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ID0406016300

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    Deutscher Bundestag 60. Sitzung Bonn, den 13. Februar 1963 Inhalt: Nachruf auf den Abg. Altmaier Vizepräsident Dr. Schmid . . . 2677 A Zur Tagesordnung Wilhelm (SPD) 2678 B Dürr (FDP) 2678 C Fragestunde (Drucksache IV/958) Fragen des Abg. Dr. Tamblé: Hilfe der Bundeswehr bei dem Flugzeugunglück in Riesenbeck Hopf, Staatssekretär 2679 A, B Dr. Tamblé (SPD) . . . . . . 2679 B Frage des Abg. Bauer (Würzburg) : Wahlinserat in einer süddeutschen Zeitung Dr. Schröder, Bundesminister . . 2679 B, C Bauer (Würzburg) (SPD) 2679 C Frage des Abg. Bauer (Würzburg) : Entschädigung der durch den „Brandaris"-Komplex betroffenen Personen Dr. Schröder, Bundesminister . . . 2679 D, 2680 A Bauer (Würzburg) (SPD) . . . . 2679 C, D Frage des Abg. Liehr: Aufsichtskräfte im Jugendstrafvollzug Dr. Bucher, Bundesminister . . . 2680 A, B Liehr (SPD) 2680 B Frage des Abg. Bauer (Würzburg) : Hilfe für die Obsterzeuger Grund, Staatssekretär . . . 2680 B, C, D Bauer (Würzburg) (SPD) . . . . 2680 B, D Frage des Abg. Jahn: Entwurf einer Finanzgerichtsordnung Grund, Staatssekretär 2681 A Wittrock (SPD) 2681 A Frage des Abg. Wächter: Landabsatz der Zechenhandelsgesellschaften Dr. Westrick, Staatssekretär . . 2681 B, C Wächter (FDP) 2681 C Frage des Abg. Reichmann: Kälbermastfuttermittel aus den Niederlanden Schwarz, Bundesminister . . . . 2681 D Frage des Abg. Reichmann: Übervorteilung der deutschen Milchwirtschaft Schwarz, Bundesminister . . . . 2682 B Frage des Abg. Dr. Kohut: Ansteckende Krankheiten durch ausländische Arbeitskräfte Dr. Claussen, Staatssekretär . . . 2682 B II Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 60. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 13. Februar 1963 Frage des Abg. Hammersen: Verkauf von unbebauten bundeseigenen Grundstücken . . . . . . . . 2682 C Frage des Abg. Ritzel: Presseberichte betr. Ärzteüberschuß Frau Dr. Schwarzhaupt, Bundesminister 2682 C, D Ritzel (SPD) 2682 C, D Frage des Abg. Ritzel: Medizinstudium Frau Dr. Schwarzhaupt, Bundesminister . 2682 D, 2683 A, B, C Ritzel (SPD) 2683 A, B Frau Dr. Hubert (SPD) 2683 B Frage des Abg. Dr. Mommer: Leitplanken auf der Bundesstraße 27 Dr.-Ing. Seebohm, Bundesminister . . 2683 D, 2684 B, C Dr. Mommer (SPD) 2684 B, C Frage des Abg. Dr. Mommer: Benutzung von Raucher- und Nichtraucherabteilen in Nahverkehrszügen Dr.-Ing. Seebohm, Bundesminister . . . 2684 D 2685 A Dr. Mommer (SPD) 2685 A Frage des Abg. Schmidt (Kempten) : Fahrstrecke des Schnellzugpaars D 94/95 Dr.-Ing. Seebohm, Bundesminister 2685 B, C, D Schmidt (Kempten) (FDP) . . . 2685 C Fragen des Abg. Schmidt (Kempten) : Heizungsanlagen in Reisezugwagen Dr.-Ing. Seebohm, Bundesminister . . 2685 D, 2686 C, D Schmidt (Kempten) (FDP) . . . . 2686 D Frage des Abg. Gewandt: Verbilligter Flugdienst Hamburg—Frankfurt (Main) Dr.-Ing. Seebohm, Bundesminister . . 2686 D, 2687 A, B Gewandt (CDU/CSU) 2687 A Haase (Kassel) (CDU/CSU) . . . 2687 B Frage des Abg. Dr. Tamblé: Ursachen des Flugzeugabsturzes in Riesenbeck Dr.-Ing. Seebohm, Bundesminister 2687 C Frage des Abg. Wischnewski: Nordbrücke in Köln Dr.-Ing. Seebohm, Bundesminister . . 2687 D, 2688 A Wischnewski (SPD) 2688 A Frage des Abg. Wischnewski: Autobahn Köln—Aachen Dr.-Ing. Seebohm, Bundesminister 2688 A Frage des Abg. Gerlach: Bundesfernstraßenbau Dr.-Ing. Seebohm, Bundesminister . . 2688 B, D, 2689 A Gerlach (SPD) 2688 D Langebeck (SPD) 2689 A Sammelübersicht 14 des Petitionsausschusses über Anträge zu Petitionen (Drucksache IV/950) 2689 B Entwurf eines Ersten Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Atomgesetzes (Drucksache IV/966) — Erste Beratung — 2689 B Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Allgemeinen Kriegsfolgengesetzes (Abg. Dr. Vogel, Schoettle, Dr. Emde u. Gen.) (Drucksache IV/686) — Erste Beratung — 2689 C Große Anfrage betr. Wissenschaftsförderung (SPD) (Drucksache IV/735) Lohmar (SPD) 2689 C Lenz, Bundesminister . . 2696 A, 2720 A Goppel, Ministerpräsident des Lan- des Bayern 2700 D Dr. Martin (CDU/CSU) 2704 A Dr. Frede (SPD) . 2707 B Dr. Hellige (FDP) 2710 D Dr.-Ing. Balke (CDU/CSU) . . . 2713 B Dehnkamp, Senator der Freien Hansestadt Bremen . . . . . . 2715 D Dr. Kübler (SPD) 2717 A Dr. Hahn (Heidelberg) (CDU/CSU) 2718 C Aussprache über den Bericht der Bundesregierung über die Lage der Landwirtschaft gemäß §§ 4 und 5 des Landwirtschaftsgesetzes (Drucksachen IV/940, zu 940) ; in Verbindung mit der Großen Anfrage betr. gemeinsame Agrarpolitik in der EWG (FDP, CDU/CSU) (Drucksache IV/742) ; dem Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 60. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 13. Februar 1963 III Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über eine Altershilfe für Landwirte (SPD) (Drucksache IV/901) — Erste Beratung — und dem Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über eine Altershilfe für Landwirte (CDU/CSU, FDP) (Drucksache IV/ 904) — Erste Beratung — Schwarz, Bundesminister . 2667 B 2720 D Struve (CDU/CSU) 2722 B Dr. Schmidt (Gellersen) (SPD) . . 2727 D Dr. Effertz (FDP) . . . . . . . 2731 D Lücker (München) (CDU/CSU) . . 2738 D Bading (SPD) 2744 C Logemann (FDP) . . . . . . . 2750 C Schmidt (Würgendorf) (SPD) . . 2755 A Marquardt (SPD) . . . . . . 2756 C Berberich (CDU/CSU) 2757 D Frehsee (SPD) . . . . . . . 2760 A Ertl (FDP) . . . . . . . . . 2766 A Nächste Sitzung 2770 C Anlagen 2771 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 60. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 13. Februar 1963 2677 60. Sitzung Bonn, den 13. Februar 1963 Stenographischer Bericht Beginn: 9.03 Uhr
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    *) Siehe Anlage 11 Deutscher Bundestag - 4. Wahlperiode — 60. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 13. Februar 1963 2771 Anlagen zum Stenographischen Bericht Anlage 1 Liste der beurlaubten Abgeordneten Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich a) Beurlaubungen Dr. Arndt (Berlin) 16. 2. Dr. Atzenroth 13. 2. Dr. Dr. h. c. Baade 15. 2. Fürst von Bismarck 22. 2. Dr. Böhm (Frankfurt) 13. 2. Dr. Danz 14. 2. Dopatka 21. 2. Dr. Dörinkel 20. 2. Dr. Dr. h. c. Dresbach 31. 3. Ehren 15. 2. Figgen 20. 4. Funk (Neuses am Sand) 16. 2. Gaßmann 15. 2. Gedat 15. 2. Gerns 13. 2. Freiherr zu Guttenberg 15. 2. Hammersen 15. 2. Harnischfeger 15. 2. Hauffe 28. 2. Katzer 28. 2. Frau Kipp-Kaule 15. 2. Klein (Saarbrücken) 15. 2. Kohlberger 15. 2. Kraus 13. 2. Dr. Krümmer 15. 2. Kühn (Hildesheim) 16. 2. Kühn (Köln) 13. 2. Kurlbaum 13. 2. Leber 15. 2. Lemmer 28. 2. Lenz (Bremerhaven) 15. 2. Leonhard 15. 2. Dr. Löbe 1. 3. Majonica 13. 2. Mattick 15. 2. Frau Dr. Maxsein 15. 2. Dr. h. c. Dr.-Ing. E. h. Möller 15. 2. Müller (Berlin) 28. 2. Müller (Nordenham) 2. 3. Nellen 15. 2. Neubauer 17. 2. Neumann (Allensbach) 15. 2. Neumann (Berlin) 23. 2. Oetzel 28. 2. Frau Dr. Pannhoff 15. 2. Pöhler 15. 2. Rademacher 13. 2. Ramms 15. 2. Dr. Reischl 15. 2. Richarts 13. 2. Ruf 16. 2. Sander 15. 2. Dr. Schmidt (Offenbach) 13. 2. Schoettle 15. 2. Seither 11. 3. Dr. Stammberger 28. 2. Dr. Starke 13. 2. Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich Stein 13. 2. Steinhoff 15. 2. Dr. Steinmetz 15. 2. Strauß 18. 3. Dr. Supf 13. 2. Urban 15. 2. Frau Vietje 15. 2. Dr. Wahl 28. 2. Wegener 14. 2. Frau Welter (Aachen) 13. 2. Werner 24. 2. Wittmer-Eigenbrodt 16. 2. b) Urlaubsanträge Dr. Wuermeling 1. 3. Wullenhaupt 19. 2. Anlage 2 Umdruck 177 Antrag der Fraktion der SPD zur Großen Anfrage der Fraktion der SPD — Drucksache IV/735 — betreffend Wissenschaftsförderung. Der Bundestag wolle beschließen: Der Bundeskanzler wird ersucht, dem Bundesminister für wissenschaftliche Forschung die Zuständigkeit in allen Fragen und Arbeitsbereichen, die mit der Förderung der wissenschaftlichen Forschung zusammenhängen, zu übertragen. Die Bundesregierung wird ersucht, in Zusammenarbeit mit den Ländern 1. die Richtlinien über die Vergabe von Stipendien nach dem Honnefer Modell so zu ändern, daß sie dem Bedarf der Studierenden entsprechen und eine Ausweitung des zu fördernden Personenkreises ermöglichen; 2. den Ausbau der wissenschaftlichen Hochschulen und Forschungseinrichtungen, insbesondere die Neugründung von Universitäten und medizinischen Akademien, zu beschleunigen und entsprechende Baumaßnahmen von restriktiven Anordnungen zur Dämpfung der Baukonjunktur auszunehmen; 3. sich dafür einzusetzen, daß das Max-Planck-Institut für Bildungsforschung seine Arbeit alsbald aufnehmen kann und daß das Statistische Bundesamt in die Lage versetzt wird, die notwendigen statistischen Unterlagen über das Bildungswesen zu erstellen; 4. unverzüglich zu prüfen, wie — nach dem Beispiel des Wissenschaftsrates — für das Bildungswesen außerhalb der wissenschaftlichen Hochschulen ein Deutscher Bildungsrat geschaffen werden kann, der die Bildungspolitik der Bundesländer planend und koordinierend klärt und als politische Repräsentanz in allen Bildungsfragen dem Ausland gegenüber in Erscheinung tritt. 2772 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 60. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 13. Februar 1963 Die Bundesregierung wird ersucht, 1. auf eine baldige Annahme des Verwaltungsabkommens zwischen Bund und Ländern zur Förderung kulturpolitischer Aufgaben hinzuwirken; 2. nach Artikel 74 Nr. 13 GG ein Gesetz zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung vorzulegen; 3. mit dem Entwurf des Bundeshaushaltsplans jährlich einen Bericht an den Deutschen Bundestag über den Stand der Entwicklung der Wissenschaften in Deutschland vorzulegen. Die Selbstverwaltungsorgane der Wissenschaft sind vor der Abfassung des Jahresberichts zu hören. Der Jahresbericht soll die Ziele einer finanziell und sachlich langfristig geplanten Wissenschaftspolitik darlegen; 4. das Abkommen über die Bildung des Wissenschaftsrates zu verlängern. Bonn, den 12. Februar 1963 Ollenhauer und Fraktion Anlage 3 Umdruck 183 Antrag der Fraktionen der CDU/CSU, FDP zur Großen Anfrage der Fraktion der SPD — Drucksache IV/735 — betreffend Wissenschaftsförderung. Der Bundestag wolle beschließen: 1. Der Bundestag würdigt die bisherige Arbeit des Wissenschaftsrates, der in fruchtbarer Zusammenarbeit von Bund und Ländern, Wissenschaft und Wirtschaft zu ersten bedeutsamen Ergebnissen im Ausbau der wissenschaftlichen Hochschulen geführt hat. Er ersucht die Bundesregierung, dem Wissenschaftsrat die Voraussetzungen dafür zu schaffen, daß für die nächste Periode des Ausbaus und für die Neugründung rechtzeitig neue Empfehlungen vorgelegt werden können. 