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  • tocInhaltsverzeichnis
    Deutscher Bundestag 55. Sitzung Bonn, den 23. Januar 1963 Inhalt: Nachruf auf den Abg. Döring . . . . . 2403 A Zur Tagesordnung: Behrendt (SPD) . . . . . . . . 2403 C Rasner (CDU/CSU) . . . . . . . 2403 D Glückwünsche zum Geburtstag des Abg. Dr. Dr. h. c. Baade . . . . . . . . 2417 B Fragestunde (Drucksache IV/ 912) Frage des Abg. Blumenfeld: Handel mit Indonesien Dr. Westrick, Staatssekretär . . 2404 C, D Blumenfeld (CDU/CSU) . . . . . 2404 D Frage des Abg. Ertl: Bauvorhaben in Außenbereichen Dr. Ernst, Staatssekretär . 2405 A, B, C, D, 2406 A, B, C, D Ertl (FDP) 2405 B Unertl (CDU/CSU) . . . 2405 C, 2406 C Fritsch (SPD) 2405 D, 2406 A Dr. Imle (FDP) 2406 A, B Frau Dr. Kiep-Altenloh (FDP) . 2406 C, D Frage des Abg. Dr. Aigner: Entwicklungshilfe für Ceylon Scheel, Bundesminister . . . 2407 A, C, D, 2408 A Dr. Aigner (CDU/CSU) 2407 C Sänger (SPD) 2407 D, 2408 A Frage des Abg. Ertl: Geflügelfleisch aus USA Frau Dr. Schwarzhaupt, Bundesminister 2408 A, B, C Ertl (FDP) . . . . . . . . 2408 B, C Fragen des Abg. Höhmann (Hessisch Lichtenau) : Fahrpreisermäßigungen für Kriegsversehrte und -hinterbliebene Höcherl, Bundesminister 2408 D, 2409 A, B Hähmann (Hessisch Lichtenau) (SPD) 2409 A, B Frage des Abg. Höhmann (Hessisch Lichtenau) : Sonstige Vergünstigungen für Kriegsbeschädigte und -hinterbliebene Höcherl, Bundesminister . . . . 2409 B, C Höhmann (Hessisch Lichtenau) (SPD) 2409 C Frage des Abg. Dr. Kliesing (Honnef) : Zahlung des Kinderzuschlages über das 25. Lebensjahr hinaus Höcherl, Bundesminister 2409 D Dr. Kliesing (Honnef) (CDU/CSU) 2409 D Fragen des Abg. Porten: Versorgung der deutschen Mühlen mit Roggengetreide Schwarz, Bundesminister 2410 A, B, C, D, 2411 A, B, C Porten (CDU/CSU) . . . 2410 B, C Ritzel (SPD) . . . . . . . . 2410C, D Frehsee (SPD) . . . . . . . 2411 A, B Ertl (FDP) 2411 B II Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 55. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 23. Januar 1963 Fragen des Abg. Tobaben: Auslegung des Gesetzes zur Förderung der deutschen Eier- und Geflügelwirtschaft Schwarz, Bundesminister . . . . 2411 C, D Tobaben (CDU/CSU) 2411 B Frage des Abg. Ritzel: Behandlung sogenannter Kettenhunde Schwarz, Bundesminister . 2412 A, B, C, D, 2413 A, B Ritzel (SPD) . . . . . . . . . 2412 B Büttner (SPD) 2412 C, D Dr. Dr. h. c. Dresbach (CDU/CSU) . 2412 D, 2413 A Vizepräsident Schoettle . 2412 D, 2413 A Schwabe (SPD) 2413 A, B Frage des Abg. Dr. Imle: Förderung der vertikalen Verbundwirtschaft Schwarz, Bundesminister . . . . 2413 C, D Dr. Imle (FDP) 2413 C Frage des Abg. Dröscher: Anrechnung von Einkünften bei der Elternrente Blank, Bundesminister . 2413 D, 2414 A Dröscher (SPD) 2414 A Frage des Abg. Riegel (Göppingen) : Erforschung der Probleme des Phantom-Schmerzes Blank, Bundesminister . . . . 2414 B, C Riegel (Göppingen) (SPD) . . . 2414 B, C Frage des Abg. Riegel (Göppingen) : Forschung auf dem Gebiet der Orthopädie-Technik Blank, Bundesminister 2414 C, D, 2415 A, B Riegel (Göppingen) (SPD) 2414 D, 2415 A Bazille (SPD) 2415 A Höhmann (Hessisch Lichtenau) (SPD) 2415 B Vizepräsident Schoettle 2415 B Frage des Abg. Dr. Mommer: Fahrpreiserhöhung auf der Bundesbahn zwischen Bietigheim und Kornwestheim 2415 C Fragen ides Abg. Felder: Sicherheitsgurte in Kraftfahrzeugen Dr. Seiermann, Staatssekretär . . 2415 D, 2416 A, B Felder (SPD) 2416 A Frage des Abg. Dröscher: Anschlußbahnhof an der Rheinstrecke für Reisende aus dem Saar-Nahe-Hunsrück-Raum Dr. Seiermann, Staatssekretär . 2416 B, C, D Dröscher (SPD) 2416 C, D Frage des Abg. Dröscher: Flugsicherung auf militärischen Flugplätzen Dr. .Seiermann, Staatssekretär . . . 2416 D, 2417 A Dröscher (SPD) . . . . . . . . 2417 A Sammelübersicht 13 des Petitionsausschusses über Anträge zu Petitionen (Drucksache IV/ 889) . . . . . . . . . . 2417 B Antrag des Bundesministers der Finanzen betr. Entlastung der Bundesregierung wegen der Bundeshaushaltsrechnung für das Rechnungsjahr 1959 (Drucksache IV/ 854) 2417 C Entwurf eines Gesetzes zur Neuregelung des Rechts der gesetzlichen Krankenversicherung (Krankenversicherungs-Neuregelungsgesetz) (Drucksache IV/ 816) — Erste Beratung —; in Verbindung mit dem Entwurf eines Gesetzes über die Fortzahlung des Arbeitsentgelts im Krankheitsfalle (Lohnfortzahlungsgesetz) (Drucksache IV/ 817) — Erste Beratung —; und dem Entwurf eines Bundeskindergeldgesetzes (Drucksache IV/ 818) — Erste Beratung — Blank, Bundesminister . 2417 D, 2447 A Stingl (CDU/CSU) 2428 D, 2465 D, 2466 B, 2467 D, 2468 A Dr. Schellenberg (SPD) 2436 B, 2466 A, C 2467 A Spitzmüller (FDP) 2448 D Dr. Franz (CDU/CSU) . . . . . 2453 A Rohde (SPD) . . . . . . . . 2455 D Ruf (CDU/CSU) . . . . . . . 2461 A Dr. Mommer (SPD) 2467 B Dürr (FDP) 2468 B Memmel (CDU/CSU) . . 2468 D, 2469 A Nächste Sitzung 2469 D Anlagen 2471 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 55. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 23. Januar 1963 2403 55. Sitzung Bonn, den 23. Januar 1963 Stenographischer Bericht Beginn: 9.00 Uhr
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    Berichtigung Es ist zu lesen: 54. Sitzung Seite 2353 D Zeile 5 statt „multilateralem": bilateralem. Anlage 1 Liste der beurlaubten Abgeordneten Abgeordnete (r) beurlaubt bis einschließlich a) Beurlaubungen Arendt (Wattenscheid) 25. 1. Dr. Arndt (Berlin) 24. 1. Dr. Atzenroth 25. 1. Dr. Dr. h. c. Baade 25. 1. Bading 5. 2. Fürst von Bismarck 25. 1. Dr. Dörinkel 25. 1. Eisenmann 24. 1. Etzel 26. 1. Even (Köln) 23. 1. Figgen 23. 2. Dr. Dr. h. c. Friedensburg 23. 1. Funk (Neuces am Sand) 16. 2. Gewandt 31. 1. Freiherr zu Guttenberg 23. 1. Haage (München) 25. 1. Harnischfeger 25. 1. Hauffe 28. 2. Hellenbrock 26. 1. Holkenbrink 26. 1. Dr. Hoven 25. 1. Kalbitzer 25. 1. Frau Kipp-Kaule 25. 1. Klinker 25. 1. Knobloch 23. 1. Koenen (Lippstadt) 25.1. Dr. Kohut 25. 1. Kriedemann * 25. 1. Lemmer 26. 1. Lenz (Bremerhaven) 25. 1. Lücker (München) 25. 1. Maier (Mannheim) 23. 1. Matthöfer 23. 1. Mattick 25. 1. Frau Dr. Maxsein 25. 1. Dr. h. c. Menne (Frankfurt) 23. 1. Dr. Menzel 25. 1. Metzger * 23. 1. Michels 23. 1. Dr. Miessner 31. 1. Missbach 25. 1. Müller (Berlin) 28.2. Müller (Remscheid) 25. 1. Müller-Hermann 31. 1. Neubauer 17. 2. Neumann (Berlin) 25. 1. Dr.-Ing. Philipp 25. 1. Rademacher 31. 1. Dr. Rutschke 31. 1. Sander 25. 1. Schneider (Hamburg) 31. 1. Schütz (Hamburg) 25. 1. Storch * 23. 1. Frau Strobel * 25. 1. Urban 25. 1. Dr. Wahl 28. 2. Anlagen zum Stenographischen Bericht Abgeordnete (r) beurlaubt bis einschließlich Wischnewski * 23. 1. Dr. Zimmer 26. 1. Zühlke 24. 1. b) Urlaubsanträge Dr. Dr. h. c. Dresbach 28. 2. Katzer 31. 1. Kühn (Köln) 2. 2. Dr. von Merkatz 4. 2. Dr. Stammberger 3. 2. * Für die Teilnahme an Ausschußsitzungen des Europäischen Parlaments Anlage 2 Schriftliche Ausführungen des Abgeordneten Schulhoff zu dem von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf eines Gesetzes über die Fortzahlung des Arbeitsentgelts im Krankheitsfalle (Lohnfortzahlungsgesetz) (Drucksache IV/ 817). Bei den Diskussionen über die Lohnfortzahlung an erkrankte Arbeiter wird schon seit geraumer Zeit nur noch über die Methoden diskutiert, nach der die Zahlung erfolgen soll. Ich bin der Auffassung, daß es nötig ist, den entscheidenden Punkt noch einmal deutlich in Erinnerung zu rufen: Die Arbeitgeber der Bundesrepublik haben sich grundsätzlich bereit erklärt, die mit einer Lohnfortzahlung an Arbeiter verbundenen Belastungen zu tragen. Niemand wird annehmen, daß diese Bereitschaft der Arbeitgeber selbstverständlich ist. Im Gegenteil, ich glaube, darin liegt ein so großes Maß von Vernunft und Verständnis, daß es nur gerecht wäre, wenn den Vorstellungen der Arbeitgeber über die formelle Abwicklung der Lohnfortzahlung entscheidendes Gehör geschenkt würde. Wenigstens ist es sonst im allgemeinen üblich, demjenigen, der von sich aus eine Geldleistung anbietet, den praktischen Weg der Aufbringung und Auszahlung dieser Geldleistung selbst zu überlassen, wenn die von ihm vorgeschlagene Methode zu dem gleichen materiellen Ergebnis führt. Das Handwerk ist ein Freund des gesunden sozialen Fortschritts. Auch die Handwerksbetriebe sind deshalb interessiert, den bei ihnen tätigen rund 3 Millionen Gesellen und Fachkräften angemessene Lohn- und Arbeitsbedingungen zu bieten. Das haben die im Rahmen der Tarifautonomie abgeschlossenen Tarifverträge der letzten Jahre bewiesen. Die jährliche Gesamtlohnsumme des Handwerks ist Ende 1962 auf annähernd 19 Milliarden DM gestiegen. Das Handwerk hat sich der Diskussion über die gesetzliche Regelung der Lohnfortzahlung nicht verschlossen. Es hat allerdings seine positive Mitarbeit in dieser Frage von zwei entscheidenden Voraus- 2472 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 55. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 23. Januar 1963 setzungen abhängig gemacht: erstens von der Normalisierung der überhöhten Krankenstände der deutschen Wirtschaft im Rahmen einer wirksamen Reform der Krankenversicherung, die wir gemeinsam anstreben, zweitens von der Aufbringung der Leistungen an die erkrankten Arbeiter durch die in den Krankenkassen zusammengeschlossenen Solidargemeinschaften der Betriebe, also von der Begrenzung der Beanspruchung der Betriebe auf einen regelmäßigen festen Umlagebeitrag. Die Regierungsvorlage überträgt im Rahmen einer arbeitsrechtlichen Konstruktion die Verantwortung und die Hauptlast der Lohnfortzahlung unmittelbar auf die Betriebe. Damit wird die Handwerkswirtschaft überfordert. Die Handwerksarbeit ist in hohem Grade lohnintensiv. Das Handwerk umfaßt zum größten Teil kleinere und mittlere Betriebe. Von seinen rund 3 Millionen Fachkräften waren 1956 in 320 000 Betrieben mit 2 bis 4 Fachkräften ca. 600 000, in 130 000 Betrieben mit 5 bis 10 Fachkräften ca. 700 000 und in 50 000 Betrieben mit 10 bis 25 Fachkräften ca. 650 000 Arbeitnehmer beschäftigt. Gerade in Betrieben dieser Größenordnungen, die mit Fertigungsaufgaben, Reparaturarbeiten oder Dienstleistungen beschäftigt sind, bedeuten Erkrankungen von Arbeitskräften erhebliche Störungen im Produktions- und Arbeitsablauf und Verluste an Umsätzen und Ertrag. Die Lohnfortzahlung während der Krankheitszeiten bis zur Dauer von 6 Wochen kann im Einzelfall die finanzielle Liquidität oder Ertragslage des Betriebes gefährden. Nach Erhebungen in einzelnen Fachbereichen des Handwerks auf der Grundlage der betrieblichen Erkrankungen im ersten Halbjahr 1962 würde die finanzielle Gesamtbeanspruchung der Betriebe bei der Einführung der gesetzlichen arbeitsrechtlichen Lohnfortzahlung nach den Vorschlägen des Regierungsentwurfes etwa 4 bis 5 % der Lohnsumme, bei Betrieben mit besonders hoher Fluktuation — z. B. Baugewerbe — 7 % und mehr der Lohnsumme betragen. Dazu tritt die schwierige verwaltungsmäßige Aufgabe, den Lohnfortzahlungsanspruch nach seinen rechtlichen Voraussetzungen zu prüfen und seine Höhe nach den gesetzlichen Anforderungen zu berechnen. Damit sind zwangsläufig Auseinandersetzungen in den Betrieben, eventuell auch vor den Gerichten verbunden. Der in der Regierungsvorlage vorgesehene Kostenausgleich über die Krankenkassen ist völlig unzureichend. Der Betrieb muß alle Lohnfortzahlungsbeträge vorlegen. Die hoch dotierten qualifizierten Fachkräfte, deren Lohneinkommen über 750 DM monatlich beträgt, sind — nach der vorgesehenen Regelung in dem Entwurf des Krankenversicherungs-Neuregelungsgesetzes — in den Kostenausgleich nicht einbezogen. Im Hinblick auf die weitergehende Lohnentwicklung muß nach vorsichtigen Schätzungen damit gerechnet werden, daß mindestens ein Drittel der handwerklichen Fachkräfte von dem Kostenausgleich ausgeschlossen ist. Im übrigen ist die Rückerstattung der Lohnfortzahlung von der Anerkennung der betrieblichen Zahlungen durch die Krankenkasse abhängig. Auch hiermit sind für die beteiligten Betriebe erhebliche rechtliche Schwierigkeiten und finanzielle Risiken verbunden. Der Regierungsentwurf enthält somit besonders aus der Sicht der lohnintensiven mittelständischen Wirtschaft schwerwiegende Mängel. Deshalb können wir die Vorlage nicht als eine sinnvolle und gerechte Lösung der Lohnfortzahlung anerkennen. Wir beschränken uns aber nicht auf die Kritik des Gesetzentwurfes. Das Handwerk bietet in voller Übereinstimmung mit der Gesamtarbeitgeberschaft eine Regelung der Lohnfortzahlung auf solidarrechtlicher Basis als echte gesetzliche Alternative an. Nach diesem Vorschlag sollen die Krankenkassen Krankengeldbezüge in Höhe des Nettolohnes leisten; die dafür notwendigen Mittel werden von den den Krankenkassen angeschlossenen Betrieben durch einen gesonderten, ausschließlich von den Arbeitgebern zu zahlenden Beitrag aufgebracht. Diese Konstruktion gibt dem erkrankten Arbeiter gleich hohe Leistungen, gewährt außerdem eine stärkere Sicherung seines Anspruchs im Rahmen der Solidargemeinschaft der Betriebe. Außerdem werden von den Arbeitgebern die vollen Beiträge zur Rentenversicherung allein aufgebracht, so daß der Arbeiter auch insoweit keinen Nachteil haben kann. Es steht auf Grund von Befragungen fest, daß die Mehrheit der Arbeiter selber den Rechtsanspruch an die Krankenkassen vorzieht. Die von der Arbeitgeberschaft vorgeschlagene Alternative ist darüber hinaus verwaltungsmäßig übersichtlich und unkompliziert. Wesentlich ist ferner, daß die Kostenbelastung der Wirtschaft auf Grund der Leistungsberechnung auf Nettolohnbasis etwa 20 % unter dem Aufwand der unmittelbaren arbeitsrechtlichen Lohnfortzahlung liegt. Die öffentliche Diskussion der letzten Monate und Wochen hat gezeigt, daß weite Kreise die Regierungsvorlage nicht als die optimale Lösung der Lohnfortzahlung betrachten. Es sei in diesem Zusammenhang u. a. auf die Beratungen des Bundesrates im ersten Durchgang im November vorigen Jahres, aber auch auf die bekannte Stellungnahme des Wirtschaftsausschusses der rheinischen CDU verwiesen. Ich halte es deshalb für notwendig, daß der Bundestag bei seinen weiteren Beratungen über die begründeten Einwendungen der mittelständischen Wirtschaft nicht hinweggeht. Anlage 3 Schriftliche Begründung des Abgeordneten Dr. Danz zu dem Antrag der Fraktion der FDP betreffend Übernahme von qualifizierten Arbeitern in das Angestelltenverhältnis (Drucksache IV/ 726) *). Es wird von keiner Seite bestritten, auch von der Wissenschaft nicht, daß die derzeit im Arbeitsrecht und in der Sozialversicherung geltende Abgrenzung der Begriffe Arbeiter und Angestellter der modernen arbeitstechnischen Entwicklung nicht mehr entspricht. Die Unterscheidung von Arbeitern und Angestellten innerhalb der Arbeitnehmerschaft hat in der arbeitsteiligen Wirtschaft zwar noch ihre Berechtigung, *) siehe 54. Sitzung Seite 2395 B Deutscher Bundestag - 4, Wahlperiode - 55. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 23. Januar 1963 2473 muß jedoch auf Grund der veränderten Funktionen der am Arbeitsprozeß Beteiligten eine Änderung erfahren. Die Unterscheidungsmerkmale stammen im wesentlichen aus dem vorigen und den Anfängen dieses Jahrhunderts und gewährleisten eine den gegenwärtigen Verhältnissen entsprechende Gliederung der Arbeitnehmerschaft nicht mehr. Die Dringlichkeit zur Lösung dieses Problems wird an der jahrelangen Diskussion deutlich, die die Wissenschaft zur Neuabgrenzung der Begriffe Arbeiter und Angestellter geführt hat. Mit gutem Recht freilich hat sich die Wissenschaft aller sozialpolitischen Gestaltungsabsichten enthalten und aus diesem Grunde davon abgesehen, dem Gesetzgeber Änderungsvorschläge zu unterbreiten. Die Schwierigkeiten einer dem arbeitstechnischen und sozialen Strukturwandel gemäßen Umgliederung der Arbeitnehmerschaft werden nicht verkannt. Sie dürfen jedoch den Gesetzgeber nicht davon abhalten, seiner gesellschaftspolitischen Aufgabe auch in dieser Richtung nachzukommen. Der Antrag der FDP auf Vorlage des Entwurfs eines Gesetzes, durch den die Übernahme von qualifizierten Arbeitern in das Angestelltenverhältnis geregelt wird, soll eine Möglichkeit aufzeigen, die Arbeitnehmerschaft bei Aufrechterhaltung einer auch heute noch notwendigen Differenzierung neu einzustufen. Die Funktionen vieler Arbeiter in der technisierten Industrie gleichen nicht nur in vieler Hinsicht denen der Angestellten; der Intellektualisierungsprozeß der Arbeit hat vielmehr zur Folge, daß eine immer größere Zahl von Arbeitnehmern im Arbeiterverhältnis nach Stellung im Betrieb und Art der Tätigkeit verantwortlicher eingesetzt ist als eine Reihe von Angestellten. Dieser Tatsache kann bei einer Neuregelung Rechnung getragen werden, indem der Angestelltenbegriff durch neue Tätigkeitsmerkmale bestimmt wird. Diese Einteilungskriterien muß der Gesetzgeber festlegen. Dabei sollen neben der Stellung des Arbeitnehmers in der Betriebshierachie besonders Verantwortung und Vorbildung bzw. Verantwortung oder Vorbildung Berücksichtigung finden. Der Kreis der Angestellten müßte auf Arbeiter ausgedehnt werden, die besonders schwierige, hochwertige und betriebswichtige Arbeit unter eigener Verantwortung verrichten, um diesem Personenkreis berufliche Aufstiegsmöglichkeiten zu eröffnen. Anlage 4 Schriftliche Antwort des Herrn Ministerialdirektors Hagelberg auf die Zusatzfrage zu der Mündlichen Anfrage des Abgeordneten Dr. Kohut (Fragestunde der 48. Sitzung vom 14. November 1962, Drucksache IV/ 727, Frage VI/ 2) : In der Fragestunde des Deutschen Bundestages am 14. November 1962 hat Ihnen Herr Bundesminister Höcherl zugesagt, die Zahl der Lehrkräfte, die auf 100 Studierende kommen, für die einzelnen Länder der Bundesrepublik mitzuteilen. Nach den Erhebungen des Statistischen Bundesamtes ergab sich für das Wintersemester 1960/61 in den einzelnen Ländern folgendes Bild: Land ord. u.apl. Prof. Sonstige insgesamt a. o. Pro- u.Privatfessoren dozenten Lehrpersonen Schleswig- Holstein 1,9 3,0 1,9 6,8 Hamburg 0,9 2,1 1,3 4,3 Niedersachsen 1,6 1,9 2,0 5,5 Nordrhein-Westfalen 1,0 1,6 1,3 3,9 Hessen 1,6 1,9 1,7 5,2 Rheinland-Pfalz 2,1 2,4 1,9 6,4 Baden-Württemberg 1,3 1,7 2,2 5,2 Bayern 1,3 1,7 1,5 4,5 Saarland 2,1 1,1 3,6 6,8 Berlin (West) 1,3 1,0 2,0 4,3 zusammen . . . 