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    Deutscher Bundestag 66. und 67. Sitzung Bonn, den 15. März 1963 Inhalt: 66. Sitzung Erweiterung der Tagesordnung . . . . 3025 A Vizepräsident Schoettle 3025 A, 3026 B, C Bading (SPD) 3025 B Rasner (CDU/CSU) . . . 3025 D, 3026 C Dr. Mommer (SPD) . . 3025 D, 3026 B, C Entwurf eines Ersten Gesetzes zur Neugliederung des Bundesgebietes gemäß Artikel 29 Abs. 1 bis 6 des Grundgesetzes (Erstes Neugliederungsgesetz) (Drucksache IV/834) — Erste Beratung —; in Verbindung mit dem Entwurf eines Gesetzes über die Neugliederung des Gebietsteiles Baden des Bundeslandes Baden-Württemberg nach Artikel 29 Abs. 2 und 3 des Grundgesetzes (Abg. Dr. Kopf, Dr. h. c. Güde, Hilbert, Dr. Hauser, Dr. Bieringer u. Gen.) (Drucksache IV/846) — Erste Beratung — Höcherl, Bundesminister . 3026 D, 3047 D Dr. Kopf (CDU/CSU) 3028 B Dr. Filbinger, Minister des Landes Baden-Württemberg . 3033 B, 3046 D Dr. Wahl (CDU/CSU) 3037 B Dr. h. c. Dr.-Ing. E. h. Möller (SPD) 3039 C Frau Dr. Diemer-Nicolaus (FDP) . . 3042 C Dr. h. c. Güde (CDU/CSU) . . . . 3044 B Wittrock (SPD) 3045 D Spitzmüller (FDP) 3048 D Schmitt-Vockenhausen (SPD) . . 3049 D Beschlußunfähigkeit . . . . . . . . 3050 C Nächste Sitzung 3050 C 67. Sitzung Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über Personalausweise (CDU/CSU, SPD, FDP) (Drucksache IV/1056) — Erste Beratung — . . . . 3051 A Antrag betr. Vorlage des Entwurfs eines Gesetzes zum Schutze der Rechte aus Arbeitsverhältnissen von Arbeitnehmern mit Wohnsitz im Sowjetsektor von Berlin oder in der Sowjetischen Besatzungszone Deutschlands (SPD) (Drucksache 1V/1031) 3051 B Entwurf eines Zwölften Gesetzes zur Änderung des Umsatzsteuergesetzes (Abg. Etzel, Brand, Dr. Schmid [Wuppertal], Wacher, Dr. Imle und Fraktionen der CDU/CSU, FDP) (Drucksache IV/661 [neu]); Schriftlicher Bericht des Finanzausschusses (Drucksachen IV/1047, zu IV/1047) — Zweite und dritte Beratung — 3051 B II Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 66. und 67. Sitzung. Bonn, Freitag, den 15. März 1963 Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Mineralölsteuergesetzes (Drucksache IV/1021); Mündlicher Bericht des Finanzausschusses (Drucksache IV/1069) — Zweite und dritte Beratung — . . . . 3052 A Entwurf eines Gesetzes zur Förderung eines freiwilligen sozialen Jahres (CDU/CSU, FDP) (Drucksache IV/986) — Erste Beratung — 3052 C Nächste Sitzung 3052 D Anlagen 3053 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 66. und 67. Sitzung. Bonn, Freitag, den 15. März 1963 3025 66. Sitzung Bonn, den 15. März 1963 Stenographischer Bericht Beginn: 9.01 Uhr
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    *) Siehe Anlage 7 **) Siehe Anlagen 8, 9 und 10 Deutscher Bundestag - 4. Wahlperiode - 66. und 67. Sitzung. Bonn, Freitag, den 15. März 1963 3053 Anlage 1 Liste der beurlaubten Abgeordneten Abgeordnete (r) beurlaubt bis einschließlich Dr Arndt (Berlin) 16. 3. Dr. Dr. h. c. Baade 31. 3. Dr. Bechert 15.3. Frau Berger-Heise 15. 3. Bergmann* 15.3. Frau Beyer (Frankfurt) 15. 3. Blachstein 15. 3. Blöcker 15.3. Frau Blohm 15.3. Burgemeister 15. 3. Cramer 15. 3. Dr. Dittrich 15. 3. Dr. Dörinkel 15.3. Drachsler 15. 3. Dr. Dr. h. c. Dresbach 31. 3. Frau Eilers 15.3. Erler 23. 3. Etzel 15. 3. Even (Köln) 15.3. Figgen 20.4. Franke 15. 3. Dr. Frede 20.4. Frehsee 16. 3. Dr. Frey (Bonn) 31. 3. Funk (Neuses am Sand) 31.3. Gaßmann 5. 4. Gehring 15.3. Gerns 15.3. Dr. Gleissner 15.3. Dr. Gradl 15.3. Freiherr zu Guttenberg 31. 3. Hahn (Bielefeld)* 15.3. Hammersen 15.3. Hauffe 16.3. Hellenbrock 31.3. Dr. Hellige 20.4. Dr. Hesberg 15. 3. Horn 15.3. Jaksch 26.4. Kalbitzer 15. 3. Katzer 31.3. Frau Kipp-Kaule 15. 3. Dr. Klein (Berlin) 15. 3. Dr. Knorr 4. 4. Dr. Kreyssig* 15. 3. Kriedemann 15. 3. Kühn (Hildesheim) 15.3. Kurlbaum 15. 3. Lenz (Brühl) 15.3. Lenze (Attendorn) 15. 3. Lermer 16. 3. Liehr 15.3. Lohmar 30.4. Dr. Löhr 15.3. Dr. Luda 15. 3. Margulies* 15. 3. Für die Teilnahme an Sitzungen des Europäischen Parlaments Anlagen zum Stenographischen Bericht Abgeordnete (r) beurlaubt bis einschließlich Mattick 15. 3. Mauk 15. 3. Meis 23. 3. Dr. Mende 15.3. Dr. h. c. Menne (Frankfurt) 15. 3. Metzger 15. 3. Müller (Berlin) 31. 3. Müller (Nordenham) 15. 3. Müller (Worms) 15. 3. Oetzel 30. 3. Ollenhauer 15.3. Frau Dr. Pannhoff 31. 3. Dr. Pflaumbaum 15.3. Rademacher* 15. 3. Dr. Rieger (Köln) 27. 3. Rohde 15. 3. Schlick 15. 3. Dr. Schmid (Frankfurt) 15.3. Schultz 15. 3. Dr. Schwörer 15.3. Dr. Seffrin 15.3. Seither 25. 3. Dr. Serres 23.3. Seuffert 15. 3. Storch* 15.3. Strauß 18. 3. Strohmayr 15.3. Varelmann 15. 3. Frau Vietje 31.3. Wacher 15. 3. Wehking 15.3. Wischnewski 15. 3. Wittmer-Eigenbrodt 30. 4. Anlage 2 Umdruck 220 Änderungsantrag der Fraktionen der CDU/CSU, FDP zur zweiten. Beratung des von den Abgeordneten Etzel, Brand, Dr. Schmidt (Wuppertal), Wacher, Dr. Imle und den Fraktionen der CDU/CSU, FDP eingebrachten Entwurfs eines Zwölften Gesetzes zur Änderung des Umsatzsteuergesetzes (Drucksachen IV /661 [neu], IV/ 1047). Der Bundestag wolle beschließen: 1. Zu Artikel 1 Nr. 2 a) In Absatz 5 Nr. 1 des § 7 werden die Worte „sowie von Milch und Rahm, haltbar gemacht, eingedickt oder gezuckert," gestrichen. b) In der Anlage 3 zu § 7 Abs. 5 Nr. 2 werden gestrichen: a) „01.03 Schweine, lebend" b) „aus 04.01 Milch und Rahm, frisch, weder eingedickt noch gezuckert, soweit nicht der Steuersatz von 1,5 v. H. gilt, z. B. Rahm, Molke, saure Milch, Kefir, Joghurt". 3054 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 66. und 67. Sitzung. Bonn, Freitag, den 15. März 1963 c) In Absatz 5 Nr. 2 des § 7 werden die Worte „und Milcherzeugnisse" gestrichen. d) In der Anlage 4 zu § 7 Abs. 5 Nr. 3 wird „01.02 Rinder (einschließlich Büffel), lebend" gestrichen. 2. Der bisherige Wortlaut ,des Artikels 2 erhält die Bezeichnung Absatz 1. Folgender Absatz 2 wind angefügt: „(2) Soweit für die Gegenstände der Anlagen 5 und 6 zu § 7 Abs. 6 des Gesetzes die Ausgleichsteuer gegenüber dem bisherigen Stand erhöht wird, tritt die Erhöhung drei Jahre nach dem Inkrafttreten dieses Gesetzes außer Kraft." Bonn, den 14. März 1963 Struve und Fraktion Freiherr von Kühlmann-Stumm und Fraktion Anlage 3 Umdruck 222 Änderungsantrag der Abgeordneten MüllerHermann, Dr. Löbe, Hansing, Lenz (Bremerhaven), Seifriz zur zweiten Beratung des von den Abgeordneten Etzel, Brand, Dr. Schmidt (Wuppertal), Wacher, Dr. Imle und den Fraktionen der CDU/CSU, FDP eingebrachten Entwurfs eines Zwölften Gesetzes zur Änderung des Umsatzsteuergesetzes (Drucksachen IV/ 661 [neu], IV/ 1047). Der Bundestag wolle beschließen: In Artikel 1 Nr. 2 wird in Absatz 5 die Nr. 5 gestrichen. Bonn, den 14. März 1963 Müller-Hermann Dr. Löbe Hansing Lenz (Bremerhaven) Seifriz Anlage 4 Schriftliche Erklärung der Abgeordneten Müller-Hermann, Dr. Löbe, Hansing, Lenz, Seifriz zu dem zur 2. Lesung des Entwurfs eines Zwölften Gesetzes zur Änderung des Umsatzsteuergesetzes — Drucksachen IV /661 (neu), IV/ 1047, zu IV/ 1047 — gestellten Antrages auf Umdruck 222. Die unterzeichneten Abgeordneten verzichten auf die Einbringung ihres im Umdruck 222 vorgelegten Antrages, in Art. 1 Nr. 2 die Nr. 5 in Absatz 5 zu streichen. Sie halten jedoch ihre Bedenken gegen eine Herabsetzung der Umsatzausgleichsteuer für Wollkammzüge von 4 % auf 1 % aufrecht, wie sie die EWG-Kommission von der Bundesregierung verlangt hat. Solange innerhalb der EWG eine Harmonisierung der Steuerpolitik unter Berücksichtigung sowohl der direkten als auch der indirekten Steuern nicht erreicht worden ist, muß die verlangte Maßnahme zu einer weiteren Verzerrung der Wettbewerbsbedingungen im EWG-Bereich führen. Der abrupte Abbau der gegenwärtigen Umsatzausgleichsteuer für Wollkammzüge widerspricht außerdem dem Inhalt des EWG-Vertrages, der eine harmonische Angleichung der Wettbewerbsverhältnisse anstrebt. Müller-Hermann Stefan Seifriz Hermann Hansing W. Lenz Dr. Löbe Anlage 5 Umdruck 221 Entschließungsantrag der Fraktionen der CDU/ CSU, FDP zur dritten Beratung des von den Abgeordneten Etzel, Brand, Dr. Schmidt (Wuppertal), Wacher, Dr. Imle und den Fraktionen der CDU/CSU, FDP eingebrachten Entwurfs eines Zwölften Gesetzes zur Änderung des Umsatzsteuergesetzes (Drucksachen IV/ 661 [neu], IV/ 1047). Der Bundestag wolle beschließen: Die Gründe für die Erhebung einer Umsatzausgleichsteuer bei der Einfuhr sind die gleichen wie für die Ausfuhrvergütung. Der Bundestag ist daher der Auffassung, daß ebenso wie bei der Umsatzausgleichsteuer eine Überprüfung und Korrektur der Sätze für die Ausfuhrvergütung erforderlich sind, zumal in verschiedenen Wirtschaftsbereichen die Veränderungen der Umsatzausgleichsteuer Rückwirkungen auf die Höhe der Umsatzsteuervorbelastung in der Exportindustrie hat. Die Bundesregierung wird daher ersucht, die Liste der Ausfuhrvergütungspositionen anhand der tatsächlichen Umsatzsteuervorbelastung zu überprüfen und im Bundestag Korrekturen vorzunehmen. Dabei wird der Zeitpunkt des Inkrafttretens mit dem Inkrafttreten der neuen Sätze bei der Umsatzausgleichsteuer abzustimmen sein. Bonn, den 14. März 1963 Dr. von Brentano und Fraktion Frau Funcke (Hagen) Freiherr von Kühlmann-Stumm und Fraktion Anlage 6 Schriftliche Ausführungen des Abgeordneten Dr. Stecker für den Finanzausschuß zu dem Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Mineralölsteuergesetzes (Drucksachen IV/ 1021, IV/ 1069). Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 66. und 67. Sitzung. Bonn, Freitag, den 15. März 1963 3055 Der Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Mineralölsteuergesetzes — Drucksache IV/ 1021 — wurde von der Bundesregierung am 28. Februar 1963 dem Bundestag zugestellt, der ihn in seiner 63. Plenarsitzung am 8. März 1963 in erster Lesung ohne Aussprache an den Finanzausschuß — federführend — und an den Wirtschaftsausschuß zur Mitberatung überwies. .Beide Ausschüsse berieten und verabschiedeten die Vorlage in getrennten Sitzungen am 13. März 1963. Bei den Beratungen im Ausschuß war die Verlängerung der Geltungsdauer der Steuersätze für Heizöl als solche nicht streitig. Die Erörterungen gingen vielmehr .darum, ob entsprechend der Regierungsvorlage die bisherigen Sätze unverändert fünf Jahre lang fortgelten sollen oder ob eine Degression eingebaut werden soll. Die Befürworter der gleichbleibenden Steuersätze beriefen sich darauf, daß mit ihrer Konzeption der energiepolitische Zweck des Gesetzes, nämlich der Kohle die Möglichkeit einer stetigen Anpassung an die in 'ihrer Struktur veränderte Energie-Marktlage zu geben, am besten erreicht werden könne und das zu erwartende Aufkommen aus der Steuer auch notwendig sei, um den für den Bund zu erwartenden Aufwand zu decken. Die Befürworter einer Degression legten besonderen Wert darauf, im Gesetz sichtbar zu machen, daß es sich bei der Erhebung der Heizölsteuer um eine vorübergehende Anpassungsmaßnahme handele, .die aus volkswirtschaftlichen Gründen nicht eines Tages zu einer Dauereinrichtung als allgemeines Deckungsmittel für den Bundeshaushalt werden dürfe. Bei der Abstimmung wurde ein auf den Bundesrat zurückgehender Antrag abgelehnt, der für zwei Jahre gleichbleibende und für weitere drei Jahre nach unten gestaffelte Steuersätze vorsieht. Angenommen wurde dagegen mit Mehrheit ein zwischen den Vorschlägen der Bundesregierung und des Bundesrates vermittelnder Antrag. Er sieht für vier Jahre gleichbleibende Steuersätze und für weitere zwei Jahre die Hälfte der Ausgangssätze vor. Dieser Form des Gesetzes hat auch der Wirtschaftsausschuß einstimmig seine Zustimmung gegeben. Im übrigen soll es nach dem Willen des Ausschusses bei der Regierungsvorlage bleiben. Ein Antrag, den Art. 3 zu streichen, der der Bundesregierung das Recht gibt, den Steuersatz aus gesamtwirtschaftlichen Gründen zu verändern, wurde abgelehnt. Der Ausschuß stellte ausdrücklich und einhellig klar, daß das Aufkommen aus der Heizölsteuer keineswegs nur der Kohle selbst zukommen solle, sondern wie bisher schon nach Maßgabe des Haushaltsplanes auch dazu dienen solle, in allen Teilen der Bundesrepublik, also auch den revierfernen, die energiewirtschaftlichen Verhältnisse zu verbessern. Es handele sich also auch nicht um eine irgendwie geartete Finanzausgleichsmaßnahme zugunsten bestimmter Länder. Anlage 7 Umdruck 224 Entschließungsantrag der Abgeordneten Kurlbaum, Memmel, Regling, Weinzierl, Ruf, Hörauf, Dr. Kempfler und Genossen zur dritten Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Mineralölsteuergesetzes (Drucksachen IV/ 1021, IV/ 1069). Der Bundestag wolle beschließen: Die Bundesregierung wird ersucht, dem Bundestag alsbald Maßnahmen vorzuschlagen, die geeignet sind, die Energiekosten innerhalb der Bundesrepublik besser als bisher aneinander anzugleichen, um dadurch die Wettbewerbslage der Unternehmen in den revierfernen Gebieten zu verbessern und die Kosten der dort ansässigen Bevölkerung für Heizungszwecke zu vermindern. Bonn, den 15. März 1963 Kurlbaum Memmel Regling Weinzierl Ruf Hörauf Dr. Kempfler Dr. Hauser Leukert Maier (Mannheim) Mertes Leonhard Bühler Glüsing Gedat Lang (München) Hilbert Klinker Hörnemann Dr. Zimmermann (München) Kohlberger Dr. Burgbacher Struve Müller-Hermann Bauknecht Dr. Czaja Goldhagen Dr. Artzinger Dr. h. c. Güde Bieringer Biechele Frau Dr. Kuchtner Vogt Frau Jacobi (Marl) Stooß Adorno Berberich Dr. Brenck Bauer (Wasserburg) Seidl (München) Bals Krug Dr. Winter Stiller Seifriz Hansing Dr. Tamblé Diekmann Lange (Essen) Porzner Bading Frau Beyer (Frankfurt) Ravens Haase (Kellinghusen) Busch Ertl Unertl Marx Fritsch Höhne Folger Anlage 8 Schriftliche Begründung der Abgeordneten Frau Pitz-Savelsberg zu dem von den Fraktionen der CDU/CSU, FDP eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Förderung eines freiwilligen sozialen Jahres (Drucksache IV/ 986). 3056 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 66. und 67. Sitzung. Bonn, Freitag, den 15. März 1963 Das Gesetz über die Förderung eines freiwilligen sozialen Jahres stellt den sozialen Dienst der Jugend der Berufsausbildung gleich. Das bedeutet, daß während der Zeit eines solchen Dienstes, der in den Einzelbestimmungen des Gesetzes näher beschrieben ist, alle gesetzlichen Leistungen für Kinder, u. a. Kindergeld, Kinderzuschlag zum Beamtengehalt, Waisenrenten und Steuervergünstigungen, zwischen dem 18. und 25. Lebensjahr weitergewährt werden. Verzögert ein solcher Dienst die Berufsausbildung über das 25. Lebensjahr hinaus, so erfolgt die Weitergewährung auch für diese Zeit, nicht länger allerdings als für ein Jahr. Die im freiwilligen sozialen Dienst verbrachte Zeit wird bis zur Dauer von einem Jahr auf die ruhegehaltfähige Dienstzeit im Sinne des Bundesbeamtengesetzes und des Bundesbeamtenrechtsrahmengesetze.s angerechnet und gilt als Anrechnungszeit im Sinne des Bundesbesoldungsgesetzes. Sie ist anrechnungsfähig in der Angestellten- und in der Arbeiterrentenversicherung. Zeiten, die vor dem 17. Lebensjahr liegen, werden nicht angerechnet. Schließlich sind im Gesetz Beurlaubungsmöglichkeiten für Beamte auf Probe vorgesehen zur Ableistung eines freiwilligen sozialen Jahres. Die Gleichstellung des freiwilligen sozialen Jahres mit der Berufsausbildung ist aus folgenden Gründen notwendig. Nach geltendem Recht wird der Sozialdienst wie Erwerbsarbeit behandelt mit der Folge der vollen Anrechnung der Bezüge aus diesem Dienst auf die Versorgungsbezüge für Kinder und auf Steuervorteile. Ein Kind, das einen Sozialdienst leistet, gilt als versorgt und zählt nicht mehr mit bei den von der Familie überwiegend unterhaltenen Kindern. Das führt zu den in den folgenden Beispielen dargelegten Folgen: Beispiel 1: Da das älteste Kind einer Familie in einen Sozialdienst eintritt, entfällt für das dritte Kind das Kindergeld. Alle drei Kinder verlieren die Fahrpreisermäßigung auf der Bundesbahn, die kinderreichen Familien zusteht. Beispiel 2: Ein Versorgungsamt fragt an, ob die Tochter H. der Kriegerwitwe B. den sozialen