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    Deutscher Bundestag 55. Sitzung Bonn, den 23. Januar 1963 Inhalt: Nachruf auf den Abg. Döring . . . . . 2403 A Zur Tagesordnung: Behrendt (SPD) . . . . . . . . 2403 C Rasner (CDU/CSU) . . . . . . . 2403 D Glückwünsche zum Geburtstag des Abg. Dr. Dr. h. c. Baade . . . . . . . . 2417 B Fragestunde (Drucksache IV/ 912) Frage des Abg. Blumenfeld: Handel mit Indonesien Dr. Westrick, Staatssekretär . . 2404 C, D Blumenfeld (CDU/CSU) . . . . . 2404 D Frage des Abg. Ertl: Bauvorhaben in Außenbereichen Dr. Ernst, Staatssekretär . 2405 A, B, C, D, 2406 A, B, C, D Ertl (FDP) 2405 B Unertl (CDU/CSU) . . . 2405 C, 2406 C Fritsch (SPD) 2405 D, 2406 A Dr. Imle (FDP) 2406 A, B Frau Dr. Kiep-Altenloh (FDP) . 2406 C, D Frage des Abg. Dr. Aigner: Entwicklungshilfe für Ceylon Scheel, Bundesminister . . . 2407 A, C, D, 2408 A Dr. Aigner (CDU/CSU) 2407 C Sänger (SPD) 2407 D, 2408 A Frage des Abg. Ertl: Geflügelfleisch aus USA Frau Dr. Schwarzhaupt, Bundesminister 2408 A, B, C Ertl (FDP) . . . . . . . . 2408 B, C Fragen des Abg. Höhmann (Hessisch Lichtenau) : Fahrpreisermäßigungen für Kriegsversehrte und -hinterbliebene Höcherl, Bundesminister 2408 D, 2409 A, B Hähmann (Hessisch Lichtenau) (SPD) 2409 A, B Frage des Abg. Höhmann (Hessisch Lichtenau) : Sonstige Vergünstigungen für Kriegsbeschädigte und -hinterbliebene Höcherl, Bundesminister . . . . 2409 B, C Höhmann (Hessisch Lichtenau) (SPD) 2409 C Frage des Abg. Dr. Kliesing (Honnef) : Zahlung des Kinderzuschlages über das 25. Lebensjahr hinaus Höcherl, Bundesminister 2409 D Dr. Kliesing (Honnef) (CDU/CSU) 2409 D Fragen des Abg. Porten: Versorgung der deutschen Mühlen mit Roggengetreide Schwarz, Bundesminister 2410 A, B, C, D, 2411 A, B, C Porten (CDU/CSU) . . . 2410 B, C Ritzel (SPD) . . . . . . . . 2410C, D Frehsee (SPD) . . . . . . . 2411 A, B Ertl (FDP) 2411 B II Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 55. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 23. Januar 1963 Fragen des Abg. Tobaben: Auslegung des Gesetzes zur Förderung der deutschen Eier- und Geflügelwirtschaft Schwarz, Bundesminister . . . . 2411 C, D Tobaben (CDU/CSU) 2411 B Frage des Abg. Ritzel: Behandlung sogenannter Kettenhunde Schwarz, Bundesminister . 2412 A, B, C, D, 2413 A, B Ritzel (SPD) . . . . . . . . . 2412 B Büttner (SPD) 2412 C, D Dr. Dr. h. c. Dresbach (CDU/CSU) . 2412 D, 2413 A Vizepräsident Schoettle . 2412 D, 2413 A Schwabe (SPD) 2413 A, B Frage des Abg. Dr. Imle: Förderung der vertikalen Verbundwirtschaft Schwarz, Bundesminister . . . . 2413 C, D Dr. Imle (FDP) 2413 C Frage des Abg. Dröscher: Anrechnung von Einkünften bei der Elternrente Blank, Bundesminister . 2413 D, 2414 A Dröscher (SPD) 2414 A Frage des Abg. Riegel (Göppingen) : Erforschung der Probleme des Phantom-Schmerzes Blank, Bundesminister . . . . 2414 B, C Riegel (Göppingen) (SPD) . . . 2414 B, C Frage des Abg. Riegel (Göppingen) : Forschung auf dem Gebiet der Orthopädie-Technik Blank, Bundesminister 2414 C, D, 2415 A, B Riegel (Göppingen) (SPD) 2414 D, 2415 A Bazille (SPD) 2415 A Höhmann (Hessisch Lichtenau) (SPD) 2415 B Vizepräsident Schoettle 2415 B Frage des Abg. Dr. Mommer: Fahrpreiserhöhung auf der Bundesbahn zwischen Bietigheim und Kornwestheim 2415 C Fragen ides Abg. Felder: Sicherheitsgurte in Kraftfahrzeugen Dr. Seiermann, Staatssekretär . . 2415 D, 2416 A, B Felder (SPD) 2416 A Frage des Abg. Dröscher: Anschlußbahnhof an der Rheinstrecke für Reisende aus dem Saar-Nahe-Hunsrück-Raum Dr. Seiermann, Staatssekretär . 2416 B, C, D Dröscher (SPD) 2416 C, D Frage des Abg. Dröscher: Flugsicherung auf militärischen Flugplätzen Dr. .Seiermann, Staatssekretär . . . 2416 D, 2417 A Dröscher (SPD) . . . . . . . . 2417 A Sammelübersicht 13 des Petitionsausschusses über Anträge zu Petitionen (Drucksache IV/ 889) . . . . . . . . . . 2417 B Antrag des Bundesministers der Finanzen betr. Entlastung der Bundesregierung wegen der Bundeshaushaltsrechnung für das Rechnungsjahr 1959 (Drucksache IV/ 854) 2417 C Entwurf eines Gesetzes zur Neuregelung des Rechts der gesetzlichen Krankenversicherung (Krankenversicherungs-Neuregelungsgesetz) (Drucksache IV/ 816) — Erste Beratung —; in Verbindung mit dem Entwurf eines Gesetzes über die Fortzahlung des Arbeitsentgelts im Krankheitsfalle (Lohnfortzahlungsgesetz) (Drucksache IV/ 817) — Erste Beratung —; und dem Entwurf eines Bundeskindergeldgesetzes (Drucksache IV/ 818) — Erste Beratung — Blank, Bundesminister . 2417 D, 2447 A Stingl (CDU/CSU) 2428 D, 2465 D, 2466 B, 2467 D, 2468 A Dr. Schellenberg (SPD) 2436 B, 2466 A, C 2467 A Spitzmüller (FDP) 2448 D Dr. Franz (CDU/CSU) . . . . . 2453 A Rohde (SPD) . . . . . . . . 2455 D Ruf (CDU/CSU) . . . . . . . 2461 A Dr. Mommer (SPD) 2467 B Dürr (FDP) 2468 B Memmel (CDU/CSU) . . 2468 D, 2469 A Nächste Sitzung 2469 D Anlagen 2471 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 55. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 23. Januar 1963 2403 55. Sitzung Bonn, den 23. Januar 1963 Stenographischer Bericht Beginn: 9.00 Uhr
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    Berichtigung Es ist zu lesen: 54. Sitzung Seite 2353 D Zeile 5 statt „multilateralem": bilateralem. Anlage 1 Liste der beurlaubten Abgeordneten Abgeordnete (r) beurlaubt bis einschließlich a) Beurlaubungen Arendt (Wattenscheid) 25. 1. Dr. Arndt (Berlin) 24. 1. Dr. Atzenroth 25. 1. Dr. Dr. h. c. Baade 25. 1. Bading 5. 2. Fürst von Bismarck 25. 1. Dr. Dörinkel 25. 1. Eisenmann 24. 1. Etzel 26. 1. Even (Köln) 23. 1. Figgen 23. 2. Dr. Dr. h. c. Friedensburg 23. 1. Funk (Neuces am Sand) 16. 2. Gewandt 31. 1. Freiherr zu Guttenberg 23. 1. Haage (München) 25. 1. Harnischfeger 25. 1. Hauffe 28. 2. Hellenbrock 26. 1. Holkenbrink 26. 1. Dr. Hoven 25. 1. Kalbitzer 25. 1. Frau Kipp-Kaule 25. 1. Klinker 25. 1. Knobloch 23. 1. Koenen (Lippstadt) 25.1. Dr. Kohut 25. 1. Kriedemann * 25. 1. Lemmer 26. 1. Lenz (Bremerhaven) 25. 1. Lücker (München) 25. 1. Maier (Mannheim) 23. 1. Matthöfer 23. 1. Mattick 25. 1. Frau Dr. Maxsein 25. 1. Dr. h. c. Menne (Frankfurt) 23. 1. Dr. Menzel 25. 1. Metzger * 23. 1. Michels 23. 1. Dr. Miessner 31. 1. Missbach 25. 1. Müller (Berlin) 28.2. Müller (Remscheid) 25. 1. Müller-Hermann 31. 1. Neubauer 17. 2. Neumann (Berlin) 25. 1. Dr.-Ing. Philipp 25. 1. Rademacher 31. 1. Dr. Rutschke 31. 1. Sander 25. 1. Schneider (Hamburg) 31. 1. Schütz (Hamburg) 25. 1. Storch * 23. 1. Frau Strobel * 25. 1. Urban 25. 1. Dr. Wahl 28. 2. Anlagen zum Stenographischen Bericht Abgeordnete (r) beurlaubt bis einschließlich Wischnewski * 23. 1. Dr. Zimmer 26. 1. Zühlke 24. 1. b) Urlaubsanträge Dr. Dr. h. c. Dresbach 28. 2. Katzer 31. 1. Kühn (Köln) 2. 2. Dr. von Merkatz 4. 2. Dr. Stammberger 3. 2. * Für die Teilnahme an Ausschußsitzungen des Europäischen Parlaments Anlage 2 Schriftliche Ausführungen des Abgeordneten Schulhoff zu dem von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf eines Gesetzes über die Fortzahlung des Arbeitsentgelts im Krankheitsfalle (Lohnfortzahlungsgesetz) (Drucksache IV/ 817). Bei den Diskussionen über die Lohnfortzahlung an erkrankte Arbeiter wird schon seit geraumer Zeit nur noch über die Methoden diskutiert, nach der die Zahlung erfolgen soll. Ich bin der Auffassung, daß es nötig ist, den entscheidenden Punkt noch einmal deutlich in Erinnerung zu rufen: Die Arbeitgeber der Bundesrepublik haben sich grundsätzlich bereit erklärt, die mit einer Lohnfortzahlung an Arbeiter verbundenen Belastungen zu tragen. Niemand wird annehmen, daß diese Bereitschaft der Arbeitgeber selbstverständlich ist. Im Gegenteil, ich glaube, darin liegt ein so großes Maß von Vernunft und Verständnis, daß es nur gerecht wäre, wenn den Vorstellungen der Arbeitgeber über die formelle Abwicklung der Lohnfortzahlung entscheidendes Gehör geschenkt würde. Wenigstens ist es sonst im allgemeinen üblich, demjenigen, der von sich aus eine Geldleistung anbietet, den praktischen Weg der Aufbringung und Auszahlung dieser Geldleistung selbst zu überlassen, wenn die von ihm vorgeschlagene Methode zu dem gleichen materiellen Ergebnis führt. Das Handwerk ist ein Freund des gesunden sozialen Fortschritts. Auch die Handwerksbetriebe sind deshalb interessiert, den bei ihnen tätigen rund 3 Millionen Gesellen und Fachkräften angemessene Lohn- und Arbeitsbedingungen zu bieten. Das haben die im Rahmen der Tarifautonomie abgeschlossenen Tarifverträge der letzten Jahre bewiesen. Die jährliche Gesamtlohnsumme des Handwerks ist Ende 1962 auf annähernd 19 Milliarden DM gestiegen. Das Handwerk hat sich der Diskussion über die gesetzliche Regelung der Lohnfortzahlung nicht verschlossen. Es hat allerdings seine positive Mitarbeit in dieser Frage von zwei entscheidenden Voraus- 2472 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 55. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 23. Januar 1963 setzungen abhängig gemacht: erstens von der Normalisierung der überhöhten Krankenstände der deutschen Wirtschaft im Rahmen einer wirksamen Reform der Krankenversicherung, die wir gemeinsam anstreben, zweitens von der Aufbringung der Leistungen an die erkrankten Arbeiter durch die in den Krankenkassen zusammengeschlossenen Solidargemeinschaften der Betriebe, also von der Begrenzung der Beanspruchung der Betriebe auf einen regelmäßigen festen Umlagebeitrag. Die Regierungsvorlage überträgt im Rahmen einer arbeitsrechtlichen Konstruktion die Verantwortung und die Hauptlast der Lohnfortzahlung unmittelbar auf die Betriebe. Damit wird die Handwerkswirtschaft überfordert. Die Handwerksarbeit ist in hohem Grade lohnintensiv. Das Handwerk umfaßt zum größten Teil kleinere und mittlere Betriebe. Von seinen rund 3 Millionen Fachkräften waren 1956 in 320 000 Betrieben mit 2 bis 4 Fachkräften ca. 600 000, in 130 000 Betrieben mit 5 bis 10 Fachkräften ca. 700 000 und in 50 000 Betrieben mit 10 bis 25 Fachkräften ca. 650 000 Arbeitnehmer beschäftigt. Gerade in Betrieben dieser Größenordnungen, die mit Fertigungsaufgaben, Reparaturarbeiten oder Dienstleistungen beschäftigt sind, bedeuten Erkrankungen von Arbeitskräften erhebliche Störungen im Produktions- und Arbeitsablauf und Verluste an Umsätzen und Ertrag. Die Lohnfortzahlung während der Krankheitszeiten bis zur Dauer von 6 Wochen kann im Einzelfall die finanzielle Liquidität oder Ertragslage des Betriebes gefährden. Nach Erhebungen in einzelnen Fachbereichen des Handwerks auf der Grundlage der betrieblichen Erkrankungen im ersten Halbjahr 1962 würde die finanzielle Gesamtbeanspruchung der Betriebe bei der Einführung der gesetzlichen arbeitsrechtlichen Lohnfortzahlung nach den Vorschlägen des Regierungsentwurfes etwa 4 bis 5 % der Lohnsumme, bei Betrieben mit besonders hoher Fluktuation — z. B. Baugewerbe — 7 % und mehr der Lohnsumme betragen. Dazu tritt die schwierige verwaltungsmäßige Aufgabe, den Lohnfortzahlungsanspruch nach seinen rechtlichen Voraussetzungen zu prüfen und seine Höhe nach den gesetzlichen Anforderungen zu berechnen. Damit sind zwangsläufig Auseinandersetzungen in den Betrieben, eventuell auch vor den Gerichten verbunden. Der in der Regierungsvorlage vorgesehene Kostenausgleich über die Krankenkassen ist völlig unzureichend. Der Betrieb muß alle Lohnfortzahlungsbeträge vorlegen. Die hoch dotierten qualifizierten Fachkräfte, deren Lohneinkommen über 750 DM monatlich beträgt, sind — nach der vorgesehenen Regelung in dem Entwurf des Krankenversicherungs-Neuregelungsgesetzes — in den Kostenausgleich nicht einbezogen. Im Hinblick auf die weitergehende Lohnentwicklung muß nach vorsichtigen Schätzungen damit gerechnet werden, daß mindestens ein Drittel der handwerklichen Fachkräfte von dem Kostenausgleich ausgeschlossen ist. Im übrigen ist die Rückerstattung der Lohnfortzahlung von der Anerkennung der betrieblichen Zahlungen durch die Krankenkasse abhängig. Auch hiermit sind für die beteiligten Betriebe erhebliche rechtliche Schwierigkeiten und finanzielle Risiken verbunden. Der Regierungsentwurf enthält somit besonders aus der Sicht der lohnintensiven mittelständischen Wirtschaft schwerwiegende Mängel. Deshalb können wir die Vorlage nicht als eine sinnvolle und gerechte Lösung der Lohnfortzahlung anerkennen. Wir beschränken uns aber nicht auf die Kritik des Gesetzentwurfes. Das Handwerk bietet in voller Übereinstimmung mit der Gesamtarbeitgeberschaft eine Regelung der Lohnfortzahlung auf solidarrechtlicher Basis als echte gesetzliche Alternative an. Nach diesem Vorschlag sollen die Krankenkassen Krankengeldbezüge in Höhe des Nettolohnes leisten; die dafür notwendigen Mittel werden von den den Krankenkassen angeschlossenen Betrieben durch einen gesonderten, ausschließlich von den Arbeitgebern zu zahlenden Beitrag aufgebracht. Diese Konstruktion gibt dem erkrankten Arbeiter gleich hohe Leistungen, gewährt außerdem eine stärkere Sicherung seines Anspruchs im Rahmen der Solidargemeinschaft der Betriebe. Außerdem werden von den Arbeitgebern die vollen Beiträge zur Rentenversicherung allein aufgebracht, so daß der Arbeiter auch insoweit keinen Nachteil haben kann. Es steht auf Grund von Befragungen fest, daß die Mehrheit der Arbeiter selber den Rechtsanspruch an die Krankenkassen vorzieht. Die von der Arbeitgeberschaft vorgeschlagene Alternative ist darüber hinaus verwaltungsmäßig übersichtlich und unkompliziert. Wesentlich ist ferner, daß die Kostenbelastung der Wirtschaft auf Grund der Leistungsberechnung auf Nettolohnbasis etwa 20 % unter dem Aufwand der unmittelbaren arbeitsrechtlichen Lohnfortzahlung liegt. Die öffentliche Diskussion der letzten Monate und Wochen hat gezeigt, daß weite Kreise die Regierungsvorlage nicht als die optimale Lösung der Lohnfortzahlung betrachten. Es sei in diesem Zusammenhang u. a. auf die Beratungen des Bundesrates im ersten Durchgang im November vorigen Jahres, aber auch auf die bekannte Stellungnahme des Wirtschaftsausschusses der rheinischen CDU verwiesen. Ich halte es deshalb für notwendig, daß der Bundestag bei seinen weiteren Beratungen über die begründeten Einwendungen der mittelständischen Wirtschaft nicht hinweggeht. Anlage 3 Schriftliche Begründung des Abgeordneten Dr. Danz zu dem Antrag der Fraktion der FDP betreffend Übernahme von qualifizierten Arbeitern in das Angestelltenverhältnis (Drucksache IV/ 726) *). Es wird von keiner Seite bestritten, auch von der Wissenschaft nicht, daß die derzeit im Arbeitsrecht und in der Sozialversicherung geltende Abgrenzung der Begriffe Arbeiter und Angestellter der modernen arbeitstechnischen Entwicklung nicht mehr entspricht. Die Unterscheidung von Arbeitern und Angestellten innerhalb der Arbeitnehmerschaft hat in der arbeitsteiligen Wirtschaft zwar noch ihre Berechtigung, *) siehe 54. Sitzung Seite 2395 B Deutscher Bundestag - 4, Wahlperiode - 55. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 23. Januar 1963 2473 muß jedoch auf Grund der veränderten Funktionen der am Arbeitsprozeß Beteiligten eine Änderung erfahren. Die Unterscheidungsmerkmale stammen im wesentlichen aus dem vorigen und den Anfängen dieses Jahrhunderts und gewährleisten eine den gegenwärtigen Verhältnissen entsprechende Gliederung der Arbeitnehmerschaft nicht mehr. Die Dringlichkeit zur Lösung dieses Problems wird an der jahrelangen Diskussion deutlich, die die Wissenschaft zur Neuabgrenzung der Begriffe Arbeiter und Angestellter geführt hat. Mit gutem Recht freilich hat sich die Wissenschaft aller sozialpolitischen Gestaltungsabsichten enthalten und aus diesem Grunde davon abgesehen, dem Gesetzgeber Änderungsvorschläge zu unterbreiten. Die Schwierigkeiten einer dem arbeitstechnischen und sozialen Strukturwandel gemäßen Umgliederung der Arbeitnehmerschaft werden nicht verkannt. Sie dürfen jedoch den Gesetzgeber nicht davon abhalten, seiner gesellschaftspolitischen Aufgabe auch in dieser Richtung nachzukommen. Der Antrag der FDP auf Vorlage des Entwurfs eines Gesetzes, durch den die Übernahme von qualifizierten Arbeitern in das Angestelltenverhältnis geregelt wird, soll eine Möglichkeit aufzeigen, die Arbeitnehmerschaft bei Aufrechterhaltung einer auch heute noch notwendigen Differenzierung neu einzustufen. Die Funktionen vieler Arbeiter in der technisierten Industrie gleichen nicht nur in vieler Hinsicht denen der Angestellten; der Intellektualisierungsprozeß der Arbeit hat vielmehr zur Folge, daß eine immer größere Zahl von Arbeitnehmern im Arbeiterverhältnis nach Stellung im Betrieb und Art der Tätigkeit verantwortlicher eingesetzt ist als eine Reihe von Angestellten. Dieser Tatsache kann bei einer Neuregelung Rechnung getragen werden, indem der Angestelltenbegriff durch neue Tätigkeitsmerkmale bestimmt wird. Diese Einteilungskriterien muß der Gesetzgeber festlegen. Dabei sollen neben der Stellung des Arbeitnehmers in der Betriebshierachie besonders Verantwortung und Vorbildung bzw. Verantwortung oder Vorbildung Berücksichtigung finden. Der Kreis der Angestellten müßte auf Arbeiter ausgedehnt werden, die besonders schwierige, hochwertige und betriebswichtige Arbeit unter eigener Verantwortung verrichten, um diesem Personenkreis berufliche Aufstiegsmöglichkeiten zu eröffnen. Anlage 4 Schriftliche Antwort des Herrn Ministerialdirektors Hagelberg auf die Zusatzfrage zu der Mündlichen Anfrage des Abgeordneten Dr. Kohut (Fragestunde der 48. Sitzung vom 14. November 1962, Drucksache IV/ 727, Frage VI/ 2) : In der Fragestunde des Deutschen Bundestages am 14. November 1962 hat Ihnen Herr Bundesminister Höcherl zugesagt, die Zahl der Lehrkräfte, die auf 100 Studierende kommen, für die einzelnen Länder der Bundesrepublik mitzuteilen. Nach den Erhebungen des Statistischen Bundesamtes ergab sich für das Wintersemester 1960/61 in den einzelnen Ländern folgendes Bild: Land ord. u.apl. Prof. Sonstige insgesamt a. o. Pro- u.Privatfessoren dozenten Lehrpersonen Schleswig- Holstein 1,9 3,0 1,9 6,8 Hamburg 0,9 2,1 1,3 4,3 Niedersachsen 1,6 1,9 2,0 5,5 Nordrhein-Westfalen 1,0 1,6 1,3 3,9 Hessen 1,6 1,9 1,7 5,2 Rheinland-Pfalz 2,1 2,4 1,9 6,4 Baden-Württemberg 1,3 1,7 2,2 5,2 Bayern 1,3 1,7 1,5 4,5 Saarland 2,1 1,1 3,6 6,8 Berlin (West) 1,3 1,0 2,0 4,3 zusammen . . . 