1,4 1,7 1,7 4,8 Anlage 5 Schriftliche Antwort des Herrn Bundesministers Dr. Heck auf die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Dr. Wuermeling (Fragestunde der 54. Sitzung vom 16. Januar 1963, Drucksache IV/ 888, Frage VI) : Ist die Bundesregierung zur alsbaldigen Vorlage eines Gesetzentwurfs bereit, durch den die gesetzliche Benachteiligung von Familien, deren Kinder ein freiwilliges soziales Jahr in Krankenhäusern, Altersheimen, kinderreichen Familien usw. ableisten, durch Belassung des Kindergeldes, des Kinderzuschlages, des Waisengeldes und der Steuerermäßigung aufgehoben wird? Im Einvernehmen mit den Herren Bundesministern des Innern und der Finanzen beantworte ich die Frage wie folgt: Die Bundesregierung beabsichtigt nicht, einen solchen Gesetzentwurf vorzulegen. Der Bundesregierung ist bekannt, daß innerhalb der Fraktion der CDU/CSU ein solcher Gesetzentwurf ausgearbeitet wurde und daß die Absicht besteht, diesen Entwurf als Initiativ-Gesetzentwurf einzubringen. Anlage 6 Schriftliche Antwort des Herrn Staatssekretärs Dr. Seiermann auf die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Walter (Fragestunde der 54. Sitzung vom 16. Januar 1963, Drucksache IV/ 888, Frage XIV/ 3) : Was beabsichtigt der Herr Bundesverkehrsminister zu tun, um mit Rücksicht auf den vorverlegten Abbau des Braunkohlevorkommens bei Ostheim Kreis Melsungen die Autobahnanschlußstelle Ostheim früher als vorgesehen herstellen zu lassen? 2474 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 55. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 23. Januar 1963 Nach den bisherigen Planungen war beabsichtigt, mit dem Bau der Anschlußstelle Ostheim an der Autobahnbetriebsstrecke Kassel-Kirchheim-Frankfurt/ Main im Jahre 1965 im Rahmen des 2. Vierjahresplanes für den Ausbau der Bundesfernstraßen (1963-66) zu beginnen. Es sollte dabei versucht werden, die Baumaßnahme zeitlich vorzuziehen. Dieses setze allerdings voraus, daß der 2. Vierjahresplan mit 13,0 Mrd. DM voll finanziert würde. Die nicht vorhersehbaren Kürzungen von zweckgebundenen Straßenbaumitteln — die für die Haushalte 1962 und 1963 'zusammen mehr als 550 Mio DM ausmachen — haben zur Folge, daß zahlreiche neue Bauvorhaben im Interesse einer ungehinderten Durchführung der laufenden Baumaßnahmen erst mit Verzögerung begonnen werden können. Hierunter wird bedauerlicherweise auch der Bau der Anschlußstelle Ostheim fallen müssen. Es ist mir daher heute noch nicht möglich, irgendwelche Zusagen finanzieller Art oder hinsichtlich des Baubeginnes dieser Maßnahme zu machen. Anlage 7 Schriftliche Antwort des Herrn Staatssekretärs Dr. Seiermann auf die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Dr. Bechert (Fragestunde der 54. Sitzung vom 16. Januar 1963, Drucksache IV/ 888, Frage XIV/ 4) : Trifft es zu, daß im Bereich der Eisenbahndirektion Mainz vor einigen Jahren auf Anordnung der Direktion in den Wartesälen auf Bahnhöfen außerhalb der großen Städte alle Ofen und Heizungseinrichtungen entfernt worden sind und seitdem diese Wartesäle im Winter ungeheizt bleiben? Die Bundesbahndirektion Mainz hat 1959 eine Verfügung erlassen, wonach in uribewirtschafteten Warteräumen, die keine Zentralheizung, sondern nur Kohleöfen hatten, diese meist sehr alten und unwirtschaftlichen Ofen entfernt werden sollen. Zahlreiche Beschwerden waren darauf zurückzuführen, daß die in erster Linie betroffenen kleineren Bahnhöfe mit Heizungseinrichtungen sehr unterschiedlich ausgestattet waren. Viele solcher Stellen hatten keine Heizmöglichkeit, andere nur unzureichende eiserne Ofen, die eine übermäßige Verschmutzung der Räume verursachten. Umsteigebahnhöfe und Bahnhöfe mit Wirtschaftsbetrieben sind nicht betroffen. Bei grundlegenden Umbauten kleiner Empfangsgebäude und Einbau neuzeitlicher Beheizungsanlagen wenden nach Möglichkeit auch die Warteräume mit angeschlossen. Die Bundesbahndirektion Mainz bemüht sich, Härten zu vermeiden. Sie hat in Einzelfällen dem Einbau von Heizungseinrichtungen zugestimmt. Sollten Sie, Herr Abgeordneter, einen bestimmten Fall ansprechen, so bin ich gern bereit, bei der Deutschen Bundesbahn eine Überprüfung zu veranlassen. Anlage 8 Schriftliche Antwort des Herrn Staatssekretärs Dr. Seiermann auf die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Haase (Kellinghusen) (Fragestunde der 54. Sitzung vom 16. Januar 1963, Drucksache IV/888, Frage XIV/5) : Welche Pläne hat die Bundesregierung für den Ausbau der Verkehrsverbindung Itzehoe—Glückstadt—Wischhafen—Bremen unter Würdigung der aus Privatinitiative aufgebauten und durch die kürzliche Indienststellung eines weiteren Fährschiffes erweiterten Fährverbindung Glückstadt—Wischhafen entwickelt? Glückstadt als Schleswig-Holsteinischer Endpunkt der genannten Fährverbindung über die Elbe liegt an dem 1961/62 neu zur Bundesstraße 431 aufgestuften Straßenzug Hamburg—Wedel—ElmshornGlückstadt—St. Margarethen—Meldorf. Der Niedersächsische Endpunkt Wischhafen liegt an der Landstraße I. Ordnung, die über Neuland—Osten—Lamstedt zur Bundesstraße 74 westlich Bremervörde führt. Dieser Straßenzug ist vom Land Niedersachsen im Rahmen der für den 2. Vierjahresplan (1963-66) vorgesehenen weiteren Aufstufung von Landstraßen I. Ordnung zu Bundesstraßen mit vorgeschlagen worden. Es ist damit zu rechnen, daß diesem Vorschlag entsprochen werden kann; lediglich der Zeitpunkt der Übernahme als Bundesstraße ist noch offen. Anlage 9 Schriftliche Antwort des Herrn Bundesministers Stücklen auf die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Dr. Imle (Fragestunde der 54. Sitzung vom 16. Januar 1963, Drucksache IV/ 888, Frage XV/ 1): Ist sich die Bundesregierung bewußt, welche Auswirkungen auf den Bestand der Heimkehrer- und Kriegsopferverbände die mit Wirkung vom 1. März 1963 beschlossene Einführung einer zusätzlichen Inkassogebühr für die Beförderung von Zeitungen pro Abonnement und Monat in Höhe von 20 Pfennig neben der Erhöhung der bisherigen Zustell- und Zeitungsgebühr von ca. 12 Pfennig monatlich auf 17 Pfennig als Vertriebsgebühr haben muß? Von der zwar vorgesehenen, aber vom Verwaltungsrat der Deutschen Bundespost noch nicht beschlossenen +Gebührenanhebung im Postzeitungsdienst können die Zeitungen der Heimkehrer- und Kriegsopferverbände aus Gründen der Gleichheit leider nicht ausgenommen werden. Im übrigen darf ich darauf hinweisen, daß die Selbstkosten der Deutschen Bundespost im Postzeitungsdienst auch nach der vorgesehenen Gebührenanhebung noch nicht einmal zu einem Drittel abgedeckt werden. Welche Gebührenerhöhungen der Verwaltungsrat der Deutschen Bundespost im einzelnen beschließen wird, vermag ich noch nicht zu sagen. Diese Gebührenerhöhungen werden jedoch keinesfalls schon am 1. März 1963 wirksam werden. Anlage 10 Schriftliche Antwort des Herrn Bundesministers Stücklen auf die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Fritsch (Fragestunde der 54. Sitzung vom 16. Januar 1963, Drucksache IV/ 888, Frage XV/ 2) : Ist die Bundesregierung bereit, die Aufhebung der Selbständigkeit des Postamtes Zwiesel im Bayr. Wald mit Rücksicht auf den der Grenzlandförderung zuwiderlaufenden Charakter dieser Maßnahme rückgängig zu machen? Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 55. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 23. Januar 1963 2475 Die geplante Aufhebung der Selbständigkeit des Postamts Zwiesel erfolgt im Rahmen der von der Deutschen Bundespost schon seit einigen Jahren im gesamten Bundesgebiet durchgeführten Rationalisierung des Betriebs- und Verwaltungsdienstes. Diese Maßnahme läuft den Grundsätzen der Grenzlandförderung nicht zuwider. Nach der Planung werden vielmehr nur interne Verwaltungsaufgaben und einige innerbetriebliche Aufgaben der Postämter Zwiesel und Regen beim Postamt Regen als dem größeren und verkehrsgünstiger gelegenen Amt zusammengefaßt. Eine Benachteiligung der Postkunden wird diese Maßnahme nicht zur Folge haben. Im übrigen bin ich ständig bemüht, die Zonenrandgebiete zu fördern. Allein im Gebiet der Oberpostdirektion Regensburg sind in den letzten 10 Jahren 50 Mio DM zur Verbesserung des Post- und Fernmeldewesens investiert worden. Anlage 11 Schriftliche Antwort des Herrn Bundesministers Stücklen auf die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Dr. Supf (Fragestunde der 54. Sitzung vom 16. Januar 1963, Drucksache IV/ 888, Frage XV/ 3) : Ist der Herr Bundespostminister bereit, in angemessener Zeit vor jeder Bundestagswahl den örtlichen Direktkandidaten für die Versendung von Drucksachen zur Unterrichtung der Wähler in bestimmtem Umfange Gebührenfreiheit zu gewähren? Durch das Gesetz über die Aufhebung der Gebührenfreiheiten im Post- und Telegraphenverkehr vom 29. April 1920 (RGBl. S. 678) sind im deutschen Postverkehr alle Gebührenfreiheiten aufgehoben worden. Seit diesem Zeitpunkt besteht der Grundsatz, daß alle Postsendungen, auch die von Behörden eingelieferten Sendungen, den allgemeinen Gebührenbestimmungen unterliegen, sofern nicht durch internationale Verträge oder besondere innerdeutsche Gesetze Gebührenfreiheit vorgesehen ist. Solche Sonderregelungen bestehen z. Z. nur für Kriegsgefangenen- und Blindenschriftsendungen auf Grund des Weltpostvertrags (Art. 39 und 40) und für Wahlbriefe zur Bundestagswahl auf Grund des Bundeswahlgesetzes vom 7. Mai 1956 (Bundesgesetzblatt I S. 383). Die genannten gesetzlichen Vorschriften sind für die Versender und für die Deutsche Bundespost verbindlich. Der Bundespostminister kann deshalb den Kandidaten für die Bundestagswahl keine Gebührenfreiheit für Postsendungen gewähren. Anlage 12 Schriftliche Antwort der Frau Bundesminister Dr. Schwarzhaupt auf die Mündliche Anfrage der Abgeordneten Frau Herklotz (Fragestunde der 54. Sitzung vom 16. Januar 1963, Drucksache IV/ 888, Frage XVI/ 1): Was gedenkt die Bundesregierung zu tun, um eine Gefährdung des Grundwassers zu verhindern, die durch Defekte an Ölleitungen entstehen kann, wie sie kürzlich an der Leitung MarseilleKarlsruhe bei Wörth in der Pfalz auftraten? Am 9. und 10. Dezember vergangenen Jahres ist an der Ölleitung Marseille-Karlsruhe im Land Rheinland-Pfalz in der Nähe von Wörth ein Schaden aufgetreten, der zum Ausfließen einer größeren Menge Öl geführt hat. Ob dieser Vorfall für die Bundesregierung Anlaß sein kann, Maßnahmen zu ergreifen, die geeignet sind, Störungen dieser Art im Interesse ides Gewässerschutzes künftig zu vermeiden, kann erst beurteilt werden, wenn ,die Untersuchungen 'des Landes Rheinland-Pfalz über diesen Vorfall abgeschlossen sind. Ich habe das zuständige Ministerium in Mainz gebeten, sich über den Sachverhalt und über die Maßnahmen, die von seiten der zuständigen Landesbehörden wegen dieses Vorfalls getroffen worden sind, zu unterrichten. Nach Eingang dieser Mitteilung wird von meinem Haus und dem Bundesarbeitsministerium zu prüfen sein, ob der genannte Schaden und auch Vorfälle ähnlicher Art, die zuvor in anderen Ländern aufgetreten sind, auf technische Unzulänglichkeiten zurückzuführen sind, die durch Maßnahmen des Bundes oder der Länder beseitigt oder verhindert werden können. Anlage 13 Schriftliche Antwort der Frau Bundesminister Dr. Schwarzhaupt auf die Mündlichen Anfragen der Abgeordneten Frau Welter (Fragestunde der 54. Sitzung vom 16. Januar 1963, Drucksache IV/888, Fragen XVI/2, XVI/3 und XVI/4: Ist der Bundesregierung bekannt, daß die deutsche Schwesternausbildung nicht den Internationalen Richtlinien entspricht und demzufolge die deutsche Krankenschwester im Ausland und in Ubersee nicht die gewünschte Anerkennung findet? Die Anerkennung der deutschen Krankenpflegeausbildung im Ausland erfolgt nach den mir vorliegenden Berichten unterschiedlich. Die Ausbildung wird besonders nach ihrer Verlängerung auf drei Jahre nach 'den Bestimmungen des Krankenpflegegesetzes von 1957 in einer Reihe von Ländern anerkannt oder auf die vorgeschriebene Ausbildung angerechnet. Solange aber keine internationalen Verträge über die gegenseitige Zulassung von Krankenschwestern abgeschlossen sind, wird der Ausbildungsgang in allen Ländern im einzelnen daraufhin überprüft, wie weit er den im eigenen Land geltenden Bestimmungen entspricht. Dabei spielt die Frage, ob die Landessprache beherrscht wird, eine wesentliche Rolle. Die Abmachungen des Weltbundes der Krankenschwestern betreffen nur die vorübergehende Tätigkeit solcher Schwestern im Ausland, die Mitglieder des Weltbundes oder eines ihm angehörenden Schwesternverbandes sind. Ist der Bundesregierung bekannt, daß immer weniger Abiturientinnen in die Krankenpflege-Ausbildung eintreten, weil sie in diesem Beruf keine Aufstiegsmöglichkeiten sehen, und infolgedessen Stationsschwestern und leitende Schwestern fehlen, die menschenführende Aufgaben erfüllen und die gesteigerten medizinischen Berufsanforderungen bewältigen können? Repräsentative Zahlen über den Rückgang der Abiturientinnen unter den Krankenschwestern liegen mir nicht vor. Es ist aber bekannt, daß immer mehr Abiturientinnen sich dem Hochschulstudium 2476 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 55. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 23. Januar 1963 zuwenden. Daher ist es sehr wünschenswert, daß die jetzt schon im Krankenpflegeberuf bestehenden Aufstiegsmöglichkeiten der Offentlichkeit besser bekanntgemacht und daß diese Aufstiegsmöglichkeiten weiter verbessert werden. Ist die Bundesregierung bereit, eine Novellierung des Krankenpflegegesetzes von 1957 vorzubereiten, damit die deutsche Schwesternausbildung den internationalen Richtlinien angepaßt und insbesondere die Zulassung zu der Krankenpflege-Ausbildung von der mittleren Reife abhängig gemacht wird? Die Frage, ob das Krankenpflegegesetz geändert und von den Krankenpflegeschülerinnen abgeschlossene Mittelschulbildung oder eine gleichwertige Schulbildung gefordert werden soll, wird zur Zeit in meinem Hause geprüft. Diese Prüfung erfolgt im Zusammenhang mit den Bestrebungen des Europarates nach einer Normierung und vertraglichen Regelung der an eine europäische Schwesternausbildung zu stellenden Mindestanforderungen. Die Bedenken großer Schwesternverbände gegen das Erfordernis der Mittelschulbildung beruhen vor allem auch darauf, daß nach den Erfahrungen dieser Verbände besonders gut geeigneter Nachwuchs an Krankenschwestern gerade aus der Landbevölkerung kommt. Auf diese Tatsache müßte bei einer Neuregelung der Ausbildung dadurch Rücksicht genommen werden, daß in besonderen Fällen auch geeignete Volksschülerinnen der Zugang zum Schwesternberuf geöffnet bleibt. Anlage 14 Schriftliche Antwort der Frau Bundesminister Dr. Schwarzhaupt auf die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Dr. Bechert (Fragestunde der 54. Sitzung vom 16. Januar 1963, 'Drucksache IV/ 888, Frage XVI/ 5): Ist der Bundesregierung bekannt, daß in dem Gutachten des Staatlichen Materialprüfungsamtes Nordrhein-Westfalen, Abteilung Strahlenschutz, Nr. IX 767/62 vom 14. Dezember 1961 festgestellt wurde, daß die von der Firma Siemens-Reiniger-Werke, Erlangen, an das Röntgen-Institut von Dr. med. Hans Rock, Regensburg, gelieferte und dort eingerichtete Röntgenanlage (Therapiegerät Stabilipan 250 mit Konvergenzstrahler) bis zu 4fach höhere Strahlenleistung hat, als nach den geltenden Strahlenschutzregeln zulässig ist, und daß Grund besteht für die Annahme, daß Geräte desselben Typs auch in anderen Instituten und bei anderen Strahlenärzten dieselbe unzulässig hohe Strahlungsmenge freigeben? Das Gutachten des staatlichen Materialprüfungsamtes des Landes Nordrhein-Westfalen isst von mir dem Bundesgesundheitsamt mit der Bitte um Überprüfung und Stellungnahme zugeleitet worden. Die Stellungnahme des Bundesgesundheitsamtes werde ich Ihnen sobald als möglich übermitteln. Was die legislative Seite betrifft, so ist von mir der Entwurf einer ,Strahlenschutzverordnung, welche die Anwendung von Röntgenstrahlen in der Human- und Veterinärmedizin regelt, entworfen und bereits einmal mit den beteiligten Ressorts erörtert worden. In dieser Verordnung sind neue Vorschriften über eine Bauartprüfung aller Röntgengeräte sowie eine regelmäßige Überwachung vorgesehen. Anlage 15 Schriftliche Antwort der Frau Bundesminister Dr. Schwarzhaupt auf die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Dr Bechert (Fragestunde der 54. Sitzung vom 16. Januar 1963, Drucksache IV/ 888, Frage XVI /6) : Besteht die Absicht, in der Bundesrepublik einen Strahlenpaß einzuführen, der für jeden einzelnen die Strahlungsmenge angibt, der er im Laufe des Lebens ausgesetzt wird, ein Strahlenpaß, wie er in einem Bericht des Nationalen Forschungsrates (National Research Council) der National Academy of Sciences, Washington D. C., für die Vereinigten Staaten empfohlen wurde? Die Einführung eines Strahlenpasses ist wiederholt, auch im Bundesgesundheitsrat, diskutiert worden. Von seiten der Ärzte wurde festgestellt, daß der Aufwand, der mit der Einführung des Strahlenpasses verbunden wäre, bei Abwägung aller Umstände in keinem Verhältnis zu dem Nutzen stehen würde, der damit erreicht werden soll. Ich werde trotzdem erneut den Bundesgesundheitsrat bitten, sich mit dieser Frage unter besonderer Berücksichtigung der in Ihrer Anfrage erwähnten Empfehlung des Nationalen Amerikanischen Forschungsrates zu befassen und erneut Stellung zu nehmen. Danach werde ich meinen Standpunkt noch einmal überprüfen.
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Theodor Blank