Dienst, den sie eben ableiste, als praktischen Teil einer Ausbildung zu einem sozialen Beruf brauche. In diesem Fall könne die Rente während der Zeit des Dienstes weitergezahlt werden, nicht aber, wenn dieser Dienst keinen Zusammenhang mit der Berufsausbildung habe. Da das Mädchen wahrheitsgemäß angab, es wolle Lehrerin werden, wurde die Rentenzahlung eingestellt und wurden die bereits zu Unrecht bezogenen Beträge zurückgefordert. Beispiel 3: Das dritte Kind einer Familie geht nach dem Abitur in einen Sozialdienst. Es zählt nicht mehr mit unter den von der Familie überwiegend zu unterhaltenden Kindern, mit der Folge, daß die beiden älteren Geschwister, die aus dem Honnefer Modell gefördert werden, eine wesentliche Einbuße in der Förderung erleiden. Diese Benachteiligungen des freiwilligen sozialen Dienstes sind unvertretbar. Entstanden ist der freiwillige soziale Dienst aus dem Gedanken der Hilfeleistung der Jugend in einer Notlage, die durch das ständige Sinken der Zahl der Pflegekräfte und der Haushaltshilfen bedingt ist. Der Mangel an. helfenden Kräften führte zu immer wiederholten Aufrufen 'der Verbände der freien Wohlfahrtspflege und der Jugendverbände an die Jugend, einen Teil ihrer Freizeit für den Dienst am Nächsten zur Verfügung zu stellen. Diese Aufrufe fanden ein anerkennenswertes Echo. Die uneigennützige Hilfsbereitschaft, mit der die Jugend die opfervollen Dienste übernahm, oft unter Verzicht auf gute Verdienstmöglichkeiten in ihren Berufen, muß von dieser Stelle ausdrücklich anerkennend hervorgehoben werden. Wer behauptet, daß in einer Welt der Leistung und Gegenleistung, des Gewinnstrebens um jeden Preis, der Impuls des Helfenwollens verlorengegangen sei und daß es zwecklos sei, ihn auf dem Weg über den freiwilligen sozialen Dienst wieder beleben zu wollen, der wird durch diese Jugend eindeutig widerlegt. Die Leistung der Jugend ist aber mehr als ein Akt privater Caritas; es ist ein Dienst, der der Gesellschaft selbst geleistet wird. Da sich aber nur ein Teil der Jugend an diesem Dienst gegenüber dem Ganzen beteiligt, muß diesem Teil eine besondere Würdigung zukommen. Hier kann man nicht mit Heller und Pfennigen werten. Hier kommt es nur noch auf eine ideelle Bewertung an. Deshalb verleiht 'dieses Gesetz dem freiwilligen sozialen Dienst den Rang der Berufsausbildung. Der freiwillige soziale Dienst ist keine Angelegenheit des Arbeitsmarktes. Neben der praktischen Hilfeleistung als solcher darf ein wesentlicher innerer Grund nicht übersehen werden, der dieses Gesetz rechtfertigt. Es ist der erzieherische Wert für den jungen Menschen selbst. Er gewinnt Kenntnisse, die ihm im Leben nützen, menschliche Erfahrungen und innere Reife. Die unmittelbar mit der Not des Mitmenschen befaßte Jugend wird in eindringlicher Weise darauf hingewiesen, daß auch in einem geordneten Gemeinwesen, in einem ganzen System von Sicherheiten für alle Lebenslagen doch oft weite Bereiche ungesichert bleiben und daß menschliche Not letztlich nur durch persönlichen menschlichen Einsatz gelindert werden kann. Die beste Erfahrung, die junge Menschen aus solchen Diensten mitnehmen, ist das Bewußtsein, daß man sie und ihre Hilfeleistung braucht. Um des großen erzieherischen Gewinns willen sollte man allen jungen Menschen die Möglichkeit bieten, sich vorübergehend 'der praktischen Sozialarbeit zu widmen. Wenn auch der freiwillige soziale Dienst die große Lücke im Bereich der beruflichen Arbeit nicht füllen kann, so ist doch eines sicher, daß nämlich viele Jugendliche durch das Befaßtsein mit praktischer Sozialarbeit auch Interesse an einer sozialen Berufsarbeit gewinnen werden. Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode --- 66. und 67. Sitzung. Bonn, Freitag, den 15. März 1963 3057 Wie sieht der freiwillige soziale Dienst aus, für den die Wirkungen dieses Gesetzes gelten? Soziale Dienste werden in vielerlei Form geleistet, angefangen bei gelegentlichem Sonntagsnachmittagsdienst über Feriendienste zum vollen Jahresdienst. Der volle Jahresdienst — ausnahmsweise kann es auch ein Dienst von mindestens sechs Monaten sein — ist der Dienst im Sinne dieses Gesetzes. Er kann von Jugendlichen beider Geschlechter geleistet werden. Der Dienst muß eine geschlossene Maßnahme darstellen, er kann nicht die Summe von etlichen kurzfristigen Tätigkeiten sein. Ausdrücklich muß gesagt werden, daß der freiwillige soziale Dienst durch dieses Gesetz nicht eingeführt wird. Der Gesetzgeber setzt ihn so voraus, wie er von den Trägern bisher entwickelt worden ist, und läßt ihn in seinem Wesen unangetastet. Er stellt ihn in den einzelnen Bestimmungen nur dar. Er begrenzt die Wirkungen dieses Gesetzes auf Dienste, die in der Zeit zwischen dem 17. und dem 25. Lebensjahr geleistet werden. Mit der Festlegung der untersten Grenze bei .17 Jahren wird verhindert, daß das freiwillige soziale Jahr in andere Einrichtungen wie hauswirtschaftliche Lehre oder Pflegevorschule hineinwirkt, die in der Regel jüngeren Mädchen offen sind. Die obere Grenze von 25 Jahren kann überschritten werden in Fällen, in denen ein sozialer Dienst über das 25. Lebensjahr hinaus dauert, er kann aber nicht mehr nach dem 25. Lebensjahr mit den Wirkungen dieses Gesetzes begonnen werden. Ein wesentliches Merkmal des Dienstes ist die Freiwilligkeit. Ein Zwang ist mit dem inneren Wesen jeder karitativen Arbeit unvereinbar. Vor jeder Zwangsmaßnahme stünde auch der Riegel des Grundgesetzes. Ein Pflichtjahr muß deshalb außer Betracht bleiben. Es scheitert auch an der praktischen Durchführbarkeit. Wenn man den Entlaßjahrgang nur der Mädchen für 1962 zugrunde legte und auf je 25 nur eine Betreuungskraft rechnete — was nach allen Erfahrungen zu wenig wäre —, brauchte man 16 000 qualifizierte sozial-pädagogische Betreuungskräfte. Diese sind einfach nicht vorhanden. Der Dienst erfolgt in der Regel gegen ein Taschengeld. Der Träger gewährt Unterkunft und Verpflegung. Er hat für ausreichenden Versicherungsschutz einschließlich der Unfallversicherung Sorge zu tragen. Der Dienst besteht in einer Hilfstätigkeit pflegerischer, erzieherischer oder hauswirtschaftlicher Art in Krankenanstalten, Heimen, Kindergärten und Kindertagesstätten und in Einzelhaushalten. Die Träger sind nach 'der bisherigen Praxis die in der Bundesarbeitsgemeinschaft der freien Wohlfahrtspflege zusammengeschlossenen Verbände sowie anerkannte Jugendverbände, die aber schon ihrer Zielsetzung nach für diese Aufgabe geeignet sind. Das Gesetz erschließt auch den Gebietskörperschaften die Einrichtung sozialer Dienste. Zwar ist nicht gemeint, daß jedes kommunale Krankenhaus oder jeder kommunale Kindergarten Träger sein kann. Leistungsfähige Trägergruppen werden sich aber ergeben bei sinnvollem Zusammenschluß für diese Aufgabe auf einer höheren Ebene, etwa der Ebene eines Landeskommunalverbandes. Über die im Gesetz benannten Träger hinaus kann die vom Lande bestimmte Anerkennungsbehörde weitere Träger zulassen. Die Länder schaffen die Ausführungsbestimmungen, nach denen die Anerkennung vor sich geht. Der Bundesgesetzgeber stellt zwar zwei unabdingbare Voraussetzungen für die Anerkennung der Dienste, für die die anerkannten Träger die Verantwortung übernehmen. Im i§ 2 Abs. 2 werden als Voraussetzung der Anerkennung eine geeignete pädagogische Führung und eine sachgerechte Betreuung verlangt. Die derzeitigen Pläne erfüllen diese Voraussetzungen. Sie weisen einen für alle Teilnehmer gleichen Grundausbildungslehrgang von drei bis vier Wochen aus. Danach erfolgt getrennter Einsatz in den verschiedenen Einrichtungen. In regelmäßigen Abständen werden die Jugendlichen vom Träger — etwa über ein Wochenende — zusammengerufen zum Erfahrungsaustausch und zur Nachschulung. Die Einsatzstelle steht unter ständiger Beobachtung durch den Träger. Das ist ganz besonders wichtig für den sozialen Dienst in Haushaltungen. Anstaltshaushalte werfen keine Probleme in der Hinsicht auf. Für die Durchführung der Dienste in Einzelhaushalten werden sich die Träger