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ID0404618100

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    Deutscher Bundestag 46. Sitzung Bonn, den 8. November 1962 Inhalt: Fragestunde (Drucksache IV/708) Frage des Abg. Wittrock: Festnahme des „Spiegel"-Redakteurs Ahlers in Malaga Erler (SPD) . . . . . . . . . 2013 B, D Höcherl, Bundesminister . . . . 2013 B, D, 2014 B, C, D, 2015 A, D, 2016 C, 2017 C, 2018 B, C, 2020 A, C, D, 2021 A, B Strauß, Bundesminister 2013 D, 2015 A, B, 2018C,D, 2019A Dr. Schäfer (SPD) . . . . 2014 A, B, C Schmitt-Vockenhausen (SPD) . . 2014 C, D Dr. Mommer (SPD) . . . 2014 D, 2015 A Ritzel (SPD) . . . . 2015 C, 2016 A, B Vizepräsident Dr. Schmid . . . . 2016 B, 2017A,B, 2018A,B,D Dr. Kohut (FDP) . . . . . 2017 A, B Wittrock (SPD) 2017 B, C Metzger (SPD) . . . 2018 A, B, 2019 D Wacher (CDU/CSU) . . . . . . 2020 C Dr. Müller-Emmert (SPD) . . . . 2020 D Figgen (SPD) . . . . . . . . . 2021 A Dr. Schmidt (Wuppertal) (CDU/CSU) 2021 A Frage des Abg. Wittrock: Ermittlungen gegen andere Zeitungen Höcherl, Bundesminister . . 2021 B, C, D Wittrock (SPD) . . . . . . . 2021 B, D Schmitt-Vockenhausen (SPD) . , 2021 C Strauß, Bundesminister . . . . 2021 C, D Frage des Abg. Wittrock: Einschließung in eine Zelle Höcherl, Bundesminister . . . . 2022 A, B Wittrock (SPD) . . . . . . 2022 A, B Frage des Abg. Erler: Unterrichtung der Presse über Erfordernisse der militärischen Geheimhaltung Strauß, Bundesminister 2022 C, 2023 A Erler (SPD) 2022 C, 2023 A Frage des Abg. Erler: Anzeige des Bundesverteidigungsministeriums wegen Nr. 41 des „Spiegels" Strauß, Bundesminister . . 2023 B, C, D, 2024 A, C, D, 2025 A, B, D Erler (SPD) 2023 C II Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 46. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 8. November 1962 Dr. Schäfer (SPD) . . . . . . . 2023 D Kreitmeyer (FDP) 2024 A, C Dr. Kohut (FDP) . . . 2024 D, 2025 A, B Vizepräsident Dr. Schmid . . . . 2025 D Verordnung über die Senkung von Abschöpfungssätzen bei der Einfuhr von geschlachteten Gänsen (Drucksache IV/703); in Verbindung mit der Verordnung über die Senkung von Abschöpfungssätzen bei der Einfuhr von geschlachteten Hühnern (Drucksache IV/704) Bauknecht (CDU/CSU) 2026 A Bading (SPD) 2026 C Bauer (Wasserburg) (CDU/CSU) . 2026 C Dr. Schmidt (Gellersen) (SPD) . . 2027 A Entwurf eines Gesetzes über die Feststellung eines Nachtrags zum Bundeshaushaltsplan für das Rechnungsjahr 1962 (Nachtragshaushaltsgesetz 1962) (Drucksache IV/699) — Fortsetzung der ersten Beratung —; in Verbindung mit dem Entwurf eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Rechnungsjahr 1963 (Haushaltsgesetz 1963) (Drucksache IV/700) — Fortsetzung der ersten Beratung —Schoettle (SPD) . . . . . . . . 2027 C Dr. Vogel (CDU/CSU) . . . . . . 2036 B Dr. Emde (FDP) . . . . . . . . 2044 D Dr. h. c. Dr.-Ing. E. h. Möller (SPD) 2050 D Dr. Schellenberg (SPD) . . . . . 2058 A Dr. Bleiß (SPD) . . . . . . . . 2060 C Dr. Starke, Bundesminister . . . . 2062 C Entwurf eines Gesetzes zur Ausführung der zoll- und steuerrechtlichen Bestimmungen des Abkommens zwischen den Parteien des Nordatlantikvertrags vom 19. Juni 1951 über die Rechtsstellung ihrer Truppen (NATO-Truppenstatut) und des Zusatzabkommens vom 3. August 1959 usw. (Truppenzollgesetz 1962) (Drucksache IV/695) — Erste Beratung — . . . 2066 C Antrag der Fraktion der SPD betr. Futtergetreidepreise (Drucksache IV/674) . . 2066 D Nächste Sitzung 2066 D Anlagen 2057 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 46. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 8. November 1962 2013 46. Sitzung Bonn, den 8. November 1962 Stenographischer Bericht Beginn: 9.03 Uhr
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    *) Siehe Anlage 3 Anlage 1 Liste der beurlaubten Abgeordneten Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich a) Beurlaubungen Frau Albertz 30. 11. Altmaier 12. 11. Auge 19. 11. Dr. Besold 9. 11. Biegler 10. 11. von Bodelschwingh 8. 11. Dr. Bucher 9. 11. Burckardt 8. 11. Ehnes 9. 11. Engelbrecht-Greve 9. 11. Etzel 8. 11. Dr. Dr. h. c. Friedensburg 28. 11. Dr. Gleissner 9. 11. Hahn (Bielefeld) 9. 11. Hammersen 9. 11. Dr. Harm 1. 12. Höhmann (Hessisch Lichtenau) 9. 11. Hörnemann (Gescher) 9. 11. Illerhaus 8. 11. Frau Klee 9. 11. Knobloch 8. 11. Freiherr von Kühlmann-Stumm 9. 11. Kühn (Bonn) 31. 12. Kühn (Hildesheim) 9. 11. Kuntscher 31. 12. Dr. Löhr 9. 11. Lünenstraß 9. 11. Dr. Martin 9. 11. Merten 9. 11. Michels 8. 11. Murr 9. 11. Frau Dr. Probst 9. 11. Rademacher 9. 11. Richarts 16. 11. Schultz 9. 11. Seidl (München) 9. 11. Dr. Sinn 9. 11. Dr. Wahl 15. 11. Walter 9. 11. b) Urlaubsanträge Fürst von Bismarck 17. 11. Storch 15. 11. Anlage 2 Persönliche Erklärung gemäß § 36 der Geschäftsordnung. Ich bedauere, daß aus meiner Fragestellung gegenüber dem Herrn Bundesverteidigungsminister zur Person des Gutachters der Eindruck eines Kollektivurteils entstehen konnte. Eine Beleidigung hat mir ferngelegen. Gemeinsam mit meinen poli- Anlagen zum Stenographischen Bericht tischen Freunden lehne ich, getreu liberaler Tradition, jedes Kollektivurteil ab und bekenne mich zur individuellen Verantwortung in einem Rechtsstaat; gleichzeitig betone ich den Anspruch eines jeden Bürgers auf den Schutz der Gesetze, damit ihm kein Unrecht geschieht. Dr. Oswald Kohut Anlage 3 Erklärung des Abgeordneten Müller (Worms) für die Fraktion der SPD zu dem Antrag der Fraktion der SPD betr. Futtergetreidepreise (Drucksache IV/674). Der Präsident des Deutschen Bauernverbandes hat am 30. August 1962 in der Deutschen Bauernzeitung darauf hingewiesen, daß die Umstellung der Getreidepreise auf das EWG-Abschöpfungssystem zu einer allseits unerwünschten Verteuerung der von der Veredelungswirtschaft benötigten Futtermittel geführt habe. Ein allgemeines Ansteigen der Futtergetreidepreise - so sagte er - liege nicht im Interesse der Veredelungswirtschaft. Wenn das Abschöpfungssystem dafür verantwortlich sei, müsse eine Revision einzelner Elemente dieses Systems in Erwägung gezogen werden, um ein Gleichgewicht zwischen den Preisen für Futtergetreide und Veredelungsprodukte herzustellen. In diesem Zusammenhang wurde vorgeschlagen, die Monatsaufschläge für Januar und Februar 1963 zu halbieren und den Märzreport zu streichen. Nach reiflicher Überlegung sind wir zu dem Ergebnis gekommen, daß ein derartiger Vorschlag deshalb nicht praktikabel ist, weil während des laufenden Getreidewirtschaftsjahres eine Preisänderung zu erheblichen Marktstörungen führen müßte. Einfuhrverträge werden im allgemeinen für einen längeren Zeitraum abgeschlossen, so daß Änderungen, die der Gesetzgeber beschließt, unweigerlich zahllose Regreßansprüche auslösen müßten. Das ändert nichts daran, daß wir das Futtergetreidepreisniveau für überhöht erachten. Wir haben hierauf bei der Debatte des Durchführungsgesetzes zur EWG-Verordnung Nr. 19 im Plenum des Bundestages aufmerksam gemacht. Bei den Ausschußberatungen haben wir eine Grundsatzentscheidung darüber beantragt, daß der Futtergetreidepreis gesenkt werden solle. Dieser Antrag wurde mit 10 zu 9 Stimmen abgelehnt. Nachdem seitens der Regierungsvertreter im Ausschuß erklärt worden war, die endgültige Berechnung der Schwellenpreise für Futtergetreide liege noch nicht fest, haben wir vorgeschlagen, den Schwellenpreis so festzusetzen, daß die Futtergetreidepreise nicht steigen. Wir haben damit kein Gehör gefunden. Nach einem Bericht des Ernährungsdienstes vom 30. Oktober 1962 hat Herr Bundesminister Schwarz auf der Jahrestagung des Fachverbandes der Futtermittelindustrie in Minden erklärt, der Preisanstieg bei Futtergetreide sei `auf die zu reichlich berech- 2068 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 46. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 8. November 1962 neten Reports zurückzuführen. Das ist leider nur die halbe Wahrheit. Der Herr Minister hat zwar bei der Debatte über das Getreidepreisgesetz am 29. Juni 1962 nach meiner Aufforderung im Bundestag erklärt, daß er die von den Regierungsparteien beschlossene Erhöhung der Reports nicht für richtig halte, aber er hat seinen Standpunkt weder verteidigt noch für seine Verwirklichung gekämpft. Die Absicht, das bisherige Mindestpreisniveau bei Einführung der EWG-Marktordnung beizubehalten, mußte nicht notwendigerweise zu den jetzigen Konsequenzen führen. Wir hatten vorgeschlagen: a) die Vermarktungskosten von 23,50 DM/t um 4 DM/t zu senken, b) den Abstand zwischen den Interventionspreisen und den Richtpreisen von 7,5 % auf 5 % zu ermäßigen, c) bei den Monatsaufschlägen es bei der ursprünglichen Vorlage zu belassen. Die Mehrheit des Bundestages hat das leider nicht gewollt. Die Bauern, die auf den Zukauf von Futtermitteln angewiesen sind, haben die Zeche zu bezahlen, und die deutsche Veredelungswirtschaft hat den Schaden davon. Wie wichtig das Futtergetreidepreisniveau ist, ergibt sich daraus, daß die Futtergetreide-Verkaufserlöse der deutschen Landwirtschaft im Wirtschaftsjahr 1961/62 nur 10 Millionen DM betrugen, während die Landwirtschaft in diesem Zeitraum fast 3 Milliarden DM für Zukauffutter ausgegeben hat. Selbst im Vergleich mit dem Maschinenankauf und dem Aufwand für Düngemittel und den Löhnen stellt dieser Posten die absolut höchste Betriebsausgabe dar. Die Frage, was im äußersten Fall zu tun sei, um das bisherige Erzeugerpreisniveau zu schützen, wurde weder ausreichend noch gründlich erörtert. Hätte man das getan, würde man unschwer zu dem Ergebnis gekommen sein, daß dieses Ziel billiger zu erreichen ist, als es in der Tat geschah. Der Preis für denaturierten Weizen lag bisher unter dem Preis für Gerste und Mais. (397,50 DM zu 405 DM/t). Ich gebe zu, daß diese Relation nach der EWG-Verordnung Nr. 96 vom 25. Juni 1962 nicht mehr möglich ist, weil sie bestimmt, daß die Richtpreise für Gerste oder Mais beim Verkauf von denaturiertem Weizen nicht gefährdet werden dürfen. Nach Einführung der EWG-Getreidemarktordnung ist beispielsweise der Marktpreis 'für Auslandsgerste im Oktober 1962 auf etwa 450 DM/tgestiegen gegenüber etwa 405 DM/t im ,Oktober 1961; für Auslandhafer liegt er bei 420 .DM/t :gegenüber etwa 360 DM/t und für Mais bei 450 DM/t bis 475 DM/t gegenüber etwa 405 DM bis 430 DM/t. Für diese Entwicklung kann natürlich nicht die EWG-Getreidemanktordnung verantwortlich gemacht werden. Die derzeitigen Preise sind vielmehr das Ergebnis der Agrarpolitik, die die Bundesregierung und die Koalitionsparteien zu verantworten haben. Sie selbst haben den Preis bestimmt. Zum Schutz des .deutschen Erzeugerpreisniveaus hätten sowohl niedrigere Richtpreise wie auch niedrigere Schwellenpreise genügt. Das wird heute besser verstanden als vor einem halben Jahr, aber eine grundlegende Änderung kann erst das Getreidepreisgesetz für das nächste Wirtschaftsjahr bringen. Dennoch können wir einiges tun. In dem vorliegenden Antrag IV/674 beantragen wir die Beseitigang .der Umsatzausgleichssteuer. Dieses Ziel kann sowohl durch eine Änderung des Umsatzsteuergesetzes erreicht werden als auch durch eine entsprechende Ermäßigung des Schwellenpreises oder der Abschöpfungen. Hierüber wird im Ausschuß ausführlich zu sprechen sein. Bis zur Einführung der EWG-Marktordnung wurde die Umsatzausgleichssteuer zwar erhoben, bei der Abschöpfung aber zurückerstattet. Das hätte bei der Festsetzung der Schwellenpreise oder — soweit solche nicht 'bestehen — bei der Abschöpfung berücksichtigt werden müssen. Laut Meldung VWD-Europa Nr. 246 vom 24. 10. 1962 wird in Brüssel erwartet, daß die Bundesrepublik auf die Erhebung der Umsatzausgleichssteuer bei der Einfuhr von Getreide verzichtet, weil gemäß Art. 18 der Verordnung Nr. 19 im Handel zwischen den Mitgliedstaaten die Erhebung von Zöllen und Abgaben gleicher Wirkung mit der Anwendung der innergemeinschaftlichen Absatzregelung unvereinbar ist. Das gilt in gleicher Weise auch gegenüber Drittländern. Dem Vernehmen nach wird bei der EWG-Kommission jetzt erwogen, falls deutsche Maßnahmen zur Befolgung der Bestimmungen der EWG-Getreideverordnung nicht ergriffen werden, die deutschen Schwellenpreise durch eine Verordnung der EWG um den Betrag der Umsatzausgleichssteuer zu senken. Da die bisherige Erhebung der Umsatzausgleichsteuer gegen die EWG-Getreidemarktordnung verstößt, müssen die zu Unrecht erhobenen Beträge zurückerstattet werden. Die Umsatzausgleichsteuer hat bisher unnötigerweise die Preise erhöht. Es ist an der Zeit, diesen Übelstand zu beseitigen. Mit der zweiten Forderung unseres Antrages wollen wir erreichen, daß die Einfuhr- und Vorratsstelle (Getreide) Getreidemengen auch denaturiert, so lange verstärkt und unter solchen Bedingungen dem Markt zuführt, bis eine Normalisierung der Marktlage für Futtergetreide erreicht ist. Die Einfuhr- und Vorratsstelle hat mit dem Verkauf von denaturiertem Weizen für Futterzwecke bereits begonnen. Der Verkaufspreis liegt 5 DM/t über dem Richtpreis für Gerste. In Art. 7 Abs. 4 der EWG-Getreideverordnung ist vorgesehen, daß eine Denaturierungsprämie bei einem solchen Verkauf gewährt werden kann. Es ist infolgedessen zu prüfen, ob nicht ohne Gefährdung des Preisniveaus für andere Futtergetreidearten, ohne Gefährdung des Richtpreises für Gerste eine solche Denaturierungsprämie vergütet werden kann. Allerdings müssen bei derartigen Verkäufen ökonomische Gesichtspunkte berücksichtigt werden. Das scheint bisher nicht immer der Fall gewesen zu sein. So wurde kürzlich in Saarbrücken Futterweizen benötigt. Die EVST hätte von einem Lager in Enkenbach bei Kaiserslautern diesen Futterweizen nach Saarbrücken Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 46. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 8. November 1962 2069 verkaufen können. Sie hat das deshalb nicht getan, weil nach unserem Paritätspunktesystem der Futterweizenpreis in Saarbrücken nur 405,90 DM/t beträgt, in Enkenbach jedoch 422 DM/t. Aus diesem Grunde wurde ein Paritätspunkt ausgesucht, der im Preis unter dem für Saarbrücken gültigen Preis lag. Die Ware wurde somit von Massing in Bayern nach Saarbrücken verfügt, weil der Futterweizenpreis dort auf 395,60 DM/t festgesetzt wurde. Das Groteske einer solchen Maßnahme wird um so deutlicher, wenn man bedenkt, daß die Entfernung von Enkenbach nach Saarbrücken 81 km und die Bahnfracht bei 20 t 1,02 DM/100 kg beträgt, während Massing von Saarbrücken 571 km entfernt liegt und die Fracht 4,45 DM/ je 100 kg beträgt. Die Beförderung von 20 t Futterweizen von Enkenbach nach Saarbrücken kostet 204 DM, während die gleiche Menge von Massing nach Saarbrücken 814 DM erfordert. Da der Käufer Frachtkosten nur bis zum Betrag von 10 DM/t zu tragen hat, wäre also bei einer Lieferung von Enkenbach nach Saarbrücken keine Frachtsubvention zu zahlen, während diese bei einer Lieferung von Massing nach Saarbrücken 3,45 DM je 100 kg ausmacht. Solche Scherze sollten wir uns nicht leisten. Ich bitte, die Drucksache IV/674 dem Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten zu überweisen.
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Hans Georg Emde