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Ihnen von der Bundesregierung vorgelegten Entwürfe eines Gesetzes über die Fortzahlung des Arbeitsentgelts im Krankheitsfalle, eines Bundeskindergeldgesetzes und eines Gesetzes zur Regelung des Rechts der gesetzlichen Krankenversicherung, die Sie heute in erster Lesung beraten, stellen die Fortsetzung der Sozialreform dar, wie sie in der Regierungserklärung zu Beginn dieser Legislaturperiode angekündigt worden ist. Während der erste große Teil unserer im Jahre 1957 begonnenen Reform die Sicherung für das Alter behandelte, hat dieser Teil der Reform die Sicherung für den Krankheitsfall sowie die Förderung der Familie mit Kindern zum Gegenstand. Die zahlreichen Berührungspunkte, die alle drei vorgelegten Entwürfe miteinander haben, veranlaßten die Bundesregierung, sie als Einheit zu betrachten. Gleichzeitig sollte damit zum Ausdruck kommen, daß sozialpolitische Maßnahmen von so großer Tragweite nicht isoliert behandelt, sondern nur in größerem Zusammenhang gesehen und geordnet werden können.

    (Sehr richtig! bei der CDU/CSU.)

    Ich möchte nun die einzelnen Gesetze behandeln und zunächst einiges zum Gesetz über die Fortzahlung des Arbeitsentgelts im Krankheitsfalle, genannt Lohnfortzahlungsgesetz, sagen. Mit dem Entwurf eines Gesetzes über die Fortzahlung des Arbeitsentgelts im Krankheitsfalle wird die rechtliche Gleich-



    Bundesminister Blank
    stellung der Arbeiter mit den Angestellten im Krankheitsfalle angestrebt. Dies ist ein altes und, wie ich glaube, berechtigtes Anliegen der Arbeiter.
    Bereits bei der Verabschiedung der beiden Arbeiterkrankheitsgesetze war sich dieses Hohe Haus über die Berechtigung einer Gleichstellung der Arbeiter mit den Angestellten im Krankheitsfalle einig. Das ist nachzulesen in dem Bericht, den der Herr Abgeordnete Meyer am 27. April 1961 in der Bundestags-Drucksache III/ 2478 gegeben hat. Zu der heute bestehenden unterschiedlichen gesetzlichen Behandlung beider Gruppen ist es zudem erst durch die Notverordnungen der Jahre 1930/31 gekommen, die damals nur den Anspruch des Angestellten auf Lohnfortzahlung für unabdingbar erklärten. Zuvor aber hat ein so weitgehender rechtlicher Unterschied zwischen Arbeitern und Angestellten im Krankheitsfalle nicht bestanden.
    Ich hatte vorhin schon gesagt, daß mir das Verlangen der Arbeiter, diese Gleichstellung zu erreichen, berechtigt erscheine. Deshalb geht ,der Entwurf davon aus, daß die Arbeiter wie bisher schon die Angestellten gegen den Arbeitgeber den unabdingbaren Anspruch auf Fortzahlung des vollen Lohnes für die Zeit einer unverschuldeten Arbeitsunfähigkeit bis zur Dauer von sechs Wochen haben sollen. Mit der Erfüllung dieses Anliegens der Arbeiterschaft sollen die Anerkennung für die Leistung der Arbeiter und das große Vertrauen, das ihnen entgegengebracht wird, zum Ausdruck kommen.
    Wer wollte verkennen, daß die rechtliche Gleichstellung auch der heutigen Situation im Arbeitsleben entspricht? Die verantwortungsvollen Aufgaben, die heute von vielen Arbeitern bewältigt werden, stehen vielfach denen von Angestellten nicht nach. Auch die großen Verdienste der Arbeiter um den Wiederaufbau unserer Wirtschaft sollten wir dankbar anerkennen und dies — hierzu ist jetzt Gelegenheit geboten — sichtbar anerkennen.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Mit der angestrebten Gleichstellung soll auch erkennbar werden — darauf lege ich besonderes Gewicht —, daß wir den Arbeitern das gleiche Vertrauen entgegenbringen, dessen sich die Angestellten bis heute erfreuten und dessen sie sich auch bis heute in hervorragendem Maße würdig erwiesen haben.
    Wir glauben, daß die vorgesehene Regelung auch das Verhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer günstig beinflussen wird, weil nunmehr auch im Krankheitsfalle Arbeitgeber und Arbeitnehmer in einem direkten Verhältnis zueinander bleiben und zwischen sie nicht die Anonymität einer Kasse tritt, was, wie ich glaube, dem Verantwortungsbewußtsein nicht dienlich ist. Es ist gerade einer der Kernpunkte des politischen Wollens der Bundesregierung auf diesem Gebiete, alles zu tun, um das Verhältnis zwischen Arbeiter und Arbeitgeber nicht dadurch aufheben zu lassen, daß ein Dritter zwischen sie tritt, bei dem sie beide doch nur eine Nummer in der großen Anonymität sind. Vielmehr soll dieses enge personale Verhältnis zwisehen beiden Partnern auch und gerade im Krankheitsfalle bestehen bleiben.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Wir können aber eine so große neue soziale Errungenschaft und im übrigen auch die alten sozialen Errungenschaften — was in der Diskussion zu meinem Bedauern immer viel zu wenig zum Ausdruck kommt — nur erhalten, wenn sie vom Verantwortungsbewußtsein aller Beteiligten getragen werden. Verantwortungsbewußtsein eines jeden einzelnen zu wecken und zu stärken ist ein wesentliches Ziel unserer Sozialpolitik.
    Man kann sich in der Diskussion um eine so bedeutsame Frage der Regelung unserer sozialen Verhältnisse nicht nach Belieben einen Punkt herausgreifen, um auf ihm herumzureiten, sondern, meine sehr verehrten Damen und Herren, man muß das Ganze in seinem Zusammenhang sehen.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Man muß, wenn man von der Solidarität, der viel berufenen, spricht, sich immer klar darüber sein, was sie eigentlich bedeutet. Solidarität bedeutet nämlich nicht, wie manche Leute glauben, daß die Gemeinschaft dazu da sei, es dem einzelnen zu ermöglichen, die höchstmöglichen Ansprüche an die Gemeinschaft zu stellen und sie befriedigt zu erhalten, sondern Solidarität bedeutet: Wie muß sich der einzelne verhalten, ohne die Gemeinschaft über Gebühr in Anspruch zu nehmen? Das, meine Damen und Herren, ist der Kernsatz der Solidarität.

    (Beifall bei den Regierungsparteien. — Widerspruch bei der SPD.)

    Deshalb wäre es mir lieb — ich weiß, daß Sie (zur SPD) darüber lachen —, wenn Sie in der Diskussion Ihr Augenmerk einmal auf diesen Umstand lenken wollten.

    (Zuruf von der SPD.)

    Ich habe soeben von dem großen Vertrauensbeweis für die Arbeiter gesprochen. Er wird nicht dadurch geschmälert, daß der vorliegende Entwurf eine Prüfung der Arbeitsunfähigkeit durch den vertrauensärztlichen Dienst vorsieht. Die Einschaltung von Vertrauensärzten ist — darüber kann es keinen ernsthaften Zweifel geben — bei der vollen Lohnfortzahlung ebensowenig 211 entbehren, wie die gesetzlichen Krankenkassen der Mithilfe von Vertrauensärzten entbehren können.
    Meine Damen und Herren, worum handelt es sich hier? Nun, hier handelt es sich doch darum, daß jemand, der zur Erbringung einer Dienstleistung verpflichtet ist, obwohl er die Leistung nicht erbringen kann, die Gegenleistung, nämlich den Lohn, für einen immerhin erheblichen Zeitraum ausgezahlt bekommt. Wer behauptet, daß er zur Erbringung der Leistung durch einen in seiner Person liegenden Grund, eben durch seine Krankheit, nicht in der Lage sei, der wird es nicht als Mißtrauen auffassen können, wenn der andere, für den die Leistungspflicht bestehenbleibt, mindestens fordert, daß dieser Tatbestand auch erwiesen ist.

    (Sehr richtig! bei der CDU/CSU.)




    Bundesminister Blank
    Das, meine Damen und Herren, ist eine bare Selbstverständlichkeit und ist, wie ich glaube, eine der Grundlagen jeglichen Vertragsrechts überhaupt.
    Das Verfahren des vertrauensärztlichen Dienstes ist in dem Entwurf so gestaltet, daß die zweifelhaften Fälle der Arbeitsunfähigkeit schnell und wirksam erfaßt werden können. Es dient damit zugleich der Unterstützung des behandelnden Arztes und soll nach der Absicht des Entwurfs dazu beitragen, gerichtliche Auseinandersetzungen über das Vorliegen der Arbeitsunfähigkeit zu vermeiden.
    Die Bundesregierung ist sich bewußt, daß sie mit dem vorliegenden Entwurf den einzelnen Arbeitgebern und auch der Gesamtheit der Arbeitgeber eine weitere, nicht unerhebliche Belastung zumutet. Meine sehr verehrten Damen und Herren, in der deutschen Offentlichkeit sind unterschiedliche Zahlen genannt und diskutiert worden. Ich will auf dieses Zahlenspiel jetzt und in diesem Zusammenhang nicht eingehen, wenngleich ich die Nachprüfung meiner Berechnungen nicht scheue. Das wird sicherlich eine Aufgabe der von Ihnen zur Einzelbehandlung dieser Entwürfe bestimmten Ausschüsse sein. Aber ich will hier offen sagen, daß wir mit dem Lohnfortzahlungsgesetz auch den Arbeitgebern eine nicht unerhebliche weitere Belastung zumuten. Deshalb hat die Bundesregierung Vorschläge unterbreitet, die geeignet sind, die entstehenden Belastungen in tragbaren Grenzen zu halten. Es ist vorgesehen, daß der Arbeitgeber durch einen Kostenausgleich 75 % der für die Lohnfortzahlung aufgewandten Beträge erstattet bekommt, also nur 25 % persönlich zu tragen hat, allerdings nicht für diejenigen Arbeiter, die über die im Krankenversicherungs-Neuregelungsgesetz vorgesehene Versicherungspflichtgrenze von monatlich 750 DM hinaus verdienen. Das auch deshalb, weil der Kostenausgleich von den Trägern der gesetzlichen Krankenversicherung durchgeführt werden soll. Er hat seine besondere Bedeutung für die mittelständische Wirtschaft.
    Der Vorteil des Kostenausgleichs liegt darin, daß die Belastung durch die Lohnfortzahlung für den Arbeitgeber von vornherein weitgehend kalkulierbar wird — ein Anliegen, das ernst zu nehmen ist und das sicherlich gerade für die kleinen und mittelständischen Betriebe von erheblicher Bedeutung ist --, da Versicherungsbeiträge den größten Teil des Risikos abdecken. Darüber hinaus wird die Belastung der Wirtschaft dadurch vermindert, daß sie von der Aufbringung der Mittel für das Kindergeld durch die Neugestaltung des Kindergeldrechts befreit wird. Wir glauben, damit für alle Beteiligten eine befriedigende Lösung gefunden zu haben.
    Auch an dieser Stelle wird es klar, daß die drei Gesetze in einem unlösbaren Zusammenhang stehen. Es ist nicht bloß eine Spielerei gewesen, sie zusammenzufassen, etwa weil sie in ihrer Konzeption, in ihrer Ausgestaltung zeitlich zusammengefallen wären, sondern es ist von vornherein überlegt gewesen, sie in diesem engen Zusammenhang zu halten. Denn es kann gar nicht verkannt werden, daß das Gesetz über die Lohnfortzahlung und das Gesetz über die Neuregelung der Krankenversicherung so eng miteinander verzahnte Rechtsgebiete behandeln, daß sich das eine ohne das andere gar nicht praktizieren ließe.
    Aber auch deshalb, weil hier sehr bedeutsame finanzielle Zusammenhänge bestehen — ich werde gleich einige Größenordnungen nennen, aber sehr sparsam —, müssen diese Vorlagen als ein Ganzes gesehen werden. Wenn es mir möglich gewesen wäre, dann hätte ich diese drei Gesetze noch von einigen anderen begleitet — es gibt viele Dinge, die mir das noch nicht erlaubten — Ihnen hier vorgelegt, damit in der Diskussion bleibt, was ich vor wenigen Wochen gesagt habe, als wir an einem einzigen Vormittag erlebten, wie Vertreter verschiedenster Gruppen von diesem Platze aus spezielle Anträge stellten, die erhebliche finanzielle Belastungen des Bundes zur Folge gehabt hätten. Damals habe ich gesagt: Bei aller Berechtigung, die man der einzelnen Betrachtung nicht absprechen kann, gibt es doch einen unnützen Streit, den wir hier niemals zu einem guten Ende führen werden, nämlich einen Streit um die Prioritäten dergestalt, daß die Vertreter der einen oder der anderen beabsichtigten Maßnahme auf das Ihre schauen mit dem Bestreben, es möglichst unter Dach und Fach zu bringen. Meine Damen und Herren, Sie werden nicht ausweichen können, solange Dinge, die die Sozialpolitik gestaltet, Geld kosten. Das ist in dieser Welt nun einmal so. So lange werden Sie das Ganze sehen müssen. Auch aus diesem Grunde hier die Zusammenfassung der drei Gesetze, wobei — das gebe ich freimütig zu — vielleicht zu bedauern ist, daß nicht zugleich am heutigen Tage noch einige andere, die kurz vor der Vollendung stehen und, wie ich hoffe, bald von der Bundesregierung verabschiedet werden, auch im Blickpunkt der finanziellen Möglich-. keiten des Bundestages fest stehenblieben.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Diese Vorbemerkung glaubte ich hier machen zu müssen. Ich wende mich nunmehr dem Entwurf eines Bundeskindergeldgesetzes zu. Der Entwurf eines Bundeskindergeldgesetzes sieht eine grundlegende Neuordnung des Kindergeldrechts mit dem Ziel vor, die Zersplitterung des geltenden Rechts zu beseitigen und die wirtschaftliche Lage der kinderreichen Familie zu verbessern. Lassen Sie mich kurz erläutern, von welchen Vorstellungen die Bundesregierung hierbei ausgegangen ist.
    Zunächst zur Finanzierung! Da muß ich darauf aufmerksam machen — ich will nicht zitieren —, daß Bundesrat und Bundestag die Bundesregierung schon wiederholt in Entschließungen aufgefordert haben, die Vorschriften des Kindergeldgesetzes über die Aufbringung der Mittel zu überprüfen. Wenn ich mich an die Diskussionen in diesem Hohen Hause erinnere, glaube ich, den Eindruck gewonnen zu haben, daß man, was die Finanzierung des Bundeskindergeldgesetzes betrifft, in diesem Hohen Hause über alle drei Fraktionen hinweg gleichlautende Auffassungen vertreten hat. Ich erwähne das deshalb, weil mich einiges aus der jüngsten Diskussion befremdet hat, auf das ich gleich eingehen werde.



    Bundesminister Blank
    Zunächst aber zur Finanzierung! Dem Kindergeldgesetz von 1954 liegt der Gedanke zugrunde, das Kindergeld als eine Ergänzung des Leistungslohns der Arbeitnehmer zu betrachten. Dieser Vorstellung hätte es entsprochen, die Kindergeldregelung auf Arbeitnehmer zu beschränken. Es erwies sich aber aus gesellschafts- und familienpolitischen Gründen als unmöglich, Bauern, Gewerbetreibende und freie Berufe vom Kindergeldbezug auszuschließen. Dieser Personenkreis wurde daher ebenfalls in die Kindergeldregelung einbezogen.
    Das Gesetz beruht ferner auf dem Gedanken, daß die einzelnen Wirtschaftszweige in ihren Bereichen den Familienlastenausgleich selbst durchzuführen und die dafür erforderlichen Mittel in erster Linie auch selbst aufzubringen hätten. Der zentrale Finanzausgleich und die Zuschüsse der gewerblichen Familienausgleichskassen zu den landwirtschaftlichen Familienausgleichskassen schränkten allerdings auch diesen Grundsatz stark ein. Dennoch war die Kindergeldgesetzgebung damit im großen und ganzen nach dem Leitbild der klassischen Sozialversicherung ausgerichtet. Diese Konzeption hat auch zunächst bei den Beteiligten — neben verständlicher Kritik — viel Anerkennung gefunden.
    Da die allein von den Arbeitgebern zu zahlenden Beiträge zu den Familienausgleichskassen — wie die übrigen Sozialabgaben — in Prozentsätzen des Lohnes erhoben werden, bedeuten sie für die lohnintensiven Wirtschaftszweige und insbesondere für die kleineren und mittleren Betriebe eine fühlbare Belastung. Das muß klar ausgesprochen werden. Wie immer in der Sozialpolitik müssen die zwei Seiten gesehen werden, diejenigen, die empfangen, und diejenigen, die aufzuwenden haben. Nun läßt sich allerdings beim Kindergeld, das manche Besonderheiten gegenüber anderen älteren Zweigen der sozialen Sicherheit aufweist, mit guten Gründen die Auffassung vertreten, daß der Familienlastenausgleich eine Aufgabe ist, die über die Kraft eines Standes oder eines Wirtschaftszweiges geht und daher zu einer Gesamtaufgabe wird, die der Staat als allen Gemeinschaften übergeordnete zu leisten hat.
    Zu diesem Grundsatz hat sich die Bundesregierung bereits bei der Einführung des Zweitkindergeldes in dem 1961 erlassenen Kindergeldkassengesetz bekannt; denn dieses bestimmt, daß das Kindergeld für die zweiten Kinder aus Haushaltsmitteln des Bundes finanziert wird. Der jetzt vorgelegte Entwurf soll diese Entwicklung fortführen. Er sieht daher vor, daß das gesamte Kindergeld vom 1. Juli 1963 an ausschließlich aus Steuermitteln des Bundes zu finanzieren ist.
    Die Beseitigung der bisherigen Systems der Finanzierung bringt für die Wirtschaft eine Beitragsentlastung von etwa 1 Milliarde DM. Aber, meine Damen und Herren, auch hier muß man sagen: es ist kein Geschenk an die Wirtschaft, sondern diese Beitragsentlastung soll der Wirtschaft die Übernahme der Kosten für die geplante Lohnfortzahlung erleichtern. Keinesfalls — auch das möchte ich betonen — wird allein schon durch diese Beitragsentlastung die Neubelastung aufgewogen. Dazu müssen noch andere Entlastungen kommen, wie ich sie in dem Gesetz für die Neuregelung der Krankenversicherung glaube vorschlagen zu können.
    Die Neuregelung der Finanzierung bietet die Möglichkeit, die Zweigleisigkeit auf dem Gebiete der Organisation und der Zahlung von Kindergeld zu beseitigen. In Zukunft sollen ausschließlich die Dienststellen der Bundesanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung diese Aufgaben erfüllen, wie dies heute schon für die Zweitkinder geschieht. Die Erfahrung hat gezeigt, daß die Bundesanstalt dafür in besonderem Maße geeignet ist. Ihr mehrstufiger Verwaltungsaufbau erlaubt es, die bei der Kindergeldzahlung anfallenden Aufgaben, soweit notwendig, dezentral durch die Arbeitsämter, im übrigen aber zentral für den gesamten Geltungsbereich des Gesetzes zu erfüllen. So wird die Entgegennahme und Bearbeitung der Anträge den Arbeitsämtern zufallen, während die Auszahlung des Kindergeldes bei einer zentralen Rechenstelle liegen wird, die mit modernen, arbeits- und kostensparenden Büromaschinen ausgestattet ist.
    Wir haben bei der Auszahlung des Zweitkindergeldes durch die Bundesanstalt auf dem Kontenwege sehr erfreuliche Erfahrungen gemacht. Wir haben mit Freuden festgestellt, daß die Zahl der neu errichteten Konten von Empfängern wesentlich gestiegen ist. In diesem Parlament wurde in der Diskussion einmal etwas gegen diese Organisation gesagt. Wir glauben, daß wir auf Grund der allerbesten Erfahrungen, die wir gemacht haben, der Bundesanstalt diese neue Aufgabe übertragen können.
    Die vorgesehene Neuregelung führt also dazu, daß die Familienausgleichskassen aufgelöst werden und daß auch auf die Kindergeldkasse als sehständige Anstalt des öffentlichen Rechts verzichtet werden kann, da eine Beitragserhebung nicht mehr vorgesehen ist. Da die Finanzierung ausschließlich aus Bundesmitteln erfolgt, ist vorgesehen, daß die Bundesanstalt das Gesetz nach Weisungen des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung durchführt.
    Die Abkehr von Grundsätzen des alten Kindergeldgesetzes bedeutet keineswegs, daß sich die mit der Durchführung betrauten Stellen nicht bewährt hätten. Ich möchte ausdrücklich feststellen, daß die Familienausgleichskassen und der Gesamtverband der Familienausgleichskassen die ihnen übertragenen schwierigen Aufgaben mit großem Geschick gemeistert haben.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    — Ihr Beifall ist Ausdruck des Dankes und der Anerkennung, den diese Familienausgleichskassen und die in ihnen tätigen Personen vollauf verdient haben.
    Obwohl die Übernahme des bisher von der Wirtschaft aufgebrachten Kindergeldes für dritte und weitere Kinder von etwa 1 Milliarde DM für den bekanntlich außerordentlich angespannten Bundeshaushalt eine schwere Belastung bedeutet, schlägt die Bundesregierung dennoch auch Leistungsverbesserungen vor. Ich möchte wiederholen, daß diese Verbesserungen bei einer Finanzierung des Kindergeldes aus Beiträgen der Wirtschaft nicht zu erreichen wären. Auf diesen Satz lege ich besonderes



    Bundesminister Blank
    Gewicht, weil in der Öffentlichkeit manchmal die Meinung herrscht, man hätte es ja beim jetzigen System belassen können; dann stünden einmal diese Beitragsaufkommen für Kindergeldleistungen zur Verfügung, und zum anderen könne man natürlich — das wird dann in dieser Klarheit nicht mehr hinzugefügt, aber gedacht — aus dem Bundeshaushalt eine weitere zusätzliche Einnahme für Kindergeldleistungen bekommen.
    Ich erinnere mich noch sehr gut der Diskussionen, die in diesem Hohen Hause geführt worden sind. Ich mißbillige sie nicht einmal. Ich habe sie soeben zur Begründung mit herangezogen. Die Erfahrung hat uns gelehrt, daß es nicht möglich gewesen wäre, eine Aufstockung der Leistungen im Kindergeldrecht vorzunehmen, wenn man sich dafür hätte an die Beiträge halten wollen, und diesen Realitäten habe ich Rechnung zu tragen.

