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ID0407319300

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    Deutscher Bundestag 73. Sitzung Bonn, den 25. April 1963 Inhalt: Abg. Anders tritt in den Bundestag ein . . 3405 A Fragestunde (Drucksache IV/1193) Fragen des Abg. Kreitmeyer: Entseuchung des ehemaligen Schießplatzes Deutsch-Evern von Hassel, Bundesminister . . 3405 B, C, 3406 A, Kreitmeyer (FDP) . . . 3405 D, 3406 A Fragen des Abg. Rauhaus: Übungen der Stationierungsstreitkräfte in Erholungsgebieten von Hassel, Bundesminister . 3406 A, B, 3407 B Rauhaus (CDU/CSU) . . . . . . 3407 B Frage der Abg. Frau Dr. Diemer-Nicolaus: Entlohnung von Arbeitern bei Bundeswehrbauten in Hechingen von Hassel, Bundesminister . 3407 C, D Frau Dr. Diemer-Nicolaus (FDP) 3407 C, D Frage des Abg. Peiter: Aufenthaltskosten beim freiwilligen Ausbau eines deutschen Soldatenfriedhofs in Italien 3407 D Frage des Abg. Wittrock: Rechtsverordnung nach § 13 a Abs. 2 des Wehrpflichtgesetzes von Hassel, Bundesminister . . 3408 A Wittrock (SPD) 3408 A Fragen der Abg. Frau Blohm: Beförderung von Sendungen mit Arzneimitteln 3408 B Frage des Abg. Kahn-Ackermann: Zustellungszeit von Postsendungen in München 3408 C Frage der Abg. Frau Dr. Diemer-Nicolaus: Berechnung von Abkürzungen bei Drucksachen Stücklen, Bundesminister . . . . 3408 C, 3409 A, B, C Frau Dr. Diemer-Nicolaus (FDP) . . 3408 D, 3409 B Ritzel (SPD) . . . . . . . . . 3409 B Fragen des Abg. Hörmann (Freiburg) : Gebäude der ehemaligen Kreispflegeanstalt in Freiburg Qualen, Staatssekretär . . . 3409 C, D, 3410 A, B Hörmann (Freiburg) (SPD) 3409 D, 3410 B Frage des Abg. Freiherr von Mühlen: Wiederherstellung des Reichstagsgebäudes in Berlin Qualen, Staatssekretär . . 3410 B, C, D, 3411 A Freiherr von Mühlen (FDP) . . 3410 C, D Ritzel (SPD) 3410 D, 3411 A II Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 73. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. April 1963 Fragen des Abg. Dr. Gleissner: Urteil des Bundesverfassungsgerichts betr. Gesetz zur Reinhaltung der Bundeswasserstraßen Frau Dr. Schwarzhaupt, Bundesminister 3411 A, B Frage des Abg. Dr. Gleissner: Förderung von Abwässeranlagen mit ERP-Krediten Frau Dr. Schwarzhaupt, Bundesminister 3411 C, D Dr. Gleissner (CDU/CSU) . . . 3411 C Frage des Abg. Börner: Ölleitung durch den Bodensee Frau Dr. Schwarzhaupt, Bundesminister . 3411 D, 3412 A, B, C Börner (SPD) . . . . . . . . . 3412 A Dr. Schäfer (SPD) 3412 B Matthöfer (SPD) . . . . . . . 3412 C Frage des Abg. Börner: Trinkwasser aus dem Bodensee Frau Dr. Schwarzhaupt, Bundesminister . . 3412 D, 3413 A, B Börner (SPD) . . . . . 3412 D, 3413 A Dr. Schäfer (SPD) 3413 A, B Frage des Abg. Börner: Verhinderung des Baues einer Ölleitung durch den Bodensee Frau Dr. Schwarzhaupt, Bundesminister . . 3413 C, D, 3414 A Börner (SPD) . . . . . 3413 D, 3414 A Frage des Abg. Dr. Hamm (Kaiserslautern) : Kariesbefall bei Kleinkindern und Jugendlichen Frau Dr. Schwarzhaupt, Bundesminister 3414 B Fragen des Abg. Dr. Hamm (Kaiserslautern) : Gesetzliche Regelung der Jugendzahnpflege Frau Dr. Schwarzhaupt, Bundesminister . . . . 3414 B, C, D Dr. Hamm (Kaiserslautern) (FDP) . . 3414 B, C, D Frage des Abg. Faller: Typhus-Fälle im Bundesgebiet . . . 3414 D Frage des Abg. Faller: Untersuchung von Gastarbeitern aus typhusverdächtigen Gebieten . . . . 3415 A Frage des Abg. Faller: Arbeitskräfte aus Lecce . . . . . . 3415 A Frage des Abg. Hörmann (Freiburg) : Haftbarmachung wegen der Typhuserkrankungen in Zermatt . . . . . 3415 B Frage des Abg. Bauknecht: Gefrierhühnchensendung aus USA Frau Dr. Schwarzhaupt, Bundesminister . . . . . . 3415 C, D, 3416 A, B, C, D Bauknecht (CDU/CSU) . . . . 3415 C, D Bewerunge (CDU/CSU) 3415 D Dr. Reinhard (CDU/CSU) . . . . 3416 A, B Dr. Dr. h. c. Dresbach (CDU/CSU) . 3416 C Dr. Schmidt (Gellersen) (SPD) . . . 3416 C Frage des Abg. Bauknecht: Salmonellenfreie Futtermittel Frau Dr. Schwarzhaupt, Bundesminister . . . 3416 D, 3417 A Bauknecht (CDU/CSU) 3417 A Frage des Abg. Bauknecht: Schutz vor Schädigung durch Salmonellen bei der Hühnereinfuhr Frau Dr. Schwarzhaupt, Bundesminister . . . . . . . 3417 A Änderung der Tagesordnung . . . . . 3417 B Schriftlicher Bericht des Außenhandelsausschusses über die Zweiundsechzigste Verordnung zur Änderung des deutschen Zolltarifs 1962 (Gemüse) (Drucksachen IV/1195, IV/1202) . . . . . . . . . 3417 B Entwurf eines Gesetzes zu der Gemeinsamen Erklärung und zu dem Vertrag vom 22. Januar 1963 mit der Französischen Republik über die deutsch-französische Zusammenarbeit (Drucksache IV/1157) — Erste Beratung — Dr. Adenauer, Bundeskanzler . . 3417 C Majonica (CDU/CSU) 3419 C Wehner (SPD) 3424 B Dr. Mende (FDP) . . . . . . 3434 D Dr. Schröder, Bundesminister . . 3438 A Birkelbach (SPD) 3441 D Margulies (FDP) . . . . . . . 3443 D Nächste Sitzung 3445 C Anlagen 3447 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 73. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. April 1963 3405 73. Sitzung Bonn, den 25. April 1963 Stenographischer Bericht Beginn: 14.32 Uhr
