD) (Drucksache IV/ 1494) Dr. Lohmar (SPD) . . . 4436 A, 4447 D Dr. Hahn (Heidelberg) (CDU/CSU) . 4439 A Dr. Hellige (FDP) . . . . . . . 4442 A Lenz, Bundesminister . . . . . . 4444 B Entwurf eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 16. Mai 1961 mit der Republik Togo über die Förderung der Anlage von Kapital (Drucksache IV/592) ; Schriftlicher Bericht des Wirtschaftsausschusses (Drucksache IV/884) — Zweite und dritte Beratung — 4448 C Neunundzwanzigste Verordnung zur Änderung des Deutschen Zolltarifs 1963 (Zollkontingent für feste Brennstoffe) (Drucksache IV/1612) 4448 D Entwurf eines Gesetzes über den Übergang des zur Bundeswasserstraße Elbe gehörigen Nebenarms „Alte Süderelbe" auf die Freie und Hansestadt Hamburg (Drucksache IV/1593) — Erste Beratung — . . 4449 A Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Rennwett- und Lotteriegesetzes (Drucksache IV/1587) — Erste Beratung — . . 4449 A Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Offshore-Steuergesetzes (Drucksache IV/ 1589) — Erste Beratung — 4449 A Mündlicher Bericht des Ausschusses für wirtschaftlichen Besitz des Bundes über den Antrag des Bundesministers der Finanzen betr. Zustimmung zur Überlassung junger Anteile an wirtschaftlichen Unternehmungen an andere Bezieher als den Bund; hier: Kapitalbeteiligung des Landes Nordrhein-Westfalen und des Vereins für die bergbaulichen Interessen an der Treuhandstelle für Bergmannswohnstätten im rheinisch-westfälischen Steinkohlenbezirk mbH in Essen (Drucksachen IV/1389, IV/1610) 4449 A Schriftlicher Bericht des Ernährungsausschusses über den Antrag der Abg. Logemann, Sander, Wächter u. Gen. betr. EWG-Agrarpreispolitik (Drucksachen IV/ 1258, IV/1611) 4449 C Nächste Sitzung 4449 D Anlagen 4451 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 96. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 14. November 1963 4367 96. Sitzung Bonn, den 14. November 1963 Stenographischer Bericht Beginn: 9.00 Uhr
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    Anlage 1 Liste der beurlaubten Abgeordneten Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich a) Beurlaubungen Arendt (Wattenscheid) * 15. 11. Dr. Arndt (Berlin) 31. 12. Dr. Arnold 15. 11. Dr. Atzenroth 15. 11. Bading 15. 11. Benda 14. 11. Bergmann * 14. 11. Berlin 20. 11. Birkelbach * 14. 11. Fürst von Bismarck 15. 11. Börner 15. 11. Dr. von Brentano 15. 11. Brese 16. 11. Burckardt 15. 11. Burgemeister 16. 11. Cramer 15. 11. Dr. Deist * 15. 11. Deringer 14. 11. Dr. Dichgans * 15. 11. Dopatka 18. 11. Dorn 14. 11. Frau Dr. Elsner * 15. 11. Etzel 15. 11. Fritsch 30. 11. Dr. Furler * 14. 11. Goldhagen 16. 11. Freiherr zu Guttenberg 15. 12. Hahn (Bielefeld) 15. 11. Hauffe 15. 11. Dr. Hesberg 14. 11. Holkenbrink 15. 11. Dr. Hoven 30. 11. Illerhaus * 14. 11. Kahn-Ackermann 15. 11. Kalbitzer 15. 11. Frau Kipp-Kaule 15. 11. Dr. Kliesing (Honnef) 14. 11. Knobloch 15. 11. Kreitmeyer 16. 11. Kriedemann * 16. 11. Dr. Krümmer 14. 11. Leber 15. 11. Lenz (Brühl) * 15. 11. Dr. Löbe 15. 11. Dr. Löhr 15. 11. Lücker (München) * 15. 11. Mauk * 15. 11. Merten 16. 11. Anlagen zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich Metzger 21. 11. Dr. h. c. Dr.-Ing. E. h. Möller 14. 11. Freiherr von Mühlen 24. 11. Müller (Aachen-Land) 16. 11. Müller (Remscheid) 15. 11. Neumann (Allensbach) 16. 11. Ollenhauer 31. 12. Pöhler 15. 11. Porten 15. 11. Porzner 15. 11. Rademacher * 15. 11. Frau Renger 15. 11. Richarts * 15. 11. Dr. Schneider (Saarbrücken) 15. 11. Schoettle 31. 12. Dr. Seffrin 16.11. Seifriz 15. 12. Storch* 15. 11. Frau Strobel * 15. 11. Dr. Supf 15. 11. Dr. Freiherr von Vittinghoff-Schell 15. 