    (Zustimmung in der Mitte.)

    Nach den Vorstellungen der Bundesregierung sollen die zur Verfügung stehenden Mittel dazu verwandt werden, die soziale Lage der Familien mit drei oder mehr Kindern zu verbessern, weil die wirtschaftliche Belastung dieser Familien besonders groß ist. Dementsprechend soll das Kindergeld für die dritten und weiteren Kinder um 25 v. H., das heißt von 40 auf 50 DM monatlich, erhöht werden. Aus dem gleichen Grunde soll auch die Einkommensgrenze beim Zweitkindergeld von bisher 7200 auf 8400 DM jährlich, aber nur zugunsten der kinderreichen Familien, erhöht werden.
    Mit diesen Verbesserungen erhöhen sich die Aufwendungen für die Kindergeldzahlung um 329 Millionen DM jährlich. Die Gesamtaufwendungen betragen, wenn der Entwurf, so wie ich ihn vorlege, Ihre Zustimmung findet, jährlich 1,8 Milliarden DM. Sie sind damit annähernd doppelt so hoch wie im Jahre 1960 und viermal so hoch wie im Jahre 1955. In Anbetracht der Ihnen allen bekannten Haushaltslage des Bundes, mit der Sie sich auch noch weiter intensiv beschäftigen müssen, glaubt daher die Bundesregierung, mit ihren Vorschlägen das Optimale auf diesem Gebiet getan zu haben.
    Ich komme nun zu dem dritten Entwurf, dem Entwurf eines Gesetzes zur Neuregelung des Rechts der gesetzlichen Krankenversicherung. Dieser Entwurf bringt das Leistungsrecht in diesem Versicherungszweig auf einen optimalen Stand und gestaltet es so, daß es den heutigen sozialpolitischen und medizinischen Erkenntnissen entspricht. Viele Leistungen sind, was ihre Höhe und ihre Dauer betrifft, kaum noch mehr zu steigern. Bei aller Modernisierung der Krankenversicherung darf aber nichts darüber hinwegtäuschen, daß sie eine Versicherung für den Fall der Krankheit ist. Versuche — und es fehlt daran nicht —, die Krankenversicherung in eine Gesundheitsversicherung umzudeuten, müssen scheitern.
    Der Sinn einer Krankenversicherung, auch der modernsten Krankenversicherung, kann eben nur der sein, dem Versicherten dabei zu helfen, daß er seine Krankheit heilen lassen und die wirtschaftlichen Folgen der Krankheit tragen kann. Das gilt auch für die Vorsorgehilfe, der der Entwurf als neue Leistungsart besondere Bedeutung beimißt. Auch die Vorsorgehilfe kann nur dazu dienen, Krankheiten möglichst frühzeitig zu erkennen und möglichst frühzeitig der ärztlichen Behandlung zuzuführen. Der Gesundheitssicherung können sie nicht dienen.
    Als Leistungen der Vorsorgehilfe sind ärtzliche Vorsorgeuntersuchungen für Versicherte und Familienmitglieder, die das 35. Lebensjahr vollendet haben, innerhalb von je drei Jahren einmal vorgesehen. Der Selbstverwaltung soll aber die Möglichkeit eingeräumt werden, für ,die Untersuchungen kürzere Zeiträume vorzusehen oder weitere Altersgruppen dafür zuzulassen. Sie kann bestimmte Untersuchungen für einzelne Berufs- oder Personengruppen vorsehen. Zahnärztliche Vorsorgeuntersuchungen sollen für alle Anspruchsberechtigten jährlich einmal gewährt werden. Die Vorsorgehilfe besteht in Vorsorgekuren oder Zuschüssen für diese, Schutzimpfungen, kieferorthopädischen oder orthopädischen Maßnahmen oder sonstigen Hilfen. Ich will die lange Reihe der Leistungsverbesserungen hier nicht ausführlich und in Einzelheiten beschreiben und dem geltenden Recht gegenüberstellen, sondern nur kurz skizzieren:
    Zuschüsse zu Zahnersatz und Hilfsmitteln werden künftig Pflichtleistungen. Dasselbe gilt für die Krankenhauspflege und für die häusliche Krankenpflege, die bisher Ermessensleistung der Kassen waren. Das Hausgeld, das während der Krankenhauspflege zu zahlen ist, wird erhöht. Als neue Leistung der Familienhilfe wird die Haushaltshilfe eingeführt, wenn die Weiterführung des Haushalts dem Versicherten oder seinem Ehegatten wegen Krankheit, Mutterschaft oder wegen einer Kur nicht möglich ist oder im einzelnen Fall auf andere Weise nicht sichergestellt werden kann. Die Bezugsdauer des Mutterschaftsgeldes nach der Entbindung wird von 6 auf 8 Wochen verlängert. Die Klinikentbindung wird als Pflichtleistung der Kassen eingeführt. Familienangehörige erhalten bei der Entbindung höhere Geldleistungen als bisher. Im großen und ganzen kann man sagen, daß sie verdoppelt werden.
    Im Zusammenhang mit dem hier vorgeschlagenen Leistungsrecht darf ich noch darauf hinweisen, daß durch das Gesetz zur Verbesserung der wirtschaftlichen Sicherung der Arbeiter im Krankheitsfalle vom 26. Juni 1957 und durch die Novelle zu diesem Gesetz vom 12. Juli 1961 sehr erhebliche Verbesserungen, die als Reform der Krankenversicherung geplant waren, vorweggenommen worden sind. Ich möchte hierbei insbesondere an die Beseitigung der Aussteuerung bei Krankengeld und Krankenhauspflege erinnern sowie an die Erhöhung des Krankengeldes nach Ablauf der sechsten Woche der Arbeitsunfähigkeit von 50 v. H. des Bruttoarbeitsentgelts auf 65 bis 75 v. H.
    Ich glaube, meine Damen und Herren, wenn Sie die vorgeschlagenen Leistungsverbesserungen beschließen werden, wird das Leistungsrecht der deutschen gesetzlichen Krankenversicherung einen Stand erreicht haben, der schwerlich zu überbieten ist.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)




    Bundesminister Blank
    Ich mußte das, meine Damen und Herren, wenigstens hier einmal betonen, weil — wenn man die öffentliche Diskussion verfolgt — jedenfalls von bestimmten Richtungen so getan wird, als ob dieser Entwurf überhaupt nichts Erstrebenswertes brächte. Ja, es hat sogar jemand den Vorschlag gemacht, man solle ihn gar nicht beraten. Meine sehr verehrten Damen und Herren, in diesem Entwurf steckt außerordentlich viel. Aber eines steckt in ihm nicht — das gebe ich freimütig zu —, es steckt in ihm kein Ansatzpunkt für einen staatlichen Gesundheitsdienst.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Und deshalb war jemand der Meinung, man solle ihn doch besser gar nicht beraten!
    Im übrigen bin ich der Meinung, wenn er einmal mehr und mehr im Detail bekannt wird — dazu ist allerdings noch einiges zu tun —, dann wird man auch in der deutschen Öffentlichkeit begreifen, welches Gesetzgebungswerk wir hier vorgelegt haben.
    Was 'nun den Kreis der von der Krankenversicherung erfaßten Personen betrifft, so geht der Entwurf — wie auch der, den ich in der vergangenen Legislaturperiode vorgelegt hatte — davon aus, daß die Krankenversicherung als Pflichtversicherung wieder eine reine Arbeitnehmerversicherung werden soll. Die bisher versicherungspflichtigen Selbständigen werden aus der Versicherungspflicht entlassen; sie sollen aber berechtigt sein, der Versicherung freiwillig beizutreten. Die Gleichstellung der Arbeiter und der Angestellten in ihren Rechten gegenüber dem Arbeitgeber im Falle der Krankheit
    bedingt — und ich glaube, das ist eine Selbstverständlichkeit — auch ihre versicherungsrechtliche Gleichstellung.
    Meine Damen und Herren, allzuviel Leute hangen der Rosinentheorie an, indem sie nämlich glauben, aus einem Vorschlag .das, was gut, was nach ihrer Ansicht erstrebenswert, was nach ihrer Ansicht ein Vorteil gegenüber den Berechtigten ist, sehr wohl in Anspruch nehmen zu können, aber die Konsequenzen, die damit verbunden sind, von sich weisen zu können. Das geht nicht. Hier müssen wir uns an den uralten Grundsatz halten, der schon in jeder Kinderstube gelehrt wird: Wer die Rosinen verzehren will, muß sich auch mit den Krusten des. Kuchens abfinden. Beides gehört zusammen.

    (Beifall bei ,der CDU/CSU.)

    Deshalb wird erstmalig in der Geschichte der deutschen gesetzlichen Krankenversicherung die Versicherungspflichtgrenze auch für Arbeiter eingeführt, genauso wie sie für die Angestellten gilt; denn wer das Recht der Arbeiter auf Lohnfortzahlung erstrebt, der muß auch dem 'beipflichten, der feststellt, daß dann auch .das Versicherungsrecht dasselbe sein muß.

    (Sehr richtig! in der Mitte.)

    Deshalb soll die Versicherungspflichtgrenze angehoben werden. Sie liegt heute bei 660 DM im Monat und soll künftig 750 DM betragen.
    Die Einführung einer Versicherungspflichtgrenze für Arbeiter stellte uns vor das Problem, eine neue Berechnungsweise der Jahresarbeitsverdienstgrenze, das heißt der für das Ausscheiden ,aus der Zwangsversicherung maßgebenden Einkommensgrenze, zu finden. Während der Angestellte im großen und ganzen ein festes Monatsgehalt hat, das nur geringen Schwankungen unterliegt, kann sich der Lohn des Arbeiters von Monat zu Monat in mehr oder weniger großem Ausmaß ändern. Es mußte daher verhindert werden, daß diese Änderungen der Lohnhöhe sich unmittelbar und sofort auf das Versicherungsverhältnis auswirken und daß unter Umständen Versicherungsfreiheit und Versicherungszwang oder umgekehrt einander abwechseln.
    Der Entwurf hat dafür eine Lösung gefunden, indem er für die Versicherungspflicht oder Versicherungsfreiheit das Entgelt zugrunde legt, das sich voraussichtlich für ein Jahr aus dem Arbeitsverhältnis regelmäßig ergibt. Dabei sollen Zuschläge aller Art, einmalige Zuwendungen und Mehrarbeitsvergütungen grundsätzlich außer Betracht bleiben. Das gilt selbstverständlich nur für die Jahresarbeitsverdienstgrenze, nicht aber für die Bemessung der Beiträge und Leistungen.
    Praktisch bedeutet dieser Vorschlag, daß die Versicherungspflichtgrenze für Arbeiter effektiv nicht bei 750 DM im Monat liegt, sondern bei etwa 830 DM. Denn nach unseren Feststellungen kann damit gerechnet werden, daß im Durchschnitt 11 % des Lohns auf die genannten Zuschläge und Mehrarbeitsvergütungen entfallen.
    Dennoch, meine Damen und Herren, scheiden — und ich möchte dieses Problem weder bagatellisieren noch verschweigen — künftig zirka 2,7 Millionen Arbeiter aus der Versicherungspflicht aus.
    ,(Hört! Hört! bei der SPD.)

    Kritiker des Entwurfs haben die Frage gestellt, ob ein Arbeiter mit 750 DM bzw. 830 DM Monatsverdienst nicht mehr schutzbedürftig sei. Dazu möchte ich etwas sagen.
    1. Als die deutsche gesetzliche Krankenversicherung 1914 neu geordnet wurde, wurde die Versicherungsgrenze auf 2500 Reichsmark jährlich festgesetzt; denn der Gesetzgeber ging davon aus, daß kein Arbeiter mehr als diesen Betrag im Jahr verdienen könne. In der Zwischenzeit wurde sie fünfmal — bis auf 7920 DM — erhöht. Ich schlage in diesem Gesetzentwurf eine weitere Erhöhung auf 9000 DM vor. Heute fallen bei einer Versicherungspflichtgrenze von 750 DM oder von effektiv 830 DM 2,7 Millionen Arbeiter aus der Versicherungspflicht heraus. Das bedeutet — und das wirft auch ein Licht auf die soziale Lage in Deutschland —, daß nahezu ein Fünftel der deutschen Arbeiter mit ihrem Einkommen über dieser Grenze liegen.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Das betrachte ich als einen Erfolg unserer Wirtschaftspolitik.

    (Erneuter Beifall bei den Regierungsparteien.)

    2. Die Höhe der Versicherungspflichtgrenze ist gar keine Frage der Schutzbedürftigkeit. Der Versicherte hat die Möglichkeit, sich bei Überschreiten



    Bundesminister Blank
    der Grenze freiwillig weiter zu versichern, und hat dann die gleichen Leistungsansprüche wie der Pflichtversicherte. Es ist eine ganz andere Frage, die hier zur Debatte steht: wer den Beitrag zahlt. Ich bin immer für Klarheit und Redlichkeit. Derjenige, der aus der Pflichtversicherung herauswächst, hat keinen Anspruch mehr auf den Beitragsanteil des Arbeitgebers. Darum geht es. Hier darf ich Sie, meine Damen und Herren, auf das Lohnfortzahlungsgesetz hinweisen. Wir stellen mit diesem Gesetz den Arbeiter dem Angestellten gleich. Beide haben den Anspruch auf Fortzahlung des Lohnes. Wir können also den Arbeiter auch versicherungsrechtlich nicht anders behandeln als den Angestellten. Wenn die Versicherungspflichtgrenze für den Angestellten gilt, muß sie auch für den Arbeiter gelten. Ich sehe keinerlei Grund, einen Arbeiter mit gleichem Einkommen in der Krankenversicherung anders zu behandeln als einen Angestellten. Das würde dem Streben nach rechtlicher Gleichstellung direkt zuwiderlaufen.
    3. Wir muten, meine Damen und Herren — nun muß ich ein heikles Kapitel einmal anschneiden; es ist nämlich immer die Frage des Geldes —, dem Arbeitgeber zu, künftig für 6 Wochen den Lohn an alle Arbeitnehmer im Krankheitsfalle weiterzuzahlen. Das bedeutet, wie ich schon gesagt habe, für den Arbeitgeber eine Mehrbelastung, die, wenn wir alle Entlastungen wie die eben genannte Übernahme des Beitrags für das Kindergeld auf den Bund einbeziehen und Senkungen des allgemeinen Beitrags in der Krankenversicherung einrechnen — immer nach meinen Feststellungen, nach den sehr sorgfältigen Berechnungen, die wir im Ministerium angestellt haben, soweit man so etwas berechnen kann —, bei 1,4 Milliarden DM im Jahr liegt; das ist also doch noch eine weitere Belastung für die Wirtschaft von 1,4 Milliarden DM im Jahr.
    Nun, meine Damen und Herren, muß ich einen Satz aussprechen, den ich schon oft gesagt habe — ich bitte um Entschuldigung für die Wiederholung —: es ist merkwürdig; solange man sich über Tausende und bestenfalls noch über Hunderttausende unterhält, stößt man auf Diskussionsbereitschaft und auf viel Verständnis. Wenn es aber um Summen geht, die Milliarden oder 'darüber hinausgehende Beträge ausmachen, scheint mir das Vorstellungsvermögen manchmal einer ernsthaften Diskussion hinderlich zu sein; denn hier wird über Summen hinweggegangen, als ob sie eine Kleinigkeit seien. Meine Damen und Herren, 'ich will der Diskussion, die wir hier um den Haushalt erleben werden, nicht vorgreifen, wenn ich Ihnen bei dieser Gelegenheit einmal eine Gesamtschau über das gebe, was finanziell zu leisten ist, wenn wir die Wünsche, die auf sozialpolitischem Gebiete angemeldet worden sind — ich will über die Berechtigung hier noch gar kein Wort verlieren —, erfüllen wollen.
    Meine Damen und Herren, es ist gut, daß 'dasselbe Parlament — das sich in seinem sozialpolitischen Wollen ehrt —, das die Interessen derjenigen vertritt, denen sozialpolitische Forderungen zukommen, auch vor der unausweichlichen Notwendigkeit steht, zu beschließen, woher das erforderliche Geld kommen soll. Es ist ein Irrtum, zu glauben, daß man in einem Volk von 53 bis 54 Millionen Einwohnern, von denen mehr als 25 Millionen Erwerbspersonen sind und davon etwa 211/2 Millionen in abhängiger Stellung, das heißt gegen Lohn oder Gehalt beschäftigt, die großen Summen des Haushalts auf die sagenhaften, wenigen Reichen umlegen könne.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Wenn diese Situation erreicht ist — und sie ist erreicht —, dann, meine Damen und Herren, zahlen wir alle in der Gesamtheit mehr.

    (Sehr richtig! bei der CDU/CSU.)

    Das Ausmaß der Belastung, die auch die auf der untersten Einkommensstufe Stehenden, also die Abhängigen, die Arbeiter, schon heute zu tragen haben, geht vielfach über das hinaus, was sie an sozialer Förderung jemals zu erwarten haben.

    (Beifall bei Abgeordneten der Regierungsparteien.)

    Das ist ein so ernstes Problem, daß man sich einmal weniger damit beschäftigen sollte, was auf diesem und jenem Gebiet noch an Leistungsverbesserungen vorzuschlagen wäre, sondern sich einmal ernsthaft mit der Frage zu beschäftigen hat, inwieweit man nicht durch eine solche Politik der Sozialisierung des verdienten Lohns die Betroffenen erst sozialpolitisch bedürftig macht.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.) Das muß wirklich einmal untersucht werden.