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    Anlage 1 Liste der beurlaubten Abgeordneten Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich a) Beurlaubungen Anders 25. 4. Dr. Artzinger 26. 4. Dr.-Ing. Balke 25. 4. Bazille 14. 5. Berlin 25. 4. Blachstein 25. 4. Dr. Böhm (Frankfurt) 30.4. Corterier 30.4. Dr. Danz 25. 4. Ehren 29.4. Eisenmann 26. 4. Erler 26. 4. Ertl 25. 4. Etzel 25. 4. Even (Köln) 18. 5. Faller * 26. 4. Figgen 15. 6. Franke 27. 4. Dr. Dr. h. c. Friedensburg 26. 4. Funk (Neuses am Sand) 25. 5. Freiher zu Guttenberg 25. 5. Haage (München) 7. 5. Hansing 26. 4. Dr. Hauser 25. 4. Hellenbrock 27. 4. Herold 26. 4. Höfler 26. 4. Hufnagel 26.4. Jacobs 27. 4. Dr. Jaeger 26. 4. Jaksch 26. 4. Keller 3. 5. Frau Kipp-Kaule 26. 4. Dr. Kliesing (Honnef) 26. 4. Frau Krappe 26. 4. Kraus 26. 4. Kriedemann * 26. 4. Frau Dr. Kuchtner 26.4. Leber 25.4. Lenz (Brühl) 25.4. Lohmar 30. 4. Dr. Löhr 25.4. Lücker (München) 25. 4. Mattick 25. 4. Mauk * 25. 4. Dr. h. c. Menne (Frankfurt) 10. 5. Dr. Menzel 26. 4. Dr. Miessner 25. 4. Dr. h. c. Dr.-Ing. E. h. Möller 13. 5. Dr. Mommer 26.4. Müller (Berlin) 26. 4. Müller (Remscheid) 25. 4. Müser 27. 4. Neumann (Allensbach) 25. 4. * Für die Teilnahme an Sitzungen des Europäischer Parlaments Anlagen zum Stenographischen Bericht Abgeordneter) beurlaubt bis einschließlich Frau Dr. Pannhoff 26. 4. Paul 26. 4. Peters (Norden) 19. 5. Pöhler 25. 4. Ramms 26. 4. Riegel (Göppingen) 26. 4. Schlick 26. 4. Soetebier 25. 4. Dr. Starke 13. 5. Storch * 25. 4. Frau Strobel * 26. 4. Frau Vietje 31. 5. Werner 30. 4. Zoglmann 31. 5. Zühlke 30. 4. b) Urlaubsanträge Maier (Mannheim) 3. 5. Wittmer-Eigenbrodt 31. 7. Anlage 2 Schriftliche Antwort des Herrn Bundesministers Dr. Heck vom 24. April 1963 auf die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Peiter - (Drucksache IV/1193) - Frage V *). Stehen für Jugendgruppen, die beim Ausbau deutscher Kriegerfriedhöfe freiwillig Arbeit leisten, Geldmittel zur Verfügung? „Die Betreuung von Kriegsgräbern im Ausland durch Jugendgruppen gehört nach den Richtlinien für den Bundesjugendplan zu den förderungswürdigen Maßnahmen im Rahmen des Programms „Internationale Jugendbegegnung". Für diese Maßnahme ist jährlich ein Betrag von rund 300 000 DM zur Verfügung gestellt worden. Im Jahre 1962 wurden 63 Maßnahmen mit 5141 jugendlichen Teilnehmern gefördert. Es ist beabsichtigt, im laufenden Rechnungsjahr die Kriegsgräberbetreuung in erweitertem Umfange zu fördern. Träger dieser Maßnahmen ist der Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge. Die Aktion steht unter dem Motto „Versöhnung über den Gräbern". Es hat sich gezeigt, daß diese Aktion auch für die internationale Verständigung von großer Bedeutung ist. In vielen Fällen ist es den Jugendlichen gelungen, durch die Pflege deutscher Kriegsgräber noch bestehende Ressentiments zu überwinden, enge menschliche Kontakte herzustellen und innerhalb der jungen Generation das europäische Bewußtsein zu vertiefen." *) Siehe 72. Sitzung Seite 3311 A 3448 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 73. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. April 1963 Anlage 3 Erklärung des Abg. Seuffert für die Fraktion der SPD zur Beratung des Schriftlichen Berichts des Finanzausschusses (14. Ausschuß) über den von der Bundesregierung zur Unterrichtung vorgelegten Vorschlag der Kommission der EWG für eine vom Rat der EWG zu erlassende Richtlinie zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten betreffend die Umsatzsteuern (Drucksachen IV/850, IV/ 1179).*) Auch die sozialdemokratische Opposition begrüßt es, daß wir mit diesem einstimmigen Beschluß in die Verhandlungen über den Richtlinienvorschlag der Kommission der EWG eintreten, mit dem der erste Schritt zur unerläßlichen Steuerharmonisierung im gemeinsamen Markt eingeleitet wird. Wir begrüßen es, daß dieser Vorschlag in Richtung auf eine wettbewerbsneutrale Umsatzsteuer geht, ein Ziel, zu dem sich dieses Haus ebenfalls einstimmig, nunmehr einschließlich der Regierung bekannt hat und in dem wir also auch mit der Kommission übereinstimmen. Unser Beschluß sieht in zwei Punkten eine Abweichung von dem Vorschlag der Kommission vor. Wir halten einen mehrmaligen Systemwechsel, wie er sich aus dem ursprünglichen Vorschlag fast zwangsläufig ergeben müßte, für nicht tragbar; der Termin vom 30. 6. 1964, bis zu welchem wir die Grundzüge des künftigen gemeinsamen Systems erwarten möchten, ist mit unseren eigenen Vorstel- *) Siehe 72. Sitzung Seite 3396 A lungen über den Zeitpunkt unserer Umsatzsteuerreform abgestimmt und beweist die Dringlichkeit, die wir dieser Sache beimessen. Wir sind ferner der Ansicht, daß die Beseitigung der Steuergrenzen nicht zu einem fernen und unbestimmten, sondern zu einem nahen und bestimmten Zeitpunkt vorgesehen werden muß. Bei Steuergrenzen in einem herstellenden gemeinsamen Markt handelt es sich nicht, wie bei den Außengrenzen eines autonomen Marktes, einfach um den Ausgleich zwischen einheimischer und importierter Ware. Solange solche Steuergrenzen innerhalb eines gemeinsamen Marktes noch bestehen — erst wenn sie beseitigt sind, ist wirklich ein gemeinsamer Markt entstanden —, würde es sich hier um den Ausgleich der verschiedenen Steuerbelastungen in den Mitgliedsländern handeln müssen. Wenn deswegen der Maßstab der Ausgleichsmaßnahmen nur aus der Steuerbelastung im Ausgangsland und nicht auch aus ihrer Differenz zur Belastung im Eingangsland genommen wird, entstehen Wettbewerbsverzerrungen zwischen den Mitgliedsländern. Letzten Endes wird es sich hier nicht um isolierte Fragen der Umsatzsteuer, sondern um eine Angleichung der Finanzsysteme überhaupt handeln müssen — eine schwierige und langwierige Aufgabe, die aber unerläßlich ist, wenn schließlich ein gemeinsamer Markt wirklich entstehen und Europa seine endgültige Form erhalten soll. Wir begrüßen den Richtlinienvorschlag als Anfang auf diesem Wege und glauben, daß es ein guter Beitrag auf dem Wege au Europa sein wird, wenn den Änderungen, die unser Beschluß vorschlägt, Rechnung getragen wird.
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    Rede von Herbert Wehner


