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    1. tocInhaltsverzeichnis
      Deutscher Bundestag 55. Sitzung Bonn, den 23. Januar 1963 Inhalt: Nachruf auf den Abg. Döring . . . . . 2403 A Zur Tagesordnung: Behrendt (SPD) . . . . . . . . 2403 C Rasner (CDU/CSU) . . . . . . . 2403 D Glückwünsche zum Geburtstag des Abg. Dr. Dr. h. c. Baade . . . . . . . . 2417 B Fragestunde (Drucksache IV/ 912) Frage des Abg. Blumenfeld: Handel mit Indonesien Dr. Westrick, Staatssekretär . . 2404 C, D Blumenfeld (CDU/CSU) . . . . . 2404 D Frage des Abg. Ertl: Bauvorhaben in Außenbereichen Dr. Ernst, Staatssekretär . 2405 A, B, C, D, 2406 A, B, C, D Ertl (FDP) 2405 B Unertl (CDU/CSU) . . . 2405 C, 2406 C Fritsch (SPD) 2405 D, 2406 A Dr. Imle (FDP) 2406 A, B Frau Dr. Kiep-Altenloh (FDP) . 2406 C, D Frage des Abg. Dr. Aigner: Entwicklungshilfe für Ceylon Scheel, Bundesminister . . . 2407 A, C, D, 2408 A Dr. Aigner (CDU/CSU) 2407 C Sänger (SPD) 2407 D, 2408 A Frage des Abg. Ertl: Geflügelfleisch aus USA Frau Dr. Schwarzhaupt, Bundesminister 2408 A, B, C Ertl (FDP) . . . . . . . . 2408 B, C Fragen des Abg. Höhmann (Hessisch Lichtenau) : Fahrpreisermäßigungen für Kriegsversehrte und -hinterbliebene Höcherl, Bundesminister 2408 D, 2409 A, B Hähmann (Hessisch Lichtenau) (SPD) 2409 A, B Frage des Abg. Höhmann (Hessisch Lichtenau) : Sonstige Vergünstigungen für Kriegsbeschädigte und -hinterbliebene Höcherl, Bundesminister . . . . 2409 B, C Höhmann (Hessisch Lichtenau) (SPD) 2409 C Frage des Abg. Dr. Kliesing (Honnef) : Zahlung des Kinderzuschlages über das 25. Lebensjahr hinaus Höcherl, Bundesminister 2409 D Dr. Kliesing (Honnef) (CDU/CSU) 2409 D Fragen des Abg. Porten: Versorgung der deutschen Mühlen mit Roggengetreide Schwarz, Bundesminister 2410 A, B, C, D, 2411 A, B, C Porten (CDU/CSU) . . . 2410 B, C Ritzel (SPD) . . . . . . . . 2410C, D Frehsee (SPD) . . . . . . . 2411 A, B Ertl (FDP) 2411 B II Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 55. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 23. Januar 1963 Fragen des Abg. Tobaben: Auslegung des Gesetzes zur Förderung der deutschen Eier- und Geflügelwirtschaft Schwarz, Bundesminister . . . . 2411 C, D Tobaben (CDU/CSU) 2411 B Frage des Abg. Ritzel: Behandlung sogenannter Kettenhunde Schwarz, Bundesminister . 2412 A, B, C, D, 2413 A, B Ritzel (SPD) . . . . . . . . . 2412 B Büttner (SPD) 2412 C, D Dr. Dr. h. c. Dresbach (CDU/CSU) . 2412 D, 2413 A Vizepräsident Schoettle . 2412 D, 2413 A Schwabe (SPD) 2413 A, B Frage des Abg. Dr. Imle: Förderung der vertikalen Verbundwirtschaft Schwarz, Bundesminister . . . . 2413 C, D Dr. Imle (FDP) 2413 C Frage des Abg. Dröscher: Anrechnung von Einkünften bei der Elternrente Blank, Bundesminister . 2413 D, 2414 A Dröscher (SPD) 2414 A Frage des Abg. Riegel (Göppingen) : Erforschung der Probleme des Phantom-Schmerzes Blank, Bundesminister . . . . 2414 B, C Riegel (Göppingen) (SPD) . . . 2414 B, C Frage des Abg. Riegel (Göppingen) : Forschung auf dem Gebiet der Orthopädie-Technik Blank, Bundesminister 2414 C, D, 2415 A, B Riegel (Göppingen) (SPD) 2414 D, 2415 A Bazille (SPD) 2415 A Höhmann (Hessisch Lichtenau) (SPD) 2415 B Vizepräsident Schoettle 2415 B Frage des Abg. Dr. Mommer: Fahrpreiserhöhung auf der Bundesbahn zwischen Bietigheim und Kornwestheim 2415 C Fragen ides Abg. Felder: Sicherheitsgurte in Kraftfahrzeugen Dr. Seiermann, Staatssekretär . . 2415 D, 2416 A, B Felder (SPD) 2416 A Frage des Abg. Dröscher: Anschlußbahnhof an der Rheinstrecke für Reisende aus dem Saar-Nahe-Hunsrück-Raum Dr. Seiermann, Staatssekretär . 2416 B, C, D Dröscher (SPD) 2416 C, D Frage des Abg. Dröscher: Flugsicherung auf militärischen Flugplätzen Dr. .Seiermann, Staatssekretär . . . 2416 D, 2417 A Dröscher (SPD) . . . . . . . . 2417 A Sammelübersicht 13 des Petitionsausschusses über Anträge zu Petitionen (Drucksache IV/ 889) . . . . . . . . . . 2417 B Antrag des Bundesministers der Finanzen betr. Entlastung der Bundesregierung wegen der Bundeshaushaltsrechnung für das Rechnungsjahr 1959 (Drucksache IV/ 854) 2417 C Entwurf eines Gesetzes zur Neuregelung des Rechts der gesetzlichen Krankenversicherung (Krankenversicherungs-Neuregelungsgesetz) (Drucksache IV/ 816) — Erste Beratung —; in Verbindung mit dem Entwurf eines Gesetzes über die Fortzahlung des Arbeitsentgelts im Krankheitsfalle (Lohnfortzahlungsgesetz) (Drucksache IV/ 817) — Erste Beratung —; und dem Entwurf eines Bundeskindergeldgesetzes (Drucksache IV/ 818) — Erste Beratung — Blank, Bundesminister . 2417 D, 2447 A Stingl (CDU/CSU) 2428 D, 2465 D, 2466 B, 2467 D, 2468 A Dr. Schellenberg (SPD) 2436 B, 2466 A, C 2467 A Spitzmüller (FDP) 2448 D Dr. Franz (CDU/CSU) . . . . . 2453 A Rohde (SPD) . . . . . . . . 2455 D Ruf (CDU/CSU) . . . . . . . 2461 A Dr. Mommer (SPD) 2467 B Dürr (FDP) 2468 B Memmel (CDU/CSU) . . 2468 D, 2469 A Nächste Sitzung 2469 D Anlagen 2471 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 55. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 23. Januar 1963 2403 55. Sitzung Bonn, den 23. Januar 1963 Stenographischer Bericht Beginn: 9.00 Uhr
    2. folderAnlagen
      Berichtigung Es ist zu lesen: 54. Sitzung Seite 2353 D Zeile 5 statt „multilateralem": bilateralem. Anlage 1 Liste der beurlaubten Abgeordneten Abgeordnete (r) beurlaubt bis einschließlich a) Beurlaubungen Arendt (Wattenscheid) 25. 1. Dr. Arndt (Berlin) 24. 1. Dr. Atzenroth 25. 1. Dr. Dr. h. c. Baade 25. 1. Bading 5. 2. Fürst von Bismarck 25. 1. Dr. Dörinkel 25. 1. Eisenmann 24. 1. Etzel 26. 1. Even (Köln) 23. 1. Figgen 23. 2. Dr. Dr. h. c. Friedensburg 23. 1. Funk (Neuces am Sand) 16. 2. Gewandt 31. 1. Freiherr zu Guttenberg 23. 1. Haage (München) 25. 1. Harnischfeger 25. 1. Hauffe 28. 2. Hellenbrock 26. 1. Holkenbrink 26. 1. Dr. Hoven 25. 1. Kalbitzer 25. 1. Frau Kipp-Kaule 25. 1. Klinker 25. 1. Knobloch 23. 1. Koenen (Lippstadt) 25.1. Dr. Kohut 25. 1. Kriedemann * 25. 1. Lemmer 26. 1. Lenz (Bremerhaven) 25. 1. Lücker (München) 25. 1. Maier (Mannheim) 23. 1. Matthöfer 23. 1. Mattick 25. 1. Frau Dr. Maxsein 25. 1. Dr. h. c. Menne (Frankfurt) 23. 1. Dr. Menzel 25. 1. Metzger * 23. 1. Michels 23. 1. Dr. Miessner 31. 1. Missbach 25. 1. Müller (Berlin) 28.2. Müller (Remscheid) 25. 1. Müller-Hermann 31. 1. Neubauer 17. 2. Neumann (Berlin) 25. 1. Dr.-Ing. Philipp 25. 1. Rademacher 31. 1. Dr. Rutschke 31. 1. Sander 25. 1. Schneider (Hamburg) 31. 1. Schütz (Hamburg) 25. 1. Storch * 23. 1. Frau Strobel * 25. 1. Urban 25. 1. Dr. Wahl 28. 2. Anlagen zum Stenographischen Bericht Abgeordnete (r) beurlaubt bis einschließlich Wischnewski * 23. 1. Dr. Zimmer 26. 1. Zühlke 24. 1. b) Urlaubsanträge Dr. Dr. h. c. Dresbach 28. 2. Katzer 31. 1. Kühn (Köln) 2. 2. Dr. von Merkatz 4. 2. Dr. Stammberger 3. 2. * Für die Teilnahme an Ausschußsitzungen des Europäischen Parlaments Anlage 2 Schriftliche Ausführungen des Abgeordneten Schulhoff zu dem von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf eines Gesetzes über die Fortzahlung des Arbeitsentgelts im Krankheitsfalle (Lohnfortzahlungsgesetz) (Drucksache IV/ 817). Bei den Diskussionen über die Lohnfortzahlung an erkrankte Arbeiter wird schon seit geraumer Zeit nur noch über die Methoden diskutiert, nach der die Zahlung erfolgen soll. Ich bin der Auffassung, daß es nötig ist, den entscheidenden Punkt noch einmal deutlich in Erinnerung zu rufen: Die Arbeitgeber der Bundesrepublik haben sich grundsätzlich bereit erklärt, die mit einer Lohnfortzahlung an Arbeiter verbundenen Belastungen zu tragen. Niemand wird annehmen, daß diese Bereitschaft der Arbeitgeber selbstverständlich ist. Im Gegenteil, ich glaube, darin liegt ein so großes Maß von Vernunft und Verständnis, daß es nur gerecht wäre, wenn den Vorstellungen der Arbeitgeber über die formelle Abwicklung der Lohnfortzahlung entscheidendes Gehör geschenkt würde. Wenigstens ist es sonst im allgemeinen üblich, demjenigen, der von sich aus eine Geldleistung anbietet, den praktischen Weg der Aufbringung und Auszahlung dieser Geldleistung selbst zu überlassen, wenn die von ihm vorgeschlagene Methode zu dem gleichen materiellen Ergebnis führt. Das Handwerk ist ein Freund des gesunden sozialen Fortschritts. Auch die Handwerksbetriebe sind deshalb interessiert, den bei ihnen tätigen rund 3 Millionen Gesellen und Fachkräften angemessene Lohn- und Arbeitsbedingungen zu bieten. Das haben die im Rahmen der Tarifautonomie abgeschlossenen Tarifverträge der letzten Jahre bewiesen. Die jährliche Gesamtlohnsumme des Handwerks ist Ende 1962 auf annähernd 19 Milliarden DM gestiegen. Das Handwerk hat sich der Diskussion über die gesetzliche Regelung der Lohnfortzahlung nicht verschlossen. Es hat allerdings seine positive Mitarbeit in dieser Frage von zwei entscheidenden Voraus- 2472 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 55. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 23. Januar 1963 setzungen abhängig gemacht: erstens von der Normalisierung der überhöhten Krankenstände der deutschen Wirtschaft im Rahmen einer wirksamen Reform der Krankenversicherung, die wir gemeinsam anstreben, zweitens von der Aufbringung der Leistungen an die erkrankten Arbeiter durch die in den Krankenkassen zusammengeschlossenen Solidargemeinschaften der Betriebe, also von der Begrenzung der Beanspruchung der Betriebe auf einen regelmäßigen festen Umlagebeitrag. Die Regierungsvorlage überträgt im Rahmen einer arbeitsrechtlichen Konstruktion die Verantwortung und die Hauptlast der Lohnfortzahlung unmittelbar auf die Betriebe. Damit wird die Handwerkswirtschaft überfordert. Die Handwerksarbeit ist in hohem Grade lohnintensiv. Das Handwerk umfaßt zum größten Teil kleinere und mittlere Betriebe. Von seinen rund 3 Millionen Fachkräften waren 1956 in 320 000 Betrieben mit 2 bis 4 Fachkräften ca. 600 000, in 130 000 Betrieben mit 5 bis 10 Fachkräften ca. 700 000 und in 50 000 Betrieben mit 10 bis 25 Fachkräften ca. 650 000 Arbeitnehmer beschäftigt. Gerade in Betrieben dieser Größenordnungen, die mit Fertigungsaufgaben, Reparaturarbeiten oder Dienstleistungen beschäftigt sind, bedeuten Erkrankungen von Arbeitskräften erhebliche Störungen im Produktions- und Arbeitsablauf und Verluste an Umsätzen und Ertrag. Die Lohnfortzahlung während der Krankheitszeiten bis zur Dauer von 6 Wochen kann im Einzelfall die finanzielle Liquidität oder Ertragslage des Betriebes gefährden. Nach Erhebungen in einzelnen Fachbereichen des Handwerks auf der Grundlage der betrieblichen Erkrankungen im ersten Halbjahr 1962 würde die finanzielle Gesamtbeanspruchung der Betriebe bei der Einführung der gesetzlichen arbeitsrechtlichen Lohnfortzahlung nach den Vorschlägen des Regierungsentwurfes etwa 4 bis 5 % der Lohnsumme, bei Betrieben mit besonders hoher Fluktuation — z. B. Baugewerbe — 7 % und mehr der Lohnsumme betragen. Dazu tritt die schwierige verwaltungsmäßige Aufgabe, den Lohnfortzahlungsanspruch nach seinen rechtlichen Voraussetzungen zu prüfen und seine Höhe nach den gesetzlichen Anforderungen zu berechnen. Damit sind zwangsläufig Auseinandersetzungen in den Betrieben, eventuell auch vor den Gerichten verbunden. Der in der Regierungsvorlage vorgesehene Kostenausgleich über die Krankenkassen ist völlig unzureichend. Der Betrieb muß alle Lohnfortzahlungsbeträge vorlegen. Die hoch dotierten qualifizierten Fachkräfte, deren Lohneinkommen über 750 DM monatlich beträgt, sind — nach der vorgesehenen Regelung in dem Entwurf des Krankenversicherungs-Neuregelungsgesetzes — in den Kostenausgleich nicht einbezogen. Im Hinblick auf die weitergehende Lohnentwicklung muß nach vorsichtigen Schätzungen damit gerechnet werden, daß mindestens ein Drittel der handwerklichen Fachkräfte von dem Kostenausgleich ausgeschlossen ist. Im übrigen ist die Rückerstattung der Lohnfortzahlung von der Anerkennung der betrieblichen Zahlungen durch die Krankenkasse abhängig. Auch hiermit sind für die beteiligten Betriebe erhebliche rechtliche Schwierigkeiten und finanzielle Risiken verbunden. Der Regierungsentwurf enthält somit besonders aus der Sicht der lohnintensiven mittelständischen Wirtschaft schwerwiegende Mängel. Deshalb können wir die Vorlage nicht als eine sinnvolle und gerechte Lösung der Lohnfortzahlung anerkennen. Wir beschränken uns aber nicht auf die Kritik des Gesetzentwurfes. Das Handwerk bietet in voller Übereinstimmung mit der Gesamtarbeitgeberschaft eine Regelung der Lohnfortzahlung auf solidarrechtlicher Basis als echte gesetzliche Alternative an. Nach diesem Vorschlag sollen die Krankenkassen Krankengeldbezüge in Höhe des Nettolohnes leisten; die dafür notwendigen Mittel werden von den den Krankenkassen angeschlossenen Betrieben durch einen gesonderten, ausschließlich von den Arbeitgebern zu zahlenden Beitrag aufgebracht. Diese Konstruktion gibt dem erkrankten Arbeiter gleich hohe Leistungen, gewährt außerdem eine stärkere Sicherung seines Anspruchs im Rahmen der Solidargemeinschaft der Betriebe. Außerdem werden von den Arbeitgebern die vollen Beiträge zur Rentenversicherung allein aufgebracht, so daß der Arbeiter auch insoweit keinen Nachteil haben kann. Es steht auf Grund von Befragungen fest, daß die Mehrheit der Arbeiter selber den Rechtsanspruch an die Krankenkassen vorzieht. Die von der Arbeitgeberschaft vorgeschlagene Alternative ist darüber hinaus verwaltungsmäßig übersichtlich und unkompliziert. Wesentlich ist ferner, daß die Kostenbelastung der Wirtschaft auf Grund der Leistungsberechnung auf Nettolohnbasis etwa 20 % unter dem Aufwand der unmittelbaren arbeitsrechtlichen Lohnfortzahlung liegt. Die öffentliche Diskussion der letzten Monate und Wochen hat gezeigt, daß weite Kreise die Regierungsvorlage nicht als die optimale Lösung der Lohnfortzahlung betrachten. Es sei in diesem Zusammenhang u. a. auf die Beratungen des Bundesrates im ersten Durchgang im November vorigen Jahres, aber auch auf die bekannte Stellungnahme des Wirtschaftsausschusses der rheinischen CDU verwiesen. Ich halte es deshalb für notwendig, daß der Bundestag bei seinen weiteren Beratungen über die begründeten Einwendungen der mittelständischen Wirtschaft nicht hinweggeht. Anlage 3 Schriftliche Begründung des Abgeordneten Dr. Danz zu dem Antrag der Fraktion der FDP betreffend Übernahme von qualifizierten Arbeitern in das Angestelltenverhältnis (Drucksache IV/ 726) *). Es wird von keiner Seite bestritten, auch von der Wissenschaft nicht, daß die derzeit im Arbeitsrecht und in der Sozialversicherung geltende Abgrenzung der Begriffe Arbeiter und Angestellter der modernen arbeitstechnischen Entwicklung nicht mehr entspricht. Die Unterscheidung von Arbeitern und Angestellten innerhalb der Arbeitnehmerschaft hat in der arbeitsteiligen Wirtschaft zwar noch ihre Berechtigung, *) siehe 54. Sitzung Seite 2395 B Deutscher Bundestag - 4, Wahlperiode - 55. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 23. Januar 1963 2473 muß jedoch auf Grund der veränderten Funktionen der am Arbeitsprozeß Beteiligten eine Änderung erfahren. Die Unterscheidungsmerkmale stammen im wesentlichen aus dem vorigen und den Anfängen dieses Jahrhunderts und gewährleisten eine den gegenwärtigen Verhältnissen entsprechende Gliederung der Arbeitnehmerschaft nicht mehr. Die Dringlichkeit zur Lösung dieses Problems wird an der jahrelangen Diskussion deutlich, die die Wissenschaft zur Neuabgrenzung der Begriffe Arbeiter und Angestellter geführt hat. Mit gutem Recht freilich hat sich die Wissenschaft aller sozialpolitischen Gestaltungsabsichten enthalten und aus diesem Grunde davon abgesehen, dem Gesetzgeber Änderungsvorschläge zu unterbreiten. Die Schwierigkeiten einer dem arbeitstechnischen und sozialen Strukturwandel gemäßen Umgliederung der Arbeitnehmerschaft werden nicht verkannt. Sie dürfen jedoch den Gesetzgeber nicht davon abhalten, seiner gesellschaftspolitischen Aufgabe auch in dieser Richtung nachzukommen. Der Antrag der FDP auf Vorlage des Entwurfs eines Gesetzes, durch den die Übernahme von qualifizierten Arbeitern in das Angestelltenverhältnis geregelt wird, soll eine Möglichkeit aufzeigen, die Arbeitnehmerschaft bei Aufrechterhaltung einer auch heute noch notwendigen Differenzierung neu einzustufen. Die Funktionen vieler Arbeiter in der technisierten Industrie gleichen nicht nur in vieler Hinsicht denen der Angestellten; der Intellektualisierungsprozeß der Arbeit hat vielmehr zur Folge, daß eine immer größere Zahl von Arbeitnehmern im Arbeiterverhältnis nach Stellung im Betrieb und Art der Tätigkeit verantwortlicher eingesetzt ist als eine Reihe von Angestellten. Dieser Tatsache kann bei einer Neuregelung Rechnung getragen werden, indem der Angestelltenbegriff durch neue Tätigkeitsmerkmale bestimmt wird. Diese Einteilungskriterien muß der Gesetzgeber festlegen. Dabei sollen neben der Stellung des Arbeitnehmers in der Betriebshierachie besonders Verantwortung und Vorbildung bzw. Verantwortung oder Vorbildung Berücksichtigung finden. Der Kreis der Angestellten müßte auf Arbeiter ausgedehnt werden, die besonders schwierige, hochwertige und betriebswichtige Arbeit unter eigener Verantwortung verrichten, um diesem Personenkreis berufliche Aufstiegsmöglichkeiten zu eröffnen. Anlage 4 Schriftliche Antwort des Herrn Ministerialdirektors Hagelberg auf die Zusatzfrage zu der Mündlichen Anfrage des Abgeordneten Dr. Kohut (Fragestunde der 48. Sitzung vom 14. November 1962, Drucksache IV/ 727, Frage VI/ 2) : In der Fragestunde des Deutschen Bundestages am 14. November 1962 hat Ihnen Herr Bundesminister Höcherl zugesagt, die Zahl der Lehrkräfte, die auf 100 Studierende kommen, für die einzelnen Länder der Bundesrepublik mitzuteilen. Nach den Erhebungen des Statistischen Bundesamtes ergab sich für das Wintersemester 1960/61 in den einzelnen Ländern folgendes Bild: Land ord. u.apl. Prof. Sonstige insgesamt a. o. Pro- u.Privatfessoren dozenten Lehrpersonen Schleswig- Holstein 1,9 3,0 1,9 6,8 Hamburg 0,9 2,1 1,3 4,3 Niedersachsen 1,6 1,9 2,0 5,5 Nordrhein-Westfalen 1,0 1,6 1,3 3,9 Hessen 1,6 1,9 1,7 5,2 Rheinland-Pfalz 2,1 2,4 1,9 6,4 Baden-Württemberg 1,3 1,7 2,2 5,2 Bayern 1,3 1,7 1,5 4,5 Saarland 2,1 1,1 3,6 6,8 Berlin (West) 1,3 1,0 2,0 4,3 zusammen . . . 