2. Der Bundestag fordert die Bundesregierung auf, den Wissenschaftsrat zu ersuchen, im Benehmen mit der westdeutschen Rektorenkonferenz und der deutschen Forschungsgemeinschaft Vorschläge für eine Reform Ides akademischen Unterrichts zu erarbeiten, die eine bessere Ausnutzung der vorhandenen Kapazität sicherstellt. Dabei ist darauf zu achten, daß die bewährten Prinzipien der Freiheit von Lehre und Forschung nicht eingeschränkt werden. Der Bundestag erwartet, daß gleichzeitig mit den materiellen Anstrengungen von Bund und Ländern die selbstverantwortliche Wissenschaft Reformen erarbeitet, die der Beseitigung der Überfüllung der Hochschule ebenso dient wie der Steigerung der Leistung in Wissenschaft und Lehre. 3. Der Bundestag ersucht die Bundesregierung, zu prüfen, wie Voraussetzungen geschaffen werden können, daß wertvoller akademischer Nachwuchs der deutschen Wissenschaft erhalten bleibt. 4. Der Bundestag ersucht die Bundesregierung, in einen ständigen Informationsaustausch zwischen Bund und Ländern über die Fragen von Wissenschaft und Bildung einzutreten und einen Bericht über .den Stand von Wissenschaft und Bildung periodisch Bund, Ländern und dem Wissenschaftsrat zu übermitteln. 5. Die Bundesregierung wird ersucht, in erneuten Verhandlungen das von ihr bereits vorgelegte Verwaltungsabkommen zwischen Bund und Ländern zum Abschluß zu bringen, um den Fortgang des Ausbaus der Universitäten und der Förderung der Wissenschaft von jährlichen Haushaltsentscheidungen unabhängig zu machen. Bonn, den 13. Februar 1963 Schmücker und Fraktion Dr. Mende und Fraktion Anlage 4 Umdruck 178 Antrag der Fraktion der SPD zur Beratung des Berichts der Bundesregierung über die Lage der Landwirtschaft gemäß §§ 4 und 5 des Landwirtschaftsgesetzes (Drucksachen IV/940, zu IV/940). Der Bundestag wolle beschließen: Die Bundesregierung wird ersucht, der ländlichen Siedlung — Einzelplan 10 Kap. 10 02 Tit. 571 b) — aus Mitteln des Grünen Planes 1963 einen Betrag von 30 Mio DM bereitzustellen, aus dem besondere Hilfen bei vorzeitiger Abgabe landwirtschaftlicher Kleinbetriebe zu Zwecken der Agrarstrukturverbesserung gewährt werden. Bonn, den 12. Februar 1963 Ollenhauer und Fraktion Anlage 5 Umdruck 179 Antrag der Fraktion der SPD zur Beratung des Berichts der Bundesregierung über die Lage der Landwirtschaft gemäß §§ 4 und 5 des Landwirtschaftsgesetzes (Drucksachen IV/940, zu IV/940). Der Bundestag wolle beschließen: Die Bundesregierung wird ersucht, a) den Titel „Zuschüsse zur Förderung der Altershilfe für Landwirte" im Bundeshaushaltsplan — Einzelplan 10 Kap. 1002 Tit. 608 — zu ändern in „Maßnahmen der sozialen Sicherung", b) den Zuschuß aus Mitteln des Grünen Planes 1963 um 245 Mio DM auf 377 Mio DM zu erhöhen. Bonn, den 12. Februar 1963 Ollenhauer und Fraktion Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 60. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 13. Februar 1963 2773 Anlage 6 Umdruck 180 Antrag der Fraktion der SPD zur Beratung des Berichts der Bundesregierung über die Lage der Landwirtschaft gemäß §§ 4 und 5 des Landwirtschaftsgesetzes (Drucksachen IV/940, zu IV/940). Der Bundestag wolle beschließen: Die Bundesregierung wird ersucht, im Rahmen des Grünen Planes 1963 a) die Mittel für den Wirtschaftswegebau um 20 Mio DM auf 100 Mio DM, b) die Mittel für die Wasserversorgung usw. um 20 Mio DM auf 70 Mio DM zu erhöhen. Bonn, den 12. Februar 1963 Ollenhauer und Fraktion Anlage 7 Umdruck 181 Antrag der Fraktion der SPD zur Beratung des Berichts der Bundesregierung über die Lage der Landwirtschaft gemäß §§ 4 und 5 des Landwirtschaftsgesetzes (Drucksachen IV/940, zu IV/940). Der Bundestag wolle beschließen: Die Bundesregierung wird ersucht, im Grünen Plan 1963 1. für Leistungsprüfungen und Förderung von Züchtung und Saatguterzeugung 2 Mio DM, 2. für Qualitätskontrollen 3 Mio DM, 3. für horizontale Verbundwirtschaft 16 Mio DM, 4. für vertikale Verbundwirtschaft 22 Mio DM bereitzustellen. Bonn, den 12. Februar 1963 Ollenhauer und Fraktion Anlage 8 Umdruck 182 Antrag der Fraktion der SPD zur Beratung des Berichts der Bundesregierung über die Lage der Landwirtschaft gemäß §§ 4 und 5 des Landwirtschaftsgesetzes (Drucksachen IV/940; zu IV/940). Der Bundestag wolle beschließen: Die Bundesregierung wird ersucht, im Rahmen des Grünen Planes 1963 für die Zinsverbilligungsaktion 1963 weitere 50 Mio DM bereitzustellen. Dieser Mehransatz soll insbesondere im Rahmen eines betrieblichen Entwicklungsplans zur Teilumschuldung hochverschuldeter, entwicklungsfähiger landwirtschaftlicher Betriebe bei Einbeziehung in die Hofkreditaktion und für Darlehen an Pachtbetriebe verwendet werden. Bonn, den 12. Februar 1963 Ollenhauer und Fraktion Anlage 9 Umdruck 184 Antrag der Abgeordneten Wächter, Ertl und Genossen zur Beratung des Berichts der Bundesregierung über die Lage der Landwirtschaft gemäß §§ 4 und 5 des Landwirtschaftsgesetzes (Drucksachen IV/940, zu IV/940). Der Bundestag wolle beschließen: Die Bundesregierung wird aufgefordert, als Beitrag zur Harmonisierung der Wettbewerbsbedingungen im Gemeinsamen Mark mit geeigneten Maßnahmen auf eine Senkung der Frachtkosten für Schlachtrinder hinzuwirken. Bonn, den 13. Februar 1963 Wächter Ertl Eisenmann Dr. Emde Frau Dr. Heuser Dr. Imle Frau Dr. Kiep-Altenloh Kubitza Freiherr von Kühlmann-Stumm Logemann Ollesch Opitz Peters (Poppenbüll) Dr. Rieger (Köln) Schmidt (Kempten) Soetebier Anlage 10 Umdruck 185 Entschließungsantrag der Fraktionen der CDU/ CSU, FDP zur Beratung des Berichts der Bundesregierung über die Lage der Landwirtschaft gemäß §§ 4 und 5 des Landwirtschaftsgesetzes (Drucksachen IV/940, zu IV/940). Der Bundestag wolle beschließen: Der Deutsche Bundestag nimmt die Erklärung der Bundesregierung sowie ihren Bericht über die Lage der Landwirtschaft gemäß den §§ 4 und 5 des Landwirtschaftsgesetzes zur Kenntnis; stimmt dem ,Grünen Plan 1963 im Hinblick auf die fühlbar verschlechterte Ertragslage der Landwirtschaft im Wirtschaftsjahr 1961/62 im Grundsatz zu und begrüßt die Aufstockung der vorgesehenen finanziellen Ausgleichsmittel in Höhe von 240 Mio DM, insbesondere für die Verbesserung 2774 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 60. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 13. Februar 1963 der Altershilfe, die zum 1. April 1963 in Kraft treten soll; fordert die Bundesregierung auf, weitere 160 Mio DM zur Verfügung zu stellen und verpflichtet sich, diese zusätzliche finanzielle Aufstockung zu unterstützen; die Verwendung dieser zusätzlichen 160 Mio DM im einzelnen soll im Rahmen der zweiten Beratung des Haushalts festgelegt werden; fordert die Bundesregierung auf, ihre agrarpolitischen Maßnahmen weiterzuentwickeln und die notwendigen gesetzlichen Grundlagen zu schaffen, um den wirtschaftlichen und sozialen Anpassungsprozeß der deutschen Landwirtschaft im Rahmen der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung zu fördern und ihre Position im Rahmen der EWG sowie in ihrer internationalen Verflechtung zu festigen; hierzu sind insbesondere Maßnahmen zur Verbesserung ihrer Marktstellung (z. B. Verbesserung von Vermarktungseinrichtungen, Schutz der bäuerlichen Veredelungswirtschaft) ebenso notwendig wie eine der allgemeinen Entwicklung entsprechende Anpassung des Strukturprogramms im Rahmen einer aktiven regionalen Entwicklungs- und gesamtwirtschaftlichen Strukturpolitik; fordert die Bundesregierung auf, ihre Maßnahmen der Agrarpolitik unter Beachtung der besonderen bäuerlichen Lebensverhältnisse durch soziale Hilfen zu ergänzen; erwartet, daß die Bundesregierung im Rahmen der EWG-Politik das deutsche Agrarpreisniveau als eine entscheidende Voraussetzung für die Sicherung eines angemessenen Einkommens der in der Landwirtschaft tätigen Menschen im Vergleich zu anderen vergleichbaren Berufsgruppen weiterhin verteidigt; dabei ist zu berücksichtigen, daß in der EWG eine Tendenz steigender Produktionskosten für die Landwirtschaft festzustellen ist. Bonn, den 13. Februar 1963 Struve und Fraktion Freiherr von Kühlmann-Stumm und Fraktion Anlage 11 Umdruck 186 Entschließungsantrag der Fraktion der SPD zur Beratung des Berichts der Bundesregierung über die Lage der Landwirtschaft gemäß §§ 4 und 5 des Landwirtschaftsgesetzes (Drucksachen IV/940, zu IV/940). Der Bundestag wolle beschließen: Der Bundestag hat den Grünen Bericht 1962 sowie die Erklärung der Bundesregierung über die von ihr vorgeschlagenen Maßnahmen zur Kenntnis genommen. Infolge der ungünstigen Wirtschaftsergebnisse im Wirtschaftsjahr 1961/62 sind die Einkommen der in der Landwirtschaft Tätigen außerordentlich gesunken. Der Einkommensabstand zur gewerblichen Wirtschaft ist größer geworden. Trotz .der beachtlichen Steigerung der landwirtschaftlichen Arbeitsproduktivität und der großen Zuwendungen von Bund und Ländern ist es der gegenwärtigen Agrarpolitik nichtgelungen, dem Auftrag des Landwirtschaftsgesetzes zu entsprechen. Der Bundestag bedauert außerordentlich, daß die Bundesregierung der Forderung des Bundestages vom 31. Januar 1962 nicht nachgekommen ist, eine den Notwendigkeiten der Gegenwart angepaßten, neuen agrarpolitischen Konzeption vorzulegen. Angesichts dieser Lage ersucht der Bundestag die Bundesregierung, einen landwirtschaftlichen Entwicklungsplan für die Übergangszeit der EWG vorzulegen. Dabei müssen struktur-, kredit-, sozial- und marktpolitische Maßnahmen im Vordergrund stehen. Der Bundestag erwartet, daß die im Grünen Plan vorgeschlagenen und von der Bundesregierung zusätzlich zugesagten Mittel gezielt verwendet werden. Bonn, den 13. Februar 1963 Ollenhauer und Fraktion
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    Rede von Dr. R. Martin Schmidt