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Hier geht es um Gemeinschaften, wie wir sie nie früher gehabt haben und deren Methoden, Institutionen und Verfahrensregeln —ich sage es in meinen Worten — zu hüten sind wie der Augapfel.

    (Beifall bei der SPD.)

    Das schließt keinerlei Initiativen aus. Das schließt aber alles aus, was diese Gemeinschaften und das, was durch sie erreicht worden ist, rückläufig machen oder gar gefährden könnte.
    Der Botschafter der Französischen Republik, de Margerie, hat, wie ich hörte, im Rundfunk gesagt, daß ja auch andere sich anschließen könnten. Ist damit gemeint, daß entsprechend diesem Vertrag, der mit Frankreich geschlossen worden ist, andere Verträge, z. B. ein ähnlicher Vertrag mit Großbritannien oder mit Holland, mit Italien, mit Luxemburg, mit Belgien, sollen geschlossen werden können? Ist das wirklich gemeint? Das möchten wir gerne wissen. Welche Folgen es hätte, wenn viele solcher bilateraler Verträge mit diesem Konsulationsinhalt geschlossen würden, das hat ja der Präsident der Europäischen Kommission gesagt: Man könnte sich und das Ganze nur retten, wenn man das dann weder logischerweise, wo es hingehört, in die Organe und in den Schoß der Gemeinschaft zurückführte. Aber will jemand sagen — und die Antwort ist die Antwort auf eine bohrende Frage —, es sei ja gar nicht drin oder es sei ja gar nicht erstrebenswert, daß viele solche Verträge zu diesem einen kommen? Dann müssen Sie sich entscheiden, was Sie wollen, ob Sie Exklusivität wollen, ob Sie



    Wehner
    den Verdacht der anderen Partner in der Gemeinschaft wollen, daß hier durch das Zusammenlegen dessen, was zwei — und in diesem Falle zwei der leistungsfähigsten, auch der größten — Partner der Europäischen Gemeinschaft haben und sind, doch eine völlige Veränderung der Gewichte in der Gemeinschaft entstehen könnte. Niemand wird das wollen, dem die Gemeinschaften am Herzen liegen.
    Aber zurück zu der Frage: Ist es gewollt — so wie es dem französischen Botschafter in den Mund gelegt worden ist —, daß sich auch andere anschließen oder daß ähnliche Verträge mit ihnen geschlossen werden können? — Wenn das so ist, dann möchten wir gerne wissen, ob dann ein Vetorecht wieder das Anschlußbestreben eines anderen zunichte machen kann. Wir würden jedenfalls gerne in Kauf nehmen, auf dem Umweg über ähnliche Verträge, Parallelverträge oder Anschlußverträge zu diesem, schließlich dazu zu kommen, daß, wie es Hallstein richtig gesagt hat, die Dinge wieder in die Gemeinschaft zurückgeführt werden müssen. Denn das Wichtigste, was in Europa geschaffen worden ist, sind diese Europäischen Gemeinschaften. Sie hätten aus Gründen der Wirtschaft und aus sozialen wie aus politischen Notwendigkeiten geschaffen werden müssen, auch wenn der Ost-West-Konflikt nicht bestünde. Aber infolge des Ost-West-Konflikts und seiner alles beherrschenden und verfärbenden Bedeutung sind diese Gemeinschaften für uns geradezu lebenswichtig.
    Und Tatsachen: England hat, obwohl es zehn Jahre lang in Unentschlossenheit und manchmal auch in Opposition gegenüber der Europäischen Gemeinschaft verharrt hat, nun den Beitritt als gleichberechtigtes Mitglied gewünscht und ist bereit, den Vertrag von Rom anzuerkennen, andere — Dänemark, Norwegen, Irland — auch. Andere wollen in ein Assoziationsverhältnis treten: Schweden, Schweiz, Österreich.
    Weitere Tatsachen: Der sowjetische Ministerpräsident Chruschtschow hat in einer Zeitschrift, die den langen Titel trägt „Probleme des Friedens und des Sozialismus", geschrieben:
    Wir tragen den sachlichen Bestrebungen zur Internationalisierung der Produktion, die in der kapitalistischen Welt wirksam sind, Rechnung, und wir bestimmen danach unsere Politik und treffen die entsprechenden wirtschaftlichen Maßnahmen. Hier ergibt sich die Frage der Möglichkeit eines friedlichen wirtschaftlichen Wettbewerbs nicht nur zwischen den Staaten mit unterschiedlichen Gesellschaftsordnungen, sondern auch zwischen den wirtschaftlichen Zusammenschlüssen, denen die verschiedenen Länder angehören.
    Ich zitiere das, weil ich damit sagen will: Die Entwicklung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der übrigen Gemeinschaften hatte schon ein Niveau erreicht, das sogar die Auguren jener Seite zu solchen Feststellungen nötigt — und wer sich mit den Einzelheiten befaßt hat, kann das nachprüfen und hat es nachgeprüft; es ist eine ganze Literatur auf der anderen Seite schon erschienen —,
    wie ich sie eben mit dem Zitat des sowjetischen Ministerpräsidenten wiedergegeben habe. Es ist mit Recht anzunehmen gewesen, wie es zum Beispiel das Aktionskomitee für die Vereinigten Staaten von Europa erklärt hat, daß die Entwicklung der KubaFrage und der Fortschritt des Gemeinsamen Marktes, die Chruschtschow einen neuen Ton in seinen Erklärungen über die europäische Einigung anschlagen ließen, Anlaß zu gewissen Hoffnungen auf eine Änderung der Beziehungen zwischen dem Osten und dem Westen geben.
    Ich teile die Überzeugung, daß es bei dem europäischen Zusammenschluß und bei allem, was ihn betrifft oder was seinen Charakter ändern könnte, um etwas Lebenswichtiges im Westen geht. Um diesen großen Zusammenschluß des Westens zu bekommen, bedarf es als Grundlage einerseits eines Vereinigten Europas einschließlich Englands und andererseits der Vereinigten Staaten. Die Sowjetunion, die vielleicht ebensowenig wie der Westen Krieg wünscht, muß durch das tatsächliche Bestehen eines Westens, den sie nicht auseinanderdividieren kann, in eine Lage gebracht werden, oder, vorsichtiger gesagt, kommen können, in der auch die Fragen, die zur Abrüstung gehören, mehr und anderes als nur Propaganda sein können.
    Aber ein solches Abkommen wird erst möglich sein — hier teile ich ausdrücklich die Meinung, die wir auch in einer entsprechenden Erklärung des Aktionskomitees für die Vereinigten Staaten von Europa niedergelegt haben —, wenn die sowjetische Seite überzeugt sein muß, daß die Einheit des Westens unumstößlich besteht. Solange aber der Westen den Eindruck erweckt, daß seine Spaltung möglich ist, wird die Sowjetunion nicht zu Abkommen geneigt sein, da sie dann stets in dem Glauben leben wird, sie könne das Gleichgewicht in der Welt stören oder gar zerstören.
    Auch unter diesem Gesichtspunkt ist das, was mit diesem Vertrag und mit seinen Auswirkungen auf die bestehenden europäischen Gemeinschaften, ihre Substanz, zu prüfen ist, von erheblicher Bedeutung. Es geht um mehr als um mehr oder weniger technische Streitfragen, wie die europäische Zusammenarbeit und die Vereinigung Europas zustande zu bringen oder zu entwickeln ist. Es geht um den Zusammenhalt des Westens und damit um die Frage der Sicherung des Friedens in Freiheit.
    Der frühere amerikanische Außenminister Dean Acheson— ich habe einmal gehört, der Herr Bundeskanzler habe gesagt: Ja, auf den kann man hören, denn der ist ein harter Mann — hat in einer Rede vom 13. März, die Sie sich im Wortlaut beschaffen sollten, ohne Polemik, ohne Polemik zum deutsch-französischen Vertrag und ohne Polemik zu den Personen, die ihn unterzeichnet haben, deutlich gemacht, was das alles, was sich da, wie der Bundeskanzler sagte, zeitlich zusammenfallend ereignet hat, bedeuten kann. Was die wirtschaftliche Seite betrifft, hat er gesagt, daß der Gemeinsame Markt — .genau wie die Vereinigten Staaten — ein zu bedeutender Produzent und Verbraucher ist, um nur innerhalb seines eigenen Verbandes kaufen, verkaufen und verbrauchen zu können. Wenn man dies