1,4 1,7 1,7 4,8 Anlage 5 Schriftliche Antwort des Herrn Bundesministers Dr. Heck auf die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Dr. Wuermeling (Fragestunde der 54. Sitzung vom 16. Januar 1963, Drucksache IV/ 888, Frage VI) : Ist die Bundesregierung zur alsbaldigen Vorlage eines Gesetzentwurfs bereit, durch den die gesetzliche Benachteiligung von Familien, deren Kinder ein freiwilliges soziales Jahr in Krankenhäusern, Altersheimen, kinderreichen Familien usw. ableisten, durch Belassung des Kindergeldes, des Kinderzuschlages, des Waisengeldes und der Steuerermäßigung aufgehoben wird? Im Einvernehmen mit den Herren Bundesministern des Innern und der Finanzen beantworte ich die Frage wie folgt: Die Bundesregierung beabsichtigt nicht, einen solchen Gesetzentwurf vorzulegen. Der Bundesregierung ist bekannt, daß innerhalb der Fraktion der CDU/CSU ein solcher Gesetzentwurf ausgearbeitet wurde und daß die Absicht besteht, diesen Entwurf als Initiativ-Gesetzentwurf einzubringen. Anlage 6 Schriftliche Antwort des Herrn Staatssekretärs Dr. Seiermann auf die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Walter (Fragestunde der 54. Sitzung vom 16. Januar 1963, Drucksache IV/ 888, Frage XIV/ 3) : Was beabsichtigt der Herr Bundesverkehrsminister zu tun, um mit Rücksicht auf den vorverlegten Abbau des Braunkohlevorkommens bei Ostheim Kreis Melsungen die Autobahnanschlußstelle Ostheim früher als vorgesehen herstellen zu lassen? 2474 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 55. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 23. Januar 1963 Nach den bisherigen Planungen war beabsichtigt, mit dem Bau der Anschlußstelle Ostheim an der Autobahnbetriebsstrecke Kassel-Kirchheim-Frankfurt/ Main im Jahre 1965 im Rahmen des 2. Vierjahresplanes für den Ausbau der Bundesfernstraßen (1963-66) zu beginnen. Es sollte dabei versucht werden, die Baumaßnahme zeitlich vorzuziehen. Dieses setze allerdings voraus, daß der 2. Vierjahresplan mit 13,0 Mrd. DM voll finanziert würde. Die nicht vorhersehbaren Kürzungen von zweckgebundenen Straßenbaumitteln — die für die Haushalte 1962 und 1963 'zusammen mehr als 550 Mio DM ausmachen — haben zur Folge, daß zahlreiche neue Bauvorhaben im Interesse einer ungehinderten Durchführung der laufenden Baumaßnahmen erst mit Verzögerung begonnen werden können. Hierunter wird bedauerlicherweise auch der Bau der Anschlußstelle Ostheim fallen müssen. Es ist mir daher heute noch nicht möglich, irgendwelche Zusagen finanzieller Art oder hinsichtlich des Baubeginnes dieser Maßnahme zu machen. Anlage 7 Schriftliche Antwort des Herrn Staatssekretärs Dr. Seiermann auf die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Dr. Bechert (Fragestunde der 54. Sitzung vom 16. Januar 1963, Drucksache IV/ 888, Frage XIV/ 4) : Trifft es zu, daß im Bereich der Eisenbahndirektion Mainz vor einigen Jahren auf Anordnung der Direktion in den Wartesälen auf Bahnhöfen außerhalb der großen Städte alle Ofen und Heizungseinrichtungen entfernt worden sind und seitdem diese Wartesäle im Winter ungeheizt bleiben? Die Bundesbahndirektion Mainz hat 1959 eine Verfügung erlassen, wonach in uribewirtschafteten Warteräumen, die keine Zentralheizung, sondern nur Kohleöfen hatten, diese meist sehr alten und unwirtschaftlichen Ofen entfernt werden sollen. Zahlreiche Beschwerden waren darauf zurückzuführen, daß die in erster Linie betroffenen kleineren Bahnhöfe mit Heizungseinrichtungen sehr unterschiedlich ausgestattet waren. Viele solcher Stellen hatten keine Heizmöglichkeit, andere nur unzureichende eiserne Ofen, die eine übermäßige Verschmutzung der Räume verursachten. Umsteigebahnhöfe und Bahnhöfe mit Wirtschaftsbetrieben sind nicht betroffen. Bei grundlegenden Umbauten kleiner Empfangsgebäude und Einbau neuzeitlicher Beheizungsanlagen wenden nach Möglichkeit auch die Warteräume mit angeschlossen. Die Bundesbahndirektion Mainz bemüht sich, Härten zu vermeiden. Sie hat in Einzelfällen dem Einbau von Heizungseinrichtungen zugestimmt. Sollten Sie, Herr Abgeordneter, einen bestimmten Fall ansprechen, so bin ich gern bereit, bei der Deutschen Bundesbahn eine Überprüfung zu veranlassen. Anlage 8 Schriftliche Antwort des Herrn Staatssekretärs Dr. Seiermann auf die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Haase (Kellinghusen) (Fragestunde der 54. Sitzung vom 16. Januar 1963, Drucksache IV/888, Frage XIV/5) : Welche Pläne hat die Bundesregierung für den Ausbau der Verkehrsverbindung Itzehoe—Glückstadt—Wischhafen—Bremen unter Würdigung der aus Privatinitiative aufgebauten und durch die kürzliche Indienststellung eines weiteren Fährschiffes erweiterten Fährverbindung Glückstadt—Wischhafen entwickelt? Glückstadt als Schleswig-Holsteinischer Endpunkt der genannten Fährverbindung über die Elbe liegt an dem 1961/62 neu zur Bundesstraße 431 aufgestuften Straßenzug Hamburg—Wedel—ElmshornGlückstadt—St. Margarethen—Meldorf. Der Niedersächsische Endpunkt Wischhafen liegt an der Landstraße I. Ordnung, die über Neuland—Osten—Lamstedt zur Bundesstraße 74 westlich Bremervörde führt. Dieser Straßenzug ist vom Land Niedersachsen im Rahmen der für den 2. Vierjahresplan (1963-66) vorgesehenen weiteren Aufstufung von Landstraßen I. Ordnung zu Bundesstraßen mit vorgeschlagen worden. Es ist damit zu rechnen, daß diesem Vorschlag entsprochen werden kann; lediglich der Zeitpunkt der Übernahme als Bundesstraße ist noch offen. Anlage 9 Schriftliche Antwort des Herrn Bundesministers Stücklen auf die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Dr. Imle (Fragestunde der 54. Sitzung vom 16. Januar 1963, Drucksache IV/ 888, Frage XV/ 1): Ist sich die Bundesregierung bewußt, welche Auswirkungen auf den Bestand der Heimkehrer- und Kriegsopferverbände die mit Wirkung vom 1. März 1963 beschlossene Einführung einer zusätzlichen Inkassogebühr für die Beförderung von Zeitungen pro Abonnement und Monat in Höhe von 20 Pfennig neben der Erhöhung der bisherigen Zustell- und Zeitungsgebühr von ca. 12 Pfennig monatlich auf 17 Pfennig als Vertriebsgebühr haben muß? Von der zwar vorgesehenen, aber vom Verwaltungsrat der Deutschen Bundespost noch nicht beschlossenen +Gebührenanhebung im Postzeitungsdienst können die Zeitungen der Heimkehrer- und Kriegsopferverbände aus Gründen der Gleichheit leider nicht ausgenommen werden. Im übrigen darf ich darauf hinweisen, daß die Selbstkosten der Deutschen Bundespost im Postzeitungsdienst auch nach der vorgesehenen Gebührenanhebung noch nicht einmal zu einem Drittel abgedeckt werden. Welche Gebührenerhöhungen der Verwaltungsrat der Deutschen Bundespost im einzelnen beschließen wird, vermag ich noch nicht zu sagen. Diese Gebührenerhöhungen werden jedoch keinesfalls schon am 1. März 1963 wirksam werden. Anlage 10 Schriftliche Antwort des Herrn Bundesministers Stücklen auf die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Fritsch (Fragestunde der 54. Sitzung vom 16. Januar 1963, Drucksache IV/ 888, Frage XV/ 2) : Ist die Bundesregierung bereit, die Aufhebung der Selbständigkeit des Postamtes Zwiesel im Bayr. Wald mit Rücksicht auf den der Grenzlandförderung zuwiderlaufenden Charakter dieser Maßnahme rückgängig zu machen? Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 55. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 23. Januar 1963 2475 Die geplante Aufhebung der Selbständigkeit des Postamts Zwiesel erfolgt im Rahmen der von der Deutschen Bundespost schon seit einigen Jahren im gesamten Bundesgebiet durchgeführten Rationalisierung des Betriebs- und Verwaltungsdienstes. Diese Maßnahme läuft den Grundsätzen der Grenzlandförderung nicht zuwider. Nach der Planung werden vielmehr nur interne Verwaltungsaufgaben und einige innerbetriebliche Aufgaben der Postämter Zwiesel und Regen beim Postamt Regen als dem größeren und verkehrsgünstiger gelegenen Amt zusammengefaßt. Eine Benachteiligung der Postkunden wird diese Maßnahme nicht zur Folge haben. Im übrigen bin ich ständig bemüht, die Zonenrandgebiete zu fördern. Allein im Gebiet der Oberpostdirektion Regensburg sind in den letzten 10 Jahren 50 Mio DM zur Verbesserung des Post- und Fernmeldewesens investiert worden. Anlage 11 Schriftliche Antwort des Herrn Bundesministers Stücklen auf die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Dr. Supf (Fragestunde der 54. Sitzung vom 16. Januar 1963, Drucksache IV/ 888, Frage XV/ 3) : Ist der Herr Bundespostminister bereit, in angemessener Zeit vor jeder Bundestagswahl den örtlichen Direktkandidaten für die Versendung von Drucksachen zur Unterrichtung der Wähler in bestimmtem Umfange Gebührenfreiheit zu gewähren? Durch das Gesetz über die Aufhebung der Gebührenfreiheiten im Post- und Telegraphenverkehr vom 29. April 1920 (RGBl. S. 678) sind im deutschen Postverkehr alle Gebührenfreiheiten aufgehoben worden. Seit diesem Zeitpunkt besteht der Grundsatz, daß alle Postsendungen, auch die von Behörden eingelieferten Sendungen, den allgemeinen Gebührenbestimmungen unterliegen, sofern nicht durch internationale Verträge oder besondere innerdeutsche Gesetze Gebührenfreiheit vorgesehen ist. Solche Sonderregelungen bestehen z. Z. nur für Kriegsgefangenen- und Blindenschriftsendungen auf Grund des Weltpostvertrags (Art. 39 und 40) und für Wahlbriefe zur Bundestagswahl auf Grund des Bundeswahlgesetzes vom 7. Mai 1956 (Bundesgesetzblatt I S. 383). Die genannten gesetzlichen Vorschriften sind für die Versender und für die Deutsche Bundespost verbindlich. Der Bundespostminister kann deshalb den Kandidaten für die Bundestagswahl keine Gebührenfreiheit für Postsendungen gewähren. Anlage 12 Schriftliche Antwort der Frau Bundesminister Dr. Schwarzhaupt auf die Mündliche Anfrage der Abgeordneten Frau Herklotz (Fragestunde der 54. Sitzung vom 16. Januar 1963, Drucksache IV/ 888, Frage XVI/ 1): Was gedenkt die Bundesregierung zu tun, um eine Gefährdung des Grundwassers zu verhindern, die durch Defekte an Ölleitungen entstehen kann, wie sie kürzlich an der Leitung MarseilleKarlsruhe bei Wörth in der Pfalz auftraten? Am 9. und 10. Dezember vergangenen Jahres ist an der Ölleitung Marseille-Karlsruhe im Land Rheinland-Pfalz in der Nähe von Wörth ein Schaden aufgetreten, der zum Ausfließen einer größeren Menge Öl geführt hat. Ob dieser Vorfall für die Bundesregierung Anlaß sein kann, Maßnahmen zu ergreifen, die geeignet sind, Störungen dieser Art im Interesse ides Gewässerschutzes künftig zu vermeiden, kann erst beurteilt werden, wenn ,die Untersuchungen 'des Landes Rheinland-Pfalz über diesen Vorfall abgeschlossen sind. Ich habe das zuständige Ministerium in Mainz gebeten, sich über den Sachverhalt und über die Maßnahmen, die von seiten der zuständigen Landesbehörden wegen dieses Vorfalls getroffen worden sind, zu unterrichten. Nach Eingang dieser Mitteilung wird von meinem Haus und dem Bundesarbeitsministerium zu prüfen sein, ob der genannte Schaden und auch Vorfälle ähnlicher Art, die zuvor in anderen Ländern aufgetreten sind, auf technische Unzulänglichkeiten zurückzuführen sind, die durch Maßnahmen des Bundes oder der Länder beseitigt oder verhindert werden können. Anlage 13 Schriftliche Antwort der Frau Bundesminister Dr. Schwarzhaupt auf die Mündlichen Anfragen der Abgeordneten Frau Welter (Fragestunde der 54. Sitzung vom 16. Januar 1963, Drucksache IV/888, Fragen XVI/2, XVI/3 und XVI/4: Ist der Bundesregierung bekannt, daß die deutsche Schwesternausbildung nicht den Internationalen Richtlinien entspricht und demzufolge die deutsche Krankenschwester im Ausland und in Ubersee nicht die gewünschte Anerkennung findet? Die Anerkennung der deutschen Krankenpflegeausbildung im Ausland erfolgt nach den mir vorliegenden Berichten unterschiedlich. Die Ausbildung wird besonders nach ihrer Verlängerung auf drei Jahre nach 'den Bestimmungen des Krankenpflegegesetzes von 1957 in einer Reihe von Ländern anerkannt oder auf die vorgeschriebene Ausbildung angerechnet. Solange aber keine internationalen Verträge über die gegenseitige Zulassung von Krankenschwestern abgeschlossen sind, wird der Ausbildungsgang in allen Ländern im einzelnen daraufhin überprüft, wie weit er den im eigenen Land geltenden Bestimmungen entspricht. Dabei spielt die Frage, ob die Landessprache beherrscht wird, eine wesentliche Rolle. Die Abmachungen des Weltbundes der Krankenschwestern betreffen nur die vorübergehende Tätigkeit solcher Schwestern im Ausland, die Mitglieder des Weltbundes oder eines ihm angehörenden Schwesternverbandes sind. Ist der Bundesregierung bekannt, daß immer weniger Abiturientinnen in die Krankenpflege-Ausbildung eintreten, weil sie in diesem Beruf keine Aufstiegsmöglichkeiten sehen, und infolgedessen Stationsschwestern und leitende Schwestern fehlen, die menschenführende Aufgaben erfüllen und die gesteigerten medizinischen Berufsanforderungen bewältigen können? Repräsentative Zahlen über den Rückgang der Abiturientinnen unter den Krankenschwestern liegen mir nicht vor. Es ist aber bekannt, daß immer mehr Abiturientinnen sich dem Hochschulstudium 2476 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 55. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 23. Januar 1963 zuwenden. Daher ist es sehr wünschenswert, daß die jetzt schon im Krankenpflegeberuf bestehenden Aufstiegsmöglichkeiten der Offentlichkeit besser bekanntgemacht und daß diese Aufstiegsmöglichkeiten weiter verbessert werden. Ist die Bundesregierung bereit, eine Novellierung des Krankenpflegegesetzes von 1957 vorzubereiten, damit die deutsche Schwesternausbildung den internationalen Richtlinien angepaßt und insbesondere die Zulassung zu der Krankenpflege-Ausbildung von der mittleren Reife abhängig gemacht wird? Die Frage, ob das Krankenpflegegesetz geändert und von den Krankenpflegeschülerinnen abgeschlossene Mittelschulbildung oder eine gleichwertige Schulbildung gefordert werden soll, wird zur Zeit in meinem Hause geprüft. Diese Prüfung erfolgt im Zusammenhang mit den Bestrebungen des Europarates nach einer Normierung und vertraglichen Regelung der an eine europäische Schwesternausbildung zu stellenden Mindestanforderungen. Die Bedenken großer Schwesternverbände gegen das Erfordernis der Mittelschulbildung beruhen vor allem auch darauf, daß nach den Erfahrungen dieser Verbände besonders gut geeigneter Nachwuchs an Krankenschwestern gerade aus der Landbevölkerung kommt. Auf diese Tatsache müßte bei einer Neuregelung der Ausbildung dadurch Rücksicht genommen werden, daß in besonderen Fällen auch geeignete Volksschülerinnen der Zugang zum Schwesternberuf geöffnet bleibt. Anlage 14 Schriftliche Antwort der Frau Bundesminister Dr. Schwarzhaupt auf die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Dr. Bechert (Fragestunde der 54. Sitzung vom 16. Januar 1963, 'Drucksache IV/ 888, Frage XVI/ 5): Ist der Bundesregierung bekannt, daß in dem Gutachten des Staatlichen Materialprüfungsamtes Nordrhein-Westfalen, Abteilung Strahlenschutz, Nr. IX 767/62 vom 14. Dezember 1961 festgestellt wurde, daß die von der Firma Siemens-Reiniger-Werke, Erlangen, an das Röntgen-Institut von Dr. med. Hans Rock, Regensburg, gelieferte und dort eingerichtete Röntgenanlage (Therapiegerät Stabilipan 250 mit Konvergenzstrahler) bis zu 4fach höhere Strahlenleistung hat, als nach den geltenden Strahlenschutzregeln zulässig ist, und daß Grund besteht für die Annahme, daß Geräte desselben Typs auch in anderen Instituten und bei anderen Strahlenärzten dieselbe unzulässig hohe Strahlungsmenge freigeben? Das Gutachten des staatlichen Materialprüfungsamtes des Landes Nordrhein-Westfalen isst von mir dem Bundesgesundheitsamt mit der Bitte um Überprüfung und Stellungnahme zugeleitet worden. Die Stellungnahme des Bundesgesundheitsamtes werde ich Ihnen sobald als möglich übermitteln. Was die legislative Seite betrifft, so ist von mir der Entwurf einer ,Strahlenschutzverordnung, welche die Anwendung von Röntgenstrahlen in der Human- und Veterinärmedizin regelt, entworfen und bereits einmal mit den beteiligten Ressorts erörtert worden. In dieser Verordnung sind neue Vorschriften über eine Bauartprüfung aller Röntgengeräte sowie eine regelmäßige Überwachung vorgesehen. Anlage 15 Schriftliche Antwort der Frau Bundesminister Dr. Schwarzhaupt auf die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Dr Bechert (Fragestunde der 54. Sitzung vom 16. Januar 1963, Drucksache IV/ 888, Frage XVI /6) : Besteht die Absicht, in der Bundesrepublik einen Strahlenpaß einzuführen, der für jeden einzelnen die Strahlungsmenge angibt, der er im Laufe des Lebens ausgesetzt wird, ein Strahlenpaß, wie er in einem Bericht des Nationalen Forschungsrates (National Research Council) der National Academy of Sciences, Washington D. C., für die Vereinigten Staaten empfohlen wurde? Die Einführung eines Strahlenpasses ist wiederholt, auch im Bundesgesundheitsrat, diskutiert worden. Von seiten der Ärzte wurde festgestellt, daß der Aufwand, der mit der Einführung des Strahlenpasses verbunden wäre, bei Abwägung aller Umstände in keinem Verhältnis zu dem Nutzen stehen würde, der damit erreicht werden soll. Ich werde trotzdem erneut den Bundesgesundheitsrat bitten, sich mit dieser Frage unter besonderer Berücksichtigung der in Ihrer Anfrage erwähnten Empfehlung des Nationalen Amerikanischen Forschungsrates zu befassen und erneut Stellung zu nehmen. Danach werde ich meinen Standpunkt noch einmal überprüfen.
    • insert_commentVorherige Rede als Kontext
      Rede von Kurt Spitzmüller


      • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
      • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

      Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen, meine Herren! Die Sopos, wie wir Sozialpolitiker oft in abgekürzter Form von unseren Kollegen bezeichnet werden, sind für viele Menschen ein Schrecken; sie sind vor allen Dingen für die Kollegen ein Schrecken, die glauben, daß sie sich im Politischen noch einen unverdorbenen reinen Menschenverstand bewahrt hätten. Vieles, was wir im Fachjargon aussprechen, ist für sie ein Buch mit sieben Siegeln. Für sie stellt sich die 'Sozialpolitik im Rahmen der Gesamtpolitik als ein Sektor dar, der einfachen und verständlichen, Überschaubaren Lösungen nicht immer zugänglich ist. Mir scheint, wenn ich so in das Haus hinuntersehe, daß wir heute morgen schon einige recht stark in Schrecken versetzt halben; denn sonst wäre bei einer so umfassenden Materie, wie wir sie behandeln, sicherlich eine größere Anzahl von Kollegen anwesend und nicht nur die, die sich ohnehin im Sozialpolitischen Ausschuß und in anderen Ausschüssen mit Sozialpolitik zu befassen haben.
      Diesen kleinen Vorspruch sage ich nicht zur Rechtfertigung .der Sozialpolitik, sondern um darzutun, daß wir heute in diesem Hohen Hause erstmals Gelegenheit haben, eine Reihe von Gesetzeswerken im Zusammenhang zu sehen. Wir haben heute eine