1,4 1,7 1,7 4,8 Anlage 5 Schriftliche Antwort des Herrn Bundesministers Dr. Heck auf die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Dr. Wuermeling (Fragestunde der 54. Sitzung vom 16. Januar 1963, Drucksache IV/ 888, Frage VI) : Ist die Bundesregierung zur alsbaldigen Vorlage eines Gesetzentwurfs bereit, durch den die gesetzliche Benachteiligung von Familien, deren Kinder ein freiwilliges soziales Jahr in Krankenhäusern, Altersheimen, kinderreichen Familien usw. ableisten, durch Belassung des Kindergeldes, des Kinderzuschlages, des Waisengeldes und der Steuerermäßigung aufgehoben wird? Im Einvernehmen mit den Herren Bundesministern des Innern und der Finanzen beantworte ich die Frage wie folgt: Die Bundesregierung beabsichtigt nicht, einen solchen Gesetzentwurf vorzulegen. Der Bundesregierung ist bekannt, daß innerhalb der Fraktion der CDU/CSU ein solcher Gesetzentwurf ausgearbeitet wurde und daß die Absicht besteht, diesen Entwurf als Initiativ-Gesetzentwurf einzubringen. Anlage 6 Schriftliche Antwort des Herrn Staatssekretärs Dr. Seiermann auf die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Walter (Fragestunde der 54. Sitzung vom 16. Januar 1963, Drucksache IV/ 888, Frage XIV/ 3) : Was beabsichtigt der Herr Bundesverkehrsminister zu tun, um mit Rücksicht auf den vorverlegten Abbau des Braunkohlevorkommens bei Ostheim Kreis Melsungen die Autobahnanschlußstelle Ostheim früher als vorgesehen herstellen zu lassen? 2474 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 55. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 23. Januar 1963 Nach den bisherigen Planungen war beabsichtigt, mit dem Bau der Anschlußstelle Ostheim an der Autobahnbetriebsstrecke Kassel-Kirchheim-Frankfurt/ Main im Jahre 1965 im Rahmen des 2. Vierjahresplanes für den Ausbau der Bundesfernstraßen (1963-66) zu beginnen. Es sollte dabei versucht werden, die Baumaßnahme zeitlich vorzuziehen. Dieses setze allerdings voraus, daß der 2. Vierjahresplan mit 13,0 Mrd. DM voll finanziert würde. Die nicht vorhersehbaren Kürzungen von zweckgebundenen Straßenbaumitteln — die für die Haushalte 1962 und 1963 'zusammen mehr als 550 Mio DM ausmachen — haben zur Folge, daß zahlreiche neue Bauvorhaben im Interesse einer ungehinderten Durchführung der laufenden Baumaßnahmen erst mit Verzögerung begonnen werden können. Hierunter wird bedauerlicherweise auch der Bau der Anschlußstelle Ostheim fallen müssen. Es ist mir daher heute noch nicht möglich, irgendwelche Zusagen finanzieller Art oder hinsichtlich des Baubeginnes dieser Maßnahme zu machen. Anlage 7 Schriftliche Antwort des Herrn Staatssekretärs Dr. Seiermann auf die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Dr. Bechert (Fragestunde der 54. Sitzung vom 16. Januar 1963, Drucksache IV/ 888, Frage XIV/ 4) : Trifft es zu, daß im Bereich der Eisenbahndirektion Mainz vor einigen Jahren auf Anordnung der Direktion in den Wartesälen auf Bahnhöfen außerhalb der großen Städte alle Ofen und Heizungseinrichtungen entfernt worden sind und seitdem diese Wartesäle im Winter ungeheizt bleiben? Die Bundesbahndirektion Mainz hat 1959 eine Verfügung erlassen, wonach in uribewirtschafteten Warteräumen, die keine Zentralheizung, sondern nur Kohleöfen hatten, diese meist sehr alten und unwirtschaftlichen Ofen entfernt werden sollen. Zahlreiche Beschwerden waren darauf zurückzuführen, daß die in erster Linie betroffenen kleineren Bahnhöfe mit Heizungseinrichtungen sehr unterschiedlich ausgestattet waren. Viele solcher Stellen hatten keine Heizmöglichkeit, andere nur unzureichende eiserne Ofen, die eine übermäßige Verschmutzung der Räume verursachten. Umsteigebahnhöfe und Bahnhöfe mit Wirtschaftsbetrieben sind nicht betroffen. Bei grundlegenden Umbauten kleiner Empfangsgebäude und Einbau neuzeitlicher Beheizungsanlagen wenden nach Möglichkeit auch die Warteräume mit angeschlossen. Die Bundesbahndirektion Mainz bemüht sich, Härten zu vermeiden. Sie hat in Einzelfällen dem Einbau von Heizungseinrichtungen zugestimmt. Sollten Sie, Herr Abgeordneter, einen bestimmten Fall ansprechen, so bin ich gern bereit, bei der Deutschen Bundesbahn eine Überprüfung zu veranlassen. Anlage 8 Schriftliche Antwort des Herrn Staatssekretärs Dr. Seiermann auf die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Haase (Kellinghusen) (Fragestunde der 54. Sitzung vom 16. Januar 1963, Drucksache IV/888, Frage XIV/5) : Welche Pläne hat die Bundesregierung für den Ausbau der Verkehrsverbindung Itzehoe—Glückstadt—Wischhafen—Bremen unter Würdigung der aus Privatinitiative aufgebauten und durch die kürzliche Indienststellung eines weiteren Fährschiffes erweiterten Fährverbindung Glückstadt—Wischhafen entwickelt? Glückstadt als Schleswig-Holsteinischer Endpunkt der genannten Fährverbindung über die Elbe liegt an dem 1961/62 neu zur Bundesstraße 431 aufgestuften Straßenzug Hamburg—Wedel—ElmshornGlückstadt—St. Margarethen—Meldorf. Der Niedersächsische Endpunkt Wischhafen liegt an der Landstraße I. Ordnung, die über Neuland—Osten—Lamstedt zur Bundesstraße 74 westlich Bremervörde führt. Dieser Straßenzug ist vom Land Niedersachsen im Rahmen der für den 2. Vierjahresplan (1963-66) vorgesehenen weiteren Aufstufung von Landstraßen I. Ordnung zu Bundesstraßen mit vorgeschlagen worden. Es ist damit zu rechnen, daß diesem Vorschlag entsprochen werden kann; lediglich der Zeitpunkt der Übernahme als Bundesstraße ist noch offen. Anlage 9 Schriftliche Antwort des Herrn Bundesministers Stücklen auf die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Dr. Imle (Fragestunde der 54. Sitzung vom 16. Januar 1963, Drucksache IV/ 888, Frage XV/ 1): Ist sich die Bundesregierung bewußt, welche Auswirkungen auf den Bestand der Heimkehrer- und Kriegsopferverbände die mit Wirkung vom 1. März 1963 beschlossene Einführung einer zusätzlichen Inkassogebühr für die Beförderung von Zeitungen pro Abonnement und Monat in Höhe von 20 Pfennig neben der Erhöhung der bisherigen Zustell- und Zeitungsgebühr von ca. 12 Pfennig monatlich auf 17 Pfennig als Vertriebsgebühr haben muß? Von der zwar vorgesehenen, aber vom Verwaltungsrat der Deutschen Bundespost noch nicht beschlossenen +Gebührenanhebung im Postzeitungsdienst können die Zeitungen der Heimkehrer- und Kriegsopferverbände aus Gründen der Gleichheit leider nicht ausgenommen werden. Im übrigen darf ich darauf hinweisen, daß die Selbstkosten der Deutschen Bundespost im Postzeitungsdienst auch nach der vorgesehenen Gebührenanhebung noch nicht einmal zu einem Drittel abgedeckt werden. Welche Gebührenerhöhungen der Verwaltungsrat der Deutschen Bundespost im einzelnen beschließen wird, vermag ich noch nicht zu sagen. Diese Gebührenerhöhungen werden jedoch keinesfalls schon am 1. März 1963 wirksam werden. Anlage 10 Schriftliche Antwort des Herrn Bundesministers Stücklen auf die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Fritsch (Fragestunde der 54. Sitzung vom 16. Januar 1963, Drucksache IV/ 888, Frage XV/ 2) : Ist die Bundesregierung bereit, die Aufhebung der Selbständigkeit des Postamtes Zwiesel im Bayr. Wald mit Rücksicht auf den der Grenzlandförderung zuwiderlaufenden Charakter dieser Maßnahme rückgängig zu machen? Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 55. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 23. Januar 1963 2475 Die geplante Aufhebung der Selbständigkeit des Postamts Zwiesel erfolgt im Rahmen der von der Deutschen Bundespost schon seit einigen Jahren im gesamten Bundesgebiet durchgeführten Rationalisierung des Betriebs- und Verwaltungsdienstes. Diese Maßnahme läuft den Grundsätzen der Grenzlandförderung nicht zuwider. Nach der Planung werden vielmehr nur interne Verwaltungsaufgaben und einige innerbetriebliche Aufgaben der Postämter Zwiesel und Regen beim Postamt Regen als dem größeren und verkehrsgünstiger gelegenen Amt zusammengefaßt. Eine Benachteiligung der Postkunden wird diese Maßnahme nicht zur Folge haben. Im übrigen bin ich ständig bemüht, die Zonenrandgebiete zu fördern. Allein im Gebiet der Oberpostdirektion Regensburg sind in den letzten 10 Jahren 50 Mio DM zur Verbesserung des Post- und Fernmeldewesens investiert worden. Anlage 11 Schriftliche Antwort des Herrn Bundesministers Stücklen auf die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Dr. Supf (Fragestunde der 54. Sitzung vom 16. Januar 1963, Drucksache IV/ 888, Frage XV/ 3) : Ist der Herr Bundespostminister bereit, in angemessener Zeit vor jeder Bundestagswahl den örtlichen Direktkandidaten für die Versendung von Drucksachen zur Unterrichtung der Wähler in bestimmtem Umfange Gebührenfreiheit zu gewähren? Durch das Gesetz über die Aufhebung der Gebührenfreiheiten im Post- und Telegraphenverkehr vom 29. April 1920 (RGBl. S. 678) sind im deutschen Postverkehr alle Gebührenfreiheiten aufgehoben worden. Seit diesem Zeitpunkt besteht der Grundsatz, daß alle Postsendungen, auch die von Behörden eingelieferten Sendungen, den allgemeinen Gebührenbestimmungen unterliegen, sofern nicht durch internationale Verträge oder besondere innerdeutsche Gesetze Gebührenfreiheit vorgesehen ist. Solche Sonderregelungen bestehen z. Z. nur für Kriegsgefangenen- und Blindenschriftsendungen auf Grund des Weltpostvertrags (Art. 39 und 40) und für Wahlbriefe zur Bundestagswahl auf Grund des Bundeswahlgesetzes vom 7. Mai 1956 (Bundesgesetzblatt I S. 383). Die genannten gesetzlichen Vorschriften sind für die Versender und für die Deutsche Bundespost verbindlich. Der Bundespostminister kann deshalb den Kandidaten für die Bundestagswahl keine Gebührenfreiheit für Postsendungen gewähren. Anlage 12 Schriftliche Antwort der Frau Bundesminister Dr. Schwarzhaupt auf die Mündliche Anfrage der Abgeordneten Frau Herklotz (Fragestunde der 54. Sitzung vom 16. Januar 1963, Drucksache IV/ 888, Frage XVI/ 1): Was gedenkt die Bundesregierung zu tun, um eine Gefährdung des Grundwassers zu verhindern, die durch Defekte an Ölleitungen entstehen kann, wie sie kürzlich an der Leitung MarseilleKarlsruhe bei Wörth in der Pfalz auftraten? Am 9. und 10. Dezember vergangenen Jahres ist an der Ölleitung Marseille-Karlsruhe im Land Rheinland-Pfalz in der Nähe von Wörth ein Schaden aufgetreten, der zum Ausfließen einer größeren Menge Öl geführt hat. Ob dieser Vorfall für die Bundesregierung Anlaß sein kann, Maßnahmen zu ergreifen, die geeignet sind, Störungen dieser Art im Interesse ides Gewässerschutzes künftig zu vermeiden, kann erst beurteilt werden, wenn ,die Untersuchungen 'des Landes Rheinland-Pfalz über diesen Vorfall abgeschlossen sind. Ich habe das zuständige Ministerium in Mainz gebeten, sich über den Sachverhalt und über die Maßnahmen, die von seiten der zuständigen Landesbehörden wegen dieses Vorfalls getroffen worden sind, zu unterrichten. Nach Eingang dieser Mitteilung wird von meinem Haus und dem Bundesarbeitsministerium zu prüfen sein, ob der genannte Schaden und auch Vorfälle ähnlicher Art, die zuvor in anderen Ländern aufgetreten sind, auf technische Unzulänglichkeiten zurückzuführen sind, die durch Maßnahmen des Bundes oder der Länder beseitigt oder verhindert werden können. Anlage 13 Schriftliche Antwort der Frau Bundesminister Dr. Schwarzhaupt auf die Mündlichen Anfragen der Abgeordneten Frau Welter (Fragestunde der 54. Sitzung vom 16. Januar 1963, Drucksache IV/888, Fragen XVI/2, XVI/3 und XVI/4: Ist der Bundesregierung bekannt, daß die deutsche Schwesternausbildung nicht den Internationalen Richtlinien entspricht und demzufolge die deutsche Krankenschwester im Ausland und in Ubersee nicht die gewünschte Anerkennung findet? Die Anerkennung der deutschen Krankenpflegeausbildung im Ausland erfolgt nach den mir vorliegenden Berichten unterschiedlich. Die Ausbildung wird besonders nach ihrer Verlängerung auf drei Jahre nach 'den Bestimmungen des Krankenpflegegesetzes von 1957 in einer Reihe von Ländern anerkannt oder auf die vorgeschriebene Ausbildung angerechnet. Solange aber keine internationalen Verträge über die gegenseitige Zulassung von Krankenschwestern abgeschlossen sind, wird der Ausbildungsgang in allen Ländern im einzelnen daraufhin überprüft, wie weit er den im eigenen Land geltenden Bestimmungen entspricht. Dabei spielt die Frage, ob die Landessprache beherrscht wird, eine wesentliche Rolle. Die Abmachungen des Weltbundes der Krankenschwestern betreffen nur die vorübergehende Tätigkeit solcher Schwestern im Ausland, die Mitglieder des Weltbundes oder eines ihm angehörenden Schwesternverbandes sind. Ist der Bundesregierung bekannt, daß immer weniger Abiturientinnen in die Krankenpflege-Ausbildung eintreten, weil sie in diesem Beruf keine Aufstiegsmöglichkeiten sehen, und infolgedessen Stationsschwestern und leitende Schwestern fehlen, die menschenführende Aufgaben erfüllen und die gesteigerten medizinischen Berufsanforderungen bewältigen können? Repräsentative Zahlen über den Rückgang der Abiturientinnen unter den Krankenschwestern liegen mir nicht vor. Es ist aber bekannt, daß immer mehr Abiturientinnen sich dem Hochschulstudium 2476 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 55. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 23. Januar 1963 zuwenden. Daher ist es sehr wünschenswert, daß die jetzt schon im Krankenpflegeberuf bestehenden Aufstiegsmöglichkeiten der Offentlichkeit besser bekanntgemacht und daß diese Aufstiegsmöglichkeiten weiter verbessert werden. Ist die Bundesregierung bereit, eine Novellierung des Krankenpflegegesetzes von 1957 vorzubereiten, damit die deutsche Schwesternausbildung den internationalen Richtlinien angepaßt und insbesondere die Zulassung zu der Krankenpflege-Ausbildung von der mittleren Reife abhängig gemacht wird? Die Frage, ob das Krankenpflegegesetz geändert und von den Krankenpflegeschülerinnen abgeschlossene Mittelschulbildung oder eine gleichwertige Schulbildung gefordert werden soll, wird zur Zeit in meinem Hause geprüft. Diese Prüfung erfolgt im Zusammenhang mit den Bestrebungen des Europarates nach einer Normierung und vertraglichen Regelung der an eine europäische Schwesternausbildung zu stellenden Mindestanforderungen. Die Bedenken großer Schwesternverbände gegen das Erfordernis der Mittelschulbildung beruhen vor allem auch darauf, daß nach den Erfahrungen dieser Verbände besonders gut geeigneter Nachwuchs an Krankenschwestern gerade aus der Landbevölkerung kommt. Auf diese Tatsache müßte bei einer Neuregelung der Ausbildung dadurch Rücksicht genommen werden, daß in besonderen Fällen auch geeignete Volksschülerinnen der Zugang zum Schwesternberuf geöffnet bleibt. Anlage 14 Schriftliche Antwort der Frau Bundesminister Dr. Schwarzhaupt auf die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Dr. Bechert (Fragestunde der 54. Sitzung vom 16. Januar 1963, 'Drucksache IV/ 888, Frage XVI/ 5): Ist der Bundesregierung bekannt, daß in dem Gutachten des Staatlichen Materialprüfungsamtes Nordrhein-Westfalen, Abteilung Strahlenschutz, Nr. IX 767/62 vom 14. Dezember 1961 festgestellt wurde, daß die von der Firma Siemens-Reiniger-Werke, Erlangen, an das Röntgen-Institut von Dr. med. Hans Rock, Regensburg, gelieferte und dort eingerichtete Röntgenanlage (Therapiegerät Stabilipan 250 mit Konvergenzstrahler) bis zu 4fach höhere Strahlenleistung hat, als nach den geltenden Strahlenschutzregeln zulässig ist, und daß Grund besteht für die Annahme, daß Geräte desselben Typs auch in anderen Instituten und bei anderen Strahlenärzten dieselbe unzulässig hohe Strahlungsmenge freigeben? Das Gutachten des staatlichen Materialprüfungsamtes des Landes Nordrhein-Westfalen isst von mir dem Bundesgesundheitsamt mit der Bitte um Überprüfung und Stellungnahme zugeleitet worden. Die Stellungnahme des Bundesgesundheitsamtes werde ich Ihnen sobald als möglich übermitteln. Was die legislative Seite betrifft, so ist von mir der Entwurf einer ,Strahlenschutzverordnung, welche die Anwendung von Röntgenstrahlen in der Human- und Veterinärmedizin regelt, entworfen und bereits einmal mit den beteiligten Ressorts erörtert worden. In dieser Verordnung sind neue Vorschriften über eine Bauartprüfung aller Röntgengeräte sowie eine regelmäßige Überwachung vorgesehen. Anlage 15 Schriftliche Antwort der Frau Bundesminister Dr. Schwarzhaupt auf die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Dr Bechert (Fragestunde der 54. Sitzung vom 16. Januar 1963, Drucksache IV/ 888, Frage XVI /6) : Besteht die Absicht, in der Bundesrepublik einen Strahlenpaß einzuführen, der für jeden einzelnen die Strahlungsmenge angibt, der er im Laufe des Lebens ausgesetzt wird, ein Strahlenpaß, wie er in einem Bericht des Nationalen Forschungsrates (National Research Council) der National Academy of Sciences, Washington D. C., für die Vereinigten Staaten empfohlen wurde? Die Einführung eines Strahlenpasses ist wiederholt, auch im Bundesgesundheitsrat, diskutiert worden. Von seiten der Ärzte wurde festgestellt, daß der Aufwand, der mit der Einführung des Strahlenpasses verbunden wäre, bei Abwägung aller Umstände in keinem Verhältnis zu dem Nutzen stehen würde, der damit erreicht werden soll. Ich werde trotzdem erneut den Bundesgesundheitsrat bitten, sich mit dieser Frage unter besonderer Berücksichtigung der in Ihrer Anfrage erwähnten Empfehlung des Nationalen Amerikanischen Forschungsrates zu befassen und erneut Stellung zu nehmen. Danach werde ich meinen Standpunkt noch einmal überprüfen.
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Helmut Rohde