    Wehner
    versuchen wollte, würde es die schlimmsten Konsequenzen für das eigene Gebiet und für die weiten Außenzonen der freien Welt haben, die vom Handel mit diesen beiden großen Märkten leben müssen. Er hat definiert, daß die amerikanische Politik gegenüber dem Gemeinsamen Markt seit seiner Gründung davon ausgegangen sei, daß ein solches Arrangement unter der Voraussetzung niedriger Außenzölle und anderer Chancen gut, bei hohen Barrieren dagegen schlecht sei; denn der Gemeinsame Markt wurde nicht als ein Instrument für die Abkapselung des europäischen Handels innerhalb eines geschlossenen Vereins unter französischer Hegemonie begründet, sondern als ein neuer großer Markt, der der Ausweitung des Handels auch aus weltoffenem Verantwortungsbewußtsein diene. In diesem Zusammenhang hat er auf das vom Kongreß verabschiedete Gesetz, Trade Expansions Act, das eine große Bedeutung hat, hingewiesen und hat gesagt, auf dieser Konzeption fuße dieses Gesetz, und niemand habe das besser formuliert — er beruft sich hier auf einen Franzosen, auf denselben, auf den ich mich vorhin berufen habe — als Jean Monnet als der Vater des Gemeinsamen Marktes, der gesagt hat: Es gibt dringende Probleme, die weder Europa noch Amerika allein lösen kann. Dabei handelt es sich nach seiner Auffassung um die Währungsstabilität des Westens, um die Organisation der Landwirtschaft in einer sich zunehmend industrialisierenden Welt, um die Hilfe für die Entwicklungsländer, die deren Wachstum beschleunigen soll, und selbstverständlich um die Freigabe des Handels, die zwischen Amerikanern und dem Gemeinsamen Markt ausgehandelt werden muß.
    Acheson hat im Lichte dieser Feststellungen die Frage gestellt: „Wie sollen denn nun die Vereinigten Staaten im Lichte dieser Analyse auf die Ereignisse des Januar reagieren?" Das sind die Ereignisse, von denen der Bundeskanzler am Schluß gesagt hat, sie seien zeitweilige Ereignisse. Aber immerhin, sie sind Ereignisse, die den Westen zu ,erheblichen Überprüfungen nötigen.
    Zunächst einmal — so sagt Acheson —sollten die Vereinigten Staaten eine besonnene Antwort geben, ,die Sinn für die richtigen Proportionen erkennen läßt und Scharfe und Groll vermeidet. Sie darf nicht, wie es zum Teil
    — so sagt er an die Adresse seiner eigenen Presse —
    der Fall war, auf der Annahme basieren, daß alles verloren sei, weil der General de Gaulle unumwunden einen schon seit langem bestehenden Widerstand gegen eine allgemein befürwortete Politik aufgedeckt hat. Sie sollte auf dem Wissen basieren, daß die Haltung des Generals von unserem gemeinsamen Verbündeten nicht gebilligt wird.
    Das heißt: hier wind die deutsche Haltung als eine solche angesehen, die nicht leinfach in einen Topf geworfen werden kann mit der des Konsultations-
    und damit Vertragspartners. Man muß sehen, daß das sich bewährt, möchte ich dazu sagen.
    Des weiteren
    —so sagt er seiner eigenen Nation —
    sollte sie auf der Tatsache basieren, daß die Vereinigten Staaten stark sind und von Freund und Feind gleichermaßen als 'stark angesehen werden.
    Er hat bei dieser ,Gelegenheit auch einiges zur Verteidigungspolitik gesagt. Ich bitte Sie herzlich, es nachzulesen, weil es für uns sicher sehr beherzigenswert ist. Aber hier geht es um mehr als um Verteidigung oder Zoll. Hier geht es um eine umfassende Partnerschaft des in der Vereinigung begriffenen Europa mit den Vereinigten Staaten von Amerika und die Bedeutung dieser Partnerschaft für die Gewichte in der Weltpolitik.
    Ich habe mich immer gewundert, warum eigentlich eine solche Rede wie die, die jetzt beinahe ein Jahr alt sein wird, die Rede des Präsidenten Kennedy vom 4. Juli vergangenen Jahres, mit einer ungewöhnlich packenden Feststellung dessen, was jede Seite allein für sich nicht tun könne, was aber, wenn wir uns zusammentun, getan werden kann, sowenig gewürdigt worden ist. Er sagt:
    Auf uns allein gestellt, können wir nicht überall auf der Welt Gerechtigkeit schaffen, können wir nicht dafür sorgen, daß Ruhe auf ider Welt herrscht, oder für ihre gemeinsame Verteidigung aufkommen oder ihren allgemeinen Wohlstand fördern oder die Segnungen der Freiheit für uns und unsere Nachwelt sicherstellen. Aber gemeinsam mit anderen freien Nationen können wir dies und mehr noch tun. Wir können
    — und da kommt ein ganzer Plan in nuce —den Entwicklungsländern helfen, das Joch der Armut abzuschütteln. Wir können unseren weltweiten Handel und unseren Zahlungsverkehr ,auf einen Stand ausgleichen, der ein :größtmögliches Wachstum verheißt. Wir können ein Abschreckungsmittel schaffen, Idas so gewaltig ist, daß eis jede Aggression unterbindet. Und schließlich können wir dazu beitragen, eine Welt des Rechts und der Entscheidungsfreiheit zu schaffen und damit die Welt des Krieges und des Zwanges zu bannen.
    Das ist immerhin gewaltig, und das sollte wörtlich genommen und zu realisieren versucht werden.
    Damit ist auch alles das in die richtigen Verhältnisse gestellt oder gerückt, was mit dem Wort gemeint sein kann, die deutsch-französische Freundschaft, wie sie nun in diesem Vertrag ihren Ausdruck findet, werde einen Damm gegen den Kommunismus darstellen. Das Ist klar, daß hier etwas gemeint ist, über das nicht gestritten zu werden braucht. Aber es wäre kein Damm, dessen Mörtel oder Zement das Mißtrauen gegen die Vereinigten Staaten von Amerika oder gegen andere Länder wäre. Die bohrende Frage kann uns in diesem Zusammenhang nicht gleichgültig lassen, ob durch manches, was auf der anderen Seite muit diesem Vertrag gemeint ist, dem Nationalismus die Tore geöffnet werden.



    Wehner
    Paul Henri Spaak sagte: Gaullismus ist Nationalismus. Er muß dafür seine Gründe haben. Madariaga — Sie verziehen Ihr Gesicht, Herr Kollege — hat die Frage gestellt und sich offensichtlich damit abgeplagt: Es sei schließlich nicht einzusehen, warum der tragende Gedanke der deutschen Politik nicht „Deutschland, Deutschland über alles" heißen solle, wenn die französische Politik ihre Dynamik aus der „Grandeur de la France" beziehe. Das sind schwierige Überlegungen. Gerade weil ich Hochachtung vor der Haltung de Gaulles habe

    (Heiterkeit)

    — vor der Haltung eines Mannes im Weltkrieg, der wegen seines Nichtkapitulierens vor Hitler und seiner Wehrmacht vielen Mut eingeflößt hat, vielen, die damals Gegner Hitlers waren; was er da bedeutet hat, wird nie vergessen werden —, gerade deshalb wünsche ich dieses Bild nicht getrübt zu sehen durch seine Philosophie über eine Nachkriegswelt mit Deutschland als Staatenbund, wie Wir sie in seiner eigenen Handschrift vor uns haben, wenn wir wollen, wenn wir danach greifen.
    Der Herr Bundeswirtschaftsminister, der, wie ich annehme, heute zu diesem Vertrag noch nicht sprechen wird, hat in einem Interview sich und anderen die Frage gestellt und gesagt: Man wage sich die Frage eigentlich kaum zu stellen, was eigentlich die Vorstellung von einem Kontinentaleuropa bedeute, das vom Atlantik bis zum Ural reichen solle. Wie solle dieses Europa aussehen? Unter welchen Ordnungsprinzipien, unter welchen gesellschaftspolitischen Vorstellungen solle es stehen, und welche politischen Konsequenzen hätte eine solche Politik? Dies alles sind Fragen — hat damals Professor Erhard gesagt —, die nach seiner Ansicht von den Fraktionen auch bei der Ratifizierung des Vertrages gestellt werden müssen.
    Der Bundeswirtschaftsminister wußte damals noch nicht genau, daß wir sehr wenig Zeit für die Behandlung des Vertrages bekommen. Er selber hat aber damals gesagt, daß man das gründlich machen müsse, und er hat von einer „pfleglichen Behandlung" der Ratifizierung des Vertrages gesprochen, die auf keinen Fall umgefälscht werden dürfe in eiie feindselige Haltung gegenüber Frankreich. Er sagt mit Recht, das habe doch überhaupt nichts miteinander zu tun.
    Ich glaube, man kann nicht einerseits sagen, daß der Vertrag auf Wunsch der Fraktionen noch einmal gründlich auf alle politischen, wirtschaftlichen und militärischen Aspekte und Konsequenzen hin überprüft werden müsse, und andererseits uns durchs Radio mitteilen, daß man bis Pfingsten schon die letzte Lesung hinter sich gebracht haben müsse.