      Spitzmüller
      sozialpolitische Materie nicht in einer isolierten Betrachtungsweise, sondern in einem größeren Gesamtrahmen zu debattieren.
      Wenn in der Vergangenheit Termine die Beratungen gejagt und die soziale Not schnelle Entscheidungen erzwungen haben, so ist idas keine Entschuldigung, wenn in der Zukunft Fehler der Vergangenheit wiederholt würden. Es war auch der Wunsch meiner Fraktion, daß sozialpolitische Fragen, die in einem sachlichen Zusammenhang stehen, aber nur durch verschiedene Gesetze zu regeln sind, gemeinsam behandelt werden.
      Wir haben es in der Vergangenheit erlebt, vor welche Problematik die 'Ausschüsse gestellt waren, wenn ihnen neue und umfassendere Reformvorschläge zur Beratung vorgelegt wurden, bevor die bereits vorhandenen zu einem guten Abschluß gebracht werden konnten. Meist blieb einer — wenn nicht alle — auf der 'Strecke. Wir brauchen nur an die letzte Legislaturperiode 'zu denken. Es geht jetzt nicht darum, festzustellen, wen und inwieweit jemanden die Schuld dafür trifft, daß damals die begonnenen Reformen steckengeblieben sind. Ein Streit darüber nützt weder der Sache noch dem Volk.
      Entscheidend ist, daß die Parteien des Bundestages, .die die Regierungsverantwortung tragen, sich insoweit zusammengefunden haben, daß diese drei Gesetzentwürfe heute im Plenum in erster Lesung behandelt werden können und daß wir der Verabschiedung des Unfallversicherungs-Neuregelungsgesetzes in der übernächsten Woche entgegensehen können. Ich glaube, das ist ein Beweis dafür, daß trotz mancher Meinungsverschiedenheiten, die zwischen den Koalitionsparteien da und dort bestehen mögen, ,der Wille, zu gemeinsamen Taten und zu gemeinsamen Ergebnissen zu kommen, vorhanden ist.
      Wir Freien Demokraten begrüßen die Tatsache, daß die Bundesregierung und vorab der Herr Bundesarbeitsminister den sachlichen Zusammenhang der drei Gesetze betonen und auf eine gleichzeitige Behandlung, Verabschiedung und Inkraftsetzung drängen. Bei aller kritischen Würdigung, welche manche Vorstellung der einzelnen Gesetze durch uns wird finden müssen, sind wir uns doch der Tatsache bewußt, daß die Einheit der drei Gesetze als Gesamtkomplex gewahrt werden muß.
      Ich komme damit auch auf die Ausführungen, die Herr Kollege Schellenberg gemacht hat. Herr Kollege Schellenberg, Sie haben sehr klar dargetan, daß ein breiter Graben der Meinungsverschiedenheit zwischen Regierungsvorlage und Oppositionsmeinung besteht. Sie haben sehr deutlich darauf hingewiesen, 'daß Ihnen dieser Gesamtzusammenhang nicht wünschenswert erscheint. Aber das darf ich hier mit großer Befriedigung feststellen: Sie haben nicht das vertieft, was der Arbeitsminister Hemsath aus Hessen in der 251. Sitzung des Bundesrates gesagt hat, als er offen aussprach, daß die Meinungsunterschiede so groß seien, daß sie fast ein sinnvolles Gespräch über die Wirksamkeit, die objektive sachliche Richtigkeit und die Möglichkeit der einen oder anderen Lösung ausschlössen. Ich glaube, bei aller Härte der Argumente, die Kollege Schellenberg hier vorgetragen hat, war aber immer der Wille zur Mitarbeit und Mitgestaltung zu spüren. Wir sollten das dankbar registrieren.
      Ich möchte noch etwas hinzufügen: einige Passagen in der Rede von Professor Schellenberg lassen uns Freie Demokraten hoffen, daß wir doch nicht ohne Erfolg in den vergangenen Monaten in der Öffentlichkeit den Gedanken einer Wirtschafts-, Finanz- und Sozialpolitik aus einem Guß verfochten haben. Professor Schellenberg hat angedeutet, daß er wirtschaftliche Auswirkungen von gesetzgeberischen Neuregelungen sorgfältig beachtet wissen will. Das erlaubt für 'die Beratungen im Sozialpolitischen Ausschuß einen gemäßigten Optimismus. Denn oft war diese Bereitschaft, die Dinge im Gesamtzusammenhang zu sehen und die Auswirkungen auf die übrigen Bereiche unseres öffentlichen Lebens zu überprüfen, nicht so deutlich angesprochen, wie das heute morgen bei aller Kritik, die Herr Schellenberg geübt hat, angeklungen war.
      Der Bundesarbeitsminister war zu Beginn der Legislaturperiode noch der optimistischen Auffassung, daß die Sozialpolitik in diesen vier Jahren ohne zusätzliche Belastung der lohnbezogenen Abgaben, sprich: der Bruttolohnsumme, zu meistern sei. Ich darf daran erinnern, daß wir anläßlich einer großen Anfrage der Sozialdemokraten ausdrücklich darauf hinwiesen, daß der Wille des Herrn Bundesarbeitsministers, dafür Sorge zu tragen, daß diese Gesetze keine weitere Sozialisierung des Lohnes und keine weitere Belastung der lohnbezogenen Abgaben beinhalteten, uns die Mitarbeit an dieser Gesetzesmaterie ermöglichte.
      Heute mußte nun der Herr Bundesarbeitsminister zugeben, daß nach den Minimalschätzungen doch eine offenbare Belastung von 1,4 Milliarden DM auf die Wirtschaft zukommt, wenn der Krankenstand in seiner bisherigen Höhe bleibt. Nun, die Zahlen des Arbeitsministeriums sind sicherlich vorsichtig geschätzt. Wir wissen, daß andere Institutionen auf eine Differenz von 2,5 Milliarden DM hinweisen. Sicherlich mag der eine aus bestimmten Gründen ein bißchen tiefer, der andere aus bestimmten Gründen ein bißchen höher gegriffen haben. Aber unbestritten ist heute morgen geblieben, daß es sich um finanzielle Größen handelt, die nicht mit der linken Hand abgetan werden können.
      Entscheidend dabei ist die Tatsache, daß zusätzliche Kosten entstehen, und zusätzliche Kosten, die entstehen, das wissen wir, wirken sich bei den Gewinnraten oder steigend bei den Preisen aus. Die Erfahrungen der Vergangenheit lassen erahnen oder befürchten, daß eher das letzte der Fall sein wird. Die Vollbeschäftigung ist ein aus politischen Gründen sehr erstrebenswerter und begrüßenswerter Zustand. Sie befreit die Massen von der Furcht der Arbeitslosigkeit. Aber sie beseitigt auch da und dort Hemmungen in der Preisgestaltung und Lohndiskussion. Rückblickend darf man ruhig sagen, daß vor allem die Überbeschäftigung die monetäre Disziplin nachlassen ließ.
      Warum sage ich das gerade in diesem Zusammenhang? Nun, weil in Zeiten wirtschaftlicher Expansion



