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    Deutscher Bundestag 73. Sitzung Bonn, den 25. April 1963 Inhalt: Abg. Anders tritt in den Bundestag ein . . 3405 A Fragestunde (Drucksache IV/1193) Fragen des Abg. Kreitmeyer: Entseuchung des ehemaligen Schießplatzes Deutsch-Evern von Hassel, Bundesminister . . 3405 B, C, 3406 A, Kreitmeyer (FDP) . . . 3405 D, 3406 A Fragen des Abg. Rauhaus: Übungen der Stationierungsstreitkräfte in Erholungsgebieten von Hassel, Bundesminister . 3406 A, B, 3407 B Rauhaus (CDU/CSU) . . . . . . 3407 B Frage der Abg. Frau Dr. Diemer-Nicolaus: Entlohnung von Arbeitern bei Bundeswehrbauten in Hechingen von Hassel, Bundesminister . 3407 C, D Frau Dr. Diemer-Nicolaus (FDP) 3407 C, D Frage des Abg. Peiter: Aufenthaltskosten beim freiwilligen Ausbau eines deutschen Soldatenfriedhofs in Italien 3407 D Frage des Abg. Wittrock: Rechtsverordnung nach § 13 a Abs. 2 des Wehrpflichtgesetzes von Hassel, Bundesminister . . 3408 A Wittrock (SPD) 3408 A Fragen der Abg. Frau Blohm: Beförderung von Sendungen mit Arzneimitteln 3408 B Frage des Abg. Kahn-Ackermann: Zustellungszeit von Postsendungen in München 3408 C Frage der Abg. Frau Dr. Diemer-Nicolaus: Berechnung von Abkürzungen bei Drucksachen Stücklen, Bundesminister . . . . 3408 C, 3409 A, B, C Frau Dr. Diemer-Nicolaus (FDP) . . 3408 D, 3409 B Ritzel (SPD) . . . . . . . . . 3409 B Fragen des Abg. Hörmann (Freiburg) : Gebäude der ehemaligen Kreispflegeanstalt in Freiburg Qualen, Staatssekretär . . . 3409 C, D, 3410 A, B Hörmann (Freiburg) (SPD) 3409 D, 3410 B Frage des Abg. Freiherr von Mühlen: Wiederherstellung des Reichstagsgebäudes in Berlin Qualen, Staatssekretär . . 3410 B, C, D, 3411 A Freiherr von Mühlen (FDP) . . 3410 C, D Ritzel (SPD) 3410 D, 3411 A II Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 73. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. April 1963 Fragen des Abg. Dr. Gleissner: Urteil des Bundesverfassungsgerichts betr. Gesetz zur Reinhaltung der Bundeswasserstraßen Frau Dr. Schwarzhaupt, Bundesminister 3411 A, B Frage des Abg. Dr. Gleissner: Förderung von Abwässeranlagen mit ERP-Krediten Frau Dr. Schwarzhaupt, Bundesminister 3411 C, D Dr. Gleissner (CDU/CSU) . . . 3411 C Frage des Abg. Börner: Ölleitung durch den Bodensee Frau Dr. Schwarzhaupt, Bundesminister . 3411 D, 3412 A, B, C Börner (SPD) . . . . . . . . . 3412 A Dr. Schäfer (SPD) 3412 B Matthöfer (SPD) . . . . . . . 3412 C Frage des Abg. Börner: Trinkwasser aus dem Bodensee Frau Dr. Schwarzhaupt, Bundesminister . . 3412 D, 3413 A, B Börner (SPD) . . . . . 3412 D, 3413 A Dr. Schäfer (SPD) 3413 A, B Frage des Abg. Börner: Verhinderung des Baues einer Ölleitung durch den Bodensee Frau Dr. Schwarzhaupt, Bundesminister . . 3413 C, D, 3414 A Börner (SPD) . . . . . 3413 D, 3414 A Frage des Abg. Dr. Hamm (Kaiserslautern) : Kariesbefall bei Kleinkindern und Jugendlichen Frau Dr. Schwarzhaupt, Bundesminister 3414 B Fragen des Abg. Dr. Hamm (Kaiserslautern) : Gesetzliche Regelung der Jugendzahnpflege Frau Dr. Schwarzhaupt, Bundesminister . . . . 