    (Beifall bei der SPD.)

    Der Bundeswirtschaftsminister hat einige bittere Worte — ich will sie Ihnen jetzt nicht einflößen, er ist heute in einer anderen Stimmung als damals —

    (Heiterkeit)

    über Vorleistungen fallenlassen, von denen er annimmt, daß sie im Vertrauen darauf gemacht wurden, daß der Anschluß Englands und anderer erfolgen werde. Dazu gehört insbesondere auch die Agrarpolitik. Wie ich erfahren habe, gibt es recht unterschiedliche Meinungen darüber, ob das Wort mit den Vorleistungen so gesagt werden dürfe oder nicht. Aber ich will darüber nicht weiter reden; vielleicht haben wir später einmal Zeit dafür. Doch sehe ich eine gewisse Logik in dem, was sich der Herr Bundeswirtschaftsminister hier hinsichtlich dessen überlegt hat, was wir bisher mitgemacht und dem wir zugestimmt haben und was nun durch das Nichtaufgehen der Rechnung doch in ein anderes Licht kommt.
    Der Herr Bundeswirtschaftsminister hat übrigens ganz freimütig gesagt, manchmal frage er sich nun, ob die Freundschaft seitens der Politik vielleicht nicht sogar gestört werden könne. Er meint die deutsch-französische Freundschaft. Er hat gesagt, er wisse nämlich nicht, ob die Freundschaft dadurch gefördert werde, daß man periodisch immer wieder Fragen anschneide, von denen wir wüßten, daß wir den französischen Staatschef nicht überzeugen könnten, und in denen es auch sachlich keine Übereinstimmung geben könne; von jeder Konferenz würden dann nur Spannungen und Diskrepanzen übrigbleiben. Wenn ich den Herrn Bundeswirtschaftsminister richtig verstanden habe, heißt das - in meiner Sprache - etwa so: das soll ein Konsultations-, ein Freundschaftsabkommen und nicht ein Feststellungsabkommen für die Diskrepanzen werden.

    (Heiterkeit und Beifal bei der SPD.)

    Das ist also die Schwierigkeit, die sich bei diesem Abkommen in dieser Situation ergibt.
    Meine Damen und Herren, der Herr Bundeswirtschaftsminister hat gesagt — und das ist wohl seine feste Überzeugung; er ist dafür auch im Ausland bekannt, und man hat es dort mit Recht positiv ausgewertet —, daß über die Verständigung mit Großbritannien und die Einmütigkeit darüber bei den Deutschen kein Zweifel zu herrschen brauche. Der Bundeswirtschaftsminister hat aber seine Erfahrungen gehabt; ich wünsche ihm, daß er jetzt vorwiegend bessere Erfahrungen macht. Damals hat er nämlich erklärt, um einer Dolchstoßlegende vorzubeugen, wolle er gleich sagen, daß eine pflegliche Behandlung der Ratifizierung des Vertrages eben nicht umgefälscht werden dürfe. Stellen Sie sich das einmal vor! Gerade wo wir heute über einen Vertrag reden, mit dem wir die Rivalitäten, die sich häufig zu blutigen Kämpfen steigerten, Kämpfen zwischen unseren beiden Völkern, beenden wollen, muß der Bundeswirtschaftsminister in einem solchen Zusammenhang — mußte! , jetzt ist es anders — das Wort von der Dolchstoßlegende gebrauchen. Das läßt tief blicken.
    Ich habe bei der Vorschau auf diese Debatte, das möchte ich hier sagen, in schöner Unbefangenheit — jedenfalls in Unbefangenheit; ob Sie sie schön finden, ist eine andere Frage — gefunden, daß die CDU dafür sorgen werde — sie wird es wahrscheinlich nun noch tun —, d. h. daß sie sich bemühen werde, die stark gegensätzlichen außenpolitischen Auffassungen zwischen den Unionsparteien und der



    Wehner
    Sozialdemokratie deutlich werden zu lassen. Meine Damen und Herren von den Unionsparteien, ich halte Sie für viel erfahrener und klüger als die Leute, die hier in Ihrem Namen in Diensten, in denen sie vorgeben, in Ihrem Namen politische Informationen zu geben, die Öffentlichkeit informieren; denn es kann wohl nicht Zweck der Außenpolitik sein — wie es hier heißt —, die stark gegensätzlichen außenpolitischen Auffassungen zwischen den Unionsparteien und der Sozialdemokratie deutlich werden zu lassen und sich darum noch zu bemühen.

    (Heiterkeit bei der SPD.)

    Worauf es ankommt, ist doch, daß wir Gegensätze abbauen, statt sie aufzureißen und aufzutürmen.

    (Abg. Majonica: Das gilt doch in Ihrer eigenen Partei, Herr Wehner!?)

    — Sicher, sicher! Natürlich! Was meinen Sie denn, was wir alles für Sorgen haben?! Aber wir stellen uns ihnen! Meine Herren, wenn ich daran denke, wie Sie heute hier gestanden haben, Herr Kollege, der Sie diese Frage stellen, und wenn ich daran denke, wie die gleichen Fragen, die Sie heute völlig eindeutig nur positiv glaubten beantworten zu können, Herr Kollege, in Diskussionsgemeinschaften in innerpolitischer Gegnerschaft in dieser Zeit behandelt wurden, muß ich sagen: die Dinge liegen in diesem Fall leider schwieriger und tiefer. Aber bleiben wir dabei, wenn es nicht anders geht, unter uns. Wir sind dazu verurteilt, uns über gewisse Grundfragen unserer großen Politik miteinander zu verständigen. Sonst holt uns nämlich der Teufel,

    (Heiterkeit und Zustimmung)

    jedenfalls in den Fragen, die an die Existenz unseres Volkes rühren.
    Was würde denn aus der deutschen Frage werden?

    (Zuruf von der CDU/CSU.)

    — Über Pharisäer habe ich noch nie gelästert. Ich habe es hingenommen, daß sie existieren. — Was würde denn aus der deutschen Frage, die ja doch weder im Alleingang noch nach einem Rezept des einen oder anderen unter den Westmächten gelöst werden kann, was würde denn aus ihr werden, wenn die Befürchtungen einträfen, die hier von verschiedenen Seiten und aus zum Teil berufenem Munde vor allen Dingen wegen des Schicksals der Gemeinschaften, hinsichtlich deren — ich glaube, das darf ich sagen, ohne daß ich von Ihnen dafür gerügt werde — eigentlich fast alle in diesem Hause einer positiven Meinung sind, was die Europäischen Gemeinschaften betrifft, geäußert worden sind.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Jetzt neuerdings!)

    — Da waren Sie noch nicht dabei; Sie haben uns mit dem Koalitionspartner von der anderen Partei verwechselt, der damals gegen diese Verträge gestimmt hat.

    (Heiterkeit und Beifall bei der SPD.)

