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Metadaten
  • insert_drive_fileAus Protokoll: 4067

  • date_rangeDatum: 15. März 1963

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    Deutscher Bundestag 66. und 67. Sitzung Bonn, den 15. März 1963 Inhalt: 66. Sitzung Erweiterung der Tagesordnung . . . . 3025 A Vizepräsident Schoettle 3025 A, 3026 B, C Bading (SPD) 3025 B Rasner (CDU/CSU) . . . 3025 D, 3026 C Dr. Mommer (SPD) . . 3025 D, 3026 B, C Entwurf eines Ersten Gesetzes zur Neugliederung des Bundesgebietes gemäß Artikel 29 Abs. 1 bis 6 des Grundgesetzes (Erstes Neugliederungsgesetz) (Drucksache IV/834) — Erste Beratung —; in Verbindung mit dem Entwurf eines Gesetzes über die Neugliederung des Gebietsteiles Baden des Bundeslandes Baden-Württemberg nach Artikel 29 Abs. 2 und 3 des Grundgesetzes (Abg. Dr. Kopf, Dr. h. c. Güde, Hilbert, Dr. Hauser, Dr. Bieringer u. Gen.) (Drucksache IV/846) — Erste Beratung — Höcherl, Bundesminister . 3026 D, 3047 D Dr. Kopf (CDU/CSU) 3028 B Dr. Filbinger, Minister des Landes Baden-Württemberg . 3033 B, 3046 D Dr. Wahl (CDU/CSU) 3037 B Dr. h. c. Dr.-Ing. E. h. Möller (SPD) 3039 C Frau Dr. Diemer-Nicolaus (FDP) . . 3042 C Dr. h. c. Güde (CDU/CSU) . . . . 3044 B Wittrock (SPD) 3045 D Spitzmüller (FDP) 3048 D Schmitt-Vockenhausen (SPD) . . 3049 D Beschlußunfähigkeit . . . . . . . . 3050 C Nächste Sitzung 3050 C 67. Sitzung Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über Personalausweise (CDU/CSU, SPD, FDP) (Drucksache IV/1056) — Erste Beratung — . . . . 3051 A Antrag betr. Vorlage des Entwurfs eines Gesetzes zum Schutze der Rechte aus Arbeitsverhältnissen von Arbeitnehmern mit Wohnsitz im Sowjetsektor von Berlin oder in der Sowjetischen Besatzungszone Deutschlands (SPD) (Drucksache 1V/1031) 3051 B Entwurf eines Zwölften Gesetzes zur Änderung des Umsatzsteuergesetzes (Abg. Etzel, Brand, Dr. Schmid [Wuppertal], Wacher, Dr. Imle und Fraktionen der CDU/CSU, FDP) (Drucksache IV/661 [neu]); Schriftlicher Bericht des Finanzausschusses (Drucksachen IV/1047, zu IV/1047) — Zweite und dritte Beratung — 3051 B II Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 66. und 67. Sitzung. Bonn, Freitag, den 15. März 1963 Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Mineralölsteuergesetzes (Drucksache IV/1021); Mündlicher Bericht des Finanzausschusses (Drucksache IV/1069) — Zweite und dritte Beratung — . . . . 3052 A Entwurf eines Gesetzes zur Förderung eines freiwilligen sozialen Jahres (CDU/CSU, FDP) (Drucksache IV/986) — Erste Beratung — 3052 C Nächste Sitzung 3052 D Anlagen 3053 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 66. und 67. Sitzung. Bonn, Freitag, den 15. März 1963 3025 66. Sitzung Bonn, den 15. März 1963 Stenographischer Bericht Beginn: 9.01 Uhr
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    *) Siehe Anlage 7 **) Siehe Anlagen 8, 9 und 10 Deutscher Bundestag - 4. Wahlperiode - 66. und 67. Sitzung. Bonn, Freitag, den 15. März 1963 3053 Anlage 1 Liste der beurlaubten Abgeordneten Abgeordnete (r) beurlaubt bis einschließlich Dr Arndt (Berlin) 16. 3. Dr. Dr. h. c. Baade 31. 3. Dr. Bechert 15.3. Frau Berger-Heise 15. 3. Bergmann* 15.3. Frau Beyer (Frankfurt) 15. 3. Blachstein 15. 3. Blöcker 15.3. Frau Blohm 15.3. Burgemeister 15. 3. Cramer 15. 3. Dr. Dittrich 15. 3. Dr. Dörinkel 15.3. Drachsler 15. 3. Dr. Dr. h. c. Dresbach 31. 3. Frau Eilers 15.3. Erler 23. 3. Etzel 15. 3. Even (Köln) 15.3. Figgen 20.4. Franke 15. 3. Dr. Frede 20.4. Frehsee 16. 3. Dr. Frey (Bonn) 31. 3. Funk (Neuses am Sand) 31.3. Gaßmann 5. 4. Gehring 15.3. Gerns 15.3. Dr. Gleissner 15.3. Dr. Gradl 15.3. Freiherr zu Guttenberg 31. 3. Hahn (Bielefeld)* 15.3. Hammersen 15.3. Hauffe 16.3. Hellenbrock 31.3. Dr. Hellige 20.4. Dr. Hesberg 15. 3. Horn 15.3. Jaksch 26.4. Kalbitzer 15. 3. Katzer 31.3. Frau Kipp-Kaule 15. 3. Dr. Klein (Berlin) 15. 3. Dr. Knorr 4. 4. Dr. Kreyssig* 15. 3. Kriedemann 15. 3. Kühn (Hildesheim) 15.3. Kurlbaum 15. 3. Lenz (Brühl) 15.3. Lenze (Attendorn) 15. 3. Lermer 16. 3. Liehr 15.3. Lohmar 30.4. Dr. Löhr 15.3. Dr. Luda 15. 3. Margulies* 15. 3. Für die Teilnahme an Sitzungen des Europäischen Parlaments Anlagen zum Stenographischen Bericht Abgeordnete (r) beurlaubt bis einschließlich Mattick 15. 3. Mauk 15. 3. Meis 23. 3. Dr. Mende 15.3. Dr. h. c. Menne (Frankfurt) 15. 3. Metzger 15. 3. Müller (Berlin) 31. 3. Müller (Nordenham) 15. 3. Müller (Worms) 15. 3. Oetzel 30. 3. Ollenhauer 15.3. Frau Dr. Pannhoff 31. 3. Dr. Pflaumbaum 15.3. Rademacher* 15. 3. Dr. Rieger (Köln) 27. 3. Rohde 15. 3. Schlick 15. 3. Dr. Schmid (Frankfurt) 15.3. Schultz 15. 3. Dr. Schwörer 15.3. Dr. Seffrin 15.3. Seither 25. 3. Dr. Serres 23.3. Seuffert 15. 3. Storch* 15.3. Strauß 18. 3. Strohmayr 15.3. Varelmann 15. 3. Frau Vietje 31.3. Wacher 15. 3. Wehking 15.3. Wischnewski 15. 3. Wittmer-Eigenbrodt 30. 4. Anlage 2 Umdruck 220 Änderungsantrag der Fraktionen der CDU/CSU, FDP zur zweiten. Beratung des von den Abgeordneten Etzel, Brand, Dr. Schmidt (Wuppertal), Wacher, Dr. Imle und den Fraktionen der CDU/CSU, FDP eingebrachten Entwurfs eines Zwölften Gesetzes zur Änderung des Umsatzsteuergesetzes (Drucksachen IV /661 [neu], IV/ 1047). Der Bundestag wolle beschließen: 1. Zu Artikel 1 Nr. 2 a) In Absatz 5 Nr. 1 des § 7 werden die Worte „sowie von Milch und Rahm, haltbar gemacht, eingedickt oder gezuckert," gestrichen. b) In der Anlage 3 zu § 7 Abs. 5 Nr. 2 werden gestrichen: a) „01.03 Schweine, lebend" b) „aus 04.01 Milch und Rahm, frisch, weder eingedickt noch gezuckert, soweit nicht der Steuersatz von 1,5 v. H. gilt, z. B. Rahm, Molke, saure Milch, Kefir, Joghurt". 3054 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 66. und 67. Sitzung. Bonn, Freitag, den 15. März 1963 c) In Absatz 5 Nr. 2 des § 7 werden die Worte „und Milcherzeugnisse" gestrichen. d) In der Anlage 4 zu § 7 Abs. 5 Nr. 3 wird „01.02 Rinder (einschließlich Büffel), lebend" gestrichen. 2. Der bisherige Wortlaut ,des Artikels 2 erhält die Bezeichnung Absatz 1. Folgender Absatz 2 wind angefügt: „(2) Soweit für die Gegenstände der Anlagen 5 und 6 zu § 7 Abs. 6 des Gesetzes die Ausgleichsteuer gegenüber dem bisherigen Stand erhöht wird, tritt die Erhöhung drei Jahre nach dem Inkrafttreten dieses Gesetzes außer Kraft." Bonn, den 14. März 1963 Struve und Fraktion Freiherr von Kühlmann-Stumm und Fraktion Anlage 3 Umdruck 222 Änderungsantrag der Abgeordneten MüllerHermann, Dr. Löbe, Hansing, Lenz (Bremerhaven), Seifriz zur zweiten Beratung des von den Abgeordneten Etzel, Brand, Dr. Schmidt (Wuppertal), Wacher, Dr. Imle und den Fraktionen der CDU/CSU, FDP eingebrachten Entwurfs eines Zwölften Gesetzes zur Änderung des Umsatzsteuergesetzes (Drucksachen IV/ 661 [neu], IV/ 1047). Der Bundestag wolle beschließen: In Artikel 1 Nr. 2 wird in Absatz 5 die Nr. 5 gestrichen. Bonn, den 14. März 1963 Müller-Hermann Dr. Löbe Hansing Lenz (Bremerhaven) Seifriz Anlage 4 Schriftliche Erklärung der Abgeordneten Müller-Hermann, Dr. Löbe, Hansing, Lenz, Seifriz zu dem zur 2. Lesung des Entwurfs eines Zwölften Gesetzes zur Änderung des Umsatzsteuergesetzes — Drucksachen IV /661 (neu), IV/ 1047, zu IV/ 1047 — gestellten Antrages auf Umdruck 222. Die unterzeichneten Abgeordneten verzichten auf die Einbringung ihres im Umdruck 222 vorgelegten Antrages, in Art. 1 Nr. 2 die Nr. 5 in Absatz 5 zu streichen. Sie halten jedoch ihre Bedenken gegen eine Herabsetzung der Umsatzausgleichsteuer für Wollkammzüge von 4 % auf 1 % aufrecht, wie sie die EWG-Kommission von der Bundesregierung verlangt hat. Solange innerhalb der EWG eine Harmonisierung der Steuerpolitik unter Berücksichtigung sowohl der direkten als auch der indirekten Steuern nicht erreicht worden ist, muß die verlangte Maßnahme zu einer weiteren Verzerrung der Wettbewerbsbedingungen im EWG-Bereich führen. Der abrupte Abbau der gegenwärtigen Umsatzausgleichsteuer für Wollkammzüge widerspricht außerdem dem Inhalt des EWG-Vertrages, der eine harmonische Angleichung der Wettbewerbsverhältnisse anstrebt. Müller-Hermann Stefan Seifriz Hermann Hansing W. Lenz Dr. Löbe Anlage 5 Umdruck 221 Entschließungsantrag der Fraktionen der CDU/ CSU, FDP zur dritten Beratung des von den Abgeordneten Etzel, Brand, Dr. Schmidt (Wuppertal), Wacher, Dr. Imle und den Fraktionen der CDU/CSU, FDP eingebrachten Entwurfs eines Zwölften Gesetzes zur Änderung des Umsatzsteuergesetzes (Drucksachen IV/ 661 [neu], IV/ 1047). Der Bundestag wolle beschließen: Die Gründe für die Erhebung einer Umsatzausgleichsteuer bei der Einfuhr sind die gleichen wie für die Ausfuhrvergütung. Der Bundestag ist daher der Auffassung, daß ebenso wie bei der Umsatzausgleichsteuer eine Überprüfung und Korrektur der Sätze für die Ausfuhrvergütung erforderlich sind, zumal in verschiedenen Wirtschaftsbereichen die Veränderungen der Umsatzausgleichsteuer Rückwirkungen auf die Höhe der Umsatzsteuervorbelastung in der Exportindustrie hat. Die Bundesregierung wird daher ersucht, die Liste der Ausfuhrvergütungspositionen anhand der tatsächlichen Umsatzsteuervorbelastung zu überprüfen und im Bundestag Korrekturen vorzunehmen. Dabei wird der Zeitpunkt des Inkrafttretens mit dem Inkrafttreten der neuen Sätze bei der Umsatzausgleichsteuer abzustimmen sein. Bonn, den 14. März 1963 Dr. von Brentano und Fraktion Frau Funcke (Hagen) Freiherr von Kühlmann-Stumm und Fraktion Anlage 6 Schriftliche Ausführungen des Abgeordneten Dr. Stecker für den Finanzausschuß zu dem Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Mineralölsteuergesetzes (Drucksachen IV/ 1021, IV/ 1069). Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 66. und 67. Sitzung. Bonn, Freitag, den 15. März 1963 3055 Der Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Mineralölsteuergesetzes — Drucksache IV/ 1021 — wurde von der Bundesregierung am 28. Februar 1963 dem Bundestag zugestellt, der ihn in seiner 63. Plenarsitzung am 8. März 1963 in erster Lesung ohne Aussprache an den Finanzausschuß — federführend — und an den Wirtschaftsausschuß zur Mitberatung überwies. .Beide Ausschüsse berieten und verabschiedeten die Vorlage in getrennten Sitzungen am 13. März 1963. Bei den Beratungen im Ausschuß war die Verlängerung der Geltungsdauer der Steuersätze für Heizöl als solche nicht streitig. Die Erörterungen gingen vielmehr .darum, ob entsprechend der Regierungsvorlage die bisherigen Sätze unverändert fünf Jahre lang fortgelten sollen oder ob eine Degression eingebaut werden soll. Die Befürworter der gleichbleibenden Steuersätze beriefen sich darauf, daß mit ihrer Konzeption der energiepolitische Zweck des Gesetzes, nämlich der Kohle die Möglichkeit einer stetigen Anpassung an die in 'ihrer Struktur veränderte Energie-Marktlage zu geben, am besten erreicht werden könne und das zu erwartende Aufkommen aus der Steuer auch notwendig sei, um den für den Bund zu erwartenden Aufwand zu decken. Die Befürworter einer Degression legten besonderen Wert darauf, im Gesetz sichtbar zu machen, daß es sich bei der Erhebung der Heizölsteuer um eine vorübergehende Anpassungsmaßnahme handele, .die aus volkswirtschaftlichen Gründen nicht eines Tages zu einer Dauereinrichtung als allgemeines Deckungsmittel für den Bundeshaushalt werden dürfe. Bei der Abstimmung wurde ein auf den Bundesrat zurückgehender Antrag abgelehnt, der für zwei Jahre gleichbleibende und für weitere drei Jahre nach unten gestaffelte Steuersätze vorsieht. Angenommen wurde dagegen mit Mehrheit ein zwischen den Vorschlägen der Bundesregierung und des Bundesrates vermittelnder Antrag. Er sieht für vier Jahre gleichbleibende Steuersätze und für weitere zwei Jahre die Hälfte der Ausgangssätze vor. Dieser Form des Gesetzes hat auch der Wirtschaftsausschuß einstimmig seine Zustimmung gegeben. Im übrigen soll es nach dem Willen des Ausschusses bei der Regierungsvorlage bleiben. Ein Antrag, den Art. 3 zu streichen, der der Bundesregierung das Recht gibt, den Steuersatz aus gesamtwirtschaftlichen Gründen zu verändern, wurde abgelehnt. Der Ausschuß stellte ausdrücklich und einhellig klar, daß das Aufkommen aus der Heizölsteuer keineswegs nur der Kohle selbst zukommen solle, sondern wie bisher schon nach Maßgabe des Haushaltsplanes auch dazu dienen solle, in allen Teilen der Bundesrepublik, also auch den revierfernen, die energiewirtschaftlichen Verhältnisse zu verbessern. Es handele sich also auch nicht um eine irgendwie geartete Finanzausgleichsmaßnahme zugunsten bestimmter Länder. Anlage 7 Umdruck 224 Entschließungsantrag der Abgeordneten Kurlbaum, Memmel, Regling, Weinzierl, Ruf, Hörauf, Dr. Kempfler und Genossen zur dritten Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Mineralölsteuergesetzes (Drucksachen IV/ 1021, IV/ 1069). Der Bundestag wolle beschließen: Die Bundesregierung wird ersucht, dem Bundestag alsbald Maßnahmen vorzuschlagen, die geeignet sind, die Energiekosten innerhalb der Bundesrepublik besser als bisher aneinander anzugleichen, um dadurch die Wettbewerbslage der Unternehmen in den revierfernen Gebieten zu verbessern und die Kosten der dort ansässigen Bevölkerung für Heizungszwecke zu vermindern. Bonn, den 15. März 1963 Kurlbaum Memmel Regling Weinzierl Ruf Hörauf Dr. Kempfler Dr. Hauser Leukert Maier (Mannheim) Mertes Leonhard Bühler Glüsing Gedat Lang (München) Hilbert Klinker Hörnemann Dr. Zimmermann (München) Kohlberger Dr. Burgbacher Struve Müller-Hermann Bauknecht Dr. Czaja Goldhagen Dr. Artzinger Dr. h. c. Güde Bieringer Biechele Frau Dr. Kuchtner Vogt Frau Jacobi (Marl) Stooß Adorno Berberich Dr. Brenck Bauer (Wasserburg) Seidl (München) Bals Krug Dr. Winter Stiller Seifriz Hansing Dr. Tamblé Diekmann Lange (Essen) Porzner Bading Frau Beyer (Frankfurt) Ravens Haase (Kellinghusen) Busch Ertl Unertl Marx Fritsch Höhne Folger Anlage 8 Schriftliche Begründung der Abgeordneten Frau Pitz-Savelsberg zu dem von den Fraktionen der CDU/CSU, FDP eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Förderung eines freiwilligen sozialen Jahres (Drucksache IV/ 986). 