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist wohl einer ersten Lesung des vor uns liegenden Entwurfs eines KrankenversicherungsNeuregelungsgesetzes angemessen, sich über Details hinweg den Weg zu einigen grundsätzlichen Überlegungen zu suchen, an denen sich Sozialreform in dem besonderen Bereich von Krankheit und Gesundheit heute zu orientieren hat.
    Ich möchte dabei an die Frage anknüpfen, von der auch der Kollege Dr. Franz ausgegangen ist: Warum brauchen wir heute eine Reform der Krankenversicherung? Wie sehen die wichtigen Gründe dafür aus und welche Reformlösungen sind anzustreben?
    Soweit es vor allem den Bundesarbeitsminister angeht, ist er geneigt, seine Antwort im wesentlichen und seit Jahren auf eine höchst materialistische Art und Weise zu formulieren. Was immer hier an ideologischem Beiwerk benützt wird, die zusätzliche Kostenbeteiligung, mithin die zusätzliche finanzielle Belastung des einzelnen für die Zeit seiner Krank-



    Rohde
    heit, ist für ihn zwar nicht die ganze Sache, aber ihr eigentlicher Kern.
    Der Herr Bundesarbeitsminister hat in jüngster Zeit mehrfach erklärt, er würde lieber das ganze Gesetzeswerk scheitern sehen, als .auf dieses Mittel der materiellen Einflußnahme auf den Menschen zu verzichten. Wer das dem Sinne nach sagt, gibt damit zu erkennen, wo nach seiner Meinung die Schwerpunkte der Reform zu suchen sind und wie er auch in die Zukunft hinein die Sozialpolitik im ganzen zu beeinflussen gedenkt.
    Meine Damen und Herren, wir stehen bei idem, was sich inzwischen unter der Überschrift „Kostenbeteiligung" an praktischen und ideologischen Vorstellungen in der sozialpolitischen Diskussion unseres Landes angehäuft hat, sichtbar an einer Weichenstellung. Diejenigen, die 'Sich einem solchen Prinzip uneingeschränkt verschrieben haben, verstehen darunter im letzten den Rückzug des Solidarausgleichs in der sozialen Sicherung. Sie wollen den einzelnen und den Familien, wenn diese von den sozialen Risiken des Lebens getroffen sind, eine wachsende finanzielle Eigenbelastung auf die Schulter legen. Sie identifizieren dabei leichthin diese zusätzliche finanzielle Belastung mit der Erziehung zur Selbstverantwortung und geben sich der durchsichtigen Hoffnung hin, so werde aus einem materiellen Mittel in Zeiten menschlichen und sozialen Schicksals ein ethisches Prinzip.