    Im übrigen würden entmutigende Wirkungen auf die Deutschen, die in Unterdrückung leben müssen, bleiben wegen dieser Zersplitterung im Westen. Es würde das Element der Verführung zur Schaukelpolitik in die deutsche Politik kommen, und wer weiß denn, ob, wenn einmal nicht Menschen, die ganz fest mit europäischen Zusammenschlußvorstellungen verbunden sind, weil sie ihre eigenen sind, das Steuer der deutschen Politik in der Hand haben? Wer weiß denn, ob nicht auch wir — die Dinge entwickeln sich, die Menschen entwickeln sich — plötzlich konfrontiert werden mit Kräften, die zur Schaukelpolitik neigen? Ich spreche da zu keiner Seite des Hauses; wir müssen aber in solchen Kategorien denken.

    (Zuruf von der CDU/CSU.)

    — Ich habe gehört, daß Sie gedacht haben.
    Wir hätten drittens das Disengagement, ein eigentümliches Disengagement der anderen, die vertraglich mit uns in der deutschen, in der Berliner Frage verpflichtet sind, eine Form des politischen Disengagements, die niemand wollen kann.
    Ich möchte feststellen: Es ist notwendig — ich teile hier völlig die Auffassung, die der Präsident der Kommission der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft aus seiner Sicht und im Namen der Kommission im Hinblick auf die europäischen Gemeinschaften hat amtlich sagen müssen —, in für unsere Regierung rechtlich verbindlicher Form klarzustellen, daß der Vertrag einzufügen ist in die Verträge: Europäische Wirtschaftsgemeinschaft, Europäische Kohle- und Stahlgemeinschaft, Europäische Atomgemeinschaft, Nordatlantische Verteidigungsorganisation, Westeuropäische Union, Beziehungen der westlichen Besatzungsmächte — der Drei Mächte, wie es im Text heißt —zur Bundesrepublik Deutschland. Das müssen wir in den Ausschußberatungen zuwege bringen, wenn wir in der Grundfrage einer Meinung sind hinsichtlich dessen, was das deutsch-französische, französisch-deutsche Verhältnis und die Aussöhnung der beiden Völker für die Vereinigung Europas und für ein in der Vereinigung befindliches Europa in Partnerschaft mit den Vereinigten Staaten von Amerika positiv bedeuten sollen.
    Ich danke für Ihre Geduld.

    (Anhaltender lebhafter Beifall bei der SPD.)



Rede von Dr. Thomas Dehler
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Mende.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Erich Mende


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Freie Demokratische Partei begrüßt diese Aussprache der ersten Lesung des deutsch-französischen Vertrages. Denn diese Aussprache gibt die Möglichkeit, Mißverständnisse aus der Entstehungsgeschichte des Vertrages auszuräumen und ein Bekenntnis zur Europapolitik und zur atlantischen Partnerschaft abzulegen. Und ich möchte hinzufügen, Herr Kollege Wehner: sie gibt auch die Möglichkeit, dem Erinnerungsvermögen manches sozialdemokratischen Sprechers nachzuhelfen bezüglich der Entstehungsgeschichte der Europapolitik in diesem Hause.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)




    Dr. Mende
    Der Herr Bundeskanzler und die beiden Sprecher der CDU/CSU-Fraktion und der sozialdemokratischen Opposition haben hier historische Reminiszenzen hinsichtlich der tragischen deutsch-französischen Vergangenheit dargelegt. Ich möchte die richtigen Feststellungen aller drei Sprecher nicht wiederholen, sondern noch einmal auf die Tatsache hinweisen, daß allein im letzten Jahrhundert drei blutige Kriege zwischen dem deutschen und dem französischen Volk stattfanden mit Angriffen und Rückzügen, Besatzung und Gegenbesatzung, mit wechselseitigem Unrecht und Leid, .das man einander zugefügt hat.
    Ich möchte ein etwas aktuelleres Beispiel für diese Tragik aus der neuesten Geschichte zitieren. Die Älteren von uns, die wir 1940 in Nordfrankreich auf den Friedhöfen aus dem ersten Weltkrieg standen, werden niemals das Bild vergessen, wie viele junge Soldaten nach den Gräbern ihrer Väter aus dem ersten Weltkrieg suchten, Väter, die sie nie gesehen haben, weil sie sie verloren, als sie gerade geboren waren.
    Es ist in der Tat eine geschichtliche Wende im deutsch-französischen Verhältnis zu vermerken, wenn die Söhne dieser damaligen jungen Soldaten 22 Jahre später in Mourmelon und Sissons nicht mehr gegeneinander-, sondern als Soldaten eines atlantischen Bündnisses nebeneinanderstehen in einer neuen gemeinsamen Aufgabe, die sich nicht nur auf den militärpolitischen Bereich erstreckt, sondern auch auf die Zusammenarbeit in Werkstätten, Laboratorien, Forschungsstätten und in Verwaltungsbehörden.
    Die wechselseitige Schwächung im europäischen Bruderzwist hat beiden Völkern schwer geschadet. Das wechselseitige Mißtrauen hat durch die Ostpolitik beider Völker neue Nahrung erfahren. Wir standen nach der Bismarck-Ära doch in der Umklammerung, die die französische Politik durch Warschau, Moskau und später Prag und Bukarest zuwege brachte. Aber genug der Reminiszenzen!
    Nach dem zweiten Weltkrieg ist eine neue Entwicklung eingetreten. Ich möchte als die erste Ursache der neuen Entwicklung und des neuen Geistes die Erfahrungen beider Völker aus dem totalen zweiten Weltkrieg nennen: wechselseitig die Erfahrungen der Besetzung, Hunderttausende französischer Kriegsgefangener in unserem Lande und unter ihnen viele, die in den Trecks in Ostpreußen, Schlesien und Pommern der deutschen Bevölkerung auf der Flucht vor der Roten Armee halfen, und in Frankreich im Anschluß an den zweiten Weltkrieg viele deutsche Kriegsgefangene, die sich im Aufbau Frankreichs das Vertrauen des einfachen Mannes erwarben.
    Die Völker sind in der Versöhnung den Politikern vorangeschritten. Aber die Politiker haben aus dieser neuen geistigen Entwicklung die politischen Konsequenzen gezogen. Ich möchte neben den vielen Namen, die vom Kollegen Wehner und auch vom Kollegen Majonica genannt wurden, aus allen politischen Richtungen, doch noch einmal vier Namen wiederholen: Winston Churchill, der in seiner bemerkenswerten Rede der deutsch-französischen Versöhnung als erster das Wort redete, Robert Schuman und Jean Monnet und, Herr Bundeskanzler, auch Ihre politischen Gegner werden Ihnen nicht das Verdienst absprechen können, daß Sie durch Ihren Rang und Ihre Amtszeit maßgeblich zur deutsch-französischen Freundschaft beigetragen haben und das Ihr Lebenswerk geworden ist.

    (Beifall bei den Regierungsparteien. — Zustimmung des Abg. Dr. Schmid [Frankfurt].)

    Die Freie Demokratische Partei hat als Koalitionspartner der ersten Bundesregierung und auch der zweiten Regierung dem Europarat zugestimmt, der Montanunion, dem Versuch einer Gründung der Europäischen Verteidigungsgemeinschaft, die in der Assemblée Nationale im August 1954 scheiterte, dem Beitritt zur NATO. Und, Herr Kollege Wehner, wenn Sie sich hier mit einer Bemerkung an den Koalitionspartner von rechts gewandt haben, so stand in dieser Formulierung nicht nur frei nach der Freudschen Psychologie die Feststellung, daß Sie sich nach wie vor als Koalitionspartner im Wartestand von links zu fühlen scheinen;

    (Heiterkeit bei der FDP)

    denn sonst hätten Sie ja nicht diese Unterscheidung gemacht. Ich glaubte immer noch, daß Sie sich als Opposition zu dieser Regierung fühlen. Aber wahrscheinlich ist auch hier wiederum ein Umkehrprozeß in Gang gekommen, den noch nicht alle bis in ihre tiefsten Bewußtseinsganglien begriffen haben.
    Diese Entscheidungen, der Beitritt zum Europarat und zur Montanunion, Herr Kollege Wehner, sind in diesem Hause gegen den erbitterten Widerstand der sozialdemokratischen Opposition erfolgt,

    (Beifall bei den Regierungsparteien)

    und es ist geradezu faszinierend, bei dem Kollegen Wehner festzustellen, wie meisterhaft der gleiche Sprecher, der damals erbitterter Gegner der Gründung europäischer Institutionen war, sich heute hier als allumfassender Beschützer der gleichen Institutionen aufspielt.