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Bundeskanzler hat uns in der vergangenen Woche zu echter Opposition aufgefordert.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Konstruktiver!)

    Ich hoffe, meine Damen und Herren von der Koalition, daß Sie Geduld genug haben und sie nicht verlieren werden, wenn ich Ihnen einige unangenehme Tatsachen vor Augen halte.
    Der Bundeskanzler hat im letzten halben Jahr in drei Erklärungen vor diesem Hause Stellung zu Fragen der Agrarpolitik genommen. Er hat sich zwischendurch in mehreren Rücksprachen mit Vertretern der Koalition und mit Vertretern der Bauernorganisationen über die Lage der Landwirtschaft informiert. Der Bundesernährungsminister hat in der vergangenen Woche in seiner Einführungsrede zum Grünen Bericht 1961/62 und zum Grünen Plan diese Gedanken vertieft und ergänzt. In allen Erklärungen und Reden finden wir die gleiche Tendenz: Man konstatiert zwar die großen Veränderungen in unserer Landwirtschaft, und in Kenntnis der Protestaktionen der Bauern, die 'sich doch ausschließlich gegen die Regierung der CDU wenden, folgt sogar das Eingeständnis, daß 'die Landwirtschaft eine Unruhe über ihre Lage, über die Unge-



    Dr. Schmidt (Gellersen)

    wißheit der europäischen Entwicklung und über ihre Zukunft erfaßt habe; und das alles nach 14 Jahren CDU-Regierung!

    (Beifall bei der SPD.)

    Dann wind in diesen Erklärungen und Reden wiederholt festgestellt, daß ,die Landwirtschaft ein sehr bedeutsamer Bestandteil des soziologischen Gefüges sei, daß man die Landwirtschaft gesund erhalten müsse, wobei ich mich immer wieder frage, ob man nicht die Grünen Berichte kennt. Weiter heißt es da, die Landwirtschaft müsse einen gerechten Platz in der Gemeinschaft einnehmen, ihre Wettbewerbsfähigkeit müsse gesteigert werden. Am Schluß folgt immer wieder die Mahnung, all die Fragen, insbesondere soweit sie mit der EWG zusammenhängen, mit besonderer Zurückhaltung und Vorsticht zu beantworten. Da ,gibt es auch noch andere Vokabeln — Herr Struve hat auch davon Gebrauch gemacht —: man müsse behutsam und organisch vorgehen. Also alles Ratschläge, was man tun sollte, worauf man achten müsse, und mehr nicht.
    Diese Art der Erklärungen hat einen Vorteil: Man schafft ein sehr beruhigendes Gefühl für die Beteiligten und vor allem für sich selber.

    (Lachen in der Mitte.)

    — Meine Damen und Herren, lachen Sie nicht! — Aber die Aufzählung dieser Selbstverständlichkeiten ist ein untauglicher Ersatz für eine wirkliche Agrarpolitik.

    (Beifall bei der SPD.)

    Herr Kollege Struve hat sehr harte Kritik an verschiedenen Dingen geübt. Aber, Herr Struve, diese von Ihnen so sehr kritisierten Auffassungen finden Sie doch in Ihrer eigenen Regierung. Da müssen Sie ansetzen. Es hat keinen Zweck, das hier auf der Tribüne zu sagen. Gehen Sie in Ihr eigenes Kabinett, und räumen Sie diese Schwierigkeiten und diese verschiedenen Auffassungen aus.

    (Beifall bei der SPD. — Zurufe von der CDU/CSU.)

    — Haben Sie doch Geduld; ich habe Sie auch angehört.
    Die Unruhe auf dem Land ist jedem bekannt. Wir alle nehmen sie sehr ernst. Wir erfahren sie jede Woche, wenn wir draußen auf dem Lande sind. Das bestätigt die Große Anfrage. Sie bestätigt aber auch, daß das Vertrauen in das agrarpolitische Wirken der Bundesregierung selbst in der Koalition nicht sehr groß ist. Die Große Anfrage bestätigt weiterhin, daß in den Reihen der Koalition sehr große Zweifel an der Standhaftigkeit und an den Erfolgen des Bundesernährungsministers vorhanden sind. Wir haben daran auch feststellen können, daß die Koalition mit den Leistungen der Bundesregierung sehr unzufrieden ist. Die Große Anfrage ist — das darf ich zum Schluß meiner allgemeinen Bemerkungen sagen — der Ausdruck des schlechten Gewissens. Man hat anscheinend im Lande sehr viel versprochen. Man weiß, daß man in der Regierung sitzt und daß man das Versprochene kaum halten kann und es doch anders kommt. Ich möchte mich über die
    Methoden solcher Großen Anfragen nicht weiter äußern. Es wäre besser, wenn Sie sich einmal Ihren Minister vorknöpften, anstatt den Eindruck zu erwecken, Sie hätten gar nicht die Verantwortung.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Wir sind nicht bei der SPD!)

    Die gemeinsame Agrarpolitik ist seit einiger Zeit im Gange. Seit Sommer sind einige Marktordnungen in Kraft. Ich meine, diese Marktordnungen haben weder für die Erzeuger noch für die Verbraucher zu nennenswerten Schwierigkeiten geführt. Ohne Zweifel 'haben sie zur Stabilisierung der Märkte beigetragen. Ich halte ein abschließendes Urteil aber für verfrüht; da brauchen wir noch einige Zeit der Beobachtung.
    Einen kritischen Punkt lassen Sie mich ausdrücklich hervorheben: die 'ständige Verteuerung der Futtermittel. Die Futtermittel sind für die meisten landwirtschaftlichen Betriebe ein Kostenfaktor erster Ordnung; das können Sie im Grünen Bericht nachlesen. Ich will mich über dieses Problem hier nicht weiter verbreiten. Meine Freunde und 'ich haben in den Ausschüssen vor dieser Entwicklung gewarnt. Sie haben durch Ihre Beschlüsse diese Entwicklung herbeigeführt. Wir sind uns Gott sei Dank heute einig — auch einig mit Ihnen —, daß wir den Schaden im Sommer reparieren werden. Ich bin nur gespannt, ob dieser erklärte Wille auch bis dahin vorhält.
    Nun etwas anderes. Daß es eine große Zahl von regelwidrigen Praktiken der Mitgliedstaaten gibt, ist bedauerlich. Ich habe mit Interesse den Bericht gelesen, den der Kollege Lücker 'im Europäischen Parlament erstattet hat. Der Bericht spricht deutliche Worte. Das Sündenregister ist ganz erheblich; nur schade, daß wir dabei auch zu finden sind. Das sollte an sich anders sein.
    Auf der anderen Seite möchte ich die Frage stellen, ob alle Chancen der dort gegebenen Marktordnungen für uns ausgenützt worden sind. Ich erinnere nur an die sehr verspätet erlassene Verordnung der Bundesregierung über die Rückerstattungen, die manche Aktion verhindert hat.
    Mit der Großen Anfrage werden auch Fragen angesprochen, die im Zusammenhang mit dem Beitritt Englands stehen. Ich will die Argumente der politischen Debatte nicht wiederholen; aber ich muß einiges dazu sagen, weil die landwirtschaftlichen Fragen Hauptprobleme bzw. schwierige Probleme darstellten. Der Bundesernährungsminister hat dankenswerterweise eine Aufzeichnung über den Stand der Integration im Bereich der Land- und Ernährungswirtschaft anfertigen lassen. Daraus geht hervor, daß in den sehr kritischen Fragen mit England weitgehend Einigung erzielt worden ist und daß in den noch offenen Fragen — z. B. der Anwendung der beschlossenen Marktordnungen auf die britische Landwirtschaft — bereits eindeutige Erklärungen der Engländer vorlagen. Es war betrüblich — ich halte es für betrüblich —, daß die Haltung unserer landwirtschaftlichen Organisationen und Vertreter nicht immer eindeutig war. Das ist zu erklären mit