3414 B, C, D Dr. Hamm (Kaiserslautern) (FDP) . . 3414 B, C, D Frage des Abg. Faller: Typhus-Fälle im Bundesgebiet . . . 3414 D Frage des Abg. Faller: Untersuchung von Gastarbeitern aus typhusverdächtigen Gebieten . . . . 3415 A Frage des Abg. Faller: Arbeitskräfte aus Lecce . . . . . . 3415 A Frage des Abg. Hörmann (Freiburg) : Haftbarmachung wegen der Typhuserkrankungen in Zermatt . . . . . 3415 B Frage des Abg. Bauknecht: Gefrierhühnchensendung aus USA Frau Dr. Schwarzhaupt, Bundesminister . . . . . . 3415 C, D, 3416 A, B, C, D Bauknecht (CDU/CSU) . . . . 3415 C, D Bewerunge (CDU/CSU) 3415 D Dr. Reinhard (CDU/CSU) . . . . 3416 A, B Dr. Dr. h. c. Dresbach (CDU/CSU) . 3416 C Dr. Schmidt (Gellersen) (SPD) . . . 3416 C Frage des Abg. Bauknecht: Salmonellenfreie Futtermittel Frau Dr. Schwarzhaupt, Bundesminister . . . 3416 D, 3417 A Bauknecht (CDU/CSU) 3417 A Frage des Abg. Bauknecht: Schutz vor Schädigung durch Salmonellen bei der Hühnereinfuhr Frau Dr. Schwarzhaupt, Bundesminister . . . . . . . 3417 A Änderung der Tagesordnung . . . . . 3417 B Schriftlicher Bericht des Außenhandelsausschusses über die Zweiundsechzigste Verordnung zur Änderung des deutschen Zolltarifs 1962 (Gemüse) (Drucksachen IV/1195, IV/1202) . . . . . . . . . 3417 B Entwurf eines Gesetzes zu der Gemeinsamen Erklärung und zu dem Vertrag vom 22. Januar 1963 mit der Französischen Republik über die deutsch-französische Zusammenarbeit (Drucksache IV/1157) — Erste Beratung — Dr. Adenauer, Bundeskanzler . . 3417 C Majonica (CDU/CSU) 3419 C Wehner (SPD) 3424 B Dr. Mende (FDP) . . . . . . 3434 D Dr. Schröder, Bundesminister . . 3438 A Birkelbach (SPD) 3441 D Margulies (FDP) . . . . . . . 3443 D Nächste Sitzung 3445 C Anlagen 3447 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 73. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. April 1963 3405 73. Sitzung Bonn, den 25. April 1963 Stenographischer Bericht Beginn: 14.32 Uhr
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    Anlage 1 Liste der beurlaubten Abgeordneten Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich a) Beurlaubungen Anders 25. 4. Dr. Artzinger 26. 4. Dr.-Ing. Balke 25. 4. Bazille 14. 5. Berlin 25. 4. Blachstein 25. 4. Dr. Böhm (Frankfurt) 30.4. Corterier 30.4. Dr. Danz 25. 4. Ehren 29.4. Eisenmann 26. 4. Erler 26. 4. Ertl 25. 4. Etzel 25. 4. Even (Köln) 18. 5. Faller * 26. 4. Figgen 15. 6. Franke 27. 4. Dr. Dr. h. c. Friedensburg 26. 4. Funk (Neuses am Sand) 25. 5. Freiher zu Guttenberg 25. 5. Haage (München) 7. 5. Hansing 26. 4. Dr. Hauser 25. 4. Hellenbrock 27. 4. Herold 26. 4. Höfler 26. 4. Hufnagel 26.4. Jacobs 27. 4. Dr. Jaeger 26. 4. Jaksch 26. 4. Keller 3. 5. Frau Kipp-Kaule 26. 4. Dr. Kliesing (Honnef) 26. 4. Frau Krappe 26. 4. Kraus 26. 4. Kriedemann * 26. 4. Frau Dr. Kuchtner 26.4. Leber 25.4. Lenz (Brühl) 25.4. Lohmar 30. 4. Dr. Löhr 25.4. Lücker (München) 25. 