3056 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 66. und 67. Sitzung. Bonn, Freitag, den 15. März 1963 Das Gesetz über die Förderung eines freiwilligen sozialen Jahres stellt den sozialen Dienst der Jugend der Berufsausbildung gleich. Das bedeutet, daß während der Zeit eines solchen Dienstes, der in den Einzelbestimmungen des Gesetzes näher beschrieben ist, alle gesetzlichen Leistungen für Kinder, u. a. Kindergeld, Kinderzuschlag zum Beamtengehalt, Waisenrenten und Steuervergünstigungen, zwischen dem 18. und 25. Lebensjahr weitergewährt werden. Verzögert ein solcher Dienst die Berufsausbildung über das 25. Lebensjahr hinaus, so erfolgt die Weitergewährung auch für diese Zeit, nicht länger allerdings als für ein Jahr. Die im freiwilligen sozialen Dienst verbrachte Zeit wird bis zur Dauer von einem Jahr auf die ruhegehaltfähige Dienstzeit im Sinne des Bundesbeamtengesetzes und des Bundesbeamtenrechtsrahmengesetze.s angerechnet und gilt als Anrechnungszeit im Sinne des Bundesbesoldungsgesetzes. Sie ist anrechnungsfähig in der Angestellten- und in der Arbeiterrentenversicherung. Zeiten, die vor dem 17. Lebensjahr liegen, werden nicht angerechnet. Schließlich sind im Gesetz Beurlaubungsmöglichkeiten für Beamte auf Probe vorgesehen zur Ableistung eines freiwilligen sozialen Jahres. Die Gleichstellung des freiwilligen sozialen Jahres mit der Berufsausbildung ist aus folgenden Gründen notwendig. Nach geltendem Recht wird der Sozialdienst wie Erwerbsarbeit behandelt mit der Folge der vollen Anrechnung der Bezüge aus diesem Dienst auf die Versorgungsbezüge für Kinder und auf Steuervorteile. Ein Kind, das einen Sozialdienst leistet, gilt als versorgt und zählt nicht mehr mit bei den von der Familie überwiegend unterhaltenen Kindern. Das führt zu den in den folgenden Beispielen dargelegten Folgen: Beispiel 1: Da das älteste Kind einer Familie in einen Sozialdienst eintritt, entfällt für das dritte Kind das Kindergeld. Alle drei Kinder verlieren die Fahrpreisermäßigung auf der Bundesbahn, die kinderreichen Familien zusteht. Beispiel 2: Ein Versorgungsamt fragt an, ob die Tochter H. der Kriegerwitwe B. den sozialen Dienst, den sie eben ableiste, als praktischen Teil einer Ausbildung zu einem sozialen Beruf brauche. In diesem Fall könne die Rente während der Zeit des Dienstes weitergezahlt werden, nicht aber, wenn dieser Dienst keinen Zusammenhang mit der Berufsausbildung habe. Da das Mädchen wahrheitsgemäß angab, es wolle Lehrerin werden, wurde die Rentenzahlung eingestellt und wurden die bereits zu Unrecht bezogenen Beträge zurückgefordert. Beispiel 3: Das dritte Kind einer Familie geht nach dem Abitur in einen Sozialdienst. Es zählt nicht mehr mit unter den von der Familie überwiegend zu unterhaltenden Kindern, mit der Folge, daß die beiden älteren Geschwister, die aus dem Honnefer Modell gefördert werden, eine wesentliche Einbuße in der Förderung erleiden. Diese Benachteiligungen des freiwilligen sozialen Dienstes sind unvertretbar. Entstanden ist der freiwillige soziale Dienst aus dem Gedanken der Hilfeleistung der Jugend in einer Notlage, die durch das ständige Sinken der Zahl der Pflegekräfte und der Haushaltshilfen bedingt ist. Der Mangel an. helfenden Kräften führte zu immer wiederholten Aufrufen 'der Verbände der freien Wohlfahrtspflege und der Jugendverbände an die Jugend, einen Teil ihrer Freizeit für den Dienst am Nächsten zur Verfügung zu stellen. Diese Aufrufe fanden ein anerkennenswertes Echo. Die uneigennützige Hilfsbereitschaft, mit der die Jugend die opfervollen Dienste übernahm, oft unter Verzicht auf gute Verdienstmöglichkeiten in ihren Berufen, muß von dieser Stelle ausdrücklich anerkennend hervorgehoben werden. Wer behauptet, daß in einer Welt der Leistung und Gegenleistung, des Gewinnstrebens um jeden Preis, der Impuls des Helfenwollens verlorengegangen sei und daß es zwecklos sei, ihn auf dem Weg über den freiwilligen sozialen Dienst wieder beleben zu wollen, der wird durch diese Jugend eindeutig widerlegt. Die Leistung der Jugend ist aber mehr als ein Akt privater Caritas; es ist ein Dienst, der der Gesellschaft selbst geleistet wird. Da sich aber nur ein Teil der Jugend an diesem Dienst gegenüber dem Ganzen beteiligt, muß diesem Teil eine besondere Würdigung zukommen. Hier kann man nicht mit Heller und Pfennigen werten. Hier kommt es nur noch auf eine ideelle Bewertung an. Deshalb verleiht 'dieses Gesetz dem freiwilligen sozialen Dienst den Rang der Berufsausbildung. Der freiwillige soziale Dienst ist keine Angelegenheit des Arbeitsmarktes. Neben der praktischen Hilfeleistung als solcher darf ein wesentlicher innerer Grund nicht übersehen werden, der dieses Gesetz rechtfertigt. Es ist der erzieherische Wert für den jungen Menschen selbst. Er gewinnt Kenntnisse, die ihm im Leben nützen, menschliche Erfahrungen und innere Reife. Die unmittelbar mit der Not des Mitmenschen befaßte Jugend wird in eindringlicher Weise darauf hingewiesen, daß auch in einem geordneten Gemeinwesen, in einem ganzen System von Sicherheiten für alle Lebenslagen doch oft weite Bereiche ungesichert bleiben und daß menschliche Not letztlich nur durch persönlichen menschlichen Einsatz gelindert werden kann. Die beste Erfahrung, die junge Menschen aus solchen Diensten mitnehmen, ist das Bewußtsein, daß man sie und ihre Hilfeleistung braucht. Um des großen erzieherischen Gewinns willen sollte man allen jungen Menschen die Möglichkeit bieten, sich vorübergehend 'der praktischen Sozialarbeit zu widmen. Wenn auch der freiwillige soziale Dienst die große Lücke im Bereich der beruflichen Arbeit nicht füllen kann, so ist doch eines sicher, daß nämlich viele Jugendliche durch das Befaßtsein mit praktischer Sozialarbeit auch Interesse an einer sozialen Berufsarbeit gewinnen werden. Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode --- 66. und 67. Sitzung. Bonn, Freitag, den 15. März 1963 3057 Wie sieht der freiwillige soziale Dienst aus, für den die Wirkungen dieses Gesetzes gelten? Soziale Dienste werden in vielerlei Form geleistet, angefangen bei gelegentlichem Sonntagsnachmittagsdienst über Feriendienste zum vollen Jahresdienst. Der volle Jahresdienst — ausnahmsweise kann es auch ein Dienst von mindestens sechs Monaten sein — ist der Dienst im Sinne dieses Gesetzes. Er kann von Jugendlichen beider Geschlechter geleistet werden. Der Dienst muß eine geschlossene Maßnahme darstellen, er kann nicht die Summe von etlichen kurzfristigen Tätigkeiten sein. Ausdrücklich muß gesagt werden, daß der freiwillige soziale Dienst durch dieses Gesetz nicht eingeführt wird. Der Gesetzgeber setzt ihn so voraus, wie er von den Trägern bisher entwickelt worden ist, und läßt ihn in seinem Wesen unangetastet. Er stellt ihn in den einzelnen Bestimmungen nur dar. Er begrenzt die Wirkungen dieses Gesetzes auf Dienste, die in der Zeit zwischen dem 17. und dem 25. Lebensjahr geleistet werden. Mit der Festlegung der untersten Grenze bei .17 Jahren wird verhindert, daß das freiwillige soziale Jahr in andere Einrichtungen wie hauswirtschaftliche Lehre oder Pflegevorschule hineinwirkt, die in der Regel jüngeren Mädchen offen sind. Die obere Grenze von 25 Jahren kann überschritten werden in Fällen, in denen ein sozialer Dienst über das 25. Lebensjahr hinaus dauert, er kann aber nicht mehr nach dem 25. Lebensjahr mit den Wirkungen dieses Gesetzes begonnen werden. Ein wesentliches Merkmal des Dienstes ist die Freiwilligkeit. Ein Zwang ist mit dem inneren Wesen jeder karitativen Arbeit unvereinbar. Vor jeder Zwangsmaßnahme stünde auch der Riegel des Grundgesetzes. Ein Pflichtjahr muß deshalb außer Betracht bleiben. Es scheitert auch an der praktischen Durchführbarkeit. Wenn man den Entlaßjahrgang nur der Mädchen für 1962 zugrunde legte und auf je 25 nur eine Betreuungskraft rechnete — was nach allen Erfahrungen zu wenig wäre —, brauchte man 16 000 qualifizierte sozial-pädagogische Betreuungskräfte. Diese sind einfach nicht vorhanden. Der Dienst erfolgt in der Regel gegen ein Taschengeld. Der Träger gewährt Unterkunft und Verpflegung. Er hat für ausreichenden Versicherungsschutz einschließlich der Unfallversicherung Sorge zu tragen. Der Dienst besteht in einer Hilfstätigkeit pflegerischer, erzieherischer oder hauswirtschaftlicher Art in Krankenanstalten, Heimen, Kindergärten und Kindertagesstätten und in Einzelhaushalten. Die Träger sind nach 'der bisherigen Praxis die in der Bundesarbeitsgemeinschaft der freien Wohlfahrtspflege zusammengeschlossenen Verbände sowie anerkannte Jugendverbände, die aber schon ihrer Zielsetzung nach für diese Aufgabe geeignet sind. Das Gesetz erschließt auch den Gebietskörperschaften die Einrichtung sozialer Dienste. Zwar ist nicht gemeint, daß jedes kommunale Krankenhaus oder jeder kommunale Kindergarten Träger sein kann. Leistungsfähige Trägergruppen werden sich aber ergeben bei sinnvollem Zusammenschluß für diese Aufgabe auf einer höheren Ebene, etwa der Ebene eines Landeskommunalverbandes. Über die im Gesetz benannten Träger hinaus kann die vom Lande bestimmte Anerkennungsbehörde weitere Träger zulassen. Die Länder schaffen die Ausführungsbestimmungen, nach denen die Anerkennung vor sich geht. Der Bundesgesetzgeber stellt zwar zwei unabdingbare Voraussetzungen für die Anerkennung der Dienste, für die die anerkannten Träger die Verantwortung übernehmen. Im i§ 2 Abs. 2 werden als Voraussetzung der Anerkennung eine geeignete pädagogische Führung und eine sachgerechte Betreuung verlangt. Die derzeitigen Pläne erfüllen diese Voraussetzungen. Sie weisen einen für alle Teilnehmer gleichen Grundausbildungslehrgang von drei bis vier Wochen aus. Danach erfolgt getrennter Einsatz in den verschiedenen Einrichtungen. In regelmäßigen Abständen werden die Jugendlichen vom Träger — etwa über ein Wochenende — zusammengerufen zum Erfahrungsaustausch und zur Nachschulung. Die Einsatzstelle steht unter ständiger Beobachtung durch den Träger. Das ist ganz besonders wichtig für den sozialen Dienst in Haushaltungen. Anstaltshaushalte werfen keine Probleme in der Hinsicht auf. Für die Durchführung der Dienste in Einzelhaushalten werden sich die Träger geeigneter Durchführungshilfen auf Ortsebene stützen müssen. Es kommt auch nicht jeder Einzelhaushalt in Frage. Das Gesetz verlangt das Vorliegen einer besonderen Lage. Die besondere Lage wird immer bei mehreren Kindern gegeben sein, ebenso bei der Landfrau oder auch bei hilfsbedürftigen alten Menschen in der eigenen Wohnung. Die Jugendlichen gehen eine Verpflichtung gegenüber dem Träger des Dienstes ein. Die Verpflichtungserklärung, die in der Regel über ein Jahr lautet, gilt als Antragsunterlage für die Fortzahlung der Leistungen für Kinder. Sie löst also die Weitergewährung der Bezüge aus. Am Ende des Dienstes stellt der Träger ein Testat aus. Nach dem Entwurf soll das Gesetz in Kraft treten am Tage nach seiner Verkündung. Aus vielen Gründen, die hier nicht erst dargelegt zu werden brauchen, muß das Gesetz mit dem Schulbeginn nach Ostern in Kraft sein oder zu diesem Termin wirksam werden. Die Länder sind aufgefordert, die Bemühungen des Bundes zur Förderung des freiwilligen sozialen Dienstes durch die eigenen zu ergänzen. Ich beantrage die Überweisung an den Ausschuß für Familien- und Jugendfragen. Anlage 9 Schriftliche Ausführungen der Abgeordneten Frau Funke zu dem von den Fraktionen der CDU/CSU, FDP eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Förderung des freiwilligen sozialen Jahres (Drucksache IV/ 986). 