    (hat, z. B. in Sachen Lohnfortzahlung und Kindergeldregelung, für ihn nur subsidiäre Bedeutung Ein Arbeitskreis der CDU in Niedersachsen, dem auch der Kollege Kühn angehört, von der Kollegin Kalinke — das wird sich jetzt aus der Sache ergeben — ganz zu schweigen, hat die sozialpolitische Problematik, die hierbei zur 'Debatte steht, mit der These abgeschlossen, jeder müsse zunächst „seine eigene Last selbst tragen" ; erst dann, wenn er — jetzt lassen Sie mich das mal weiterführen — mit seiner Kraft nicht mehr weiterkomme, also unter der Last zusammengebrochen ist und hilfsbedürftig wurde im umfassenden Sinne 'dieses Wortes, solle ihm die Hilfe der Gemeinschaft zuteil werden. Meine Damen und Herren, es ist meine innere Überzeugung, daß Sozialpolitik in einer modernen Industriegesellschaft eben nicht erst auf den Trümmerbergen der materiellen rund physischen Existenz des Menschen beginnt. (Beifall bei der SPD. — Oh-Rufe von der CDU/CSU.)


    (Zuruf von der CDU/CSU: Ist auch richtig!)


    (OK-Rufe von der CDU/CSU)

    Sozialpolitik muß dazu beitragen, die Voraussetzung dafür zu schaffen, daß der einzelne und die Familie ihr Leben in Freiheit und sozialer Gerechtigkeit und, wo immer das in des Menschen Hand gegeben ist, auch in Gesundheit führen können. Sozialpolitik kann sich nicht darin erschöpfen, dem Menschen erst dm schweren Schadensfalle zu begegnen; sie muß auch darauf hinwirken, Schaden von ihm bzuwehren und den Ursachen der Gefährdungen, die ihn heute bedrohen, nachzuspüren.

    (Beifall bei der SPD.)