    Die Sozialpolitik hat eben, wie ich gesagt habe, ihre zwei Seiten. Wie bei jeder Medaille pflegt die eine, nach vorn getragene als sehr viel angenehmer empfunden zu werden als die andere, minder schöne, die man deshalb ja auch verdeckt trägt. Aber wir haben sie hier beide zu betrachten, weil wir in diesem Hohen Hause sowohl für die eine wie für die andere Seite dem deutschen Volke Rechenschaft und Verantwortung schuldig sind.
    Wenn wir nun den Rechenstift zur Hand nehmen, sehen wir, daß das Ergebnis auch für den Arbeiter durchaus erträglich ist. Ein Arbeiter mit einem monatlichen Einkommen von 850 DM hätte nach bisherigem Recht bei Zugrundelegung des durchschnittlichen Beitrags von 10 % — so weit sind wir gekommen in der Krankenversicherung! —

    (Abg. Ruf: Leider!)

    und bei einer Versicherungspflichtgrenze von 750 DM monatlich 75 DM Beitrag zu zahlen, wovon die eine Hälfte von 37,50 DM auf ihn und die andere Hälfte auf den Arbeitgeber entfiele.
    Nun, wir glauben, daß er auch in Zukunft nicht mehr zu zahlen haben wird. Denn ich glaube, wie Sie im finanziellen Teil der Begründung nachlesen können, daß wir bei unserer Neuregelung in Zukunft mit einem allgemeinen Beitrag von im Durchschnitt 5% auskommen werden. Der Arbeiter gewinnt also, wenn er aus der Versicherungspflicht herauswächst, seinen Lohnanspruch gegen den Arbeitgeber für sechs Wochen, und verliert, selbst



    Bundesminister Blank
    wenn er aus der Versicherungspflicht ausscheidet, gemessen an seiner heutigen Belastung nichts. Das ist das ganz einfache Fazit. Er wird selbstverständlich nicht so günstig gestellt wie sein Kollege, der nur 700 DM verdient und auch nach der Senkung des Beitrags von heute 10 auf 5 0/o seinen Arbeitgeberanteil erhält. Aber das ist schließlich das von uns allen bejahte Prinzip der Solidarität in der gesetzlichen Versicherung.
    Gestatten Sie mir noch ein Wort zu einem Vorschlag, die Versicherungspflichtgrenze nach der Zahl der Familienangehörigen zu staffeln. Ich befasse mich mit diesem Vorschlag nicht deshalb, weil er einer der Zentralpunkte dieses meines Entwurfs wäre; denn, meine Damen und Herren, Sie werden bei objektiver Betrachtung des Entwurfs sagen, daß das, was hier jetzt an neuen zusätzlichen Leistungen für die Familie geschieht, ebenfalls ein Optimum darstellt und so leicht nicht zu übertreffen ist. Ich befasse mich mit diesem Vorschlag deshalb, weil ich mich dagegen wehre, daß, wenn man eine andere Auffassung vertritt als ein anderer, sich dann in der deutschen Offentlichkeit als familienfeindlich bezeichnen lassen muß. Meine Damen und Herren, Nachdenken über ein Problem kann niemals familienfeindlich sein; und deshalb will ich dieses Problem jetzt einmal behandeln. Was wäre denn die Folge, wenn der Arbeitgeber bei gleichem Lohn für den Ledigen keine Versicherungsbeiträge zu zahlen, für den Verheirateten aber höhere Aufwendungen hätte? Es ist wohl kein Geheimnis — oder verrate ich ein Geheimnis, wenn ich das sage? — — Ach, 3) Sie brauchen keine Angst zu haben, ich habe keine Kontakte zu gewissen Zeitschriften. — Meine Damen und Herren, es ist kein Geheimnis, daß die Wirtschaftskonjunktur aus ihrem bisherigen Galopp in einen, nun, ich will einmal sagen, sanfteren Trab verfallen ist.

    (Zuruf des Abg. Dr. Dresbach: Sie haben wohl bei der Kavallerie gedient!)

    — Nein, nein, das gab es zu meinen Zeiten nicht mehr; so vornehm war man da nicht mehr. — Aber, Herr Kollege Dresbach, es könnte auch einmal geschehen, daß sie sogar im Schritt geht; und dann, meine Damen und Herren, würde dieses Mehr für den verheirateten Arbeitnehmer vielleicht über den Arbeitsplatz des Familienvaters entscheiden. Ich sage „ja" zu allen Entscheidungen, die die Familie begünstigen. Ich sage aber nein zu Vorschlägen, die den Familienvater in eine ungünstigere Lage auf dem Arbeitsmarkt bringen als den Junggesellen.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Und das ist eine uralte Weisheit, die habe ich mir schon vor über dreißig Jahren als blutjunger Gewerkschaftssekretär an den Stiefelsohlen abgelaufen. Es könnte sich bald erweisen, meine Damen und Herren, daß der Arbeitsplatz für den Familienvater unendlich wichtiger ist als der Arbeitgeberanteil zur Krankenversicherung.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Ich habe Sie soeben mit den großen Leistungsverbesserungen, die dieser Entwurf enthält, in großen Zügen bekanntgemacht. Alle Leistungsverbesserungen aber kosten Geld. Wollten wir bei dem jetzigen System der Mittelbeschaffung bleiben, bedeutete das eine beachtliche Erhöhung der Beiträge. Habe ich denn nicht recht behalten? Als ich damals um einen Entwurf gekämpft habe, habe ich Ihnen gesagt, mit Sicherheit würde die Belastung, die nach meinen Vorschlägen nur einzelne betroffen hätte, über die Gesamtheit kommen: Ist sie denn nicht eingetreten? Haben wir denn nicht die Steigerung der Beiträge erfahren, und liegen wir nicht jetzt im Schnitt an der Zehnprozentgrenze, wobei sie bei einigen Krankenkassen sogar überschritten und nur bei den Landkrankenkassen der Landwirtschaft und bei den Innungskrankenkassen wesentlich unter dem Durchschnitt liegt? Allein von 1960 bis 1962 mußten die Beiträge im Schnitt von 8,42 % auf 9,66 % erhöht werden. Das bedeutet für einen Versicherten, der ein monatliches Einkommen von 660 DM bezieht, eine Mehrausgabe von rund 4 DM im Monat und 48 DM im Jahr. Sie können selber ermessen, wie die Belastung des Versicherten nach dem jetzigen System angesichts der vorgesehenen großen Leistungsverbesserungen aussähe. Deshalb — und damit sind wir sicherlich beim Angelpunkt — sieht der vorliegende Entwurf vor, daß bestimmte Leistungen nicht mehr voll aus dem kollektiven Beitrag finanziert werden sollen, sondern zu einem, wenn auch bescheidenen Teil aus einem Individualbeitrag des Versicherten, den er bei Nichtausschöpfung ganz oder teilweise zurückerstattet bekommen kann.
    Damit soll die Verantwortlichkeit bei der Inanspruchnahme von Leistungen der Krankenversicherung angesprochen werden und zum Ausdruck kommen, daß eine hochqualifizierte Versicherung — ich glaube, sie läßt sich nicht mehr ausbauen — bei erträglicher Belastung des Versicherten nur möglich ist, wenn die Versichertengemeinschaft vom Bewußtsein echter Solidarität getragen wird.
    Als Eigenbeteiligung bei den Arzneikosten sieht der Entwurf 10 % der Kosten der Verordnung auf einem Verordnungsblatt, mindestens 1 DM, höchstens 3 DM, vor. Eine Härteklausel läßt es zu, von dieser Eigenbeteiligung zu befreien, besonders dann, wenn bei geringem Einkommen, bei längerer Krankheit, bei Häufung von Krankheiten in der Familie oder bei Bedarf von besonders aufwendigen Arneimitteln die Lebenshaltung des Versicherten oder seiner Familie durch die Zahlung unzumutbar beeinträchtigt würde.
    Ich glaube, über diese Art und Form der Beteiligung dürften keine schwerwiegenden Meinungsverschiedenheiten bestehen. Auch die SPD weist in ihrem Sozialplan für Deutschland, auf den ich schon mehrfach an dieser Stelle hingewiesen habe, auf die Gefahren des Arzneimittelmißbrauchs hin und befürwortet eine Selbstbeteiligung oder sogar die volle Kostenübernahme durch den Versicherten bei bestimmten Arzneimitteln. Seit 1957 ist der Arzneimittelverbrauch weiterhin und sehr erheblich gestiegen. Die Ausgaben der Krankenversicherung für Arzneimittel haben im Jahre 1957 774 Millionen DM, im Jahre 1961 — hören Sie! — aber schon etwa 1250 Millionen DM betragen. Über die Gefahren des übermäßigen Arzneimittelverbrauchs sind von beru-



    Bundesminister Blank
    fener Seite ganze Bücher geschrieben worden; ich will deshalb darüber weiter nichts sagen. Sogar der englische Gesundheitsdienst ist von seiner früheren kostenlosen Gewährung von Arzneimitteln abgegangen und verlangt schon seit mehreren Jahren eine Beteiligung des Versicherten in Form des sogenannten „Arzneimittel-Schillings".

    (Abg. Rohde: Das haben die englischen Konservativen getan!)

    — Das haben die Leute getan, die gesehen haben, Herr Rohde, daß sonst ihr Gesundheitsdienst zusammengebrochen wäre. Aber nun komme ich zu einem Land, wo die Konservativen nicht regieren: zu Schweden. Schweden verlangt sogar eine Rezeptgebühr von 3 Kronen und, wenn das Medikament teurer ist, von 500/o der Mehrkosten. 3 Kronen sind, wenn ich recht unterrichtet bin, etwa 2,30 DM.

    (Hört! Hört! in der Mitte.)

    Sie sehen, Herr Rohde, so geht es nicht, zu sagen: hie Konservative, hie Labour. Es kommt ganz darauf an, ob man in der Verantwortung steht oder nicht; dann nämlich trifft man diese Entscheidungen.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Als wir in der vergangenen Legislaturperiode als Vorschlag für die Selbstbeteiligung bei ärztlichen und zahnärztlichen Leistungen die Inanspruchnahmegebühr brachten, wurden dagegen vor allem zwei Bedenken laut. Man glaubte, daß die unmittelbare Zahlung an den Arzt das Verhältnis Arzt — Patient
    B; stören, den Versicherten unter Umständen von einem berechtigten Arztbesuch abhalten und die Ärzte mit Verwaltungsarbeit belasten könne. Die Bundesregierung hat sich bemüht, diesen Bedenken Rechnung zu tragen, und schlägt nunmehr ein System vor, das der Beitragsrückerstattung ähnlich ist. Der Versicherte zahlt zum allgemeinen Beitrag einen besonderen Beitrag in Höhe von 2 % des beitragspflichtigen Entgelts. Von diesem angesparten Betrag werden am Ende des Kalenderjahres 25 % der Ausgaben, die der Kasse für ärztliche und zahnärztliche Leistungen entstanden sind, abgerechnet. Der Rest wird ihm zurückgezahlt. Bei einem Versicherten mit einem Einkommen von etwa 600 DM würde das bedeuten, daß der durch den besonderen Beitrag angesparte Betrag am Jahresende 144 DM betragen würde. Hat der Versicherte — ich habe einmal ein Rechenbeispiel aufgemacht, das nicht aus der Luft gegriffen ist — nun im Jahre an Kosten für Arzt und Zahnarzt etwa 160 DM verursacht, so erhält er am Jahresende immerhin 104 DM von der Kasse zurückerstattet.
    Ich darf darauf hinweisen, daß diese Zahl von 160 DM eher zu hoch als zu niedrig gegriffen ist; denn der Leistungsbedarf je Behandlungsfall wird nach den Statistiken der Kassenärztlichen Bundesvereinigung für das Jahr 1960 mit 15,40 DM angegeben. Die Gesamtvergütung bzw. das Einzelleistungshonorar betrug je Mitglied, die Familienangehörigen eingerechnet, im Jahre 1960 bei den RVO-Kassen rund 65 DM und bei den Ersatzkassen für Angestellte rund 82 DM.
    Sie sehen also, wenn ich nicht von irgendwelchen Phantasiezahlen, sondern von der realen Wirklichkeit ausgehe, wie sie in der Statistik greifbar ist, dann bedeutet das im großen und ganzen, von Einzelfällen abgesehen, daß schon bei einer Eigenbeitragsleistung von 144 DM, wie ich eben ausgerechnet habe, bei einer weit über den Durchschnitt hinausgehenden Inanspruchnahme immerhin noch eine erhebliche Rückvergütung von, wie ich sagte, rund 104 DM möglich ist.
    Nun bin ich mir aber darüber klar, daß kein irgendwie gearteter Vorschlag, der eine Eigenleistung vorsieht, den Gegner aus Prinzip daran hindert, gesundheitspolitische Bedenken anzumelden. Ich teile diese Bedenken nicht. Wer behauptet, daß sich ein Arbeitnehmer durch die Aussicht, von dem angesparten Betrag einen geringen Teil einzubüßen, von einem notwendigen Besuch beim Arzt abhalten läßt, der stellt ihm ein Armutszeugnis aus.

    (Sehr richtig! bei der CDU/CSU.) Ich halte den Arbeitnehmer für klug genug


    (Abg. Winkelheide: Und für mündig!)

    — für diesen Zwischenruf bin ich Ihnen sehr dankbar, Herr Kollege Winkelheide; ich bedauere, daß er in meinem Konzept fehlt — und für mündig genug, daß er selbst beurteilen kann, was ihm seine Gesundheit wert ist; das brauchen ihm die Fuktionäre nicht zu sagen.

    (Beifall bei der CDU/CSU. — Unruhe bei der SPD.)

    Ich glaube auch nicht, daß der deutsche Arbeitnehmer seiner Gesundheit weniger Wert beimißt als der schwedische oder französische, und ich glaube letztlich nicht, daß die Regierung Schwedens, die im Rahmen des Kostenerstattungssystems eine Selbstbeteiligung von 25 % eingeführt hat, ihre Bevölkerung gesundheitspolitischen Gefahren aussetzen wollte. Ich glaube, diesen Vorwurf hätte die Regierung nicht verdient. Ich habe mich mit dem damaligen Arbeitsminister, dem heutigen Außenminister Schwedens, als er auf dem Parteitag der SPD gesprochen und auch dort auf diesen Fortschritt hingewiesen hatte, der darin liege, daß man jetzt in der Erstattung so hoch gehe, nachher — als ei mir einen Höflichkeitsbesuch machte — über diese Problematik unterhalten. Meine Damen und Herren, ich weise es von mir, die schwedischen Verhältnisse zu kritisieren, und ich stehe gar nicht auf dem Standpunkt, daß es erstrebenswert wäre, in jedem Land ohne Rücksicht auf das historisch Gewachsene, ohne Rücksicht auf die Eigenarten, die nun einmal hier so und da anders sind, alles in einen Eintopf zu gießen; ich halte das für eine Utopie. Aber es sei mir doch erlaubt, wenn auf die angeblich so großen gesundheitspolitischen Gefahren wegen einer so bescheidenen Eigenleistung hingewiesen wird, die Beispiele in anderen Ländern zu nennen, denen man, wie ich glaube, nicht den Vorwurf machen kann, ihre Bevölkerung gesundheitspolitischen Gefahren auszusetzen.

    (Sehr gut! bei der CDU/CSU.)




    Bundesminister Blank
    Ferner steht fest — und wir haben heute genügend statistisches Material, um das genau überschauen zu können, mindestens in den europäischen Ländern —, daß der Gesundheitszustand der schwedischen oder französischen oder der Bevölkerung der anderen Länder, die eine Kostenbeteiligung kennen, nicht schlechter ist als der Gesundheitszustand der Bevölkerung in den Ländern, die eine solche Kostenbeteiligung nicht haben. Ich bin nur idavon. überzeugt, daß alle Systeme mit einer Kostenbeteiligung nach den Prinzipien der wirtschaftlichen Vernunft besser funktionieren als die anderen; und darauf kommt es an.
    Auch der Einwand, daß durch eine Eigenleistung die sozial Schwachen unzumutbar belastet würden, geht fehl. Die Höhe der Beteiligung ist durch die Höhe des besonderen Beitrags begrenzt. Der Versicherte mit geringem Einkommen hat daher weniger zu zahlen als der Versicherte mit einem höheren Einkommen, im selben Ausmaß, wie die Gehälter zueinander in Relation stehen. Durch die Lohnfortzahlung und das vorgesehene System der Individualleistung wird der allgemeine Beitrag des Versicherten so gesenkt, daß er künftig, den besonderen Beitrag eingerechnet, weniger belastet ist als heute. Das, meine Damen und Herren, ist die Realität.
    Nun wird eingewendet, daß dies aber nicht für die Angestellten zutreffe, da sie schon seit langem den Anspruch auf Fortzahlung des Entgelts hätten, also eine Senkung des allgemeinen Beitrags durch die Lohnfortzahlung nicht eintrete. Ich aber glaube, daß dennoch durch die vorgesehene Eigenleistung der allgemeine Beitrag gesenkt werden kann, wenn auch vielleicht etwas weniger als bei den Arbeitern. Zwingt aber die Tatsache — und das frage ich in allem Ernst —, daß der Angestellte die Vorteile der Lohnfortzahlung schon seit 30 Jahren genießt, unbedingt dazu, für ihn jetzt nach einem weiteren Vorteil zu suchen, damit der Abstand gewahrt bleibt? Die Bundesregierung ist zwar gegen jede soziale Gleichmacherei. Aber kann man von Gleichmacherei sprechen, wenn das Niveau der wirtschaftlich Schwächeren gehoben wird? Ich meine, der Sinn unserer Sozialpolitik besteht geradezu darin, die Lage der wirtschaftlich Schwächeren zu verbessern, nicht aber darin, die Abstände zwischen den einzelnen Berufsgruppen auch dann einzuhalten, wenn sie durch die Entwicklung unserer Gesellschaft längst nicht mehr gegeben sind.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Damit ist keiner Gruppe in dem vielfältigen Bild der sozialen Zusammensetzung des deutschen Volkes die Möglichkeit genommen, mit ihren eigenen Kräften, ihren eigenen Organisationen und mit ihrem eigenen Wollen für einen weiteren sozialen Fortschritt zu kämpfen; das ist der Bewegung der Arbeiter wie der Angestellten immanent und ein berechtigtes Anliegen.
    Meine Damen und Herren, wir nehmen den Angestellten nichts weg, aber wir wollen den Arbeitern geben, was wir für richtig und für sinnvoll halten.
    Schließlich muß ich ein Wort zu dem Vorwurf sagen, die Regelung des besonderen Beitrags sei familienfeindlich, weil der Familienvater nicht dieselben Chancen auf Rückzahlung des besonderen Beitrags habe wie der Ledige. Ich befasse mich mit dem Vorwurf deshalb, weil ich aus der Diskussion eines herausbringen will: das Diffamierende. Man kann unterschiedlicher Auffassung über dieses oder jenes sein, aber es ist nicht richtig, die andere Auffassung mit abwertenden Adjektiven zu belegen. Dagegen wollte ich mich wehren.

    (Beifall in der Mitte.)

    Ich muß mit Nachdruck feststellen: die deutsche gesetzliche Krankenversicherung ist und bleibt — sie war es schon in ihrem alten Gewande, sie ist es noch vielmehr, wie ich sagte, bis zum Optimum, ich sagte nicht, bis zum Maximum, nach dem vorliegenden Entwurf — die familienfreundlichste Einrichtung, die wir im ganzen Sozialrecht kennen.

    (Zustimmung in der Mitte.)

    Für den gleichen Beitrag hat der Familienvater, insbesondere nach Einführung der Lohnfortzahlung einen höheren Anspruch als der Ledige. Ich weiß nicht, ob Sie einmal darüber nachgedacht haben, wie groß der Anteil derjenigen, die niemals über sechs Wochen hinaus krank feiern, an der Zahl der Krankfeiernden überhaupt ist. Es ist nämlich der weitaus größte Teil gegenüber den wenigen, traurigen Fällen, in denen der Betreffende länger krank feiern muß. Wenn ich an meine eigene Kindheit zurückdenke, dann wollte ich, wir hätten damals eine gesetzliche Bestimmung gehabt, wonach auch mein Vater mal sechs Wochen hätte krank feiern können, was er aus Angst, dann für seine zehn Kinder kein genügendes Einkommen zu haben, nicht tun konnte. Er hätte es tun können, wenn auch er schon für sechs Wochen den Lohn fortgezahlt bekommen hätte.
    Deshalb möchte ich sagen: Was wir hier eingeführt haben, ist geradezu dem Familienvater auf den Leib zugeschnitten.

    (Beifall in der Mitte. — Zuruf von 'der SPD.) — Das ist nach Ihrer Auffassung Mist?


    (Abg. Dr. Mommer: Das hat niemand gerufen!)

    — Dann bitte ich vielmals um Entschuldigung; ich glaubte das verstanden zu haben. Herr Kollege Mommer, man müßte sich wirklich einmal damit beschäftigen, daß man, wie mir jeder bestätigen wird, der hier am Rednerpodium gestanden hat, kaum den Inhalt eines Zwischenrufes verstehen kann. Das ist bedauerlich. Man kann dann manchmal auch nicht richtig antworten.
    Für den gleichen Beitrag hat der Familienvater, insbesondere nach Einführung der Lohnfortzahlung, den mehrfachen Anspruch des Ledigen, und auch nach Einführung des besonderen Beitrages finanziert der Ledige die Leistungen für den Verheirateten und den Familienvater in einem Umfang und in einem Ausmaß mit, daß es einfach nicht gestattet ist, ihm eine noch weitergehende Belastung in der gesetzlichen Krankenversicherung zuzumuten.