3058 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 66. und 67. Sitzung. Bonn, Freitag, den 15. März 1963 Wer freiwillig helfen will, soll dadurch keine persönlichen Nachteile haben, — das ist der Grundgedanke dieses Gesetzentwurfes, den die Fraktionen der CDU und FDP eingebracht haben. Es geht darum, daß diejenigen jungen Menschen, die ein Jahr ihres Lebens freiwillig und ohne Bezahlung in den Dienst des hilfsbedürftigen Nächsten stellen, während dieser Zeit nicht ihre Ansprüche auf Kindergeld, Waisenrente, Versorgung oder ihr Beamtenrecht verlieren, und daß ihnen diese Zeit später in der Altersversicherung nicht verloren geht. Bisher werden diese freiwilligen Dienste, wie sie von verschiedenen karitativen Verbänden eingerichtet und durchgeführt werden, zuerst als diakonisches Jahr, rechtlich als Erwerbstätigkeit angesehen, und dadurch entfielen für die jungen Mädchen und ihre Eltern Ansprüche und Vergünstigungen, die ihnen im Falle einer Berufsausbildung weitergewährt worden wären. Meine Fraktion ist demgegenüber der Auffassung, daß es sich bei solchem Einsatz nicht vorrangig um die Arbeitsleistung und schon gar nicht um Erwerbstätigkeit handelt, denn es wird lediglich ein Taschengeld, nicht aber Tariflohn bezahlt. Der freiwillige Dienst am Nächsten ist vielmehr ein Stück Erziehung, — Erziehung zur Gemeinschaft, Erziehung zur Hilfsbereitschaft und zum praktischen Tun, eine Erziehung dazu, Anforderungen des Volkes auch persönlich ernst zu nehmen, und eine Erziehung dazu, sich zu entscheiden und die einmal getroffene Entscheidung durchzuhalten, auch wenn ) es schwerfällt. Daß die jungen Mädchen zudem in Haus und Pflege vieles lernen können, was ihnen später als Hausfrau und Mutter nützlich sein wird, braucht kaum erwähnt zu werden. Die FDP lehnt alle Überlegungen ab, die dahin zielen, den Mangel an Pflege- und Hilfskräften in Krankenhäusern, Alters- und Kinderheimen oder Haushalten durch eine Dienstverpflichtung (Pflichtjahr) zu beheben. Aber sie befürwortet die freiwillige Entscheidung zu einem persönlichen Einsatz als ein Stück staatsbürgerlicher Praxis sehr und will daher mögliche Erschwernisse gern beseitigen. Nach dem Gesetzentwurf kann der freiwillige soziale Dienst in Krankenanstalten, Kindergärten, Kindertagesstätten, Alters- und Erholungsheimen und ähnlichen Einrichtungen oder in Familien in besonderer Lage z. B. kinderreichen Familien geleistet werden. Voraussetzung ist, daß es sich um eine nicht entgeltliche ganztägige Tätigkeit von längerer Dauer — etwa 1 Jahr — handelt. Den Trägern des Dienstes — karitative Verbände, Land oder Kommunen, Jugendverbänden usw. — wird zur Auflage gemacht, daß nicht nur eine sachgemäße Betreuung und Schutz vor Ausnutzung, sondern auch eine pädagogische Führung gewährleistet wird. Darum sind wir der Meinung, daß die Anerkennung im einzelnen und somit auch eine Kontrolle den Landesbehörden zu übertragen ist. Es wäre zu wünschen, daß durch die Beseitigung von Erschwernissen und Nachteilen die Zahl der jungen Menschen, die sich freiwillig zum Helfen entscheiden, nicht unbeträchtlich größer werden möchte. Eine Bereitschaft zum sozialen Handeln ist — das möchte ich an dieser Stelle ausdrücklich zur Ehre der heranwachsenden Generation sagen — durchaus in unserer Jugend vorhanden. Es liegt nur an uns, sie in geeigneter Weise zu aktivieren. Darum beantragen auch wir die Überweisung des Gesetzentwurfes an den Ausschuß für Familien- und Jugendfragen. Anlage 10 Schriftliche Ausführungen der Abgeordneten Frau Schanzenbach für die Fraktion der SPD zu dem von den Fraktionen der CDU/ CSU, FDP eingereichten Entwurf eines Gesetzes zur Förderung eines freiwilligen sozialen Jahres (Drucksache IV/ 986). Es besteht die Gefahr, daß (der Antrag der CDU/ CSU, FDP — Drucksache IV/ 986 —, der ein Entwurf eines Gesetzes zur Förderung eines freiwilligen sozialen Jahres ist, in der Offentlichkeit Mißverständnissen unterliegt. Es handelt sich nicht um die Einführung eines sozialen Jahres für junge Mädchen auf gesetzlicher Grundlage. Hier sollen lediglich die im Zusammenhang mit der bisherigen ehrenamtlichen Tätigkeit junger Mädchen in Krankenhäusern und anderen sozialen Einrichtungen entstandenen wirtschaftlichen Härten ausgeglichen werden. Die Einbringer des Antrages sind der Meinung, daß durch die Behebung dieser Mängel die Bereitschaft zu freiwilligen sozialen Diensten gefördert wird. Die SPD-Fraktion bejaht die freiwillige, ehrenamtliche soziale Tätigkeit. Ohne diese Hilfe für den Nächsten kann eine Demokratie nicht leben. Die in der Nachkriegszeit geleistete soziale Arbeit zur Behebung der ,außerordentlichen Notstände wäre ohne die freiwillige Hilfe vieler Frauen und Männer undenkbar gewesen. Auch heute können wir in den Gemeinden, in den Wohlfahrtsverbänden und sonstigen sozialen Einrichtungen auf die ehrenamtliche, freiwillige Mitarbeit gar nicht verzichten. Durch den besonderen Einsatz im Dienst für den Nächsten darf selbstverständlich den Helfern kein wirtschaftlicher Schaden entstehen. Die SPD-Fraktion ist gerne bereit, wirtschaftliche Einbußen, die durch freiwilligen Einsatz entstehen, abbauen zu helfen. Deshalb werden wir an dem vorgelegten Gesetzentwurf mitarbeiten. Wir möchten aber zum Ausdruck bringen, daß wir im Zusammenhang mit diesem Antrag einige Bedenken haben, auf die wir deutlich hinweisen wollen. Einzelpersonen und Verbände haben wegen des Mangels an Pflegepersonal für Krankenhäuser, Altersheime, Kinderheime und für Haushalte die Einführung eines Pflichtjahres für Mädchen gefordert. Die Forderungen werden etwa folgendermaßen begründet: „Ein Pflichtjahr, aber ohne politische oder militärische Vorzeichen, mit Wahlmöglichkeiten, tarifgemäßer Bezahlung und Garantie für die Erhaltung des Arbeitsplatzes". Evangelische Frauen fordern ein Gesetz, „das ihren Töchtern ein Kampfjahr gegen die Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 66. und 67. Sitzung. Bonn, Freitag, den 15. März 1963 3059 Not der Hilflosen auferlegt. Ein Jurist fordert die gesetzliche Einführung eines sogenannten Familienjahres, um in Anpassung an den Wandel der gesellschaftlichen Struktur die Mädchen auf den künftigen Familienhaushalt vorzubereiten. Professor Thielicke meinte, daß analog der militärischen Dienstpflicht für die männlichen Jugendlichen ein pflegerisches Dienstjahr für die weibliche Jugend eingeführt werden sollte. Die Einbringer des Antrags lehnen zwar ein Pflichtjahr ab, aber nachdem das Pflichtjahr der Vergangenheit oder eine ähnliche Einrichtung immer noch von Interessenten für wünschbar gehalten wird, muß mit allem Nachdruck festgestellt werden, daß die SPD-Fraktion die Einführung eines Pflichtjahres ablehnen wird. Das Grundgesetz verbietet ein Pflichtjahr, und da eine Grundgesetzänderung nur mit den Stimmen der SPD-Fraktion möglich ist, haben wir hierin die beste Gewähr, daß eine diesbezügliche Änderung nicht vorgenommen werden wird. Es ist eine Illusion, zu glauben, daß der Mangel an Pflegerinnen und hauswirtschaftlichen Kräften durch die Einführung eines freiwilligen sozialen Jahres oder eines Pflichtjahres behoben werden kann. Das meinen die Antragsteller gewiß nicht, aber in der Öffentlichkeit könnte dieser Eindruck entstehen. Der Mangel an Pflegekräften hat verschiedene Ursachen, denen unbedingt nachgegangen werden muß, wenn dem Notstand abgeholfen werden soll. Das Heilmittel in einer gesetzlich festgelegten Dienstverpflichtung junger Mädchen zu sehen, beweist die Unkenntnis des tatsächlichen Sachverhalts. Der Mangel an Pflegekräften und hauswirtschaftlichen Hilfen ist nicht allein die Folge unserer wirtschaftlichen Entwicklung, der sozialen Umstrukturierung und der Kriegsauswirkungen. Die Mängel sind ganz wesentlich darin begründet, daß nichts oder zu wenig oder zu spät getan wurde, um die Berufsnotstände gerade dieser Berufszweige zu beseitigen. Die Ausbildung und die Arbeitsbedingungen in den sozialen, pflegerischen und hauswirtschaftlichen Berufen entsprechen noch zu einem großen Teil dem Dienstverhältnis des vorigen Jahrhunderts. Nur wenn diese Berufe modern ausgestattet werden mit einem freien Arbeitsvertrag, mit einer ordentlichen Unterbringung, mit einer guten Bezahlung, werden diese Mangelberufe von den jungen Mädchen im größeren Umfange wieder ergriffen. Der in dem Gesetzentwurf angesprochene freiwillige soziale Dienst stellt den sozialen Einrichtungen nur unausgebildete Kräfte zur Verfügung. Mit dem Einsatz ungelernter Arbeitskräfte wird weder der Mangel an Fachkräften in den Krankenanstalten noch in den Haushalten behoben. Es wäre eine große Chance für die Gesundheitsministerin gewesen, wenn sie der Frage, weshalb der große Mangel an Pflegekräften vorhanden ist, nachgegangen wäre und eine Konzeption entwickelt hätte, wie diese Not mit den modernen Mitteln unserer Gesellschaft und Wirtschaft behoben werden könnte. Mit dem vorliegenden Entwurf wird lediglich eine wirtschaftliche Frage behandelt. Am eigentlichen Problem geht er vorbei. Anlage 11 Schriftliche Antwort der Frau Bundesminister Dr. Schwarzhaupt vom 11. März 1963 auf die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Dr. Kohut Drucksache IV/ 1019, Frage XIII/ 1 Wie viele Leprakranke gibt es in der Bundesrepublik? Nach Mitteilung des Bundesgesundheitsamtes sind in der Bundesrepublik 12 Leprakranke gemeldet. 8 Personen, die zur Zeit nicht ansteckend sind, werden von Fachärzten aus Spezialkliniken laufend beobachtet; 4 Personen sind in stationärer Behandlung. Anlage 12 Schriftliche Antwort des Herrn Staatssekretärs Dr. Carstens vom 14. März 1963 auf die Mündliche Anfrage der Abgeordneten Frau Dr. Hubert Drucksache IV/ 1022, Frage I Welches ist der Stand der Ratifizierung des Europäischen Übereinkommens vom 28. April 1960 über die vorübergehende zollfreie Einfuhr von medizinischem, chirurgischem und Laboratoriumsmaterial, dessen sachliche Prüfung durch die beteiligten Bundesministerien nach Auskunft des Bundesaußenministers vom 29. November 1961 — Drucksache IV/ 40 — in Kürze abgeschlossen werden sollte? Ich darf im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Gesundheitswesen zu Ihrer Frage wie folgt Stellung nehmen: Die sachliche Prüfung des -Übereinkommens durch die beteiligten Bundesressorts ist abgeschlossen. Nach dem Ergebnis dieser sachlichen Prüfung steht der Ratifizierung des Übereinkommens nichts entgegen. Es sind lediglich Schwierigkeiten rechtsförmlicher Art, die bislang eine Hinterlegung der Ratifizierungsurkunde verzögert haben. Die mit dem Übereinkommen bezweckte Zollbefreiung wird dadurch jedoch nicht beeinflußt. Das Übereinkommen wird nämlich schon in der Praxis angewendet. Dies ist dadurch möglich, daß ,die in dem Übereinkommen vorgesehenen Abgabenbefreiungen von der Bundesrepublik auf Grund des § 24 Abs. 1 Nr. 4 des am 1. Januar 1962 in Kraft getretenen Zollgesetzes vom 14. Juni 1961 in Verbindung mit den §§ 64, 117 bis 125 der Allgemeinen Zollordnung vom 29. November 1961 und nach den Verbrauchssteuergesetzen gewährt werden können.
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Erwin Schoettle