12. Walter 14. 11. Weber (Georgenau) 15. 11. Weinkamm 15. 11. Wellmann 16. 11. Wendelborn 15. 11. Dr. Wilhelmi 16. 11. Wischnewski * 15. 11. b) Urlaubsanträge Freiherr von Kühlmann-Stumm 29. 11. Dr. Müller-Hermann 15. 12. * Für die Teilnahme an Sitzungen des Europäischen Parlaments Anlage 2 Umdruck 359 Änderungsantrag der Fraktion der SPD zur zweiten Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über Umstellung der Abgaben auf Mineralöl (Drucksachen IV/1473, IV/1613, zu IV/1613). Der Bundestag wolle beschließen: In Artikel 8 erhält Artikel 1 des Straßenbaufinanzierungsgesetzes folgende Fassung: „Artikel 1 Zweckbindung des Aufkommens der Mineralölsteuer Das Aufkommen an Mineralölsteuer, ,ausgenommen das Aufkommen aus der Besteuerung der 4452 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 96. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 14. November 1963 Schweröle und Reinigungsextrakte nach § 8 Abs. 2 des Mineralölsteuergesetzes, ist in Höhe von 55 von Hundert für Zwecke ides Straßenwesens zu verwenden." Bonn, den 14. November 1963 Ollenhauer unid Fraktion Anlage 3 Umdruck 357 (neu) Änderungsantrag der Fraktion der SPD zu Nummer 2 des Antrages des Finanzausschusses zu dem von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf eines Gesetzes über Umstellung der Abgaben auf Mineralöl (Drucksachen IV/1473, IV/1613, zu IV/1613). Der Bundestag wolle beschließen: In Nr. 2 b) des Ausschußantrags - Drucksache IV/1613 — wird der letzte Satzgestrichen und als gesonderter Entschließungsantrag als Buchstabe c wie folgt gefaßt: „c) Die Bundesregierung wird ersucht,alsbald Vorschläge zu unterbreiten, die die Wiettbewerbsverzerrungen durch das Eigenverbrauchsprivileg der Raffinerien zu Lasten konkurrierender mittelständischer Betriebe beseitigen." Bonn, Iden 14. November 1963 Ollenhauer und Fraktion Anlage 4 Umdruck 360 Änderungsantrag der Abgeordneten Dr. Imle, Mertes und Genossen zu Nummer 2 des Antrages des Finanzausschusses zu dem von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf eines Gesetzes über Umstellung der Abgaben auf Mineralöl (Drucksachen IV/1473, IV/1613, zu IV/1613). Der Bundestag wolle beschließen: In Nr. 2 b) des Ausschußantrages — Drucksache IV/1613 — wird der letzte Satz gestrichen und als gesonderter Entschließungsantrag als Buchstabe c wie folgt gefaßt: „c) Die Bundesregierung wird ersucht, Vorschläge zu unterbreiten, wie eine Wettbewerbsgleichheit mittelständischer Unternehmen gegenüber dem Eigenverbrauchsprivileg der Raffinerien sichergestellt werden kann." Bonn, den 14. November 1963 Dr. Imle Mertes Dr. Danz Deneke Dr. Emde Ertl Frau Dr. Flitz (Wilhelmshaven) Dr. Hamm (Kaiserslautern) Dr. Kohut Logemann Dr. Mälzig Margulies Murr Peters (Poppenbüll) Dr. Rieger (Köln) Dr. Rutschke Soetebier Zoglmann Anlage 5 Umdruck 358 (neu) Entschließungsantrag der Fraktion der SPD zur dritten Beratung des von .der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über Umstellung der Abgaben auf Mineralöl (Drucksachen IV/1473, IV/1613, zu IV/1613). Der Bundestag wolle beschließen: Die Bundesregierung wird ersucht, 1. zu prüfen, ob der 2. Vierjahresplan für den Ausbau der Bundesfernstraßen durch die starke Entwicklung der Motorisierung überholt und 2. gegebenenfalls bis zum 31. März 1964 einen modifizierten 2. Vierjahresplan vorzulegen, der es ermöglicht, unter voller Ausschöpfung der Straßenbaukapazität den Ausbau des Bundesfernstraßennetzes an die Motorisierung anzupassen. Bonn, den 13. November 1963 Ollenhauer und Fraktion
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    Rede von Theodor Blank