    Für die 'Krankenversicherungsreform hat eine solche allgemeine These ganz praktische Konsequenzen; sonst hätte ich sie hier nicht zitiert. Diese Konsequenzen werden sichtbar, wenn auf die Frage, warum eigentlich Reform der Krankenversicherung, nicht mit einem vorgefaßten Urteil, sondern mit einer sozial- und gesundheitspolitischen Bestandsaufnahme geantwortet wird.
    Lassen Sie mich noch einmal mit Nachdruck an wenigstens einem Gedankengang deutlich machen, was darunter zu verstehen ist.
    Eine der wesentlichsten Erscheinungen in diesem Bereich ist die Wandlung des Krankheitsbildes seit der Gründung der Krankenversicherung im Ausgang des vorigen Jahrhunderts. In den letzten 60 Jahren haben sich nicht nur die Struktur der Gesellschaft und die Lebensverhältnisse der Bevölkerung gewandelt, sondern auch der Gesundheitszustand. Damals, am Anfang der sozialen Krankenversicherung, standen im Mittelpunkt des Krankheitsgeschehens die Infektionserkrankungen wie Tuberkulose, Scharlach, Diphtherie usw. Wer an diesen Krankheiten darniederlag, stand in der Regel unter der Drohung eines baldigen Todes. Diese Infektionskrankheiten sind zurückgedrängt worden durch die Fortschritte der Medizin, durch die Wandlung der Lebensverhältnisse und die Sozialhygiene.

    (Zurufe von der CDU/CSU.)

    — Jawohl, Gott sei Dank!
    Heute aber stehen — das ist die andere Seite der Sache — im Mittelpunkt des Krankheitsgeschehens
    — lassen Sie mich das einmal so allgemein ausdrücken — die Verschleißkrankheiten der Zivilisation, vor allem Herz-, Kreislauf-, Gefäßerkrankungen, die nervösen Erscheinungsformen, Rheuma usw. Mit diesen Krankheiten sind zumeist langwierige Krankheitsverläufe mit einem wechselvollen Geschehen verbunden, was mannigfache, auch finanzielle Konsequenzen für die Krankenversicherung hat. Diese Verschleißkrankheiten zeichnen heute weithin das Krankheitsbild unserer Industriegesellschaft. Ihre Spuren sind im Krankenstand, in der Frühinvalidität und an vielen anderen Stellen sichtbar.



    Rohde
    Meine Damen und Herren, unter der Drohung dieser heutigen Gefahren sind natürlich auch die Erwartungen zu beurteilen, die von den Menschen jetzt, in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts, an eine Reform der Krankenversicherung gestellt werden. Man versichert sich nicht mehr in erster Linie gegen die Drohung der Infektionskrankheiten, sondern fragt oder empfindet: Was wird bei dieser Reform positiv angestrebt, um den Bedrohungen der Gesundheit des Menschen in unseren Tagen zu begegnen?
    Man hat diese Krankheiten vielfach Managerkrankheiten genannt. Dieses Wort führt aber in die Irre. Es handelt sich nicht mehr allein um die Krankheitsgefahren einer kleinen exponierten Schicht der Bevölkerung. Aus den Managerkrankheiten sind Bedrohungen für viele und — man muß es leider hinzufügen — mit der Tendenz zur Volkskrankheit geworden. Wir stehen in dieser Beziehung heute als Sozialpolitiker einer Massenerscheinung gegenüber. Die sogenannten Manager haben am ehesten die Konsequenzen aus dieser Situation gezogen, Bei ihnen ist es nicht unüblich, daß sie sich einer regelmäßigen gesundheitlichen Überwachung und ärztlichen Beratung unterziehen. Sie haben gute Gründe dafür. Sie würden sich auch dagegen wehren, wenn bei ihnen die Früherscheinungen dieser Verschleißkrankheiten, die ersten Funktionsabweichungen — um jetzt Ihren Ausdruck, Herr Kollege Franz, aufzunehmen — als Bagatellen abqualifiziert würden.

    (Sehr richtig! bei der SPD.)

    Dem liegt die richtige Erkenntnis zugrunde, daß die Verschleißkrankheiten der Zivilisation eben nicht schlagartig wie Infektionserkrankungen auftreten, sondern daß sie sich vielfach über Jahre und Jahrzehnte in immer mehr verstärkten Schüben entwickeln, bis sie eines Tages den Menschen an den Rand seiner Gesundheit und Leistungsfähigkeit geführt haben. Da kann man nicht warten, bis die Krankheit bei dem einzelnen voll ausgebrochen und ihm voll bewußt geworden ist. Dann ist es vielfach zu spät.
    Aus einem solchen Gedankengang folgt aber auch, daß angesichts dieses Krankheitsbildes heute bei der Reform der Krankenversicherung alles vermieden werden muß, was darauf hinzielen könnte, das rechtzeitige Aufsuchen des Arztes entweder durch die Androhung finanzieller Belastung zu erschweren oder durch finanzielle Anreize zu bagatellisieren. Sie können es wenden, wie immer Sie es wollen: Kostenbeteiligung und Bekämpfung der heute die Menschen bedrohenden Verschleißkrankheiten lassen sich nicht unter einen Hut bringen. Vorsorge im umfassenden Sinne dieses Wortes, das Bestreben, Gesundheit zu erhalten und zu stärken, werden im Blick auf die Wandlung des Krankheitsbildes und der ihm typisch zugeordneten Krankheitsverläufe zu der eigentlichen Reformaufgabe in der Industriegesellschaft.

    (Beifall bei der SPD.)

    Wir haben in diesem Zusammenhang an die Bundesregierung, vor allem den Bundesarbeitsminister, zwei Fragen zu stellen. Warum hat die Bundesregierung nicht an den Anfang der Reform eine wirkliche Bestandsaufnahme der sozialen und gesundheitspolitischen Notwendigkeiten gesetzt?

    (Sehr gut! bei der SPD.)

    Über fünf Jahre dauert die Reformdiskussion nun an. Die Regierung hat in diesen fünf Jahren alles getan — lesen Sie einmal den reichhaltigen Zitatenschatz nach —, um die These des Mißtrauens in der sozialpolitischen Diskussion zu fördern, und sie hat hartnäckig vernachlässigt, was der Erörterung des Krankheitsstandes und der Frühinvalidität sachlichen Rang gegeben hätte. Die Zeitschrift „Ärztliche Mitteilungen" hat kürzlich in einem Aufsatz über den Krankenstand auf mehr als zehn Seiten den Gesetzgeber an Hand eines ausführlichen deutschen und ausländischen Erfahrungsmaterials beschworen, es sich mit der Beurteilung von Krankheit und Gesundheit der Menschen heute nicht zu leicht zu machen und die Tatsachen nicht mit der Behauptung zu erschlagen, hier liege ein Werk von Nutznießern und Mißbräuchlern — Herr Dr. Franz sprach von „40 bis 60 % Bagatellfällen" — vor.
    Wo und wann hat sich das Ministerium z. B. einmal bemüht, die Beziehung zwischen der modernen Arbeitswelt und dem Krankheitsgeschehen aufzudecken? Im wesentlichen hört man nicht mehr als die Bemerkung, die Arbeitsmedizin sei in unserem Lande unterentwickelt. Wo hat das Ministerium den Einflüssen der heutigen Umwelt auf den Menschen nachgeforscht? Wo ist wirklich das Bemühen sichtbar geworden, den tieferen Ursachen jener Krankheiten nachzugehen und entgegenzutreten, die heute schleichend und heimtückisch die Gesundheit und Leistungsfähigkeit so vieler Menschen in unserem Lande zersetzen? Diese Fragen haben offensichtlich das Arbeitsministerium wenig gequält. Seine Auslassungen zur Reform der Krankenversicherung lesen sich wie administrative Akten mit finanzpolitischem Hintergrund und schulmeisterlicher Anmaßung; gesundheitspolitisch sind sie enttäuschend.

    (Beifall bei der SPD. — Widerspruch in der Mitte.)

    Damit komme ich zu einem zweiten Punkt. Ich bestreite nicht, daß es großer Anstrengungen bedarf, um ein sinnvolles und wirksames System der Gesundheitsvorsorge zu verwirklichen. Dazu gehören sicherlich mehr Arbeit, mehr Tatkraft und mehr Einfallsreichtum, als sich nur um die Einführung eines Kostenbeteiligungssystems zu bemühen.
    Warum, so fragen wir heute, hat die Bundesregierung nach dem Scheitern des ersten Entwurfs in der vergangenen Legislaturperiode nicht einen wirklich neuen Anfang gesucht? Warum hat sie nicht einmal Sozialpolitiker, Ärzte, soziale Praxis und Sozialwissenschaft an einen Tisch gebracht, um als Gemeinschaftsaufgabe ein funktionierendes und ausreichendes System der Gesundheitsvorsorge zu entwickeln? Eine solche Gemeinschaftsanstrengung hätte sicherlich mehr hervorgebracht als einige dürftige sogenannte Vorsorgeparagraphen des vorliegenden Entwurfs, die zudem noch in den Schatten der Kostenbeteiligung gerückt worden sind. Kennzeichnend für den



    Rohde
    Geist dieser Paragraphen ist beispielsweise, daß die für die Stärkung der Gesundheit so wichtigen vorbeugenden Kuren im wesentlichen erst bei Drohen von Arbeitsunfähigkeit gewährt werden sollen.
    Warum — so ist weiter zu fragen — ist eigentlich von der Regierung all das, was unter Vorsorgeuntersuchungen, rechtzeitigen Kuren und einem mit sinnvollen Aufgaben betrauten vertrauensärztlichen Dienst zu verstehen ist, nicht einmal mit einer zeitgerechten, wirksamen Entwicklung des Krankenhauswesens, den Aufgaben der Rehabilitation, der Entwicklung der Arbeitsmedizin und den anderen sich hier ergebenden Sachfragen in Beziehung gebracht worden? Weshalb hat die Bundesregierung bis auf .den heutigen Tag eigentlich darauf verzichtet, Gesundheitspolitik aus einem 'Guß zu betreiben und in diesem Rahmen dann die speziellen Aufgaben und Funktionen .der gegliederten sozialen Krankenversicherung zu bestimmen?
    Wenn die Regierung schon ein Paket vorlegen wollte, 'dann hätte es doch ein Paket von aufeinander abgestimmten Maßnahmen zur Förderung der Volksgesundheit sein müssen.

    (Beifall bei .der SPD.)

    Dann hätte sie doch einmal das, was zusammengehört, in einen sachlichen Zusammenhang bringen müssen. Dann wären wir doch endlich einmal aus dem Kästchendenken in der Sozialpolitik herausgekommen und hätten die Leistungen für die Volksgesundheit sinnvoll miteinander verzahnt. Das wäre
    Bi Sozialreform gewesen. Das hätte Energien und Mitarbeit ausgelöst und ein hoffnungsvolles Klima für Reformarbeiten auch in diesem Hause geschaffen.

    (Beifall bei der 'SPD.)

    Das von der Bundesregierung vorgelegte sogenannte Sozialpaket aber hat darauf verzichtet. Dieses Paket hat die Bundesregierung nicht aus der Sache, sondern aus einer Summe von taktischen, koalitionspolitischen und finanzpolitischen Überlegungen entwickelt. Sie konnte sich nicht von ihrer Vorstellung befreien, das Krankheitsgeschehen müsse und könne in erster Linie auf materielle Weise korrigiert werden. Im Grunde genommen ist es tief bedauerlich, daß der Bundesarbeitsminister jetzt zum zweitenmal darangegangen ist, eine große Chance zu verspielen.
    Heute wird in der Sozialpolitik viel von Unbehagen gesprochen. Es gibt kaum eine sozialpolitische Diskussion, wo immer es sein mag, in der dieses Unbehagen nicht zitiert wird.

    (Zuruf von der Mitte: Das empfinden wir jetzt!)

    Ich muß Ihnen sagen, ich bin auch nicht frei von Unbehagen. Allerdings ist bei mir das Unbehagen anders begründet als bei den Verfechtern der konservativen Sozialpolitik, die ihre Leidenschaft ausschließlich an dem finanziellen Aufwand für die soziale Sicherung entzündet. Was mich in zunehmendem Maße bedrückt, ist die Erfahrung, daß in der deutschen Sozialpolitik die Schadensverhütung im Vergleich zur Schadensregulierung nicht das gebührende Gewicht erhält. Wir haben das beispielsweise bei der Reform 'der Unfallversicherung erlebt.