geeigneter Durchführungshilfen auf Ortsebene stützen müssen. Es kommt auch nicht jeder Einzelhaushalt in Frage. Das Gesetz verlangt das Vorliegen einer besonderen Lage. Die besondere Lage wird immer bei mehreren Kindern gegeben sein, ebenso bei der Landfrau oder auch bei hilfsbedürftigen alten Menschen in der eigenen Wohnung. Die Jugendlichen gehen eine Verpflichtung gegenüber dem Träger des Dienstes ein. Die Verpflichtungserklärung, die in der Regel über ein Jahr lautet, gilt als Antragsunterlage für die Fortzahlung der Leistungen für Kinder. Sie löst also die Weitergewährung der Bezüge aus. Am Ende des Dienstes stellt der Träger ein Testat aus. Nach dem Entwurf soll das Gesetz in Kraft treten am Tage nach seiner Verkündung. Aus vielen Gründen, die hier nicht erst dargelegt zu werden brauchen, muß das Gesetz mit dem Schulbeginn nach Ostern in Kraft sein oder zu diesem Termin wirksam werden. Die Länder sind aufgefordert, die Bemühungen des Bundes zur Förderung des freiwilligen sozialen Dienstes durch die eigenen zu ergänzen. Ich beantrage die Überweisung an den Ausschuß für Familien- und Jugendfragen. Anlage 9 Schriftliche Ausführungen der Abgeordneten Frau Funke zu dem von den Fraktionen der CDU/CSU, FDP eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Förderung des freiwilligen sozialen Jahres (Drucksache IV/ 986). 3058 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 66. und 67. Sitzung. Bonn, Freitag, den 15. März 1963 Wer freiwillig helfen will, soll dadurch keine persönlichen Nachteile haben, — das ist der Grundgedanke dieses Gesetzentwurfes, den die Fraktionen der CDU und FDP eingebracht haben. Es geht darum, daß diejenigen jungen Menschen, die ein Jahr ihres Lebens freiwillig und ohne Bezahlung in den Dienst des hilfsbedürftigen Nächsten stellen, während dieser Zeit nicht ihre Ansprüche auf Kindergeld, Waisenrente, Versorgung oder ihr Beamtenrecht verlieren, und daß ihnen diese Zeit später in der Altersversicherung nicht verloren geht. Bisher werden diese freiwilligen Dienste, wie sie von verschiedenen karitativen Verbänden eingerichtet und durchgeführt werden, zuerst als diakonisches Jahr, rechtlich als Erwerbstätigkeit angesehen, und dadurch entfielen für die jungen Mädchen und ihre Eltern Ansprüche und Vergünstigungen, die ihnen im Falle einer Berufsausbildung weitergewährt worden wären. Meine Fraktion ist demgegenüber der Auffassung, daß es sich bei solchem Einsatz nicht vorrangig um die Arbeitsleistung und schon gar nicht um Erwerbstätigkeit handelt, denn es wird lediglich ein Taschengeld, nicht aber Tariflohn bezahlt. Der freiwillige Dienst am Nächsten ist vielmehr ein Stück Erziehung, — Erziehung zur Gemeinschaft, Erziehung zur Hilfsbereitschaft und zum praktischen Tun, eine Erziehung dazu, Anforderungen des Volkes auch persönlich ernst zu nehmen, und eine Erziehung dazu, sich zu entscheiden und die einmal getroffene Entscheidung durchzuhalten, auch wenn ) es schwerfällt. Daß die jungen Mädchen zudem in Haus und Pflege vieles lernen können, was ihnen später als Hausfrau und Mutter nützlich sein wird, braucht kaum erwähnt zu werden. Die FDP lehnt alle Überlegungen ab, die dahin zielen, den Mangel an Pflege- und Hilfskräften in Krankenhäusern, Alters- und Kinderheimen oder Haushalten durch eine Dienstverpflichtung (Pflichtjahr) zu beheben. Aber sie befürwortet die freiwillige Entscheidung zu einem persönlichen Einsatz als ein Stück staatsbürgerlicher Praxis sehr und will daher mögliche Erschwernisse gern beseitigen. Nach dem Gesetzentwurf kann der freiwillige soziale Dienst in Krankenanstalten, Kindergärten, Kindertagesstätten, Alters- und Erholungsheimen und ähnlichen Einrichtungen oder in Familien in besonderer Lage z. B. kinderreichen Familien geleistet werden. Voraussetzung ist, daß es sich um eine nicht entgeltliche ganztägige Tätigkeit von längerer Dauer — etwa 1 Jahr — handelt. Den Trägern des Dienstes — karitative Verbände, Land oder Kommunen, Jugendverbänden usw. — wird zur Auflage gemacht, daß nicht nur eine sachgemäße Betreuung und Schutz vor Ausnutzung, sondern auch eine pädagogische Führung gewährleistet wird. Darum sind wir der Meinung, daß die Anerkennung im einzelnen und somit auch eine Kontrolle den Landesbehörden zu übertragen ist. Es wäre zu wünschen, daß durch die Beseitigung von Erschwernissen und Nachteilen die Zahl der jungen Menschen, die sich freiwillig zum Helfen entscheiden, nicht unbeträchtlich größer werden möchte. Eine Bereitschaft zum sozialen Handeln ist — das möchte ich an dieser Stelle ausdrücklich zur Ehre der heranwachsenden Generation sagen — durchaus in unserer Jugend vorhanden. Es liegt nur an uns, sie in geeigneter Weise zu aktivieren. Darum beantragen auch wir die Überweisung des Gesetzentwurfes an den Ausschuß für Familien- und Jugendfragen. Anlage 10 Schriftliche Ausführungen der Abgeordneten Frau Schanzenbach für die Fraktion der SPD zu dem von den Fraktionen der CDU/ CSU, FDP eingereichten Entwurf eines Gesetzes zur Förderung eines freiwilligen sozialen Jahres (Drucksache IV/ 986). Es besteht die Gefahr, daß (der Antrag der CDU/ CSU, FDP — Drucksache IV/ 986 —, der ein Entwurf eines Gesetzes zur Förderung eines freiwilligen sozialen Jahres ist, in der Offentlichkeit Mißverständnissen unterliegt. Es handelt sich nicht um die Einführung eines sozialen Jahres für junge Mädchen auf gesetzlicher Grundlage. Hier sollen lediglich die im Zusammenhang mit der bisherigen ehrenamtlichen Tätigkeit junger Mädchen in Krankenhäusern und anderen sozialen Einrichtungen entstandenen wirtschaftlichen Härten ausgeglichen werden. Die Einbringer des Antrages sind der Meinung, daß durch die Behebung dieser Mängel die Bereitschaft zu freiwilligen sozialen Diensten gefördert wird. Die SPD-Fraktion bejaht die freiwillige, ehrenamtliche soziale Tätigkeit. Ohne diese Hilfe für den Nächsten kann eine Demokratie nicht leben. Die in der Nachkriegszeit geleistete soziale Arbeit zur Behebung der ,außerordentlichen Notstände wäre ohne die freiwillige Hilfe vieler Frauen und Männer undenkbar gewesen. Auch heute können wir in den Gemeinden, in den Wohlfahrtsverbänden und sonstigen sozialen Einrichtungen auf die ehrenamtliche, freiwillige Mitarbeit gar nicht verzichten. Durch den besonderen Einsatz im Dienst für den Nächsten darf selbstverständlich den Helfern kein wirtschaftlicher Schaden entstehen. Die SPD-Fraktion ist gerne bereit, wirtschaftliche Einbußen, die durch freiwilligen Einsatz entstehen, abbauen zu helfen. Deshalb werden wir an dem vorgelegten Gesetzentwurf mitarbeiten. Wir möchten aber zum Ausdruck bringen, daß wir im Zusammenhang mit diesem Antrag einige Bedenken haben, auf die wir deutlich hinweisen wollen. Einzelpersonen und Verbände haben wegen des Mangels an Pflegepersonal für Krankenhäuser, Altersheime, Kinderheime und für Haushalte die Einführung eines Pflichtjahres für Mädchen gefordert. Die Forderungen werden etwa folgendermaßen begründet: „Ein Pflichtjahr, aber ohne politische oder militärische Vorzeichen, mit Wahlmöglichkeiten, tarifgemäßer Bezahlung und Garantie für die Erhaltung des Arbeitsplatzes". Evangelische Frauen fordern ein Gesetz, „das ihren Töchtern ein Kampfjahr gegen die Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 66. und 67. Sitzung. Bonn, Freitag, den 15. März 1963 3059 Not der Hilflosen auferlegt. Ein Jurist fordert die gesetzliche Einführung eines sogenannten Familienjahres, um in Anpassung an den Wandel der gesellschaftlichen Struktur die Mädchen auf den künftigen Familienhaushalt vorzubereiten. Professor Thielicke meinte, daß analog der militärischen Dienstpflicht für die männlichen Jugendlichen ein pflegerisches Dienstjahr für die weibliche Jugend eingeführt werden sollte. Die Einbringer des Antrags lehnen zwar ein Pflichtjahr ab, aber nachdem das Pflichtjahr der Vergangenheit oder eine ähnliche Einrichtung immer noch von Interessenten für wünschbar gehalten wird, muß mit allem Nachdruck festgestellt werden, daß die SPD-Fraktion