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Bundesregierung legt Ihnen den Sozialbericht



    Bundesminister Blank
    1963 vor über die Entwicklung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit und der Produktivität sowie die Veränderung des Volkseinkommens je Erwerbstätigen in dem vorausgegangenen Kalenderjahr und über die Finanzlage der gesetzlichen Rentenversicherung und zugleich damit den Entwurf eines Sechsten Rentenanpassungsgesetzes, der nicht nur eine Anpassung der Renten in den gesetzlichen Rentenversicherungen, sondern auch eine Anpassung der vom Jahresarbeitsverdienst abhängigen Geldleistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung vorsieht. Ich möchte Ihnen nicht die einzelnen Daten des Sozialberichts vortragen, sondern nur die für die Rentenanpassung entscheidenden Gesichtspunkte.
    Zunächst zur Finanzlage der Versicherungsträger! Im vergangenen Jahr habe ich zur Begründung des Fünften Rentenanpassungsgesetzes vorgetragen, daß die finanzielle Situation der Rentenversicherungen sowohl die fünfte als auch die sechste Rentenanpassung erlaube, ohne die gesetzlich vorgeschriebene Rücklage zu unterschreiten. Auch in diesem Jahr kann ich mit Genugtuung feststellen, daß die Entwicklung der Beitragseinnahmen wiederum günstiger verlaufen ist, als in den Vorausschätzungen angenommen wurde. Die Einnahmensteigerung hat den sehr beträchtlichen Ausgabenzuwachs übertroffen. In erster Linie ist dies auf die Erhöhung der beitragspflichtigen Löhne und Gehälter zurückzuführen. Die Mehreinnahmen erlauben es, die Vorausschätzungen über die finanzielle Lage der Rentenversicherungsträger weiter zu verbessern, so daß die Folgerungen, die im vergangenen Jahr gezogen werden konnten, in diesem Jahr mit noch größerer Sicherheit gezogen werden können und auch noch weitergehende Aussagen über die künftigen Rentenanpassungen erlauben. Der Sozialbericht 1963 kommt zu der gesicherten Aussage, daß sowohl in der Rentenversicherung der Arbeiter als auch in der Angestelltenversicherung die sechste und siebente Rentenanpassung durchgeführt werden können, ohne daß die gesetzlich vorgeschriebene Rücklage unterschritten wird. Auch die achte Rentenanpassung wird nicht zu einer Unterschreitung des Rücklagesolls führen, die zu gesetzgeberischen Maßnahmen Anlaß geben könnte.
    Die uns heute vorliegenden Zahlen über die finanzielle Situation der gesetzlichen Rentenversicherungen rechtfertigen die Annahme, daß im ganzen ersten Deckungsabschnitt das vom Gesetzgeber verlangte finanzielle Gleichgewicht gesichert ist. Der rechnerische Überschuß zwischen den Einnahmen und Ausgaben in den Rentenversicherungen der Arbeiter und der Angestellten ist von 1,4 Milliarden DM im Jahre 1960 auf 1,8 Milliarden DM im Jahre 1961 und auf mehr als 2 Milliarden DM im Jahre 1962 gestiegen. Auch für das laufende Geschäftsjahr ist mit einem Überschuß von mehr als 2 Milliarden DM zu rechnen. Damit wird das gesamte Bar- und Anlagevermögen dieser beiden Rentenversicherungen am Ende des Jahres 1963 mehr als 22 Milliarden DM betragen. Angesichts dieses Vermögens der Versicherungen, das als Rücklage gesetzlich vorgeschrieben ist, empfinde ich es als Beruhigung, daß auch bei weiteren Anpassungen im laufenden Deckungsabschnitt ein Rückgriff auf die Reserven nicht notwendig sein wird und daß die gegenwärtige und in naher Zukunft zu erwartende Finanzlage der Rentenversicherungen eine Beitragserhöhung — im jetzigen Augenblick jedenfalls - nicht erforderlich macht.
    Ich bin mir indessen darüber im klaren, daß die zu erwartenden Verschiebungen im Bevölkerungsaufbau unseres Landes zu einem späteren Zeitpunkt Überlegungen erfordern, auf welchem Wege das finanzielle Gleichgewicht aufrechterhalten werden kann. Nach Auffassung der Bundesregierung ist es zweckmäßig, die weitere finanzielle Entwicklung abzuwarten. Von ihr wird es abhängen, ob, in welchem Ausmaße und mit welchen Mitteln eine Verstärkung des Finanzierungssystems erforderlich wird.
    Die weitere Frage, die sich bei dem Vorschlag einer sechsten Rentenanpassung ergibt, ist, wie sich die erneute Rentenanpassung in den Rahmen der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung einfügt. Nach Vorausberechnungen des Bundesarbeitsministeriums verursacht die Anpassung der Renten aus den gesetzlichen Rentenversicherungen und der Geldleistungen aus der Unfallversicherung Mehrausgaben von mehr als 1,5 Milliarden DM im kommenden Jahr. Angesichts dieser nicht unbeträchtlichen Vermehrung der Konsumentenkaufkraft hat sich der Sozialbeirat mit der Frage auseinandergesetzt, ob nicht auch aus konjunkturpolitischen Erwägungen die Anpassung auf ein geringeres Ausmaß als den Anstieg der allgemeinen Bemessensgrundlage beschränkt werden sollte. Die Mehrheit der Beiratsmitglieder gab jedoch den sozialpolitischen Überlegungen den Vorrang und setzte sich für eine Anpassung der Renten aus den gesetzlichen Rentenversicherungen um 8,2 v. H. ein.
    Auch für die Bundesregierung waren es die sozialpolitischen Gründe, die für den Vorschlag einer erneuten vollen Rentenanpassung den Ausschlag gegeben haben, zumal im Zeitpunkt der sechsten Rentenanpassung konjunkturpolitische Bedenken weniger stark in den Vordergrund treten als in dem einen oder anderen voraufgegangenen Jahr. Ferner entschärfen sich etwaige konjunkturpolitische Bedenken vor allem auch dadurch, daß die Mehraufwendungen von 1,5 Milliarden DM nicht schlagartig konsumwirksam werden, sondern, bedingt durch die Technik der Anpassung und den monatlichen Zahlungsrhythmus der Renten,