    (Abg. Winkelheide: Die beraten wir aber erst im Februar!)

    — Ich werde Ihnen sagen, in welchem materiellen Zusammenhang das mit diesem Thema steht. Wir haben es bei der Reform der Unfallversicherung erlebt, daß der Sozialpolitische 'Ausschuß des Bundestages in seinem Bemühen, Unfallverhütung und Arbeitsschutz in unserem Lande voranzutreiben, nicht nur von der Regierung nicht unterstützt worden ist, sondern daß das Arbeitsministerium dieses Bemühen noch spürbar behindert hat.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Das stimmt aber doch nicht!)

    Das ist im Zusammenhang dieser Debatte nicht ohne
    Belang, weil doch, wie Sie wissen, die außerordentlich hohe Zahl der Arbeitsunfälle in unserem Land
    auch in den Ziffern über den Krankenstand einen
    effektiven und stark sichtbaren Ausdruck findet.

    (Beifall bei der SPD. — Zurufe von der Mitte.)

    Meine Damen und Herren, die gleiche Unlust tritt uns amtlicherseits entgegen, wenn es um die Gestaltung einer fortschrittlichen Gesundheitspolitik und Gesundheitsvorsorge geht. Zu schnell ist man geneigt, einfach als Sozialromantik abzutun, was heute zu den zeitgerechten Aufgaben der Sozialreform gehört. Diese Haltung durchzieht auch deutlich die vom Minister heute wiederholte ablehnende Stellungnahme der Bundesregierung zu der Anregung des Bundesrates, die Stärkung der Gesundheit mit in den Aufgabenkatalog der sozialen Krankenversicherung aufzunehmen. Die Reform beginnt auf seiten der Regierung jetzt eigentlich wieder mit einer Kapitulation vor einer zeitgerechten Gesundheitspolitik. Im übrigen haben wir in dieser Beziehung — das zu sagen kann ich mir nicht verkneifen — auch recht eindrucksvolle Erfahrungen gemacht, als wir beispielsweise die Forderung nach der Reinhaltung .der Luft erhoben. Erst als die Regierung feststellen mußte, daß sie mit ihrer Ironisierung dieses Sachverhalts auf öffentlichen Widerstand gestoßen ist, fand sie sich zu einer ernsteren und angemesseneren Tonart bereit.
    Im ganzen gesehen haben wir zu beklagen, daß es auf dem Gebiet der Gesundheitspolitik bei der Regierung am Konzept und an der Tatkraft mangelt, daß sie die Grundlagenarbeit vernachlässigt und daß sie, wie die Kostenbeteiligung zeigt, geneigt ist, zu zweifelhaften und bedenklichen Lösungen Zuflucht zu nehmen.
    Meine Damen und Herren, was hier in der Entgegnung zu den Ausführungen meines Kollegen Professor Schellenberg über die Auswirkungen der Kostenbeteiligung gesagt worden ist, konnte nicht überzeugen. Ihr System geht davon aus, die prozentuale Kostenbeteiligung für ärztliche Behandlung mit der Erhebung eines Sonderbeitrags zu koppeln.
    Zu diesen beiden Elementen, sowohl zur Prozentbelastung als auch zu der besonderen Beitragsart, hat sich das Ministerium schon vor rund drei Jahren einmal geäußert. Sie finden es in einer Propaganda-



    Rohde
    broschüre mit dem Titel „Wer soll das bezahlen?", inspiriert vom Arbeitsministerium und wahrscheinlich auch mit Hilfe der Regierung finanziert. Die Zentralfigur dieser Broschüre ist ein sogenannter Vater Schmitz. Er kommt viel zu Wort. Mit dem Blick auf seine Lage wird zunächst untersucht, was von diesem mit einer eventuellen Beitragsrückerstattung gekoppelten Sonderbeitrag eigentlich zu halten ist. Da kommt Vater Schmitz in seinen Überlegungen zu folgendem Schluß:
    Die Beitragsrückerstattung stellt eine zusätzliche Leistung der Versicherung dar. Die Kosten für diese Leistung müssen wegen .des Ausgleichs von Einnahmen und Ausgaben in der Krankenversicherung durch zusätzliche Beiträge erst vorher aufgebracht werden.
    Jetzt geht es weiter:
    Abgesehen davon, daß es wenig sinnvoll erscheint, erst Geld einzunehmen und dann wieder zurückzugeben, — Beitragsrückerstattung führt zu höheren Beiträgen. Und das will eben Vater Schmitz nicht, wollen wir alle nicht.
    Nun, meine Damen und Herren, heute wollen Sie es doch, obwohl es in der Tat nicht nur dem „Vater Schmitz" des Arbeitsministeriums, sondern auch anderen fragwürdig erscheint, dem Arbeitnehmer zunächst pauschal für ein Sonderkonto „Kostenbeteiligung" gleichsam auf Verdacht 3 Milliarden DM pro Jahr aus der Tasche zu ziehen.
    Aber Vater Schmitz hat sich nicht nur über die finanziellen Auswirkungen dieses Systems Gedanken gemacht, sondern er hat sich auch gefragt, wie sich das wohl für die Gesundheitspolitik auswirken würde. Er kam unter Assistenz des Arbeitsministeriums und nach reiflicher Überlegung zu folgendem Schluß:
    Das System der Beitragsrückerstattung ist auch gesundheitspolitisch gefährlich, da es die Verschleppung von Krankheiten begünstigen kann.
    Zu Recht wird dann in den Betrachtungen mit und über Vater Schmitz noch düster ahnend hinzugefügt, verschleppte Krankheiten könnten schnell zu Krankenhausaufenthalt führen. Hier wird deutlich, zu welchen Konsequenzen finanzielle Hürden auf dem Weg zwischen Arzt und Patient führen können und wie gefährlich es ist, die Vorstellung zu nähren, man könne ohne schädigende Folgen an der Gesundheit sparen und zunächst durch eine laienhafte Selbstdiagnose „selbstverantwortlich" prüfen, ob man den Arzt aufsucht oder nicht.
    Ganz kritisch wurde aber der sogenannte „Vater Schmitz", als er sich überlegte, wie sich denn nun das andere Element Ihres Kostenbeteiligungssystems, nämlich die prozentuale Kostenbelastung, auswirken würde. Dazu heißt es:
    Bei näherer Betrachtung zeigt sich der Nachteil der prozentualen Kostenbeteiligung, daß sie den Versicherten bei schweren Erkrankungen verhältnismäßig härter trifft als bei leichten Erkrankungen.
    Genau das hat auch mein Fraktionskollege Schellenberg hier festgestellt. Es heißt dann, wieder im Blick auf 'den Vater Schmitz:
    Dies widerspricht der sozialpolitischen Forderung, daß der Versicherungsschutz bei schweren und langandauernden Krankheiten verbessert werden muß.
    Damals hatte man also noch ein sehr reales Empfinden dafür, was Solidarität im Krankheitsfalle praktisch bedeutet. Es wird dann noch ein Beispiel angeführt:
    Erkrankt Herr Schmitz ,an einer schweren Krankheit, bei der ihn der Arzt in den ersten vierzehn Tagen öfter besuchen muß und bei der eine Reihe besonderer ärztlicher Verrichtungen notwendig ist, so würde die Kostenbeteiligung für Herrn Schmitz schon 12 DM betragen bei einem angenommenen Arzthonorar von nur 60 DM.
    Damals haben Sie in dieser Broschüre schon vor einer Kostenbeteiligung von 20 % gewarnt, aber jetzt wollen Sie auf 25 % hinaufgehen!
    Hier stehen wir in der Tat vor der ernsten Frage, wer von diesem Kostenbeteiligungssystem am häufigsten getroffen wird. Ich wiederhole: es sind die Schwerkranken, die häufiger den Arzt in Anspruch nehmen müssen, bei denen sich die ärztlichen Leistungen und mithin die Kostenbeteiligungsanteile summieren, es sind die Rentner, die in der Regel im Alter öfter den Arzt in Anspruch nehmen müssen als in jungen Jahren, und es sind die Familien mit Kindern.
    Hinsichtlich dieser Familien mit Kindern hat der Herr Bundesarbeitsminister mit seiner Junggesellentheorie die Dinge außerordentlich verharmlost. Wie sieht es denn wirklich aus? Da stehen zwei Arbeiter an einem Arbeitsplatz, beide verdienen 700 DM und bezahlen mithin im Jahr 168 DM als Sonderbeitrag. Der Ledige, der in diesem Jahr wenig von Krankheit getroffen ist, erhält z. B. rund 150 DM zurück, und der Familienvater mit seinen vier Kindern, die in der Regel den Arzt häufiger in Anspruch nehmen müssen als ein Lediger, erhält 17,25 DM oder einen ähnlichen Betrag. In dem Spannungsbogen, der sich hier auftut, verblassen doch alle Ihre Vokabeln von „Erziehung zur Selbstverantwortung" usw.!

    (Beifall bei der SPD.)

    Was soll denn nun wirklich — hier kommen wir nämlich in ganz ernsthafte Fragen —

    (Abg. Frau Kalinke: Na also!)

    der Familienvater angesichts dieses Tatbestandes machen? Soll er nach Hause gehen, auf seine Familie, auf seine Frau und seine Kinder einen moralischen oder sonstigen Druck ausüben, daß sie nicht mehr so oft den Arzt aufsuchen?

    (Abg. Frau Kalinke: Aber erlauben Sie mal, das ist eine Irreführung! — Gegenrufe von der SPD.)




    Rohde
    Wir müssen uns einmal frei machen — —

    (Abg. Frau Kalinke: Von solchen demagogischen Reden!)

    — Wenn wir über Demagogie reden wollen, wollen wir uns einmal darüber unterhalten, Frau Kalinke, wer von uns von dem anderen noch am meisten lernen kann.

    (Beifall bei der SPD. — Abg. Frau Kalinke: In der Sache bestimmt Sie von mir!)

    Um bei dieser Familie zu bleiben: soll in dieser Familie nun das ganze Jahr hindurch ein Rückerstattungstoto auf Kosten der Familie und der heranwachsenden Generation gespielt werden? Die Sprecher der Regierung können reden, was sie wollen. Die innere Logik Ihres Kostenbeteiligungssystems, von dem Minister Blank sagt, die CDU habe es sich reiflich und genau überlegt, ist, daß es denjenigen, der ohnehin sozial am meisten zu tragen hat, am schwersten belastet. Dieses Kostenbeteiligungssystem hat die unsoziale Tendenz, um so härter zu werden, je schwächer die soziale Position der von ihm Betroffenen wird.

    (Zustimmung bei der SPD.)

    Das Wort von der eigenen Last, Herr Kollege Kühn, das Sie mit Ihrem Arbeitskreis in Niedersachsen gesprochen haben, gewinnt in diesem Lichte eine makabre Aktualität.

    (Beifall bei der SPD. — Abg. Kühn [Hildesheim]: Aber, Herr Rohde!)

    Damit verstoßen Sie gegen einen wesentlichen Grundsatz der sozialen Krankenversicherung, nämlich gegen den auf Solidarität beruhenden sozialen Ausgleich, der sich in der Krankenversicherung zwischen den Jungen und Alten, zwischen den Ledigen und Familien und zwischen den Kranken und Gesunden vollzieht. Dieser soziale Ausgleich und seine sozial sichernden Wirkungen für den Menschen in der Industriegesellschaft unserer Tage haben sich nicht als Wildwuchs entwickelt, wie die konservativen Sozialpolitiker uns einzureden versuchen. Dieser soziale Ausgleich ist vielmehr das Ergebnis des gesellschaftlichen Strebens mündiger Arbeitnehmer, die ganz genau wissen

    (Abg. Stingl: Die nichts mehr zu sagen haben!)

    — die ganz genau wissen, Herr Kollege Stingl —, was ausreichende soziale Sicherung für sie als Lebenshintergrund bedeutet.

    (Sehr richtig! bei der SPD. — Abg. Frau Kalinke: Wer hat ihn denn geschaffen?!)

    Sie können doch nicht sagen, heute sei der Arbeitnehmer mündig .geworden.

