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    Deutscher Bundestag 46. Sitzung Bonn, den 8. November 1962 Inhalt: Fragestunde (Drucksache IV/708) Frage des Abg. Wittrock: Festnahme des „Spiegel"-Redakteurs Ahlers in Malaga Erler (SPD) . . . . . . . . . 2013 B, D Höcherl, Bundesminister . . . . 2013 B, D, 2014 B, C, D, 2015 A, D, 2016 C, 2017 C, 2018 B, C, 2020 A, C, D, 2021 A, B Strauß, Bundesminister 2013 D, 2015 A, B, 2018C,D, 2019A Dr. Schäfer (SPD) . . . . 2014 A, B, C Schmitt-Vockenhausen (SPD) . . 2014 C, D Dr. Mommer (SPD) . . . 2014 D, 2015 A Ritzel (SPD) . . . . 2015 C, 2016 A, B Vizepräsident Dr. Schmid . . . . 2016 B, 2017A,B, 2018A,B,D Dr. Kohut (FDP) . . . . . 2017 A, B Wittrock (SPD) 2017 B, C Metzger (SPD) . . . 2018 A, B, 2019 D Wacher (CDU/CSU) . . . . . . 2020 C Dr. Müller-Emmert (SPD) . . . . 2020 D Figgen (SPD) . . . . . . . . . 2021 A Dr. Schmidt (Wuppertal) (CDU/CSU) 2021 A Frage des Abg. Wittrock: Ermittlungen gegen andere Zeitungen Höcherl, Bundesminister . . 2021 B, C, D Wittrock (SPD) . . . . . . . 2021 B, D Schmitt-Vockenhausen (SPD) . , 2021 C Strauß, Bundesminister . . . . 2021 C, D Frage des Abg. Wittrock: Einschließung in eine Zelle Höcherl, Bundesminister . . . . 2022 A, B Wittrock (SPD) . . . . . . 2022 A, B Frage des Abg. Erler: Unterrichtung der Presse über Erfordernisse der militärischen Geheimhaltung Strauß, Bundesminister 2022 C, 2023 A Erler (SPD) 2022 C, 2023 A Frage des Abg. Erler: Anzeige des Bundesverteidigungsministeriums wegen Nr. 41 des „Spiegels" Strauß, Bundesminister . . 2023 B, C, D, 2024 A, C, D, 2025 A, B, D Erler (SPD) 2023 C II Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 46. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 8. November 1962 Dr. Schäfer (SPD) . . . . . . . 2023 D Kreitmeyer (FDP) 2024 A, C Dr. Kohut (FDP) . . . 2024 D, 2025 A, B Vizepräsident Dr. Schmid . . . . 2025 D Verordnung über die Senkung von Abschöpfungssätzen bei der Einfuhr von geschlachteten Gänsen (Drucksache IV/703); in Verbindung mit der Verordnung über die Senkung von Abschöpfungssätzen bei der Einfuhr von geschlachteten Hühnern (Drucksache IV/704) Bauknecht (CDU/CSU) 2026 A Bading (SPD) 2026 C Bauer (Wasserburg) (CDU/CSU) . 2026 C Dr. Schmidt (Gellersen) (SPD) . . 2027 A Entwurf eines Gesetzes über die Feststellung eines Nachtrags zum Bundeshaushaltsplan für das Rechnungsjahr 1962 (Nachtragshaushaltsgesetz 1962) (Drucksache IV/699) — Fortsetzung der ersten Beratung —; in Verbindung mit dem Entwurf eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Rechnungsjahr 1963 (Haushaltsgesetz 1963) (Drucksache IV/700) — Fortsetzung der ersten Beratung —Schoettle (SPD) . . . . . . . . 2027 C Dr. Vogel (CDU/CSU) . . . . . . 2036 B Dr. Emde (FDP) . . . . . . . . 2044 D Dr. h. c. Dr.-Ing. E. h. Möller (SPD) 2050 D Dr. Schellenberg (SPD) . . . . . 2058 A Dr. Bleiß (SPD) . . . . . . . . 2060 C Dr. Starke, Bundesminister . . . . 2062 C Entwurf eines Gesetzes zur Ausführung der zoll- und steuerrechtlichen Bestimmungen des Abkommens zwischen den Parteien des Nordatlantikvertrags vom 19. Juni 1951 über die Rechtsstellung ihrer Truppen (NATO-Truppenstatut) und des Zusatzabkommens vom 3. August 1959 usw. (Truppenzollgesetz 1962) (Drucksache IV/695) — Erste Beratung — . . . 2066 C Antrag der Fraktion der SPD betr. Futtergetreidepreise (Drucksache IV/674) . . 2066 D Nächste Sitzung 2066 D Anlagen 2057 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 46. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 8. November 1962 2013 46. Sitzung Bonn, den 8. November 1962 Stenographischer Bericht Beginn: 9.03 Uhr
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    *) Siehe Anlage 3 Anlage 1 Liste der beurlaubten Abgeordneten Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich a) Beurlaubungen Frau Albertz 30. 11. Altmaier 12. 11. Auge 19. 11. Dr. Besold 9. 11. Biegler 10. 11. von Bodelschwingh 8. 11. Dr. Bucher 9. 11. Burckardt 8. 11. Ehnes 9. 11. Engelbrecht-Greve 9. 11. Etzel 8. 11. Dr. Dr. h. c. Friedensburg 28. 11. Dr. Gleissner 9. 11. Hahn (Bielefeld) 9. 11. Hammersen 9. 11. Dr. Harm 1. 12. Höhmann (Hessisch Lichtenau) 9. 11. Hörnemann (Gescher) 9. 11. Illerhaus 8. 11. Frau Klee 9. 11. Knobloch 8. 11. Freiherr von Kühlmann-Stumm 9. 11. Kühn (Bonn) 31. 12. Kühn (Hildesheim) 9. 11. Kuntscher 31. 12. Dr. Löhr 9. 11. Lünenstraß 9. 11. Dr. Martin 9. 11. Merten 9. 11. Michels 8. 11. Murr 9. 11. Frau Dr. Probst 9. 11. Rademacher 9. 11. Richarts 16. 11. Schultz 9. 11. Seidl (München) 9. 11. Dr. Sinn 9. 11. Dr. Wahl 15. 11. Walter 9. 11. b) Urlaubsanträge Fürst von Bismarck 17. 11. Storch 15. 