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Selten war ein Haushalt so stark Symbol für die Veränderung der Zeiten wie dieser Entwurf für das Haushaltsjahr 1963. Der neue Stil der Finanzpolitik, angekündigt im vergangenen Jahr, beginnt Konturen zu gewinnen.
    Im Zuge der Harmonisierung der allgemeinen Regierungs- und Haushaltspolitik hat die Haushaltspolitik darauf zu achten, daß bei sinnvoller Finanzierung der gestellten Aufgaben die Preisstabilität wiedergewonnen oder bewahrt wird. Währungsstabilität ist ohne Preisstabilität nicht denkbar.
    Wird der vorliegende Entwurf diesen Forderungen gerecht? Das ist die erste entscheidende Frage.
    Der Haushalt des Jahre 1962 war in seinem Entwurf von der Ausgabenseite noch in den Kategorien der Geldfülle aufgebaut, ein Entwurf, der im Frühjahr und Sommer des Jahres 1961 entstanden war. Zwar hatte der neue Finanzminister in den Ressortbesprechungen Ausgabenwünsche abgelehnt. Entscheidende Eingriffe des neuen Finanzministers aber zeigte die Einnahmeseite. Der fehlende Aus-



    Dr. Emde
    gleich wurde nicht, wie viele erwartet und einige vorgeschlagen hatten, durch Steuererhöhung gewonnen, sondern globale Kürzungen, ein Appell an die Länder und der Weg zum Kapitalmarkt waren erste Zeichen einer veränderten Situation. Hier trafen sich Finanzminister und Haushaltsausschuß in ihren Zielen. Die für die Bundesrepublik erstmalige Kürzung eines vorliegenden Entwurfs um den Rekordbetrag von 1,1 Milliarden DM zeigte jedermann den Willen, der drohenden Inflationsgefahr zu begegnen. Natürlich waren die Kürzungen des Haushaltsausschusses nicht bis zur letzten Gerechtigkeit ausgewogen, natürlich ergaben sich im Laufe des Haushaltsjahres bei der Verwirklichung des Etats Schwierigkeiten, Schwierigkeiten aller Art. Natürlich unternehmen die Vertreter der zu Recht oder Unrecht gekürzten Gruppen Gegenmaßnahmen, um ihren Stand zu verbessern. Die Auswirkung dieser Entwicklung ist der heute behandelte Nachtragshaushalt 1962, — ein Nachtragshaushalt an Stelle der Nachschiebelisten der Vergangenheit. Noch ein Stück neuen Stils der Finanzpolitik: Mehrausgaben werden nicht durch Erhöhung des Steueraufkommens abgefangen, sondern durch Kürzung der Ausgaben. Hierbei hat sich gezeigt, daß die Steuerschätzungen des Bundesfinanzministeriums richtig waren, richtiger als die Steuerschätzungen der Länder, auf deren Einwirkung hin der Ansatz der Steuereinnahmen erhöht wurde. Und nun erleben wir alle, daß die so erhöhten Ansätze nicht erreicht werden. Daß wir in der Lage waren, Kürzungen gewisser Ausgaben vorzunehmen, ist kein Beweis für das Argument, der Haushalt 1962 enthalte nicht abgeschöpfte Polster. Die Umwandlung von Sperrungen beim Hoch- und Tiefbau in Streichungen, die Verringerung des Schuldendienstes durch verspätete Darlehensaufnahmen sind eher Symbole für allgemeine wirtschaftliche Probleme des Baumarktes und des Kapitalmarktes als der Beweis für gewollte oder verborgene Reserven. Wenn aber der Haushaltsablauf 1962 auch problematisch ist, — der Jahresabschluß wird — ein gewisser unvorhergesehener Unsicherheitsfaktor muß einkalkuliert werden — hoffentlich im großen und ganzen ausgeglichen enden. War der Haushalt des Jahres 1962 noch betont von der Ausgabenseite her gestaltet, — der vorliegende Entwurf 1963 hat seine finanzpolitischen Entscheidungen auf der Einnahmeseite gesucht. In der Grundkonzeption geht die Bundesregierung von den verfügbaren Mitteln aus, erstens den bisherigen Einnahmeblöcken, zweitens erneuter Darlehensaufnahme, und setzt drittens dazu einen auf 2 Milliarden erhöhten Anteil der Länder.
    Die Problematik liegt in .der Steuerfestsetzung, und hier wird der Stil der Wirtschafts- und Finanzpolitik besonders deutlich. Aufbauend auf dem realen Zuwachs des Sozialprodukts von 3 bis 4 % ergibt sich eine Zuwachsrate von 5 % des Steueraufkommens. Damit wird das Sozialprodukt und seine Zuwachsrate zur Grundlage der Ausgabenseite gemacht. Wie oft haben in den vergangenen Jahren die Leiter der Haushaltsabteilungen beim Bund, bei den Ländern und den Kommunen im Innern ihres Herzens nicht folgende Rechnung aufgemacht: Wir können mit der echten Zuwachsrate des Sozialprodukts und damit der Steuern unsere Ausgaben nicht decken; aber das auch im kommenden Jahr steigende Preis- und Lohnniveau wird uns schon das fehlende Geld bringen. — Jetzt zum erstenmal wird ganz eindeutig diese Hoffnung aus dem Etatdenken vertrieben; jetzt wird 'zum erstenmal mit Entschlossenheit versucht, das Preisniveau zu halten, und, da dann sicherlich auch die Lohnentwicklung im Rahmen des Wirtschaftswachstums bleibt, die Möglichkeit inflationärer Steuermehreinnahmen verhindert mit allen Konsequenzen, )die sich dann für die Ausgaben und für die Dotierung der Aufgaben ergeben. Möge diese Politik Erfolg haben, damit nicht der kleine Mann zum drittenmal das Liedchen von Erich Kästner singen muß mit der Überschrift „Auf einer kleinen Bank vor einer großen Bank" und der bezeichnenden Strophe:
    Uns erfreut das bloße Sparen. Geld alleine macht nicht froh. Regelmäßig nach paar Jahren Klaut ihr's uns ja sowieso.
    Meine Damen und Herren, wir sind am Anfang des Weges. Noch viele Mühe und Arbeit werden erforderlich sein. Ich werde im Verlauf meiner Darlegungen zeigen, was meine Fraktion damit meint. Aber eines möchte ich in aller Deutlichkeit hier an dieser Stelle sagen: In dem Instrumentarium ist der Begriff der Steuererhöhungen nicht vorgesehen. Wir sind der Meinung, daß unsere Probleme auch ohne Erhöhung der drückenden Steuerlast gemeistert werden können und gemeistert werden sollen.
    Lassen Sie es mich so ausdrücken: Der Entwurf 1963 ist zwar im Zahlenwerk ausgeglichen, nicht aber im inneren Wert der Aufgabenstellung. Diese Feststellung ist kein Vorwurf gegenüber dem Finanzminister, auch kein Vorwurf gegenüber der Regierung und der von dieser Regierung vertretenen Politik; diese Feststellung ist nichts weiter als die finanzpolitische Auswirkung unserer heutigen politischen Situation. Krieg und Kriegsfolgen, Teilung Deutschlands und Teilung der Welt sind nicht von den hier vertretenen Parteien verschuldet. Wir haben uns nur mit den traurigen Folgen politischer Fehler der Vergangenheit auseinanderzusetzen. Wir können diesen Folgen nicht ausweichen; wir müssen aber versuchen, sie möglichst rasch zu überwinden. Was bedeutet die Erklärung, der Entwurf 1963 sei nicht !ausgeglichen im inneren Wert der Aufgabenstellung? Nichts anderes, als daß gewisse von uns allein kaum zu beeinflussende Ausgaben geleistet wenden müssen, selbst wenn damit die Grenzen der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit erreicht und andere höchst notwendige Ausgaben zurückgestellt werden. Aber damit will 'ich — das möge jedermann klar sein — diese Dinge und Verhältnisse nicht als endgültig und unveränderbar hinnehmen. Im Gegenteil, ich meine, wir sollten alles tun, um uns nicht von den Gegebenheiten überwältigen zu lassen, sondern unser Schicksal soweit wie möglich selbst gestalten.
    Nicht ausgeglichen im inneren Wert der Aufgabenstellung bedeutet auf der einen Seite Überforderung, auf der anderen Seite nicht ausreichende