    Bundesminister Blank
    An der Stelle eine Einschaltung! Die wirtschaftliche Sicherung einer Familie 'beginnt nicht erst mit der Eheschließung. Darf ich einmal darauf hinweisen, daß zu 'den Aufgaben eines verantwortungsbewußten Mannes auch gehört, im Hinblick auf die Ehe, die er zu schließen beabsichtigt, in seiner Junggesellenzeit durch vernünftigen Gebrauch seiner materiellen Mittel etwas für seine spätere Familie zurückzulegen.

    (Abg. Frau Kalinke: Sehr vernünftig!)

    Die Belastungen, die man auf den Junggesellen überträgt, dürfen also nicht die Grenze überschreiten, wo es ihm unmöglich gemacht wird, im Hinblick auf die zu gründende Familie das Seinige zu erübrigen. Bevor man Familienvater wird, ist man bekanntermaßen Junggeselle und kann mit Verantwortungsbewußtsein schon einiges für die zukünftige Familie tun. Das ist auch Familienpolitik!

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Schließlich komme ich zu dem berühmten Einwand der angeblichen verwaltungsmäßigen Undurchführbarkeit des besonderen Beitrags. Ich kann mich nicht des Eindrucks erwehren, daß das Argument des Verwaltungsaufwands vielfach dann gebraucht wird, wenn sich sachliche Argumente nicht mehr finden lassen. Gestatten Sie mir hier ein kleines Beispiel aus den Beratungen dieses Entwurfs in einem Ausschuß des Bundesrates. Der Vertreter eines Landes hat auf Mark und Pfennig berechnet, daß die Verwaltungskosten, die durch das System des besonderen Beitrags entstünden, sage und schreibe 600 Millionen DM ausmachten.

    (Abg. Ruf: Das ist ja kompletter Unsinn!)

    — Eine solche Äußerung dürfte ich mir von dieser Stelle aus nicht erlauben, Herr Kollege Ruf. Als aber die Vertreter des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung darauf hinwiesen, daß die gesamten Verwaltungskosten der gesetzlichen Krankenversicherung mit all ihren differenzierten Aufgaben, sowohl den eigenen wie den Fremdaufgaben, im Jahre 1959 456 Millionen DM überhaupt ausgemacht hätten und im Jahre 1962 nicht einmal die Grenze von 600 Millionen DM erreichen würden, was meinen Sie, was da passierte: da wurde diese Berechnung stillschweigend und leise zurückgezogen.

    (Abg. Ruf: Hört! Hört!)

    Meine Damen und Herren, so leicht und so einfach kann man sich die Dinge nicht machen. Wir beabsichtigen nicht, ein Verwaltungsverfahren für Einzug und Abrechnung des besonderen Beitrags vorzuschreiben. Das kann und muß den einzelnen Kassen überlassen bleiben. Nichts deutet darauf hin, daß sie dazu nicht fähig wären. Sie sind bisher mit ihrer Verwaltungsarbeit, wie ich feststellen kann, sehr gut fertig geworden. Wir haben einen Weg gewiesen, der praktikabel ist und die Verwaltungsausgaben gegenüber dem heutigen Stand wahrscheinlich nicht erhöht, wenn man die Entlastung der Krankenkassen durch den Wegfall der Krankengeldberechnung berücksichtigt.
    Die Eigenleistung beim Krankenhausaufenthalt, die nur derjenige bezahlen soll, dessen Einkommen während der Krankheit ungeschmälert weiterfließt, beruht auf der Erwägung, daß die Ersparnisse bei Nahrung, Fahrten zum Beschäftigungsort usw. ausgeglichen werden müssen. Die gesetzliche Krankenversicherung ist nur dazu da, die wirtschaftlichen Nachteile zu beheben.
    Nun noch ein kurzes Wort zum Arztrecht. Hier kann ich auf Einzelheiten verzichten. Ich stehe zu dem, was ich in Baden-Baden vor dem Hartmannbund gesagt habe; ich brauche davon nichts zurückzunehmen. Das Arztrecht soll nach den Grundsätzen der Kostenklarheit und Kostenwahrheit neu gestaltet werden. Das bedeutet, daß dem Versicherten eine Honorarrechnung des Arztes zugestellt wird. Der Versicherte soll dadurch erfahren, welche Ausgaben für ärztliche und zahnärztliche Behandlung notwendig waren, und die Möglichkeit haben, in etwa den Stand seines Rückzahlungskontos aus dem besonderen Beitrag zu ersehen.
    Auch das ärztliche Honorarwesen soll nach dem Grundsatz der Kostenklarheit und -wahrheit geregelt werden. Darum soll der Arzt nach Einzelleistungen honoriert werden und damit wissen, was seine Leistung wert ist und was er dafür an Honorar zu erhalten hat. Die Beseitigung der Pauschalhonorierung und die damit zusammenhängende Quotierung soll dazu beitragen, auch die Beziehung zwischen Arzt und Patienten zu verbessern. Kein Patient soll das Gefühl haben, daß er als Mitglied einer Kasse in minderer Stellung vor dem Arzt steht. Er soll vielmehr wissen, daß es für den Arzt von der Honorarfrage her gar keinen Unterschied zu geben braucht. Auch die unterschwellige Propaganda soll aufhören, bei der es heißt: Wir zahlen dem Arzt mehr als der andere, und deshalb wirst du da auch besser behandelt. Das, meine Damen und Herren, muß heute morgen einmal ausgesprochen werden. Die Honorierung soll nach einer Gebührenordnung erfolgen, die zwischen den Beteiligten auf Bundesebene vereinbart wird und für alle Kassen gilt. Diese Gebührenordnung hat aber Zuschläge für solche Kassen vorzusehen, deren Grundlohn den bundesdurchschnittlichen Grundlohn übersteigt.
    Schließlich möchte ich noch ein Wort zum vertrauensärztlichen Dienst sagen, weniger deshalb, weil unsere Vorschläge auf diesem Gebiet besonders sensationell wären, als vielmehr deswegen, weil auch hier mit dem bekannten Schlagwort vom Mißtrauen gegen die Versicherten operiert wird. Meine Damen und Herren, was dazu zu sagen ist, hat in einer inzwischen geradezu klassisch gewordenen Rede — ich habe Teile aus ihr hier mehrfach zitiert; es kann im Verlaufe der Diskussion noch einmal geschehen — der von mir hochverehrte Herr Vizepräsident des Hauses, Professor Dr. Carlo Schmid, gesagt. Ich füge dem kein Wort hinzu.
    Aber ich frage: Kann man den Arbeitern einen größeren Beweis des Vertrauens geben, als wir es mit unserem Vorschlag über die Lohnfortzahlung getan haben? Wir geben dem Arbeiter ein Recht in die Hand, das in seinen Auswirkungen nur dann für 'die Wirtschaft tragbar ist, wenn es verantwor-



    Bundesminister Blank
    tungsbewußt ausgeübt wird. Sollen wir dabei von der Fiktion ausgehen, daß alle gleich verantwortungsbewußt seien? Das tun offenbar nicht einmal unsere Kritiker; denn ich habe noch nie gehört, daß sie für einen gänzlichen Fortfall des vertrauensärztlichen Dienstes ihre Stimme erhoben hätten. Und die Verantwortungsbewußten haben ein Recht, sich vor den Verantwortungslosen, auch wenn diese in der Minderheit sein sollten, zu schützen.

    (Abg. Ruf: Sehr wahr!)

    Im Interesse der Allgemeinheit, aber auch im Interesse des Arbeitnehmers und im Interesse der Rechtssicherheit im Betrieb soll sich der vertrauensärztliche Dienst gutachtlich darüber äußern, ob die vom Arbeitnehmer behauptete Arbeitsunfähigkeit besteht. Zu diesem Zweck soll die unabhängige öffentliche Einrichtung des vertrauensärztlichen Dienstes in die Lage versetzt werden, den bürgerlich-rechtlichen Anspruch des Arbeitnehmers zu überprüfen. Das ist sicher nicht leicht. Aber ich glaube, daß der Entwurf eine gute Lösung vorsieht. Der Arbeitnehmer soll, wenn er einen Anspruch auf Lohnfortzahlung gegen den Arbeitgeber geltend macht, seinen behandelnden Arzt, der ihn arbeitsunfähig schreibt, veranlassen, einen objektiven Befundbericht an den vertrauensärztlichen Dienst zu senden. Der Vertrauensarzt entscheidet dann an Hand dieses Befundberichts, ob er den Versicherten nachuntersuchen muß, ob er ihn zu diesem Zweck vorladen soll oder ob er sein Gutachten an Hand des Befundberichts abgeben kann.
    Ich bedauere, an dieser Stelle sagen zu müssen, daß mir von allen Vorschlägen des DGB am unverständlichsten der erscheint, daß über das Vorladen zum vertrauensärztlichen Dienst die Krankenkassen entscheiden sollten. Gerade das wollten wir doch vermeiden,

    (Zuruf von der Mitte: Richtig!)

    daß nach einem von niemandem erfaßbaren System irgendein Angestellter, der, wie ich unterstelle, guten Glaubens und besten Willens ist, aber gar nicht übersehen kann, welche medizinische Problematik hier vorliegt,

    (Sehr richtig! in der Mitte)

    die Leute unbesehen zum Vertrauensarzt beordert. Wir wollten ja gerade, daß der krankschreibende Arzt unter Angabe seiner Diagnose und seines Therapievorschlages dem vertrauensärztlichen Dienst diese Mitteilung macht. Wir sind der Ansicht, daß der Vertrauensarzt dann schon an Hand dieser Unterlage sicherlich weit zutreffender — menschlicher Irrtum eingeschlossen — darüber befinden kann, ob eine Vorladung notwendig ist, als das auch der pflichteifrigste Krankenkassenangestellte tun könnte.

    (Sehr richtig! bei der CDU/CSU.)

    Deshalb, meine Damen und Herren, dieser Vorschlag, den ich als einen Fortschritt bezeichne.
    Im Rahmen der Krankenversicherung soll der vertrauensärztliche Dienst nicht anders tätig werden als bisher. Wegen der Mißtrauenspropaganda war ich offen gestanden sehr gespannt, welche Änderungsvorschläge hierzu wohl im Bundesrat gemacht würden. Aber es wurden gerade in dieser Hinsicht keine Einwendungen erhoben und auch keine Änderungsvorschläge gemacht. Das hat mich deshalb so überrascht, weil vorher in der deutschen Offentlichkeit so laut auf die Pauke geschlagen worden war, der Zentralgedanke dieses Entwurfs sei das Mißtrauen. Sehen Sie, meine Damen und Herren, wenn man sich erst einmal mit allen sachlichen Einzelheiten der Materie beschäftigt, sieht man, daß kein Raum für solche Schlagwortpropaganda ist.
    Meine Damen und Herren, ich habe Ihnen wichtige Teile des Entwurfs in ihren Grundzügen kurz erläutert. Ich habe, wie ich leider gestehen muß, nicht alles dargelegt. Das wäre auch nicht möglich gewesen. Ich muß Sie daher bitten, sich auch mit den den Gesetzentwürfen beigegebenen Begründungen zu beschäftigen. Ich will deshalb nicht auf weitere Einzelheiten der Vorlage eingehen, die insgesamt annähernd 500 Paragraphen umfaßt. Ich habe an Sie nur eine Bitte. Ich bitte Sie, die Vorlagen als das zu betrachten und zu beraten, was sie sind. Sie sind gar nicht in allen Einzelheiten das Letzte, was sich hier denken läßt; o nein, wer wollte so überheblich sein. Aber sie sind ein wichtiger Schritt auf dem Wege zu einer möglichst guten sozialen Ordnung.

    (Anhaltender Beifall bei den Regierungsparteien.)



Rede von Dr. Thomas Dehler
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Die Regierung hat ihre Entwürfe begründet. Wir treten in die Aussprache ein. Das Wort hat der Herr Abgeordnete Stingl.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Josef Stingl


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Sprecher der CDU/CSU-Fraktion geht, wenn er sich heute nach der Rede des Ministers auf die Tribüne begibt, einen schweren Gang. Er will nämlich im Grunde genommen das gleiche sagen, was Ihnen der Herr Minister gesagt hat; er will dartun, daß die Gedankengänge, die die Regierung bewogen haben, uns dieses Gesetzeswerk, dieses Sozialpaket, wie wir es nennen, vorzulegen, auch unsere Gedankengänge sind.
    Ich möchte hie und da noch einen Gesichtspunkt beitragen. Auch wir sind offen für Gespräche, so wie das der Herr Minister soeben gesagt hat, und die Ausschußberatungen werden noch einiges Ergiebige bringen. Ihnen das zu sagen, ist der Sinn meiner Ausführungen.
    Herr Minister, wir sind nicht nur der gesamten Regierung, sondern auch Ihnen persönlich besonders dankbar für die Rede, die Sie uns hier gehalten haben.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Wir haben erneut erkannt, daß Sie eine Vorstellung davon haben, wie man unseren Staat von der Sozialpolitik her zu ordnen hat, und daß das die Vorstellung der CDU/CSU ist.
    Mit der Vorlage dieses sogenannten Sozialpakets will die Regierung die Sozialreform fortsetzen, die wir mit der Änderung der Rentenver-



    Stingl
    sicherungsgesetze begonnen und jetzt in den Ausschußberatungen mit dem Unfallversicherungs-Neuregelungsgesetz weitergeführt haben. Dazu gehört auch das, was Sie, Herr Minister, ankündigten: ein 2. Neuregelungsgesetz in der Kriegsopferversorgung. Dazu gehört ferner, daß wir vor kurzer Zeit in diesem Hohen Hause ein Urlaubsgesetz verabschiedet haben. Alles das wollen wir als ein Ganzes sehen.
    Die drei Gesetze, die wir heute behandeln, stehen in einem engen Zusammenhang. Gewiß haben sie einen Zusammenhang in finanzieller Hinsicht. Der Minister hat das dargelegt. Sie haben aber auch einen Zusammenhang aus dem sachlichen Gehalt, aus der Weiterführung der Grundgedanken; denn diese ' wichtigen Gesetze gliedern den einzelnen wiederum neu ein in das Gefüge der Sozialordnung in unserer Bundesrepublik.
    Alle drei Gesetze, das KrankenversicherungsNeuregelungsgesetz, das Bundeskindergeldgesetz und das Lohnfortzahlungsgesetz, sind gewiß, jedes für sich, von entscheidender Bedeutung. Sie sind aber als Ganzes der Ausdruck unseres Willens, die Sozialpolitik zu modernisieren, sie der neuen Zeit anzupassen, mitzugehen mit der Entwicklung, die sich aus den volkswirtschaftlichen Gegebenheiten und den Verflechtungen im internationalen und insbesondere im europäischen Rahmen ergibt.
    Wir wollen dabei immer wieder daran denken, daß es nicht nur darauf ankommt, neue Organisationen zu schaffen, Institutionen zu legalisieren, sondern daß alles das nur den Sinn haben kann, das Selbstbewußtsein, die Verantwortung, die Würde des einzelnen zu stärken. Wir glauben nicht an das Heilmittel Organisation. Vielmehr sehen wir immer wieder den Menschen. Wir wissen aber auch, daß wir, wenn wir das wollen, wenn wir immer die Würde des Menschen heben wollen, wenn wir seine Freiheit stärken wollen, wenn wir ihn zu seinem eigentlichen Wesen kommen lassen wollen, ihm auf der anderen Seite eben auch mehr Verantwortung zumuten müssen. Ja, es ist eine Notwendigkeit, es entspricht seinem Wesen, ihm mehr Verantwortung zu geben.

    (Beifall in der Mitte.)

    Darum bringt dieses Gesetzeswerk nicht nur eine Fülle von Mehrleistungen, sondern auch eine Fülle von Mehrverantwortung, von Anspruch an den Geist des Menschen, der eben nicht nur mit Geldleistungen befriedigt werden kann, sondern der sich selbst betätigen und eigenen Willen dazu haben muß.

    (Erneuter Beifall in der Mitte.)

    Freiheit ist für uns eine Angelegenheit, die wir in der Chance, aber auch im Risiko erkennen. Wir bejahen, daß Chance und Risiko dazu gehören.
    Natürlich wären wir schlechte Sozialpolitiker, würden wir nicht dazusetzen, daß wir eine Grenze dieses Risikos sehen wollen, eine Grenze, die wir in die Sozialgemeinschaft all dieser Betroffenen einbetten. Man kann sich natürlich darum streiten, wo diese Grenze zu setzen ist, und offensichtlich geht
    darum der Streit. Jedenfalls lehnen wir die Gläubigkeit zur Organisation ab. Wir wollen die freie Entscheidung des Menschen, soweit wir irgend können, bewahren. Wir wollen ihm optimale Leistungen, nicht maximale geben, wie es der Minister soeben gesagt hat, wie es mein Kollege Kühn schon bei der Beratung der Rentenanpassungsgesetze gesagt hat. Meine Damen und Herren, so wollen Sie bitte die Gesetze auch im einzelnen sehen, so sollen Sie sie würdigen, auch wenn Sie an Einzelbestimmungen Kritik zu üben bereit sind.
    Zunächst einmal will ich etwas zur Verbesserung des bisherigen Kindergeldrechts sagen. Dieses Gesetz ist notwendig, weil dieses Hohe Haus schon in der vorigen Legislaturperiode durch eine Gesetzesbestimmung festgelegt hat, daß die Vereinheitlichung der Auszahlung notwendig sei. Es ist also die Erfüllung einer Pflicht, wenn wir das Kindergeldrecht vereinheitlichen. Zu der Erkenntnis, den Auszahlungsmodus zu vereinheitlichen, hat uns nicht nur der Ansturm gebracht, sondern das ergibt sich einfach aus der praktischen Notwendigkeit, schon um des Familienvaters willen, der wegen des Zweitkindes zu einer anderen Institution gehen müßte als wegen des dritten und weiteren Kindes.
    Aber nicht erschüttert ist unsere Ansicht von 1954. Es war an sich zweckmäßig, wie wir es damals zu regeln versuchten. Aber eine neue Zeit verlangt neue Überlegungen, und darum gehen wir jetzt auch diesen Weg mit der Regierung. Obwohl es der Herr Minister schon selbst getan hat und Sie dem Beifall gezollt haben, lassen Sie mich im Namen meiner Fraktion noch einmal ausdrücklich den ehrenamtlichen und den beamteten Kräften der Familienausgleichskassen für ihre Arbeit und Mitarbeit von ganzem Herzen unseren Dank sagen!

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Wenn wir uns aber mit dieser Frage der Neuregelung des Kindergeldrechts beschäftigen und wenn wir dann sagen, daß wir auch die Leistungsverbesserungen für gut halten, gestatten Sie mir doch zusätzlich ein Wort an die Kritiker, die bei uns immer nur das Kindergeld sehen und unser System in Deutschland an den anderen Systemen nur von diesem Gesichtspunkt her messen. Es ist einfach falsch, zu meinen, ,die Familienpolitik unseres Staates erschöpfe sich in der Zahlung des Kindergeldes. Wir wären in der Tat ein armseliger Staat, wenn wir nur den dritten, ,den vierten und weiteren Kindern je 50 DM im Monat jetzt — früher weit weniger — gäben. Nein, zu diesen Leistungen gehört die Fülle der sonstigen Vergünstigungen, sei es im Steuerrecht, im Sparprämiengesetz, 'sei es im Wohnungsbauprämiengesetz, und was Sie immer dabei aufführen wollen, etwa die Kinderzulagen in den Sozialversicherungsgesetzen, und wo immer Sie das alles miteinander sehen. Aber eben weil dieses andere uns noch nicht genügt, haben wir auch noch die Kindergeldleistungen eingeführt. Wir meinen, daß der Ausbau dieses Rechts eine Angelegenheit ist, der sich dieses Hohe Haus nie wird entziehen können. Auch wenn dieses Gesetz hinter uns liegt, werden wir immer wieder



    Stingl
    noch einmal darüber diskutieren müssen, ob es denn nun den Stand erreicht habe, an dem man keine Verbesserungen mehr anbringen könnte.
    Wir sind der Meinung, daß die Verbesserungen, die die Regierung vorschlägt, insbesondere die Erhöhung des Kindergeldes vom dritten Kind ab um ein Viertel der jetzigen Leistungen, sich sehen lassen können, zumal wir diese Erhöhungen im Zusammenhang mit der Übernahme der Leistungen, die bisher die Wirtschaft getragen hat, auf den Bundesetat einführen 'werden und wollen. Wer könnte denn achtlos daran vorübergehen, daß eine Mehrbelastung des Bundeshaushalts eintritt — eine Mehrbelastung gegenüber der bisherigen Belastung für dais Zweitkindergeld —, .die jährlich etwa 1400 Millionen ausmacht? Das ist keine Kleinigkeit. Auch dies muß gesehen werden, und wir müssen ,feststellen und nehmen es für uns in Anspruch, daß auch diese Mehrbelastung nur möglich ist, weil unsere Wirtschaftspolitik den Aufschwung in unserem Volke überhaupt ermöglicht hat.