    (Abg. Stingl: Sehr richtig!)

    sich in gleichmäßige Beträge auf das ganze kommende Jahr verteilen werden. Die Bundesregierung vertritt daher die Auffassung, daß die im Rahmen des Sechsten Rentenanpassungsgesetzes vorgeschlagenen Rentenerhöhungen auch mit der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung vereinbar sind. Der vorgelegte Entwurf eines Sechsten Rentenanpassungsgesetzes folgt den gleichen Grundsätzen, auf denen die vorausgegangenen fünf Rentenanpassungsgesetze beruhen. Er sieht für die Renten aus den gesetzlichen Rentenversicherungen, die auf Versicherungsfällen beruhen, die im Jahre 1962 und früher



    Bundesminister Blank
    eingetreten sind, eine Erhöhung um 8,2 v. H. vor. Damit sollen die Bestandsrenten um denselben Prozentsatz erhöht werden, um den die Neurenten des Jahres 1963 gegenüber denen des Jahres 1962 gestiegen sind. Mit der grundsätzlich gleichmäßigen Behandlung von Bestands- und Neurenten will der Entwurf dem entscheidenden Grundgedanken der Rentenreform, die Rentner im Ausmaß des Wachstums der Löhne und Gehälter an der wirtschaftlichen Entwicklung zu beteiligen, erneut Wirkung verschaffen. Der zeitliche Abstand, der zwischen der Lohnentwicklung und der Entwicklung der Renten in den Rentenversicherungs-Neuregelungsgesetzen festgelegt ist, hat allerdings zur Folge, daß sich die Renten in ihrer Höhe nach der Lohnentwicklung vergangener Jahre richten. Für das Sechste Rentenanpassungsgesetz ist die Lohnentwicklung in den Jahren 1959 bis 1961 maßgebend. In diesen drei Jahren sind die Löhne im Durchschnitt um 8,2 v. H. gestiegen. Um diesen Vom-Hundert-Satz sind jetzt auch die Bestandsrenten zu erhöhen, wenn die Rentner prozentual im gleichen Maße wie die Lohn- und Gehaltsempfänger an dem Produktivitätsfortschritt beteiligt sein sollen.
    Daß die Löhne im laufenden Jahr nicht in diesem Ausmaß steigen werden, darf nicht zu der Auffassung verleiten, die Renten würden den Löhnen vorauseilen. Sie folgen diesen vielmehr nach. Es handelt sich um eine mit zeitlichem Abstand parallele Entwicklung.
    Da sich die Beitragsbemessungsgrenze und damit die Höchstgrenze in allen drei Rentenversicherungen erhöht haben, ändern sich auch in diesem Jahr die nach der Versicherungsdauer gestaffelten individuellen Rentenhöchstbeträge. Das bedeutet, daß z. B. die Bestandsrenten, die in den Rentenversicherungen der Arbeiter und ;der Angestellten im Jahre 1957 noch auf 562,50 DM monatlich begrenzt waren, nunmehr vorn 1. Januar 1964 an auf 750 DM monatlich ansteigen werden.
    Erstmalig sieht das Sechste Rentenanpassungsgesetz auch eine Anpassung der vom Jahresarbeitsverdienst abhängigen Geldleistungen in der Unfallversicherung vor. Ausgehend von der Überlegung, daß der Verletzte ohne den Unfall in aller Regel an der weiterhin sich vollziehenden allgemeinen Lohnentwicklung teilgenommen hätte, hat der Gesetzgeber im Unfallversicherungs-Neuregelungsgesetz vorgeschrieben, daß bei Veränderungen der durchschnittlichen Bruttolohn- und -gehaltssumme die vom Jahresarbeitsverdienst abhängigen Geldleitungen durch Gesetz angepaßt werden. Damit ist eine Berücksichtigung der jeweiligen Lohnverhältnisse während der Dauer des Rentenbezuges vorgeschrieben. Im Prinzip unterscheidet sich somit die Anpassung in der Unfallversicherung nicht von der in den Rentenversicherungen. Zu beachten ist jedoch, daß die Anpassung in der Unfallversicherung der jährlichen Lohnentwicklung mit einem zweijährigen Abstand folgt. Für die Anpassung der Renten in der Rentenversicherung ist dagegen die durchschnittliche Entwicklung in einem dreijährigen Zeitraum maßgebend. Aus dieser verschiedenartigen Berechnungsweise erklärt sich die unterschiedliche Höhe der Anpassungssätze. Im Endergebnis wird die Anpassung in der Unfallversicherung grundsätzlich zu der gleichen Anhebung der Renten führen wie die Anpassung in den Rentenversicherungen.
    Nach dem Entwurf sollen für Versicherungsfälle aus den Jahren 1961 und früher die vom Jahresarbeitsverdienst abhängigen Geldleistungen um den Prozentsatz, der der Lohnentwicklung von 1961 auf 1962 entspricht, erhöht werden. Da sowohl die Renten aus der Rentenversicherung als auch die Unfallrenten zum gleichen Zeitpunkt angehoben werden, wirkt sich die Anpassung für Rentner, die Renten aus beiden Versicherungszweigen beziehen, günstiger aus als bisher.
    Hinsichtlich des technischen Ablaufs der Rentenanpassung sind keine von den Vorjahren abweichende Regelungen vorgesehen. Die Masse der anzupassenden Renten wird daher von den Rentenrechnungsstellen der Bundespost ohne Beteiligung der Versicherungsträger mit Hilfe elektronischer Rechengeräte umgerechnet werden können. Jeder Rentenempfänger erhält eine schriftliche Mitteilung über die Höhe seiner Rente. Die Post wird bestrebt sein, die angepaßte Rente vom 1. März 1964 an zu zahlen. Die Nachzahlungen für die Monate Januar und Februar 1964 sollen mit der Rente für März 1964 ausgezahlt werden.
    Gestatten Sie mir, meine Damen und Herren, an dieser Stelle einmal ein Wort des Dankes an die Deutsche Bundespost zu sagen