    Dr. Emde
    Dotierung. Der Bundeshaushalt wird heute überfordert durch Verteidigungslasten, durch Berlinhilfe, durch Kriegsfolgeleistungen, durch Sozialausgaben und durch Entwicklungshilfe. Die Reihenfolge dieser Aufzählung bedeutet keine Wertung, die Erwähnung dieser Bereiche keine Ablehnung oder Abwertung der Aufgaben an sich. Sie ist nichts weiter als die haushaltspolitische Beurteilung der entstehenden Lasten im Verhältnis zur Leistungsfähigkeit und zu den sonstigen Aufgaben. Wenn 18,4 Milliarden DM für die äußere Sicherheit, 1,7 Milliarden DM für die Berlinhilfe, 12,6 Milliarden DM für Sozialaufgaben und Kriegsfolgeleistungen, 1,1 Milliarden DM für Entwicklungshilfe, also zusammen rund 34 Milliarden DM aufgewandt werden, so sind damit rund 60 % der Gesamtausgaben erfaßt, womit für die übrigen Bereiche ein bedauerlich kleiner Anteil verbleibt.
    Bei der Berlinhilfe, bei den Kriegsfolgeleistungen und 'bei den Sozialaufgaben wird es im Zuge der Haushaltsberatung 'keinerlei Streichungen, sicherlich auch keine Veränderung der Ansätze geben. Meine Fraktion wird dazu auch keine Vorschläge machen. Im Gegenteil sind wir der Meinung, daß im Bereich der Kriegsfolgelasten noch nicht einmal alles Erforderliche getan ist, um berechtigte Wünsche zu erfüllen.
    Bei den Sicherheitskosten sind die Positionen, die auf die zivile Verteidigung entfallen, mit 800 Millionen DM und die Stationierungskosten mit 600 Millionen DM sicherlich auch in keiner Weise zu verändern.
    Bei den 17 Milliarden DM für die Bundeswehr aber mag es gewisse Möglichkeiten geben, ohne Beeinträchtigung der Verteidigungsfähigkeit und bereitschaft die Ansätze zu verändern. Meine Fraktion wird im Rahmen der einzelnen Beratungen detaillierte Vorschläge machen, die zum Ziele haben, über rationellere und modernere Baumethoden die Kosten für Hoch- und Tiefbau in der Bundeswehr zu senken, ohne daß dabei das Bauvolumen geschmälert wird. Wir haben auch Vorstellungen entwickelt — über die noch im einzelnen gesprochen werden soll —, über Rationalisierung und Typisierung, über Standardisierung im Kraftfahrzeugwesen Einsparungen bei der Bundeswehr herbeizuführen. Wir werden uns im Haushaltsausschuß darüber zu unterhalten haben, wo dann etwa freiwerdende Beträge an anderer Stelle des Haushalts sinnvoller eingesetzt werden können. Ich kann mir vorstellen, daß der Herr Verteidigungsminister durchaus einverstanden ist, wenn freiwerdende Beträge zur 'Entlastung der allgemeinen Deckungsmittel im Bereich des Ministers für Atomwesen und Raumforschung verwandt werden; denn dort gewonnene Erkenntnisse dienen letztlich auch zur Stärkung der Verteidigungskraft.
    Aber lassen Sie mich noch einige Worte zur Entwicklungshilfe sagen, nicht weil die FDP den Wunsch hat, den von ihr gestellten Minister für wirtschaftliche Zusammenarbeit zu kritisieren, sondern weil in diesem Bereich grundsätzliche politische Entscheidungen zu fällen sind, Entscheidungen, bei denen nach meiner Überzeugung der Entwicklungshilfe-
    minister voll meinen hier vorgetragenen Ausführungen zustimmen wird.
    In den Jahren bis 1961 hat sich ein Berg von 7 Milliarden DM Zusagen aufgetürmt, die nunmehr verwirklicht werden müssen. Minister Scheel hat in den letzten Wochen zwei Auslandsreisen, nach Südamerika und nach den Vereinigten Staaten, unternommen. Er ist von diesen Reisen zurückgekehrt, ohne den früheren Gepflogenheiten ins Ausland reisender Minister nachzueifern und das Klima seines örtlichen Auftretens durch freundliche Zusagen zu verbessern. Ich glaube, wir alle sollten Minister Scheel für dieses Verhalten dankbar sein.

    (Beifall bei der FDP.)

    Der Minister hat darüber hinaus in den Vereinigten Staaten die bedeutsame Erklärung abgegeben, Deutschland werde in den nächsten Jahren ungefähr den gleichen Betrag wie in der Vergangenheit an finanziellen Leistungen des Bundes für Entwicklungsländer aufbringen. Solche Leistungen müssen aber in den Rahmen der Haushaltsmöglichkeiten eingeplant werden.
    Es muß hier weiter folgendes deutlich gesagt werden. Es ist unbedingt erforderlich, den Zusageberg abzubauen, und zwar so, daß gegebene Zusagen jeweils in etwa zwei bis drei Jahren zu erfüllen sind. Denn nichts schädigt mehr unser Ansehen in den nehmenden Ländern als die Flut der Versprechungen der Vergangenheit, deren Verwirklichung dann eine übermäßig lange Zeitspanne in Anspruch nimmt. Solche Zusagen erwecken den Eindruck, als ob wir mehr reden als handeln könnten. Man soll nur das versprechen, was auch in absehbarer Zeit gehalten, hier also gezahlt werden kann.
    In dieser Frage ist noch mehr zu besprechen. Es wird immer betont, Entwicklungshilfe solle ohne politische Auflagen gegeben werden. Ich will hier nicht die Richtigkeit dieser Ansicht untersuchen. Auf jeden Fall aber sollte sich aus der Leistung von Entwicklungshilfe eine Zusammenarbeit zwischen gebenden und nehmenden Ländern in möglichst breiter Form entwickeln.
    Leider hat ein Einblick in die Praxis gezeigt, wie sehr hier Theorie und Praxis auseinanderlaufen. Ich hatte die Möglichkeit, mit den Kollegen des Haushaltsausschusses Herrn Niederalt, Herrn Jürgensen und Herrn Windelen in dem Augenblick Kenia zu besuchen, in dem der Deutschen Lufthansa dort trotz monatelangen Anfliegens des Flugplatzes Nairobi das Recht verweigert wurde, Passagiere aufzunehmen oder abzusetzen.

    (Hört! Hört! bei der FDP.)

    Im gleichen Augenblick aber wurde der Vertrag zwischen Deutschland und Kenia ratifiziert, nach dem Kenia 35 Millionen DM Entwicklungshilfe von Deutschland erhielt. Meine Damen und Herren, so geht es nicht!

    (Zuruf von der Mitte: Richtig!)

    Ich will dabei nicht untersuchen, ob die Flugrechte in Nairobi auf Zureden oder Einwirkung einer drit-



    Dr Emde
    ten Macht verweigert wurden. Das tut hier gar nichts zur Sache. Entscheidend ist, daß auch unser rechtzeitiges Eingreifen, unsere Intervention beim Auswärtigen Amt, nicht die Ratifizierung des Vertrages verhindern konnte oder uns als Ausgleich dafür die Flugrechte verschaffte. Solche Vorgänge diskreditieren die Maßnahmen der Entwicklungshilfe stärker als falsche Geschichten über goldene Betten und Haremsfrauen. Ich bin überzeugt, daß wir im Rahmen der zweiten Lesung diese und andere Vorgänge eingehend behandeln werden.
    Und ein Drittes noch! Leistungen der Entwicklungshilfe können von uns unter keinen Umständen gegeben werden, um für gewisse Länder einen finanziellen Ausgleich dafür zu liefern, daß gleichzeitig von dort noch viel größere Beträge, als wir sie zahlen, in Form von Fluchtkapital abwandern und in den Vereinigten Staaten, der Schweiz oder anderen Ländern investiert werden. Unsere Hilfe kann nur dann helfen, wenn der Partner bereit ist, seine eigene Leistung mit einzubringen.

    (Sehr richtig! bei der FDP.)

    Auf jeden Fall sind wir nicht damit einverstanden, daß solche Leistungen erfolgen, auf der anderen Seite hier im Lande wichtige Dinge zurückgestellt werden und damit die wirtschaftliche und militärische Kraft des Westens in Wirklichkeit geschwächt wird.

    (Sehr richtig! bei der FDP.)

    Meine Damen und Herren, über das eine sind wir uns doch alle einig: während auf der einen Seite der Bundeshaushalt überfordert wird, sind andere wesentliche Teile der Bundesaufgaben nicht ausreichend dotiert. Hier liegt das zweite große Problem dieses Etatentwurfs: in der Unmöglichkeit, 1963 wichtige Bereiche finanziell genügend auszustatten.
    Lassen Sie mich mit dem Sektor beginnen, der in der Öffentlichkeit am leidenschaftlichsten diskutiert wird, dem Sektor der Verkehrsinvestitionen. Für den Straßenbau ist zwar der gleiche Betrag wie im Vorjahr ausgebracht. Aber das bedeutet in Wirklichkeit ein Zurückbleiben hinter den Vorstellungen; die alle Fraktionen dieses Hauses in der Vergangenheit entwickelt haben, Auch meine Fraktion bedauert, daß der Ansatz für Straßenbau nicht erhöht werden kann. Allerdings suchen wir die Schuld nicht beim Finanzminister. In den letzten Jahren haben sich im Straßenbau-Haushalt regelmäßig erhebliche Reste gebildet. Vielleicht ist es interessant, zu hören, was eine der großen Verwaltungen, die den Straßenbau als Auftragsverwaltung des Bundes und des Landes ausübt, dazu zu sagen hat.
    Der Landschaftsverband Rheinland hatte im Jahre 1961 bei einem Ansatz von 380 Millionen DM 70 Millionen DM Reste im Straßenbauhaushalt gebildet; das sind mehr als 20 0/o.

    (Hört! Hört! in der Mitte.)

    Der Kämmerer dieser Behörde führte in seiner letzten Haushaltsrede vom Oktober dieses Jahres in
    diesem Zusammenhang u. a. folgendes aus — ich
    zitiere einige Passagen der Rede des Ersten Landesrats Könemann —:
    Gerade in unserem Bereich stößt die von den Straßenbaubehörden zu leistende Vorarbeit auf besondere Schwierigkeiten.
    Und an anderer Stelle:
    . . . macht sich die Öffentlichkeit anscheinend kein klares Bild über die Schwierigkeiten, die mit dem Grunderwerb verbunden sind, und über die Zeitspannen, die für eine einzelne Enteignungsmaßnahme benötigt werden.
    Noch ein Stück weiter heißt es:
    . . . sind von dem Neubau der B 326 im Zuge der nördlichen Umgehung von Wuppertal etwa 450 Grundeigentümer betroffen. Das zuständige Fernstraßenneubauamt des Landschaftsverbandes Rheinland wird allein für diese verhältnismäßig kurze Strecke rund 1000 Verträge abschließen müssen.
    Diese Zitate zeigen, wo das Problem liegt. Nicht die zu geringe Kapazität der Straßenbaufirmen, sondern die Schwierigkeiten der Planung und des Grunderwerbs in den Ballungszentren des Verkehrs führen zu der Unmöglichkeit, die 'hohen Ansätze des Straßenbauhaushalts voll zu verbauen, und führen damit zur Restebildung. Die Unmöglichkeit für die ausführenden Behörden, für diese Arbeiten qualifiziertes Pensonal in noch stärkerem Maße zu gewinnen, als es bereits geschehen ist, lassen diese Schwierigkeiten noch für Jahre 'bestehen. Es besteht damit die Gefahr, daß aus optischen Gründen, um ein möglichst hohes Bauvolumen zu erreichen, Straßen dort ,gebaut werden, wo diese Schwierigkeiten nicht gegeben sind. Damit wird aber nur etwas an der Optik getan und nicht die Verkehrskrise und -misere überwunden. Das ist eine bittere Erkenntnis für 'uns alle. Wir würden es begrüßen, wenn es .gelänge, die zur Verfügung stehenden Mittel in sinnvoller Weise voll zu verbauen. Aber bei dieser Situation die Mittel zu erhöhen, hieße nicht mehr Straßen, sondern bestenfalls mehr Reste. Auf Resten allerdings hann niemand fahren; das ist ,die nüchterne Wirklichkeit.
    Ebenso nüchtern sollten wir die Probleme der Bundesbahn betrachten. Hier allerdings melde ich für meine Fraktion ganz erhebliche Zweifel an. Auch die Bundesbahn muß die Beamtengehälter ab 1. Januar 1963 in gleichem Umfang wie die Bundesbehörden erhöhen. Das bedeutet eine zusätzliche Belastung des Haushalts der Bundesbahn, die zweifelsohne nicht aus Mehreinnahmen aus dem Verkehrsaufkommen und durch Rationalisierung gewonnen werden kann, es sei denn, man beabsichtigt, die Tarife noch weiter zu erhöhen. Wenn irgend jemand aber glaubt, daß das Wachsen des Defizits der Bundesbahn ungefährlich sei, dann verkennt er, daß damit der Haushalt des Jahres 1964 belastet wird. Das Problem wird also nicht gelöst, sondern nur auf die Zukunft verschoben, was für jeden vernünftigen Haushaltsfachmann ein Greuel ist. Meine Fraktion ist der Meinung, daß etwaige bei der Haushaltsberatung einzusparende Beträge in erster Linie zur Verstärkung des Zuschusses für die Bundesbahn zu