4. Mattick 25. 4. Mauk * 25. 4. Dr. h. c. Menne (Frankfurt) 10. 5. Dr. Menzel 26. 4. Dr. Miessner 25. 4. Dr. h. c. Dr.-Ing. E. h. Möller 13. 5. Dr. Mommer 26.4. Müller (Berlin) 26. 4. Müller (Remscheid) 25. 4. Müser 27. 4. Neumann (Allensbach) 25. 4. * Für die Teilnahme an Sitzungen des Europäischer Parlaments Anlagen zum Stenographischen Bericht Abgeordneter) beurlaubt bis einschließlich Frau Dr. Pannhoff 26. 4. Paul 26. 4. Peters (Norden) 19. 5. Pöhler 25. 4. Ramms 26. 4. Riegel (Göppingen) 26. 4. Schlick 26. 4. Soetebier 25. 4. Dr. Starke 13. 5. Storch * 25. 4. Frau Strobel * 26. 4. Frau Vietje 31. 5. Werner 30. 4. Zoglmann 31. 5. Zühlke 30. 4. b) Urlaubsanträge Maier (Mannheim) 3. 5. Wittmer-Eigenbrodt 31. 7. Anlage 2 Schriftliche Antwort des Herrn Bundesministers Dr. Heck vom 24. April 1963 auf die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Peiter - (Drucksache IV/1193) - Frage V *). Stehen für Jugendgruppen, die beim Ausbau deutscher Kriegerfriedhöfe freiwillig Arbeit leisten, Geldmittel zur Verfügung? „Die Betreuung von Kriegsgräbern im Ausland durch Jugendgruppen gehört nach den Richtlinien für den Bundesjugendplan zu den förderungswürdigen Maßnahmen im Rahmen des Programms „Internationale Jugendbegegnung". Für diese Maßnahme ist jährlich ein Betrag von rund 300 000 DM zur Verfügung gestellt worden. Im Jahre 1962 wurden 63 Maßnahmen mit 5141 jugendlichen Teilnehmern gefördert. Es ist beabsichtigt, im laufenden Rechnungsjahr die Kriegsgräberbetreuung in erweitertem Umfange zu fördern. Träger dieser Maßnahmen ist der Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge. Die Aktion steht unter dem Motto „Versöhnung über den Gräbern". Es hat sich gezeigt, daß diese Aktion auch für die internationale Verständigung von großer Bedeutung ist. In vielen Fällen ist es den Jugendlichen gelungen, durch die Pflege deutscher Kriegsgräber noch bestehende Ressentiments zu überwinden, enge menschliche Kontakte herzustellen und innerhalb der jungen Generation das europäische Bewußtsein zu vertiefen." *) Siehe 72. Sitzung Seite 3311 A 3448 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 73. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 25. April 1963 Anlage 3 Erklärung des Abg. Seuffert für die Fraktion der SPD zur Beratung des Schriftlichen Berichts des Finanzausschusses (14. Ausschuß) über den von der Bundesregierung zur Unterrichtung vorgelegten Vorschlag der Kommission der EWG für eine vom Rat der EWG zu erlassende Richtlinie zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten betreffend die Umsatzsteuern (Drucksachen IV/850, IV/ 1179).