    (Beifall)

    und an die mit dieser Arbeit befaßten Bediensteten, die so prompt Jahr für Jahr unser politisches Wollen durch eine rechtzeitige Auszahlung an die Rentner in die Tat- umgesetzt haben.

    (Erneuter Beifall.)

    Nun bleibt mir noch, wie alljährlich, so auch in diesem Jahr, dem Sozialbeirat den Dank der Bundesregierung

    (Abg. Stingl: Und des Parlaments!)

    — zum Sprecher des Parlaments darf ich mich hier nicht selbst ernennen; ich überlasse das Ihnen, den Herren Abgeordneten — für sein nach eingehender und sorgfältigen Beratung erstattetes Gutachten auszusprechen.
    Die Bundesregierung bittet Sie, dem vorgelegten Gesetzentwurf Ihre Zustimmung zu geben.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)



Rede von Dr. Thomas Dehler
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Wir treten in die Aussprache ein. Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Franz.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Ludwig Franz


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)

    Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das Sechste Rentenanpassungsgesetz ist in Verbindung mit dem Sozialbericht 1963 ein glänzendes Zeugnis für die großen sozialpolitischen Möglichkeiten, die in dem System der sozialen Marktwirtschaft liegen.

    (Abg. Stingl: Jawohl!)




    Dr. Franz
    1,5 Milliarden DM mehr als bisher werden im Rahmen dieses Gesetzes unseren Rentnern zufließen.
    Es ist kein Geheimnis, daß es im. Sozialbeirat eine lebhafte Diskussion um eine eventuelle Beitragserhöhung in der Rentenversicherung um 1 % gegeben hat. Sie wissen, daß die Bundesregierung dieser Anregung nicht gefolgt ist. Es ging dabei nicht um eine Stärkung der finanziellen Grundlage der Rentenversicherung, sondern um den Gedanken, zugunsten der Rentner bei den aktiven Versicherten eine Kaufkraftabschöpfung vorzunehmen. Sie alle kennen das böse Wort, daß immer dann die Währung in Gefahr ist, wenn es um Renten und um Löhne geht. Was steckt hinter dieser hart umstrittenen Behauptung?
    Dahinter steckt, daß Löhne und Sozialleistungen von Jahr zu Jahr ein immer größerer Faktor im Rahmen des gesamten Volkseinkommens werden. Ich erinnere daran, daß der frühere Bundeswirtschaftsminister und heutige Bundeskanzler Dr. Erhard schon vor Jahren vorausgesagt hat, daß dieses Moment des sozialen Ausgleichs in seinem System liege. Löhne und Sozialleistungen werden von Jahr zu Jahr ein immer bedeutenderer Faktor im Rahmen des gesamten Volkseinkommens.
    Ein zweiter Gesichtspunkt ist der, daß Löhne und Sozialleistungen weit überwiegend konsumtiv verwendet werden. Das hängt nicht nur mit der zum Teil noch geringen Sparfähigkeit der Empfänger von Sozialleistungen und Löhnen zusammen. Wir wissen, daß ein sozialer Aufstieg auf gesunder Grundlage immer noch ein Erziehungsproblem ist. Das Stichwort „Konsumgeld durch Renten" war schon 1956 im Rahmen der Rentenreformdiskussion ein wesentlicher Streitpunkt. Die Rentner selber haben darauf im Jahre 1957 eine sehr ehrenhafte Antwort gegeben. Sie haben zumindest einen ganz großen Teil der Nachzahlungen damals gespart.
    Wenn es heute heißt, daß die 1,5 Milliarden DM, die im Rahmen der neuen Gesetze auf die Rentner zukommen, nicht kaufkraftneutral sind, dann darf ich sagen, daß wir die Pflicht haben, genau zu untersuchen, auf welche Sektoren der Nachfrage diese Gelder im wesentlichen wohl gelangen.