    Dr. Schmidt (Gellersen)

    dein Auftreten des neuen Staatssekretärs im Bundesernährungsministerium. Mit diesem Auftreten begannen alle möglichen Bedenken zu kursieren und Platz zu greifen.
    Bei nüchterner Abwägung aller politischen und wirtschaftlichen Gesichtspunkte konnten die landwirtschaftlichen Probleme kein echter Hinderungsgrund in bezug auf den Beitritt Englands sein. Damit will ich nicht sagen, daß die Schwierigkeiten der Integration dadurch geringer geworden wären.
    In diesem Zusammenhang gestatten Sie mir noch ein Wort über das Verhältnis der EWG zu Drittländern. Das berührt natürlich die gemeinsame Handelspolitik, die wir noch nicht haben und die es wohl in absehbarer Zeit noch nicht geben wird. Wir haben den Tatbestand zu verzeichnen, daß sich der Handel mit den Partnerländern außerordentlich stark ausgeweitet hat. Da ist sicher dein tragenden Pfeiler des EWG-Vertrages, der Präferenz, Rechnung getragen. Aber wir haben auch die Feststellung zu machen, daß die Einfuhren aus Drittländern teilweise stark gesunken sind, insbesondere — und das bedauere ich — die Einfuhren aus den skandinavischen Nachbarländern. Das hat in diesen Ländern große Beunruhigung hervorgerufen. Da gibt es doch in der Tat traditionelle, jahrzehntelange Handelsbeziehungen bei den gleichen Produkten und Artikeln. Das ist bei manchen anderen Märkten nicht der Fall. Es würde, meine ich, im Interesse des gutnachbarlichen Verhältnisses liegen, wenn sich dieser Handel wieder beleben könnte.
    Was nun die weitere Arbeit in der Entwicklung der gemeinsamen Agrarpolitik angeht, so ist im Augenblick wohl nur eines sicher: daß die Termine für die Beschlüsse über die Preiskriterien, über die Preisangleichung, über die Marktordnungen für Milch, Rindfleisch und Zucker sämtlich verschoben sind. Dennoch bleiben die Fragen auf der Tagesordnung, insbesondere die des Getreidepreises. Hier haben wir auf der Seite des deutschen Verhandlungspartners ein völliges Durcheinander. Die Widersprüche folgen einander am laufenden Band; nicht nur in der Öffentlichkeit, Herr Kollege Struve, sondern auch in Ihrer eigenen Regierung. Dafür einige Kostproben.
    Der Staatssekretär des Ernährungsministers hat auf der Kartoffelbörse 1962 davon gesprochen, daß der Getreidepreis nur noch für das Jahr 1963 zu halten sei. Der Minister hat auf dem Industrie- und Handelstag — ich weiß nicht, ob es in Köln oder Düsseldorf war — im letzten Herbst etwa gesagt, man müsse eher mit niedrigeren als mit höheren oder gleichbleibenden Preisen rechnen. Derselbe Minister hatte auf der Mitgliederversammlung des Bauernverbandes gesagt: „Das deutsche Preisniveau werden wir um jeden Preis halten." Und in einem Organ des Ministeriums, dem AID, war von der „empfehlenswerten Getreidepreissenkung" die Rede. — Nun, es kommt noch ein neues Zitat, Sie werden es gleich hören; es wird Ihnen sehr peinlich sein. Dann kommt wieder der Staatssekretär, der in einem Rundfunkinterview folgendes gesagt hat:
    Sie wissen, daß die Auffassungen außerordentlich unterschiedlich sind. Die Koalition hat sich
    festgelegt, am Getreidepreis vorläufig nicht rütteln zu lassen. Ich persönlich vertrete die Auffassung, und ich habe das ja in einem Interview auch zum Ausdruck gebracht, daß das ein Standpunkt ist, der uns nichts nützt, weil wir 65 majorisiert werden können. Ich bin der Auffassung, man sollte sich auf einen Preis für 70 einigen und sollte dann den Ländern es überlassen, dieses Ziel langsam oder schnell anzustreben.
    Und so weiter mehr. — Das sind doch alles einander widersprechende Äußerungen. Derselbe hat auf Befragen im Ernährungsausschuß erklären müssen, er sei sich in der Getreidepreisfrage mit seinem Minister völlig einig, es sei nur ein Unterschied in der Ausdrucksweise. Was soll ich also davon halten? Und heute, am gleichen Ort hat der Minister erklärt, am deutschen Getreidepreis werde sich überhaupt nichts ändern, Sie würden daran festhalten. Was ist nun eigentlich der Standpunkt der Bundesregierung?

    (Zurufe von der CDU/CSU: Was der Minister sagt!)

    — Was sagt er denn richtig? Dieses vollendete Durcheinander hat jedenfalls z. B. auch dazu beigetragen, daß das Vertrauen der Bauern in die Regierung sehr nachgelassen hat.
    Unsere Stellungnahme ist dabei unverändert. Ich habe das schon einmal an dieser Stelle vorgetragen. Aber ich halte die Taktik, den Kopf in den Sand zu stecken, und ebenso die andere Taktik, den starken Mann bis zum Jahre 1965 zu markieren und sich dann 1966 überstimmen zu lassen, für eine schlechte Taktik.

    (Beifall bei der SPD.)

    Ich halte im übrigen auch nichts von dem vom Herrn Staatssekretär empfohlenen Kopfsprung ins Eiswasser. Der kann nämlich tödlich sein. Auch ich bin auf diesem Gebiet für eine pragmatische Methode.

    (Zurufe von der CDU/CSU.)

    — Das ist Ihnen alles sehr peinlich, ich verstehe das.
    Sie sollten sich darüber klar sein — das sind Sie leider noch nicht —, daß der § 1 des Landwirtschaftsgesetzes bereits nicht mehr in voller Weise existiert. Die Fragen des Preises und die Fragen des Handels sind bereits Ihren Händen entwunden. Was wollen Sie dagegen tun? Das müssen Sie doch einmal zur Kenntnis nehmen. Nun, ich will das nicht weiter vertiefen. Wir kommen sicher im Sommer bei den entsprechenden Gesetzen noch darauf zurück.
    In der Großen Anfrage wird auch die neue agrarpolitische Konzeption angesprochen. In einer Entschließung des Bundestages ist diese gemeinsame Konzeption gefordert worden. Ich stelle nur fest, daß wir sie bis zur Stunde noch nicht haben. Bundesernährungsminister Schwarz hat zwar dazu in seiner Rede in der letzten Woche einen Anlauf genommen, aber bei der Aufzählung einiger Kriterien ist er bereits steckengeblieben. Ich gebe zu, daß man dazu zwei Voraussetzungen schaffen muß.



    Dr. Schmidt (Gellersen)

    Man muß sich einerseits über die gesellschaftspolitische Stellung und Einordnung der Bauern in unsere Industriegesellschaft klar sein, und man muß andererseits eine Übersicht über die wirtschaftlichen Fakten und über die zukünftigen Möglichkeiten haben. Ich will auch das Thema nicht vertiefen.
    Ich will nur auf eines hinweisen. Der Bundesernährungsminister hat in seiner Rede am 8. Februar vor dem Bundestag ausgeführt, daß der Prozeß der gesellschaftlichen und technischen Entwicklung uns zu einem unbekannten Ziel führe. Er hat weiterhin gesagt, daß die Betriebsstruktur am Ende des Jahrhunderts nicht ganz zu übersehen sei. Herr Minister, das brauchen Sie gar nicht. Das hat von Ihnen niemand erwartet. Wir erwarten keinen Vorschlag und keine Konzeption für die nächsten vier Jahrzehnte. Wir erwarten nur eine Konzeption für das nächste halbe Jahrzehnt bis zum Jahre 1970. Bis zur Stunde haben Sie uns diesen Vorschlag noch vorenthalten. Mit anderen Worten, wir erwarten von Ihnen, daß Sie uns einen Entwicklungsplan für diese Übergangszeit vorlegen. Wer steuern will, muß wissen, wohin die Reise geht. Deswegen noch einmal diese Erinnerung.
    Was die Übersicht angeht, so liegt natürlich auch nichts vor. In den Vorbemerkungen zu dem Haushaltsplan Kap. 02 sagen Sie, daß das bis jetzt nicht möglich sei. Ich frage mich dabei nur immer: Warum können das alles die anderen und warum nicht wir? Ich muß mich, glaube ich, trösten mit dem vom Ausschuß einstimmig verabschiedeten Antrag Drucksache IV/725. Wir werden ja in sechs Wochen, bis zum 1. April, diesen Bericht haben. Hoffentlich ist das der Beginn der von uns erwarteten neuen Konzeption. Herr Minister, es gibt sogar Bundesländer, denen das möglich ist. Darf ich Sie erinnern: Ihr eigenes Heimatland hat sich bereits in der von uns gewünschten Weise darum bemüht; man hat selbst für das Land Schleswig-Holstein festgestellt, was man tun könne und was man nicht tun könne. Warum tun Sie das nicht für das ganze Bundesgebiet? Darum geht es doch.

    (Beifall bei der SPD.)

    Was die Konzeption angeht, meine Damen und Herren, so haben wir auf einem Gebiet bereits einen Beitrag geleistet. Ich habe am 31. Januar hier an dieser Stelle ganz offen den Sozialplan gefordert, und ich habe den Eindruck, daß der Auftrag des Bundeskanzlers an den Bundesminister vor einiger Zeit reichlich spät gekommen ist.

    (Zuruf von der Mitte: Sie haben praktisch vorausgeschaut!)

    — Ja, Sie kommen immer hinterher.
    Nun, wir haben Ihnen damals, im Januar wie auch im Juni, in den Debatten hier im Hause weitere Gesichtspunkte zur Konzeption vorgetragen und mit Fragen verknüpft. Unsere Anregungen sind heute noch gültig. Wir sind überzeugt, daß die Strukturfragen gerade im Hinblick auf die EWG weiter im Vordergrund stehen werden.
    Wenn ich mir das letzte Jahrzehnt vor Augen halte — lassen sie mich das auch einmal an dieser
    Stelle heute sagen —, frage ich mich, wie es in der Vergangenheit war. Sie werden mir dabei zugestehen, daß wir jahrein, jahraus auf dem Gebiet der Strukturwandlung einiges gefordert haben. Sie sind immer wieder hinterhergekommen und sind nachgehinkt. Wir könnten nach meiner Überzeugung weiter sein, wenn Sie immer gleich mitgezogen hätten. Das will ich nur einmal festhalten.
    Ich erinnere Sie an unsere Anträge zur Struktur der Landwirtschaft aus dem vergangenen Jahr.

    (Zuruf des Abg. Bauer [Wasserburg].)

    — Herr Kollege Bauer, die haben Sie doch in diesem Jahr in den Grünen Plan eingebaut; aber immer kamen Sie später. Sie haben nie den Mut gehabt, mit uns gleichzuziehen.

    (Zurufe von der Mitte: Wo?)