11. Anlage 2 Persönliche Erklärung gemäß § 36 der Geschäftsordnung. Ich bedauere, daß aus meiner Fragestellung gegenüber dem Herrn Bundesverteidigungsminister zur Person des Gutachters der Eindruck eines Kollektivurteils entstehen konnte. Eine Beleidigung hat mir ferngelegen. Gemeinsam mit meinen poli- Anlagen zum Stenographischen Bericht tischen Freunden lehne ich, getreu liberaler Tradition, jedes Kollektivurteil ab und bekenne mich zur individuellen Verantwortung in einem Rechtsstaat; gleichzeitig betone ich den Anspruch eines jeden Bürgers auf den Schutz der Gesetze, damit ihm kein Unrecht geschieht. Dr. Oswald Kohut Anlage 3 Erklärung des Abgeordneten Müller (Worms) für die Fraktion der SPD zu dem Antrag der Fraktion der SPD betr. Futtergetreidepreise (Drucksache IV/674). Der Präsident des Deutschen Bauernverbandes hat am 30. August 1962 in der Deutschen Bauernzeitung darauf hingewiesen, daß die Umstellung der Getreidepreise auf das EWG-Abschöpfungssystem zu einer allseits unerwünschten Verteuerung der von der Veredelungswirtschaft benötigten Futtermittel geführt habe. Ein allgemeines Ansteigen der Futtergetreidepreise - so sagte er - liege nicht im Interesse der Veredelungswirtschaft. Wenn das Abschöpfungssystem dafür verantwortlich sei, müsse eine Revision einzelner Elemente dieses Systems in Erwägung gezogen werden, um ein Gleichgewicht zwischen den Preisen für Futtergetreide und Veredelungsprodukte herzustellen. In diesem Zusammenhang wurde vorgeschlagen, die Monatsaufschläge für Januar und Februar 1963 zu halbieren und den Märzreport zu streichen. Nach reiflicher Überlegung sind wir zu dem Ergebnis gekommen, daß ein derartiger Vorschlag deshalb nicht praktikabel ist, weil während des laufenden Getreidewirtschaftsjahres eine Preisänderung zu erheblichen Marktstörungen führen müßte. Einfuhrverträge werden im allgemeinen für einen längeren Zeitraum abgeschlossen, so daß Änderungen, die der Gesetzgeber beschließt, unweigerlich zahllose Regreßansprüche auslösen müßten. Das ändert nichts daran, daß wir das Futtergetreidepreisniveau für überhöht erachten. Wir haben hierauf bei der Debatte des Durchführungsgesetzes zur EWG-Verordnung Nr. 19 im Plenum des Bundestages aufmerksam gemacht. Bei den Ausschußberatungen haben wir eine Grundsatzentscheidung darüber beantragt, daß der Futtergetreidepreis gesenkt werden solle. Dieser Antrag wurde mit 10 zu 9 Stimmen abgelehnt. Nachdem seitens der Regierungsvertreter im Ausschuß erklärt worden war, die endgültige Berechnung der Schwellenpreise für Futtergetreide liege noch nicht fest, haben wir vorgeschlagen, den Schwellenpreis so festzusetzen, daß die Futtergetreidepreise nicht steigen. Wir haben damit kein Gehör gefunden. Nach einem Bericht des Ernährungsdienstes vom 30. Oktober 1962 hat Herr Bundesminister Schwarz auf der Jahrestagung des Fachverbandes der Futtermittelindustrie in Minden erklärt, der Preisanstieg bei Futtergetreide sei `auf die zu reichlich berech- 2068 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 46. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 8. November 1962 neten Reports zurückzuführen. Das ist leider nur die halbe Wahrheit. Der Herr Minister hat zwar bei der Debatte über das Getreidepreisgesetz am 29. Juni 1962 nach meiner Aufforderung im Bundestag erklärt, daß er die von den Regierungsparteien beschlossene Erhöhung der Reports nicht für richtig halte, aber er hat seinen Standpunkt weder verteidigt noch für seine Verwirklichung gekämpft. Die Absicht, das bisherige Mindestpreisniveau bei Einführung der EWG-Marktordnung beizubehalten, mußte nicht notwendigerweise zu den jetzigen Konsequenzen führen. Wir hatten vorgeschlagen: a) die Vermarktungskosten von 23,50 DM/t um 4 DM/t zu senken, b) den Abstand zwischen den Interventionspreisen und den Richtpreisen von 7,5 % auf 5 % zu ermäßigen, c) bei den Monatsaufschlägen es bei der ursprünglichen Vorlage zu belassen. Die Mehrheit des Bundestages hat das leider nicht gewollt. Die Bauern, die auf den Zukauf von Futtermitteln angewiesen sind, haben die Zeche zu bezahlen, und die deutsche Veredelungswirtschaft hat den Schaden davon. Wie wichtig das Futtergetreidepreisniveau ist, ergibt sich daraus, daß die Futtergetreide-Verkaufserlöse der deutschen Landwirtschaft im Wirtschaftsjahr 1961/62 nur 10 Millionen DM betrugen, während die Landwirtschaft in diesem Zeitraum fast 3 Milliarden DM für Zukauffutter ausgegeben hat. Selbst im Vergleich mit dem Maschinenankauf und dem Aufwand für Düngemittel und den Löhnen stellt dieser Posten die absolut höchste Betriebsausgabe dar. Die Frage, was im äußersten Fall zu tun sei, um das bisherige Erzeugerpreisniveau zu schützen, wurde weder ausreichend noch gründlich erörtert. Hätte man das getan, würde man unschwer zu dem Ergebnis gekommen sein, daß dieses Ziel billiger zu erreichen ist, als es in der Tat geschah. Der Preis für denaturierten Weizen lag bisher unter dem Preis für Gerste und Mais. (397,50 DM zu 405 DM/t). Ich gebe zu, daß diese Relation nach der EWG-Verordnung Nr. 96 vom 25. Juni 1962 nicht mehr möglich ist, weil sie bestimmt, daß die Richtpreise für Gerste oder Mais beim Verkauf von denaturiertem Weizen nicht gefährdet werden dürfen. Nach Einführung der EWG-Getreidemarktordnung ist beispielsweise der Marktpreis 'für Auslandsgerste im Oktober 1962 auf etwa 450 DM/tgestiegen gegenüber