    (Abg. Stingl: Sehr gut!)

    Da stelle ich fest, daß diese Gelder nicht dort auftreten, wo wir seit Jahren die größte Konjunkturüberhitzung haben, nicht bei den Investitionen, nicht auf dem Baumarkt, sondern einesteils auf Märkten, die bisher noch keine Hochkonjunktur gekannt haben, oder dort — ich erwähne nur die Nahrungsmittel —, wo das Angebot jederzeit fast beliebig vermehrbar ist.
    Ich gebe ehrlich-zu, daß diese sechste Rentenanpassung auch bedeutende Schönheitsfehler hat. Der bedeutendste Schönheitsfehler ist für mich der, daß das sozialpolitisch wünschenswerte Ziel, die ausgefallene Anpassung nachzuholen, auch diesmal nicht erreicht worden ist. Ich sage: Es wäre ein sozialpolitisch wünschenswertes Ziel. Auf der anderen Seite kann ich mir sehr gut vorstellen, daß — und dafür werden wir heute in diesem Hause sicher noch Beispiele bekommen — die 20 Milliarden DM, die in den Tresoren der Rentenversicherung liegen, natürlich eine faszinierende Wirkung auf jene ausüben, die auf dem Gebiet der verteilenden Gerechtigkeit das Hauptanliegen unserer Sozialpolitik sehen.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Ich darf Ihnen aber ganz ehrlich sagen, daß der Ausfall der Anpassung und die Tatsache, daß wir sie nicht nachgeholt haben, nichts zu tun haben mit unserer Angst vor dem Kaufkraftstoß, sondern nur mit unserer Sorge um das Schicksal der Rentenversicherung überhaupt.

    (Erneuter Beifall bei der CDU/CSU.)

    Die Zahlenunterlagen, die im Sozialbericht enthalten sind, zeigen uns, daß wir bis zum Ende des ersten Deckungsabschnitts 1966 die große Chance haben, die vorgeschriebenen Rücklagen in der Arbeiterversicherung zu fast 90 %, in der Angestelltenversicherung zu fast 100 % zu erreichen.
    Eines ist ja typisch für die gesamte Rentenversicherung: daß im Laufe der letzten Jahre der Kreis der Beitragszahler sich erheblich ausgeweitet hat und infolge der Steigerung der Nominallöhne eine indirekte Beitragserhöhung stattgefunden hat. Die Nachholung der Anpassung würde statt .der 1,5 Milliarden DM, die in diesem Gesetz stehen, allein für das Jahr 1964 3,25 Milliarden DM bedeuten. Allein für das Jahr 1964 — ich betone extra, daß diese Größenordnung nicht weitergerechnet worden ist — eine Verdoppelung! Was das bedeutet, wissen wir alle.
    Wir stellen fest, daß sich im Laufe dieses Jahres vor allem die Entwicklung der Löhne sichtbar abgeflacht hat. Die Auseinandersetzungen, die im Frühjahr dieses Jahres im Südwesten Deutschlands mit Metallarbeiterstreik und Aussperrung stattgefunden haben, haben ganz deutlich die Fragwürdigkeit eingebildeter Machtpositionen gezeigt. Auf der anderen Seite ist das wichtigste Element überhaupt die deutlich sichtbare Erschöpfung des deutschen Arbeitsmarktes und in etwa auch des Arbeitsmarktes der Länder, die uns bisher Arbeitskraftreserven geliefert haben.
    Man darf behaupten, daß die Rentenverläufe, die jetzt auf die Rentenversicherung zukommen, deutliche Spiegelbilder des deutschen Schicksals der letzten fünfzig Jahre sind. Die Auswirkungen zweier Kriege, einer Weltwirtschaftskrise, zweier Inflationen und des Lohnstopps während der Hitlerzeit gehen aus jedem einzelnen Rentenverlauf hervor. Dagegen steht, daß künftig von Jahr zu Jahr immer glattere Rentenverläufe mit gleichmäßig hohen Ansprüchen auf die Rentenversicherung zukommen werden, während die Einnahmesteigerung ihren Kulminationspunkt deutlich überschritten hat.
    Hinzu kommt noch, daß uns im nächsten Jahrzehnt die Auswirkungen der ungünstigen deutschen Alterspyramide in vollem Umfang treffen werden. Wir geben zu, daß die Rentenanpassung so etwas wie ein Gewohnheitsrecht geworden ist. Der Herr Minister hat schon darauf hingewiesen, daß das Zurücksinken der Renten um die berühmten drei Jahre