    (Abg. Frau Kalinke: Bezweifeln Sie es?)

    Meine Damen und Herren, mündig ist der Arbeitnehmer schon seit langem.

    (Zustimmung bei der SPD.)

    Er hat doch in der Vergangenheit nicht unter mangelnder Mündigkeit gelitten. Die Generation unserer Väter und Großväter war doch keine Generation von unmündigen Arbeitnehmern.

    (Beifall bei der SPD. — Abg. Frau Kalinke: Sie wollen sie dazu machen! — Weitere Zurufe von der CDU/CSU.)

    Ihr Schicksal war, ,daß sie unter einem Mangel an sozialer Gerechtigkeit gelitten

    (erneuter Beifall bei der SPD)

    und ,daß sie kraft ihrer Mündigkeit ,den Anspruch auf die soziale Sicherung ihres Lebens angemeldet und Schritt für Schritt durchgesetzt haben.
    Daß eine kollektive soziale Sicherung dieses Ausmaßes notwendig ist, liegt nicht an der Bequemlichkeit des einzelnen oder an einer irregeleiteten Auffassung von staatlicher Sozialpolitik, sondern vielmehr in der Tatsache begründet, daß im Zuge ,der gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Entwicklung der letzten .hundert Jahre das Eigentum seine Funktion als Grundlage einer persönlichen Risiko-Versicherung gegen die Wechselfälle des Lebens und das Alter verloren hat.
    Das sagt Herr Kollege Katzer

    (Hört! Hört! bei der SPD)

    in der Beurteilung der Frage, was soziale Sicherung für den Arbeitnehmer heute wert ist.
    In dem gleichen Aufsatz in der Zeitschrift Die Ersatzkasse findet sich ein Zitat von Herrn Professor Schreiber, der sagt:
    Heute, da Vermögen in den allermeisten Arbeitnehmerfamilien nicht vorhanden ist, ist und bleibt es dabei, daß der Typus Arbeitnehmer ein vitales Bedürfnis nach Instrumenten empfindet, ,die seinem von Natur aus extrem unstetigen Einkommen Stetigkeit verleihen. Das sage ich ausschließlich jenen wortgewaltigen Kritikern, die nichtmüde werden, das Streben nach Sicherheit als Symptom des Verfalls der Persönlichkeitskräfte und des Hineingleitens in Kollektivismus und Versorgungsstaat lauthals zu beklagen.
    Und er fügte hinzu:
    Ich behaupte, in der heutigen Gesellschaftsstruktur ist das Verlangen der vielen nach Existenzsicherheit einfach ein Ausfluß vernünftigen, rationalen Denkens. Ich habe den unfeinen Verdacht, daß von jenen Kassandrarufern die wenigsten ■selber wirklich gefährlich leben, sondern persönlich ihr Schäfchen im trockenen haben und sich in die Lebenslage minder Gesicherter kaum noch versetzen können.

    (Beifall bei der SPD.)

    Nicht wahr, Frau Kollegin Kalinke, sehr bemerkenswerte Ausführungen!

    (Abg. Frau Kalinke: Ausgezeichnet, Herr Rohde!)

    Die Arbeitnehmer wissen also, warum sie für ein System sozialer Sicherung eingetreten sind.



    Rohde
    Wer die Mündigkeit der Menschen ernst nimmt, von dem kann man vielleicht auch einmal erwarten, daß er auf sie hört. Was die Kostenbeteiligung anbelangt, so haben sich nach der Umfrage eines Meinungsforschungsinstituts —die Ergebnisse kann sich der Herr Arbeitsminister sehr schnell von seinem Fraktionskollegen geben lassen — über 85 % gegen dieses Prinzip und damit für eine ungeschmälerte soziale Krankenversicherung ausgesprochen. Sie wissen, warum, und ihre Meinung verdient ernst \\genommen zu werden. Leider haben wir heute wieder den Eindruck gewinnen müssen, daß die Regierung die eigenen Vorurteile wichtiger nimmt als das Urteil der Betroffenen. Aber, meine Damen und Herren, die Tatsachen werden genauso wie bei der Frage des Kindergeldrechtes auch in Zukunft bei der Gesundheitspolitik für die Bundesregierung ein harter Lehrmeister sein.

    (Beifall bei der SPD.)



Rede von Dr. Eugen Gerstenmaier
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Ruff.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Thomas Ruf


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich will mir auf einige wenige Punkte aus 'den Reden 'der Herren Kollegen Schellenberg und Rohde eingehen. Auf alles einzugehen, was Herr Kollege Rohde zuletzt gesagt hat, lohnt sich nicht.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Der Herr Kollege .Schellenberg sprach heute morgen vom 'kläglichen Scheitern der Krankenversicherungsreform in der letzten Legislaturperiode. In der Tat, es war 'ein klägliches Scheitern, wollen wir es zugeben! Die Schuld liegt nicht allein bei der Opposition, aber sie hat tüchtig daran mitgewirkt, hier in diesem Hause und insbesondere draußen.

    (Abg. Frau Kalinike: Sehr wahr!)

    Was das Sonntagsblatt von Bischof Lilje seinerzeit geschrieben hat, trifft zu. Dort hieß es nämlich: Das Trommelfeuer von Interessenten tötete eine vernünftige Idee. Meine Damen und Herren, was wir damals erlebgt haben, darf sich nicht wiederholen, und es wird sich nicht wiederholen. Wir haben damals erlebt — und daraus wollen wir lernen —, was die Herrschaft der Verbände in unserer Demokratie bedeutet.

    (Beifall bei der CDU/CSU. — Abg. Dr. Schellenberg: Zu wem sprechen Sie, Herr Ruf?)

    — Ich spreche zu uns allen, ich spreche zu diesem Hohen Hause, Herr Schellenberg, aber nicht zuletzt insbesondere auch zu Ihnen.

    (Abg. Dr. Schellenberg: „Verbände" haben Sie doch gesagt!)

    Daß die Reform seinerzeit nicht zustande gekommen ist, ist, wie gesagt, kein Ruhmesblatt für uns. Aber ich meine, auch die SPD sollte sich heute nicht damit rühmen, daß sie es zuwege gebracht hat, den Kollegen Blank an der Durchsetzung seiner Ideen und seiner Reformpläne zu hindern.
    Gewiß, die Reform ist nicht zustande gekommen. Reformen gelingen nie auf den ersten Anhieb. Man muß immer wieder einen neuen Anlauf nehmen. Schon der alte Bismarck — und die Gesetze gehen ja auf diese Zeit zurück — hat seinerzeit gesagt, daß soziale Reformen sehr viel Zeit in Anspruch nehmen und daß sie die Frucht unzähliger Bemühungen und des gegenseitigen Entgegenkommens seien.
    Wir wollen also dieses damalige Scheitern jetzt auch nicht überbetonen. Wir haben einiges daraus gelernt, es war nichtganz umsonst, und wie wir — wenigstens bei Herrn Professor Schellenberg — feststellen konnten, hat auch die Opposition zumindest ein bißchen daraus gelernt. Ich weiß, warum es schwer 'ist, solche Reformen durchzusetzen. Sie setzen eine umfassende psychologische Vorbereitung der Bevölkerung voraus. Wir haben Verständnis dafür, daß eine gewisse Abwehr gegen das Neue, gegen eine Reform besteht, die ein Umdenken verlangt, ein Umdenken in der ganzen Krankenversicherung usw. Wir haben Verständnis dafür, daß seinerzeit mancher Versicherte und auch die Ärzte Sorgen hatten, es 'kämen unüberschaubare Belastungen auf sie zu. Aber davon kann hei der jetzt vorgeschlagenen Regelung wahrhaftig nicht die Rede sein.
    Ich habe seinerzeit den Kollegen Blank getröstet, obwohl er keinen Trost nötig hatte. Ich habe ihm gesagt: Trösten Sie sich mit Albert Schweitzer, der einmal irgendwo geschrieben hat: Wenn Sie für die Menschheit etwas Gutes tun wollen — und der Minister wollte doch wahrhaftig etwas Gutes für die Versicherten tun; wir waren doch nicht so dumm, die Reform gegen die Versicherten zu planen —, dann dürfen Sie nicht damit rechnen, daß Ihnen die Wege geebnet werden, sondern dann müssen Sie geradezu davon ausgehen, daß Ihnen von den anderen Prügel zwischen die Beine geworfen werden — wobei ich zu den anderen nicht nur die böse Opposition, sondern manchmal auch die Freunde rechnen möchte. Das gibt es in allen Fraktionen.
    Herr Kollege Schellenberg hat sich heute morgen gegen gewisse Bestimmungen betreffend den vertrauensärztlichen Dienst gewandt. Offenbar hat er den Entwurf und seine Begründung nicht gelesen. Nirgendwo steht geschrieben, daß der vertrauensärztliche Dienst dem Arbeitgeber über die Art der Krankheit Auskunft geben soll; er hat lediglich eine Bescheingung über die Arbeitsunfähigkeit und deren voraussichtliche Dauer auszustellen, mehr nicht. Von einer Verletzung der Schweigepflicht des Arztes kann wahrhaftig nicht die Rede sein.
    Herr Kollege Schellenberg hat dann gesagt, jetzt würden zusätzlich auch für die Angestellten diese Kontrollen eingeführt werden. Das ist wahr, das leugnen wir nicht. Das wollen wir aber auch, meine sehr verehrten Damen und Herren. Das ist keine Nivellierung, wie Herr Kollege Schellenberg gesagt hat, sondern das ist einfach notwendig. Auf meine Zwischenfrage, ob er etwas anderes vorschlage oder ob er überhaupt gegen Kontrollen sei, hat Herr Kollege Schellenberg heute morgen bezeichnenderweise nicht geantwortet. Wie war es denn in der Vergan-



    Ruf
    genheit, meine Kolleginnen und Kollegen? Wir wissen doch, daß die Ersatzkassen mit ihren Kontrollen, mit der Vorladung zum vertrauensärztlichen Dienst erst nach der sechsten Woche eingesetzt haben und daß sie sich bis dahin ebensowenig oder kaum um den Krankenstand gekümmert haben, weil sie nicht zu zahlen brauchten, weil die Angestellten ihren Gehaltsanspruch für die Dauer von sechs Wochen hatten. Machen wir uns doch nichts vor! Seien wir doch ehrlich und haben wir den Mut, zu bekennen: Auch bei den Angestellten gibt es Leute, die man kontrollieren sollte.

    (Abg. Frau Dr. Hubert meldet sich zu einer Zwischenfrage.)

    — Ich möchte nicht mit meinen Kollegen Krach bekommen, die mir gesagt haben, ich solle mich kurz fassen. Durch solche Zwischenfragen würde ich meine Rede nur noch mehr verlängern müssen.
    Wir hatten einmal einen Kanzlerkandidaten Willy Brandt, der eine Broschüre mit dem Titel „Plädoyer für die Zukunft" geschrieben hat. Da können Sie auf Seite 111 zu diesem Thema folgendes Interessante lesen. Herr Willy Brandt schrieb:
    Noch viele Probleme sind auf diesem Gebiet
    — er denkt an die Krankenversicherung —
    ungelöst. Wie erreichen wir z. B., daß weder
    manche Patienten noch manche Ärzte
    — auch das soll es geben —sich vom heutigen System verlocken lassen,
    mehr in Anspruch zu nehmen, als sie wirklich in Anspruch nehmen müssen? Wie erreichen wir das, ohne auf dem unwürdigen Weg der ständigen Kontrolle fortzuschreiten?
    Sehen Sie, meine Damen und Herren, das ist ja gerade die Frage. Wir wollen das nicht so sehr auf dem Wege der Kontrollen, sondern eben auf dem Wege der Selbstbeteiligung, der Kostenbeteiligung erreichen, weil wir uns sagen: wenn wir den einzelnen an seinem Geldbeutel fassen, ist das der beste Weg, dem Anliegen, das der frühere Kollege Brandt hier vorgetragen hat, Rechnung zu tragen.
    Herr Professor 'Schellenberg hat sich heute morgen ferner gegen die Koppelung des Lohnfortzahlungsgesetzes mit der Kostenbeteiligung gewandt und hat gesagt, es 'bestehe gar kein sachlicher Zusammenhang zwischen der Lohnfortzahlung und der Krankenversicherungsreform einerseits und der Kindergeldgesetzgebung andererseits. Ich gebe zu, es fällt mir schwer, hier den sachlichen Zusammenhang zu konstruieren. Aber es gibt einen wirtschaftlichen und finanziellen Zusammenhang. Wenn wir jetzt in diesem Hause die Lohnfortzahlung, für die Sie schon seit Jahrzehnten gekämpft haben

    (Abg. Winkelheide: Wir alle!)