etwa 405 DM/t im ,Oktober 1961; für Auslandhafer liegt er bei 420 .DM/t :gegenüber etwa 360 DM/t und für Mais bei 450 DM/t bis 475 DM/t gegenüber etwa 405 DM bis 430 DM/t. Für diese Entwicklung kann natürlich nicht die EWG-Getreidemanktordnung verantwortlich gemacht werden. Die derzeitigen Preise sind vielmehr das Ergebnis der Agrarpolitik, die die Bundesregierung und die Koalitionsparteien zu verantworten haben. Sie selbst haben den Preis bestimmt. Zum Schutz des .deutschen Erzeugerpreisniveaus hätten sowohl niedrigere Richtpreise wie auch niedrigere Schwellenpreise genügt. Das wird heute besser verstanden als vor einem halben Jahr, aber eine grundlegende Änderung kann erst das Getreidepreisgesetz für das nächste Wirtschaftsjahr bringen. Dennoch können wir einiges tun. In dem vorliegenden Antrag IV/674 beantragen wir die Beseitigang .der Umsatzausgleichssteuer. Dieses Ziel kann sowohl durch eine Änderung des Umsatzsteuergesetzes erreicht werden als auch durch eine entsprechende Ermäßigung des Schwellenpreises oder der Abschöpfungen. Hierüber wird im Ausschuß ausführlich zu sprechen sein. Bis zur Einführung der EWG-Marktordnung wurde die Umsatzausgleichssteuer zwar erhoben, bei der Abschöpfung aber zurückerstattet. Das hätte bei der Festsetzung der Schwellenpreise oder — soweit solche nicht 'bestehen — bei der Abschöpfung berücksichtigt werden müssen. Laut Meldung VWD-Europa Nr. 246 vom 24. 10. 1962 wird in Brüssel erwartet, daß die Bundesrepublik auf die Erhebung der Umsatzausgleichssteuer bei der Einfuhr von Getreide verzichtet, weil gemäß Art. 18 der Verordnung Nr. 19 im Handel zwischen den Mitgliedstaaten die Erhebung von Zöllen und Abgaben gleicher Wirkung mit der Anwendung der innergemeinschaftlichen Absatzregelung unvereinbar ist. Das gilt in gleicher Weise auch gegenüber Drittländern. Dem Vernehmen nach wird bei der EWG-Kommission jetzt erwogen, falls deutsche Maßnahmen zur Befolgung der Bestimmungen der EWG-Getreideverordnung nicht ergriffen werden, die deutschen Schwellenpreise durch eine Verordnung der EWG um den Betrag der Umsatzausgleichssteuer zu senken. Da die bisherige Erhebung der Umsatzausgleichsteuer gegen die EWG-Getreidemarktordnung verstößt, müssen die zu Unrecht erhobenen Beträge zurückerstattet werden. Die Umsatzausgleichsteuer hat bisher unnötigerweise die Preise erhöht. Es ist an der Zeit, diesen Übelstand zu beseitigen. Mit der zweiten Forderung unseres Antrages wollen wir erreichen, daß die Einfuhr- und Vorratsstelle (Getreide) Getreidemengen auch denaturiert, so lange verstärkt und unter solchen Bedingungen dem Markt zuführt, bis eine Normalisierung der Marktlage für Futtergetreide erreicht ist. Die Einfuhr- und Vorratsstelle hat mit dem Verkauf von denaturiertem Weizen für Futterzwecke bereits begonnen. Der Verkaufspreis liegt 5 DM/t über dem Richtpreis für Gerste. In Art. 7 Abs. 4 der EWG-Getreideverordnung ist vorgesehen, daß eine Denaturierungsprämie bei einem solchen Verkauf gewährt werden kann. Es ist infolgedessen zu prüfen, ob nicht ohne Gefährdung des Preisniveaus für andere Futtergetreidearten, ohne Gefährdung des Richtpreises für Gerste eine solche Denaturierungsprämie vergütet werden kann. Allerdings müssen bei derartigen Verkäufen ökonomische Gesichtspunkte berücksichtigt werden. Das scheint bisher nicht immer der Fall gewesen zu sein. So wurde kürzlich in Saarbrücken Futterweizen benötigt. Die EVST hätte von einem Lager in Enkenbach bei Kaiserslautern diesen Futterweizen nach Saarbrücken Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 46. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 8. November 1962 2069 verkaufen können. Sie hat das deshalb nicht getan, weil nach unserem Paritätspunktesystem der Futterweizenpreis in Saarbrücken nur 405,90 DM/t beträgt, in Enkenbach jedoch 422 DM/t. Aus diesem Grunde wurde ein Paritätspunkt ausgesucht, der im Preis unter dem für Saarbrücken gültigen Preis lag. Die Ware wurde somit von Massing in Bayern nach Saarbrücken verfügt, weil der Futterweizenpreis dort auf 395,60 DM/t festgesetzt wurde. Das Groteske einer solchen Maßnahme wird um so deutlicher, wenn man bedenkt, daß die Entfernung von Enkenbach nach Saarbrücken 81 km und die Bahnfracht bei 20 t 1,02 DM/100 kg beträgt, während Massing von Saarbrücken 571 km entfernt liegt und die Fracht 4,45 DM/ je 100 kg beträgt. Die Beförderung von 20 t Futterweizen von Enkenbach nach Saarbrücken kostet 204 DM, während die gleiche Menge von Massing nach Saarbrücken 814 DM erfordert. Da der Käufer Frachtkosten nur bis zum Betrag von 10 DM/t zu tragen hat, wäre also bei einer Lieferung von Enkenbach nach Saarbrücken keine Frachtsubvention zu zahlen, während diese bei einer Lieferung von Massing nach Saarbrücken 3,45 DM je 100 kg ausmacht. Solche Scherze sollten wir uns nicht leisten. Ich bitte, die Drucksache IV/674 dem Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten zu überweisen.
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Ernst Schellenberg