    (Beifall bei den Regierungsparteien. — Abg. Wehner: Woher wollen Sie das wissen, daß ich ein erbitterter Gegner war?)

    — Sie können nicht vergessen machen, daß dieses Haus eine Sitzung unterbrechen mußte, weil Sie von der SPD dem Regierungschef der gleichen Koalition damals den Vorwurf machten, er sei „Kanzler der Alliierten", weil er sich um die Verbesserung des Verhältnisses zu den Westmächten bemüht hat.

    (Beifall bei den Regierungsparteien. — Abg. Wehner: Gucken Sie mal im Protokoll nach und wärmen Sie nicht solche alten Kamellen auf!)

    — Herr Kollege Wehner,

    (Abg. Wehner: Wie ein Gefreiter!)




    Dr. Mende
    hätten Sie nicht eben diese Äußerung bezüglich des Koalitionspartners von rechts gemacht,

    (Abg. Wehner: Haben Sie keine Angst, noch sicher im Sattel zu sitzen, wenn das ein Sattel ist — der Bock, auf dem Sie sitzen?!)

    dann hätte ich Ihnen nicht diese Antwort gegeben, die, wie Ihre Erregung beweist, Sie doch an einer sehr schwachen Stelle getroffen hat.

    (Beifall bei den Regierungsparteien. — Abg. Wehner: Der Koalitions-Webel!)

    Im Rahmen der Diskussion um die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft hat in der Tat die Freie Demokratische Partei im Gegensatz zu den Sozialdemokraten und zur Christlich-Demokratischen Union ihre Zustimmung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der EURATOM versagt, aber nicht, Herr Kollege Wehner, aus antieuropäischer Haltung, sondern weil wir die Sechsergemeinschaft ohne Freihandelszone als zu eng für die europäische Entwicklung, als zu einseitig ansahen und die Sorge hatten, daß es zu einer neuen Blockbildung kommen würde, die ja dann im Rahmen der EFTA auch entstanden ist. Wer sich also hier mit der damaligen Ablehnung des EWG-Vertrages durch die Freie Demokratische Partei befaßt, der muß auch die Motive in gleicher Ausführlichkeit darstellen, sonst ist seine Darstellung tendenziös.
    Meine Damen und Herren! Eine Quelle der Mißverständnisse zwischen Deutschland und Frankreich war in den 50er Jahren die Saarfrage. Wir glauben, daß es eine gute Haltung der französischen Regierung und des französischen Volkes war, der Selbstbestimmung der Saarbevölkerung Respekt zu erweisen und die Rückkehr der Saar zu Deutschland einzuleiten. Mit dieser Lösung der Saarfrage ist die letzte Gefahr eines deutsch-französischen Mißverständnisses und Mißverhältnisses beseitigt worden.
    Wir glauben, daß sich in diesen Jahren ein neuer Geist zwischen Deutschland und Frankreich und auch in Europa — im freien Europa insgesamt — entwickelt hat, der eigentlich eines formellen Vertrages als eines letzten Siegels nicht bedurfte. Die deutsch-französische Freundschaft ist in den Begegnungen der beiden Völker so tief verwurzelt, daß man in der Tat auch ohne einen solchen Vertrag sicher sein konnte, daß es zu Rückfällen in die Barbarei der Vergangenheit nicht mehr kommen könnte.
    Aber nachdem sich beide Regierungen in Paris und Bonn entschlossen haben, einen solchen Vertrag über die deutsch-französische Zusammenarbeit abzuschließen, muß sich dieses Haus mit der Behandlung und Ratifizierung dieses Vertrages befassen und sich entscheiden. Es gibt einige Bestimmungen, die durchaus einer dokumentarischen Garantie bedürftig sind. Ich denke da insbesondere an das Wechselverhältnis, in dem Deutschland und Frankreich auch in militärpolitischer Hinsicht stehen. Deutschland ist Vorfeld der französischen Sicherheit, und Frankreich ist Hinterland der deutschen Sicherheit. Es gibt im Zeitalter der modernen Waffen keine voneinander losgelöste Verteidigung
    Deutschlands oder Frankreichs. Beide, Deutschland und Frankreich, sind wiederum nur noch zu verteidigen in einer Partnerschaft mit der atlantischen Gemeinschaft. Die Analyse dieses Vertrages, den wir heute in erster Lesung nur in seinen Prinzipien diskutieren können, zeigt, daß er im wesentlichen die Modalitäten der Zusammenarbeit auf den Gebieten der Außenpolitik, der Verteidigungspolitik, des Erziehungs- und Bildungswesens und der Jugend regelt. Er bildet gewissermaßen einen Rahmen für eine ständige Konsultation. Ich glaube nicht, daß die Perfektionierung dieser Konsultation zu einem Personalmangel führen wird. Es kommt auch hier darauf an, sich mehr der Pragmatik zuzuwenden als einem Perfektionismus des geschriebenen Wortes.
    Die Koalitionsparteien sind übereingekommen, daß, um Mißverständnisse auszuräumen, die insbesondere in Großbritannien, aber auch in Belgien, den Niederlanden, Luxemburg und Italien und in den Vereinigten Staaten bezüglich des Zusammenfalls des Abschlusses des Vertrages mit der Ablehnung des Beitritts Großbritanniens zur EWG durch den französischen Staatspräsidenten entstanden sind, eine Präambel zum Ratifizierungsgesetz sicherstellen sollte, daß jedermann weiß, dieser Vertrag ist nur im Rahmen der europäischen Zusammenarbeit und der atlantischen Partnerschaft lebensfähig; er verträgt keine isolierte Behandlung; die deutsch-französische Freundschaft und enge Zusammenarbeit ist kein Zweibund zu Lasten des europäischen Bundes und der atlantischen Partnerschaft, der Bilateralismus darf nicht zu Lasten eines Multilateralismus gehen, sondern auch hier ist eine Koordinierung im Sinne der europäischen und atlantischen Verträge selbstverständlich.
    Über den Wert einer Präambel ist in der Öffentlichkeit gestritten worden. Unser eignes Grundgesetz bestätigt uns, daß eine Präambel eine sehr wesentliche Aussagekraft haben kann. Schließlich zitieren wir sie immer wieder in dem Verfassungsgebot, unter dem wir alle stehen, „in freier Selbstbestimmung die Einheit und Freiheit Deutschlands zu vollenden". Das Bundesverfassungsgericht hat der Präambel des Grundgesetzes Verfassungsrang zugebilligt. Ich glaube also, die Präambel, die dann hoffentlich einstimmig in den Beratungen des Auswärtigen Ausschusses formuliert werden kann, dürfte eine unmißverständliche Willenskundgebung dieses Hauses als des Souveräns der deutschen Demokratie werden. Sie wirkt weiter als die Entschließung ides Bundesrates. Entschließungen haben in diesem Hause oft schon einstimmige Annahme erfahren; ich denke beispielsweise an die Berliner Entschließung vom 1. Oktober 1958. Aber wir glauben, daß die Präambel im Ratifizierungsgesetz eine stärkere Außen- und Innenwirkung hat als eine Entschließung dieses Hauses, wie der Bundesrat sie für richtig hielt.
    Kollege Majonica hat über die Tendenzen gewisser europäischer Kreise gesprochen, Europa zu einer dritten Kraft werden zu lassen. Ein Blick auf die Karte Europas und ein Vergleich der wechsel-



    Dr. Mende
    seitigen Kräfte schließt die Möglichkeit einer von Amerika unabhängigen dritten Kraft Europa aus.

