Rede von
Dr.
Friedrich
Schäfer
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Ausführungen meines Vorredners geben mir Anlaß zu einigen grundsätzlichen Bemerkungen, und ich freue mich, daß ich in einigen Punkten an das von Ihnen, Herr Dr. Götz, Gesagte anknüpfen darf.
Wir müssen uns zunächst überlegen, daß es ein ganz wesentliches Grundrecht des Bürgers ist, sich an die höchste Stelle, an das Parlament, zu wenden. Damit entsteht für das Parlament eine ganz entscheidende Verpflichtung, nämlich diese lezte Möglichkeit des Bürgers ernst zu nehmen und seinen Beschwerden und Anregungen den entsprechenden Wert beizumessen. So wie das bislang im Bundestag geschieht — das müssen wir grundsätzlich feststellen —, ist es unbefriedigend. Der Bundestag wird nach § 113 der Geschäftsordnung tätig, indem er die Argumente der Exekutive übernimmt — das ist die Mehrzahl der Fälle — und die Angelegenheit durch die Stellungnahme der Exekutive für erledigt erklärt; in wenigen Fällen werden die Petitionen als Material überwiesen, und in den anderen Fällen geschieht gar nichts.
Nun müssen wir uns einmal der Reihe nach die Dinge überlegen. Wenn sich jemand an den Bundestag, ,an das Parlament, an den obersten Souverän wendet, dann tut er es aus einer bedrängten Situation heraus. Entweder meint er, daß ihm durch die Behörden Unrecht geschieht, ,daß in Gesetz zu Unrecht angewandt wird oder daß ein Gesetz selber Unrecht enthält. Dann ist es Aufgabe des Petitionsausschusses — so muß das ausgestaltet werden, so ist das bislang nicht möglich —, diesen Fragenkomplex zu prüfen und dem betreffenden Bürger eine eigene Antwort mit eigenen Gründen zu geben, nicht die Begründung, die er schon vorher durch irgendein Ministerium erhalten hat. Wir erfahren ja, daß diese Abschrift dann wieder in dem Bescheid des Petitionsausschusses enthalten ist und dann wiederum einem einzelnen Abgeordneten zugeht.
Es ist eine Frage der Pflege des Vertrauens in die öffentliche Verwaltung, die hier zur Debatte steht. 90 % der Fälle sind so gestaltet, daß man dem Betreffenden sagen muß, die Behörde hat richtig gehandelt; die Gesetze verlangen den Vollzug in der und der Weise. Dann muß .das Parlament aber auch den Mut und die Fähigkeit haben, dem Bürger zu sagen: wir haben durch ein Gesetz diese Frage so entschieden, die Verwaltung hat sich korrekt verhalten. Es ist außerordentlich wichtig, daß dem Bürger gerade in diesen Fällen durch das Parlament bestätigt wird, daß die Verwaltung richtig gehandelt hat. Das Parlament kann dann aber nicht kurzerhand die Stellungnahmen der Regierung übernehmen, sondern muß sie seinerseits prüfen und muß über sie mit eigener Begründung entscheiden.
Der zweite Fall: es kommen Anregungen, und man stellt selber fest, daß hier Lücken sind, die durch zukünftige Gesetzgebung ausgefüllt werden sollten. Das ist einfach.
Nun aber der dritte Fall. Da benimmt sich irgendein Beamter schlecht, und der Betroffene wendet sich dann an das Parlament. In diesem Fall muß das Parlament in der Lage sein, die Dinge zu untersuchen und nicht nur an die Verwaltung zu überweisen, die dann in eigener Zuständigkeit, zum Teil sozusagen unter sich, die Angelegenheit erledigt. Man muß hier das gleiche schaffen, was wir in anderen Ländern, in skandinavischen Ländern, schon haben. Wenn Sie sich jetzt einmal den Bericht des Wehrbeauftragten ansehen, werden Sie erkennen, daß der Wehrbeauftragte nicht nur durch seine Existenz, sondern durch die Behandlung und Überprüfung einzelner Fälle ganz entscheidend auf die Haltung und Gestaltung innerhalb der Bundeswehr Einfluß nimmt. Dieses Parlament muß der Sorge und dem Anliegen des einzelnen Bürgers genauso viel Wert beilegen und ihm genauso seine Aufmerksamkeit widmen, wie wir es tun, wenn es um die Nachprüfung einer Mark durch den Rechnungshof geht, wo wir Planstellen für selbständige Beamte in großer Zahl billigen, die den einzelnen Pfennigen nachgehen können.
Wichtiger, so meine ich, ist noch das Vertrauen, das der Bürger in diese demokratsiche Staatseinrichtung setzt; wichtiger ist, daß das Parlament diese Kontrollmöglichkeit im Einzelfall auch tatsächlich ausnützt. Ich möchte deshalb anregen — man kann das nicht in der Plenardebatte ausdiskutieren; darin bin ich mit Ihnen, Herr Götz, einig —, daß man sich im Ältestenrat oder im Vorstand einmal darüber unterhält, wie das Parlament dieser Aufgabe tatsächlich gerecht werden kann. Ich meine — darüber sind wir uns doch wohl einig —, da geht es nicht um eine Stelle hin oder eine Stelle her; das ist eine absolut zweitrangige Frage. Hier geht es um das Vertrauen des Bürgers in die Staatseinrichtung, und zwar in die letzte, in die oberste Staatseinrichtung. Wenn wir uns nicht selber in die Lage versetzen, dem Rechnung zu tragen, dann kommen wir unserer eigentlichen Aufgabe nicht nach. Deshalb: dieser Antrag, der hier von den Mitgliedern des Petitionsausschusses vorgelegt wird, ist an und für sich erst ein kleiner Anfang. Das ist gar nicht die entscheidende Sache. Wir müssen uns in den entsprechenden Gremien zusammensetzen; wir müssen eine neue Konzeption finden. Ich habe mir vor kurzem die Unterlagen des skandinavischen Ombudsmannes geben lassen. Ich meine, daß wir daraus gute Anregungen schöpfen könnten und daß wir bei uns etwas Ähnliches tun sollten.