      Spitzmüller
      und in der Erwartung ihres weiteren Andauerns Löhne und Preise verhältnismäßig zügig gefordert und gewährt werden. Die Gefahr besteht immer, daß die Rentner und die Sparer etwas zurückbleiben. Gerade bei der Lohnbezogenheit unseres sozialen Leistungssystems müssen wir darauf achten, daß nicht Wirkungen hervorgerufen werden, die die beabsichtigte Hilfestellung durch Preisüberwälzungen wieder aufheben.
      Ich möchte an dieser Stelle dem Herrn Bundesarbeitsminister meiner Fraktion Dank sagen für seine klaren Darlegungen, daß wir an dem Punkt angekommen sind, an dem alle Ausgaben, die dieses Parlament durch Beschlüsse veranlaßt, in irgendeiner Form durch die Gesamtheit wieder aufgebracht werden müssen. Herr Minister Blank hat in seiner Rede heute morgen sehr klar gegen die Illusion der Umverteilung Stellung genommen, der Illusion der Umverteilung, die heute noch in vielen Köpfen herumspuckt und sich darin manifestiert, daß man sagt: Dieses kann man tun und jenes kann man tun, — ohne sich bewußt zu werden, daß die Mittel dazu immer über Steuern oder Beiträge — und meist von allen — aufgebracht werden müssen. Auch hier nur noch eine einzige Zahl, die Herr Staatssekretär Claussen einmal genannt hat. Er hat einmal ausgeführt, daß 60 % der Sozialleistungen von den Empfängern selbst aufgebracht werden müssen.
      Die angeschnittene Problematik könnte noch von verschiedenen Seiten beleuchtet werden. Auf jeden Fall dürfen wir unsere Augen aber nicht davor verschließen, daß möglicherweise derjenige, dem geholfen werden soll, seine Hilfe selbst einschließlich der dazwischenliegenden Verwaltungskosten bezahlen muß.
      Meine Fraktion bejaht ,die volle materielle Gleichstellung der Arbeiter mit den Angestellten im Krankheitsfall, nicht um irgendwelchen zweifelhaften sozialpsychologischen Dogmen die Krone aufzusetzen, sondern aus praktischen Erwägungen. Heute morgen hat über die Form, in der diese Gleichstellung erfolgen soll, Herr Arbeitsminister Blank ausgeführt, daß es sich dabei im wesentlichen um eine rechtliche Gleichstellung im Krankheitsfall und um eine Anerkennung der fachlichen und verantwortungsvollen Tätigkeit der Arbeiter handle. Nun, wir als Freie Demokraten hätten gewünscht, daß die Frage der Gleichstellung von Arbeitern und Angestellten nach einer gründlichen Prüfung der gewandelten technischen und wirtschaftlichen Bedingungen vom Gesetzgeber angepackt worden wäre, und zwar in dem Sinne, wie wir Freien Demokraten es mit unserem Antrag auf Reform des Katalogs der Angestelltentätigkeit gemeint haben. Das entspräche einer organischeren Entwicklung und hätte nicht den Beigeschmack, daß man an die Probleme etwas überstürzt herangehen muß.
      Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir wollen uns nichts vormachen. Der Arbeiter hat schon bisher im Krankheitsfall den Nettolohn für die Dauer von sechs Wochen — teilweise noch mehr als wenn er arbeiten würde — bekommen. Er verliert aber für diese Zeit bis zu sechs Wochen die Beiträge zur Sozialversicherung. Daß er auf diese nicht gern verzichten möchte, ist ein verständlicher und berechtigter Wunsch, dem stattgegeben werden sollte. Darin sind sich die Sozialpartner wie die politischen Parteien einig.
      Trotz der sehr beachtlichen Ausführungen des Herrn Bundesarbeitsministers heute morgen ist für uns Freie Demokraten aber die Frage noch nicht endgültig ausdiskutiert, ob die vorgesehene Form der Durchführung der Lohnfortzahlung wirklich die richtige, für den Arbeiter und die Wirtschaft zweckmäßige ist. Wir wissen, daß sich unser Koalitionspartner eindeutig zu der im Regierungsentwurf vorgesehenen Form bekannt hat. Trotzdem meinen wir, daß bei der weiteren Beratung noch zu überprüfen sein wird, ob nicht doch ein öffentlich-rechtlicher Anspruch an einen Fonds bei der Krankenkasse, der durch Beiträge der Arbeitgeber gespeist wird, unter den gegenwärtigen wirtschaftlichen Verhältnissen geeigneter und praktikabler wäre. Diese Lösung würde auch in wirtschaftlich labileren Zeiten dem Arbeiter den pünktlichen Erhalt seiner Lohnfortzahlung besser garantieren. Dieser Meinung sind wir jedenfalls bis jetzt.
      Ich muß noch ein anderes Problem ansprechen. Wir dürfen nicht vergessen, ,daß auch wieder Zeiten kommen können, in denen das Angebot an Arbeitskräften auf dem Arbeitsmarkt höher ist. Wir müssen bei der Frage, wie die Lohnfortzahlung geregelt werden soll, überprüfen, ob bei der vorgesehenen Form nicht eventuell eines Tages das Problem des älteren Arbeiters auf uns zukommt, wie wir uns schon einmal mit dem Problem des älteren Angestellten zu befassen hatten.
      Ich glaube, diesen Fragen sollte doch noch Aufmerksamkeit gewidmet werden, damit uns, wenn wir zur Entscheidung kommen, niemand den Vorwurf machen kann, daß wir diese Fragen nicht nach allen Seiten bezüglich ihrer möglichen Auswirkungen in der Zukunft untersucht hätten.
      Im Bundesrat ist durch den Entschließungsantrag des Landes Schleswig-Holstein diese Frage auch noch einmal deutlich angesprochen worden. Ich bin mir bewußt — und mit mir sind es auch meine Parteifreunde —, wie schwierig es sein wird, von der nun einmal im Parlament schon bestehenden breiten Auffassung einer Lösung abzukommen. Aber, meine Damen und Herren von der CDU, ich habe es gewagt, dieses heiße Eisen anzupacken, nur weil ich mich gern eines Beitrags Ihrer Wahlillustrierten aus dem Jahre 1953 erinnere. Darin hatten Sie nämlich in sehr eindrucksvoller Weise die Weitsicht und Schlagfertigkeit des Herrn Bundeskanzlers herausgestellt. In der Illustrierten war aufgezeichnet, der Bundeskanzler habe einmal in einer sehr wichtigen Frage der Fraktion seinen Standpunkt vorgetragen. Plötzlich sei er durch den Zwischenruf „Herr Bundeskanzler, vor vier Wochen waren Sie noch gänzlich entgegengesetzter Meinung!" gestört worden. Der Bundeskanzler, so war in Ihrer Illustrierten zu lesen, habe den Zwischenrufer nur kurz angeblickt und ihm erwidert: Dat stimmt; aber Sie können mir doch nicht verbieten, täglich klüger zu werden. Also, was für den damals noch jugendlicheren Bun-