die Einführung eines Pflichtjahres ablehnen wird. Das Grundgesetz verbietet ein Pflichtjahr, und da eine Grundgesetzänderung nur mit den Stimmen der SPD-Fraktion möglich ist, haben wir hierin die beste Gewähr, daß eine diesbezügliche Änderung nicht vorgenommen werden wird. Es ist eine Illusion, zu glauben, daß der Mangel an Pflegerinnen und hauswirtschaftlichen Kräften durch die Einführung eines freiwilligen sozialen Jahres oder eines Pflichtjahres behoben werden kann. Das meinen die Antragsteller gewiß nicht, aber in der Öffentlichkeit könnte dieser Eindruck entstehen. Der Mangel an Pflegekräften hat verschiedene Ursachen, denen unbedingt nachgegangen werden muß, wenn dem Notstand abgeholfen werden soll. Das Heilmittel in einer gesetzlich festgelegten Dienstverpflichtung junger Mädchen zu sehen, beweist die Unkenntnis des tatsächlichen Sachverhalts. Der Mangel an Pflegekräften und hauswirtschaftlichen Hilfen ist nicht allein die Folge unserer wirtschaftlichen Entwicklung, der sozialen Umstrukturierung und der Kriegsauswirkungen. Die Mängel sind ganz wesentlich darin begründet, daß nichts oder zu wenig oder zu spät getan wurde, um die Berufsnotstände gerade dieser Berufszweige zu beseitigen. Die Ausbildung und die Arbeitsbedingungen in den sozialen, pflegerischen und hauswirtschaftlichen Berufen entsprechen noch zu einem großen Teil dem Dienstverhältnis des vorigen Jahrhunderts. Nur wenn diese Berufe modern ausgestattet werden mit einem freien Arbeitsvertrag, mit einer ordentlichen Unterbringung, mit einer guten Bezahlung, werden diese Mangelberufe von den jungen Mädchen im größeren Umfange wieder ergriffen. Der in dem Gesetzentwurf angesprochene freiwillige soziale Dienst stellt den sozialen Einrichtungen nur unausgebildete Kräfte zur Verfügung. Mit dem Einsatz ungelernter Arbeitskräfte wird weder der Mangel an Fachkräften in den Krankenanstalten noch in den Haushalten behoben. Es wäre eine große Chance für die Gesundheitsministerin gewesen, wenn sie der Frage, weshalb der große Mangel an Pflegekräften vorhanden ist, nachgegangen wäre und eine Konzeption entwickelt hätte, wie diese Not mit den modernen Mitteln unserer Gesellschaft und Wirtschaft behoben werden könnte. Mit dem vorliegenden Entwurf wird lediglich eine wirtschaftliche Frage behandelt. Am eigentlichen Problem geht er vorbei. Anlage 11 Schriftliche Antwort der Frau Bundesminister Dr. Schwarzhaupt vom 11. März 1963 auf die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Dr. Kohut Drucksache IV/ 1019, Frage XIII/ 1 Wie viele Leprakranke gibt es in der Bundesrepublik? Nach Mitteilung des Bundesgesundheitsamtes sind in der Bundesrepublik 12 Leprakranke gemeldet. 8 Personen, die zur Zeit nicht ansteckend sind, werden von Fachärzten aus Spezialkliniken laufend beobachtet; 4 Personen sind in stationärer Behandlung. Anlage 12 Schriftliche Antwort des Herrn Staatssekretärs Dr. Carstens vom 14. März 1963 auf die Mündliche Anfrage der Abgeordneten Frau Dr. Hubert Drucksache IV/ 1022, Frage I Welches ist der Stand der Ratifizierung des Europäischen Übereinkommens vom 28. April 1960 über die vorübergehende zollfreie Einfuhr von medizinischem, chirurgischem und Laboratoriumsmaterial, dessen sachliche Prüfung durch die beteiligten Bundesministerien nach Auskunft des Bundesaußenministers vom 29. November 1961 — Drucksache IV/ 40 — in Kürze abgeschlossen werden sollte? Ich darf im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Gesundheitswesen zu Ihrer Frage wie folgt Stellung nehmen: Die sachliche Prüfung des -Übereinkommens durch die beteiligten Bundesressorts ist abgeschlossen. Nach dem Ergebnis dieser sachlichen Prüfung steht der Ratifizierung des Übereinkommens nichts entgegen. Es sind lediglich Schwierigkeiten rechtsförmlicher Art, die bislang eine Hinterlegung der Ratifizierungsurkunde verzögert haben. Die mit dem Übereinkommen bezweckte Zollbefreiung wird dadurch jedoch nicht beeinflußt. Das Übereinkommen wird nämlich schon in der Praxis angewendet. Dies ist dadurch möglich, daß ,die in dem Übereinkommen vorgesehenen Abgabenbefreiungen von der Bundesrepublik auf Grund des § 24 Abs. 1 Nr. 4 des am 1. Januar 1962 in Kraft getretenen Zollgesetzes vom 14. Juni 1961 in Verbindung mit den §§ 64, 117 bis 125 der Allgemeinen Zollordnung vom 29. November 1961 und nach den Verbrauchssteuergesetzen gewährt werden können.
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Hermann Kopf


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es sind 12 Jahre her, seitdem auf Grund des sogenannten Zweiten Neugliederungsgesetzes das Bundesland Baden-Württemberg geschaffen worden ist. Dieses Zweite Neugliederungsgesetz, das die Grundlage dieser Staatsbildung gewesen ist, ist Gegenstand einer lebhaften Kritik geworden und bis auf den heutigen Tag geblieben. Zwar hat das Bundesverfassungsgericht in seinem ersten grundsätzlichen Urteil dieses Gesetz als nicht verfassungswidrig bezeichnet; aber in einem zweiten Urteil vom Jahre 1956 hat sich das Bundesverfassungsgericht erneut mit diesem Gesetz beschäftigt und es an den allgemeinen Grundsätzen der Neugliederung gemessen, wie sie im Grundgesetz verankert sind.
    Es gibt wohl keine treffendere und einschneidendere Kritik an diesem Zweiten Neugliederungsgesetz als die Worte, die das Bundesverfassungsgericht in seinem zweiten Urteil vom 30. Mai 1956 gefunden hat. Das Gericht hat damals in diesem zweiten Urteil geschrieben:
    Das Grundgesetz perhorresziert, weil es das demokratische Prinzip ernst nimmt, die Bildung neuer Länder über den Kopf der Bevölkerung hinweg. Die Zerreißung Gesamt-Badens anläßlich der Bildung der späteren Bundesländer Baden und Württemberg erfolgte ohne Befragung der Bevölkerung.
    Ein zweites Zitat aus diesem Urteil sei gleichfalls wiedergegeben:
    Der Wille der badischen Bevölkerung ist durch die Besonderheit der politisch-geschichtlichen Entwicklung überspielt worden.
    Was ist unter dieser „politisch-geschichtlichen Entwicklung" zu verstehen? Zweifellos auf der einen Seite auch der Tatbestand, daß damals auf Grund des Besatzungsrechts drei Länder im Südwesten Deutschlands bestanden haben; auf der anderen Seite aber auch der Tatbestand, daß das Zweite Neugliederungsgesetz schwere Mängel rechtlicher Art enthalten hat.
    Dann hat das Bundesverfassungsgericht in demselben Urteil folgendes zum Ausdruck gebracht:
    Bei der Abstimmung am 9. Dezember 1951 haben zwei Bevölkerungen, die badische und die württembergische, in der Weise gemeinsam abgestimmt, daß die zahlenmäßig stärkere die schwächere majorisieren konnte. Es war also eine Abstimmung, in der die badische Bevölkerung nicht selbst bestimmen konnte, in welchem staatlichen Verband sie künftig leben wollte. Sie lebt noch immer in einem Gebiet, das ohne Volksabstimmung seine Landeszugehörigkeit geändert hat.
    Ich möchte an folgendem Beispiel deutlich machen, welches die schweren Mängel des Zweiten Neugliederungsgesetzes und damit des Zustandekommens des Bundeslandes Baden-Württemberg gewesen sind. Nehmen wir an — ein hypothetischer Fall —, das Bundesland Schleswig-Holstein käme auf den Gedanken — es kommt natürlich nicht auf den Gedanken —, sich die Stadt Hamburg einzuverleiben, und es würde zu diesem Zweck ein Gesetz des Inhalts eingebracht, daß der Gesamtraum von Schleswig-Holstein und von Hamburg in drei Abstimmungsbezirke zerlegt wird. Dieses Gesetz würde weiterhin bestimmen: Wenn sich in zwei von den drei Bezirken eine Mehrheit für die Zusammenfassung dieser beiden Bundesländer ergibt, dann soll ein neues einheitliches Bundesland Hamburg-Schleswig-Holstein gebildet werden. Wenn dann die Abstimmung käme und die Länder Schleswig und Holstein würden — hypothetisch — für dieses neue Einheitsland stimmen, die Stadt Hamburg aber die Mehrheit nicht gewähren, dann käme trotz der Entscheidung in Hamburg, das die Zusammenlegung mit Schleswig-Holstein abgelehnt hätte, ein neues einheitliches Bundesland Hamburg-Schleswig-Holstein zustande.