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In dem Finanzbericht, den uns die Bundesregierung im Zusammenhang mit dem Haushalt vorgelegt hat, fehlt interessanterweise die Aufstellung eines Gesamtsozialhaushaltes, die sich in den früheren Finanzberichten der Bundesregierung gefunden hat. Dieser Gesamtsozialhaushalt enthält die ¡Sozialausgaben des Bundes, der Länder, der Gemeinden ,sowie der Sozialversicherungen und setzt sie in Beziehung zum Bruttosozialprodukt. Daß die Bundesregierung bei der Bedeutung der Sozialausgaben diesen Gesamtsozialhaushalt nicht in ihren Finanzbericht aufgenommen hat, kann doch nicht ohne Grund geschehen sein. Die Aufstellung würde nämlich im einzelnen zeigen, wie sich der Anteil der Sozialausgaben am Sozialprodukt verringert hat und daß der Anteil, wie Herr Kollege Schoettle, von Ihnen unwidersprochen, erklärte, auf den niedrigsten Stand seit ¡der 'Gründung der Bundesrepublik herabgesunken ist.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Das hat Herr Kollege Schoettle nicht gesagt! Er hat „fast" gesagt!)

    — Fast! Wollen wir uns hier über 0,1 % nicht streiten!

    (Abg. Dr. Conring: Jeder hat freie Rede! Er kann doch reden, was er will! Es braucht doch nicht widerlegt zu werden!)

    Meine Damen und Herren, den Rückgang der Sozialausgaben im Verhältnis zum Sozialprodukt hat der Herr 'Bundesarbeitsminister vor zwei Wochen, als wir hier unsere Anträge zur Kriegsopferversorgung, zum Kindergeldrecht und zum Mutterschutzgesetz begründeten, unter dem Beifall der Regierungsparteien als das Ziel der Sozialpolitik und der Wirtschaftspolitik bezeichnet. Wer einen allgemeinen Rückgang der Sozialleistungen als das Ziel seiner Politik bezeichnet, betrachtet es offenbar als eine wesentliche Aufgabe der Sozialpolitik, nur gegenüber Notständen in Funktion zu treten. Das wird dann mit den Prinzipien der Bedürftigkeitsprüfung wie in der Kriegsopferversorgung und im Kindergeldrecht praktiziert. Auf diese Weise kommt man in der Sozialpolitik zu Methoden, die in die Nähe einer gehobenen Armenfürsorge geraten, wie es der Herr Bundesfamilienminister kürzlich einmal für die Familienpolitik zugab. ,Solche Methoden entsprechen nach unserer Vorstellung einer Sozialpolitik nicht des 20., sondern des 19. Jahrhunderts.

    (Beifall bei der SPD.)

    Wir empfinden es als sehr bemerkenswert, daß der Herr Bundesfinanzminister einen Rückgang der Sozialausgaben nicht wie der 'Herr Bundesarbeitsminister ausdrücklich als das Ziel seiner Politik bezeichnet hat. Vielmehr hat der Herr Bundesfinanzminister sogar von Gesetzentwürfen gesprochen, für die noch in einem Nachtragshaushalt Ansätze zu veranschlagen wären.

    (Abg. Winkelheide: Warten Sie mal ab!)

    — Herr Kollege Winkelheide, wir kommen später noch zur Beratung dieser Entwürfe, aber einiges werde ich Ihnen heute schon sagen.
    Allerdings hat der Herr Bundesfinanzminister hinsichtlich des Nachtragshaushaltes auch einschränkend auf notwendige Verhandlungen mit den Ländern hingewiesen. Zudem waren im Inhalt seine Erklärungen zu den Gesetzenwürfen reichlich unbestimmt. Ich will das im einzelnen beweisen.
    Erstens. Der Herr Bundesfinanzminister hat hier unter Zustimmung des ganzen Hauses erklärt, daß Leistungen für Opfer des Krieges die Erfüllung einer Ehrenschuld des ganzen Volkes darstellen. Aber Herr Bundesfinanzminister, wir sind der Meinung, daß Sie aus dieser Auffassung nicht die Konsequenzen für den Haushaltsplan gezogen haben; denn Ihr Hinweis auf einen Nachtragshaushalt ist unbefriedigend. Die Bundesregierung hat von diesem Hause den Auftrag erhalten, bis zum 30. November dieses Jahres den Entwurf eines Zweiten Kriegsopfer-Neuregelungsgesetzes vorzulegen. Bei dieser Fristsetzung muß sich die Bundesregierung doch wohl schon jetzt in etwa über die Größenordnungen im klaren sein, um die es haushaltsmäßig geht.
    Im übrigen, Herr Bundesfinanzminister: Ihr ververehrter Herr Vorgänger 'hat im Jahre 1960 für das Erste Kriegsopfer-Neuordnungsgesetz vorweg einen Betrag von 900 Millionen DM in den Bundeshaushalt aufnehmen lassen. Wenn jetzt die Bundesregierung beim bevorstehenden Zweiten Neuordnungsgesetz von dieser beim Ersten Neuordnungsgesetz angewandten Praxis des vorsorglichen Ansatzes ¡abweicht, dann können leider bei den Menschen, um die es geht, bei den Opfern des Krieges Zweifel darüber bestehen, ob die Bundesregierung wenigstens vom 1. Januar 1963 an ihnen gegenüber ihre Ehrenschuld erfüllen will.

    (Beifall bei der SPD.)

    In diesem Zusammenhang noch eine andere Bemerkung. Es gilt uns wohl allen als eine Verpflichtung, die Wiedergutmachung so fortzusetzen, wie es den moralisch berechtigten Forderungen entspricht. Im Haushaltsansatz ist der Betrag dafür um 25 Millionen DM verringert. Der Herr Bundesfinanzminister weiß doch um die Anforderungen, die hinsichtlich der Wiedergutmachung zu erfüllen sind! Wir erklären das heute deshalb nachdrücklich, um schon jetzt zu sagen, daß wir auf die Frage der Wiedergutmachung in diesem Hause sehr bald und konkret zurückkommen werden und müssen.

    (Beifall bei der SPD.)