    Dr. Emde
    verwenden sind, um zumindest die dort nicht zu erwirtschaftenden Belastungen der Besoldungserhöhungen abzufangen. Es muß auch verhindert werden, daß die Bundesbahn einen Ausgleich über Verringerung ihrer Rationalisierungsbemühungen sucht. Auch das wäre ein Verschieben der Probleme in die Zukunft; denn nur durch weitgehende Rationalisierung — und Rationalisierung kostet immer Geld — kann die Lage dieses Unternehmens verbessert werden.
    Ich habe überhaupt den Eindruck, daß man zugunsten von Gegenwartsaufgaben versäumt, über ausreichende Investitionen und Rationalisierungsmaßnahmen die Lösung der Aufgaben von morgen und übermorgen zu erleichtern. Besonders trifft dieser Hinweis für den Ausbau der Wasserstraßen zu. Auch hier müssen die Leistungen erheblich gesteigert werden, um Schäden für die Zukunft zu vermeiden. Der Bau des Nord-Süd-Kanals, der schnellere Ausbau des Mittellandkanals für 1350-t-Schiffe, die Strombaumaßnahmen am Binger Loch, der beschleunigte Schleusenausbau des Wesel-DattelKanals, alle diese Vorhaben müssen durchgeführt werden, wenn die Wirtschaft im Raum von Braunschweig, dem Zonenrandgebiet und unsere Seehäfen sinnvoll weiter gefördert werden sollen. Es ist das Bemühen meiner Fraktion, im Zuge der Haushaltsberatungen durch Einsparungen des Haushalts an anderer Stelle diese Maßnahmen stärker zu dotieren. Die aus dem Verkehrshaushalt behandelten Fragen sind Probleme unserer Infrastruktur.
    Darüber hinaus aber kämpfen erhebliche Teile unserer Wirtschaft um ihren nackten Bestand. Die Landwirtschaft, der Kohlenbergbau, die Werftindustrie, die Textilindustrie, die Filmwirtschaft, sie alle sind durch Strukturwandel und Substitutionswettbewerb bedroht. Hier einzugreifen entspricht durchaus liberalen Vorstellungen einer gesunden Staatspolitik, da es sich um Strukturfragen handelt. Aktive Wirtschaftshilfe hat es noch immer gegeben. Aber nicht gute Worte und Ratschläge allein helfen Schwierigkeiten überwinden, sondern aktive finanzielle Hilfe des Staates ist zusätzlich erforderlich. Die bisher zur Verfügung gestellten Mittel haben nicht ausgereicht, die Probleme zu lösen. Es wird harter Anstrengungen bedürfen, um diesen wichtigen und noch manch andere Zweige unserer Produktionswirtschaft wieder wettbewerbsfähig zu machen. Haushaltsmittel in steigendem Maße werden in Zukunft dazu benötigt werden. Aber staatliche Maßnahmen sollten nur eine Hilfe zur Selbsthilfe sein und nicht zu endloser Subventionierung führen.
    Neben diesen direkten Aktionen darf ein Bereich staatlicher Aufgaben nicht übersehen werden, der in den vergangenen Jahren nicht immer die gebührende Aufmerksamkeit erfahren hat. ich meine den Bereich der Forschung und Wissenschaft. Jährlich sind die Mittel gestiegen, jährlich sind auch die Forderungen gestiegen. Hier in diesem Raum ist vieles an guten Reden von allen Seiten zu Wissenschaft und Forschung und ihre Wirkung auf Wirtschaft und Sicherheit gesagt worden. Jährlich haben sich die Etatansätze erhöht. Aber weder das Wünschenswerte noch das Erforderliche ist erreicht.
    Diese Feststellung soll kein Vorwurf nach irgendeiner Seite sein, ebensowenig wie die Aufzählung der nicht ausreichend dotierten Aufgaben ein geistiger Salto mortale ist, mit dem die Vorstellung einer geordneten Haushaltsführung wieder auf den Kopf gestellt wird. Dies soll vielmehr eine Dokumentation für Finanzminister und Regierung sein in der Hoffnung, daß diese Dokumentation, der auch andere Fraktionen des Hohen Hauses in ihrem inneren Gehalt sicherlich zustimmen, in mancher Auseinandersetzung auf internationaler Ebene als Meinung dieses Hauses verwandt wird. Wir im Haushaltsausschuß waren uns in dieser Richtung immer einig.
    Ich möchte hier eine Berufsgruppe erwähnen, um die es in den letzten Monaten leidenschaftliche Auseinandersetzungen gegeben hat, Auseinandersetzungen, die den Angehörigen dieser Berufsgruppe selbst zutiefst unsymphatisch waren. Ich meine den öffentlichen Dienst. Hier werden ab 1. Januar 1963 eine Erhöhung der Grundbezüge um 6 %, eine familiengerechte Erhöhung des Wohnungs- und des Kindergeldes und weitere Zulagen für die unteren Gruppen gegeben. So weit, so gut. Dazu muß aber noch ein weiteres ausgedrückt werden. Der Staat, der seine Fürsorgepflicht gegenüber seinen Bediensteten nicht voll erfüllt, gefährdet ein für seinen Bestand wesentliches Vertrauensverhältnis. Der Staat ist aber die Summe der Bürger schlechthin. Sie alle sollten dem öffentlichen Dienst das gleiche Recht der Einkommensentwicklung gönnen, das sie sich für ihre eigenen Einkommen wünschen.
    Natürlich .ist der öffentliche Dienst ganz besonders an der Stabilität der Währung und damit auch an der Stabilität des Preisniveaus interessiert; denn der Verlauf der Geschichte hat noch immer gezeigt, daß bei einer Geldwertverschlechterung Rentner und öffentlicher Dienst in erster Linie negativ betroffen wurden. Wir begrüßen daher die Besoldungsverbesserungen ab 1. Januar 1963, meinen aber, daß im Rahmen einer weiter gesunden Haushaltsentwicklung in der Zukunft noch bestehende Ungerechtigkeiten ausgeräumt werden sollten, wie z. B. durch Wegfall der Tarifklasse IV, Verbesserung von Stellenplänen im Zolldienst usw.
    Wenn ich nun den letzten, vielleicht schwierigsten Teil dieser Dokumentation behandle, das Sozialwesen, dann mag mir gesagt werden, ich hätte vorhin bei den Überforderungen des Haushalts das Sozialwesen schon einmal genannt. Das stimmt. Aber es ist hier nicht unlogisch; denn was zusammen mit einer Fülle anderer Dinge eine Überforderung darstellt, braucht deswegen in seinem eigenen Sektor noch lange nicht ausreichend genug finanziert zu sein.
    Dieses Parlament wird in den nächsten Monaten eine Reihe von Sozialgesetzen verabschieden, die der Öffentlichkeit unter der Bezeichnung „Sozialpaket" bekannt sind: das Gesetz zur Lohnfortzahlung, die Krankenversicherungsreform und die Übernahme des Kindergeldes auf den Bundeshaushalt mit gleichzeitiger Verbesserung der Leistungen. Dazu gehört auch die Neuordnung des Kriegsopferrechts, zu der noch kein Gesetzentwurf vorliegt. Es sollte auch hier darauf geachtet werden, daß gegen-



    Dr. Emde
    über den anderen sozialen Aufgaben die Kriegsopfer nicht wieder benachteiligt werden. Haushaltsansätze für alle diese Dinge sind nicht ausgebracht. Es ist hier nicht der Platz, zu den einzelnen Problemen Stellung zu nehmen. Hier geht es nur darum, zu untersuchen, in welchem Umfange Haushaltsmittel im nächsten Haushaltsjahr bereitgestellt werden können. Der Finanzminister hat einen Nachtragshaushalt für 1963 bereits angekündigt, in dem bei den Ausgaben alle diese Sozialmaßnahmen dotiert werden müssen. Wenn nicht irgendwelche unerwarteten Entwicklungen auf der Einnahmenseite uns die Möglichkeit verschaffen, diesen angekündigten Nachtragshaushalt aufzubauen, dann könnte auch er ähnlich wie der soeben behandelte Nachtragshaushalt 1962 nur durch nachträgliche Kürzung des ordentlichen Haushalts 1963 finanziert werden.
    Meine Damen und Herren, ich glaube, allein mit diesen Wenn und Aber wird es jedermann klar, wie schwierig inzwischen unsere Haushaltssituation geworden ist und daß es berechtigt ist, das Sozialwesen ebenfalls bei den nicht ausreichend dotierten Aufgaben aufzuführen.
    Wenn ich die Liste der Aufgaben, die zu der übermäßigen Beanspruchung unserer Haushaltes führen, und die Aufgaben, die nicht ausreichend dotiert erscheinen, einmal gegenüberstelle, dann wiegen vielleicht Sicherheit, Berlinhilfe und Entwicklungshilfe schwerer als manch einzelner Bereich auf der anderen Seite. Aber das Ganze kann nicht gesund leben, wenn nicht die einzelnen Teile gesund sind. Ich richte diese Worte mit besonderer Betonung an unsere Verbündeten im Westen. Natürlich verleitet der rasche Wiederaufbau in der Bundesrepublik und das steigende Volkseinkommen manchen Beobachter dazu, unsere Leistungsfähigkeit für nahezu unbeschränkt zu halten. Auch moralische Argumente stehen auf der anderen Seite: Wer Marshallplanhilfe mit soviel Nutzen für sich selbst erhalten hat, darf selbst Hilfeleistungen für andere nicht verweigern. Wer von Verbündeten militärische Garantien erwartet, muß bereit sein, eigene Verteidigungsanstrengungen bis zum äußersten zu leisten. — Aber die Hilfe und die Anstrengungen, die wir für den ganzen Westen erbringen, dürfen die volkswirtschaftlichen Grundlagen, auf denen diese Leistungen erbracht werden, nicht gefährden. Das Sprichwort „Wer Milch haben will, darf seine Kuh nicht schlachten" ist sicher mehr ein Symbol als ein Beweis für die Richtigkeit der hier vorgetragenen Gedanken.
    Eines jedoch sollte bedacht werden: je größer Volkseinkommen und Volksvermögen sind, um so größer ist die Möglichkeit für die Allgemeinheit, über Prozentanteile und das Auswirken dieser Prozentanteile Entwicklungshilfe und Verteidigungslasten zu leisten.
    Ich halte es nicht für notwendig, irgend jemandem vorzurechnen, wie sich eine Verminderung der Zuwachsrate unseres Sozialproduktes oder gar ein Sinken unseres Sozialproduktes auf Arbeitsstand, allgemeine Leistungen und die politische Stabilität in der Bundesrepublik auswirken würde. Die Erfahrungen der Weimarer Republik sollten jedem Politiker ein mahnender Hinweis sein.
    Ich halte es aber für notwendig, von dieser Stelle aus als Mitglied des Haushaltsausschusses darauf hinzuweisen, 'daß wir einen kritischen Punkt der Belastungsfähigkeit erreicht haben, über den hinaus weitere Belastungen nur mit zunehmendem Schaden für das Ganze erfolgen können. Mahnungen, wie ich sie hier vortrage, werden 'selten gern gehört, Mahner dieser Art oft für unverständig der gar böswillig gehalten. Dennoch spreche ich diese Mahnung aus. Ich fühle mich dazu vor meinem Gewissen verpflichtet.
    Um unsere wirtschaftliche Leistungsfähigkeit zu erhöhen, halte ich es für notwendig und unvermeidbar, die bisher nicht ausreichend bedachten Aufgaben in der Zukunft besser zu finanzieren. Hohe wirtschaftliche Leistungsfähigkeit bedeutet hohe Steuereinnahmen. Hohe Steuereinnahmen bedeuten hohe Leistungen für das Ganze. In diesen Bemühungen um hohe Einnahmen dürfen wir aber ein wesentliches Problem nicht übersehen. Unsere Einkommen- und Lohnsteuertarife sind ungerecht. Sie führen durch ihren Aufbau 'und die Progression zu einer überstarken Belastung der unteren und mittleren Einkommens- und Lohngruppen. Es ist das erklärte Ziel meiner Fraktion, diese Ungerechtigkeit möglichst bald zu beseitigen. Diese Ungerechtigkeit kann nur durch eine Änderung der Progression beseitigt werden, also durch Senkung der Einkommen- und Lohnsteuer für untere und mittlere Gruppen. Es ist mir völlig klar, daß in dem Augenblick, in dem es ein besonderer Erfolg ,des Finanzministers ist, Steuererhöhungen vermieden zu haben, der Wunsch nach Steuersenkungen fast wie eine Utopie erscheint. Wir sollten aber — und ,darum geht es mir — unsere Ziele nicht aus dem Auge verlieren. Irgendwann im Laufe ,der nächsten Jahre muß es gelingen, dieses Ziel zu erreichen, wenn wir nur entschlossen genug sind, die notwendigen Schritte zu gehen, die uns heute schon diesem Ziel näherbringen.
    Auch gegenüber unseren Verbündeten, denen ich vorhin so klar die Grenzen unserer Leistungsfähigkeit 'aufgezeigt habe, haben wir eine Verpflichtung. Wir haben die Verpflichtung, alle 'eigenen Reserven auszuschöpfen. Die Aufforderung an unsere Verbündeten, unsere Leistungen anzuerkennen, ist nur dann glaubhaft, wenn wir selbst ,ein Höchstmaß an Wirksamkeit unserer Maßnahmen erreichen. Ich bin überzeugt, daß wir auch heute noch trog aller Bemühungen um Sparsamkeit in den letzten Monaten genügend Möglichkeiten haben, die öffentlichen Haushalte in der Bundesrepublik wirkungsvoller und damit sparsamer zu gestalten.
    Die Beratungen des Haushaltsausschusses in den kommenden Monaten werden uns Gelegenheit genug geben, an vielen Stellen des Haushaltsentwurfs Veränderungen und auch Kürzungen vorzunehmen. Erfreulicherweise ist von Regierungsseite bei vielen Ansätzen im Bereich der Sachausgaben gegenüber dem laufenden Haushalt bereits gekürzt worden. Dennoch erscheinen mir noch nicht alle Möglichkeiten ausgeschöpft. Wer andere zur Sparsamkeit auffordert, sollte selbst bereit sein, in eigener Zuständigkeit sparsam zu handeln. Wenn der Staat die Bürger zum Maßhalten auffordert, dann muß er



    Dr. Emde
    selbst bereit sein, überall mußzuhalten, wo dieses Maßhalten nicht -die Erledigung selbstgestellter Aufgaben gefährdet. Wir werden auch, so wie im Vorjahr, mit aller Aufmerksamkeit die Hinweise des Bundesrates zum vorliegenden Entwurf überprüfen. Wir wären allerdings dankbar, wenn überall in Ländern und Kommunen mit ähnlicher Entschlossenheit an den Ausgaben gestrichen würde, 'wie wir es im Haushalt 1962 getan haben und sicherlich auch im Haushalt 1963 erneut tun werden.