*) Auch die sozialdemokratische Opposition begrüßt es, daß wir mit diesem einstimmigen Beschluß in die Verhandlungen über den Richtlinienvorschlag der Kommission der EWG eintreten, mit dem der erste Schritt zur unerläßlichen Steuerharmonisierung im gemeinsamen Markt eingeleitet wird. Wir begrüßen es, daß dieser Vorschlag in Richtung auf eine wettbewerbsneutrale Umsatzsteuer geht, ein Ziel, zu dem sich dieses Haus ebenfalls einstimmig, nunmehr einschließlich der Regierung bekannt hat und in dem wir also auch mit der Kommission übereinstimmen. Unser Beschluß sieht in zwei Punkten eine Abweichung von dem Vorschlag der Kommission vor. Wir halten einen mehrmaligen Systemwechsel, wie er sich aus dem ursprünglichen Vorschlag fast zwangsläufig ergeben müßte, für nicht tragbar; der Termin vom 30. 6. 1964, bis zu welchem wir die Grundzüge des künftigen gemeinsamen Systems erwarten möchten, ist mit unseren eigenen Vorstel- *) Siehe 72. Sitzung Seite 3396 A lungen über den Zeitpunkt unserer Umsatzsteuerreform abgestimmt und beweist die Dringlichkeit, die wir dieser Sache beimessen. Wir sind ferner der Ansicht, daß die Beseitigung der Steuergrenzen nicht zu einem fernen und unbestimmten, sondern zu einem nahen und bestimmten Zeitpunkt vorgesehen werden muß. Bei Steuergrenzen in einem herstellenden gemeinsamen Markt handelt es sich nicht, wie bei den Außengrenzen eines autonomen Marktes, einfach um den Ausgleich zwischen einheimischer und importierter Ware. Solange solche Steuergrenzen innerhalb eines gemeinsamen Marktes noch bestehen — erst wenn sie beseitigt sind, ist wirklich ein gemeinsamer Markt entstanden —, würde es sich hier um den Ausgleich der verschiedenen Steuerbelastungen in den Mitgliedsländern handeln müssen. Wenn deswegen der Maßstab der Ausgleichsmaßnahmen nur aus der Steuerbelastung im Ausgangsland und nicht auch aus ihrer Differenz zur Belastung im Eingangsland genommen wird, entstehen Wettbewerbsverzerrungen zwischen den Mitgliedsländern. Letzten Endes wird es sich hier nicht um isolierte Fragen der Umsatzsteuer, sondern um eine Angleichung der Finanzsysteme überhaupt handeln müssen — eine schwierige und langwierige Aufgabe, die aber unerläßlich ist, wenn schließlich ein gemeinsamer Markt wirklich entstehen und Europa seine endgültige Form erhalten soll. Wir begrüßen den Richtlinienvorschlag als Anfang auf diesem Wege und glauben, daß es ein guter Beitrag auf dem Wege au Europa sein wird, wenn den Änderungen, die unser Beschluß vorschlägt, Rechnung getragen wird.
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Herbert Wehner


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Manchmal hat man ja guten Grund, sich über Ihre Intervention zu freuen, Herr Kollege. Aber manchmal denkt man eben auch menschlich. Das Jahr 1914 kommt noch, wenn es darauf ankommt.

    (Abg. Dr. Dr. h. c. Dresbach: Sie waren aber eben schon bei 1925!)

    — Sie werden es gleich merken, Herr Dresbach. Sie sind zwar auch einer von den Gereifteren — genauso werde ich mich diesem Jahrgang zu nähern haben —, aber hier war von Ihnen zu schnell geschaltet. Hier geht es um die Beurteilung der Lehren des ersten Weltkrieges mit dem, was Hilferding sagte. Ich werde Ihnen gleich auch noch mit Stresemann dienen. Ich hoffe, es wird Sie zu dann befriedigen.