    Dr. Schellenberg
    Ein zweiter Bereich! Der Herr Sonderminister Dr. Krone hat auf dem CDU-Parteitag in Karlsruhe erklärt — ich zitiere wörtlich —: „Man soll an der Familienpolitik erkennen, daß Christliche Demokraten die Verantwortung tragen." Im vorliegenden Haushalt sind die Ansätze für Familienausgleich um 100 Millionen DM niedriger als im vergangenen Jahr. Nun 'komme ich zu Ihrem Zwischenruf, Herr Kollege Winkelheide: Die Bundesregierung hat doch ein Bundeskindergeldgesetz verabschiedet. Der Inhalt bringt im wesentlichen eine Umschichtung in der Aufbringung der Mittel. Das ist auch eine wichtige Aufgabe. Aber der Umfang der tatsächlichen Verbesserung des Familienausgleichs ist mehr als bescheiden, er ist kläglich. Er soll weiterhin für Familien mit zwei Kindern an der Einkommensgrenze von 600 DM festgehalten werden. Wir wissen alle, daß es vor einem Jahr hieß, 1,8 Millionen Familien mit zwei Kindern sollen dieses Kindergeld erhalten. Jetzt sind es 1,2 bis 1,3 Millionen Familien.
    Der Herr Bundesfinanzminister hat auch in bezug auf das Bundeskindergeldgesetz auf die Möglichkeit des Nachtragshaushalts verwiesen. Er sagte — ich möchte das zitieren, weil es auf jedes Wort ankommt —, „daß Mittel im Haushalt deshalb nicht veranschlagt sind, weil Zeitpunkt des Inkrafttretens und Höhe der Kosten noch nicht zu übersehen sind." Diese Erklärung des Herrn Bundesfinanzministers steht aber nicht im Einklang mit dem Text des Gesetzentwurfs. In dem Entwurf ist als Zeitpunkt des Inkrafttretens der 1. Juli 1963 festgesetzt. Im Finanzteil ist genau berechnet, wie hoch die Mehraufwendungen aus der Umschichtung im wesentlichen und zum sehr bescheidenen Teil aus der Leistungsverbesserung sein werden. Deshalb wäre es entgegen der Erklärung des Herrn Bundesfinanzministers doch wohl durchaus möglich gewesen, den Ansatz, den man in der Begründung des Gesetzes seitens der Bundesregierung berechnet hat, in diesen Haushaltsplan aufzunehmen.
    Auch das ist nicht ohne Beispiel; denn im Jahre 1961, beim Kindergeldkassengesetz, sind, ohne daß schon ein Entwurf vorlag, die Beträge vorsorglich in den Haushalt eingesetzt worden.
    Für den fehlenden Ansatz der Mehraufwendungen habe ich nur zwei Erklärungsgründe. Dabei möchte ich mich insbesondere an den Herrn Bundesfinanzminister wenden. Herr Bundesfinanzminister, die erste Möglichkeit ist, daß Sie selbst nicht mit Inkrafttreten dieses Bundeskindergeldgesetzes zum 1. Juli 1963 rechnen.

    (Heiterkeit bei der SPD.)

    Dafür spricht vieles, nicht nur Ihre eigene Erklärung, sondern auch die Erklärung des Herrn Bundeskanzlers, der die Richtlinien der Politik bestimmt. Beide Herren haben nachdrücklich erklärt: Diese drei Gesetze sind unlösbar miteinander verbunden. Jeder in diesem Hause weiß, daß die beiden anderen Gesetze nicht vor dem 1. Januar 1964 in Kraft treten können.
    Die zweite Möglichkeit, Herr Bundesfinanzminister, könnte die sein, daß Sie zusammen mit Ihren Kollegen FDP-Ministern, wie die Presse mitteilte, nicht an der Verabschiedung dieses „Sozialpaketes" im Bundeskabinett teilnahmen und sich deshalb mit
    dem Inhalt noch nicht ausreichend vertraut machen konnten.

    (Abg. Arndgen: Sie können aber Behauptungen aufstellen!)

    — Nein, diese Pressemitteilungen sind unwidersprochen geblieben. Es wurde sogar berichtet: Nachträglich solle sich noch der Koalitionsausschuß mit den von der Bundesregierung bereits verabschiedeten Gesetzentwürfen beschäftigen. Das scheint doch zu bestätigen, daß die Herren Minister der FDP an der Beschlußfassung nicht teilgenommen haben.
    Wie dem auch sei, der Hinweis, den der Herr Bundesfinanzminister über Möglichkeiten des Nachtragshaushalts gegeben hat, ist geeignet, irrtümliche Vorstellungen zumindest über den Zeitpunkt des Inkrafttretens jener ganz bescheidenen Verbesserungen des Kindergeldrechts in den Familien hervorzurufen.
    Noch ein drittes, Herr Bundesfinanzminister. Unter den Punkten 81 und 82 Ihrer Begründung des Bundeshaushalts haben Sie mit vier Sätzen das Gesundheitswesen erwähnt. Nach Auffassung meiner politischen Freunde scheint das zu veranschaulichen, daß die Bundesregierung immer noch nicht in ausreichender Weise die Bedeutung der Gesundheitspolitik für unser Volk erkannt hat.

    (Beifall bei der SPD.)

    Nach dem Funktionenplan, der Teil des Haushaltsgesetzes ist, sind die Ansätze für Gesundheitswesen, Sport und dergleichen um ganze 2 % gegenüber dem Vorjahre erhöht. Das entspricht noch nicht einmal der Steigerung des Gesamtvolumens des Haushalts oder — ich will mich vorsichtig ausdrücken — den Entwicklungsmöglichkeiten des Bruttosozialprodukts.
    Ich sehe die verehrte Frau Gesundheitsministerin nicht im Raume. Sie hatte eine andere Verpflichtung nehme ich an, muß ich annehmen.

    (Heiterkeit.)

    Wir erheben den Vorwurf, daß das Bundesgesundheitsministerium, das wir alle hier im Hause begrüßt haben, noch keine einzige wichtige Aufgabe so vorangebracht hat, daß sie dem Hause zugehen konnte. Die Frau Ministerin entschuldigt sich auf ihren Reisen immer mit ihrer zu geringen Zuständigkeit in diesen gesundheitspolitischen Fragen. Wir müssen aber feststellen, daß die Frau Gesundheitsministerin noch nicht einmal die Dinge geregelt hat, für die sie zweifelsohne zuständig ist, die zu regeln sie sogar verpflichtet ist; ich nenne beispielsweise: Rechtsverordnung zum Lebensmittelrecht oder zum Arzneimittelrecht.