    — wir alle und Sie auch —, beschließen werden, haben wir dafür zu 'sorgen, daß unsere lohnintensiven Betriebe endlich entlastet werden, daß auch sie eine Entlastung spüren. Dann müssen wir etwas tun, was wir uns schon lange vorgenommen haben: Übernahme der Finanzierung der Leistungen für das
    Kindergeld von den Familienausgleichskassen, die bisher über die Lohnsumme erfolgte, auf den Bundeshaushalt. Dem wollen wir Rechnung tragen, und deswegen sprechen wir in diesem Zusammenhang vom Sozialpaket, und davon lassen wir nicht ab. Das sind wir diesen lohnintensiven Betrieben einfach schuldig. Hier stehen wir im Wort, und hier stehen auch Sie im Wort, meine sehr verehrten Damen und Herren. Auch Sie haben immer wieder gesagt: Übernahme dieser Leistungen auf den Staat, weg von der Wirtschaft zur Entlastung der lohnintensiven Betriebe!
    Gerade in dem Zusammenhang beschleicht uns doch manchmal nicht zu Unrecht dieses Unbehagen, von dem Herr Kollege Rohde gesprochen hat. Es ist einem in der Tat manchmal unbehaglich, wenn man so sieht, was alles auf manchen Gebieten geschieht und was im Laufe der nächsten Jahre noch auf uns zukommt.
    Der Herr Bundesarbeitsminister hat heute morgen schon gesagt, er wolle die Kosten, die jetzt zusätzlich auf die deutsche Wirtschaft zukommen, nicht bagatellisieren. Damit werde der deutschen Wirtschaft ein erhebliches Maß an zusätzlichen Belastungen zugemutet. Ich meine, wir sollten diese Ausführungen unseres Kollegen Blank wahrhaftig ernst nehmen. Wir haben allen Grund dazu.
    Ich will genausowenig, wie es der Kollege Blank getan hat, jetzt zu den Berechnungen des Bundesarbeitsministeriums und der Bundesvereinigung der Arbeitgeberverbände im einzelnen Stellung nehmen. Ich verspreche mir davon nicht viel. Beide Berechnungen beruhen letzten Endes auf Schätzungen. Das Ergebnis werden wir dann sehen, wenn das Gesetz einmal in ,die Tat umgesetzt ist, wenn wir es in der Wirklichkeit erleben. Es hängt entscheidend davon ab, wie sich alle verhalten werden, wie sich die Versicherten verhalten werden, wie sich die Ärzte verhalten werden, aber auch davon — meine sehr verehrten Damen und Herren, lassen Sie mich das sagen —, wie sich die Arbeitgeber verhalten werden.
    Es hängt nicht zuletzt noch von dem ab, was wir im Laufe der Beratungen unter Umständen noch zusätzlich beschließen wenden. Sie wissen, daß wir bei der Unfallversicherungsreform — das konnte das Bundesarbeitsministerium im finanziellen Teil selbstverständlich noch nicht berücksichtigen — im Sozialpolitischen Ausschuß ebenfalls nicht unerhebliche Leistungsverbesserungen zusätzlich beschlossen haben, die jetzt zusätzlich auf die Wirtschaft zukommen. Daran wollen wir doch .denken. Das können und dürfen wir nicht vergessen.
    Aber wir wollen in der Tat nicht so sehr von diesen großen Positionen reden, Wer kann sich überhaupt etwas unter einer Milliarde, zwei Milliarden vorstellen? Das sind alles Zahlen, in denen wir gar nicht zu denken vermögen. Wir wollen die Dinge im Zusammenhang sehen und wollen vor allem ihre Wirkung auf die einzelnen Betriebe sehen. Die einzelnen Betriebe sind gerade heute — das ist gar kein Geheimnis — durch die steigenden Kosten — Lohnkosten, Lohnnebenkosten — schon erheblich belastet. Sie wissen — das möchte ich in



    Ruf
    diesem Zusammenhang sagen —, daß wir innerhalb der EWG die höchsten Lohnkosten und die kürzeste Arbeitszeit haben und daß dieser Sachverhalt sich allmählich auf die Wettbewerbsfähigkeit unserer deutschen Wirtschaft auszuwirken beginnt. Insofern muß man wahrhaftig Verständnis dafür haben, wenn gewisse Kreise in der deutschen Bevölkerung bestimmte Bedenken haben gegen das, was der Bundesgesetzgeber jetzt vorhat. Wir wollen diese Dinge nicht bagatellisieren; wir wollen ganz offen darüber sprechen.
    Nun haben sich Herr Kollege Schellenberg und auch Herr Kollege Rohde wieder einmal beklagt, daß das Bundesarbeitsministerium versäumt habe, vorher Erhebungen anzustellen, sich Gutachten geben zu lassen usw. Wissen Sie, meine sehr verehrten Kollegen, wir haben schon sehr oft ganz ausgezeichnete Gutachten aus dem Bundesarbeitsministerium, aus dem Beirat des Bundesarbeitsministeriums, von Professoren usw. bekommen. Was ist denn aus diesen Gutachten geworden? Nur wenige sind es gewesen, die darauf geachtet und die sie gelesen haben.
    Wir haben zum Beispiel beim Bundesarbeitsministerium einen Beirat für die Neuordnung der sozialen Leistungen geschaffen, und dieser Beirat zur Neuordnung der sozialen Leistungen hatte einen Unterausschuß „Krankheitsverhütung". Dieser Unterausschuß „Krankheitsverhütung" hat seinerzeit auch zu der Frage der Barleistungen im Krankheitsfall Stellung genommen. Aus dem Bericht des Unterausschusses können Sie entnehmen, daß die Experten seinerzeit drei Karenztage vorgeschlagen haben. Der Vorsitzende dieses Ausschusses hat seinerzeit erklärt: Aber bitte, mindestens drei Karenztage!
    Ich denke nicht daran, für drei Karenztage einzutreten, meine sehr verehrten Damen und Herren, so wie sie in Schweden üblich sind, wie Sie heute morgen gehört haben. Ich darf aber darauf hinweisen, daß in Schweden diese drei Karenztage nicht nur für Arbeiter gelten, sondern auch für Angestellte.

    (Zurufe von der SPD.)

    — Darüber muß man schon reden, gerade beim Beispiel Schweden. Herr Kollege Blank hat Ihnen schon einiges dazu gesagt. Aber er hat noch nicht gesagt, daß es in Schweden z. B. keine 100 % Nettolohn im Krankheitsfall gibt, sondern daß es im Schnitt etwa ein Krankengeld von vielleicht 50 % der Bezüge gibt.
    In Schweden gibt es zwar einen kostenlosen Krankenhausaufenthalt — das ist wahr —, aber ich habe gerade in einer Broschüre von einem Peter Heinig „Die schwedische Sozialfürsorge" — Sie können es dort nachlesen auf Seite 12 — folgendes festgestellt
    — ich darf es mit Erlaubnis des Herrn Präsidenten zitieren —:
    Die Zahl der Anstalten
    — also der Krankenhäuser —
    und ihre Aufnahmefähigkeit sind leider noch
    viel zu gering. Trotz zahlreicher Neubauten sind
    in Schweden die Wartezeiten oft so lange, daß Patienten, die dringend hospitalisiert werden sollten, oft monatelang auf einen freien Platz im Krankenhaus warten müssen.
    Meine sehr verehrten Damen und Herren, das ist die andere Seite des sozialistischen Wohlfahrtsstaates Schweden. Das sollte man doch auch einmal beachten.

    (Sehr wahr! in der Mitte.)

    Womit hat denn Schweden diese Leistungen bezahlen müssen? Ich habe soeben gehört, daß Schweden am 1. Januar 1962 die Umsatzsteuer, die doch alle belastet, erhöhen mußte, Schweden mußte sie von 4 % auf 6,2 % erhöhen. Das trifft doch alle! Ist das sozial? Ich kann das nicht für sozial halten. Da lobe ich mir schon den früheren sozialdemokratischen Staatsminister Zorn. Dieser Sozialdemokrat hat in diesen Fragen des Wohlfahrtsstaates Schweden einmal folgende Ausführungen gemacht, die ich mit Erlaubnis des Herrn Präsidenten zitieren darf. Bitte, hören Sie einmal genau zu! Er sagte:
    Aber wogegen sich gleichfalls alles Gerechtigkeitsempfinden und jedes Verantwortungsbewußtsein auflehnen, das sind die Überspitzungen und Übersteigerungen des Wohlfahrtsstaates,
    — nur darum geht es, nicht gegen den Wohlfahrtsstaat; wir sind nicht gegen den Wohlfahrtsstaat, wir sind nur gegen das Übertriebene, gegen das Übersteigerte —
    von denen wir in den letzten Jahren mit einem geradezu atemberaubenden Tempo heimgesucht wurden.
    Das sagt kein CDU-Mann, sondern ein SPD-Mann! — Weiter:
    Es ist der Dämon eines ständigen Sichüberbietens, der Zustände herbeiführt, die sich zum Herrn über die Menschen machen. Als solche Übersteigerungen der Wohlfahrtspolitik, die auf die Dauer die Ordnung der Gesellschaftspolitik zu stören drohen, kommen alle Maßnahmen in Betracht, durch die der Anreiz zur Arbeit geschwächt wird, durch die Geschenke der Regierenden aus öffentlichen Mitteln ohne entsprechende Gegenleistungen gemacht werden sowie durch die die Menschen nur zum Konsumieren und nicht zum Produzieren erzogen werden.
    Und jetzt kommt das Entscheidende:
    In England haben sich die Lebenshaltungskosten seit 1950 um 40 % erhöht, in Schweden um 50 %, in Frankreich um 60 % und bei uns um etwa 22 %. Die Geldentwertung, die dadurch zum Ausdruck kommt, hat nicht zuletzt ihre Ursache in den Ausgaben des Wohlfahrtsstaates für die Sozialleistungen und die Subventionen.
    Die Folgen der Übertreibungen der Wohlfahrtspolitik sind m. E. schlimmer als die Steuerbelastung und die Inflationsgefahr: das sind die moralischen Einbrüche. Hier vor allem die Schwächung der Arbeitsmoral, Überbeschäftigung und übersteigerte Wohlfahrt, die auch den Untüchtigen und Faulen ihre Vorteile zuteil werden lassen, nehmen den Menschen die



    Ruf
    Furcht vor der Arbeitslosigkeit. Auch der fristlos Entlassene braucht heute nicht mehr zu hungern; er erhält sofort wieder einen neuen Arbeitsplatz. Wer nicht arbeiten will und sich im Dschungel der Rentengesetze auskennt, vermag auch ohne Arbeit auskömmlich zu leben. Aus diesen Gründen läßt in allen Wohlfahrtsstaaten der Wille zur Arbeit nach, und zwar immer stärker, je weniger man mit dem inflationierten Geld kaufen kann.
    Nun, meine Damen und Herren, ich will es mir ersparen, auf diese internationalen Vergleiche der Krankenversicherungssysteme und der Leistungen im Krankheitsfalle noch weiter einzugehen; denn es will ja heute noch eine ganze Reihe von Kollegen zu Wort kommen,

    (Zurufe)

    und ich will auch meiner verehrten Frau Kollegin Frau Kalinke noch einiges überlassen.

    (Heiterkeit und anhaltende Zurufe. — Abg. Frau Kalinke: Sie sind .der letzte Redner!)

    — Ach, wunderbar!