    — Nun, auf allen Gebieten der Struktur; lesen Sie die Anträge nach.
    Wir wissen, daß die Strukturänderung ein sehr schmerzhafter und teils bitterer Prozeß ist. Wir haben, um die sozialen Härten auf diesem Gebiet zu nehmen, auch einen Antrag gestellt, den wir noch später begründen werden. Ich muß mich wieder einmal mit der Rede des Ministers befassen. Er hat gesagt, daß dieser Prozeß der Strukturänderung so lange dauern wird, bis ein neues Gleichgewicht zwischen Landwirtschaft und übriger Wirtschaft erreicht ist. Herr Minister, diese Formel des „Laisser faire, laisser aller" unterschreibe ich niemals. Ich halte das für eine Formel der Resignation. Sie müssen doch genau wissen und Vorstellungen darüber haben oder zumindest entwickeln, in welcher Größenordnung dieser Prozeß vor sich gehen soll. Das ist doch nicht eine uferlose Sache, und deshalb verstehe ich diese Bemerkungen in Ihrer Rede nicht.
    Auf der anderen Seite hat der Staatssekretär im Bundesernährungsministerium auf der Tagung der ALB vor einigen Tagen in Bonn davon gesprochen, daß man die große Masse der Kleinbetriebe — das sind rund 800 000 — aus den Förderungsmaßnahmen des Bundes am besten herausnehmen sollte. Nun, ich glaube, das geht ein bißchen zu weit. Das sind doch nicht in jedem Fall „Kümmerbetriebe". Ein kleiner Mann mit Kopf, Herr Staatssekretär — er ist leider nicht da, aber er kann es ja nachlesen — lebt besser als ein größerer mit bloßer Schale. Die Förderungsmaßnahmen nur auf die Vollbauernstellen zu beschränken, mag zwar in der rationalen Denkweise möglich sein; in der sozialen und politischen jedenfalls nicht.
    Wie steht es nun mit der Auffassung der Bundesregierung? Was sagt der Minister zu diesen Auffassungen seines Staatssekretärs, die er ja doch am laufenden Band der Öffentlichkeit preisgibt? Ich erlaube mir zu diesem Fragenkomplex eine Anregung. In Erkenntnis der Tatsache, daß man natürlich keine Schablone für die landwirtschaftlichen Betriebe entwickeln kann, möchte ich die Anregung geben, daß man zur Entwicklung von Modellbetrieben für alle Landschaften, für alle Boden- und Klimaverhältnisse kommen möge, damit man bei den Strukturmaßnahmen einen gewissen Anhalts-

    Dr. Schmidt (Gellersen)

    punkt hat. Was wir schaffen wollen und sollen, müßte auch für die Dauer Bestand haben.
    In den nicht minder bedeutsamen Marktfragen haben wir grundsätzliche Einigkeit. Über das Warum, Weshalb und Wie brauche ich daher keine Ausführungen zu machen. Ich möchte nur hinzufügen, daß eine höllische Aktivität erforderlich sein wird, um der kommenden EWG-Konkurrenz Herr zu werden. Der Kampf um diese Märkte wird nach meiner Überzeugung unbarmherzig sein. Darauf bereiten sich alle vor, und wir stehen erst am Anfang dieser Bemühungen. Um eine vernünftige Arbeit zu leisten und um Fehlinvestitionen zu vermeiden, wird man nicht umhin können, auch die Standortfrage einmal generell zu überprüfen.
    Lassen Sie mich in diesem Zusammenhang ein Wort zu den Wettbewerbsfragen sagen. Der Herr Minister und Herr Struve haben ebenfalls davon gesprochen. Ich erinnere Sie daran, daß wir vor einem Jahr auf die Unzulänglichkeiten der deutschen Haltung hingewiesen haben. Wir haben auf die Entschließung des Bundesrates vom 13. April verwiesen und haben gefragt, warum die Bundesregierung dem Ersuchen des Bundesrates nicht stattgegeben hat, bei der Kommission vorstellig zu werden, um über die unterschiedlichen Formen der Vermarktung usw. Auskunft zu erhalten. Leider hat die Bundesregierung das nicht getan. Sie hat sich in ihrem Bericht im Herbst letzten Jahres auf die Bemerkung beschränkt:
    Die Bundesregierung wird immer ihr Augenmerk auf die Sicherstellung der Wettbewerbsgleichheit aller Erzeuger in der Gemeinschaft richten und die Organe der Gemeinschaft dazu anhalten, entsprechende Beschlüsse zu fassen.
    Meine Damen und Herren, das scheint mir zuwenig zu sein, und das war auch dem Bundesrat zuwenig. Denn der Bundesrat hat die Bundesregierung im Oktober erneut angemahnt, in dieser Beziehung mehr als bisher zu tun.
    Wir geben gern zu, daß die Bundesregierung im Ministerrat dabei die Initiative ergriffen hat. Aber die Kommission läßt sich viel Zeit, und wir haben den Eindruck, daß unsere Vertreter im Ministerrat zuwenig die Kommission an diese Aufgabe erinnern.
    Zum Thema eines Investitionsprogramms gibt es seitens der Bundesregierung überhaupt keine Vorstellungen. Das scheint wohl auch ein bißchen schwierig zu sein. Auf der Seite der Gesetzgebung werde ich hoffentlich offene Türen einrennen, wenn ich der Hoffnung Ausdruck gebe, daß eine ganze Reihe von gesetzlichen Bestimmungen dringend einer Anpassung bedürfen. Ich denke dabei an das Milchgesetz, die Käse-Verordnung, das Futtermittelgesetz, Qualitätsbestimmungen usw. usw.
    Meine Damen und Herren, ich möchte zum Schluß einige Bemerkungen machen. Wenn ich das alles addiere, ist die Bilanz nicht sehr erfreulich.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Neue Vorschläge!)

    Ich räume ein, daß die Landwirtschaft in der ganzen Welt, sei es im Ostblock, sei es in Amerika, sei es in Europa, das Sorgenkind der Regierungen ist. Es kommt aber auf den Geist an, mit dem man an die Lösung der Probleme herangeht.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Auf das Geld kommt es an!)

    Für unsere Verhältnisse sind die Handvoll Sätze im Grünen Bericht charakteristisch, die sich mit den ernsten aus der Sicht der EWG gegebenen Problemen befassen, und diese wenigen Sätze machen noch einen sehr, sehr düsteren Eindruck. Von der großen Chance, meine Damen und Herren von der Koalition, die unsere Landwirtschaft trotz aller Schwierigkeiten hat, ist leider keine Rede, nicht einmal mit einem einzigen Hinweis. Aus dem Ganzen, sowohl aus dem Bericht der Bundesregierung wie aus den Erklärungen des Kanzlers, des Ernährungsministers und des Kollegen Struve, spricht doch nur Resignation und Mutlosigkeit.

    (Widerspruch bei der CDU/CSU.)

    — Herr Bauknecht, die Menschen auf den Höfen müssen ja der Verzweiflung nahe sein, wenn ihnen auf diese Art und Weise noch der Glaube an die eigene Kraft zerstört wird.
    Herr Minister, Sie haben im letzten Teil Ihrer Rede die Frage an uns und an sich selber gestellt, ob wir mit unserer Agrarpolitik auf dem richtigen Wege sind. Auf Grund dessen, was ich vorgetragen habe und was im Grünen Bericht als Ergebnis dieser Politik zutage tritt, kann ich nur mit einem eindeutigen Nein antworten. Alles in allem wiederum ein verlorenes Jahr!

    (Beifall bei der SPD. — Zurufe von der CDU/CSU.)



Rede von Dr. Richard Jaeger
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CSU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Effertz.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Josef Effertz


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe mir vorgenommen, mich im Anschluß an die Antwort des Herrn Bundesernährungsministers Schwarz auf die Große Anfrage zur gemeinsamen Agrarpolitik in der EWG einmal über das Thema „Agrarpolitik bei uns und bei den anderen" zu äußern. Daraus möchte ich dann folgern, welche Konsequenzen wir, die Abgeordneten aller Parteien, und die Regierung entweder getrennt voneinander oder gemeinsam ziehen müssen.
    Lassen Sie mich eingangs zu den Ausführungen des Herrn Kollegen Schmidt Stellung nehmen. Herr Kollege Schmidt, Sie haben hier eine Oppositionsrede gehalten. Ich kann verstehen, daß Sie dabei etwas an Niedersachsen gedacht haben. Das nehme ich Ihnen auch nicht übel. Aber ich möchte Sie doch daran erinnern, daß wir am 31. Januar 1962 gemeinsam eine Entschließung verfaßt und gemeinsam verabschiedet haben, in der zum Kummer von Herrn Kollegen Struve und Herrn Lücker steht, daß wir uns befleißigen wollten, eine neue agrarpolitische Konzeption zu entwickeln. Das Wort „neu" steht dort zwar nicht, dort steht „nunmehr"; aber „nunmehr" heißt allerdings bei mir auch „neu".



    Dr. Effertz
    Herr Dr. Schmidt, Sie haben jetzt eine Oppositionsrede gehalten und uns und die Regierung angegriffen. Dazu muß ich Ihnen allerdings sagen: in den 12 oder 13 Monaten ist Ihnen auch nicht allzu viel Neues eingefallen.

    (Beifall bei den Regierungsparteien. — Zuruf von der SPD: Wir werden doch nicht unser Pulver verschießen!)

    — Aber entschuldigen Sie, Sie haben sich doch bereit erklärt, eine gemeinsame agrarpolitische Konzeption mit uns zu vertreten und zu erarbeiten. Bitte, das ist ein Angebot.

    (Abg. Dr. Schäfer: Was wissen Sie jetzt Neues? — Abg. Dr. Schmidt [Gellersen] : Sie sind nicht ständig in den Ausschüssen gewesen!)

    — Na ja, aber ich lese in den Veröffentlichungen
    der SPD durchaus, welche Meinung Sie in den Ausschüssen vertreten.
    Meine Damen und Herren, aber jetzt zum Thema! Diese Große Anfrage, auf die wir heute eine Antwort von der Regierung gehört haben, steht vor dem Hintergrund eines sehr, sehr ungünstigen Grünen Berichts, vor dem Hintergrund des Scheiterns der Verhandlungen in Brüssel über den Beitritt Englands zur EWG. Sie darf nicht losgelöst gesehen werden von dem deutsch-französischen Abkommen für eine engere Zusammenarbeit zwischen diesen beiden Partnerstaaten.
    Die Aussprache im Zusammenhang mit dieser Großen Anfrage wäre eigentlich nach der Themenstellung im Spätherbst 1962 notwendig gewesen,

    (Richtig! bei der SPD)

    weil die Große Anfrage, die wir im Jahre 1961 behandelt haben, nicht erschöpfend genug behandelt worden war.

    (Abg. Dr. Schmidt [Gellersen] : Weil man sich im Kabinett nicht einig war!)

    — Herr Kollege Schmidt, ich greife keinen an. Vielleicht braucht es längere Zeit, um sich solche Antworten zu erarbeiten und um Übereinstimmung herbeizuführen. Ich bin ja nicht im Kabinett und ich habe nicht an den geheimen Verhandlungen teilgenommen. Aber ich bin der Meinung, eigentlich müßte heute schon wieder eine dritte Große Anfrage behandelt werden, nämlich im Zusammenhang mit dem Scheitern der Verhandlungen über den Beitritt Englands zur EWG und der heutigen Situation und dem, was nunmehr auf Grund des Scheiterns der Verhandlungen mit England zwangsläufig vom Jahre 1966 ab auf uns zukommt, wenn die anderen über uns entscheiden.
    Herr Dr. Schmidt, Sie haben den Herrn Staatssekretär einige Male zitiert,

    (Abg. Dr. Schmidt [Gellersen] : Auch den Minister!)

    um einen Widerspruch in den Äußerungen des
    Staatssekretärs mit seinem Chef, dem Herrn Minister Schwarz, herauszulesen, oder wenn Sie wollen, auch zu konstruieren.

    (Abg. Dr. Schmidt [Gellersen] : Er ist vorhanden!)

    — Ich muß Ihnen sagen, Herr Dr. Schmidt, das war ein bißchen reichlich billig. Sie haben aus diesen Erklärungen nur das herausgelesen, was Ihnen heute paßte. Wenn Sie die Äußerungen des Staatssekretärs laufend verfolgt und vollständig gelesen hätten, dann müßten Sie eigentlich mit seiner Auffassung einverstanden sein; denn sie entspricht ja
    — ich habe Ihre kritische Rede soeben gehört —, auch Ihren Auffassungen.