    (Hört! Hört! bei der SPD.)

    Vielleicht — ich weiß es nicht — mag dazu beitragen, daß aus koalitionspolitischen Gründen noch kein Staatssekretär für das Bundesgesundheitsministerium bestellt werden konnte, vielleicht.

    (Heiterkeit.)

    Das einzige, was der Bundesregierung eingefallen ist
    und was gesundheitspolitisch von großer Tragweite



    Dr. Schellenberg
    ist, sind Kostenbeteiligungen in einer Größenordnung von rund 1 Milliarde Mark. Sie stellen in ihrem gesundheitlichen Inhalt eine Verlagerung zu Lasten der Familie mit Kindern und auch eine Verlagerung zu Lasten der Älteren in unserem Volke dar und könnten die frühzeitige Inanspruchnahme ärztlicher und zahnärztlicher Behandlung behindern.

    (Abg. Arndgen: „Könnten", sehr vorsichtig!)

    — Natürlich, ich bin sehr vorsichtig. Wir kommen noch zu einer Debatte über das sogenannte Paket. Wir müssen uns einiges für diese Debatte aufbewahren.

    (Heiterkeit und Zurufe.)

    Ein viertes. Herr Kollege Schoettle hat daraufhingewiesen, daß es allen Industrienationen ein dringendes Anliegen ist, mehr für die Förderung der Berufsausbildung zu tun. Niemand in diesem Hause hat dem widersprochen. Soweit sich Sprecher der Regierungsparteien überhaupt zu Worte gemeldet haben

    (Abg. Spies: Bis jetzt zu Worte gekommen sind!)

    — sich gemeldet haben, muß man doch wohl sagen —, haben sie dieser dringenden Forderung nicht widersprechen können. Der Herr Bundesfinanzminister — ich sehe ihn im Augenblick nicht im Raum —

    (Abg. Etzel: Was man nicht in der Hand hat, kann man nicht halten! — Heiterkeit)

    hat in den 83 Seiten seines Manuskripts nicht einmal die Worte „Berufsförderung", „Aufstiegschancen" oder dergleichen erwähnt.
    Meine Damen und Herren, im Mai 1959 hat dieses Haus die Bundesregierung beauftragt, einen Gesetzentwurf über Ausbildungsförderung vorzulegen. Als wir Sozialdemokraten dann einen eigenen Gesetzentwurf über Ausbildungsförderung am 17. Mai dieses Jahres einbrachten, erklärte der Herr Bundesfamilienminister, die. Bundesregierung werde so bald wie möglich auch einen Gesetzentwurf vorlegen. Aber die Vorarbeiten in der Bundesregierung sind offenbar noch nicht so weit fortgeschritten, daß der Herr Bundesfinanzminister hiervon Kenntnis erhalten hat und dazu in seiner Haushaltsrede auch nur ein Wort sagen konnte.
    Ich komme zum Schluß. Der vorgelegte Haushalt entspricht nach unserer Auffassung nicht folgenden dringenden Forderungen. Erstens erfüllt er nicht die Ehrenschuld — wie der Herr Bundesfinanzminister erklärte — gegenüber den Opfern des Krieges und gegenüber denen, denen wir Wiedergutmachung schuldig sind. Er wird zweitens nicht der Aufgabe einer besseren wirtschaftlichen Sicherung unserer Familien gerecht. Drittens entspricht er nicht den gesundheitlichen Forderungen unserer Zeit,

    (Zuruf des Abg. Niederalt)

    und viertens finden die Notwendigkeiten der Berufsausbildung und -förderung keinen zureichenden Ausdruck. — Herr Kollege Niederalt, ich glaube, Sie werden mit mir der Auffassung sein, daß die vier Aufgaben, von denen ich sprach, wichtige Anliegen des ganzen Hauses und unseres ganzen Volkes sein sollten.

    (Beifall bei der SPD.)

    Deshalb erfüllt der vorgelegte Haushaltsentwurf nicht die Aufgaben, die der Sozialpolitik für heute und für morgen gestellt sind.

    (Beifall bei der SPD.)



Rede von Dr. Thomas Dehler
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Bleiß.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Paul Bleiß


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Ausführungen des Herrn Bundesfinanzministers zur Verkehrspolitik des Bundes machen eine Stellungnahme der sozialdemokratischen Fraktion in der ersten Lesung erforderlich. Ich bitte Sie deshalb trotz der späten Stunde noch um etwas Geduld zu den Bemerkungen, die ich insbesondere zum Straßenbau und zu der Problematik der Bundesbahn machen möchte.
    Der Verkehrshaushalt weist in Kap. 1210 die gleichen Ansätze wie im Vorjahr aus. Der Herr Bundesfinanzminister hat in seiner Etatrede zum Ausdruck gebracht, daß die Ansätze in Vorjahreshöhe ausreichen werden, um die Verkehrswege an das gestiegene Verkehrsvolumen anzupassen. Nun, Herr Bundesfinanzminister, wenn Sie es wirklich so meinen, wie es in Ihrer veröffentlichten Haushaltsrede auf Seite 25 zu lesen steht, dann ist mir Ihr Optimismus einfach unbegreiflich. Jeder, der sich heute auf unseren Straßen bewegt, gleichgültig, ob er Kraftfahrer oder Fußgänger ist, und gleichgültig, ob er sich auf Autobahnen, auf Fern-, auf Kreis- oder auf Gemeindestraßen bewegt, kann sich und muß sich leider laufend davon überzeugen, daß die Verkehrsverhältnisse auf unseren Straßen von Monat zu Monat desolater werden.
    Die Haushaltsansätze für den Straßenbau für 1962 waren absolut unzureichend; das ist die Bilanz, die wir leider täglich ziehen müssen. Im nächsten Jahr werden mindestens eine Million Personenkraftwagen mehr auf unseren Straßen sein, das Verkehrsvolumen wird sich um mindestens 10 % erhöhen; und wenn schon in diesem Jahr die Haushaltsansätze für den Straßenbau völlig unzureichend waren, dann ist im nächsten Jahr bei gleichen Ansätzen eine Anpassung an das steigende Verkehrsvolumen völlig ausgeschlossen.