    (V o r sitz: Vizepräsident Dr. Dehler.)

    Das Verhältnis zwischen Bund und Ländern wird durch die Kämpfe um die Erhöhung des Bundesanteils an der Einkommen-, Lohn- und Körperschaftsteuer sicherlich nicht negativ belastet werden. Wir wären aber dankbar, wenn die Länder die Schwierigkeiten des vorliegenden Entwurfs, die ich vorhin so eingehend geschildert habe, in stärkerem Maße anerkennen würden, als es beim ersten Durchgang im 'Bundesrat geschehen ist. Wir halten es für notwendig, daß, beginnend mit diesen Haushaltsberatungen und aufbauend auf dem Kulturabkommen zwischen Bund und Ländern, eine Aufgabenbereinigung zwischen diesen beiden Gruppen herbeigeführt wird. Allein schon die Aufgabenbereinigung kann zu einer erheblichen Verwaltungsvereinfachung und damit zur Ersparnis von Sach- und Personalausgaben führen.
    Es gibt aber noch weitere Möglichkeiten. Lassen Sie mich nur ein einziges Beispiel anführen: Bundesbahn und Bundespost betreiben ausgedehnte Verkehrsnetze in der Personenbeförderung des Kraftverkehrs nebeneinander. Wer die Dinge aus der Praxis kennt — Herr Kollege Dresbach, ich denke hier gerade an das Oberbergische —, ist verblüfft darüber, in welcher Form hier Bundesbetriebe parallel Einrichtungen unterhalten, zum Teil sogar sich im Wettbewerb gegenüberstehen. Schon die Zusammenfassung der Werkstättendienste und der Materialbeschaffung könnten hohe Beträge einsparen. Eine Zusammenlegung beider Verkehrsgruppen aber würde eine Rationalisierung unseres Personenverkehrs erster Güte darstellen.
    Nun wird man mir sagen, das geht doch nicht, das Postregal oder wer weiß was sonst hindert uns daran. Nun, wer wie 'Bundesbahn und Bundespost Tariferhöhungen plant, sollte mit allen Mitteln der Rationalisierung ein Höchstmaß an Wirksamkeit zu erreichen versuchen, ehe er Tariferhöhungen als letzten Ausweg wählt.
    Ich erwarte mit 'Spannung die Äußerung der von meinem Vorschlag betroffenen Unternehmen.
    Lassen Sie mich zusammenfassen. In diesem Haushalt besteht genügend Bedarf für Mittel, die wir an anderer Stelle einsparen können: Beamtenbesoldung, Kriegsopferversorgung, Lastenausgleich, Heimkehrer, Investitionen zur Verbesserung der Infrastruktur und zur Stärkung der Zonenrandgebiete, Maßnahmen zur Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft — auch im Rahmen der Steuerpolitik —, für alles das sollten höhere Mittel veranschlagt sein. Auch der zivile Bevölkerungsschutz, der ein Teil unserer Verteidigungsaufgaben ist -- denn Verteidigung ohne
    Bevölkerungsschutz ist undenkbar —, sollte verstärkt werden.
    Aber das alles, meine Damen und Herren, kann nur im Rahmen des vorgelegten Haushalts geschehen. Sicher werden wir nicht alles Erwünschte erreichen. Wir sollten uns aber bemühen, möglichst vieles zu erreichen.
    Ich glaube, wir im Parlament sollten erwarten, daß in den nächsten Monaten viele Leute über ihren Schatten springen.
    Die kaum überwundene Kuba-Krise hat es jedermann deutlich gemacht, in welchen Gefahren wir uns befinden. Niemand möge sich bei uns der Illusion hingeben, daß die Zukunft ruhig und gesichert sei, weil in Kuba ein Teilabkommen zwischen den USA und der Sowjetunion erreicht wurde. Wir stehen vor dem Höhepunkt des großen Ringens zwischen Ost und West. In diesem Ringen wird die Bundesrepublik große Prüfungen erleben und sich in manchen Auseinandersetzungen zu bewähren haben. Nur ein gesunder Staat wird diese Bewährungsprobe bestehen. Schaffen wir die Voraussetzungen, schaffen wir alle die notwendigen verwaltungsmäßigen, wirtschaftlichen und finanziellen Voraussetzungen für diese Periode der Bewährung! Dieser Etatentwurf schafft ein Stück der Voraussetzungen; zwar ein kleines Stück, aber es ist hier wie überall im Leben: viele Kleinigkeiten erst ergeben das Ganze.
    Ich bin überzeugt, daß der Haushaltsausschuß und das ganze Parlament in den kommenden Monaten ihren Anteil mit leisten werden. Ich möchte aber an alle Ressorts appellieren, mit denen wir zu verhandeln haben, über ihr Ressortdenken hinaus das Ganze zu sehen, den Ressortegoismus zu überwinden. Denn es geht um mehr als die erfolgreiche Vertretung spezieller Wünsche.
    Ich bin überzeugt, daß dieser Haushaltsentwurf eine gute Arbeitsgrundlage für die Wirtschaftspolitik der Bundesregierung in den nächsten Monaten sein wird und daß der Erfolg für uns alle nicht ausbleiben wird.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)



Rede von Dr. Thomas Dehler
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Möller.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Alex Möller


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich die Bemerkung vorausschicken, daß ich volles Verständnis für die schwere Bürde des Amtes des Bundesfinanzministers in dieser Situation habe. Es kann keinem Zweifel unterliegen, daß wir bessere Ausgangspunkte für die Gestaltung des Bundeshaushalts 1963 hätten, wenn die in den Regierungserklärungen 1953 und 1957 angekündigten Maßnahmen zur Steuer- und Finanzreform durchgeführt worden wären, in einer Zeit steigender Steuereinnahmen und in einer Zeit, wo noch nicht so hohe Aufwendungen für die äußere und innere Sicherheit gemacht werden mußten.



    Dr. h. c. Dr.-Ing. E. h. Möller
    Ich möchte mich zu Anfang gleich mit einem Punkt beschäftigen, den die SPD-Fraktion anders beurteilt als der Herr Bundesfinanzminister. Die Finanzierung des Haushalts 1962 ist nicht wegen der von dem Herrn Bundesfinanzminister angegebenen Minderausgaben und konjunkturbedingten Sperren, nicht einmal infolge der freiwilligen Beiträge der Länder — ich zitiere wörtlich — „bisher ohne größere Schwierigkeiten möglich gewesen", sondern nach unserer Auffassung infolge der die Etatansätze in ungewöhnlichem Maße übersteigenden Verwaltungseinnahmen, ferner insbesondere bei den Verteidigungslasten und durch die Preisabschöpfung bei Lebensmitteleinfuhren.
    Für die Finanzierung der Ausgaben im Jahre 1962 werden die Verwaltungseinnahmen sehr ausschlaggebend sein. Der Etatansatz von 1,865 Milliarden DM wurde durch die effektiven Einnahmen des ersten Halbjahres in Höhe von 1,629 Milliarden DM schon fast erreicht, und statt 1,865 Milliarden DM Einnahme dürfte eine Ist-Einnahme in der Höhe von etwa 3,3 Milliarden DM wahrscheinlich sein.

    (Hört! Hört! bei der SPD.)

    Vor allem diese Einnahmeposition wird den Haushaltsausgleich herbeiführen, obwohl die Steuereinnahmen nach den Schätzungen des Bundesfinanzministers um fast 500 Millionen DM unter dem Ansatz bleiben, wobei weiter festzuhalten ist, daß die eingeräumte Anleihebewilligung von 1,802 Milliarden DM höchstens zur Hälfte in Anspruch genommen wird.
    Zum Bundeshaushalt 1963 möchte ich zunächst die Frage stellen, ob das vorgeschlagene Volumen von 56,8 Milliarden DM realistisch ist. Die Antwort gibt uns der Herr Bundesfinanzminister in seiner Etatrede bei den Darlegungen, denen ich die Überschrift „neue Anforderungen" geben möchte. Ich erwähne folgende Punkte.
    Punkt 14: Der Bundesminister der Verteidigung hat eine Nachforderung in Höhe von 700 bis 800 Millionen DM geltend gemacht, um die nach dem 13. August 1961 eingeleiteten Maßnahmen termingemäß verwirklichen zu können. Es ist also schon allein im Zusammenhang mit dem Verteidigungshaushalt ungewiß, ob es bei dem Volumen von 56,8 Milliarden DM bleibt.
    Ich möchte mir hier eine Anmerkung zu den Ausführungen des Herrn Kollegen Vogel gestatten. Er hat wieder einmal die Haltung der sozialdemokratischen Fraktion zur Frage des Verteidigungshaushalts angesprochen. Ich möchte ihn darauf aufmerksam machen, daß unsere Haltung klar ist, und er hat ja selbst ein entsprechendes Zitat unseres Partei- und Fraktionsvorsitzenden Ollenhauer vorgetragen. Aber, Herr Kollege Vogel, wir haben den Eindruck, daß Sie und Ihre Freunde nicht bedenken, daß nicht nur militärische Vorbereitungen erforderlich sind, um die Auseinandersetzungen zwischen dem Westen und dem Osten erfolgreich bestehen zu können, sondern daß neben diesen militärischen Vorbereitungen auch andere Anstrengungen auf politischem, auf wirtschaftspolitischem, auf kulturpolitischem, auf geistigem Gebiete gemacht werden
    müssen, um diese Auseinandersetzung erfolgreich bestehen zu können.

    (Abg. Dr. Vogel: Das haben wir nie Betritten!)

    — Herr Kollege Vogel, das bedeutet, daß man eben nicht nur die Höhe des Verteidigungshaushalts diskutieren muß, sondern daß man sich mit genau derselben Energie und Sorgfalt allen Aufgaben zuzuwenden hat, die für die Durchführung dieser Auseinandersetzungen ebenso beachtet werden müssen.

    (Beifall bei der SPD. — Abg. Dr. Vogel: Es kommt auf die Relation an!)

    — Genau, Herr Kollege Vogel; auf die Relation kommt es an. Deswegen wollte ich Ihnen das noch einmal sagen; denn niemand in diesem Hohen Hause kann doch den Standpunkt vertreten, daß wir uns nicht in der Nähe eines Punktes befinden, wo es Überlegungen bedarf, um den Weg abzustecken, den wir zur Finanzierung aller wichtigen Aufgaben der öffentlichen Hand zu beschreiten haben. Darum, meine Damen und Herren, sollten wir uns in diesen Auseinandersetzungen gemeinsam bemühen.
    Auf diese Notwendigkeit hinzuweisen erscheint mir eben deswegen erforderlich, weil wir doch alle hoffen, daß wir den dritten Weltkrieg nicht erleben. Dann müssen wir aber wissen, daß uns dabei die Auseinandersetzung mit dem Osten und mit der kommunistischen Welt nicht geschenkt wird.

    (Beifall bei der SPD. — Lachen bei Abgeordneten der CDU/CSU.)

    — Meine Damen und Herren, ich weiß nicht, wie man darüber lachen kann. Wir meinen, daß das wirklich eine sehr ernste Sache ist, die uns alle angeht und die wir mit dem notwendigen Ernst gerade in diesem Hohen Hause zu beachten haben.

    (Beifall bei der SPD.)