    Genau dieses Verfahren, das uns schwer denkbar erscheint, ist im Fall der Bildung des Bundeslandes Baden-Württemberg angewendet worden; denn der Gesamtraum der früheren beiden Länder Baden und Württemberg wurde in vier Abstimmungsbezirke zerlegt. In dreien hat sich eine Mehrheit ergeben, im vierten war eine Mehrheit dagegen. 62 % der südbadischen Bevölkerung waren gegen die Bildung des neuen Bundeslandes, und 52 % der gesamtbadischen Bevölkerung waren gleichfalls dagegen. Trotzdem ist das neue Bundesland gebildet worden.
    Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 66. und 67. Sitzung. Bonn, Freitag, den 15. März 1963 3029
    Dr. Kopf
    Nun hat im Jahre 1956 ein erfolgreiches Volksbegehren im Gebietsteil Baden stattgefunden. 15 % der abstimmungsberechtigten Bevölkerung haben sich in die Listen des Volksbegehrens zugunsten einer Wiederherstellung des Landes Baden eingetragen. Das Grundgesetz sagt aber, wenn in einem Gebiet ein Volksbegehren erfolgreich verläuft, muß ln diesem Gebiet in jedem Falle ein Volksentscheid durchgeführt werden. Das ist eine zwingende Bestimmung, und es ist gar nicht dem Ermessen der Regierung überantwortet, ob dieser Volksentscheid stattfinden soll oder nicht. Das ist keine Frage der diskretionären Entscheidung, sondern das isst grundgesetzlich vorgeschrieben. Der Volksentscheid muß stattfinden.
    Allerdings ist im Jahre 1959 eine Studie des Staatsministeriums in Stuttgart ausgearbeitet worden. Darin heißt es u. a., die Vorlage eines Gesetzentwurfes im gegenwärtigen Zeitpunkt sei nicht angebracht. Der Tätigkeit der Altbadener solle mit politischen, und an einem anderen Ort heißt es: mit psychologischen Maßnahmen entgegengetreten werden. Mit politischen Maßnahmen, aber nicht mit der einfachen rechtlichen Maßnahme, die durch das Grundgesetz zwingend vorgeschrieben war, nämlich durch die Ermöglichung eines Volksentscheides, wie das Gesetz es befiehlt.
    Ich möchte hier ausdrücklich anerkennen, und ich möchte meiner Befriedigung darüber Ausdruck geben, daß, nachdem diese Angelegenheit jahrelang verzögert worden ist, nun der Herr Bundesinnenminister die Initiative ergriffen und einen Gesetzentwurf eingebracht hat, der die Grundlage für einen Volksentscheid in Baden bilden soll. Ich möchte weiterhin zum Ausdruck bringen, daß meine Freunde und ich auch mit einer Reihe wesentlicher Punkte, die in diesem Gesetzentwurf enthalten sind, übereinstimmen.
    Wir stimmen damit überein, daß eine sogenannte Phasenregelung ins Auge gefaßt wird. Der Herr Bundesinnenminister teilt hier unseren Standpunkt, daß es nicht möglich ist, das gesamte deutsche Neugliederungsverfahren in einem Gesetzesakt — uno actu — durchzuführen, sondern daß es hierfür, so wie das Bundesverfassungsgericht es auch zuläßt, einer phasenweisen und sukzessiven Abfolge einzelner Gesetze bedarf.
    Wir stimmen mit dem Herrn Bundesinnenminister auch darin überein, daß der Fall Baden zeitlich vorweggenommen werden soll. Hierfür liegen gute Gründe vor: einmal die Sonderbehandlung, die der Art. 118 des Grundgesetzes dem südwestdeutschen Raum hat angedeihen lassen, und zweitens der Umstand, daß die Volksabstimmung in Baden vom Jahre 1951 an den schweren Mängeln krankt, die vom Bundesverfassungsgericht in so außerordentlich treffender Weise dargestellt worden sind.
    Wir sind auch mit dem Herrn Bundesinnenminister der Auffassung, daß eine weitere Hinausschiebung der Abstimmung in Baden einen schweren Störungsfaktor darstellen würde. Auch für den Fall, daß das jetzige Bundesland Baden-Württemberg bestehenbleiben sollte, liegt es im Interesse einer endgültigen Konsolidierung, den provisorischen Charakter, der ihm anhaftet, abzustreifen und durch einen Volksentscheid seine endgültige Legitimierung sich geben zu lassen.
    Wir stimmen auch weitgehend überein mit der Gesamtkonzeption, die in der Drucksache des Herrn Ministers enthalten ist, allerdings mit einer einzigen Ausnahme. In der Drucksache des Regierungsentwurfs finden sich Ausführungen darüber, daß nach der Auffassung der Regierung das künftige Bild Deutschlands so gestaltet werden soll, daß großräumige Länder vorhanden sein sollen, und es werden eine Reihe solcher großräumiger Länder auch namentlich angeführt. Das Grundgesetz spricht nicht von großräumigen Ländern, sondern es geht von einem ganz anderen Begriff aus: der Lebensfähigkeit. Wir sind der Meinung, daß dieser Begriff der Lebensfähigkeit auch im Falle der Neugliederung des Südwestraums Anwendung finden soll, und wir stellen die Frage, wie mit dem Prinzip der Schaffung großräumiger Länder die Fortexistenz der Stadtstaaten Hamburg und Bremen vereinbar ist, die ganz bestimmt wichtige Länder im Gefüge der Bundesrepublik darstellen, aber keineswegs als großräumige Länder bezeichnet werden können. Ich glaube, daß aber in diesem Haus alle damit einverstanden sind, daß gerade diese beiden so wichtigen Länder mit ihrem Sonderstatus als Länder im föderalen Verband der Bundesrepublik auch künftig weiterbestehen sollen, und zwar auch dann, wenn sie dem Erfordernis des Regierungsentwurfs, nämlich der Großräumigkeit, nicht entsprechen sollten.
    Gegen die Vorlage des Bundesinnenministeriums erhebt sich ein sehr gewichtiger Einwand, und ich räume ohne weiteres ein, daß dieser Einwand sich auch gegen unseren eigenen Initiativantrag nicht mit Unrecht geltend machen ließe. Es erhebt sich nämlich die Frage: Sind der Bundestag, der Bundesrat und die Bundesregierung nicht dann überfordert, wenn man von ihnen eine materielle Regelung der Landeszugehörigkeit eines Gebietsteiles verlangen soll, über dessen künftiges Schicksal zunächst einmal die beteiligte Bevölkerung selber befragt werden soll? — Da sind wir allerdings der Meinung, daß nur eine intime Kenntnis der regionalen und lokalen Verhältnisse es gestattet, hier eine Regelung, der künftigen Landeszugehörigkeit vorzunehmen, und daß das wichtigste Element, von dem der Bundesgesetzgeber Kenntnis nehmen müßte, der Wille der zum Volksentscheid berufenen Bevölkerung selbst darstellt.
    Wir möchten ferner auf einen weiteren Einwand nicht verzichten. Wir befürchten, daß die Lösung, die der Entwurf des Herrn Bundesinnenministers vorsieht, nämlich die Regelung einer Aufrechterhaltung des jetzigen Bundeslandes Baden-Württemberg, eine Suggestivwirkung auf die abstimmungsberechtigte Wählerschaft ausübt; denn hier treffen ja bereits die Bundesregierung und der Bundestag eine Vorentscheidung. Hier wird eine Frage präjudiziert, die erst von der Bevölkerung selbst beantwortet werden soll. Gerade dieses Moment der Präjudizierung und der Suggestivwirkung einer Frage, die ja erst noch
    3030 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 66. und 67. Sitzung. Bonn, Freitag, den 15. März 1963
    Dr. Kopf
    einer Antwort durch das Volk selber bedarf, ist ein Moment, das unbedingt vermieden werden soll.
    In einem Dokument, das in dem Grünen Buch über die Bildung des Südweststaates enthalten ist, sind die sogenannten Freudenstädter Beschlüsse abgedruckt. Sie bringen folgendes zum Ausdruck:
    Abstimmungsverfahren und Fragestellung sind so zu gestalten, daß der Wille der Abstimmungsberechtigten klar und unverfälscht zum Ausdruck kommt und daß keine der vorhandenen Auffassungen von vornherein bevorzugt oder benachteiligt wird.
    Wir befürchten, daß, wenn der Bundesgesetzgeber der Bevölkerung bereits eine fertige Lösung vorschreibt, nämlich das jetzige Bundesland zu erhalten, gerade diese Erfordernisse der Freudenstädter Beschlüsse nicht gewährleistet sind, daß im Gegenteil die von einem solchen Entschluß des Gesetzgebers ausgehende Suggestivwirkung von vornherein die vorhandenen Auffassungen bevorzugt oder benachteiligt; und gerade das sollte ja vermieden werden.
    Wir müssen schließlich auch auf die ernsten rechtlichen Folgen hinweisen, die sich dann, wenn der Regierungsentwurf Gesetz würde, ergeben würden, wenn die badische Bevölkerung die ihr vorgeschlagene Lösung, das jetzige Bundesland aufrechtzuerhalten, verneinen sollte. In diesem Falle wäre nach dem Grundgesetz wiederum keine endgültige Lösung geschaffen; in diesem Falle müßte die Bundesregierung erneut einen Gesetzentwurf einbringen;
    das gesamte Bundesvolk wäre befugt, über diesen Gesetzentwurf abzustimmen, und es würde sich erneut die Problematik ergeben: Ist das Bundesvolk wirklich in der Lage, über das Schicksal eines Gebietsteils eine endgültige Entscheidung im Wege eines Volksentscheids zu erbringen, die doch der Natur der Sache nach in erster Linie von der Bevölkerung dieses Gebietsteils selber getroffen werden müßte?