      Spitzmüller
      deskanzler gilt, sollte auch für eine gereiftere Fraktion nicht von der Hand zu weisen sein.

      (Beifall bei der FDP.)

      Bitte, mißverstehen Sie uns nicht. Es geht uns bei der Regelung nicht um eine Frage der Weltanschauung, sondern um die Sicherung der lohnintensiven Betriebe, die auch bei ungewöhnlichen Morbiditätsziffern nicht in Existenzsorgen geraten dürfen. Daß eine solche Sicherung möglichst auch nicht zu umständlich und kostspielig sein darf, versteht sich von selbst. Es geht uns wirklich nur darum, daß geprüft wird: Was ist für den Arbeiter und für die Wirtschaft insgesamt gesehen das Vernünftigste?
      Noch ein Wort zum Ausgleich, der in diesem Gesetzentwurf vorgesehen ist. Wenn es bei der Regelung bleibt, wie sie von der Regierung vorgeschlagen ist, dann kommt diesem Ausgleich eine große Bedeutung zu. Wir haben heute morgen mit großer Freude vernommen, daß auch Herr Kollege Schellenberg der Meinung ist, mit diesem Ausgleich sollte das Risiko kalkulierbar gemacht werden und auch die Arbeiter mit einem Monatslohn über 750 DM sollten in diesen Ausgleich einbezogen werden. Nachdem in allen Fraktionen Männer und Frauen sitzen, die nicht bereit sind, einem Gesetz zuzustimmen, durch das in bestimmten Teilen der Wirtschaft plötzlich unerwartete Belastungen und Sorgen auftreten können, habe ich die Hoffnung, daß es in irgendeiner Form gelingt, eine Lösung zu finden, bei der am Ende dann alle mehr oder weniger zufrieden sein können, daß wir also in dieser Frage, obwohl zunächst einmal die Situation und Stimmung sehr verkrampft aussahen, doch noch zu einer Regelung kommen, mit der wir uns nicht nur heute, sondern auch in der Zukunft sehen lassen können.
      Lassen Sie mich zum KrankenversicherungsNeuregelungsgesetzentwurf nur einiges ausführen. Ich brauche auf die vielen Verbesserungen, die dieser Gesetzentwurf bringt, nicht hinzuweisen; Kollege Blank und Kollege Stingl haben das in sehr beredter Weise getan, und auch Herr Kollege Schellenberg hat ja nicht bestritten, daß dieser Krankenversicherungs-Neuregelungsgesetzentwurf sicherlich einige Verbesserungen beinhaltet. Er kann nur einige beinhalten, weil dieses Parlament bereits im Jahre 1961 eine ganze Reihe von entscheidenden Verbesserungen vorweggenommen hat.
      Die Leitgedanken, die in der Begründung zur Krankenversicherungs-Neuregelung zum Ausdruck kommen, und die Absicht und das Ziel, das vom Herrn Bundesarbeitsminister angesprochen wurde, werden von uns begrüßt. Nach unserer Meinung besteht jedoch die Gefahr, daß die Handhabung einzelner Paragraphen dieses Entwurfs dazu angetan sein könnte, diese in der Begründung kundgetane Absicht nicht voll zur Wirkung kommen zu lassen. Ja — wir müssen das ehrlich aussprechen —, wir fürchten, daß in der Praxis der Weg von der gegliederten Krankenversicherung wegführt und eine Schwächung der Selbstverwaltung eintritt zugunsten eines immerhin möglichen ministeriellen Dirigismus. Bei den Beratungen im Ausschuß werden wir also besonderen Wert darauf legen, daß keine Nivellierung Platz greift. Je mehr wir im Gesetz die
      Selbstverwaltung einengen, desto mehr steuern wir gewollt oder ungewollt der Tendenz zu einer Einheitsversicherung zu, die nicht im Sinne der Regierungsparteien liegen kann.
      Die Stärkung der Selbstverantwortung ist ein ganz entscheidender Punkt der letzten Krankenversicherungs-Neuregelungsgesetze, die ja dann nicht zu Ende geführt werden konnten und deren Scheitern Herr Kollege Schellenberg heute morgen so sehr bedauert hat, obwohl seine Persönlichkeit sicherlich nicht am wenigsten dazu beigetragen hat, daß die Dinge nicht zu einem guten Ende geführt werden konnten. Diese Stärkung der Selbstverantwortung soll nach dem Entwurf durch einen 2 %igen Sonderbeitrag, der ganz oder teilweise zurückerstattet wird, sowie dadurch erreicht werden, daß der Patient endlich einmal sieht, was seine Kasse für ihn leistet, und er damit in ein ganz anderes Verhältnis zu dieser Solidargemeinschaft kommt, als das bisher in der Anonymität des gesammelten Beitragsabzuges der Fall ist.
      Im Sinne der Begründung des Gesetzentwurfs und der im letzten Bundestag dargelegten Vorstellungen hätten wir allerdings erwartet, daß auch der neue Entwurf dem gesellschaftlichen Strukturwandel, dem ja in der Lohnfortzahlung entsprochen werden soll, mehr Rechnung tragen würde. Dies würde sinnvollerweise dann aber doch einen Weg zum Kostenerstattungssystem beinhaltet haben. Wir kennen die Menge der Gründe, die gegen einen solchen Weg sprechen, halten ihn aber zumindest für die höheren Einkommensgruppen für sinnvoll und gangbar. Wir würden es deshalb begrüßen, wenn ein solcher Weg zumindest als Wahlalternative für die freiwillig Versicherten im Gesetz seinen Niederschlag finden könnte.
      Herr Kollege Blank hat bereits auf die verwaltungstechnischen Bedenken hingewiesen, die in aller Munde sind. Es wird gesagt, sie könnten entstehen durch die Einnahme des 2 %igen Sonderbeitrages, die Verrechnung auf ein Sonderkonto, die Anrechnung der Leistungen und die Rückzahlung. Aber ich möchte sagen, wir hoffen, daß sich der Optimismus des Herrn Arbeitsministers über die Praktikabilität bei der Anhörung der Sachverständigen im Ausschuß auf alle anwesenden Mitglieder ausbreiten möge. Der Gedanke der Rückerstattung ist gut, wenn er ohne Komplikationen durchgeführt werden kann. Hier, wie gesagt, hoffen wir noch, daß die Anhörung der Sachverständigen auch uns den Optimismus gibt, den der Herr Bundesarbeitsminister heute von dieser Stelle aus dem Parlament gezeigt hat.
      Bei der Diskussion über das Sozialpaket spielt immer auch der Krankenstand eine große Rolle. Ich bin der Meinung, daß hierzu doch einiges von unserer Seite gesagt werden muß. Selbstverständlich ist der Krankenstand in der Bundesrepublik hoch. Aber wir dürfen die Augen nicht vor der Tatsache verschließen, daß der Krankenstand nach Betrieben, Wirtschaftszweigen, Kassen und Regionen sehr unterschiedliche Größen aufweist. Lassen wir uns deshalb bei der Neuordnung nicht nur vom derzeitigen Krankenstand leiten. Wir sind mit Herrn