    (Zustimmung bei den Regierungsparteien.)

    Denn was ist dieses Europa als Resteuropa, wie es uns leider nach dem zweiten Weltkrieg von Helmstedt bis Lissabon noch verblieben ist? Was schließt es ein? Eine Tiefe von 3000 km von Helmstedt bis Lissabon; diese Entfernung entspricht der Stundengeschwindigkeit eines Überschalljägers. Hier fehlt es an der Tiefe des Operationsraumes. Dieses Resteuropa ist aus eigener Kraft kein Gegengewicht gegenüber jener euroasiatischen Landmasse von Helmstedt bis Wladiwostok mit 11 800 km Tiefe. Jenem riesigen Gebiet ist Europa aus eigener Kraft weder politisch, wirtschaftlich noch militärisch gewachsen.
    Europa steht und fällt in enger Zusammenarbeit mit idem atlantischen Partner. Ich unterstreiche das, was Kollege Majonica sagte: die freie Welt wird auf zwei Säulen stehen, auf der einen Seite auf der Kraft der Vereinigten Staaten und Kanadas und auf der anderen Seite auf der Kraft eines vereinten Europa mit über 250 Millionen Menschen. Nur diese Kräfte 'beiderseits des atlantischen Ozeans lassen die Hoffnung entstehen, daß auch Afrika zu halten ist; denn ohne ein starkes Europa ist auch Afrika gegenüber der Expansion des Kommunismus auf die Dauer nicht zu bewahren.
    Dieses Europa darf allerdings nicht in eine Satellitenrolle gegenüber Amerika gedrängt wenden. Hier unterstreichen wir das, was George Bundy am 6. Dezember 1961 in einer Rede in Chikago gesagt hat; er sprach von der Interdependenz, der wechselseitigen Abhängigkeit Europas und Amerikas. Europa erstarkte nicht zuletzt auf der Basis der Hilfe Amerikas im Marshallplan vor fünfzehn Jahren. Europa muß seine Stärke in einer Partnerschaft mit den Vereinigten Staaten entwickeln, wenn es lebensfähig sein soll, keineswegs in einer Rivalität und erst recht nicht in der Versuchung, zwischen den beiden Blöcken etwa eine Mittler-, Vermittler- oder neutrale Rolle spielen zu können.
    Hier ist vom Kollegen Wehner der Präsident Hallstein — in seiner Eigenschaft als Staatssekretär des Auswärtigen Amtes noch .ein von der Opposition viel kritisierter Mann — seinen Sorgen bezüglich der Weiterexistenz der europäischen Institutionen zitiert worden. Ohne Zweifel haben Belgien, Luxemburg, die Niederlande und Italien gewisse Sorgen bezüglich der europäischen Institutionen. Wir wollen nicht leugnen, daß der deutschfranzösische Vertrag und seine Konsultationen sehr behutsam mit den europäischen Institutionen koordiniert werden müssen und daß man Rücksicht auf gewisse Empfindlichkeiten bei den anderen europäischen Partnern nehmen muß. Aber der Gedanke des französischen Staatspräsidenten, Europa nicht so sehr und nicht ,soschnell im Sinn Hallsteins im Integralismus entstehen zu lassen, sondern etwas mehr in einer Art Föderalismus als Europa der Vaterländer, ist durchaus diskutabel,

    (Abg. Wehner: Hört! Hört!) wenn man bedenkt, Herr Wehner, daß ja diese Bundesrepublik erst das halbe Vaterland ist,


    (Zuruf des Abg. Wehner)

    und wenn man bedenkt, daß schließlich eine allzu rasche Integration ohne eine entsprechende Kontrolle parlamentarischer Körperschaften zur Herrschaft einer Bürokratie ohne parlamentarisch-demokratische Kontrolle führen kann.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Hier hinkt das Kontrollsystem der Parlamentarier hinter der Eilfertigkeit des europäischen bürokratischen Integralismus etwas hinterher.

    (Erneuter Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Das sind Bedenken, die wir doch alle haben, die aber doch nicht mit den Prinzipien etwas zu tun haben.
    Lassen Sie mich zum Schluß folgendes feststellen. Die Freie Demokratische Partei stimmt dem deutschfranzösischen Freundschaftsvertrag zu — als einer notwendigen Grundlage der europäischen Zusammenarbeit, die ohne den Beitritt Großbritanniens und ohne die skandinavischen Völker nicht möglich ist. Europa ist, nur auf sich selbst gestellt, als Sechsergruppe — ohne Großbritannien — nicht lebensfähig. Die Frage des Beitritts Großbritanniens, der skandinavischen Staaten und der Assoziierung der Schweiz, Österreichs, Schwedens und anderer ist daher nur eine Zeitfrage. Französische Widerstände können diese Entwicklung zwar verzögern, aber nicht verhindern. Es wird Aufgabe auch des deutschen Partners sein, in der Konsultation gewisse Hemmungen gegen den Beitritt Großbritanniens und die Ausweitung der Sechsergemeinschaft beseitigen zu helfen. Daß das bei einem Staatspräsidenten und alten General etwas schwierig ist, ist auch uns bekannt.
    Die Freie Demokratische Partei glaubt, daß Europa, das erweiterte Europa, nur in enger Zusammenarbeit und Partnerschaft mit den Vereinigten Staaten existieren kann. Daher ist die Atlantische Gemeinschaft, die von dieser Koalition durch den Beitritt zum Nordatlantikpakt auch für Deutschland erstellt wurde, für uns ein wichtiger Faktor zur Bewahrung Berlins, der Freiheit in der Bundesrepublik und zur Eindämmung der kommunistischen Expansion in Europa und in der Welt.
    Wir haben keine Sorge, Herr Kollege Wehner, daß dieser Vertrag nun schnell in den Ausschüssen, wie Sie so sagen, durchgearbeitet werden soll. Dieser Vertrag ist seit drei Monaten bereits auf der Tagesordnung nicht nur der Parteien des Bundestages, sondern sogar internationaler Konferenzen der Sozialisten, der Liberalen und der christlichen Parteien. Er ist in den Diskussionen der Weltpresse. Allein die vielen Zitate, Herr Kollege Wehner, die Sie hier gebracht haben, bestätigen, wie viele sich schon in den drei Monaten mit diesem Vertrag beschäftigt haben.

    (Zuruf des Abg. Wehner.)




    Dr. Mende
    Ich sehe daher keine Schwierigkeit, diesen Vertrag in organischer Behandlung in den Ausschüssen so zu beraten, daß er vor der Pfingstpause in zweiter und dritter Lesung verabschiedet werden kann.

    (Beifall bei den Regierungsparteien. — Abg. Wehner: Bevor der Kanzler wieder nach Cadenabbia reist!)

    Wir glauben, Herr Kollege Wehner, daß es unzweckmäßig ist, die Dinge allzu rasch zu behandeln.

    (Abg. Wehner: Immer durch, immer durch!)

    Aber für ebenso unzweckmäßig halten wir eine Verzögerungstaktik, die aus ganz klaren politischen Motiven versucht wird.

    (Beifall bei den Regierungsparteien. — Fortgesetzte Zurufe des Abg. Wehner.)

    Wir glauben, daß die Verzögerungstaktik und das Hinausschieben dieses Vertrages bis etwa in den Herbst das Übel nur vermehrt und niemanden dient. Daher glaube ich, Herr Kollege Wehner, Sie sollten als Opposition es tragen, wenn Sie in dieser Frage der Mehrheit der Koalition unterliegen werden.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)