    Hilferding hat damals in seiner Rede zu dem Beschluß, bei dessen Zitat ich eben unterbrochen worden bin, erklärt;
    Wir wollen die Vereinigten Staaten Europas
    nicht als ein Wirtschaftsgebiet, das sich im
    Konkurrenzkampf gegen die Vereinigten Staaten
    Amerikas abschließt. Wir wollen die Vereinigten Staaten Europas nicht als ein Ausschlußmittel etwa gegen England oder gegen Rußland, sondern wir wollen die Vereinigten Staaten Europas, damit die großen Probleme der Wirtschaft, die großen Probleme der auswärtigen Politik gelöst werden können.
    Er hat dann politisch erläuternd in seiner Art und in seiner Sprache gesagt:
    Vielleicht war die allerletzte Ursache des Weltkriegs
    — gemeint ist der erste Weltkrieg —
    doch der Umstand, daß die ungeheuer angewachsenen Produktivkräfte, die längst den einzelnen Bourgeoisien über den Kopf gewachsen waren, gegen die überkommenen nationalen Staatsgrenzen, die der wirtschaftlichen Stufe der Entwicklung nicht mehr entsprachen, rebellierten. Wir wollen
    — so sagte er —
    eine Lösung des europäischen Staatenproblems, weil wir den Prozeß des Erwachens der geschichtslosen Nationen allerdings auch bis zu einem gewissen Grad zu beeinflussen, zu überwachen oder zu lenken haben, damit dieser Prozeß sich nicht wieder in einer katastrophalen, in einer kriegerischen Weise vollziehe, die heute bei der Entwicklung der Kriegstechnik die ganze europäische Zivilisation dem Untergang aussetzen würde.
    Er fügte hinzu:
    Wir wünschen diesen Prozeß durch eine einsichtige Politik der vereinigten europäischen Staaten zu fördern, die jede Unterdrückung anderer Nationen, jede Unterdrückung der Kolonialvölker und die Zerstörung ihrer Kultur, ihres Rechts ablehnt.
    Das ist der große Gesichtspunkt unserer auswärtigen Politik, der unmittelbar unseren sozialistischen Überzeugungen entspringt.
    Ich fand das bewegend und erregend, weil das die Worte eines Mannes sind, der mit seinem Leben ein Opfer der braunen Diktatur geworden ist und den Versuch gemacht hat, das zu tun, woran hier der Bundeskanzler heute erinnert hat: daß, wenn das gelungen wäre, beiden Völkern diese Diktatur und das, was ihr folgte, hätte erspart werden können.

    (Beifall bei der SPD.)

    Aber es war ein Mann, der sich .damals in dieser Vision dessen, was notwendig wäre aus den Gründen, die er in seiner Sprache darlegte, besann und sagte:
    Es ist, wie wenn wir eine Gipfelwanderung vorhaben und den Marsch beginnen; dann sehen wir die Spitze vor uns, scheinbar zum Greifen nahe, scheinbar mühelos zu erobern. Dann beginnt der Marsch durch das Vorgelände. Bald schwindet uns die Aussicht. Wir marschieren. Unser Weg dauert viel länger, als wir gedacht haben. Plötzlich treten wir aus dem



    Wehner
    Wald heraus, und das Vorgelände ist überwunden. Vor uns erhebt sich das steile Bergmassiv, steinig und unwegsam auf den ersten Blick, und da wollen wir einen Moment lang verzagen. Doch dann sagen wir unis: wir sind nähergekommen, wir haben die Vorbereitungszeit hinter uns, jetzt geht es zum Aufstieg, wir müssen hinauf.
    Es ist tragisch. Er und andere mußten damals, meine lächelnden Herren, noch tiefer herunter. Sie wollten das „hinauf" für alle, für die beiden Völker, für Europa. Sie mußten tief herunter. Aber es ist tröstlich: wir haben ihre Zuversicht in unseren Herzen. Das wollte ich bei dieser Gelegenheit in Erinnerung an die, die für die Vereinigung Europas nicht nur gesprochen haben, sondern auch Opfer geworden sind, hier sagen dürfen.