    (Zuruf des Abg. Dr. Schmidt [Gellersen].)

    — Ich komme noch darauf, was Sie gemeint haben. Wenn Sie jetzt sagen, er stehe in ständigem Widerspruch mit den Äußerungen seines Ministers, so stimmt das auch nicht ganz. Vielleicht hat der Staatssekretär zu dem einen oder anderen Thema einen Satz mehr gesagt als der Minister, aber Widersprüche habe ich nicht herauslesen können. Was wollte denn Staatssekretär Hüttebräuker? Er sagte, die Bauern draußen — und damit hat er recht — seien nicht nur unruhig, weil die Ertragslage so schlecht sei und der Grüne Bericht so schlecht aussehen werde, sondern sie seien auch unruhig, weil sie nicht genau wüßten, wie die Entwicklung weiterlaufe oder weiterlaufen solle. Und der Trost, daß wir auf Grund einer zwischen uns erfolgten Einigung und einer Erklärung der Regierung unseren Getreidepreis bis Ende 1965 halten, ist zu gering.
    Deshalb meinte der Staatssekretär, man sollte schon heute, solange in Brüssel noch das Veto-Recht gilt, den Mut haben, mit den anderen, vor allem im Zusammenhang mit den Verhandlungen mit den Engländern, insbesondere auf Grund der nicht immer guten Erfahrungen bei der bisherigen Agrarpolitik der EWG überlegen, was ab 1970 in bezug auf den deutschen Getreidepreis geschehen soll, und zwar in der Absicht, den jetzigen Preis bis zum Jahre 1970 unverändert zu halten, um dann als Äquivalent in den dann gültigen Durchschnittspreis einzusteigen, der im Jahre 1970 auf Grund der allgemein steigenden Kosten todsicher wesentlich höher liegen wird als der jetzige Durchschnittspreis. Herr Hüttebräuker meinte also, wenn man schon heute etwas für die Zeit fordert, wo man überstimmt werden kann, muß man auch eine Konzession machen. Die Konzession sah er darin, sich darauf zu einigen, ab 1970 in den dann gültigen gemeinsamen Getreidepreis einzusteigen.
    Es lagen noch einige andere Vorbehalte darin. Man erwartete natürlich auch — das war, glaube ich, auch die Meinung von Herrn Minister Schwarz —, daß bei den Verhandlungen mit England zunächst einmal der englische Preis auf die Höhe des augenblicklichen niedrigsten Preises in der EWG gebracht, also in die erste Stufe hineingenommen werden müßte, damit er im Durchschnitt vergleichbar wird, um dann darauf aufbauend gewisse Abmachungen für die Zeit ab 1970 zu treffen.



    Dr. Effertz
    Nun, das ist alles vorbei; vorläufig wird in Brüssel über diese Frage leider nicht verhandelt. Ich bedaure das. Vielleicht werden die Verhandlungen wieder aufgenommen. Eines habe ich allerdings sehr bedauert, daß nämlich Staatspräsident de Gaulle nicht einige Wochen vorher zu den Verhandlungen über den Beitritt Englands nein gesagt hat, nämlich zu einer Zeit, als noch keine Aussicht auf Einigung bestand. Ich bedauere es, daß er in dem Augenblick nein sagte, wo es schien, daß man sich einigen könnte. Aber das sind politische Fragen. Das Scheitern der Verhandlungen mit England wird nun leider auf dem Buckel der Landwirtschaft und ganz besonders auf dem Buckel der deutschen Landwirtschaft ausgetragen unter Hinweis darauf, daß wir unseren jetzigen allzu hohen Getreidepreis nicht gleichzeitig oder vorher gesenkt hätten.
    Lassen Sie mich noch einige Bemerkungen machen, und ich bitte, diese Bemerkungen seitens der Regierung nicht böse aufzufassen. Ich bedauere es, daß die Regierungsbank heute so schlecht besetzt ist, aber ich freue mich, daß das Plenum etwas besser besetzt ist als früher. Ich hätte zu gerne einmal im Beisein unseres Bundeswirtschaftsministers Erhard eine Agrardebatte geführt. Ich hätte es auch gerne einmal gesehen, wenn der Bundeswirtschaftsminister Erhard, der ja auch gehört werden muß, wenn in Brüssel etwas beschlossen wird, sich auch einmal zu diesen Sorgen der deutschen Landwirtschaft im Zusammenhang mit der EWG geäußert hätte.
    Außerdem habe ich noch die Bitte an die Bundesregierung, sie möge doch in Erfüllung ihrer Verpflichtung gemäß Art. 2 des EWG-Ratifizierungsgesetzes den Bundestag dauernd und rechtzeitig über die laufenden Verhandlungen in Brüssel unterrichten, bevor dort Beschlüsse gefaßt werden, um uns die Möglichkeit zu geben, auch rechtzeitig eigene Vorstellungen vorbringen und mit der Regierung gemeinsam auf Grund des Vertrages diskutieren und Beschlüsse fassen zu können. Ich habe den Eindruck, wir als Bundestag werden immer etwas reichlich spät eingeschaltet. Ich bedauere, daß das, was wir hier im Parlament tun müssen — und das sieht meistens nach Nachkarterei aus —, nicht vorher vor der breiten Öffentlichkeit in Straßburg geschehen kann, also in dem Parlament, das ja eigentlich in der EWG die Funktion der Legislative für die EWG und für die nationalen Parlamente hätte übernehmen müssen. Ich bedaure es außerordentlich, daß man in Straßburg zwar diskutieren und debattieren kann, daß es aber über Empfehlungen nach Brüssel leider nicht hinausgeht und daß in Brüssel dann meist hinter verschlossenen Türen verhandelt wird und wir über die Verhandlungen und die unterschiedlichen Meinungen, die in Brüssel vertreten werden — sie sind ja bei den anderen auch nicht einheitlich —, hier im Bundestag und in der Öffentlichkeit nicht immer laufend in ausreichender Weise unterrichtet werden.
    Ich habe soeben kritisiert, daß ich auf der Regierungsbank heute leider einen Bundesminister vermisse. Dem Herrn Bundesernährungsminister
    Schwarz möchte ich aber für seinen Grünen Bericht danken. Ich glaube, 'das sollte auch die SPD tun; denn dieser Grüne Bericht sticht doch, wenn er auch in den Ergebnissen unerfreulich ist, in der Ehrlichkeit sehr ab von den bisherigen Grünen Berichten. Es wird nichts kaschiert, die Dinge werden so dargestellt, wie sie wirklich sind.

    (Abg. Schmidt [Würgendorf]: Geschah das bisher nicht?)

    — Vielleicht. Das Nichttun kann ja auch ein Auslassen sein.

    (Abg. Schmidt [Würgendorf] : Mit Absicht?)

    — Das müssen Sie nicht mich fragen. Ich mache die Grünen Berichte nicht. Außerdem fällt Ihnen das etwas spät ein, Herr Schmidt; das hätten Sie in den vergangenen sieben Jahren bei jedem einzelnen Bericht monieren müssen.

    (Abg. Schmidt [Würgendorf] : Da war ich noch nicht hier; aber Sie provozieren ja!)

    — Ich provoziere gar nicht.
    Nun haben wir für unsere nationale Agrarpolitik zwei Grundlagen, nach denen wir uns richten müssen und die für uns Gesetz sind. Das ist einmal unser Landwirtschaftsgesetz und zum zweiten ist es der EWG-Vertrag. Das Landwirtchaftsgesetz soll Aufwand und Ertrag eines gut geleiteten Familienbetriebs mit den verschiedenen Möglichkeiten wirtschaftspolitischer Maßnahmen ausgleichen. Hier meint Herr Kollege Struve, daß es vielleicht schwer oder auch nicht tunlich sei, sich über die Frage zu streiten oder etwa die Frage zu beantworten, was nun wirklich der Familienbetrieb im Sinne dieses Gesetzes sei. Hier bin ich etwas anderer Meinung und habe das auch jedes Jahr gesagt. Wenn wir von der Regierung und damit von uns selbst die Zusage fordern, zwischen zwei Dingen auszugleichen, dann kann man nicht erwarten, daß man das bei einer Unbekannten tut. Die Unbekannte ist immer noch die unterste Basis, wo Kostenaufwand und Preise miteinander verglichen sind. Das ist der Familienbetrieb, und da der Familienbetrieb auch im EWG-Vertrag angesprochen ist und da vielleicht jeder Staat etwas anderes darunter versteht, kann man die Antwort nicht agrarpolitisch und ökonomisch geben. Wahrscheinlich sind auch hier im Hause die Meinungen darüber geteilt. Es gibt Leute, die sagen, ein Familienbetrieb liegt dann vor, wenn sich eine Familie davon ernähren kann. Diese Antwort ist mir etwas allzu billig. Die Antwort auf diese Frage, was ein Familienbetrieb ist, ist eine politische Antwort, und wir sollten uns bemühen, diese Frage zu beantworten, um zu wissen, von welcher Basis wir auszugehen haben.
    Nun haben wir den EWG-Vertrag, der ein ähnliches Ziel für eine gemeinsame Agrarpolitik hat. Der EWG-Vertrag spricht vier Teilbereiche an, die wir berücksichtigen sollen: erstens die Nowendigkeit einer Produktivitätssteigerung, zweitens sollen wir eine angemessene Lebenshaltung durch die Erhöhung des Pro-Kopf-Einkommens der in der Landwirtschaft tätigen Menschen anstreben, wir sollen weiter die Märkte stabilisieren, und wir sollen vier-



    Dr. Effertz
    tens die Versorgung der Bevölkerung zu angemessenen Preisen sicherstellen. Das sind die Ziele.
    Nachdem nun aber nach den Erfahrungen von acht Grünen Berichten und unter Zugrundelegung des Landwirtschaftsgesetzes das Ziel unserer nationalen Agrarpolitik auf Grund dieses Gesetzes nicht erreicht worden ist, wie insbesondere dieser letzte Grüne Bericht feststellt, sind wir gezwungen, uns gemeinsam etwas Besseres einfallen zu lassen. Ich erinnere wiederum an die gemeinsame Entschließung vom 31. Januar 1962, und hier lade ich die SPD wieder ein, weil sie diese Entschließung mit unterschrieben hat.
    Wie bedeutungsvoll diese Frage ist, nachdem wir nun acht Grüne Berichte vorgelegt bekommen haben, möchte ich nur an einem Zahlenbeispiel beweisen, das erschreckend ist. Allein die Lohndisparität der deutschen Landwirtschaft verglichen mit vergleichbaren Löhnen macht die runde Summe von 5 Milliarden DM aus, die wir eigentlich bezahlen müßten, wenn wir das Gesetz buchstabengetreu und so, wie die Landwirte es auffassen, handhaben würden. 5 Milliarden! Wenn an das Parlament die Forderung gestellt würde, diese 5 Milliarden zu bewilligen, müßte allerdings die Opposition auch wieder mitspielen. Ich würde, wenn man das nicht tun wollte, die Frage stellen: was würden wohl die Gewerkschaften sagen, wenn man ihnen gesetzlich von der Regierung, vom Parlament zugestandene Leistungen nicht auszahlen wollte?