      Spitzmüller
      Arbeitsminister Blank der Meinung, daß die Verantwortungsbewußten vor den Verantwortungslosen geschützt werden sollen. Aber ich glaube, viele geben sich allzusehr der Hoffnung hin, daß die neue Form des vertrauensärztlichen Dienstes Wunder wirken kann und eine wesentliche Minderung der Krankenziffern zur Folge hätte. Wir sind der Meinung, daß eine genügende Aufklärung über Sinn und Zweck einer Solidargemeinschaft in einer Gemeinschaft freier Menschen nicht unterschätzt werden darf. Wir sind überzeugt, daß die Angestellten und manche Betriebs-, Innungs- und Ersatzkrankenkassen dafür bereits den Beweis erbracht haben, ohne daß man das Büttelwesen als ein Allheilmittel bezeichnen muß.
      Die aus dem Entwurf des Lohnfortzahlungsgesetzes zu erkennende Lösung bringt leider einige Verschlechterungen der Rechte der Angestellten. Leider wird dies nicht durch eine fühlbare Gegenleistung an anderer Stelle aufgewogen. Im Gegenteil, im Krankenversicherungs-Neuregelungsgesetz sehen wir Ansätze, die die besonderen Krankenversicherungseinrichtungen in ihrem Satzungsrecht einschränken. Eine solche Entwicklung des Satzungsrechtes stände nach unserer Meinung nicht im Einklang mit dem in diesem Hause viel zitierten Subsidiaritätsprinzip. Wir als Abgeordnete sollten deshalb nach Lösungen und Wegen suchen, eine solche Entwicklung zu vermeiden, ohne daß damit das Paket als Ganzes gefährdet wird.
      Desgleichen müssen wir erwähnen, daß die vorgeschlagene Form eines Sonderbeitrages für Rentner einer besonderen Prüfung im Ausschuß unterzogen werden muß. Es erscheint uns zweifelhaft, ob diese Bestimmungen in ihren Auswirkungen bis zu Ende durchdacht sind. Wir sollten uns hierüber wirklich noch einmal unterhalten und verständigen.
      Die Vorsorgeuntersuchung, die ein wesentliches Kernstück der Krankenversicherungs-Neuregelung ist, ist ein wesentliches und entscheidendes Merkmal fortschrittlicher Sozial- und Gesundheitspolitik. Sie müßte aber nach unserer Meinung überwiegend in die Entscheidung der Selbstverwaltung gelegt werden. Nur die Einzelkasse kann nämlich entscheiden, was für ihren Versichertenkreis, die Struktur ihrer Mitglieder und nach regionalen Gesichtspunkten besonders zweckmäßig und notwendig ist. Eine Kostenbeteiligung bei solchen Vorsorgeuntersuchungen halten wir nicht für sinnvoll. Sinn der Vorsorge ist es doch, den Versicherten bei seinem Willen zur Gesundheit zu unterstützen, Krankheiten früh zu erkennen oder rechtzeitig abzuwehren.
      Herr Kollege Schellenberg hat auch zu der Neuregelung des Kindergeldrechtes einige grundsätzliche Ausführungen gemacht und daran einige Bemerkungen des Bedauerns geknüpft und gemeint, daß dieses und jenes noch besser und anders gestaltet werden könne. Meine sehr verehrten Damen und Herren, wenn wir alle hier unsere Sorgen und Wünsche anmelden wollten, die wir bei den einzelnen Gesetzen haben, würde die vorgesehene Diskussionszeit wohl nicht ausreichen. Ich darf zu dieser Frage also nur sagen, daß hier endlich einmal die Vereinheitlichung kommt, die wir angestrebt haben, und daß durch die Übernahme auf die Staatskasse eine grundsätzliche Änderung in der Aufbringung der Mittel stattfindet. Das ist ein Ziel gewesen, das wir seit langem angestrebt haben.
      Grundsätzlich darf ich aber feststellen, daß nach unserer Ansicht die Verantwortlichkeit für Kinder und Kinderzahl ausschließlich bei der Familie liegt und dort auch bleiben muß. Allerdings muß von seiten der Gesellschaft ein Interesse daran bestehen, daß der Familie der ihr gemäße Raum in der Gesellschaft bleibt. Meine Fraktion bekennt sich zum Familienlastenausgleich in dem vorgelegten Rahmen. Wir sind gern bereit, wenn es die finanzielle Situation erlaubt, über Verbesserungen und Ausgestaltungen zu sprechen und mit uns reden zu lassen. Wir glauben, daß mit diesem Entwurf eines Bundeskindergeldgesetzes ein Schritt weiter im Sinne unserer seit Jahren vorgetragenen Auffassungen erfolgt.
      Nach den sehr umfassenden Ausführungen meiner Kollegen von CDU und SPD habe ich versucht, einige wesentliche Positionslichter zu setzen. Aber ich muß der Ehrlichkeit halber sagen, ich wäre, wenn ich mich über das Sozialpaket so eingehend wie die anderen Kollegen, also in über einstündigen Ausführungen, hätte auslassen wollen, in die Situation geraten, in der mein Kollege Stingl vor drei Jahren gewesen ist, d. h. ich hätte die Worte „prüfen, miteinander reden, erwägen und „untersuchen genauso häufig in den Mund nehmen müssen, wie das dem Kollegen Stingl vor drei Jahren passiert ist.
      Ich möchte damit zum Ausdruck bringen, daß wir der Gesamtkonzeption durchaus freundlich, aufgeschlossen und bejahend gegenüberstehen, daß aber auch bei uns eine ganze Reihe von Fragen noch nicht so ausdiskutiert und geklärt sind, daß wir uns nun mit der Vehemenz, wie Kollege Stingl das heute morgen in erstaunlicher Frische getan hat, in allen Details hinter den vorgelegten Entwurf stellen könnten.

      (hart um die beste und praktikabelste Lösung ,gerungen werden muß. Unterschiedliche Auffassungen sind selbst in Fraktionen unvermeidbar; nur dringen sie da meist nicht nach außen. Um so mehr liegt es aber in der Natur der Sache, daß auch Koalitionspartner über bestimmte Lösungen unterschiedliche Auffassungen haben und gelegentlich 'genötigt sind, diese Auffassungen auch in der Öffentlichkeit darzulegen. Entscheidend aber dürfte wohl die Tatsache sein, daß durch die Gesetzesvorlagen der Bundesregierung die Diskussionsbasis für eine vernünftige Behandlung und Beratung der zusammengehörigen Gesetze gegeben ist und daß wir uns mit unserem Koalitionsparner in der Grundsatzbetrachtung Spitzmüller Diese drei Gesetze bilden eine Einheit einig wissen. Darüber hinaus besteht der gemeinsame Wille, die Gesetze mit der erforderlichen Gründlichkeit, aber ohne Verzögerung zu beraten, so daß ein baldiges Inkrafttreten gewährleistet ist. Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. !Franz. Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es war für mich eines der aufschlußreichsten Ergebnisse der Diskussion des heutigen Vormittags und auch der Ausführungen, die unser hochgeschätzter Kollege Spitzmüller soeben hier gemacht hat, daß kein einziger Redner die Notwendigkeit einer umfassenden Reform der sozialen Krankenversicherung bestritten hat. Es ist heute ja schon viel von den Gründen für die steigende Morbiditätskurve gesprochen worden, die sich nicht nur in der deutschen sozialen Krankenversicherung, sondern auch in der privaten Krankenversicherung, und war des Inlandes und des Auslandes, seit einigen Jahren abzuzeichnen beginnt. Es 'war auch 'die Rede von den großen wirtschaftlichen, sozialen und gesellschaftspolitischen Verschiebungen, die ihrerseits Anlaß für diese Reformdiskussion und auch für die eindeutige Überstrapazierung des Solidaritätsprinzips gegeben haben, das neben der Subsidiarität eine der tragenden Säulen unserer sozialpolitischen Konzeption darstellt. Es gibt keinen Zweifel, daß der Mensch in unseren Tagen in der Lage ist, seiner Gesundheit mehr Aufmerksamkeit zuschenken als in früheren Jahren. Die Erkenntnisse der modernen Medizin haben diese Tendenz noch gefördert, ebenso wie die breite öffentliche Erörterung dieser medizinischen Fortschritte. Es gibt auch keinen Zweifel, daß sich die Bedingungen unserer Umwelt und die Bedingungen der Arbeitswelt im Laufe der letzten Jahrzehnte erheblich geändert haben. Ich darf dankbar feststellen, daß seit jener Diskussion vor drei Jahren — ich glaube, es war der 18. Februar 'des Jahres 1960 — auf diesem Gebiete eine Reihe hochinteressanter und aufschlußreicher wissenschaftlicher Arbeiten erschienen sind. Es ist beinahe ein Gemeinplatz, wenn man sagt, daß sich die soziale Krankenversicherung in Deutschland in den acht Jahrzehnten ihres Bestehens außerordentlich bewährt hat. Diesem Respekt vor dem Gewachsenen und Bewährten entspricht auch die behutsame Art, mit der das Arbeitsministerium trotz ,der gravierenden Einführung einer Selbstbeteiligung die Reform angefaßt hat. Man hätte sich unter dem anspruchsvollen Wort Reform der sozialen Krankenversicherung durchaus auch die eine oder andere drastischere Maßnahme vorstellen können, beispielsweise eine Teilung ides Versichertenkreises nach dem wirtschaftlichen Einkommen oder aber die Herausnähme jener 40 bis 60% Bagatellfälle, die heute den Geschäftsumfang ,der sozialen Krankenversicherung weitgehend ausmachen. Es entspricht der außerordentlich harten parteipolitischen und sozialpolitischen ,Auseinandersetzung um .diese Reform der sozialen Krankenversicherung, daß die eindeutigen Verbesserungen der Vorlage da und dort zu kurz gekommen sind. Der Herr Bundesarbeitsminister 'hat sich der Mühe unterzogen, vor allem im zweiten Teil seiner Ausführungen, diese Verbesserungen eindeutig herauszustellen. Auch Herr Professor Schellenberg hat gesagt, da wir in jenem Gesetz vom 12. Juli des Jahres 1961 einen beträchtlichen Teil .dieser Verbesserungen der sozialen Krankenversicherung, nämlich die Lohnfortzahlung zu 100% netto sowie die Beseitigung der Aussteuerung und die Verbesserung des Krankengeldes nach den ersten sechs Wochen der Krankheit, vorweggenommen haben. Das war ein sehr kräftiger Vorschuß auf diese Verbesserungen, die eigentlich in diese Vorlage hineingehört hätten. Im Zentrum .der Kritik stand auch am 'heutigen Vormittag 'die Selbstbeteiligung. Da und dort 'hat man bereits versucht, so etwas wie einen organisierten Volkszorn gegen diese Maßnahmen auf die Beine zu 'bringen. Wenn ich in meinen Ausführungen ein einziges Mal das Wort prüfen gebrauchen darf, dann darf ich dazu sagen, daß wir von unserer Fraktion aus im Ausschuß die einzelnen Maßnahmen der Selbstbeteiligung ihrer absoluten Höhe nach 'und auch in ihrer kumulierten Wirkung einer genauen Überprüfung unterziehen werden. Sehr ausführlich hat sich der Herr Bundesminister mit dem Sonderbeitrag beschäftigt. Der Sonderbeitrag ist im Rahmen der sozialen Krankenversicherung etwas Neues; er ist genauso neu wie der Gedanke der Beitragsrückgewähr, der sich ja in weiten Bereichen des Versicherungswesens überhaupt bis jetzt schon gut bewährt hat. Ich gestehe ehrlich, daß ich persönlich den Mut gehabt hätte, die Beitragsrückgewähr in den allgemeinen Beitrag hineinzukonstruieren, also nicht diese 2% extra zu schaffen, die uns — wie auch der Kollege Spitzmüller gesagt hat — da und dort gewisse Schwierigkeiten mit den Angestellten bringen. Auf der anderen Seite sehe ich ein, daß das Ergebnis dieser klar herausgestellten 2% nämlich die genaue Kalkulierbarkeit und die genaue Überschaubarkeit dieser Maßnahme der Selbstbeteiligung, natürlich ein wertvoller Fortschritt ist. Man kann mit ziemlicher Leichtigkeit die Gemüter gegen diese Neueinführung einer Selbstbeteiligung in der sozalen Krankenversicherung in Wallung bringen. Wer das aber versucht, der scheint mir von der Fiktion auszugehen, daß es bisher in der sozialen Krankenversicherung etwas umsonst gegeben hätte. Das hat es bisher nicht gegeben und das kann es auch in Zukunft nicht geben. Und wenn ich in der Diskussion der letzten Legislaturperiode um die Selbstbeteiligung ein wirklich entmutigendes ArguDr. Franz ment gehört habe, dann war es die Forderung, die uns vor allem von gewerkschaftlicher Seite da und dort gestellt worden ist, vor der Einführung einer Selbstbeteiligung lieber den Beitrag linear um 1 oder 2 % zu erhöhen; denn man sehe ein, daß die Mehrleistungen von irgendeiner Seite her finanziert werden müßten. Diese Forderung nach einer linearen Beitragserhöhung, wie sie damals erhoben worden ist, kommt mir vor wie der Schritt eines Mannes, der bereit ist, aus Angst vor dem Tode Selbstmord zu begehen, der sagt: Bevor ich im Krankheitsfalle eventuell etwas bezahlen muß, zahle ich lieber Monat für Monat regulär höhere Beiträge. Nun, es ist eine alte psychologische Erkenntnis, die von manchen Politikern und leider auch von manchen Demagogen sehr geschickt ausgenützt wird, daß es unendlich leichter ist, ein paar Mark aus der Lohntüte des Mannes zu bekommen, bevor er sie in Empfang genommen hat, als sie hinterher aus seinem Portemonnaie herauszukriegen. Dieser Versuchung, dieser Kurzsichtigkeit möchten wir gerne mit unserer neuen Konzeption entgegentreten. Wir gestehen ein, daß wir bis zu dieser Stunde wegen der Selbstbeteiligung in der sozialen Krankenversicherung sehr stark in die politische Defensive gedrängt worden sind; das geben wir ehrlich zu. Diese Defensivstellung hat aber ihren Grund ,)





      (Beifall bei den .Regierungsparteien.)