    Nun ein Wort zu Gustav Stresemann, weil er ebenfalls zu denen gehört hat, die in dem Bewußtsein von der unerhörten Bedeutung des deutschfranzösischen Verhältnisses dieses Verhältnis immer in seinen Zusammenhängen gesehen hat. Er sagte:
    Ich betrachte die Verständigung zwischen Frankreich und Deutschland als die Kernfrage der europäischen Verständigung. Aber diese Frage kann man nicht mit irgendeiner Aggression gegenüber anderen Mächten lösen. Ich habe infolgedessen auch bei der großen wirtschaftlichen Abmachung, die hier zustande gekommen ist,
    — er meinte das deutsch-französisch-belgische Stahl- und Eisenabkommen —
    immer betont, daß, soweit eine Mitwirkung der deutschen Regierung in Frage kam, es falsch wäre, wirtschaftliche Trusts zu schaffen, die ihre Spitze hätten, sei es gegen ein anderes europäisches Land, sei es gegen die Vereinigten Staaten von Amerika.
    Und so weit ging er damals:
    Ich glaube, daß die französische öffentliche Meinung im Sinne Frankreichs nicht gut daran getan hat, diejenige Schärfe gegen Amerika zu zeigen, die in den letzten Jahren zum Ausdruck gekommen ist.
    So Stresemann 1926!
    Die ganze Frage des Wiederaufbaus Europas — so schärfte er ein —
    ist ja ohne Amerika nicht zu lösen.
    Und kurz danach:
    Die ganze Frage ist keine Frage der Divergenz zwischen Paris und London.
    Nach diesem Rückblick, meine Damen und Herren, wieder zu dem uns vorliegenden Vertrag, der in diese große Schau, mit der auch der Bundeskanzler den Vertrag eingebracht hat, gehört, und hin zu den Fragen, die mit ihm zusammenhängen, und auch zu den Problemen! Wenn im Grunde genommen Übereinstimmung angenommen werden kann in der Würdigung der deutsch-französischen Verständigung und wenn angenommen werden darf, daß diese Verständigung der Vereinigung Europas dienen soll, so erhebt sich die Frage nach der Auswirkung des Vertrages und nach den Umständen seines Zustandekommens in bezug auf die schon bestehenden Verträge und die aus ihnen entwickelten europäischen Gemeinschaften. Im Unterschied zu allem, was von Generationen vor uns versucht worden ist, zur deutsch-französischen Verständigung, zum europäischen Zusammenschluß zu kommen, haben wir es nun nach dem zweiten Weltkrieg ja mit bestehenden europäischen Gemeinschaften zu tun. Dort also haben wir etwas, mit dem gerechnet und das behutsam behandelt werden muß.
    Hilferding — ich darf auf ihn noch einmal zurückkommen — hat 1925 die Politik, die dem Prinzip der Rivalität der Nationen, dem Konkurrenzkampf der Nationen die Erkenntnis der notwendigen Solidarität der Nationen entgegengestellt, das Rettungsprinzip für Europa genannt.
    Ich greife jetzt auf einen, der unvergleichliche Verdienste im Aufbau der europäischen Gemeinschaften nach diesen blutigen Erfahrungen hat — es ist ein großer Franzose —, auf Jean Monnet, der nach den Erfahrungen zweier Weltkriege gesagt hat:
    Es handelt sich heute nicht mehr um eine bloße Summierung der nationalen Interessen, sondern darum, die Probleme von nun an als gemeinsame Probleme zu betrachten, die nationalen Interessen allmählich in einer einzigen europäischen wirtschaftlichen Einheit zu verschmelzen und dabei die gleichen Regeln und die gleichen Institutionen entsprechend den Grundsätzen der europäischen Gemeinschaften anzuerkennen.
    Das sagt Jean Monnet. Ich glaube, man darf sagen, das ist eine neue Methode des gemeinschaftlichen Handelns, von den sechs Ländern der Gemeinschaften seit 1950 mit der Verpflichtung angenommen, ihre Wirtschaftsprobleme als gemeinsame europäische Probleme und nicht, wie in der Vergangenheit, als innerstaatliche Probleme zu behandeln.