    (Beifall \\bei der CDU/CSU.)

    Ich möchte zum Kindergeldneuregelungsgesetz im übrigen nicht viel mehr ,ausführen. Wenn es sich aus der Diskussion 'ergeben sollte, werden meine Kollegen bereit sein, auch dazu noch Stellung zu nehmen.
    Ich möchte jetzt auf das Lohnfortzahlungsgesetz eingehen. Unsere Fraktion hat in der Vergangenheit mehrfach festgestellt, daß sie es ablehnt, irgendwelche sozialpolitische Maßnahmen — übrigens wie auch auf anderen Gebieten — nach dem Gesichtspunkt zu behandeln, man müsse alles oder nichts bieten. Nein, wir haben immer gesagt, man muß auch eine Evolution, eine Entwicklung mitmachen können. Schon im Jahre 1957, als das erste sogenannte Lohnfortzahlungsgesetz verabschiedet wurde — das eigentlich ganz anders heißen müßte —, haben die Sprecher meiner Fraktion betont, daß sie dies nicht als einen Endpunkt der Entwicklung ansehen, 'sondern daß es unser Ziel bleibt, die wirkliche Gleichstellung von Arbeitern und Angestellten im Krankheitsfalle zu erreichen. Aber wir waren nicht so töricht, diesen Schritt in einem Satz zu tun und damit den Grund für die Gefahr zu legen, daß das gesamte Wirtschaftsgefüge ins Schwanken kommt.
    Wir haben 'im Jahre 1961 einen weiteren Schritt getan. Kluge Leute könnten uns sagen: Warum tut ihr denn überhaupt einen weiteren Schritt; denn der Arbeiter hat ja jetzt im Krankheitsfall das gleiche, was er hätte, wenn er arbeiten würde.
    Meine Damen und Herren, gewiß hat er das gleiche, und er hat — horribile dictu — geradezu noch mehr, wenn er es versteht, im Lohnsteuerjahresausgleich die entsprechenden Anträge zu stellen. Wovon ich jetzt spreche, ist nahezu eine Unsittlichkeit, die wir hier im Gesetz verankert haben — nageln Sie mich nicht fest darauf, so hart sollte es gar nicht herauskommen.
    Aber nicht das empfangene Entgelt ist es, das uns dazu bringt, heute zu dem Regierungsentwurf des Lohnfortzahlungsgesetzes ja zu sagen, sondern die gesellschaftspolitische Bedeutung, die hinter diesem Schritt liegt, ist es, die uns so uneingeschränkt ja zu diesem Vorhaben der Regierung sagen läßt.

    (Beifall in der Mitte.)

    Wir sind der Meinung, daß die heutige Zeit es nicht verträgt, im Krankheitsfalle bei Arbeitern und Angestellten Unterschiede zu machen. Wir sind der Meinung, daß 'die Mündigkeit des Arbeiters, die Art seiner Beschäftigung, seine größere Verantwortung auch im einfachsten Betrieb durch die Automatisierung und ähnliches, daß alle diese Gesichtspunkte uns einfach zwingen, einen Anspruch des Arbeiters an seinen Arbeitgeber für die gleiche Zeit zu statuieren, in der er krank ist, wie ihn der Angestellt schon länger hat. Das ist nicht Nivellierung und das ist nicht Einebnung, sondern das ist das Heraufholen eines bisher in der Wirtschaft Schlechtergestellten auf einen Stand, den wir als den richtigen ansehen. Die Arbeiter haben es durch ihre Leistung, durch ihre Mitarbeit am Aufbau nach diesem schrecklichen Kriege verdient, daß wir ihnen nun die Gleichstellung für sechs Wochen im Krankheitsfall gewähren.
    Dem widerspricht es auch nicht, 'daß angebliche Befragungsergebnisse davon reden, dem Arbeiter selber komme es gar nicht darauf an; es komme ihm nur 'darauf an, das Geld in der Tasche zu haben. Es mag vielleicht sogar richtig sein, daß der eine oder andere sagt, es sei ihm völlig egal, woher er das Geld nehme; es komme ihm nur darauf an, daß er es habe. Das darf aber diesem Hohen Hause nicht egal sein. Es kommt darauf an, daß wir die Anonymität beseitigen, die darin liegt, daß sich der Arbeiter das Geld von einer Kasse abholt. Es kommt darauf an, daß wir den unmittelbaren Kontakt des Arbeiters zum Arbeitgeber haben. Denn, daß hier etwas dahintersteckt, zeigt sich sowohl in dem Bereich der Geschichte, den wir überblicken können, wie auch im Bereich der heutigen Situation. Das vernünftige Arbeitsverhältnis, das wir natürlich nicht wieder einführen konnten, gab es doch einmal bei den Zünften und Innungen, wo der Handwerksmeister seinen Gesellen eben in den Hausstand in allen Bereichen aufgenommen hatte. Das war eine, wie wir 'glauben, glücklichere Zeit, als wir sie heute haben.
    Aus der jetzigen Situation folgendes: es kann einfach kein Zufall sein, daß die Zahlen der Arbeitsunfähigkeitsfälle in den größeren Bereichen der Ortskrankenkassen wesentlich höher, ja, nahezu doppelt so hoch sind wie in den überschaubaren Bereichen der Innungskrankenkassen und der Landkrankenkassen. Das ist so, weil in diesen letztgenannten Bereichen von Natur aus das Verhältnis des Arbeiters 'zum Arbeitgeber 'inniger ist, weil eben der Meister seinen Gesellen in allen Lebensbereichen kennt. Hier ist das persönliche Verhältnis für den Gesellen viel deutlicher, so daß er sich sagt: Ich bleibe nicht zu Hause, wenn ich einmal nicht so gut an dem Schraubstock stehen kann; ich kann immerhin noch etwas anderes machen.
    Meine Damen und Herren, das ist es auch, was uns — obgleich uns entgegengehalten wird, es werde von den Arbeitern nicht erstrebt — dazu



    Stingl
    I bringt, dem Arbeiter diesen Anspruch gegenüber seinem Arbeitgeber zu geben und uns dafür einzusetzen, daß die Vorstellungen der Bundesregierung, so wie sie uns im Gesetzentwurf aufgezeigt werden, verwirktlicht werden. Es paßt nicht in die Zeit, daß der Arbeiter zu einem Kassenschalter gehen muß, um sich für 6 Wochen Geld abzuholen. Es paßt auch nicht mehr in die Zeit, daß er — das ist nach dem heutigen Recht sogar noch getrennt — für einen Teil zum Kassenschalter, für den anderen Teil aber zu seinem Arbeitgeber gehen muß.
    Wir sehen ein, daß der Arbeiter, der, wie wir sagen, einen Anspruch an seinen Arbeitgeber hat, wenn er nicht gearbeitet hat, weil er krank ist, diesen Anspruch durch die Bescheinigung des Arztes nachweisen muß. Das hat nichts mit Mißtrauen zu tun; denn sonst wäre jede Sparkasse mißtrauisch, die Ihnen nicht Geld gibt, wenn sie hinkommen und sagen: Ich habe ein Sparkassenbuch. Die Sparkasse wird sagen: Das mußt Du mir vorlegen. So meinen wir, es ist berechtigt, wenn der Gesetzentwurf vorsieht, daß die Arbeitsunfähigkeit nachgewiesen werden muß, bevor der Arbeitgeber die Pflicht hat, den Lohn auszuzahlen, ohne daß dafür Arbeit geleistet worden ist.
    Ich möchte in diesem Zusammenhang nicht verschweigen, daß mir die Kritik, die an dieser Form der Lohnfortzahlung geübt wird und die aus Handwerkskreisen kommt, nicht gerade verständlich ist. Meine Damen und Herren, gerade in diesem Bereich muß man erkennen, daß das unmittelbare Verhältnis zwischen Meister und Gesellen, zwischen Meister und Lehrling verhindern wird, daß die Belastung weiter und weiter und weiter steigt, wie wir es mit großer Besorgnis in der Vergangenheit immer wieder gesehen haben. Ich gehöre nicht zu denen, die sagen, daß hier nur Mißbrauch vorliege, daß die Krankenziffern deswegen stiegen, weil die Leute, ohne krank zu sein, leichter feierten. Ich weiß sehr wohl, daß dafür eine Vielfalt von Begründungen hervorgeholt werden kann, z. B. die Begründung, daß wir durch die Hochkonjunktur auch Menschen beschäftigen, die gegen Krankheit anfälliger sind, oder daß wir in Frauenbetrieben sowieso eine leichtere Anfälligkeit haben. All das wissen wir. Trotzdem meine Damen und Herren, erfüllt es uns mit Besorgnis, wie hoch der Krankenstand heute ist. Wir glauben, die Verpersönlichung des Verhältnisses zwischen Arbeiter und Arbeitgeber kann uns helfen, hier ein bißchen zurückzudämmen, zumal wir auch glauben — lassen Sie mich das dazu sagen
    daß der Arbeiter, wenn das Gesetz einmal in Kraft ist und er an sich krank ist, durchaus auch noch einmal in den Betrieb geht und beispielsweise eine Arbeit macht, die sonst liegen bleibt, daß er z. B. etwas sortiert, was er sonst nicht tun konnte. Wir kennen es ja auch von Angestellten heute; sie gehen durchaus noch in den Betrieb, wenn sie einmal Kopfschmerzen haben, die sie berechtigen würden, zu Hause zu bleiben. Sie werden dann eben nicht die große geistige Arbeit leisten, die sie sonst zu leisten haben, sondern werden sich vielleicht einmal damit begnügen, die Karteikarten endlich an die Stelle zu stellen, wo sie sie nicht hinstellen konnten, weil sie bislang die andere Arbeit überwältigt hat. Wir glauben also, daß dieses Neuregelungsgesetz die Chance bietet, die Krankenzahlen — nicht: herunterzudrücken; das würde wieder bedeuten, daß man meint, dahinter stecke etwas Schlimmes — durch dieses gebesserte Verhältnis auf ein normales Maß zurückzuführen.
    Ich wäre töricht, würde ich verschweigen, daß es meiner Fraktion, der Regierung und sicher jedem hier im Hause klar ist, daß die Einführung der Lohnfortzahlung eine entschiedene, ja, eine schwere Belastung für den einzelnen Betrieb bildet, ja, daß sie in Einzelfällen, wenn eine große Morbidität auftritt, der Ruin eines Betriebes sein könnte. Wer möchte das leugnen? Der Betrieb hat es nicht in der Hand, ob von seinen fünf Gesellen, Gott sei es geklagt, wirklich alle fünf krank werden. Das wäre für den Betrieb sicherlich untragbar. Darum mußten wir danach streben, ein kalkulierbares Risiko daraus zu machen und einen Ausgleich vorzunehmen.
    Der Schritt, den die Bundesregierung vorschlägt, ist einer der Schritte zu diesem Ziel. Er wurde insbesondere von Wirtschaftskreisen gewünscht. Er hat den Vorteil, daß er das Risiko nicht der gesamten Wirtschaft auflastet, also nicht z. B. die niedrigen Krankenzahlen der Innungskrankenkassen in einen Topf wirft mit den höheren Krankenzahlen der Ortskrankenkassen. Aber er hat den Vorteil, daß die großen Betriebe ebenfalls mit drin sind. Wir sind für Vorschläge jeder Art aufgeschlossen. Aber wir meinen, daß das der beste Weg ist, den wir finden konnten, um das Risiko kalkulierbar zu machen, und darauf kommt es an.
    Wer dies bejaht und außerdem bejaht, daß wir uns im Bereich der sozialen Sicherung insgesamt mehr Verantwortung vor Augen führen, der kann selbstverständlich nicht verlangen, daß eine restlose Anonymität auf der Arbeitgeberseite eingeführt wird. Wer verlangt, daß der Arbeiter, der in der Krankenversicherung versichert ist, mehr zum Bewußtsein seiner Verantwortung geführt wird, der kann nicht verlangen, daß der Arbeitgeber nicht an diesem ganzen Bereich beteiligt wird. Deshalb sieht die Regierung vor, daß drei Viertel der Belastungen, die durch die Lohnfortzahlung an Arbeiter neu auf die Wirtschaft zukommen, durch eine bei den Krankenkassen zu errichtende Ausgleichskasse ausgeglichen werden können.
    Dieser Schritt, den wir wagen, die Lohnfortzahlung durch den Arbeitgeber an den Arbeitnehmer während sechs Wochen, ist ein großartiger Schritt. Er ist ein Schritt in Neuland, ganz sicher. Aber er bringt — hier wiederhole ich das Wort von Minister Blank — größere Freiheit und eine großartige Leistung auch für den Familienvater, der gewiß noch manchmal in großer Sorge war, wenn er krank wurde und nicht den vollen Lohn weiterbezog. Wir meinen, daß dieser Schritt dem Arbeiter mehr Freiheit bringt und dem Angestellten nichts nimmt, ihm aber in vieler Hinsicht eine größere Sicherung auch in seinem Bereich gewährleistet.
    Hier aber — auch das hat der Minister in einem anderen Zusammenhang gesagt —, in dieser größeren Freiheit, in diesem Hinordnen zu einem besseren
    2432 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 55. Sitzung Bonn, Mittwoch, den 23. Januar 1963
    Stingl
    Verhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeiter, liegt auch der Zusammenhang mit dem dritten Gesetzentwurf, den wir heute in erster Lesung behandeln. — Ich will sehr vorsichtig sein, damit mir nicht bei diesem dritten Gesetzentwurf eine Vorwegnahme der Ausschußberatung passiert. — Hier liegt der Zusammenhang zu diesem dritten Gesetzentwurf, der Neuregelung der gesetzlichen Krankenversicherung. Ich habe mehrfach davon gesprochen, daß Freiheit und Verantwortung zusammengehören. Ich will ausdrücklich noch einmal sagen, daß das Mehr an Verantwortung, das wir fordern, niemals die Grenze zum Unzumutbaren hin überschreiten soll. Auch alles, was im Krankenversicherungs-Neuregelungsgesetz der Regierung vorgesehen ist, ist von sozialen Gesichtspunkten bestimmt. Alles, was an größerer Verantwortung dort eingebaut ist, hat seine Grenze im sozial Zumutbaren und Ertragbaren. --- Dieses Wort vorweg.
    Lassen Sie mich dann einiges zum Krankenversicherungs-Neuregelungsgesetz vom Standpunkt meiner Fraktion aus sagen.
    Die Bedeutung dieses Gesetzes — ich habe es schon vor drei Jahren ausgeführt — liegt darin, daß ein ungemein großer Teil unserer Bevölkerung durch die gesetzliche Krankenversicherung, sei es als Pflichtversicherte, sei es als freiwillig Versicherte, erfaßt ist. Aber obwohl das so ist, oder vielleicht auch gerade weil das so ist, kann dieses Gesetz — lassen Sie mich dies unterstreichen — niemals ein Gesetz werden, das jedem die Gesundheit garantiert. Dieses Gesetz ist dazu da, dafür zu sorgen, daß, wenn eine Krankheit auftritt, alle medizinisch denkbaren Leistungen erbracht werden, um die Gesundheit wiederherzustellen. Dieses Gesetz ist dazu da, dafür zu sorgen, daß, wo sich Krankheiten andeuten, vorbeugende Maßnahmen ergriffen werden. Dieses Gesetz ist dazu da, daß, wenn jemand krank geworden ist, dafür gesorgt wird, daß er nicht in seinem wirtschaftlichen Leben eine schwere Einbuße erleidet.
    Wir führen zum zweiten Male eine erste Debatte um ein Krankenversicherungs-Neuregelungsgesetz. Gewiß können Sie den Vorwurf erheben, wir hätten dieses Gesetz im vorigen Bundestag verabschieden können, Ganz sicher! Wir glauben aber — schauen wir nur zurück! —, daß auch diese Zeit von Nutzen war.

    (Sehr richtig! bei der CDU/CSU.)

    Wir haben eine Menge Erkenntnisse gewonnen, und die Regierung hat eine Menge von Vorschlägen, die im Ausschuß erarbeitet worden waren, jetzt in dieses Gesetz hineingenommen. Wir glauben vor allem, daß jetzt die Lösung, die die Regierung vorschlägt, um die Eigenverantwortung zu stärken, von allen hier im Hause, wenn sie nur guten Willens sind und dahinter sehen, was es wirklich ist, mitgetragen werden kann.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Zu den Verbesserungen, die dieser Gesetzentwurf bringt, möchte ich darauf hinweisen, daß zwei entscheidende Verbesserungen, die im vorigen Gesetzentwurf noch standen, in diesem nicht mehr stehen, weil wir sie schon konsumiert haben. Es ist die Verbesserung beim Krankengeld nach der sechsten Woche, und es ist die Beseitigung der Aussteuerung. Hier liegt einer der entscheidenden Punkte für die Aufgabe der Krankenversicherung, die wirtschaftliche Situation des Kranken zu verbessern und seinen Lebensstandard nicht abfallen zu lassen. Für die ersten sechs Wochen haben wir — führen wir alle drei Gesetze ein — eine Sorge weniger; denn da wird der volle Arbeitslohn weitergezahlt. Schwierig wird es nach sechs Wochen, und dann ist der Eingriff in das Leben einer Familie, deren Ernährer krank geworden ist, schwer. Wir haben die Heraufziehung des Krankengeldes nach den sechs Wochen schon vorweggenommen, und wir haben dafür gesorgt, daß die Aussteuerungsgrenze so weit hinausgeschoben wird, daß man als nahezu sicher erwarten kann, daß, sollte die Krankheit länger dauern, inzwischen die Rentenversicherung der verschiedenen Formen eingreifen wird; obwohl ich nicht leugne, daß es immer noch Fälle gibt, in denen sehr schwerwiegende Ereignisse eintreten können, etwa dann, wenn nur Berufsunfähigkeit anerkannt wird, der Betreffende aber über die Frist hinaus noch im Krankenhaus liegt. Aber niemand, meine Damen und Herren, kann leugnen, daß diese beiden Bestimmungen wesentliche Verbesserungen waren und eigentlich in dieses Gesetz gehören.
    Was nun dieses uns zur Beratung vorliegende Gesetz angeht, so meinen wir, daß darin der richtige Weg dafür gefunden ist, auch den Versicherten alle Vorteile neuer medizinischer Erkenntnisse zugänglich zu machen. Es ist nicht so, daß das eine Armenversicherung wäre und daß man, um eine besondere neue medizinische Erkenntnis für sich auszuwerten, zum Privatarzt gehen müßte. Nein, meine Damen und Herren, gerade die Neuregelung in diesem Krankenversicherungsgesetz soll dazu führen, daß auch jedem Versicherten — jedem, ob er als Rentner versichert ist, ob er als Arbeiter versichert ist, ob er in der Innungskrankenkasse oder in einer anderen Kasse versichert ist — die neuesten Erkenntnisse der Medizin zugute kommen.
    Zugleich aber müssen wir darauf achten — und ich kann nur wieder sagen: wir müssen das an jeder Stelle des Sozialversicherungsrechts tun —, daß wir die Solidarität der Versicherten nicht überbeanspruchen. Wir müssen insbesondere bei Behandlung dieses Gesetzentwurfs und der Krankenversicherung auch einmal überlegen, daß heute das System in einer Art Nebel der Anonymität liegt. Welcher Versicherte weiß denn wirklich, welchen Beitrag zur Krankenversicherung er bezahlt?

    (Sehr gut! in der Mitte.)