    In Punkt 19 der Rede des Herrn Bundesfinanzministers wird darauf hingewiesen, daß das Gesetz über allgemeine Miet- und Lastenbeihilfen bis zum 1. Juni 1963 verabschiedet sein soll. In diesem Zusammenhang kündigt der Herr Bundesfinanzminister die Einführung der Wohnbeihilfen an.
    Punkt 32: Im Bundeshaushalt 1963 sind für Berlin Zuschüsse und Darlehen in Höhe von insgesamt 1687 Millionen DM vorgesehen. Der Finanzhilfe-betrag wird aber voraussichtlich höher liegen, zumal die Anforderungen Berlins auch höher als der eingesetzte Betrag sind.
    Punkt 38. In den bisherigen Haushaltsansätzen sind die Ausgaben für die von der Bundesregierung angekündigten gesetzgeberischen Maßnahmen, die man als Sozialpaket bezeichnet, für 1963 nicht berücksichtigt. Für Kindergeld, Lohnfortzahlung, Krankenversicherungsreform sowie für die Beseitigung von Härten in der Kriegsopferversorgung, Flüchtlingsgesetzgebung und Kriegsgefangenenentschädigung ist für den Bundeshaushalt 1963 eine zusätzliche Belastung von mehr als einer Milliarde D-Mark nach den Angaben des Herrn Bundesfinanzministers zu erwarten. In den folgenden Rechnungs-



    Dr. h. c. Dr.-Ing. E. h. Möller
    jahren wird die Mehrbelastung, umgerechnet auf ein volles Rechnungsjahr, ebenfalls nach seinen Angaben; weit höher liegen.
    Punkte 92 bis 97: Anschlußgesetze an die Kriegsfolgengesetzgebung werden zur Zeit vorbereitet. Insbesondere ist das sogenannte Reparationsschädengesetz nach den Angaben des Bundesfinanzministers im Entwurf .so weit gefördert worden, daß es inzwischen den Ländern zur Beratung zugeleitet werden konnte. Noch im Jahre 1963 soll sich der Bundestag mit diesem Entwurf und den finanziellen Auswirkungen beschäftigen.
    Punkt 144: Mit der Feststellung, daß beschleunigte Maßnahmen für den zivilen Bevölkerungsschutz zu treffen sind, verbindet der Bundesfinanzminister den zweifellos richtigen Hinweis, damit stünden schwere finanzielle Lasten vor uns. Die von der Bundesregierung berufene Kabinettskommission prüfe die finanzellen Auswirkungen, die sich in ihrer ganzen Breite, so sagt der Bundesfinanzminister, nur schätzen ließen.
    Nach diesem Hinweis auf die Ankündigungen in der Etatsrede des Herrn Bundesfinanzministers darf ich noch auf einen Punkt aufmerksam machen, der in der 249. Bundesratssitzung vom 26. Oktober 1962 eine Rolle gespielt hat. Der Herr Berichterstatter, der ja im übrigen in der Etatsrede lobend erwähnt worden ist, führte aus:
    Eine andere, sehr wichtige Entschließung des Finanzausschusses
    — des Finanzausschusses des Bundesrates —
    finden Sie auf Seite 32 unter 4 zu Kap. 32 09 Tit. 686. Der Bund hat an dieser Stelle für 1963 — abweichend von früheren Jahren — nur die den Ländern zustehenden Erstattungsleistungen für die Tilgung der Ausgleichsforderungen veranschlagt, nicht aber die Erstattung für Zinsen. Wie Sie wissen, ist vor etwa zwei Jahren zwischen Bund und Ländern Einigung über die Aufbringung des Schuldendienstes für die Ausgleichsforderungen erzielt worden. Bei einer diesem Abkommen entsprechenden Veranschlagung hätte der genannte Titel um etwa 200 Millionen DM erhöht werden müssen. . . . Zu einem Zeitpunkt, in dem der Bund unter Berufung auf die Finanzverfassung eine Erhöhung des Bundesanteils fordert, müssen die Länder ganz entscheidenden Wert darauf legen, daß der Bund seinerseits die sich für ihn aus dieser Finanzverfassung ergebenden Verpflichtungen erfüllt beziehungsweise die für ihre Erfüllung erforderlichen gesetzlichen Grundlagen schafft.
    Das, Herr Kollege Dresbach, sagte der von Ihnen vorhin in einem Zwischenruf lobend hervorgehobene bayerische Finanzminister.
    Der Herr Bundesfinanzminister erklärt in Punkt 121 im letzten Satz:
    Nicht unerörtert bleiben können ferner die Modalitäten der in Aussicht genommenen Regelung für die abschließende Verteilung der Kriegsfolgelasten zwischen Bund und Ländern.
    Ich sage das aber nicht nur, um den Katalog der auf den Bund zukommenden besonderen Ausgabeverpflichtungen zu erweitern, sondern sage es auch mit Rücksicht auf einen Vorschlag, den ich im weiteren Verlauf meiner Ausführungen noch machen werde.
    In den Punkten 16, 20, 43, 44 und 63 der Haushaltsrede werden Beziehungen zwischen der Entwicklung der Inlandspreise und der Konkurrenzfähigkeit ,der deutschen Wirtschaft gegenüber dem Ausland hergestellt, die in sich nicht frei von Widersprüchen sind.
    In den Punkten 16 und 20 wird eine Verschlechterung der deutschen Wettbewerbslage aus den überproportional steigenden Einfuhren herausgelesen, beide Erscheinungen auf Lohn- und Preissteigerungen im Inland zurückgeführt, während in den Punkten 43 unid 44 Preissteigerungen für die Leistungen der Bundesbahn und Bundespost zugelassen und schließlich in Punkt 63 ein hohes Agrarpreisniveau bejaht und an Hand des Schweizer Beispiels dies durchaus für ein hochindustrialisiertes Land als richtig, also doch wohl kaum als die Wettbewerbsfähigkeit schädigend, erklärt wird.
    Tatsächlich haben die Einfuhrsteigerungen im Jahre 1962 mit einer Verschlechterung der deutschen Wettbewerbsfähigkeit nichts zu tun. Die Untersuchungen von Forschungsinstituten — ich darf mich auf die von Berlin und München 'beziehen — zeigen z. B., daß die deutsche Konkurrenzlage in diesem Jahr sich nicht verschlechtert that. Die steigenden Einfuhren sind ein Ergebnis der in diesem Punkt richtigen Konjunkturpolitik, Nachfrageüberhängen und Preissteigerungen durch umfassende Vermehrung des Güterangebots aus dem Inland wie auch aus dem Ausland zu begegnen.
    In diesem Zusammenhang hat Herr Kollege Vogel Äußerungen meines 'Freundes Erwin Schoettle hinsichtlich der Tariferhöhungen bei Bundesbahn und Bundespost noch einmal kritisch beleuchtet. Ich möchte darauf aufmerksam machen, daß es sich hierbei um einen Kernpunkt handelt. Wenn Sie meinen, daß Sie 'mit ?dem Bundeshaushalt eine Aufgabe der Preisstabilisierung zu erfüllen haben, dann können Sie nicht die Tatsache übersehen, daß die beiden größten und wichtigsten Unternehmungen der öffentlichen Hand, nämlich Bundesbahn und Bundespost, genau an dem Tage, an dem der Bundeshaushalt 1963 in Kraft tritt, Tariferhöhungen vornehmen, die nach ,den Ankündigungen der in Frage kommenden Wirtschaftsverbände und Gewerkschaften Ausgangspunkte neuer Preis- und Lohnbewegungen sein sollen.

    (Beifall bei der SPD.)

    Das, meine ,Damen und Herren, ist eben der Kernpunkt: ob Sie glauben, in diesem Haushalt 1963, bei einer solchen Zielsetzung des Bundeshaushalts und der vor kurzem im Hause abgegebenen Regierungserklärung Tariferhöhungen 'dieser Unternehmungen zulassen zu können, die sich dann zweifellos gegen eine solche Zielsetzung auswirken müssen.

    (Afbg. Dr. Vogel: Sind Ihnen neue Steuern lieber? Das ist eine ganz klare Alternative!)




    Dr. h. c. Dr.-Ing. E. h. Möller
    — Hier handelt es sich nicht um neue Steuern. Herr Kollege Vogel, ich werde Ihnen gleich noch sagen, was für Reserven in dem Haushalt 1963 vorhanden sind. Ich habe Ihnen vorhin eine genannt, die Verwaltungseinnahmen. Sie sind dabei alle sehr ruhig geblieben. Das liegt wahrscheinlich daran, daß Sie in Ihren Fraktionssitzungen vom Herrn Bundesfinanzminister oder von dem früheren Staatssekretär Dr. Hettlage über diese innere Reserven des Haushalts eingehend informiert werden. Wir müssen uns das mühsam aus unseren Unterlagen heraussuchen und es dann hier zur Erörterung stellen, um dem Hohen Hause einmal ganz klar vorzutragen, wie wir die Entwicklung des Bundeshaushalts 1962 auf Grund dieser einwandfreien Unterlagen zu sehen haben.

    (Abg. Dr. Vogel: Sie haben genauso wie ich die Erwiderung des Bundesfinanzministers gelesen! Im Bundesratsprotokoll steht es doch genau!)

    — Herr Kollege Vogel, ich habe alle Zahlen aus den letzten Haushalten zu diesem Punkt mitgebracht, und die sind nun einmal eindeutig. Das also, Herr Kollege Vogel, ist der entscheidende Punkt. Auch dieser Zwischenruf bedeutet ja nicht, daß Sie die Richtigkeit dieser von mir getroffenen Feststellungen in Zweifel ziehen können. Das kann kein vernünftiger Mensch, und da Sie ein vernünftiger Mensch sind, müssen wir in der Beurteilung übereinstimmen.

    (Sehr richtig! bei der SPD.)

    Nun haben Sie sich noch auf die Agrarpreise bezogen und dabei den Beifall Ihrer Fraktion mit ein paar Bemerkungen gefunden, die ich hier nicht zitieren möchte. Aber ich möchte einmal den entscheidenden Satz aus der Etatrede des Herrn Bundesfinanzministers zitieren. Er lautet nämlich:
    Das Beispiel der Schweiz zeigt, daß es für ein kochindustrialisiertes Land richtig und für den Verbraucher zumutbar ist, der Landwirtschaft neben staatlichen Hilfen ein ausreichendes Einkommen über den Preis zu verschaffen.
    Wenn Worte einen Sinn haben, kann das doch nur bedeuten, daß man die Agrarpreise anheben möchte; denn da steht: „ein ausreichendes Einkommen über den Preis zu verschaffen". Da frage ich Sie: Was hat das nun mit Ihrer Preisstabilisierungsaktion zu tun?

    (Beifall bei der SPD.)

    Sie müssen sich doch gerade in diesem Stadium hüten, eine solche Auffassung vorzutragen. Ich füge hinzu: Sie haben nur deswegen ein Alibi, weil jeder, der eine solche These hier vorträgt, wissen muß, daß es unmöglich ist, diese Forderung zu realisieren, weil wir in der Agrarwirtschaft bereits das höchste Preisniveau im EWG-Raum haben. Wegen dieser Haltung — der anderen, nicht wegen unserer Haltung — ist es eben nicht möglich, darüber hinaus etwas zu tun.

    (Beifall bei der SPD.)

    Nun zur Frage der Steuerschätzungen, Punkt 111 und 112. Es ist möglich, daß die zweite Steuerschätzung für 1963 nach der — ich zitiere — seit Jahren im Einvernehmen mit den Wirtschaftsforschungsinstituten geübten Schätzungsmethode vorgenommen worden ist. Ganz sicher ist aber die dieser Steuerschätzung zugrunde liegende Schätzung des Bruttosozialprodukts nicht nach diesen Methoden vorgenommen worden. Es besteht die Gefahr, daß bei der gegenwärtigen Schwäche auf den Märkten für Ausrüstungsinvestitionen und bei der Begrenzung der öffentlichen Ausgaben das Bruttosozialprodukt im nächsten Jahr nicht um real 3,5 % steigen wird. Dagegen wird die Erhöhung der Verkehrs- und Posttarife eine Preisentwicklung begünstigen können, die eine Steigerung ,des Bruttosozialprodukts um wahrscheinlich mehr als 5,5 % nominal zur Folge hat.
    Von diesen Überlegungen gehen auch die vom Bundesfinanzminister erwähnten neuesten Schätzungen der Institute für die nominale Steigerung des Bruttosozialprodukts in 1963 aus. Es handelt sich bei den erwähnten 5,5 % offensichtlich um die Schätzung des DIW im Wochenbericht Nr. 44/1962. Es wäre ,aus diesen Gründen sicherlich wünschenswert, wenn die in Aussicht gestellte Zusammenarbeit bei den Steuerschätzungen zwischen dem Bund und den Forschungsinstituten sowie den Vertretern der Länderfinanzministerien nicht nur für die Zukunft, sondern umgehend und für den Bundeshaushalt 1963 durchgeführt würde.
    Schon jetzt möchte ich aber bezüglich der finanziellen Operationsmöglichkeiten auf folgendes hinweisen. Die Verwaltungseinnahmen, Herr Kollege Vogel, sind für 1963 wahrscheinlich wiederum um mehr als 1 Milliarde DM zu niedrig angesetzt worden. Da hätten Sie schon die 280 Millionen DM, die Sie für die Bundesbahn brauchen, und die etwa 340 bis 350 Millionen DM, die Sie für die Bundespost brauchen, um die Tariferhöhungen wenigstens für ein Jahr auszusetzen. Ich bin der letzte, der etwa bestreiten möchte, daß verschiedene Tarife bei Bundesbahn und Bundespost nicht den volkswirtschaftlichen Verhältnissen entsprechen.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Welche denn?)