    Dr. Franz
    sich in Zeiten einer abflachenden Lohnkurve so auswirkt, daß die Renten gegenüber den Löhnen aufholen. Das ist bei der heutigen Rentenanpassung der Fall.

    (Abg. Stingl:... und gewünscht!)

    — Und gewünscht. — Diese drei Jahre sollten eigentlich ein retardierendes Element sein. Sie sind jetzt ein korrigierendes Element geworden, im besten sozialpolitischen Sinne. Wir sind sehr glücklich darüber, daß wir heute mit bestem Gewissen sagen können, daß wir bis zum Ende des ersten Deckungsabschnitts eine alljährliche Anpassung vorzunehmen in der Lage sein werden.
    Dann aber müssen die Voraussetzungen neu geprüft werden. Wir alle haben schon in der Fachpresse und in hochinteressanten Vorträgen von Fachleuten gehört, daß möglicherweise — genau kann das niemand übersehen — im zweiten Deckungsabschnitt angesichts der ungünstigen Alterspyramide eine Beitragserhöhung in der Größenordnung von 14 bis 19 oder gar 20 % nötig sein könnte. Es gibt keinen Zweifel darüber, daß eine solche Notwendigkeit weitgehend unabhängig von parteipolitischer Einstellung ist. Wenn das Geld einmal gebraucht werden sollte, um die Rentenansprüche zu erfüllen, muß es eingehoben werden, ganz gleich wer die politische Verantwortung dafür zu tragen hat.
    Ich möchte nicht verschweigen, daß uns ein Element besonders große Sorgen bereitet. Es gibt gar keinen Zweifel darüber, daß wir in der Rentenhöhe im Vergleich zum Durchschnittsverdienst der heutigen aktiven Versicherten ein leichtes Absinken festzustellen haben. Das braucht nicht verschwiegen zu werden und bedeutet, daß wir zu dieser Stunde sozialpolitisch an einem Scheideweg stehen. Wir sind nicht damit zufrieden, daß die Masse unserer Versicherten heute eine verhältnismäßig große Möglichkeit hat, am allgemeinen Konsum teilzunehmen, und darüber hinaus keine andere Chance, als die sehr hoch gewordenen Beitragsverpflichtungen in den gesetzlichen Versicherungszweigen zu erfüllen. Das entspricht nicht unseren sozialpolitischen Vorstellungen. Wir wollen Spielraum haben. Nach unseren sozialpolitischen Vorstellungen soll zwischen dem Konsum und der Beitragsverpflichtung noch ein Spielraum für eine individuelle Gestaltung des einzelnen Schicksals bestehenbleiben.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    In diesem Sinne ist der Streit um die nachgeholte Anpassung, die etwa 2 Milliarden DM mehr kosten würde als das, was die Bundesregierung in dem sechsten Anpassungsgesetz vorschlägt, nur ein Symptom für sehr tiefgreifende sozialpolitische Entscheidungen.
    Wir schlagen ein anderes Verfahren vor. Wir sind der Meinung, daß die Rentengesetze von 1957 nunmehr eine ausreichende Laufzeit und Bewährungszeit gehabt haben. Wir stellen fest, daß jenes Werk manche soziale Härten, manche verfahrensrechtliche Schwierigkeiten aufweist. Wir sollten noch in dieser Legislaturperiode gemeinsam eine Überarbeitung der Rentengesetze von 1957 vornehmen. Es ist kein
    Geheimnis, daß von der CDU-Fraktion schon sehr weitgehende Vorarbeiten zu diesem Zweck geleistet worden sind.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Ich möchte in diesem Zusammenhang nur auf das Kernproblem eingehen. 1957 sind wir davon ausgegangen, daß Beitragshöhe und Beitragszeit zwei gleichberechtigte Elemente bei der Berechnung der Altersrente sein sollten. Heute hat es sich herausgestellt, daß der Gesichtspunkt der Beitragszeit unter besonders gelagerten Umständen unterbewertet sein kann, nämlich dort, wo langjährige Versicherte aus dem Dienstleistungsbereich der Landwirtschaft, Forstwirtschaft und Hauswirtschaft trotz langjähriger Beitragszeit sehr niedrige Renten erhalten, weil die Entlohnung niedrig war und die Sachbezüge beitragsmäßig zu gering in Ansatz gebracht wurden. Wir sind der Auffassung, daß diesem Punkt bei der Überarbeitung der Rentengesetze — wobei ich ganz sicher bin, daß wir in diesem Hause eine einstimmige Entscheidung erreichen werden — allergrößte Sorgfalt gewidmet werden muß.