    (Beifall bei der FDP.)

    Die Steigerung der Lohndisparität zwischen den letzten beiden Grünen Berichten macht 1,6 Milliarden DM aus, und lassen Sie mich auch noch die Verschuldung mit 15 Milliarden DM nennen, dann haben Sie mit drei Zahlen einen Situationsbericht über die Lage der deutschen Landwirtschaft.

    (Abg. Schmidt [Würgendorf] : Welches Kabinett würde das beschließen?)

    — Nein, auch der Bundestag. Wenn wir 5 Milliarden mehr für die Landwirtschaft einsetzen, dann muß ja bei Ihren Forderungen etwas nachgegeben werden. Denn zum Schluß kann nicht mehr ausgegeben werden, als der Finanzminister an Steuern einzieht.

    (Zustimmung bei der FDP. — Zurufe von der SPD.)

    — Ach, wir wollen doch für die Landwirtschaft keine Sonderbrötchen gebacken haben. Wir wollen nur unsere Arbeit genauso bezahlt wissen, wie das mit gutem Recht die anderen seit Jahr und Tag bekommen haben.

    (Beifall rechts.)

    Ich möchte auch an den Bundestag eine Bitte richten; ich wende mich nicht nur an die Regierung, damit es nicht so aussieht, als ob ich heute eine Oppositionsrede hielte. Manchmal könnte es so scheinen. Ich bemühe mich nur, meine Meinung zu sagen. Ich bin nicht angeleint und nicht fraktionsgebunden in dem, was ich sage. Allerdings gebe ich die Meinung meiner Fraktion wieder, weil ich mich mit ihr unterhalten habe. Aber ich bin nicht gebunden. Nehmen
    Sie es mir bitte nicht übel, wenn auch ich Zahlen bringe. Ich wende mich nicht einseitig nur an die Bundesregierung, sondern auch an das Parlament und damit auch an die Opposition.

    (V o r s i t z: Vizepräsident Dr. Dehler.)

    Ich möchte damit andeuten, daß wir verpflichtet sind, der Landwirtschaft die der übrigen Wirtschaft gewährten Vorleistungen allmählich auch einmal endlich zu honorieren. Sie haben selber, Herr Kollege Schmidt, in Bergheim, nachdem ich dort gewesen war, gesagt, es sei ein berechtigtes Anliegen der Landwirtschaft, daß nun auch wir uns beim Nachziehen einmal mit dieser Forderung an das Parlament — und damit auch an Sie — und an die Regierung wenden. Denn für die allgemeine Wirtschaftspolitik habe man seit 1951, wenn ich richtig orientiert bin, über 146 Milliarden DM Subventionen und Förderungsmittel verschiedenster Art ausgegeben; ich will die Zahlen nicht im einzelnen untersuchen. Ich wäre allerdings dem Herrn Bundeswirtschaftsminister dankbar gewesen, wenn er in der Zwischenzeit, der Forderung des Parlaments folgend, uns einmal einen Katalog über die in der Vergangenheit wirklich gezahlten Gesamtsubventionen für die Wirtschaft und einen Überblick über die Subventionen gegeben hätte, die in den einzelnen Jahreshaushalten getrennt stehen, und damit diese zusammenadddiert hätte. Dann würden wir vergleichend vielleicht zu dem Ergebnis kommen, daß die Subventionen, die die Landwirtschaft bekommt, nur 10 % von dem ausmachen, was die übrige Wirtschaft bekommt. — Bevor Sie aber wieder einen Zwischenruf machen, Herr Kollege Schmidt, möchte ich darauf hinweisen, daß ich darunter selbstverständlich auch die Subventionen eingeschlossen wissen will, die wir für die Sozialpolitik ausgeben.
    Es ist kein Trost, wenn jetzt im Jahre 1963, wenn man sich über die Sorge der deutschen Landwirtschaft unterhält, allmählich, und zwar einer nach dem andern, auch andere Teilbereiche der Wirtschaftspolitik kommen und das gleiche Klagelied mit ähnlichen Begründungen singen. Ich denke an die Kohle, ich denke an die Textilwirtschaft, an Stahl, an die Keramikindustrie. Alle kommen jetzt und sagen: Wir werden erdrückt durch die Auslandskonkurrenz. In der EWG müsse man besser aufpassen. Man werde erdrückt durch Dumping bei den Einfuhren, insbesondere aus Süd- und Ostasien, und der Staat müsse nun eingreifen. Ich halte diese Forderungen für durchaus überlegenswert und wäre gern bereit, über diese Frage im Parlament mit den anderen Partnern, die diese Fragen jetzt neu aufbringen, zu diskutieren, wenn man gleichzeitig bereit wäre, unsere Sorgen mit dem gleichen Ernst und mit der gleichen Bereitschaft auch in bezug auf unseren Nachholbedarf zu diskutieren.
    Man wirft der deutschen Landwirtschaft so oft vor — und vergleicht sie mit den anderen Ländern, die angeblich leistungsfähiger seien —, wir bekämen allein Subventionen. Nun, daß das nicht stimmt, habe ich soeben bereits gesagt. Die Optik spricht aber gegen uns; denn wir haben auf Grund der Sonderexistenz eines Grünen Plans in den ver-



    Dr. Effertz
    gangenen Jahren — und wir, die wir hier im Hause sitzen, waren alle nicht immer unschuldig daran — die Kritik, wenn von Subventionen gesprochen wird, einseitig immer auf die Landwirtschaft gelenkt und dabei die Subventionen für die anderen Bereiche, auch in der Sozialpoltik, übersehen. Wir haben bei dieser einseitigen Kritik an den deutschen Subventionen dann allerlei zu hören bekommen: Ja, die deutsche Landwirtschaft klagt immer; warum strengt sie sich nicht selbst an und konkurriert mit dem Ausland; denn die können doch alles billiger machen!
    Meine Damen und Herren, vergleichen Sie bitte einmal mit wenigen Zahlen die Subventionen, die anderswo gezahlt werden. Sie werden dann feststellen, daß, während wir 1,2 Millionen DM echte Subventionen im letzten Grünen Plan ausgewiesen haben, die Franzosen 8 bis 81/2Milliarden DM Subventionen der verschiedensten Art an ihre Landwirtschaft gezahlt haben. Bei der Aufteilung der Subventionen auf die in der Landwirtschaft beschäftigten Vollarbeitskräfte ergibt sich — ich will die Zahlen im einzelnen nicht nennen —, daß die Bundesrepublik mit 724 DM bei weitem am tiefsten liegt; denn in anderen Ländern, z. B. in England betragen die Subventionen je Arbeitskraft ohne Nebenerwerb — also vollbeschäftigt — 3000 DM, in Holland über 2000, selbst in Amerika über 2000 DM.

    (Abg. Dr. Schmidt [Gellersen]: Das Doppelte!)

    — Ein Wesentliches mehr als hier.
    Dann möchte ich noch vor einem Irrtum warnen, einem Einwand, der uns immer wieder vorgehalten wird, wenn von den ewig klagenden Landwirten gesprochen wird: dem Hinweis auf die sogenannten Weltmarktpreise. Seien wir doch ehrlich! Echte Weltmarktpreise für Lebensmittel hat es noch nie gegeben, gibt es nicht und wird es auch in Zukunft nicht geben. Alle Preise auf dem Agrarsektor sind vom Erzeuger bis zum Verbraucher irgendwie, wenn auch verschieden, politisch manipuliert, weil sie den Beeinflussungen und der Rücksichtnahme auf die Innenpolitik unterliegen. Wenn das bei anderen so ist, warum soll es da bei uns eine Ausnahme geben?
    Ich bedaure, heute noch etwas sagen zu müssen, was ich früher schon einmal erwähnt habe. Ich bedaure, daß wir zwar von der sozialen Marktwirtschaft sprechen, aber die deutsche Landwirtschaft nur mit einem Bein, nämlich mit ihren Kosten und Löhnen, in die soziale Marktwirtschaft eingegliedert haben, während man das andere Bein — unsere Preise — gelähmt draußen gelassen hat. Wir fahren also zweigleisig. Wir können nicht kalkulieren. Unsere Kosten laufen davon. Die Löhne passen sich an. Auch in der übrigen Wirtschaft haben wir dieses Weglaufen. Die Gewerkschaften helfen dabei noch etwas mit. Ich will das nicht kritisieren. Berechtigte Anliegen können sie vorbringen, die Unternehmer auch. Aber man sollte beides stoppen. Wir sind der Sündenbock und der Angeklagte und der Leidtragende.

    (Beifall rechts. — Zurufe von der SPD: Wer sind „wir"? Wen meinen Sie mit „wir"?)

    — Mit „wir" meine ich die Landwirtschaft. Oder aber: man soll uns nicht vorwerfen, daß wir hinterherhinkten, daß wir uns nicht anstrengten. Man soll vor allem gerecht sein und die Kritik nicht nur an den landwirtschaftlichen Subventionen aufhängen.

    (Abg. Dr. Schmidt [Gellersen] : Herr Effertz, Sie sprechen von „uns"! Was heißt „uns" und was heißt „wir"?)

    — „Wir"? — Ja, muß ich das jetzt noch auseinanderklamüserri? Das ist immer im einzelnen zu verstehen.

    (Zurufe von der SPD.)

    — Ach, wenn Sie wollen, spreche ich für meine Parteifreunde; wenn Sie wollen, wenn die CDU bereit ist, sich anzuschließen, spreche ich auch — wir haben ja die Konzepte nicht ausgetauscht — im Sinne unseres Koalitionspartners. Wir wollen uns doch hier angewöhnen, im Parlament frei zu reden, so, wie jeder es glaubt vertreten zu sollen.

    (Beifall bei der FDP, in der Mitte und bei der SPD.)

    — Nun weiß ich wirklich nicht, wem ich für den Beifall danken soll, der rechten oder der linken Seite.

    (Beifall bei der FDP. — Heiterkeit. — Zurufe von der SPD: Uns!)

    Ein Weiteres kommt hinzu. Demnächst werden wir hier die Notstandsgesetze behandeln. Im Grundsatz werden wir sie wahrscheinlich verabschieden. Unter diesen Notstandsgesetzen befindet sich auch ein Ernährungssicherstellungsgesetz. Wenn ich mir die Formulierung dieses Gesetzes ansehe, muß ich sagen: die Voraussetzungen für das Funktionieren dieses Gesetzes sind eigentlich gar nicht gegeben. Wo ist die Hofkarte, die eigentlich vorhanden sein müßte, nach der betriebliche Meldungen für die Erfassung und die Produktion vonstatten gehen sollten? Auch darüber müssen wir uns einmal unterhalten.
    Warum sage ich das? Nicht um eine Unzulänglichkeit dieses Gesetzes anzuprangern, sondern ich wollte sagen: Gewöhnen wir uns doch endlich einmal ab, Agrarpolitik immer nur als Berufsstandspolitik zu sehen! Sie ist keine Grüne-Front-Politik, sie ist Ernährungspolitik und, wenn Sie wollen — nach dem Ernährungssicherstellungsgesetz —, Ernährungssicherstellungspolitik.

    (Beifall auf allen Seiten.)