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Damit sind die beiden Gesetzentwürfe begründet. Ich eröffne die Aussprache und erteile Herrn Minister Dr. Filbinger — Baden-Württemberg — als Mitglied des Bundesrates das Wort.
    Dr. Filbinger, Innenminister des Landes BadenWürttemberg: Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Gestatten Sie mir eine Äußerung zu den vorliegenden Entwürfen. Diejenigen Mitglieder dieses Hohen Hauses, die schon in der ersten Wahlperiode dem Bundestag angehörten, werden sich noch der lebhaften Debatten erinnern, die im Jahre 1951 über die Neugliederung im Südwestraum stattgefunden haben.
    Damals war dieser Raum durch die Besatzungsmächte in drei Teile geteilt. Die früheren Länder Baden und Württemberg waren in unnatürlicher Weise jeweils in einen nördlichen und einen südlichen Teil zerrissen worden. Die südlichen Teile blieben unter sich getrennt, und es entstanden dort zwei Länder: Baden — gleich Südbaden — und Südwürttemberg-Hohenzollern. Dagegen vereinigten sich die nördlichen Landesteile bald zum Land Württemberg-Baden.
    Bei dieser Dreiteilung konnte es nicht bleiben. Darüber bestand allseits Übereinstimmung. Die Frage war, ob die alten Länder Baden und Württemberg wiederhergestellt werden sollten oder ob der ganze Raum zu einem einheitlichen Staatswesen zusammengefaßt werden sollte. Der Gedanke eines derartigen Zusammenschlusses war nicht neu. Er war auch schon in der Zeit nach dem ersten Weltkrieg erwogen worden. Art. 118 des Grundgesetzes ermöglichte es, diese Frage durch eine Vereinbarung der beteiligten Länder ohne Einschaltung des Bundesgesetzgebers zu lösen. Aber eine derartige Vereinbarung kam nicht zustande, und damit ergab sich für den Bundestag die Verpflichtung, die Neugliederung durch Bundesgesetz vorzunehmen.
    Im Zweiten Neugliederungsgesetz vom Mai 1951 teilte er das ganze Gebiet in vier Abstimmungsbezirke ein, nämlich Nordbaden, Nordwürttemberg, Südbaden und Südwürttemberg einschließlich Hohenzollern. Die Bildung des Südweststaates sollte beim Zustandekommen einer Mehrheit für den Zusammenschluß im ganzen Abstimmungsgebiet und in drei der vier Abstimmungsbezirke erfolgen, Andernfalls sollten die alten Länder Baden und Württemberg wiederhergestellt werden. Das Bundesverfassungsgericht hat dieses Verfahren als verfassungsrechtlich gültig bestätigt.
    Die Abstimmung fand im September 1951 statt. Sie ergab die Bildung des Südweststaates mit der erforderlichen Mehrheit. Nur im Abstimmungsbezirk Südbaden ergab sich eine Mehrheit für die Wiederherstellung des Landes Baden. Hätte man allerdings die in den Abstimmungsbezirken Südbaden und Nordbaden abgegebenen Stimmen zusammengezählt, so hätte sich im früheren Land Baden keine Mehrheit für den Südweststaat ergeben.
    Die Neugliederungsmaßnahmen des Bundes auf Grund des Art. 118 des Grundgesetzes waren damit abgeschlossen, und Art. 118 war für die Zukunft verbraucht. Es war nur noch die Frage, ob das Land Baden-Württemberg auch in das Verfahren nach Art. 29 des Grundgesetzes einzubeziehen sei. Diese und nur diese Frage wurde vom Bundesverfassungsgericht in dem Urteil vom Jahre 1956 bejaht. Mehr als diese Frage hatte das Bundesverfassungsgericht
    3034 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 66. und 67. Sitzung. Bonn, Freitag, den 15. März 1963
    Minister Dr. Filbinger
    in seinem Urteil nicht zu entscheiden. Es hatte insbesondere nicht darüber zu entscheiden, welches Verfahren bei Anwendung des Art. 29 anzuwenden sei. Das Bundesverfassungsgericht ließ, da es Art. 29 für anwendbar hält, ein Volksbegehren auf Wiederherstellung des Landes Baden zu. Dieses Begehren hatte bekanntlich Erfolg, und das bedeutet, daß der Bundesgesetzgeber nun eine Bestimmung über das Schicksal der badischen Landesteile zu treffen hat. Das, meine Damen und Herren, ist der Auftrag, dem der Gesetzentwurf Genüge tun muß, nicht mehr und nicht weniger.
    Nachdem feststand, daß Baden-Württemberg in die weitere Neugliederung einbezogen bleibt, bemühte sich die Landesregierung darum, eine baldige Entscheidung des Bundesgesetzgebers zu erreichen. Sie hat in den zurückliegenden Jahren große Anstrengungen gemacht, um eine Abstimmung in den badischen Landesteilen über das Schicksal dieser Gebiete herbeizuführen. Sie will eine endgültige Bereinigung, und sie will, daß das Land seinen inneren Frieden behält.
    In ihren Bemühungen wurde die Regierung durch den Landtag unterstützt. Am 24. Februar 1961 legte Ministerpräsident Kiesinger das gesamte Problem dem Landtag eingehend dar und sprach sich für die Verabschiedung eines Bundesgesetzes zur Herbeiführung einer Abstimmung in Baden aus, sei es über Art. 29, sei es über eine Änderung des Grundgesetzes. Dieser Erklärung hat der Landtag in namentlicher Abstimmung ohne Stimmenthaltung einmütig zugestimmt. Nach der Landtagsdebatte setzten der Ministerpräsident und die Landesregierung ihre Bemühungen fort, eine Entscheidung des Bundesgesetzgebers herbeizuführen. Der Ministerpräsident trat insbesondere wiederholt an den Herrn Bundeskanzler und an den Herrn Bundesinnenminister heran, um die Vorlage eines Gesetzentwurfs zu erreichen. Mit diesen Schritten beim Bund gingen zahlreiche Verhandlungen im Land einher, die den Zweck hatten, die Meinungen weiter abzuklären.
    Meine sehr verehrten Damen und Herren, das Neugliederungsverfahren im Südwestraum ist im Laufe seiner Entwicklung zu einem juristischen Dikkicht geworden, in dem sich nur noch Eingeweihte restlos auskennen. Darüber darf aber die einfache Tatsache nicht verdunkelt werden, daß es sich im Kern um eine politische Entscheidung des Bundesgesetzgebers handelt.

