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    Deutscher Bundestag 46. Sitzung Bonn, den 8. November 1962 Inhalt: Fragestunde (Drucksache IV/708) Frage des Abg. Wittrock: Festnahme des „Spiegel"-Redakteurs Ahlers in Malaga Erler (SPD) . . . . . . . . . 2013 B, D Höcherl, Bundesminister . . . . 2013 B, D, 2014 B, C, D, 2015 A, D, 2016 C, 2017 C, 2018 B, C, 2020 A, C, D, 2021 A, B Strauß, Bundesminister 2013 D, 2015 A, B, 2018C,D, 2019A Dr. Schäfer (SPD) . . . . 2014 A, B, C Schmitt-Vockenhausen (SPD) . . 2014 C, D Dr. Mommer (SPD) . . . 2014 D, 2015 A Ritzel (SPD) . . . . 2015 C, 2016 A, B Vizepräsident Dr. Schmid . . . . 2016 B, 2017A,B, 2018A,B,D Dr. Kohut (FDP) . . . . . 2017 A, B Wittrock (SPD) 2017 B, C Metzger (SPD) . . . 2018 A, B, 2019 D Wacher (CDU/CSU) . . . . . . 2020 C Dr. Müller-Emmert (SPD) . . . . 2020 D Figgen (SPD) . . . . . . . . . 2021 A Dr. Schmidt (Wuppertal) (CDU/CSU) 2021 A Frage des Abg. Wittrock: Ermittlungen gegen andere Zeitungen Höcherl, Bundesminister . . 2021 B, C, D Wittrock (SPD) . . . . . . . 2021 B, D Schmitt-Vockenhausen (SPD) . , 2021 C Strauß, Bundesminister . . . . 2021 C, D Frage des Abg. Wittrock: Einschließung in eine Zelle Höcherl, Bundesminister . . . . 2022 A, B Wittrock (SPD) . . . . . . 2022 A, B Frage des Abg. Erler: Unterrichtung der Presse über Erfordernisse der militärischen Geheimhaltung Strauß, Bundesminister 2022 C, 2023 A Erler (SPD) 2022 C, 2023 A Frage des Abg. Erler: Anzeige des Bundesverteidigungsministeriums wegen Nr. 41 des „Spiegels" Strauß, Bundesminister . . 2023 B, C, D, 2024 A, C, D, 2025 A, B, D Erler (SPD) 2023 C II Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 46. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 8. November 1962 Dr. Schäfer (SPD) . . . . . . . 2023 D Kreitmeyer (FDP) 2024 A, C Dr. Kohut (FDP) . . . 2024 D, 2025 A, B Vizepräsident Dr. Schmid . . . . 2025 D Verordnung über die Senkung von Abschöpfungssätzen bei der Einfuhr von geschlachteten Gänsen (Drucksache IV/703); in Verbindung mit der Verordnung über die Senkung von Abschöpfungssätzen bei der Einfuhr von geschlachteten Hühnern (Drucksache IV/704) Bauknecht (CDU/CSU) 2026 A Bading (SPD) 2026 C Bauer (Wasserburg) (CDU/CSU) . 2026 C Dr. Schmidt (Gellersen) (SPD) . . 2027 A Entwurf eines Gesetzes über die Feststellung eines Nachtrags zum Bundeshaushaltsplan für das Rechnungsjahr 1962 (Nachtragshaushaltsgesetz 1962) (Drucksache IV/699) — Fortsetzung der ersten Beratung —; in Verbindung mit dem Entwurf eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Rechnungsjahr 1963 (Haushaltsgesetz 1963) (Drucksache IV/700) — Fortsetzung der ersten Beratung —Schoettle (SPD) . . . . . . . . 2027 C Dr. Vogel (CDU/CSU) . . . . . . 2036 B Dr. Emde (FDP) . . . . . . . . 2044 D Dr. h. c. Dr.-Ing. E. h. Möller (SPD) 2050 D Dr. Schellenberg (SPD) . . . . . 2058 A Dr. Bleiß (SPD) . . . . . . . . 2060 C Dr. Starke, Bundesminister . . . . 2062 C Entwurf eines Gesetzes zur Ausführung der zoll- und steuerrechtlichen Bestimmungen des Abkommens zwischen den Parteien des Nordatlantikvertrags vom 19. Juni 1951 über die Rechtsstellung ihrer Truppen (NATO-Truppenstatut) und des Zusatzabkommens vom 3. August 1959 usw. (Truppenzollgesetz 1962) (Drucksache IV/695) — Erste Beratung — . . . 2066 C Antrag der Fraktion der SPD betr. Futtergetreidepreise (Drucksache IV/674) . . 2066 D Nächste Sitzung 2066 D Anlagen 2057 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 46. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 8. November 1962 2013 46. Sitzung Bonn, den 8. November 1962 Stenographischer Bericht Beginn: 9.03 Uhr