    — Herzlichen Dank. — Wenn das so ist, Herr Dr. Schmidt, dann wollen wir uns aber auch darüber im klaren sein, daß wir die Arbeit in der Landwirtschaft alle gemeinsam bezahlen müssen. Ob das nun direkt über den Preis geht, ob das über Subventionen geht oder ob wir uns demnächst anschicken müssen, die Verschuldung der Landwirtschaft zu übernehmen, es ist die gleiche Mark aus dem gleichen Portemonnaie, nur machen die zweite und die dritte Mark Umwege und verursachen Verwaltungskosten.

    (Abg. Dr. Schmidt [Gellersen] : Ein neuer Gedanke zur Konzeption!)




    Dr. Effertz
    Wieso? Entschuldigen Sie, wenn wir aus politischen Gründen zur Ernährungssicherstellung ein gewisses Minimum an landwirtschaftlicher Produktion bejahen, dann müssen die Kosten und damit auch die Löhne für diese Arbeit an der Ernährungssicherstellung bezahlt werden, und zwar von allen, nicht von einzelnen Parteien.

    (Abg. Dr. Schmidt [Gellersen] : Sie sprachen von der Verschuldung!)

    — Ja, Sie haben nicht zugehört: Das Bezahlen kann ich auf drei Arten machen. Entweder ich bezahle den echten Preis auf Grund der Kostenkalkulation, oder, wenn ich das nicht tun will —, oder mich scheue, das zu tun, dann gebe ich Subventionen, oder aber wir entschulden, wenn es nicht mehr weitergeht, die Landwirtschaft mit öffentlichen Mitteln. Wie ich sagte, es ist jedesmal die gleiche Mark aus dem gleichen Portemonnaie, nur macht die zweite oder dritte Mark einen Umweg und kostet Verwaltungsaufwand.
    Meine Damen und Herren, solange wir die Agrarpolitik außerhalb der sozialen Marktwirtschaft sehen, solange Löhne und Preise in der übrigen Wirtschaft steigen — nicht nur bei uns, sondern auch bei den anderen Industriestaaten sind die Sorgen um ihre Landwirtschaft fast einheitlich und ebenso wie bei uns —, solange alles steigt, ist es doch eine Utopie, zu glauben, daß die Preise in der Landwirtschaft fallen könnten, es sei denn, wir gleichen gefallene Preise über Subventionen, wie ich es eben sagte, aus. Ich bin sogar überzeugt, daß, wenn auf die Dauer die anderen Parlamente — ich denke hier insbesondere an Frankreich mit der sehr hohen Subvention —, weil es auch da mit den Steuereinnahmen nicht mehr so recht klappt, die Subventionen abbauen müssen und genauso wie wir aus Gründen der Ernährungssicherstellung, also aus politischen Gründen, ein gewisses Maß an landwirtschaftlicher Produktion erhalten müssen, nicht nur bei uns, sondern auch bei den anderen die Erzeugerpreise automatisch steigen müssen, wenn in irgendeiner Form die Kosten aufgefangen werden sollen.
    Deshalb habe ich eine gewisse Sorge — und jetzt komme ich wieder auf Ausführungen von Staatssekretär Hüttebräuker zu sprechen —, was ab 1966 geschieht, wenn die anderen über uns bestimmen. Die anderen werden sich ab 1966 gegen uns einig sein in der Absicht, unseren Getreidepreis zu senken und damit alles ins Rutschen zu bringen, d. h. sie werden sich einig sein in der Absicht, noch mehr vom deutschen Käufermarkt an sich zu reißen; denn wir sind ja fast das einizge kaufende Land in der EWG. Wenn sie diesen Markt auf Kosten unserer Produktion und der Rentabilität der deutschen Landwirtschaft erlangt haben, werden die Preise, in der Landwirtschaft anschließend bis zum Jahre 1970 und darüber hinaus zwangsläufig steigen, um so mehr als die nationalen Subventionen abgebaut werden müssen. Es glaubt doch kein Mensch, daß Frankreich seine 8 Milliarden DM an jährlichen Subventionen aufrechterhalten kann. Man könnte es vielleicht annehmen, weil sich Frankreich in einer etwas stärker steigenden Konjunktur befindet als wir; wir befinden uns schon auf einer flacheren Linie.
    Ich sagte, wir haben zwei Grundlagen: Landwirtschaftsgesetz und EWG. Beim Landwirtschaftsgesetz ist das Ziel angesprochen. Die Methoden sind leider nicht klar genug angesprochen worden, sie sind für die Regierung nicht verpflichtend genug, — ein altes Anliegen meiner Partei. Zwei der angesprochenen Methoden sind für uns nicht mehr voll zu handhaben, weil wir mittlerweile unsere Kompetenz in vielem — das haben Sie soeben erklärt — an die EWG abgegeben haben.
    Wenn Sie sich den Text des EWG-Vertrages durchsehen, insbesondere die Artikel 39 und 40, werden Sie feststellen, daß auch da ein Ziel angesprochen ist, daß aber die Methoden genauso vage und unbestimmt bleiben, wie es im Landwirtschaftsgesetz der Fall ist. Ich habe das Gefühl, daß die Väter dieser beiden Artikel über die EWG-Agrarpolitik bei der Verabschiedung die gleiche Empfindung hatten wie die Väter der entsprechenden Vorschriften des Landwirtschaftsgesetzes, das wir verabschiedet haben: Das Gefühl, daß man sich mit einer solchen Regelung in ein Experiment begibt, einen Versuch macht. Das sollten wir zugestehen. Denn das Hin und Her in den Überlegungen in Brüssel, soweit es nach draußen dringt, beweist ja, daß alle miteinander der Meinung sind, man mache einen Versuch. Wenn dem aber so ist, dann sollte man untereinander auch so ehrlich sein — wenn das Ziel sein soll: gleiche Chancen für alle Partner —, auch einmal bestehende Beschlüsse abzuändern bzw. von ihnen abzuweichen.

    (Bundeswirtschaftsminister Dr. Dr. h. c. Erhard erscheint auf der Regierungsbank. — Beifall bei den Regierungsparteien.)

    — Ich darf dem Herrn Bundeswirtschaftsminister herzlich danken. Ich hatte mir erlaubt, zu bedauern, Herr Minister, daß ich Sie nicht auf der Regierungsbank sah, weil wir uns gern auch einmal mit Ihnen über Agrarpolitik unterhalten hätten.
    Ich bin also der Meinung: Das, was in Brüssel beschlossen wird oder in Zukunft noch beschlossen werden wird, muß nicht immer etwas Unabänderliches sein. Vielmehr sollte man auf Grund der mit solchen Beschlüssen gemachten Erfahrungen den Mut haben — wenn gutes Zureden in Brüssel hilft —, Verordnungen oder Beschlüsse zu ändern und den neuen Erkenntnissen anzupassen. Nur so kann das Ziel der gleichen Chance für alle wirklich erreicht werden. Bei den Verhandlungen über den Beitritt Englands hätte sich diese Chance zum erstenmal ergeben, wenn Frankreich nicht nein gesagt hätte. Natürlich war es, wenn man die Engländer und andere Staaten wirklich dabei haben wollte, ein berechtigtes Verlangen, mit uns zu überlegen, ob man im Falle eines Beitritts Englands nicht gewisse Übergangszeiten verlängern und bestimmte Übergangsbestimmungen umarbeiten müßte.
    Wenn man sich das Grundkonzept ansieht, mit dem nach den ersten Beschlüssen in Brüssel unter Bezugnahme auf den EWG-Vertrag begonnen worden ist, dann muß man feststellen, daß man sich von den dort vorgeschlagenen Agrarmarkttypen die schlechteste Type ausgesucht hat, nämlich die



    Dr. Effertz
    Type 3, eine einheitliche europäische Marktordnung. Es standen drei Möglichkeiten zur Wahl: 1. gemeinsame Wettbewerbsregeln, 2. Koordinierung der verschiedenen einzelstaatlichen Marktordnungen, 3. Bildung einer europäischen Marktordnung. Nach den Erfahrungen, die wir bis heute gemacht haben, wäre es besser gewesen, man hätte die Möglichkeiten 1 und 3 miteinander verbunden und hätte mit dieser Lösung einige Jahre experimentiert, um zu sehen, ob das funktioniert, insbesondere hinsichtlich der beabsichtigten und notwendigen Harmonisierung der Subventionen, der Hilfen der einzelnen Länder für ihre Agrarwirtschaft, des Abbaues der Wettbewerbsverzerrung, der Errechnung allgemeingültiger Preise auf der Kostenbasis und der Berücksichtigung der nationalen Anliegen, vor allem der Bundesrepublik, die ja . zur Zeit das einzige kaufende Land in der EWG ist.
    Die zentralistische Regelung, die man gewählt hat, verführt natürlich die Gegner einer Marktordnung leicht dazu, zu sagen, man habe den Perfektionismus in Brüssel übertrieben, die Bürokratie blähe sich zu stark auf und es werde zuviel dirigistisch angeordnet. Wenn man eine der beiden ersten Möglichkeiten oder ihre Verbindung gewählt hätte, dann brauchten wir — insbesondere wenn auch Straßburg mehr Möglichkeit hätte, sich einzuschalten — nicht darüber zu klagen, daß in Brüssel hinter verschlossenen Türen den Mitgliedstaaten allzu perfektionistische und bürokratische Lösungen oktroyiert werden. Ob dieser Perfektionismus, den man so oder so sehen kann, in Zukunft richtig ist, wird sich erweisen. Vielleicht muß man auch hier den Mut haben, gemeinsam in Brüssel in Verbindung mit Straßburg zu überlegen, ob man zu gegebener Zeit einmal modifizieren und ändern muß, insbesondere wenn man daran denkt, daß — wie wir alle wünschen — andere freie Staaten Westeuropas Mitglied der EWG werden sollen.
    Wenn die Bundesregierung auf dem Standpunkt steht, daß an dem heutigen deutschen Getreidepreisniveau und damit an dem Preisniveau der Landwirtschaft schlechthin nichts geändert werden soll, dann gilt das bis zum 31. Dezember 1965. In der Öffentlichkeit darf das nicht so verstanden werden, als ob ein Festhalten an den derzeitigen Preisen bedeuten würde, daß das reale Preise sind. Ein Festhalten des Getreidepreises bis 1965 bedeutet im Vergleich zu den zu erwartenden steigenden Kosten und Löhnen einen sinkenden Preis. Deshalb darf man nicht die Haltung der deutschen Bundesregierung und, ich glaube, auch die Auffassung des Parlaments kritisieren, wenn wir sagen, daß es selbstverständlich eine Pflicht der deutschen Bundesregierung und des Parlaments ist, den derzeitigen Preisstatus noch so lange zu halten, wie die gegen uns gerichteten großen Wettbewerbsverzerrungen bei den anderen bestehen und man noch nicht willens ist, diese gegen uns gerichteten Wettbewerbsverzerrungen abzubauen.
    Das Versprechen, das in Brüssel ausgehandelt worden ist — dafür haben wir fast drei Jahre gebraucht —, nun endlich einmal einen Katalog aufzustellen, welche Wettbewerbsverzerrungen und
    Subventionen in den einzelnen Partnerländern bestehen, ist mir zu wenig. Wir hätten eigentlich schon vor drei Jahren anfangen sollen, abzubauen. Seitdem haben wir in Brüssel durch ein großes deutsches Entgegenkommen bei den Zollsenkungen und beim Abbau der Kontingente erhebliche Vorleistungen erbracht.