    (Abg. Dr. h. c. Dr.-Ing. E. h. Möller: Sehr richtig!)

    und zwar darüber, ob das Land Baden-Württemberg, nachdem es mehr als 10 Jahre besteht und sich bewährt hat, weiterbestehen oder aufgelöst werden soll. Nicht die Abstimmung der Bevölkerung, sondern der Bundesgesetzgeber hat diese Entscheidung zu treffen, und zwar in einem Ersten Gesetz zur Neugliederung des Bundesgebietes gemäß Art. 29 des Grundgesetzes, dessen Entwurf Ihnen vorliegt. Über dieses Gesetz findet alsdann ein Volksentscheid statt.
    Offensichtlich würde es der Vernunft und den Forderungen des Art. 29 des Grundgesetzes widersprechen, dieses Land wieder zu zerreißen. Dagegen spricht die landsmannschaftliche Verbundenheit der Bevölkerung dieses Raumes; dagegen sprechen die geschichtlichen und kulturellen Zusammenhänge und das Vorhandensein einer gemeinsamen alten Kultur im ganzen südwestdeutschen Raum; dagegen spricht weiter die wirtschaftliche Zweckmäßigkeit der Struktur dieses Raumes. Dabei wird gesagt, für die Ergänzung der verschiedenen Wirtschaftszweige untereinander, für die Zusammenfassung als Ganzes und für seine Gliederung im einzelnen könne Baden-Württemberg als ein Muster wirtschaftlicher Zweckmäßigkeit bezeichnet werden.

    (Sehr richtig! Bei der SPD.)