    Die versiertesten Arbeitnehmer, die Sie auf der Straße fragen, welchen Beitrag sie zahlen, werden Ihnen zwar antworten können, welche Sozialversicherungsbeiträge sie insgesamt zahlen, aber der allergeringste Teil wird sagen können, welchen Krankenversicherungsbeitrag er zahlt. Wenn Sie den Arbeitnehmer dann noch fragen, wieviel von diesem Beitrag etwa fürärztliche Leistungen ausge-



    Stingl
    geben werden muß, muß er schweigen. Er kann das bei dem heutigen System nicht übersehen.
    Darum meinen wir, wir müssen heraus aus diesem Nebel der Anonymität. Wir müssen dem Versicherten soviel Individualität geben, wie überhaupt erträglich ist. Dieser Individualität muß es dienen, daß man ihn bei den Kassen kennt; das ist bis jetzt nicht der Fall. Die Einführung des Sonderbeitrages hat sicher sehr verschiedene Gründe, aber unter anderem auch den, daß es ein Einzelkonto des Versicherten bei der Krankenkasse geben wird, damit der Versicherte selber für die Krankenkasse kein Unbekannter mehr ist und 'damit er nicht mehr nur ein Name auf einer Liste eines Betriebes ist. Die Kasse kennt den Versicherten nicht, der Versicherte kennt seinen Beitrag nicht, der Versicherte kennt die Leistung nicht, der Arzt weiß nicht, was er für seine Leistung zu bekommen hat, weil er eine Gesamtvergütung erhält. Der Arzt weiß zwar, was er 'geleistet hat, aber er weiß auf Grund verschiedener Dinge — Heckenschnitt und ähnliches; Sie kennen die Fachausdrücke — nicht, ob ihm. alle Leistungen vergütet werden. All dies ,gilt es zu beseitigen.
    Wer modern sein will, muß erkennen, daß der Arbeiter heute wissen will, was mit seinem Geld geschieht, daß er selbst an diesen Entscheidungen beteiligt sein will; hier hilft nicht die Einführung der Selbstverwaltung.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Es genügt nicht, daß er einmal in einem Zeitraum
    von zwei Jahren — vielleicht vergrößern wir den
    1) Zeitraum auch noch — seinen Stimmzettel abgibt und sich dann allen Entscheidungen der Selbstverwaltung fügt. Der lebendige, immer wieder genährte Kontakt zwischen ihm und der Kasse, ihm und dem Arzt, dem Arzt und der Kasse sollte die Krankenversicherung — sollte sie wirklich, wie man so häufig hört, krank sein — gesunden lassen.
    Der Entwurf wird von der Bundesregierung mit einer gegenüber dem bisherigen Recht neuen Kennzeichnung des Personenkreises vorgelegt. Er führt auch für die Arbeiter eine Pflichtgrenze ein. Wir bejahen die Einführung der gleichen Pflichtgrenze für Arbeiter wie für Angestellte; 'denn wer bejaht, daß der Arbeiter wie der Angestellte sechs Wochen lang sein volles Entgelt 'bekommen soll, muß natürlich im Bereich der Solidaritätsversicherung die gleichen Grundsätze gelten lassen.
    Wir verkennen nicht, daß in diesem Punkte Kritik angemeldet wurde. Es wurde beispielsweise gesagt — damit hat sich auch der Herr Minister auseinandergesetzt —, daß der Familienvater, der Arbeiter sei — bei den Angestellten haben wir die Kritik übrigens nie gehört —, nunmehr nicht mehr der Versicherungspflicht unterliege und den Beitrag ganz bezahlen müsse. Das gilt natürlich auch für Ledige; für den Familienvater wurde gesagt, sei das aber ganz besonders schwer. Abgesehen davon, daß die Herausnahme der Belastung, die die Krankenkasse durch das Krankengeld trägt, dazu führen muß, daß der Krankenversicherungsbeitrag sinkt und damit die Berechnungen, die man uns aufgemacht hat, nicht mehr stimmen, glaube ich, daß es hier ein Feld der Betätigung gibt, von außen her der
    Familie, wenn es notwendig ist, zu helfen. Und im übrigen: welch herrliches Betätigungsfeld ergibt die Zahlung des Beitrags des freiwillig Versichertenfür die Verhandlungen ,der Tarifvertragsparteien! Wie kann man doch da in den Verhandlungen wieder etwas neu ins Gespräch bringen!
    Nicht zu verkennen ist, !daß der Herausfall von 2,7 Millionen Arbeitern aus der Versicherungspflicht mit Kritik gesehen wird. Wir wissen das. Wir 'wissen aber auch, daß in unserem Volk viel Angst dadurch verbreitet wird, daß man so tut, als ob diejenigen, ,die ,aus der Versicherungspflicht herausfallen, auch aus der Berechtigung herausfielen. Das ist einfach nicht wahr. Auch nach dem Regierungsentwurf fallen aus der Versicherungsberechtigung nur diejenigen heraus, deren Jahreseinkommen 15 000 DM übersteigt und die unter 40 Jahre alt sind. Das ist gewiß ein kleiner Personenkreis. Sicherlich kann man darüber nachdenken, ob die Grenzen richtig gefunden sind. Aber eines jedenfalls wollen wir feststellen: wir halten fest an der gleichen Versicherungspflichtgrenze für Arbeiter und Angestellte, und wir wissen dabei, 'daß wir für die Arbeiter insoweit eine Begünstigung in dieser Grenze haben, als die Zuschläge um der Vereinfachung willen einfach nicht berücksichtigt werden können.
    Lassen Sie mich auch ein Wort zu einer familiengerechten Versicherungspflichtgrenze sagen. Über das hinaus, was der Herr Bundesminister schon ausgeführt hat — die Gefährdung des Arbeitsplatzes, die eintreten könnte, wenn die Konjunktur einmal nicht 'den Aufschwung hat, den sie heute verzeichnet —, ist zu beachten, daß allein 'durch die Kinderzuschläge für den Familienvater effektiv die Grenze in der Sozialversicherung höher liegt.
    Lassen Sie mich auch ein Wort zu !der Ansicht sagen, man müsse die Versicherungspflichtgrenze variabel halten, man müsse sie etwa mit der Beitragsbemessungsgrenze in der Rentenversicherung oder mit sonstigen Größen steigen oder fallen lassen. Das ist in 'diesem System einfach unmöglich. Man kann nicht eine variable Versicherungspflichtgrenze in der Krankenversicherung einführen, weil. das dazu führen würde, daß der gleiche Versicherte im gleichen Jahr oder jedenfalls in zwei aufeinanderfolgenden Jahren einmal versicherungspflichtig, im nächsten Augenblick versicherungsfrei wird; die Grenze überholt ihn wieder, er wird wieder versicherungspflichtig. Eine solche Möglichkeit, eine variable Versicherungspflichtgrenze einzuführen, gibt es nicht. Wir meinen also, daß der Vorschlag, den uns 'die Bundesregierung macht, richtig ist, und daß wir 'diesen Vorschlag vertreten sollten.
    Eine weitere Verbesserung in diesem Gesetz wird leider häufig übersehen, gewiß weil man sagen kann: auch heute gibt es keine Fälle, in denen die Familienhilfe durch eine Kasse versagt wird. Aber immerhin, wer garantiert uns, daß nicht vielleicht einmal !die Situation eintritt, in der die Krankenkassen Kann-Leistungen abbauen müßten. Darum möge beachtet werden, daß 'der Vorschlag der Bundesregierung die Familienhilfe zur Pflichtleistung macht und daß in dieser Familienhilfe wirklich dar-



    Stingl
    auf Rücksicht genommen wird, daß man auch eine Haushilfe bezahlen will und daß man den Zusammenhalt der Familie stärken will. Gerade dieser Punkt ist in der Diskussion beinahe immer übersehen worden. Man tut so, als sei das schon eine Selbstverständlichkeit.
    Es wird immer wieder übersehen, daß der Regierungsentwurf eine wesentliche Verbesserung in der Mutterschaftshilfe bringt. Das bedeutet immerhin eine Belastung für den Bundesetat von jährlich über 200 Millionen DM. Auch dies sollte einmal 'in der Offentlichkeit gesagt werden. Hier geht es darum, auch die Ehefrau .des Versicherten, die nicht selber arbeitet, besserzustellen als bisher.

    (Zustimmung bei der CDU/CSU.)

    Wir haben auch zu verzeichnen, daß über die Vorsorgemaßnahmen, die im Gesetz vorgesehen sind, beinahe nicht mehr gesprochen wird; sie sind sozusagen schon selbstverständlich. Jedoch führt sie der Regierungsentwurf erst ein, es gibt sie heute nicht. Und wenn einer sagt: „Ich werde heute doch von meinem Arzt untersucht, auch wenn er feststellen muß, daß ich gesund bin!", so ist das einfach contra legem. Wir wissen, daß das teilweise so gehandhabt wird. Aber dieser Gesetzentwurf bringt die Möglichkeit, von Rechts wegen eine Vorsorgeuntersuchung durchzuführen, um Krankheiten früh erkennen zu können.
    Die Abgrenzung der Leistungen der Krankenversicherung gegenüber anderen verpflichteten Leistungsträgern wird schon im UnfallversicherungsNeuregelungsgesetz neu gefaßt. Ich habe darauf auch bereits in meiner Bemerkung zu den Kosten bei der Mutterschaftshilfe angespielt.
    Nun lassen Sie mich etwas zu dem sagen, was am meisten in diesem Gesetz angeriffen wird: der Sonderbeitrag tut es den Kritikern .an. Es wird ins Feld geführt, hier sei eine unzumutbare Belastung. Es wird ins Feld geführt, er sei gesundheitsschädlich, und was immer der Argumente mehr sind. Meine Damen und Herren, sehen Sie ihn zunächst noch einmal unter dem Gesichtspunkt, den ich vorhin genannt habe: Wir wollen in der sozialen Krankenversicherung so weit wie irgend möglich und tragbar die Persönlichkeit selbst mit entscheiden lassen. Wir wollen durch diesen Sonderbeitrag aber auch gerade die Anonymität aufheben und zu einer besseren Klärung des Verhältnisses des Versicherten zum Arzt, des Versicherten zur Kasse und der Kasse zum Arzt kommen. Denn wenn von diesem Sonderbeitrag, der auf einem eigenen Konto aufgeführt werden muß, 25 % der Arzt- und der Zahnarztkosten abgebucht werden sollen, wird es sich dann der Patient, der Versicherte, gefallenlassen, daß ihm nicht gesagt wird, wie hoch diese 25 % sind? Daher ist mit dem Sonderbeitrag, mit ,der Einführung dieser größeren Individualtät unmittelbar die Kostenkenntnis des Patienten verbunden. Der Arzt muß verpflichtet sein, dem Patienten mitzuteilen, welche Leistungen er erbracht hat und wie groß sein Leistungsanspruch gegenüber der Kasse und natürlich auch gegenüber dem Versicherten ist.
    Wer behauptet, dieser Sonderbeitrag sei eine Barriere zum Arzt, der verkennt einfach die Gesinnung und Gesittung der deutschen Arbeiterschaft.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Kann mir jemand im Ernst sagen, in unserem Volk gebe es einen Arbeiter, der eine schwere Erkrankung oder eine Erkrankung hat, die schwere Folgen haben kann, und sich nicht vom Arzt behandeln läßt, weil er drei, vier, fünf oder zehn Mark zurückerhalten habe, Geld, 'das er nicht etwa erst auszugeben braucht, sondern das auf einem Konto für ihn gutgeschrieben ist? Wer dies sagt, meine Damen und Herren, unterstellt diesem Menschen Verantwortungslosigkeit, und wir wehren uns gegen eine solche Unterstellung.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Dabei muß auch noch beachtet werden, ,daß der Sonderbeitrag keine zusätzliche Belastung gegenüber dem bisherigen Recht darstellt — mindestens bei den Arbeitern nicht —; denn die Lohnfortzahlung muß, ich sagte es schon einmal, notwendigerweise eine Beitragssenkung bringen. Diese aber kann verwendet werden, um den Individualbeitrag, den Sonderbeitrag anzusammeln.
    Wenn aber der Arzt—damit will ich den Gedanken von der Beseitigung der Anonymität weiterführen — dem Patienten eine Rechnung auszustellen hat, muß logischerweise der Betrag, den er auf die Rechnung für ,den Patienten schreibt, ihm auch zustehen. Wir halten es also für unbedingt erforderlich, daß die Bezahlung der Einzelleistung des Arztes eingeführt wird. Dann kann nicht mehr das Gesamtpauschale und auch nicht mehr das Fallpauschale gezahlt werden. Wenn der Arbeiter seine Rechnung kennen soll, dann muß der Arzt diese Rechnung auch bezahlt erhalten.
    Meine Damen und Herren, in diesem Zusammenhang ein Wort zum Arztrecht. Wir halten die Kassenärztlichen Vereinigungen, sowohl die in der unteren Ebene wie die auf Bundesebene, für unbedingt und absolut notwendig. Nach unserer Meinung hat die Entwicklung in der Geschichte dazu geführt, ,daß der Zusammenschluß der Ärzte gegenüber dem Verhandlungspartner Krankenkasse notwendig ist. Wir halten auch den Vorschlag der Bundesregierung, daß die Gebührenordnung ausgehandelt wird, für richtig. Wir finden es ebenfalls richtig, daß man individuellen Verhältnissen in verschiedenen Gegenden — ob das allerdings auf die Kassen bezogen sein muß, ist zweifelhaft — Rechnung tragen muß. Allerdings wird man Sorge dafür tragen müssen, daß sich das nicht in einer unterschiedlichen Belastung des einzelnen auswirkt; denn sonst könnte es sein, daß bei einer reichen Kasse ein armer Straßenfeger mehr Selbstbeteiligung zahlen muß als bei einer armen Kasse ein freiwillig weiterversicherter Generaldirektor. Das Beispiel ist ein bißchen absurd, aber es sollte immerhin deutlich machen, was ich meine. Nach unserer Ansicht ist also der Vorschlag der Regierung richtig, daß die Gebührenordnung ausgehandelt werden muß.



    Stingl
    Gestatten Sie mir eine persönliche Bemerkung zu einer Sache, in der ich häufig angegriffen worden bin. Ich habe in meinem Artikel von einem Ortszuschlag als einem Beispiel gesprochen. Ich wollte damit nicht sagen, daß er eingeführt werden soll, sondern ich habe nur darauf verwiesen, daß es derartige Systeme gibt. Ich meine also nicht, daß die Gebührenordnung jetzt mit Ortszuschlägen versehen werden sollte.
    Der Regierungsentwurf sieht auch eine Selbstbeteiligung bei den Arzneimitteln vor. Niemand wird bestreiten, daß der Verbrauch an Arzneimitteln, wie er uns vom Minister dargestellt wurde — 1957 747 Millionen, 1962 1250 Millionen DM — erschrekkend hoch ist. Die Steigerung der Ausgaben kann nicht daran liegen, daß die Medikamente um soviel teurer geworden sind, sondern sie liegt offensichtlich daran, daß der Verbrauch an Arzneimitteln zugenommen hat. Niemand wird auch bestreiten können, daß allein der höhere Verbrauch von Arzneimitteln kein Beweis dafür ist, daß die Bevölkerung gesünder wird,

    (Beifall in der Mitte)

    im Gegenteil. Darum sollten wir auch beim Verbrauch dieser Dinge eine größere Besinnung hervorrufen, und dazu soll dieser Beitrag dienen.
    Selbstverständlich — darüber kann gar kein Zweifel bestehen — muß man jedem, der eine lange Krankheit erlebt, die Chance geben, daß diese Beteiligung herabgesetzt wird. Das ist im Regierungsentwurf auch vorgesehen.
    Das dritte, was hier bekämpft wird, ist die Beteiligung an den Krankenhauskosten. Meine Damen und Herren, wenn es irgendwo überhaupt kein Argument gegen eine Beteiligung gibt, dann meiner Meinung nach hier. Denn diese Beteiligung trifft den Kranken nur so lange, wie er sein volles Arbeitsentgelt weiterbezieht. Es ist doch einfach unsinnig, zu sagen, daß die wirtschaftliche Situation dessen, der drei Mark für einen Krankenhaustag zahlt, gefährdet sei, obwohl er sein volles Einkommen weiterbezieht. Das ist einfach böswillig!

    (Abg. Killat: Und wenn er 150 Mark Rente erhält?!)

    — Herr Killat, auch der, der 150 Mark Rente bekommt, ist, wenn er im Krankenhaus liegt, von einer ganzen Reihe von Verpflichtungen entlastet. Im übrigen haben Sie mir ein gutes Stichwort gegeben. Wir glauben, daß wir in der Frage des Sonderbeitrages, des Arzneimittelbeitrages und der Krankenhauskostenbeteiligung der Rentner eingehende Überlegungen anstellen müssen, und sei es nur deshalb, weil es problematisch ist, ob man nur die Rente oder das ganze Einkommen berücksichtigen müßte. Ich erkläre also nachdrücklich, daß im Ausschuß die Frage, wie, wann und in welcher Höhe die Rentner den Sonderbeitrag bezahlen sollen, wie sie zur Beteiligung bei den Arzneimittel- und den Krankenhauskosten herangezogen werden, eingehend beraten werden muß. Jedenfalls aber kann der Versicherte, solange er sein volles Arbeitsentgelt weiter erhält, die Beteiligung an den Krankenhauskosten ohne jede Gefährdung tragen.
    Zur Auflockerung der Anonymität gehört auch die Regelung des vertrauensärztlichen Dienstes. Nicht wegen eines größeren Mißtrauens wollen wir den unmittelbaren Kontakt des behandelnden Arztes zum Vertrauensarzt, sondern weil es medizinisch erforderlich ist. Wie ist es heute: Der arbeitsunfähige Kranke wird nach rein kassenmäßigen Überlegungen zum Vertrauensarzt befohlen; wenn die Krankheit acht Tage dauert und es steht auf dem Schein, er hat ein Bein ab, dann wird trotzdem die vertrauensärztliche Untersuchung angeordnet. Wir wollen, daß der behandelnde Arzt dem Vertrauensarzt eine Art Kurzgutachten überläßt und daß aus diesem Kurzgutachten der Vertrauensarzt entnimmt, wann er in eine zusätzliche medizinische Beurteilung des Falles eintreten müßte. Wir glauben, daß das der Weiterentwicklung eines vernünftigen ärztlichen Dienstes an den Versicherten und nicht einer Verschärfung der Kontrollen dient. Im Gegenteil, dadurch wird eine ganze Reihe unnützer Aufforderungen, zum Vertrauensarzt zu gehen, wegfallen. Es wird gar nicht nötig sein, die Zahl der Vertrauensärzte zu erhöhen. Wer weiß, wieviel Vorladungen hinausgehen und wie wenig Untersuchungen durchgeführt werden müssen, weil bei einem großen Teil der Fälle gar kein Anlaß zur Untersuchung mehr besteht, der weiß auch, daß ich damit recht habe.
    Wir möchten deutlich sagen, daß wir die Gliederung der Kassen, so wile sie entstanden und gewachsen ist, bejahen. Meine Damen und Herren, das ist kein Lippenbekenntnis, sondern das gründet auf den Erfahrungen der Vergangenheit, das gründet z. B. auf dem, was ich zu den Land- und innungskrankenkassen sagte.
    Wir meinen, daß der Einwand, die Verwaltung des Sonderbeitrages und alles andere, was in dem Entwurf stehe, erhöhe die Verwaltungskosten, sicherlich 'gehört werden muß. Sicherlich muß man sich Gedanken darüber machen, wie der Sonderbeitrag verwaltet wird. Aber daß nun mehr Verwaltungskosten entstünden, als der Sonderbeitrag überhaupt ausmache, das ist einfach, meine Damen und Herren, verzeihen Sie, dummes Gerede.
    Die Neuordnung des Kindergeldgesetzes, die Neuordnung der Lohnfortzahlung, die Neuordnung der Krankenversicherung sind Fortschritte, sind Schritte auf dem Wege in dem Ausbau unseres Staates zum sozialen Rechtsstaat, wie wir ihn uns vorstellen.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Wer immer wieder sagt, dies geschehe auf dem Rücken eines bestimmten Bevölkerungsteiles, nämlich auf dem Arbeitnehmer, der möge sich als einziges Argument einmal vorhalten, daß diese Gesetzentwürfe bei der günstigsten Rechnung 1,4 Milliarden DM Mehrbelastung für die Wirtschaft und 1,6 Milliarden DM Mehrbelastung für den Bundeshaushalt bedeuten. 3 Milliarden DM mehr werden also durch dieses Sozialpaket den Arbeitnehmern neu zur Verfügung gestellt. Sie dienen dazu, den sozialen Frieden in unserem Volk weiter zu festi-



    Stingl
    gen. Wer kann da leugnen, daß diese Gesetze ein Fortschritt sind!
    Sie sollen allerdings auch jedem einzelnen die größere Erkenntnis bringen, daß er 'an der Last der Solidarität mitträgt, daß er nicht einfach am Lohnzahlungstag etwas abgezogen bekommt und das gar nicht mehr als sein Geld empfindet. Sonderbeitrag, Lohnfortzahlung im Krankheitsfall und Kindergeldneuregelung sollen ihm vielmehr vor Augen führen, daß die Gemeinschaft an seinen Lasten mitträgt, daß aber auch er 'seinen Anteil an diesen Lasten hat. Wir wollen nicht weiter ins Kollektiv hineingehen, sondern wir wollen den einzelnen aus der kollektiven Umklammerung befreien. Wir wollen ihn nicht in eine Organisation einspannen, sondern ihn, soweit möglich, frei machen. Jeder soll vor der Not bewahrt sein, jeder soll aber auch Verantwortung spüren, Verantwortung für sich, Verantwortung aber auch für das Ganze. Wir bitten Sie, diesen Gesetzen zuzustimmen.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)