    (Abg. Müller-Hermann: „Unzureichend" ist aber reichlich übertrieben! — Abg. Dr. Conring: Sie konnten ja gar nicht ausgegeben werden!)

    — Sie konnten nicht ausgegeben werden infolge der Sperre. Ich meine, wenn man die Ausgabe der Mittel monatelang verzögert, kann man nachher Ihrem Verkehrsministerium nicht den Vorwurf machen, daß die Mittel nicht ausgegeben worden sind. Das ist leider immer die sehr zwielichtige Methode, meine Damen und Herren von der CDU, der Sie sich zeitweilig bedienen. Herr Bundesfinanzminister, 'ich würde Sie deshalb doch bitten, die



    Dr. Bleiß
    Aussage, die Sie hier auf Seite 25 gemacht haben, noch einmal auf ihre Richtigkeit zu überprüfen.
    Herr Bundesfinanzminister, Ihre Aussage, mit der Sie die Lockerung der Zweckbindung der Mineralölsteuer begründen, steht auch in einem offensichtlichen Widerspruch zu den straßenbaulichen Thesen, die der Bundesverkehrsminister auf vielen Veranstaltungen vertreten hat, und Sie haben in Ihrer Etatrede mit keinem Wort den zweiten Vierjahresplan für den Straßenbau erwähnt, diesen zweiten Vierjahresplan, dem Sie durch die im Haushaltsgesetz angekündigte Beschränkung der Zweckbindung die Finanzgrundlage einfach entzogen haben.
    Meine Damen und Herren, wir halten den Weg, den Sie hier beschreiten, für sehr bedenklich; denn die Zweckbindung der Mineralölsteuer ist das geeignetste und nach meiner Meinung das beste Mittel, um die Dynamik der Motorisierung und den Straßenbau miteinander zu koppeln und zu verzahnen, um zu verhüten, daß sich die Schere zwischen der Motorisierung und dem Straßenbau noch weiter öffnet.
    Ich mache diese Bemerkungen noch aus einem anderen Grunde. Die spezifischen Verkehrsabgaben sind die einzigen Steuern, die im letzten Jahrzehnt mehrfach drastisch erhöht worden sind; und nur unter dem Gesichtspunkt der Deckung des riesigen Nachholbedarfs im Straßenbau ist es doch meiner Meinung nach zu rechtfertigen, daß der deutsche Kraftfahrer, verglichen mit den Kraftfahrern in anderen Ländern der westlichen Welt, die weitaus höchsten Lasten zu tragen hat.
    Aus diesem Grunde ist schon 1955 im Verkehrsfinanzgesetz die Regelung getroffen worden, daß das Mehraufkommen an Steuermitteln dem Bundesstraßenbau zuzuführen ist, und ,aus dem gleichen Grunde ist die prinzipielle Zweckbindung im § 1 des Straßenbaufinanzierungsgesetzes verankert worden. Herr Bundesfinanzminister, Sie haben im § 9 ides Haushaltsgesetzes die befristete Beschränkung der Zweckbindung der Mineralölsteuer gefordert. Wie steht es aber mit dem Verkehrsfinanzgesetz? Sind Sie nicht nach diesem Gesetz auch verpflichtet, das Steuermehraufkommen dem Bau von Bundesstraßen zuzuführen, und läßt dieses Gesetz es zu, daß Sie die im Einzelplan 12 gesperrten 180 Millionen DM 1962 zur Deckung des allgemeinen Haushalts heranziehen?
    Meine Damen und Herren, man hat mitunter den Eindruck, daß der ,Straßenbau von Ihnen als ein notwendiges Übel angesehen wird. Ich halte die Investitionen im Straßenbau für volkswirtschaftlich produktive Aufwendungen, die besonders geeignet sind, die Stabilität unserer Wirtschaft zu fördern. Denn abgesehen von der notwendigen Verringerung der Zahl der Verkehrsopfer — ein Anliegen, das uns immer wieder besthälftigen muß — und abgesehen von der notwendigen Verringerung der durch die Unfälle bedingten Sachschäden — wird heute durch die riesigen Autoschlangen, durch die Verkehrsverstopfungen usw. ein zahlenmäßig überhaupt nicht zu fassender Verschleiß an Zeit und Arbeitskraft verursacht. In wissenschaftlichen Untersuchungen ist festgestellt worden, daß durch das Langsamfahren und das wiederholte Anfahren 2. B. der Reifenverbrauch um mehr als 50 % ansteigt, der Treibstoffverbrauch um 30 bis 50 % höher ist und, was mir besonders bemerkenswert erscheint, die ungenügende Treibstoffverbrennung unsere Luft zusätzlich verunreinigt.
    Das sind Tatsachen, die es uns unerklärlich erscheinen lassen, daß der Straßenbau seitens der Bundesregierung auch im neuen Haushaltsjahr nicht die Berücksichtigung erfahren soll, die er verdient. Bleibt es bei den Haushaltsansätzen in Vorjahrshöhe, dann fügen Sie, meine Damen und Herren, den bisherigen Versäumnissen neue Versäumnisse hinzu.
    Lassen Sie mich nun ein paar Bemerkungen zur Bundesbahn machen. Der Herr Bundesfinanzminister hat in seiner Etatrede gesagt, daß für die Deutsche Bundesbahn auch im nächsten Jahr 1047 Millionen DM vorgesehen sind. Er fährt dann fort, daß er während seiner Amtszeit wiederholt darauf hingewiesen habe, daß es in erster Linie Aufgabe der Deutschen Bundesbahn selbst sei, den Ausgleich ihrer Rechnung anzustreben.
    Herr Bundesfinanzminister, wenn man das liest, muß der Eindruck entstehen, daß die Bundesbahn jährlich eine Subvention von mehr als 1 Milliarde DM erhalten habe und daß es an der Zeit sei, eine solche Subvention abzubauen. So, meine Damen und Herren, liegen die Dinge nicht. Der Bundesfinanzminister hat in seiner Rede nicht erwähnt, daß von den 1047 Millionen DM 631 Millionen DM Ausgleichzahlungen für betriebsfremde Lasten darstellen, daß 245 Millionen DM Darlehen oder Kapitalaufstockungsbeträge sind und daß nur ein Betrag von 170 Millionen DM einen Zuschuß zu den Sozialtarifen der Bundesbahn darstellt. So korrigiert, meine Damen und Herren, sieht das Bild schon etwas anders aus. Es scheint mir im Interesse der Bundesbahn notwendig, eine solche Feststellung zu treffen.
    Mir scheint aber noch eine weitere Modifikation erforderlich zu sein. Auch dem Herrn Bundesfinanzminister ist sicherlich bekannt — und hier befinde ich mich in Übereinstimmung mt dem Herrn Bundesverkehrsminister und mit dem Brand-Gutachten —, daß die Bundesbahn neben den betriebsfremden Lasten noch erhebliche betriebsungewöhnliche Lasten zu tragen hat. Das sind die Kosten der Altersversorgung, die über den Sozialaufwand vergleichbarer Betriebe weit hinausgehen. Die Bundesregierung hat das im letzten Jahr auch teilweise anerkannt, und eine Abgeltung von 280 Millionen DM vorgeschlagen. Sie hat — bemerkenswerterweise -
    nicht die Unterstützung der Koalitionsmehrheit gefunden.
    Im Lichte dieser Tatsachen darf ich feststellen, daß nach dem uns bekannten Zahlenmaterial die Bundesbahn kein subventionierter Betrieb ist.
    Herr Bundesfinanzminister, Sie haben in Ihrer Rede weiterhin gesagt, daß die Zuschußleistungen des Bundeshaushalts nur vorübergehender Natur sein können und daß die Bundesbahn bei einem fortschreitenden Zusammenwachsen des Gemein-