    Schließlich spricht dagegen die Ausgeglichenheit des sozialen Gefüges und des Klimas im Lande.
    Das Gutachten der Sachverständigenkommission, die unter Vorsitz des Reichskanzlers a. D. Luther getagt hat, hat das Vorliegen derjenigen Elemente für das Land Baden-Württemberg festgestellt, die vom Grundgesetz in Art. 29 als Richtbegriffe für neugegliederte Länder aufgestellt worden sind. Diese natürliche Verbundenheit aller Teile des Landes Baden-Württemberg und die darauf beruhende Zusammenfassung der Teile in einem Staatswesen hat sich in den zurückliegenden Jahren bewährt. Sie hat gezeigt, daß sich die Bedürfnisse und Interessen der Bevölkerung dieses mannigfach gegliederten Landes harmonisch vereinigen und ausgleichen lassen. Es geschah daher mit guten Gründen, daß die Bundesregierung in dem vorliegenden Gesetzentwurf die nach Art. 29 nötige Entscheidung im Sinne der Aufrechterhaltung des Landes getroffen hat.
    Verehrter Herr Kollege Dr. Kopf, Sie haben gesagt, mit dieser Entscheidung seien die Bundesregierung und der Gesetzgeber überfordert. Dazu muß ich sagen, daß die objektiv zu treffenden Feststellungen über die Kraft dieses Landes und seine Homogenität dagegen sprechen. Es ist offensichtlich: jeder und erst recht der Bundesgesetzgeber kann feststellen, daß dieses Land gesund ist und zusammenbleiben muß.
    Daß diese Entscheidung der Bundesregierung, wenn sie Gesetz geworden ist, dem von ihr berührten Bevölkerungskreis des Landes Baden-Württemberg zur Abstimmung vorzulegen ist, habe ich bereits erwähnt. Es besteht nun ein lapidares Interesse der badischen Bevölkerung daran, daß sie in die Lage versetzt wird, allein über ihre Landeszugehörigkeit abzustimmen. Das ist aber nur dann möglich, wenn der Bundesgesetzgeber die Aufrechterhaltung des Landes vorsieht. Würde der Bundesgesetzgeber das Land auflösen wollen, so müßte darüber auch die Bevölkerung in Württemberg und Hohenzollern abstimmen; denn es würde sich auch deren Landeszugehörigkeit ändern, und unsere Verfassung sagt ja ausdrücklich, daß kein Gebiet und damit kein Bevölkerungsteil gezwungen werden können, ihre Landeszugehörigkeit aufzugeben, ohne daß sie in die Möglichkeit versetzt worden sind, zuvor ihren Willen zu äußern. Es wäre aber eine politisch unglückliche Lösung, wenn die Abstimmung der badischen und der württembergischen Bevölkerung
    Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 66. und 67. Sitzung. Bonn, Freitag, den 15. März 1963 3035
    Minister Dr. Filbinger
    nebeneinander herliefen. In diesem Falle könnte zwar ein übereinstimmendes Votum der badischen Bevölkerung keine unmittelbare Wirkung haben, weil die letzte Entscheidung bei verschiedenartigen Ergebnissen ja vom Bundesgesetzgeber zu treffen ist. Aber immerhin könnte sich in der badischen Bevölkerung die — wenn auch nicht gerechtfertigte
    Befürchtung regen, daß sie von der württembergischen Bevölkerung überstimmt wird. Eine solche ungute psychologische Wirkung wird vermieden, wenn der Bundesgesetzgeber anordnet, daß das Land fortbesteht, und wenn darüber allein die badische Bevölkerung abzustimmen hat. Das ist neben der rechtlichen Unbedenklichkeit des vorliegenden Regierungsentwurfs ein zusätzlicher erheblicher Vorteil, den dieser Entwurf mit sich bringt.
    Die Landesregierung unterstützt daher den Vorschlag der Bundesregierung, das Land aufrechtzuerhalten und die badische Bevölkerung darüber abstimmen zu lassen. Diese Lösung entspricht dem Willen der Bevölkerung des ganzen Landes. Die kommende Abstimmung wird das noch deutlicher zeigen, als wir es heute schon auf Grund unserer ständigen Fühlungnahmen mit allen Teilen der Bevölkerung wissen.
    Wenn ich demgegenüber den Entwurf des verehrten Abgeordneten Dr. Kopf zur Hand nehme, so fällt mir dabei folgendes ins Auge.

    (Abg. Dr. h. c. Dr.-Ing. E. h. Möller: Kopf und Güde!)

    — Kopf und andere. — Nach § 1 dieses Entwurfs wird der Gebietsteil Baden als selbständiges Bundesland wiederhergestellt. In § 13 aber ist gesagt, daß durch die Ausgliederung des Gebietsteils Baden der Fortbestand des bisherigen Landes Baden-Württemberg in den Grenzen des früheren Landes Württemberg und des früheren Regierungsbezirks Hohenzollern nicht berührt werde. Hier werden zwei Entscheidungen miteinander kombiniert, die unvereinbar sind. Würde nämlich das Land Baden wiederhergestellt, was das Ziel des Entwurfs ist, so würde damit das Land Baden-Württemberg zwangsläufig aufgelöst werden. Diese Konsequenz bedeutet aber nach Art. 29, daß auch die Bevölkerung in Württemberg und Hohenzollern über die Auflösung des Landes mit abstimmen muß. Um diese Folge nun zu vermeiden, schafft der Entwurf die Fiktion, ein aufgelöstes Land werde weiterbestehen. Es liegt auf der Hand, daß durch diese Fiktion die vom Grundgesetz gewollte Abstimmung der ganzen von der Entscheidung betroffenen Bevölkerung nicht vereitelt werden darf. Der einzige Weg, die Abstimmung auf die badischen Landesteile zu beschränken, ist eben der, daß der Bundesgesetzgeber sich für die Aufrechterhaltung des Landes entscheidet.
    Man mag diese Unausweichlichkeit der bundesgesetzlichen Regelung des Art. 29 bedauern; es ist indes der einzige mit der Verfassung vereinbare Weg. Will man einen anderen Weg gehen, so muß man das Grundgesetz ändern. Es ist schon von Herrn Kollegen Dr. Kopf erwähnt worden, daß Ministerpräsident Kiesinger sich mehrmals für eine solche Grundgesetzänderung eingesetzt hat. Das ist erstmals im Februar 1960 geschehen. Er hat angeregt, daß für den Sonderfall der Neugliederung im südwestdeutschen Raum das Grundgesetz geändert werden solle. Dadurch würde ermöglicht werden, was der Art. 29 versagt, nämlich eine alternative Frage an die badische Bevölkerung: Willst Du den Fortbestand des Landes oder willst Du die Wiederherstellung des. alten Landes Baden? Die badische Bevölkerung würde endgültig entscheiden, und die Bundesregierung und der Bundesgesetzgeber könnten sich ihrerseits der materiellen Entscheidung enthalten, die ihnen in Abs. 2 und 3 des Art. 29 vorgeschrieben ist. Schließlich wäre es möglich, die Volksabstimmung auf die badischen Landesteile zu beschränken, ohne Rücksicht darauf, ob das Land Baden-Württemberg fortbestehen wird oder nicht.
    Es ist mit Händen zu greifen, daß aus dieser Regelung sehr große Vorteile resultieren würden. Indes darf ich dabei eines nicht verschweigen. Man darf eine Tatsache nicht zu kurz kommen lassen. Mit dieser betonten Rücksichtnahme auf die badische Bevölkerung würde diese Lösung von der bisherigen Konzeption des Grundgesetzes stark abweichen. Die Entscheidung über das Schicksal des Landes würde der badischen Bevölkerung allein anvertraut werden, ohne daß der Bundesgesetzgeber die Entscheidung würdigen oder korrigieren könnte. Eine solche weittragende Änderung des Grundgesetzes verlangt auf der anderen Seite, daß große Teile der badischen Bevölkerung an der Abstimmung teilnehmen und dies, Herr Kollege Dr Kopf, ist der Grund für das von der Landesregierung verlangte Quorum. Es ginge nämlich nicht an, daß eine Minderheit den Ausschlag gibt, und deswegen hat die Landesregierung ihre Anregung zur Änderung des Grundgesetzes an die Voraussetzung geknüpft, daß eine Mindestabstimmungsbeteiligung, ein Quorum gefordert wird. Für eine derartige Änderung des Grundgesetzes zeichnet sich derzeit nach dem Stand der vielen Verhandlungen, die gepflogen worden sind, keine Möglichkeit ab. Die Landesregierung wird sich jedoch auch in Zukunft an Gesprächen über eine Grundgesetzänderung beteiligen und sie wird alles tun, was in ihren Kräften steht — so, wie es bisher geschehen ist —, daß eine solche Grundgesetzänderung herbeigeführt wird.
    Da der Regierungsentwurf — sofern es nicht zur Grundgesetzänderung kommt — Aussicht hat, Gesetz zu werden, möchte ich auf einige Einwände, die Herr Abgeordneter Dr. Kopf diesem Entwurf entgegengesetzt hat, eingehen. Er hat gesagt, daß eine Entscheidung für den Fortbestand des Landes eine Suggestivwirkung ausüben würde und daß damit die Chancengleichheit der abstimmenden Bevölkerung nicht hergestellt werde. Meine Damen und Herren, daß das Grundgesetz eine Entscheidung des Bundesgesetzgebers verlangt, ist bereits gesagt. Nimmt man an, daß eine Entscheidung des Bundesgesetzgebers die Chancen der widerstreitenden Parteien beeinflußt, so kann es eine Chancengleichheit im Verfahren nach Art. 29 des Grundgesetzes überhaupt nicht geben. Entweder würden dann die Chancen derjenigen verkürzt, die für die Beibehaltung des Landes sind, oder die Chancen der ande-
    3036 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 66. und 67. Sitzung. Bonn, Freitag, den 15. März 1963
    Minister Dr. Filbinger
    ren, die die Auflösung verlangen. Chancengleichheit wäre eben nur möglich, wenn der Bundesgesetzgeber sich einer Entscheidung enthielte und eine Alternativfrage stellte, die eben nur außerhalb des Grundgesetzes und bei dessen Änderung möglich sein würde.
    Das Bundesverfassungsgericht hat im HessenUrteil klar gesagt, daß Gegenstand des Volksentscheids nicht etwa das Volksbegehren ist, sondern das aus der souveränen Entscheidung des Bundesgesetzgebers hervorgegangene Neugliederungsgesetz. Sollte dieses Gesetz die Chancen irgendwie beeinflussen, so wäre das die unausweichliche Folge der vom Grundgesetz geforderten materiellen Entscheidung des Bundesgesetzgebers. Ein Vorwurf gegen den Entwurf der Bundesregierung kann daher mit Grund keineswegs erhoben werden.
    Es ist aber von Herrn Kollegen Dr. Kopf auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom Jahre 1956 abgehoben worden, und es wurde jener berühmte Satz zitiert, die badische Bevölkerung sei überspielt worden, und deshalb müsse Remedur geschaffen werden. Meine Damen und Herren, dieses Urteil vom Jahre 1956 hat ausdrücklich bestätigt, daß das Land Baden-Württemberg im Rahmen der Gesetze rechtmäßig zustande gekommen ist, so daß also der Ausdruck „überspielt", wie es auch wörtlich in dem Urteil heißt, sich niemals auf die Legalität dieses Verfahrens, sondern nur auf politische und historische Begleitumstände beziehen kann. Was vom Bundesverfassungsgericht als Aushilfe für die von ihm als ungut bezeichnete Situation angesehen worden ist, das soll ja nun ins Werk gesetzt werden.
    Was wollte das Urteil von 1956? Nun, es wollte der badischen Bevölkerung die gleichen Verfahrensmöglichkeiten zur Neugliederung ihres Gebietes geben, die sämtliche anderen Länder der Bundesrepublik im Rahmen des Art. 29 haben. Dieser Weg nach Art. 29 wird durch den Gesetzentwurf der Bundesregierung nun eröffnet.
    Welche Entscheidung aber der Bundesgesetzgeber materiell zu treffen hat, das ist im Urteil vom Jahre 1956 nicht gesagt, und es konnte auch nicht gesagt werden. Der Bundesgesetzgeber ist darin, wie das Bundesverfassungsgericht im Hessen-Urteil vom 11. Juli 1961 sehr klar gesagt hat, völlig frei.
    Es ist weiter eingewandt worden, es werde das Recht der badischen Bevölkerung präjudiziert, es werde suggeriert, es werde oktroyiert. Meine Damen und Herren, ich darf diesen Punkt noch einmal beleuchten. Worin besteht das Recht der badischen Bevölkerung? Eben darin, daß sie zur Entscheidung des Bundesgesetzgebers im Verfahren nach Art. 29 ja oder nein sagen kann. Wenn sie nein sagt, so muß der Bundesgesetzgeber neu entscheiden. Das ist das Recht der badischen Bevölkerung nach der Verfassung, und ihm trägt der Entwurf der Bundesregierung Rechnung. Das Grundgesetz vertraut darauf, daß der Bundesgesetzgeber den Willen der betroffenen Bevölkerung richtig wertet, und ich glaube, meine Damen und Herren, dieses Vertrauen ist gerechtfertigt.
    Es ist schließlich noch auf den Kommentar von Maunz-Dürig abgehoben worden. Ich bin bisher davon ausgegangen, daß er noch nicht erschienen ist. Ich halte es nicht für ausgeschlossen, daß er in den letzten Tagen oder gar Wochen, ohne daß es von mir bemerkt worden ist, erschienen ist. In diesem Kommentar wird ein Unterschied begrifflicher Art gemacht zwischen einer Bestätigungsfrage, nämlich der Akklamation der Bevölkerung zu einem bestehenden Zustand, und einer Alternativfrage. Ich muß Ihnen gestehen, meine Damen und Herren, daß ich diesen Unterschied für willkürlich gegriffen ansehe und daß ich auch keinerlei Gewinn in dieser Unterscheidung, die willkürlich und gegriffen ist, erblicken kann. Es geht ja nicht darum, ob die Bevölkerung den bestehenden Zustand bestätigt — das ist von Maunz-Dürig in diesen Sätzen eindeutig verkannt —, sondern es geht darum, ob sie die Entscheidung des Bundesgesetzgebers bestätigt, sie, die badische Bevölkerung. Deshalb kann man auch nicht. sagen, daß die Verneinung der gestellten Frage keine Wirkungen habe; denn wenn die Bevölkerung zu dem Entwurf nein sagt, dann besteht eine völlig neue Situation, der der Bundesgesetzgeber Rechnung zu tragen hat. Diese Entscheidung ist nicht nur theoretisch, sondern auch gerade politisch sehr stark vom Nein der Bevölkerung bestimmt. Es ist nämlich unwahrscheinlich, daß der Bundesgesetzgeber das Land Baden-Württemberg gegen den Willen bedeutender Teile der badischen Bevölkerung aufrechterhalten würde. Insoweit gehen also diese Ausführungen im Kommentar fehl.
    Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich darf noch ein Wort zu der Kritik sagen, die die Ausführungen des damaligen Bundestagsabgeordneten Kiesinger zur Frage des Quorums gefunden haben. Man muß auch hier die Äußerung im Zusammenhang begreifen. Dieser Zusammenhang läßt die damaligen Äußerungen von Kiesinger zum Quorum in einem völlig anderen Licht erscheinen, als es die Kritik meint. Sie bezogen sich nämlich damals auf den Antrag der Abgeordneten Hilbert und Genossen, Drucksache 1752, der in § 4 das folgende vorsah:

    (1) Stimmt in Gesamtbaden oder in Gesamtwürttemberg ... die Mehrheit der Abstimmenden für die Wiederherstellung des alten Landes

    Baden oder des alten Landes Württemberg ... ,
    so werden diese Länder wieder hergestellt.

    (2) Stimmt sowohl in Gesamtbaden wie auch in Gesamtwürttemberg ... bei Beteiligung der Mehrheit der Stimmberechtigten die Mehrheit der Abstimmenden für den Südweststaat, so wird der Südweststaat gebildet.

    In Abs. 2 ist also im Gegensatz zu Abs. 1 ein anderer Modus für die Abstimmung aufgestellt. Diese Regelung war wegen der unterschiedlichen Behandlung der beiden Fälle eine verschiedene Verteilung der Chancen. Deshalb hat sich Kiesinger seinerzeit gegen die Ausbringung eines Quorums bei diesem speziellen Entwurf gewehrt. Diese Äußerung kann also in keiner Weise auf den hier völlig andens gelagerten Fall übertragen werden, wo eine dem
    Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode. — 66. und 67. Sitzung. Bonn, Freitag, den 15. März 1963 3037
    Minister Dr. Filbinger
    Gesetz entsprechende, abgewogene Berücksichtigung der beiden Interessen in Frage steht.

    (Vorsitz: Vizepräsident Dr. Jaeger.)

    Meine Damen und Herren, ich komme zum Schluß. Die ganze Bevölkerung von Baden-Württemberg sucht eine völlige und baldige Befriedung der Verhältnisse im Lande. Deshalb hat die Landesregierung alles getan, was in ihrer Macht steht, um das Verfahren zu beschleunigen. Sie hat auch für diese Sitzung des Bundestages trotz des Verkehrsunfalls unseres Ministerpräsidenten keinen Antrag auf Vertagung gestellt, sondern im Interesse der Beschleunigung des Verfahrens die Sitzung durch einen Vertreter wahrnehmen lassen.
    Wie das anzuwendende Verfahren auch immer aussehen mag: die Landesregierung begrüßt jeden gangbaren Weg zu einer, baldigen Abstimmung in den badischen Landesteilen, und sie ist überzeugt, daß die Abstimmung eine große Mehrheit für den Fortbestand des Landes Baden-Württemberg ergeben wird, und sie hat Anhaltspunkte für diese Überzeugung. Die Bundes- und Landespolitik würden auf diese Weise von der so lange mitgeschleppten Last befreit werden, die in der noch immer nicht abschließend geregelten Neugliederungsfrage im Raume unseres Landes gelegen ist.

    (Beifall bei den Abgeordneten aller Fraktionen.)



Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Wahl.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Eduard Wahl


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nach der Einbringung der Gesetzesvorlagen durch die Bundesregierung und durch den Herrn Abgeordneten Kopf und nach der inhaltsreichen Rede des Herrn Ministers Filbinger wird mancher sich wundern über die Fülle von juristischen und politischen Argumenten und Gegenargumenten, die hier aufgeboten worden sind, obwohl die beiden Gesetzesvorlagen in ihrer Zielsetzung, im früheren Lande Baden eine neue Volksabstimmung zu ermöglichen, übereinstimmen.
    Nimmt man die Kontroversliteratur, insbesondere die entgegengesetzten Gutachten hinzu, so wird das Erstaunen über die Fülle der Streitfragen, über das juristische Dickicht noch viel größer.

    (Sehr richtig! in der Mitte.)

    Aber das liegt daran, daß wir es hier mit öffentlich-rechtlichen Fragen zu tun haben und nicht mit privatrechtlichen Angelegenheiten, in denen die Gestaltungsfreiheit der Parteien seit eh und je bei weitem größer gewesen ist. Hier kann man Kompromisse schließen, wenn man sich so nahe gekommen ist wie die Initiatoren der beiden Gesetzesvorlagen, während wir im öffentlichen Recht zu allen Zeiten und nach jeder Richtung den Wahrheitsgehalt der altrömischen Definition immer wieder erleben: „Jus publicum est quod pactis privatorum mutari non potest", „Das öffentliche Recht ist das Recht, das durch ein Abkommen der Parteien nicht geändert werden kann."
    Meine Damen und Herren, wenn im öffentlichen Recht überhaupt Schranken für die Ausübung der öffentlichen Macht gesetzt sind — und das ist ja der Inhalt des öffentlichen Rechts —, dann verlangt das öffentliche Recht, daß diese Schranken ernster, förmlicher, buchstäblicher genommen werden als die Vorschriften des Privatrechts, die seit eh und je durch die Formeln von Treu und Glauben, von Rechtsmißbrauch usw. für alle vorkommenden Fälle praktikabel gemacht werden. Würde im öffentlichen Recht ein gleicher Ermessensspielraum für die Exekutive oder den Verfassungsrichter bestehen, so käme es zu einer Aufweichung .des Verfassungsrechts und damit zu einer Schwächung seiner Schutzfunktion gegenüber der Übermacht des Staates.
    Meine Damen und Herren, ich gebe zu, daß ich in der Baden-Frage zunächst der Ansicht zuneigte, man könne von der alten Ermächtigung des Artikels 118, eine erleichterte Neuordnung im Südwestraum herbeizuführen, noch einmal Gebrauch machen, um die von der Kritik gegen das Gesetz von 1951 erhobenen Vorwürfe, nicht zuletzt die des Bundesverfassungsgerichts, auszuräumen. Wenn jemand eine Vollmacht hat, ein Grundstück zu verkaufen, und dabei einen Formfehler begeht, etwa dadurch, daß er den Kaufvertrag nur schriftlich abschließt, kann er sicher mit seiner alten Vollmacht den Formfehler noch beheben und die notarielle Beurkundung des Geschäfts nachholen.
    Aber bei näherem Nachdenken habe ich erkannt, daß eine solche restitutio in integrum sich hier verbietet, weil nach den Feststellungen des ersten Urteils des Bundesverfassungsgerichts, das insoweit durch das zweite Urteil des gleichen Gerichts bestätigt worden ist, mittlerweile das Land Baden-Württemberg rechtsgültig entstanden ist und nunmehr — wie das Verfassungsgericht ausdrücklich hervorhebt — die Gebietsverhältnisse im Südwestraum nur noch nach dem allgemeinen Neugliederungsrecht der gesamten Bundesrepublik abgeändert werden können. Der Vergleich mit der Kaufvertragsvollmacht hinkt, weil hier eben der Kaufvertrag gleich gültig abgeschlossen worden ist und dann der Bevollmächtigte nicht die Möglichkeit hat, mit dieser Vollmacht das Grundstück wieder zurückzukaufen und einen neuen Vertrag abzuschließen.
    In den öffentlichen Auseinandersetzungen um die Baden-Frage werden die Dinge häufig so dargestellt, als ob das Bundesverfassungsgericht in dem zweiten Urteil festgestellt habe, der badische Volkswille sei gleichsam durch einen gesetzgeberischen Trick überspielt worden. Wäre dies wirklich die Meinung des Bundesverfassungsgerichts gewesen, dann hätte das Gericht kaum zugleich die rechtliche Existenz des neuen Landes bejahen können. Überspielt ist das badische Volk, wie es in dem Urteil ausdrücklich heißt, vielmehr durch die gesamte historisch politische Entwicklung seit 1945, in der das Gesetz nicht einmal das ausschlaggebende war.
    Wir wissen alle, daß die Besatzungsmächte bei der Aufteilung des deutschen Staatsgebietes in ihre Besatzungszonen dort neue Einzelstaaten ins Leben gerufen haben, die nach dem Anlaß ihrer Entstehung zunächst wenig Autorität besitzen konnten. Nun
    3038 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 66. und 67. Sitzung. Bonn, Freitag, den 15. März 1963
    Dr. Wahl
    heißt es aber in der Präambel des Grundgesetzes, daß das deutsche Volk in diesen neu gebildeten Staaten, die alle bei dieser Gelegenheit aufgezählt werden, sich die Verfassung des Grundgesetzes gegeben habe. Dadurch haben diese Staaten eine Legitimation erhalten, von der das Neugliederungsgesetz für den Südwestraum ausgegangen ist.
    Als der Bundestag dieses Gesetz machte, boten sich die drei neu entstandenen Staaten von selbst als Abstimmungsbezirke an. Da aber bei dieser Abstimmung auch die Frage nach der Wiederherstellung der alten Länder gestellt war, war es eine durchaus loyale Bestimmung, daß im Lande Nordbaden-Württemberg zwei Stimmbezirke gebildet wurden. So weit, so gut! Nun bestimmte aber das Neugliederungsgesetz außerdem, daß, wenn in drei Stimmbezirken die Mehrheit sich für den neuen Südweststaat ausspreche, der vierte Gebietsteil sich dem zu fügen habe. Es wurde also in dem Gesetz die Majorisierung eines Gebietsteils durch die anderen Gebietsteile vorgesehen. Diese Möglichkeit der Majorisierung in diesem Zusammenhang war an sich eine dankenswerte Lösung. Denn im völkerrechtlichen Bereich, in dem die Abstimmungsfragen bei dem Selbstbestimmungsrecht der Völker noch lange nicht geklärt sind, haben wir nach dem ersten Weltkrieg in Oberschlesien die scheingerechte Lösung erlebt, daß das Land wegen der verschiedenen Abstimmungsergebnisse in einzelnen Landstrichen einfach geteilt wurde. Ohne eine Majorisierung kommen bei Gebietsfragen unter Umständen unmögliche Gebilde heraus.
    Wenn man die Frage der Majorisierung eines Gebietsteils in den Mittelpunkt der Badenkontroverse rückt, so betrifft der Unterschied zwischen den Altbadenern und den Südweststaatanhängern eigentlich nur die Frage, ob die Nordbadener die Südbadener oder die Südbadener die Nordbadener sollten majorisieren können.