    — Nun, da gibt es eine ganze Anzahl. Es gibt eine ganze Anzahl sogenannter Sozialtarife, die aus Gründen bestehen, die von allgemeinem Interesse sind, auch vom Bund bisher als solche anerkannt wurden.
    Es handelt sich also bei meiner Stellungnahme insbesondere um das Jahr 1963 und die durch die Regierungserklärung des Herrn Bundeskanzlers und durch diesen Bundeshaushalt angekündigte Preisstabilisierungsaktion. Da wir an einer Preisstabilität, einer endlich einsetzenden Preisstabilität alle gemeinsam interessiert sind, muß es doch auch Aufgabe der Opposition sein, auf Bedenken aufmerksam zu machen, die durch die eine oder andere Maßnahme ausgelöst werden, um diese Überlegungen hier in den Raum zu stellen und um den Versuch zu machen, aus diesen Überlegungen praktische Konsequenzen für die gemeinsame Arbeit zu ziehen.
    Außerdem darf ich darauf aufmerksam machen, daß im Haushaltsentwurf wie in früheren Voran-



    Dr. h. c. Dr.-Ing. E. h. Möller
    schlägen die Steuer- und Zolleinnahmen aus Regierungseinfuhren nicht enthalten sind. Der Ansatz für die Umsatzsteuer ist meines Erachtens zu niedrig, da im ersten Halbjahr 1962 — das ist die Basis für die Schätzung 1963 — die Einnahmen aus steuerrechtlichen Gründen relativ niedrig waren. Äußerstenfalls könnte auch der Ansatz für Schuldaufnahmen erhöht werden. Die Bundesschuld ist, gemessen an internationalen Maßstäben, jedenfalls denen des westlichen Auslands, unverhältnismäßig niedrig. Das ist eine große Leistung der deutschen Finanzpolitik,

    (Sehr richtig! bei der CDU/CSU)

    wenn man berücksichtigt, was wir, ich nehme nur den Zeitabschnitt von Juni 1948 bis heute, haben wiederaufbauen müssen, was wir an Kriegsschäden und Kriegsfolgeschäden in der Volkswirtschaft und im staatlichen Leben zu beseitigen hatten. Einige sehr beachtliche Zahlen hat der Bundesfinanzminister in seiner Etatrede vorgetragen. Ich wiederhole, wenn man das berücksichtigt, dann muß jeder anerkennen, daß das eine gewaltige Leistung gewesen ist, die wir bei diesem Schuldenstand in erheblichem Umfange der nach uns kommenden Generation abgenommen haben.
    Es ist mir nicht bekannt, wen der Herr Bundesfinanzminister und Herr Kollege Vogel gemeint haben, als sie davon sprachen, daß kürzlich aus Kreisen der Opposition die Einführung der Ergänzungsabgabe zur Einkommen- und Körperschaftsteuer als geeigneter Weg für die Deckung des Fehlbetrags im Bundeshaushalt empfohlen worden sei. Am 29. September 1954 hat die damalige Bundesregierung dem Bundestag einen Gesetzentwurf über eine Ergänzungsabgabe zur Einkommen- und Körperschaftsteuer zusammen mit den Gesetzentwürfen zur Neuordnung des Finanzausgleichs und zur Neuordnung von Steuern vorgelegt. Dieser Gesetzentwurf zur Ergänzungsabgabe sah vor, von natürlichen und juristischen Personen eine ergänzende Steuer, nämlich die Ergänzungsabgabe zur Einkommen- und Körperschaftsteuer, zu erheben.

    (Abg. Dr. Dr. h. c. Dresbach: Also eine alleinige Bundessteuer!)

    — Darauf komme ich noch, Herr Kollege Dresbach. Diese Tatsache wird ja wohl bei den Überlegungen der nächsten Jahre keine unwichtige Rolle spielen. Der Hebesatz sollte 2,5 % der Einkommen- und Körperschaftsteuer betragen. Im Bericht des Finanzausschusses zum Entwurf des Finanzverfassungsgesetzes heißt es:
    Als wichtige Ergänzung des Bundessteuersystems hat der Ausschuß die Ergänzung zur Einkommen- und Körperschaftsteuer grundsätzlich bejaht, ohne damit zu der Frage Stellung zu nehmen, ob und gegebenenfalls wann der Bund von diesem selbständigen Besteuerungsrecht Gebrauch machen soll.
    Im gegenwärtigen Zeitpunkt ist die Begründung, die seitens der damaligen Bundesregierung für die Möglichkeit der Erhebung einer Ergänzungsabgabe gegeben worden ist, sowohl interessant als auch aktuell. Ich meine nicht diesen einen Satz — er
    stammt ja aus der Begründung des Berichterstatters des Finanzausschusses des Bundestages —, sondern die sehr umfangreiche und sehr präzise Begründung, die die Bundesregierung ihrem Gesetzentwurf beigegeben hat. Ich empfehle den Kollegen der Koalitionsfraktionen ein aufmerksames Studium, zumal langfristig gesehen die Ergänzungsabgabe als alleinige Steuereinnahme des Bundes zu den Überlegungen der Ausgabenfinanzierung gehören wird. Mehr habe ich zu diesem Thema jetzt an dieser Stelle nicht zu sagen.

    (Abg. Dr. Dr. h. c. Dresbach: Sie wollen damit wohl noch etwas warten, Herr Kollege?)

    — W i r sind nicht die Bundesregierung, Herr Kollege Dresbach. Wir 'hätten schon unsere Vorstellungen, wie wir die Einnahmeseite gestalten müßten.
    Herr Kollege Dresbach, lassen Sie mich, auch im Hinblick auf die Bemerkungen des Herrn Kollegen Vogel zum Bundesverteidigungshaushalt, ein offenes Wort sprechen. Man kann nicht immer nur von dem außerordentlichen Ernst der Lage sprechen, in der sich die Bundesrepublik Deutschland und das deutsche Volk befinden. Man kann nicht immer nur darauf hinweisen, was für Aufgaben wir im westlichen Verteidigungsbündnis zu erfüllen haben und was notwendig ist, um auch in unserem Volke die innere Stabilität und Immunität zu behalten, die wir in der Auseinandersetzung mit dem kommunistischen Imperialismus benötigen, sondern man muß auch bereit sein, dafür finanzielle Opfer zu bringen.

    (Beifall bei der SPD.)

    Man muß auch bereit sein, mal das Portemonnaie zu öffnen, wenn nur auf diesem Wege die Erfüllung der Aufgaben, von denen ich sprach, sicherzustellen ist.

    (Sehr wahr! bei der SPD.)

    Als Herr Kollege Vogel das sehr interessante englische Beispiel zitierte, dachte ich: Warum zitiert er eigentlich nicht ein deutsches Beispiel? Es hat beispielsweise im Jahre 1913 im Deutschen Reichstag eine hochinteressante Debatte über eine Militärvorlage gegeben.

    (Abg. Dr. Vogel: Ich kenne sie!)

    — Sie kennen sie. Das Interessanteste daran war doch, daß die rechte Seite des Hauses diese Militärvorlage annahm, aber die Deckungsvorschläge der Reichsregierung, die nur eine ganz geringe, bei den damaligen Verhältnissen verständlich geringe steuerliche Belastung für die Schichten vorsahen, die die rechte Seite des Hauses traditionsgemäß 'zu vertreten hat, ablehnte.

    (Zuruf von der SPD: Da hört der Patriotismus auf!)

    Mir scheint, irgendwie steckt das gewissen Kreisen unseres Volkes noch im Blut.

    (Beifall bei der SPD.)

    Ich meine: es ist immer noch besser, daß diejenigen, die dazu finanziell in der Lage sind, einige Mark Steuern früh genug mehr zahlen, um ihr Vermögen und ihre Freiheit und alles, was wir hier im Westen als unser persönliches Gut empfinden, nun wirklich erhalten zu können, als daß sie später einmal dar-



    Dr. h. c. Dr.-Ing. E. h. Möller
    über nachdenken müssen, wie unklug es doch gewesen ist, sich in gewissen Situationen nicht richtig, und zwar auf das Ganze ausgerichtet — das bedeutet hier nämlich „richtig" — verhalten zu haben.

    (Beifall bei der SPD.)

    Da sollten wir doch wirklich alle zusammenstehen und uns das Richtige gemeinsam überlegen. Das ist keine Frage der Koalition und der Regierung, keine Frage der Opposition, das ist wirklich eine Frage von allgemeinem deutschem Interesse. Ich sage Ihnen das hier, weil dauernd diese platonischen Erklärungen abgegeben werden,

    (Sehr richtig! bei der SPD)

    die sich mit steuerlichen Maßnahmen beschäftigen. Auch ich bin der Meinung, daß wir 1963 keine Steuererhöhungen vorzunehmen brauchen, daß es darauf ankommt, die Gesamteinnahmen der öffentlichen Hand nun endlich einmal richtig zu verteilen. Dazu werde ich' Ihnen nachher noch etwas sagen. Aber ich bin ebenso bereit, auch in jeder öffentlichen Versammlung klar und deutlich auszusprechen, worum es sich in der Zukunft handelt und worum es in der Zukunft geht, wie ich das hier in diesem Hohen Hause soeben getan habe.

    (Beifall bei der SPD.)

    Lassen Sie mich gleich noch eins hinzufügen — das steht hier auf meinem Vermerk und wird sicherlich auch vom Herrn Bundesfinanzminister gebilligt —: ich halte es einfach für unmöglich, daß eine Organisation, die Anspruch darauf erhebt, ernst genommen zu werden, wie der Bund der Steuerzahler, jetzt nichts Besseres zu tun hat, als uns ein Blättchen auf den Tisch zu legen mit der Forderung einer Steuerermäßigung in Höhe von 4,5 Milliarden DM.

    (Zuruf von der SPD: Unerhört!)

    Das ist doch einfach indiskutabel. Ich kann Leute, die das heute noch als realisierbar ansehen, nicht als ernste Gesprächspartner akzeptieren.

    (Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der Regierungsparteien.)

    Nehmen Sie mir es bitte nicht übel, Herr Kollege Etzel, daß ich jetzt Sie zitiere. Auf dem CDU-Parteitag im April 1961 in Köln ist Ihr Vortrag verlesen worden — Sie waren ja durch Ihre Erkrankung am Erscheinen verhindert —, und in diesem Vortrag heißt es, daß die bisherigen Teilreformen bei der Einkommensteuer, der Umsatzsteuer, der Vermögensteuer und der Gewerbesteuer nur erste Schritte zu einer umfassenden Reform unseres Steuersystems im ganzen sind.
    Dazu gehört die Fortsetzung der von mir eingeleiteten Reform
    — so heißt es in Ihrem Vortrag —
    unserer Umsatzsteuer, eine verbesserte Einheitsbewertung, eine systematische Überprüfung der Vermögensteuer, der Gewerbesteuer und der Erbschaftsteuer, die in einigen Punkten den veränderten wirtschaftlichen Verhältnissen und gesellschaftspolitischen Zielen — ich denke besonders
    — so sagen Sie, Herr Kollege Etzel —
    an Fragen der Wirtschaftsstruktur und der Eigentumsbildung — nicht mehr ganz zu entsprechen scheinen.

    (Hört! Hört! bei der SPD.)

    Ich kann Ihnen nur voll beipflichten. Sie werden verstehen: ich hätte das auf einem Parteitag der SPD etwas klarer und eindeutiger formuliert.

    (Beifall bei der SPD. — Zuruf des Abg. Etzel.)

    — Ja, natürlich; ich habe durchaus Verständnis dafür, daß Sie das Ihren Damen und Herren etwas schonender beibringen müssen. Aber für uns Abgeordnete gilt es, in der Diskussion, die jetzt über diese Frage im Gange ist, die Frage zu stellen: Meine Damen und Herren von der CDU, stehen Sie noch zu diesem Programm? — Dann dürfen Sie sich nicht darüber aufregen, daß wir einmal den einen oder anderen Punkt ansprechen, den wir nicht als einen Punkt ansehen, der zu Steuererhöhungen im allgemeinverständlichen Sinne führt, sondern als einen Punkt, bei dem es sich darum handelt, durch bestimmte steuerliche Maßnahmen zu einer besseren Steuergerechtigkeit zu kommen, zu einer Steuerstruktur, die unserem heutigen Gesellschaftsbild entsprechen sollte. Und wenn wir diese Dinge auch jetzt noch diskutieren, so bitte ich um Verständnis für unsere Haltung.
    Wir haben im Bundestagswahlkampf, in dem Wahlkampf, bei dem es sich um die Zusammensetzung dieses 4. Deutschen Bundestages gehandelt hat, in allen Einzelheiten diese unsere Auffassungen von der Einkommensteuer, über die Vermögensteuer und die Erbschaftsteuer bis zur besseren Erfassung von Spekulationsgewinnen vorgetragen.

    (Sehr wahr! bei der SPD.)

    Wenn wir den Mut dazu hatten, das in einem Bundestagswahlkampf zu tun und dabei nicht immer ganz populäre Forderungen zu vertreten, dürfen Sie uns auch den Mut zutrauen, das jetzt hier im Bundestag mit Novellierungsvorschlägen noch einmal zur Sprache zu bringen und zur Entscheidung zu stellen.
    Wenn wir in dem einen oder anderen Punkt noch keine Anträge, keine Gesetzentwürfe vorgelegt haben, so deswegen, weil sich nun einmal seit diesem Bundestagswahlkampf auch in unserer Wirtschaft einiges verändert hat. Wir müssen uns alle gemeinsam bemühen, die Labilität, die in unserer Wirtschaft aus bestimmten Gründen vorhanden ist, zu überwinden, damit wir wieder stabilen Boden unter die Füße bekommen, den wir gerade hier an dieser europäischen Nahtstelle gegenüber der sogenannten DDR und den Kommunisten benötigen. Darum dürfen Sie, meine Damen und Herren, davon ausgehen, daß eine solche Haltung einfach unserem Verantwortungsgefühl entspricht.
    Sie wundern sich so manchmal darüber, daß wir uns den Notwendigkeiten der Zeit anpassen. Dar-



    Dr. h. c. Dr.-Ing. E. h. Möller
    über herrscht manchmal bei Ihnen, ich möchte beinahe sagen, Empörung.

    (Lachen und Widerspruch bei der CDU/ CSU.)

    Das ist mir immer unverständlich. Sie könnten sich doch nur über uns empören, wenn wir noch unsere alte Zipfelmütze aufhätten,

    (Zurufe von der CDU/CSU)

    wenn wir noch um gesellschaftliche Dinge kämpften, die überholt sind, die Gott sei Dank für uns alle überholt sind. Wir stehen auf dem Boden dieses neuen demokratischen freiheitlichen Staates und wünschen uns nur für alle Bürger dieses Staates dieselbe wirtschaftliche und soziale Unabhängigkeit, wie wir sie als politische Unabhängigkeit in einem demokratischen Staat manifestiert haben.