    Dr. Bleiß
    samen Marktes auf dem Verkehrsgebiet mit einem verschärften Wettbewerb rechnen muß. Das ist zweifellos richtig. Der Wettbewerb wird sich verschärfen, einmal durch den Umwandlungsprozeß in der Energieversorgung, durch die Umstellung von Kohle und Stahl, durch den Ausbau des PipelineNetzes, durch die von Ihnen angedeutete Senkung der Beförderungsteuer im Werkfernverkehr, und es wird möglicherweise auch eine Verschärfung eintreten durch die von einem Teil der CDU beantragte Ausweitung der Nahverkehrszone. Alle diese Maßnahmen werden den Wettbewerb verschärfen.
    Nach den in meiner wirtschaftlichen Praxis gesammelten Erfahrungen führt ein verschärfter Wettbewerb auch zu einem vermehrten Preisdruck, und ich empfinde es als etwas merkwürdig, daß Sie, Herr Bundesfinanzminister, angesichts des verschärften Wettbewerbs der Bundesbahn erhebliche Tariferhöhungen vorschlagen, Tariferhöhungen, die im Einzelfall bis zu 14 % gehen.
    Über die volkswirtschaftlichen Auswirkungen hat hier mein Fraktionskollege Dr. Möller schon einiges ausgeführt. Aber abgesehen von den volkswirtschaftlich abträglichen Rückwirkungen ist zu befürchten, daß die Tariferhöhungen auf die Bundesbahn wie ein Bumerang zurückschlagen werden. Es ist bekannt und in jeder Statistik zu lesen, daß der Anteil der Bundesbahn am Personennahverkehr laufend zurückgeht, nicht etwa wegen der wachsenden Antipathie der Verkehrsteilnehmer gegenüber der Bundesbahn, sondern weil die Verkehrsteilnehmer heute mit anderen Verkehrsmitteln besser und billiger befördert werden oder sich aus Gründen der Rentabilität selbst einen PKW anschaffen. Eine Tariferhöhung in dem von Ihnen beabsichtigten Ausmaß wird diese Tendenz verstärken. Diese Konsequenzen befürchten wir, und auch aus diesem Grunde sind wir gegen die geplanten Tariferhöhungen. Wir würden es für richtiger halten, wenn die Bundesregierung endlich die Bundesbahn in den Stand setzte, ihr teilweise überhöhtes Tarifniveau zu senken und besonders die Tarife für Massengüter den Selbstkosten anzupassen. Das schiene uns eine echte Stabilisierungsmaßnahme zu sein. Wir sind überzeugt, daß solche Maßnahmen am ehesten geeignet sind, der Bundesbahn ein erhöhtes Verkehrsaufkommen zuzuführen.

    (Abg. Müller-Hermann: Das sind doch die Tarife, die bisher den Personenverkehr subventionieren!)

    — Nein, Herr Kollege Müller-Hermann. Sie wissen genau, daß auch die Tarife der Bundesbahn im Personennahverkehr gemessen an den Wettbewerbern überhöht sind und daß es notwendig ist, auch hier zu einer Senkung und nicht zu einer Erhöhung zu kommen.
    Sie wissen sehr genau, daß der Omnibus preiswerter fahren kann als die Bundesbahn. Deshalb muß die !Bundesbahn wettbewerbsfähiger werden. Das geht nicht im Wege von Tariferhöhungen, sonder nur durch eine vernünftige Tarifgebarung.

    (Abg. Müller-Hermann: Ein Wettbewerb hat zunächst einmal kostenechte Preise zur Voraussetzung!)

    — Selbstverständlich; davon müssen wir ausgehen. Wenn man der Bundesbahn eine Reihe von Lasten abnimmt, kann sie auf vielen Gebieten kostennäher tarifieren. Diese erste Voraussetzung einer Wettbewerbswirtschaft haben Sie leider nie erfüllt, und Sie können keinen Wettbewerb fordern, wenn Sie nicht dazu bereit sind, die Voraussetzungen dafür zu schaffen.
    Meine Damen und 'Herren, wir hielten es für dringend notwendig, zur ersten Lesung festzustellen, daß die im Bundeshaushalt 1963 verzeichneten Ansätze den Erfordernissen einer modernen Verkehrswirtschaft nicht gerecht werden. Wir gehen mit diesen Vorbehalten an die Beratungen des Haushalts heran.

    (Beifall bei der SPD.)