    Wenn ich nun ein Wort zu unserem eigenen Initiativantrag sage, so möchte ich eine Vorbemerkung machen. „Neugliederung" im Sinne des Grundgesetzes bedeutet nicht eine bloße Neueinteilung vpn Verwaltungsbezirken nach rationalen Gesichtspunkten. In einem unitarischen Lande, beispielsweise unserem Nachbarland, wäre eine Neueinteilung der Departemente bestimmt eine Maßnahme, die nach solchen rationalen Gesichtspunkten der Zweckmäßigkeit und Opportunität durchgeführt werden könnte. Aber Neugliederung im Förderalstaat ist etwas ganz anderes. Eine solche Neugliederung muß dem Kriterium der Gliedhaftigkeit jedes Gliedstaates Rechnung tragen, und der Artikel 29 des Grundgesetzes gibt Auskunft darüber, daß bei dieser Neugliederung zu berücksichtigen sind die landsmannschaftliche Verbundenheit, die geschichtlichen und kulturellen Zusammenhänge, die wirtschaftliche Zweckmäßigkeit und das soziale Gefüge — alles Tatbestände und Elemente, die bei einer nur rationalen Grenzziehung nicht ohne weiteres ihre volle Berücksichtigung finden könnten.
    150 Jahre lang, mehr als das, hat dieses Land Baden bestanden als ein demokratischer Staat mit einem gut funktionierenden, ja sogar einem vorbildlichen parlamentarischen System. 150 Jahre politischer Zusammenarbeit der Teile der badischen Bevölkerung haben in diesem Land ein Staatsgefühl erzeugt und ein Staatsvolk geschaffen. Wenn das Land Bayern sich als „Freistaat" bezeichnet hat, so kommt in dieser Wahl der Terminologie zum Ausdruck, daß auch nach unserem heutigen Grundgesetz unseren Ländern noch immer der staatsrechtliche Charakter eines Staates innewohnt. Entscheidend dafür, daß nach unserem Initiativantrag das Land Baden wiedererstehen soll, ist vor allem der politische Gesichtspunkt, daß dieses badische Volk, das in 150jähriger Tradition und Geschichte trotz der ursprünglichen Verschiedenartigkeit seiner stammesmäßigen Bestandteile zusammengewachsen ist, seine Angelegenheiten selbst verwalten will.
    Wenn uns vielleicht vorgehalten werden sollte, daß in unserem Entwurf nicht die so oft berufene Gesamtkonzeption enthalten sei, so möchte ich dazu folgendes sagen. Einmal ist diese sogenannte Gesamtkonzeption — auch diese Frage hat im 2. und 3. Bundestag in den Ausschüssen eine große Rolle gespielt — dann gar nicht erforderlich, wenn es sich um den Südwestraum handelt. Sie ist deshalb nicht erforderlich, weil die Neugliederung des Südwestraumes in Art. 118 des Grundgesetzes eine Sonderbehandlung gefunden hat, weil dieser Südwestraum aus dem allgemeinen Neugliederungsgesetz ausgespart wurde und wegen der besonderen damals vorhandenen politischen Umstände eine besonders eilbedürftige Neugliederung erfahren sollte. Man kann diese These, die ich vertrete, daß die Gesamtkonzeption für unseren Fall Baden nicht erforderlich ist, auf Seite 42 des Rechtsgutachtens des Universitätsprofessors Dr. Friedrich Klein in Münster nachlesen, das im Auftrag der Landesregierung Baden-Württemberg erstattet worden ist.
    Ich möchte aber auch ein Wort über den merkwürdigen Tatbestand sagen, wie bei der Bildung des jetzigen Bundeslandes Baden-Württemberg Vertreter verschiedener und — ich möchte sagen — konträrer Richtungen zu einem gemeinsamen Ergebnis zusammengewirkt haben. Ich verstehe darunter die Mitarbeit von Kräften, welche ihrer Grundeinstellung nach gar nicht Föderalisten, sondern Unitaristen sind auf der einen Seite und von Föderalisten, die es wirklich sind, auf der anderen Seite. Die Unitaristen haben sich von der Schaffung eines größeren Landes die Erreichung einer Etappe auf dem Wege zum Einheitsstaat versprochen. Die Föderalisten wünschten auch ein vergrößertes neues Bundesland.
    Was die Unitaristen angeht, so möchte ich zu ihnen doch noch ein Wort sagen, und ich sage es als bewußter und betonter Föderalist. Im Süden Deutschlands haben 150 Jahre lang lebensfähige Länder bestanden — Bayern, Württemberg und Baden —, und alle drei Länder haben ein gut funktionierendes parlamentarisches System entwickelt. In ihren Bevölkerungen hat sich das Gefühl der innerstaatlichen Verbundenheit entwickelt. Ich weiß, daß das für Deutsche sehr schwer zu verstehen ist, die nicht in dem Bereich dieser gliedstaatlichen Länder
    Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 66. und 67. Sitzung. Bonn, Freitag, den 15. März 1963 3031
    Dr. Kopf
    aufgewachsen sind. Ich habe immer sehr viel Bewunderung für die Autonomie der preußischen Provinzen gehabt. Ich weiß, daß ihr Verwaltungsapparat und der Apparat der Körperschaften in vielen Provinzen in einer anerkennenswerten Weise große Leistungen erbracht haben. Ich bitte aber auch diejenigen Kollegen, die nicht dem Süden Deutschlands, die nicht diesen drei Ländern entstammen, Verständnis dafür zu haben, daß eine derartige 150jährige Geschichte nicht ohne Folgen auf die Grundeinstellung bleibt und daß die Bevölkerung, die durch Generationen hindurch dieser parlamentarischen Rechte in ihren Gliedstaaten teilhaftig war, Wert darauf legt, auch im neuen Föderalstaat der Bundesrepublik in einem Gliedstaat ihre Aufgaben als Volk dieses Gliedstaates voll zu erfüllen.
    Meine Damen und Herren, ich komme zum letzten Abschnitt meiner Ausführungen. Es liegen Ihnen zwei Entwürfe mit widersprechenden Forderungen vor: der Regierungsentwurf, der das jetzige Bundesland Baden-Württemberg aufrechterhalten möchte, und der Entwurf meiner Freunde, der die Wiederherstellung des Landes Baden vorsieht. Aber eine Schwäche ist beiden Entwürfen gemeinsam, daß nämlich in beiden Fällen eine Lösung präjudiziert, suggeriert und oktroyiert wird. Was wir wollen, ist, daß die Bevölkerung des Gebietsteils Baden in die Lage versetzt wird, in einer Alternative eine Entscheidung auszuüben zwischen zwei ihr durch das Gesetz gewährten Möglichkeiten. Wir wünschen, daß der Bevölkerung nicht eine fertige, von Bundesregierung und Parlament ausgearbeitete Lösung präsentiert wird, zu der sie nur ja oder nein zu sagen hat. Wir wünschen vielmehr, daß sich dieses badische Volk selbst entscheiden soll. Bei dieser Forderung können wir uns stützen auf die Bekundungen namhafter Völkerrechtslehrer, und ich will die eine oder andere Äußerung von ihnen wiedergeben.
    Herr Professor Maunz, derzeitiger Kultusminister des Landes Bayern, schreibt:
    Das Grundgesetz will keine bloße Akklamation, sondern eine echte Wahlmöglichkeit der Abstimmenden zwischen zwei denkbaren Wegen, es will keine bloße Bestätigungsfrage, sondern eine Alternativfrage.
    Herr Professor Neumayer, Lausanne, der dem Gutachtergremium, das vom Innenministerium bestellt war, angehört hat, schreibt in seinem Gutachten:
    Ein Referendum, bei dem den Abstimmenden angesonnen wird, nicht eine noch offene Frage zu beantworten, sondern in eine ohne ihre Zustimmung getroffene und vollzogene Entscheidung nachträglich einzuwilligen, bietet keine gleichwertige, sondern nur eine scheinbare Alternative.
    Und Herr Professor Klein, Münster, schreibt in dem Gutachten, das er für die Landesregierung Baden-Württemberg erstattet hat, auf Seite 53 folgendes:
    Eine wirklich gerechte, tendenzfreie Fragestellung sollte beiden Meinungen die Möglichkeit geben, ihren Willen auch mit einem Ja zu bekunden. Dementsprechend kommt als gerechte Fragestellung nur die Stellung von zwei Fragen in Betracht.
    Wir sind also in die gleiche Lage versetzt, in der in der Zeit der Geltung des Corpus Juris Civilis die Römer und Byzantiner gewesen sind, wenn von maßgebenden Vertretern der Staatsrechtslehre verschiedene Meinungen vertreten worden sind. Sie haben diese Meinungen nebeneinandergestellt und haben sozusagen auf schriftlichem Wege eine Abstimmung zwischen den Zitaten dieser Autoritäten vorgenommen. Wir brauchen hier gar keine derartige Abstimmung vorzunehmen; denn diese drei Autoritäten stimmen vollkommen überein. Und was besagen sie? — Doch nur eines: daß eine wirklich gerechte Abstimmung sich nur dann erzielen läßt, wenn dem Wähler, wenn der beteiligten Bevölkerung eine Wahl zwischen zwei Möglichkeiten gewährt wird, die durch das Gesetz vorgeschrieben sein müssen, wenn also der Wähler nicht darauf beschränkt ist, einen faktischen Zustand, der bereits besteht, durch ein Ja bestätigen zu müssen oder durch ein Nein ablehnen zu sollen, sondern wenn ihm wirklich die beiden vorhandenen Lösungsmöglichkeiten zur Entscheidung vorgelegt werden.