    Rede von Dr. Eugen Gerstenmaier
    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
    • insert_commentNächste Rede als Kontext
      Rede von Dr. Ludwig Franz


      • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
      • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)


      (Sehr gut! in der Mitte.)


      (Zurufe von der SPD: Gut! Schön!)


      (Zustimmung in der Mitte.)





      (Beifall bei der CDU/CSU)


      (Zustimmung bei der CDU/CSU.)


      (Sehr richtig! bei der CDU/CSU.)

      Damit habe ich den Solidaritätsgedanken als solchen zur Debatte gestellt. Ich behaupte, daß das Solidaritätsprinzip eindeutig überstrapaziert ist. War es nicht bis vor ganz kurzer Zeit so, daß da und dort in illustrierten Zeitschriften spektakuläre Artikelserien erschienen, daß diese Zeitschriften bereit sein mußten, Gelder für die eine oder andere kostspielige Operation zu sammeln, während auf der anderen Seite die minimalsten Leistungen Gegenstand dieser Solidarhaftung der sozialen Krankenversicherung waren?
      In diesem Zusammenhang ein kritisches Wort zur Versicherungspflichtgrenze. Ich bin durchaus der Meinung namhafter Fachleute, daß der Begriff der sozialen Schutzbedürftigkeit im Augenblick nicht mehr brauchbar ist zu einer sachlichen Diskussion um die Zweckmäßigkeit der Höhe der Versicherungspflichtgrenze. „Schutzbedürftigkeit" ist also kein geeigneter Begriff mehr. Auch auf dem Weg über das Lohnniveau oder das Preisniveau kommen wir nicht an die richtige Größenordnung heran. Es kann gar keinen Zweifel geben, daß die Versicherungspflichtgrenze, so wie sie heute steht und wie l sie sich im Laufe der letzten zehn Jahre entwickelt hat, eine gegriffene Größe ist. Wenn, wie von sehr namhafter Seite vorgeschlagen worden ist, die Arbeitgeber- unid Arbeitnehmeranteile künftig vom Arbeitnehmer allein getragen würden — weil wir uns alle darüber einig sind, daß auch der Arbeitgeberanteil an die Sozialversicherung ein echter Lohnbestandteil ist —, idann würde diese Diskussion — sehen wir einmal ab von den Konsequenzen in den Selbstverwaltungen — über Nacht völlig ihre Schärfe verlieren.
      Ich gebe dem Herrn Bundesarbeitsminister recht, daß die Staffelung der Versicherungspflichtgrenze nach dem Familienstand des Versicherten ein mehr als zweischneidiges Schwert ist.

      (Abg. Stingl: Das kann man wohl sagen!)

      Es gibt im internationalen Rahmen keine einzige wirklich gravierende Meinungsäußerung, die uns darin bestärken würde, daß wir nicht eines Tages wirklich erhebliche Einbrüche auf konjunkturellem Gebiet zu befürchten hätten. Auf gut deutsch gesagt: die Geißel ,der Arbeitslosigkeit ist auch in unseren Tagen nicht vom arbeitenden Menschen genommen worden. Es soll keine Kritik sein, wenn ich sage, daß ich bezweifle, ob wir seit den Tagen jener großen Weltwirtschaftskrise der dreißiger Jahre, die so unübersehbare politische Folgen gehabt hat, konjunkturpolitisch so sehr viel dazugelernt haben. Es ist unser Schicksal, daß wir mit dem Instrumentarium von gestern auf dem Gebiet der Wirtschafts- und Konjunkturpolitik gezwungen sind, neue Erscheinungen, die uns heute und morgen begegnen, zu meistern. Deshalb bitte ich gerade unsere Familienpolitiker um Verständnis für dieses Argument; denn sie sind die letzten, die es wünschen könnten, daß eines Tages gerade der kinderreiche Familienvater einem wirtschaftlichen Rückschlag auf dem Arbeitsmarkte am ehesten zum Opfer fällt.

      (Beifall in der Mitte.)

      Heute ist da und dort im Zusammenhang mit der Selbstbeteiligung wieder das Wort vom Mißtrauen gesprochen worden. Ich behaupte, das größte Mißtrauen in die Moral der Versicherten der sozialen Krankenversicherung hat derjenige, der für alle Beschäftigten die totale Versicherungspflicht fordert.

      (Zustimmung in der Mitte.)

      Versicherungspflicht wird nach unserer Erfahrung dort gesetzt, wo beträchtliche Zweifel in ,den Willen und in die Fähigkeit des arbeitenden Menschen, selbstverantwortlich tätig zu sein, am Platze sind.

      (Erneuter Beifall in der Mitte.)

      Wir haben alle darauf hingewiesen, daß diese Reform notwendig geworden ist, u. a. deshalb, weil es durch die wirtschaftliche Entwicklung dem Arbeiter möglich war, den Abstand zum Angestellten, der vor Jahrzehnten noch sehr 'spürbar war, aufzuholen. Dort, wo dieser Abstand aufgeholt werden konnte, müssen wir dieses Aufholen begrüßen und sollten diese Angleichung nicht, wie Herr Minister Blank schon gesagt hat, als Nivellierung beklagen. Die soziale Krankenversicherung ist auch keinesfalls



      Dr. Franz
      ein Mittel zur Zementierung von Vorteilen, die die eine oder andere Institution durch die Umstände in der Vergangenheit gehabt hat.

      (Sehr í gut! in der Mitte.)

      Wir glauben, daß beispielsweise die Ersatzkassen auch künftig noch eine echte Wettbewerbschance haben, und angesichts des wertvollen Beitrages, den sie in der Vergangenheit zur sozialen Sicherung ihrer Mitglieder geleistet haben, wollen wir diese günstige Ausgangslage auch behalten wissen.
      Ein Wort zu den Ärzten! Ich gestehe, daß ich ihnen gegenüber manchmal ein schlechtes Gewissen habe. Wir haben nämlich in der Vergangenheit im Laufe des ungestümen Wachstums der sozialen Krankenversicherung ihren Kundenkreis sozialisiert; darüber gibt es gar keinen Zweifel. 85 % unserer Bevölkerung gehören heute dem Kundenkreis der sozialen Krankenversicherung an.

      (Abg. Killat: Die Ärzte sind dabei aber nicht schlecht gefahren!)

      — Sie haben recht, Herr Killat. Wir sind alle miteinander gelegentlich gerne bereit, einmal das ärztliche Ethos zu strapazieren; wir sind aber auch gerne gelegentlich bereit, einmal zu vergessen, daß es auch ein Beruf ist, der seinen Mann standesgemäß ernähren muß.

      (Beifall in der Mitte.)

      Zur Frage des Kassenarztrechts möchte ich noch eine einzige Bemerkung machen und gleich vorausschicken, daß die Konzeption des Entwurfs dem Verdacht, den ich jetzt antippe, keine Nahrung gibt, dem Verdacht nämlich, daß unter Umständen die Einzelleistungsbezahlung, die .so lange und heftig umkämpft worden ist, in eine Art statistische Fallpauschale umgewandelt werden könnte. Diesen Weg möchten wir auf alle Fälle vermieden sehen.

      (Sehr gut! bei ,der CDU/CSU.)

      Es ist auch behauptet worden, daß im Rahmen dieser Reform die Selbstverwaltung eingeschränkt werden soll. Es ist ganz klar, daß, wenn im Rahmen der Verbesserungen der Reform eine Reihe von Kann- und Ermessensleistungen zu Pflichtleistungen gemacht werden, wenigstens insoweit die Zuständigkeit der Selbstverwaltung eingeschränkt wird. Wir dürfen aber nicht vergessen, daß künftig auch im Rahmen der Krankenhilfe ,der Leistungsumfang weiterhin in vielen Fällen von ,der Selbstverwaltung gestaltet werden wird — Beispiele: Zahnersatz, Hilfsmittel, Übernahme der Kasten für Krankenpflege- und Hauspflegepersonen, Familienhilfe für sonstige Angehörige, Haushaltshilfe —; auch das beträchtlich erhöhte Sterbegeld fällt weiterhin in die Zuständigkeit der Selbstverwaltung. Die gemeinsame Selbstverwaltung der Krankenkassen und Ärzte hinsichtlich der näheren Gestaltung der kassenärztlichen Versorgung und der ärztlichen Gebühren bleibt nicht nur bestehen, sondern wird noch ausgeweitet. Die immerwährende Aufgabe der Selbstverwaltung in der sozialen Krankenversicherung wird auch künftig sein, das Prinzip der Selbstverwaltung zu einem tätigen Leben zu erwecken und damit seine Daseinsberechtigung zu beweisen.
      Es ist eine alte Erfahrungstatsache, daß man das Wesen einer Sache am besten begreift, wenn man sich ihr Werden einmal ansieht. Bei der Vorbereitung auf diese Debatte ist mir eine alte, vergilbte, etwas abgegriffene Broschüre aus der Gründerzeit der sozialen Krankenversicherung in die Hände gefallen. Ich glaubte, dieser Broschüre sehr interessante Aufschlüsse über die Motive des damaligen Gesetzgebers entnehmen zu können. Sie können sich aber meine Enttäuschung nicht vorstellen: es war eine häßliche Auseinandersetzung zwischen der Zentrumspartei und der Sozialdemokratischen Partei über ,die Besetzung der Posten in diesem neuen Zweig der institutionalisierten Sozialpolitik.

      (Heiterkeit und Zustimmung in der Mitte.)

      Ich möchte ja nicht behaupten, daß in der erbitterten Auseinandersetzung um Individualisierung dieses Versicherungszweigs dieses Argument auch heute noch eine Rolle spielen könnte.

      (Heiterkeit in der Mitte.)

      Ich bedauere sehr, daß in der letzten Legislaturperiode der erste Ansatz zu einer Reform nicht geglückt ist. Er ist, glaube ich, in erster Linie deshalb nicht geglückt, weil die Zeit von zwei Jahren für eine sachgerechte Diskussion eines so umfassenden Problems wohl zu kurz gewesen ist. Er ist vielleicht auch deshalb nicht geglückt, weil der Referentenentwurf damals allzu früh in die Mühle der parteipolitischen Auseinandersetzungen geraten ist.

      (Sehr richtig! in der Mitte.)

      Hoffen wir, daß dieser Vorlage ein besseres Schicksal beschieden ist. Was wir brauchen, ist Sachkenntnis und Sachlichkeit. Alle sind zur Mitarbeit aufgerufen, denen das Schicksal der sozialen Krankenversicherung in Deutschland am Herzen liegt.

      (Beifall bei den Regierungsparteien.)