    (Sehr wahr! bei der SPD.)

    In der Tat sind die Abstimmungsergebnisse in Nordbaden und Südbaden ganz verschieden ausgefallen.
    Bei der Frage, worauf diese Verschiedenheit bertiht, gebe ich nicht viel auf die Stammesverschiedenheit der rheinfränkischen Nordbadener und der Alemannen in Südbaden, auch nicht auf die starke industrielle Zusammenballung an der Mündung des Neckars in den Rhein. Der Unterschied beruht nach meiner Meinung vielmehr in erster Linie auf der jahrelangen Symbiose der Nordbadener und der Nordwürttemberger in dem Staate WürttembergBaden und darauf, daß diese Symbiose mit vielen alten Vorurteilen aufgeräumt hat.
    Wir leben in einer Zeit, in der durch die Kriegs- und Nachkriegsereignisse viele alte Vorurteile von Land zu Land überwunden worden sind, weil die Menschen sich gegenseitig kennengelernt haben, Ich erinnere nur an das deutsch-franzöische Verhältnis. Ein anderes Beispiel: Die relative Immunität des deutschen Volkes gegenüber der kommunistischen Ideologie beruht doch einfach darauf, daß sehr viele Menschen — sei es im Krieg in Rußland, sei es nach dem Kriege bei der Besetzung — mit
    den russischen Machthabern und ihrem Regime in persönliche Berührung gekommen sind. Grau ist alle Theorie, so möchte man zitieren. Jedenfalls ist das Leben, d. h. die persönliche Erfahrung des einzelnen, immer noch die wirksamste Lehrmeisterin bei seiner politischen Willensbildung gewesen.
    Aber so begreiflich das Entstehen des Neugliederungsgesetzes auf der Grundlage der im Grundgesetz anerkannten staatlichen Gebietseinheiten gewesen ist und wenn auch das Gesetz eben wegen dieser Anlehnung an die neu entstandenen Staaten vom Bundesverfassungsgericht als rechtlich unanfechtbar anerkannt werden mußte und auch anerkannt worden ist, so mußte doch eine Tatsache die Kritik herausfordern, nämlich die Tatsache, daß sich bei der im Gesetz nicht vorgesehenen Durchzählung aller badischen Stimmen aus Südbaden und Württemberg-Baden ein kleines Übergewicht der Stimmen für die Wiederherstellung des Landes Baden ergeben hätte. Darum kam es zu dem Volksbegehren, darum haben sich alle CDU-Gremien des Landes, an ihrer Spitze der Ministerpräsident, dafür eingesetzt, daß im ehemaligen Lande Baden noch einmal abgestimmt werden sollte. Das ist auch der Kern unserer Vorlage.
    Diese nochmalige Abstimmung soll den Altbadenern endlich den Stachel aus dem Herzen ziehen, an dem sie zu verbluten drohen; denn wer seine Heimat liebt und auch an der staatlichen Form hängt, die er in seiner Kindheit oder in seinen jungen Mannesjahren erlebt hat, für den ist der staatliche Untergang seines Landes eine der schmerzvollsten Erfahrungen, die ihm das Leben bereiten kann. In meiner Vaterstadt Frankfurt hat sich der letzte Bürgermeister der Freien Reichsstadt im Jahre 1866 erschossen, als die Freie Reichsstadt dem Königreich Preußen einverleibt wurde. Und doch hat Frankfurt in den späteren Jahrzehnten eine glanzvolle Entwicklung genommen, die die alten Frankfurter Muß-Preußen damals nicht im Traum für möglich gehalten hätten.

    (Abg. Wittrock: Die Erinnerung ist noch da!)

    Meine Damen und Herren, die Verwirklichung des Anliegens der Wiederholung der Abstimmung im alten Land Baden ist aber in den beiden vorliegenden Entwürfen in verschiedener Weise geplant. In der Vorlage der Bundesregierung lautet § 1:
    Das Land Baden-Württemberg bleibt erhalten,
    während im Entwurf des Kollegen Kopf die vom Gesetzgeber vorgesehene Neugliederung, zu der sich die badische Bevölkerung äußern soll, so gefaßt ist:
    Die badischen Gebietsteile werden aus dem Lande Baden-Württemberg herausgenommen und das Land Baden wieder als selbständiger Staat hergestellt.
    Es ist klar, daß die Südweststaat-Anhänger den Antrag Kopf nicht für gut halten können, während ihre Gegner den Neugliederungsvorschlag der Bundesregierung ablehnen müssen.

    (Zuruf von der SPD: Knobeln wir!)

    Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 66. und 67. Sitzung. Bonn, Freitag, den 15. März 1963 3039
    Dr. Wahl
    Ich mache aber kein Hehl daraus, daß ich selbst ein entschiedener Anhänger der Vorlage der Bundesregierung bin, weil ich mir keine bessere politische Vertretung der Bevölkerung im deutschen Südwestraum denken kann als im Lande Baden-Württemberg, das zum erstenmal alle reichen menschlichen Kräfte und natürlichen Vorzüge des deutschen Südwestens zu einer in jeder Richtung außerordentlich wirksamen und, wie mir scheint, glücklichen Einheit zusammenfaßt.
    Dazu kommt, daß gegen den Entwurf des Herrn Kollegen Kopf verfassungsmäßige Bedenken bestehen, nicht so sehr wegen der Gesamtkonzeption, die sich vielleicht nachholen läßt, sondern vor allem, weil er die Folgen des Ausgliederung Badens aus dem Lande Baden-Württemberg für die übrigen schwäbischen Landesteile eintreten läßt, ohne deren Bevölkerung an der Abstimmung zu beteiligen.
    Das Neugliederungsverfahren nach § 29 ist außerordentlich genau gearbeitet, da es sich ja darum handelt, das Gebiet, das als konstitutives Element für den Staat von außerordentlicher Bedeutung ist, in einem neuen Problemkreis zu ordnen, und die Regelung ist deshalb so kompliziert ausgefallen, weil man nach jeder Richtung Gerechtigkeit üben wollte.
    Ich habe darum großes Verständnis für die Bemühungen, für diesen Fall eine Grundgesetzänderung durchzusetzen, die der Sache nach noch einmal als eine Sondervorschrift nach der Art des Art. 118 für den Südwestraum gedacht werden könnte, da es sich in der Tat darum handelt, der Kritik an dem Neugliederungsgesetz zu begegnen, das auf Grund des Art. 118 erlassen worden ist.
    Ich bitte deshalb die Mitglieder des Hohen Hauses um ihre Hilfe beim Zustandebringen einer entsprechenden Grundgesetzänderung. Hier geht es um ein eminent menschliches und demokratisches Anliegen zugleich, dessen Scheitern gerade im Lande Baden, dessen Bevölkerung sich unvergessene Verdienste um die Demokratie in Deutschland erworben hat, die Bereitschaft zur politischen Mitarbeit gefährden könnte.
    Im 1. Bundestag lag die Federführung für die Neugliederung des Südwestraums bei dem Sonderausschuß für die Neugliederung des Bundesgebiets. Der Rechtsausschuß war mitberatend beteiligt. Im 2. Bundestag war für die Baden-Frage der Innenausschuß federführend und der Rechtsausschuß wiederum mitberatend beteiligt, während im 3. Bundestag das Verhältnis der beteiligten Ausschüsse umgekehrt war.
    Namens der CDU-CSU-Fraktion beantrage ich mit Rücksicht auf das verfassungsrechtliche Übergewicht, das diesem Fragenkomplex nun einmal eignet, es dabei zu belassen, daß die Federführung beim Rechtausschuß liegt und der Innenausschuß mitberatend beteiligt wird.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)