    Es wäre ungerecht, wollte man sagen: erst mit dem 14. Januar, jener Pressekonferenz des französischen Staatspräsidenten, die im Zusammenhang mit Brüssel noch lange unvergessen bleiben wird, hätte man sich manchmal auch an sehr verantwortlicher und hervorgehobener Stelle wieder nach rückwärts gewandt. Diese Probleme sind eigentlich seit der Existenz der Gemeinschaft als gemeinschaftliche zu behandeln, nach beschlossenen und zum Vertrag gewordenen Regeln und mit Hilfe von lebendigen, von existierenden, von tätigen Institutionen, was es früher in dieser Weise nie gegeben hat. Es ist etwas, das es zum erstenmal in der für uns überschaubaren Geschichte zwischenstaatlicher Beziehungen gibt. Es wäre ungerecht zu sagen, erst am 14. Januar sei das geschehen; es ist manchem auch schon vorher passiert. Ich habe z. B. den Herrn Bundeskanzler — im Herbst letzten Jahres war es wohl — einmal öffentlich darauf aufmerksam gemacht, daß er in einem Brief, den er damals an den Hamburger Bürgermeister Nevermann geschrieben hat, auch von deutschen Interessen gesprochen hat;



    Wehner
    er hat sie dann erklärt als Textil, Kohle, Landwirtschaft, wobei ich ihm natürlich zugute halte, daß das Interessen sind, die er wahrzunehmen hat. Nur hat er dabei für den Augenblick oder für länger — das muß er selber wissen — übersehen, daß es sich hier um Interessen, um Fragen, um Problemkreise handelt, die nach den Methoden, die in den Verträgen festgelegt sind, regelbar geworden sind.
    Dieses gelegentliche und leider in der letzten Zeit immer wieder beharrlich vorgekommene Zurückfallen in solche Interessenausdrücke hat auch in Ländern, die auf uns blicken, in Ländern, die sich überzeugen lassen, daß auch sie eigentlich zur Gemeinschaft gehören — ich denke da an eine Reihe von Nachbarländern —, Aufsehen erregt. Ich werde lange nicht vergessen, wie ein mir besonders sympathischer, politisch sonst gar nicht nahestehender Diplomat, der zu den ältesten hier in Bonn gehört, mir einmal in diesem Zusammenhang die Frage stellte: „Wie kommt das eigentlich, können Sie mir das erklären? Früher gab es von Bonn amtlicherseits immer wirkliche Impulse zur europäischen Einigung. Seit einer gewissen Zeit ist das anders." Ich habe ihm zu meinem Leidwesen sagen müssen: „Das ist tatsächlich seit einer gewissen Zeit anders, und das hat Ursachen."
    Man kommt in eine schwierige Lage, weil die Partner und die, die uns beobachten, die auf uns sehen, sich zeitweise sogar eine Theorie zurechtgelegt haben, warum es so sei. Sie sagen: „Ja, ja, solange die Bundesrepublik Deutschland noch in einer Situation war, in der sie sich sozusagen unter dem Souveränitätspegel der anderen befand, da konnte sie gut über die Übertragung von Souveränitätsrechten reden; da hatte sie ja noch etwas mit zu gewinnen. Aber nun — — !" Ich möchte, daß dieses Mißverständnis der Haltung der Bundesregierung und solcher in ihr, die um die europäische Zusammenarbeit Verdienste haben, ausgeräumt werden kann.

    (Abg. Majonica meldet sich zu einer Zwischenfrage.)



Rede von Dr. Thomas Dehler
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Herr Abgeordneter Wehner, der Herr Abgeordnete Majonica hätte gern eine Zwischenfrage gestellt. Sind Sie einverstanden?

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Herbert Wehner


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Ja, bitte.