    Unser dringender Wunsch geht deshalb dahin, daß diese Alternative bei den weiteren Beratungen gefunden werden kann. Wir haben auch schon im 2. und 3. Bundestag die Auffassung vertreten, daß diese alternative Fragestellung notwendig ist.
    Darüber hinaus haben wir aber auch die Meinung vertreten, daß die Alternativfrage schon mit dem jetzigen Grundgesetz vereinbar ist. Ich freue mich, daß der vor wenigen Wochen erschienene neue Kommentar von Maunz - Dürig sich zwar diese unsere Auffassung nicht zu eigen macht, aber sie entschieden mit eigenen Argumenten als seine eigene Auffassung ausdrückt. „In jedem Fall" — schreibt dieser Kommentar von Maunz-Dürig — „kann der Gesetzgeber in dem Gesetz selbst bestimmen — und er muß es notfalls bestimmen —, daß die Landeszugehörigkeit eines Gebietes von einer Entscheidung des Gebietsvolks zwischen zwei Möglichkeiten abhängt."
    Das ist genau diejenige Auffassung, die wir im 2. und 3. Bundestag — im 2. mit Erfolg, im 3. mit Mißerfolg — ständig vertreten haben. Sollten aber die Mehrheiten in den zuständigen Ausschüssen dieses Hauses zu dem Ergebnis kommen, daß sie sich diese Auffassung nicht zu eigen machen können, so bitte ich, doch ernstlich in Erwägung zu ziehen, ob eine Änderung des Grundgesetzes ins Auge gefaßt werden soll, eine Grundgesetzänderung, die es ermöglicht, daß diese alternative Fragestellung für den Wähler eröffnet wird.
    Ich möchte hier ausdrücklich anerkennen, daß der Ministerpräsident des Landes Baden-Württemberg bei wiederholten Bekundungen die Auffassung vertreten hat, eine derartige Änderung des Grundgesetzes, die eine Alternativfrage zuläßt, sei erstrebenswert. Er hat allerdings diese seine Auffassung
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    Dr. Kopf
    mit dem Zusatz vertreten: es sei notwendig, eine Art von Quorum in den Änderungstext einzuschalten in der Weise, daß sich 50 % der Abstimmungsberechtigten an der Abstimmung beteiligen müßten. Wir waren nicht in der Lage, bei den Gesprächen, die wir geführt haben, dieses Quorum als berechtigt anzuerkennen. Zwar hat ein solches Quorum in der Weimarer Verfassung im Falle von Neugliederungen bestanden, aber gerade dieses Quorum hat — das ist mir von Kennern der Weimarer Demokratie in den letzten Wochen bestätigt worden — jede wirksame Neugliederung zur Zeit der Weimarer Republik vereitelt. Es war das Haupthindernis, das einer sinnvollen Neugestaltung oder Neugliederung im Wege stand.
    Schließlich kann ich mich gerade in der Frage des Quorums auf einen Kronzeugen berufen, der sich dazu wie folgt — ich zitiere wörtlich — geäußert hat:
    Weiter haben wir natürlich erhebliche Bedenken dagegen, daß es nun bei einer Befragung auf die Mehrheit der Stimmberechtigten abgestellt wird; denn das würde nach meiner bescheidenen Auffassung ein durchaus undemokratisches Verfahren sein. Wir würden hier einen Abstimmungsfall erleben, wie ich ihn in der Geschichte demokratischer Abstimmungen noch nicht kennengelernt habe.
    Ich möchte jedes Wort dieses Kronzeugen, der damals, wie er sagte, seine „bescheidene Auffassung"
    zum Ausdruck brachte, unterzeichnen. Es ist kein
    Geringerer . als der Herr Ministerpräsident Kiesinger, damals Bundestagsabgeordneter, der am 10. Januar 1951 diese Worte von diesem Pult im Deutschen Bundestag gesprochen hat.
    Die letzte Frage, die an uns, die Unterzeichner ,des Antrages, gerichtet wird, lautet: Warum kämpft ihr nun seit zwölf Jahren für diese badische Frage? Warum wollt ihr nun unbedingt etwas, was vergangen ist, wiederherstellen? Seid ihr Freunde einer antiquierten und anachronistischen Restauration? Ist es nicht eine Donquichotterie? Kämpft ihr nicht gegen Windmühlenflügel, oder habt ihr die Haltung eines Michael Kohlhaas?
    Meine Damen und Herren, ich möchte diese Frage ganz einfach beantworten. Es ist wahr, daß wir für das Recht kämpfen. Wir kämpfen deshalb, weil es sich um das Recht handelt. Als die badische Frage im Landtag des Landes Baden-Württemberg in Stuttgart behandelt wurde, hat einer meiner dortigen Kollegen die Worte des schwäbischen Landtagsabgeordneten Ludwig Uhland zitiert, die lauten:
    Nach dem lang entbehrten Korne, Nach dem lang ersehnten Wein Bringt dies Jahr in seinem Horne Das alte gute Recht herein.
    Aber es fragt sich, ob dieses alte gute Recht auch das neue lebendige und wirksame Recht ist. Da glaube ich allerdings, auf zwei wesentliche rechtliche Gesichtspunkte hinweisen zu sollen, die unabdingbare Bestandteile unseres geltenden Staats- und Verfassungsrechts sind.

    Das eine Prinzip ist das Prinzip der Selbstbestimmung. Es mag zutreffen, daß dieses Prinzip, dessen totale Geltung in der ganzen Welt heute anerkannt worden ist, im Gebiete eines staatsrechtlichen Binnenraums nur eine limitierte Geltung haben kann. Aber es ist ebenso wahr, daß wir uns auf dieses Selbstbestimmungsrecht dann berufen, wenn es sich um Deutschland und insbesondere um Deutschland jenseits des Eisernen Vorhangs handelt. Ich glaube, es gilt der Rechtsgrundsatz, daß ein Volk, wenn es bestimmte Forderungen aufstellt, die außerhalb des Geltungsbereiches seines Gesetzes vollzogen werden sollen, dartun muß, daß es gewillt ist, diesen Forderungen auch in seinem eigenen Gebietsraum in vollem Umfang Rechnung zu tragen. Das Selbstbestimmungsrecht ist aber gerade auch in Art. 29 des Grundgesetzes in den gesetzlichen Schranken dieses Artikels als ein formendes Prinzip der Neugliederung anerkannt worden.
    Der zweite Gesichtspunkt ist folgender: Wir haben durch die Schaffung des Grundgesetzes einen Rechtsstaat geschaffen. Wir leben in einem Rechtsstaat, und wir wollen diesen Rechtsstaat aufrecht erhalten. Das bedeutet, daß wir für den Vollzug der staatlichen Funktionen ein rechtlich einwandfreies Verfahren wünschen und daß wir dann, wenn grobe Verfahrensmängel vorliegen — hier liegen die Verfahrensmängel vor, die im zweiten Urteil des Bundesverfassungsgerichts gerügt worden sind —, eine Heilung dieser Verfahrensmängel wünschen. Das ist der Grund, der uns diese zwölf Jahre hindurch gestützt und begleitet hat. Wir wünschen, daß in der Schaffung gerechter und fairer Abstimmungsbedingungen dieser rechtsstaatliche Charakter unserer Bundesrepublik manifest wird.
    Meine Damen und Herren, ich beantrage, daß die beiden Gesetzentwürfe an den Rechtsausschuß — federführend — und an den Ausschuß für Inneres — mitberatend — überwiesen werden. Warum an den Rechtsausschuß federführend? Dieser Rechtsausschuß war auch im 3. Bundestag der federführende Ausschuß. So entspricht die Überweisung an ihn der Praxis des 3. Bundestages. Dieser Ausschuß hat sich bei seiner Gründung aber auch als Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht benannt. Die Frage der Neugliederung ist eine eminent verfassungsrechtliche Frage. Sie ist eine Frage schwierigster Art mit zahlreichen juristischen Komplikationen. Wer die Protokolle des Rechtsausschusses des 2. und 3. Bundestages nachliest, wird erstaunt sein über die latenten und manifesten Schwierigkeiten, die sich bei der Behandlung dieser schwierigen Rechtsprobleme ergeben haben. So nötigt die Natur der Sache wiederum dazu, einen Gegenstand, der dem Verfassungsrecht angehört, dem Ausschuß zuzuweisen, der für die Fragen des Verfassungsrechts kompetent ist.
    Wir wünschen aber weiterhin, daß dieser zuständige Ausschuß die rechtlichen Möglichkeiten prüft, die es gestatten würden, eine alternative Fragestellung in die Wege zu leiten, sei es ohne Grundgesetzänderung, sei es mit Grundgesetzänderung. Wiederum sind dies verfassungsrechtliche Probleme. Wenn eine Grundgesetzänderung in Erwägung ge-
    Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 66. und 67. Sitzung. Bonn, Freitag, den 15. März 1963 3033
    Dr. Kopf
    zogen werden sollte, so ist wiederum — wie für jede Grundgesetzänderung — der Rechtsausschuß der federführende Ausschuß.


Rede von Erwin Schoettle
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Karl Wittrock


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Kollege Kopf, sind Sie sich im klaren darüber, daß es wohl kaum im Rahmen der Aufgabenstellung des Rechtsausschusses liegen kann, über die Beratung einer überwiesenen Vorlage hinausgehend nun eine doch letzten Endes politische Initiative dahin gehend zu ergreifen, daß man dem Hause nun etwa eine Verfassungsänderung vorschlägt?

    (Zuruf von der Mitte: Hat es schon einmal gegeben!)