    (Beifall in der Mitte.)

    Wir sind aber nicht gewillt, diejenigen, die nur sechs oder acht Beitragsjahre aufzuweisen haben, in diesem Rahmen zu berücksichtigen. Wir dürfen nämlich die braven Beitragszahler, von denen wir die allermeisten in die Versicherungspflicht einbezogen haben, nicht dadurch strafen, daß wir hinterher die anderen durch einen Gnadenakt des Staates gleichstellen.

    (Beifall in der Mitte.)

    Wir dürfen auch nicht durch einen Akt der Gesetzgebung die von bestimmten Interessentengruppen betriebene planmäßige Politik niedriger Beiträge mit einer Sockelrente belohnen. Ich möchte es einmal überspitzt ausdrücken. Wenn wir das täten, wenn wir am Ende eines Arbeitslebens den Mann, der 40 Jahre lang gezahlt hat, und die Frau, die vielleicht nur sechs oder acht Jahre lang gezahlt hat, gleichstellten, gäbe es, überspitzt ausgedrückt, nur eine logische Alternative: die gesamte soziale Rentenversicherung auf freiwilliger Basis durchzuführen, so daß jeder wählen könnte, ob er sich einen erdienten oder einen gesetzlich verankerten Anspruch sichern will.
    Zum erstenmal wird in diesem Jahre die Unfallversicherung angepaßt. Sie alle wissen, daß diese Maßnahme sehr, sehr umstritten gewesen ist. Auf der einen Seite war sich jeder darüber klar, daß die in dem Gesetz von 1957 vorgesehene Dynamisierung der Rente so etwas wie eine normative Wirkung auf andere Zweige der Sozialversicherung haben würde. Auf der anderen Seite kann ich mir einfach nicht vorstellen, daß in einem Wirtschaftssystem, dessen Kern eine unvorstellbare Dynamik ist, Renten auf dem Stand irgendeines früheren Jahres eingefroren werden könnten. Das ist sozialpolitisch undenkbar und auch wirtschaftspolitisch nicht sinnvoll.
    Ich habe schon gesagt: die Anpassung der Unfallversicherung ist ein Schritt in sozialpolitisches Neu-



    Dr. Franz
    land. Das bedeutet, daß wir bei den Ausschußberatungen über eine Reihe von Problemen, die in diesem Entwurf stecken, mit größter Unvoreingenommenheit werden reden müssen. Ich darf in diesem Zusammenhang nur sagen, daß über die 8,7 % noch gesprochen werden wird.
    Auch das sozialpolitisch so bedrängende Problem der Ortslöhne kann möglicherweise dadurch einer Lösung nahegebracht werden, daß der Bundesgesetzgeber die Länder anweist, die Ortslöhne heraufzusetzen. Dann stünde auch ihrer Anpassung nichts mehr im Wege.

    (Abg. Stingl: Hoffentlich funktioniert das bei den Ländern von allein!)

    — Herr Kollege Stingl, bringen Sie mich als Bayern nicht in Verlegenheit!

    (Heiterkeit in der Mitte.)

    Ich gebe ehrlich zu, es kann sein, daß wir in der Vergangenheit auf diesem oder jenem Teilgebiet durch Unterlassung gesündigt haben, daß die letzten Möglichkeiten, die in den Gesetzen lagen, vielleicht nicht hundertprozentig ausgeschöpft worden sind. Aber das Wort ist nicht ganz unberechtigt, daß fast alle Leistungen, die wir hier gesetzlich konzipiert haben, gewissermaßen auf die Hochkonjunktur zugeschnitten sind — das ist leider kein leeres Schlagwort — und daß die Bewährungsprobe all dieser Gesetze erst kommen wird; davon bin ich felsenfest überzeugt. Eines aber möchte ich verhindert wissen, nämlich das Unsozialste, was überhaupt denkbar wäre: daß irgendein sozialer Anspruch nur noch auf dem Papier steht und nicht erfüllt werden kann.

    (Beifall bei der CDU/CSU.) Das ist unsere größte Sorge.

    Ich beantrage, den Gesetzentwurf dem Ausschuß für Sozialpolitik zu überweisen.

    (Erneuter Beifall bei der CDU/CSU.)