    (Beifall bei der SPD.)

    Meine Damen und Herren von der CDU/CSU, noch eine Bemerkung! Ein Vorschlag des Diskussionskreises Mittelstand der CDU/CSU-Bundestagsfraktion sieht nach der „Verbraucherpolitischen Korrespondenz" Nr. 15/1962 vor — ich zitiere jetzt für Herrn Kollegen Vogel wörtlich; es ist nicht ein Mittelstandskreis der SPD, sondern der Mittelstandskreis der CDU/CSU-Bundestagsfraktion; obgleich sie nicht dazu gehören, muß es Sie interessieren, was im Schoße Ihrer Fraktion vor sich geht —:
    ... zur Eindämmung der Konzentration alle Vermögen, die 10 Millionen DM übersteigen, mit zusätzlich 1 %, also im ganzen 2 % Vermögensteuer jährlich zu belegen.

    (Abg. Dr. Vogel: Sie sehen, wie diskussionsfreudig unsere Leute sind!)

    — Ja, aber ich bitte mir zuzugestehen, daß ich Ihre Äußerung nicht so verstehe, als wenn Sie damit zum Ausdruck bringen wollten: Laß die nur schwätzen! Ich werde mich danach nicht richten. — Wir von der SPD betrachten das als einen echten Beitrag zu Überlegungen, die man anstellen muß. Wir sind ja mit unserem Vorschlag, den wir schon während des .Bundestagswahlkampfes zur Debatte gestellt haben, sogar davon ausgegangen, daß steuerpflichtige Vermögen bis zu 100 000 DM nur mit 0,75 % Vermögensteuer zu belegen seien, steuerpflichtige Vermögen zwischen 100 000 DM und einer Million DM mit 1%, steuerpflichtige Vermögen über eine Million DM bis 10 Millionen DM mit 1,5 %, und dann kamen wir bei steuerpflichtigen Vermögen über 10 Millionen DM auch zu 2 %. Es ist Ihnen bekannt, daß sich dadurch das Steueraufkommen immerhin um etwa eine Milliarde DM erhöhen würde.

    (Abg. Dr. Dr. h. c. Dresbach: Herr Möller, den Mittelstandsfisch hätte ich mir an Ihrer Stelle auch nicht entgehen lassen!)

    — Sehen Sie, da ich weiß, was für ein kluger und unabhängiger Politiker Sie sind, ist das tatsächlich für mich ein Lob, das ich gern annehme.
    Ich wiederhole jetzt noch einmal an dieser Stelle: es steht nirgendwo geschrieben, daß etwa bei einer Ergänzungsabgabe alle Lohn- und Einkommensteuerpflichtigen von dieser Ergänzungsabgabe erfaßt werden müßten.

    (Abg. Etzel: Wie ist es dann mit dem Opfer?!)

    Es wäre auch nach unserer unserer Meinung möglich, beispielsweise eine Abgrenzung vorzunehmen und etwa nur bei einem steuerpflichtigen Einkommen ab 30 000 DM oder ab 25 000 DM — bitte, über jede Abgrenzung kann man reden — diese Ergänzungsabgabe zu erheben. Ich sage das nur, damit nicht die Behauptung im Raume bleibt, daß das nun wieder eine nicht zumutbare Belastung für die Lohn- und Einkommensteuerpflichtigen bis zu einem solchen steuerpflichtigen Einkommen von etwa 25 000 oder 30 000 DM sein würde.
    Und nun, meine Damen und Herren, ein wichtiger Punkt. Die Anrufung des Art. 106 Abs. 4 des Grundgesetzes soll für den Bund eine pragmatische Lösung für die im Augenblick vordringlichsten Finanzprobleme bringen. So sagt es der Herr Bundesfinanzminister, und er fährt fort:
    Ich bekenne offen, daß mir diese in der gegenwärtigen Situation realistischer erscheint als der Versuch, ein Modell einer idealen Finanzverfassung in die Wirklichkeit umzusetzen.
    Nun, Herr Bundesfinanzminister, wir sind uns wohl darin einig, daß wir das Modell einer idealen Finanzverfassung so schnell nicht realisieren können, wobei ich davon überzeugt bin, daß Ihre Vorstellungen über ein Modell einer idealen Finanzverfassung etwas anders aussehen als die Vorstellungen Ihres FDP-Finanzministerkollegen etwa in Rheinland-Pfalz oder in Baden-Württemberg. Das sei nur nebenbei bemerkt, um die Schwierigkeiten aufzuzeigen. Aber ich muß doch schon fragen: Was ist hier realistisch? Ich habe schon erwähnt, daß nicht feststeht, wie hoch der Verteidigungshaushalt 1963 wirklich sein kann. Hinzu kommen dann die Maßnahmen aus dem Sozialpaket einschließlich der Beseitigung von Härten in der Kriegsopferversorgung und der Flüchtlingsgesetzgebung. Die Anschlußgesetze an die Kriegsfolgengesetzgebung sind angekündigt worden, insbesondere das Reparationsschädengesetz. Am 1. Juli 1963 werden die Wohnbeihilfen eingeführt. Über den Finanzaufwand für den zivilen Bevölkerungsschutz stellt eine Kommission Erhebungen an. Ist es, so frage ich nun still und bescheiden, richtig, von Art. 106 Abs. 4 Gebrauch zu machen?
    Nun mögen Sie sagen, der Bund befinde sich in einer prekären Situation, nicht nur, weil die Dekkungslücke in Höhe von 2 Milliarden DM zu schließen ist, sondern auch, weil die Verhandlungen zwischen Bund und Ländern doch mit dem Ziel begonnen haben, dem Bund einen größeren Anteil an der Einkommen- und Körperschaftsteuer zu sichern, und das — wie wir ja schon bei den Erörterungen für den Haushalt 1962 feststellten — festgelegt für zwei Jahre. Ich darf in diesem Zusammenhang doch darauf aufmerksam machen, daß die Länder — einschließlich der Stadtstaaten — beim Bund mit mehr als 9 Milliarden DM verschuldet sind, und ich frage: Ist nicht über den Weg eines einmaligen Betrages zur vorzeitigen Tilgung eine Überbrückung dieser



    Dr. h. c. Dr.-Ing. E. h. Möller
    Situation für das Jahr 1963 möglich? Dann wäre mit dem Betrag X die Deckungslücke in diesem Umfang — wie es der Betrag X zuläßt — zu schließen. Sie hätten der weiteren Entwicklung, der Entscheidung für 1964 und 1965 nichts vorweggenommen. Sie hätten dann im Laufe der nächsten Monate die Ergebnisse der Untersuchung über die finanziellen Aufwendungen für diese Gesetze und könnten auf dieser Basis dann die Verhandlungen mit den Ländern, glaube ich, aussichtsreich führen.
    Sie sehen also, es ist durchaus nicht so, daß wir nur ein Nein sagen zu einer bestimmten von Ihnen vorgeschlagenen Lösung, sondern daß wir uns auch darüber den Kopf zerbrechen, wie wir einen konstruktiven, für alle annehmbaren Vorschlag machen, der im Endziel dasselbe erreicht.
    Auch der Bundesfinanzminister hat davon gesprochen, daß die große Aufgabe der Prüfung einer Finanzreform unverändert bestehenbleibt. Er hofft, daß diese Arbeit in Kürze in vertrauensvollem Zusammenwirken von Bund, Ländern, Gemeinden und allen Parteien aufgenommen werden kann. In einem Interview mit einer Presseagentur, das am 24. Oktober 1962 veröffentlicht worden ist, hat der Herr Bundesfinanzminister noch hinzugefügt, ein derartiges Gremium habe aber keinen Sinn, wenn in ihm nicht alle vertreten seien. Wir begrüßen diese zustandegekommene Einigung aufrichtig und unterstreichen nochmals unsere volle Bereitschaft zur verantwortungsvollen Mitarbeit.
    Der Bundesfinanzminister hat dann zu meiner Überraschung angekündigt, daß eine der ersten Aufgaben der einzuberufenden Finanzkommission darin besteht, den Zusammenhang zwischen der Finanzreform und der Einheitsbewertung zu untersuchen. Im ersten Augenblick war ich versucht anzunehmen, daß das ein entscheidender Grund für die neue Zusammensetzung der Finanzkommission sein könnte. Aber das war nur ein Augenblick, dann habe ich diesen Gedanken verworfen.
    Die sozialdemokratische Bundestagsfraktion begrüßt es, daß die Berichtigung der Einheitswerte endlich in Angriff genommen werden soll, wobei wir hoffen, daß die angekündigten Verhandlungen keine erheblichen Verzögerungen zur Folge haben. Auch wir sind der Ansicht, daß die steuerlichen Folgen insbesondere für den kleinen und mittleren Besitz erst nach Festlegung der neuen Rechtsgrundlagen für die Feststellung der neuen Einheitswerte überprüft werden können. Wir entnehmen der Darstellung des Herrn Bundesfinanzministers nicht, daß die Wirksamkeit der notwendigen Bereinigung bis 1966 hinausgeschoben werden soll.
    Wir begrüßen es weiter, daß der Bundesfinanzminister die Notwendigkeit einer Korrektur des gespaltenen Körperschaftsteuertarifs grundsätzlich nicht bestreitet und daß die Auswirkungen dieser Regelung im zwischenstaatlichen Wettbewerb die Aufmerksamkeit der Bundesregierung gefunden haben. Wir fordern nach wie vor eine vertretbare Korrektur und werden darauf achten, daß der in Punkt 133 der Haushaltsrede angekündigte Bericht in allernächster Zeit dem Hohen Hause vorgelegt wird.
    Nur am Rande darf ich noch darauf aufmerksam machen, daß bei Erhöhung des Satzes für ausgeschüttete Gewinne um je 1 % die Körperschaftsteuer 45 bis 50 Millionen DM Mehreinnahmen erbringt.
    Ich darf nun noch einmal auf die Arbeit der nun hoffentlich bald eingesetzten Expertenkommission zurückkommen und als Ziel herausstellen: Ein optimales Gleichgewicht zwischen Aufgaben und Finanzkraft soll nicht nur für den Bund, sondern auch für Länder und Gemeinden erzielt werden. Um der Erfüllung jener dringlichen Aufgaben willen, wie sie eine klare Rangordnung den drei Gebietskörperschaften zuweist, müssen auch unpopuläre, für den einen oder anderen der Beteiligten unbequeme Lösungen in Kauf genommen werden. Jedenfalls ist die Einnahmenverteilung weniger von der Tradition her als von den finanzwirtschaftlichen Möglichkeiten und von dem an den Aufgaben bemessenen Finanzbedarf von Bund, Ländern und Gemeinden her zu bestimmen. Jeder Wandel der Verhältnisse wirkt auf den neu zu vereinbarenden Finanzausgleich ein, der sich deswegen als keine endgültige Regelung, wohl aber als stabil für die Dauer einer gleichbleibenden Bedarfslage zu erweisen hat.
    Lassen Sie mich zum Schluß folgendes sagen. Das wirtschaftliche und damit auch das politische und militärische Potential in der Bundesrepublik ist in den letzten zehn Jahren nicht nur durch Sparsamkeit geschaffen worden, sondern durch ehrgeizige Zielsetzungen und eine großartige Gemeinschaftsleistung des gesamten deutschen Volkes.

    (Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der CDU/CSU.)

    Niemand sollte in der jetzigen Situation die selbstverständlich auch von uns anerkannte Notwendigkeit zur Sparsamkeit, wobei ich Sparsamkeit erkläre als Wohlüberlegtheit bei jeder einzelnen Ausgabe, gleichsetzen mit einer Beschränkung der öffentlichen Ausgaben als Ganzem, wenn wir von der Bundesverteidigung absehen. Die Grenzen unserer volkswirtschaftlichen Leistungsfähigkeit sind nicht starr. Sie sind entscheidend abhängig von der Investitionstätigkeit und allen anderen Voraussetzungen, die das Wachstum des Bruttosozialproduktes bestimmen. Verzichten wir darauf, unsere Volkswirtschaft am Anfang einer Periode der weltwirtschaftlichen Schwäche die notwendigen Impulse des Auftriebs zu geben, ,so bleiben wir an den heute erreichten Grenzen unserer Leistungsfähigkeit stehen, was niemand wünschen kann. Jeder, der sich mit dem Fragenkomplex gründlich beschäftigt, den dieser Bundeshaushalt auslöst, sieht die gewaltigen Aufgaben, die noch zu lösen sind, und zwar mit einem ihnen entsprechenden Steuerbedarf und seinem richtigen Einsatz.
    Daher sollten nach unserer Meinung folgende Forderungen beachtet werden:
    Sicherung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts,
    die Erfüllung der mannigfaltigsten Aufgabenzwecke der öffentlichen Hand bei einer Rangordnung, die von dem heutigen Gesellschaftsbild bestimmt sein muß,



    Dr. h. c. Dr.-Ing. E. h. Möller
    die Verteilung der Lasten nach der Leistungsfähigkeit und
    eine Bewußtseinsbildung, die bei den Staatseinnahmen und den Staatsausgaben die gleiche Verantwortung auslöst, die der Bürger im allgemeinen bei sich selbst anwenden muß.

    (Beifall bei der SPD.)

    Hoffentlich kann sich das Hohe Haus auf eine solche Konzeption einigen:

    (Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der CDU/CSU.)