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    *) Siehe Anlage 3 Anlage 1 Liste der beurlaubten Abgeordneten Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich a) Beurlaubungen Frau Albertz 30. 11. Altmaier 12. 11. Auge 19. 11. Dr. Besold 9. 11. Biegler 10. 11. von Bodelschwingh 8. 11. Dr. Bucher 9. 11. Burckardt 8. 11. Ehnes 9. 11. Engelbrecht-Greve 9. 11. Etzel 8. 11. Dr. Dr. h. c. Friedensburg 28. 11. Dr. Gleissner 9. 11. Hahn (Bielefeld) 9. 11. Hammersen 9. 11. Dr. Harm 1. 12. Höhmann (Hessisch Lichtenau) 9. 11. Hörnemann (Gescher) 9. 11. Illerhaus 8. 11. Frau Klee 9. 11. Knobloch 8. 11. Freiherr von Kühlmann-Stumm 9. 11. Kühn (Bonn) 31. 12. Kühn (Hildesheim) 9. 11. Kuntscher 31. 12. Dr. Löhr 9. 11. Lünenstraß 9. 11. Dr. Martin 9. 11. Merten 9. 11. Michels 8. 11. Murr 9. 11. Frau Dr. Probst 9. 11. Rademacher 9. 11. Richarts 16. 11. Schultz 9. 11. Seidl (München) 9. 11. Dr. Sinn 9. 11. Dr. Wahl 15. 11. Walter 9. 11. b) Urlaubsanträge Fürst von Bismarck 17. 11. Storch 15. 11. Anlage 2 Persönliche Erklärung gemäß § 36 der Geschäftsordnung. Ich bedauere, daß aus meiner Fragestellung gegenüber dem Herrn Bundesverteidigungsminister zur Person des Gutachters der Eindruck eines Kollektivurteils entstehen konnte. Eine Beleidigung hat mir ferngelegen. Gemeinsam mit meinen poli- Anlagen zum Stenographischen Bericht tischen Freunden lehne ich, getreu liberaler Tradition, jedes Kollektivurteil ab und bekenne mich zur individuellen Verantwortung in einem Rechtsstaat; gleichzeitig betone ich den Anspruch eines jeden Bürgers auf den Schutz der Gesetze, damit ihm kein Unrecht geschieht. Dr. Oswald Kohut Anlage 3 Erklärung des Abgeordneten Müller (Worms) für die Fraktion der SPD zu dem Antrag der Fraktion der SPD betr. Futtergetreidepreise (Drucksache IV/674). Der Präsident des Deutschen Bauernverbandes hat am 30. August 1962 in der Deutschen Bauernzeitung darauf hingewiesen, daß die Umstellung der Getreidepreise auf das EWG-Abschöpfungssystem zu einer allseits unerwünschten Verteuerung der von der Veredelungswirtschaft benötigten Futtermittel geführt habe. Ein allgemeines Ansteigen der Futtergetreidepreise - so sagte er - liege nicht im Interesse der Veredelungswirtschaft. Wenn das Abschöpfungssystem dafür verantwortlich sei, müsse eine Revision einzelner Elemente dieses Systems in Erwägung gezogen werden, um ein Gleichgewicht zwischen den Preisen für Futtergetreide und Veredelungsprodukte herzustellen. In diesem Zusammenhang wurde vorgeschlagen, die Monatsaufschläge für Januar und Februar 1963 zu halbieren und den Märzreport zu streichen. Nach reiflicher Überlegung sind wir zu dem Ergebnis gekommen, daß ein derartiger Vorschlag deshalb nicht praktikabel ist, weil während des laufenden Getreidewirtschaftsjahres eine Preisänderung zu erheblichen Marktstörungen führen müßte. Einfuhrverträge werden im allgemeinen für einen längeren Zeitraum abgeschlossen, so daß Änderungen, die der Gesetzgeber beschließt, unweigerlich zahllose Regreßansprüche auslösen müßten. Das ändert nichts daran, daß wir das Futtergetreidepreisniveau für überhöht erachten. Wir haben hierauf bei der Debatte des Durchführungsgesetzes zur EWG-Verordnung Nr. 19 im Plenum des Bundestages aufmerksam gemacht. Bei den Ausschußberatungen haben wir eine Grundsatzentscheidung darüber beantragt, daß der Futtergetreidepreis gesenkt werden solle. Dieser Antrag wurde mit 10 zu 9 Stimmen abgelehnt. Nachdem seitens der Regierungsvertreter im Ausschuß erklärt worden war, die endgültige Berechnung der Schwellenpreise für Futtergetreide liege noch nicht fest, haben wir vorgeschlagen, den Schwellenpreis so festzusetzen, daß die Futtergetreidepreise nicht steigen. Wir haben damit kein Gehör gefunden. Nach einem Bericht des Ernährungsdienstes vom 30. Oktober 1962 hat Herr Bundesminister Schwarz auf der Jahrestagung des Fachverbandes der Futtermittelindustrie in Minden erklärt, der Preisanstieg bei Futtergetreide sei `auf die zu reichlich berech- 2068 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 46. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 8. November 1962 neten Reports zurückzuführen. Das ist leider nur die halbe Wahrheit. Der Herr Minister hat zwar bei der Debatte über das Getreidepreisgesetz am 29. Juni 1962 nach meiner Aufforderung im Bundestag erklärt, daß er die von den Regierungsparteien beschlossene Erhöhung der Reports nicht für richtig halte, aber er hat seinen Standpunkt weder verteidigt noch für seine Verwirklichung gekämpft. Die Absicht, das bisherige Mindestpreisniveau bei Einführung der EWG-Marktordnung beizubehalten, mußte nicht notwendigerweise zu den jetzigen Konsequenzen führen. Wir hatten vorgeschlagen: a) die Vermarktungskosten von 23,50 DM/t um 4 DM/t zu senken, b) den Abstand zwischen den Interventionspreisen und den Richtpreisen von 7,5 % auf 5 % zu ermäßigen, c) bei den Monatsaufschlägen es bei der ursprünglichen Vorlage zu belassen. Die Mehrheit des Bundestages hat das leider nicht gewollt. Die Bauern, die auf den Zukauf von Futtermitteln angewiesen sind, haben die Zeche zu bezahlen, und die deutsche Veredelungswirtschaft hat den Schaden davon. Wie wichtig das Futtergetreidepreisniveau ist, ergibt sich daraus, daß die Futtergetreide-Verkaufserlöse der deutschen Landwirtschaft im Wirtschaftsjahr 1961/62 nur 10 Millionen DM betrugen, während die Landwirtschaft in diesem Zeitraum fast 3 Milliarden DM für Zukauffutter ausgegeben hat. Selbst im Vergleich mit dem Maschinenankauf und dem Aufwand für Düngemittel und den Löhnen stellt dieser Posten die absolut höchste Betriebsausgabe dar. Die Frage, was im äußersten Fall zu tun sei, um das bisherige Erzeugerpreisniveau zu schützen, wurde weder ausreichend noch gründlich erörtert. Hätte man das getan, würde man unschwer zu dem Ergebnis gekommen sein, daß dieses Ziel billiger zu erreichen ist, als es in der Tat geschah. Der Preis für denaturierten Weizen lag bisher unter dem Preis für Gerste und Mais. (397,50 DM zu 405 DM/t). Ich gebe zu, daß diese Relation nach der EWG-Verordnung Nr. 96 vom 25. Juni 1962 nicht mehr möglich ist, weil sie bestimmt, daß die Richtpreise für Gerste oder Mais beim Verkauf von denaturiertem Weizen nicht gefährdet werden dürfen. Nach Einführung der EWG-Getreidemarktordnung ist beispielsweise der Marktpreis 'für Auslandsgerste im Oktober 1962 auf etwa 450 DM/tgestiegen gegenüber etwa 405 DM/t im ,Oktober 1961; für Auslandhafer liegt er bei 420 .DM/t :gegenüber etwa 360 DM/t und für Mais bei 450 DM/t bis 475 DM/t gegenüber etwa 405 DM bis 430 DM/t. Für diese Entwicklung kann natürlich nicht die EWG-Getreidemanktordnung verantwortlich gemacht werden. Die derzeitigen Preise sind vielmehr das Ergebnis der Agrarpolitik, die die Bundesregierung und die Koalitionsparteien zu verantworten haben. Sie selbst haben den Preis bestimmt. Zum Schutz des .deutschen Erzeugerpreisniveaus hätten sowohl niedrigere Richtpreise wie auch niedrigere Schwellenpreise genügt. Das wird heute besser verstanden als vor einem halben Jahr, aber eine grundlegende Änderung kann erst das Getreidepreisgesetz für das nächste Wirtschaftsjahr bringen. Dennoch können wir einiges tun. In dem vorliegenden Antrag IV/674 beantragen wir die Beseitigang .der Umsatzausgleichssteuer. Dieses Ziel kann sowohl durch eine Änderung des Umsatzsteuergesetzes erreicht werden als auch durch eine entsprechende Ermäßigung des Schwellenpreises oder der Abschöpfungen. Hierüber wird im Ausschuß ausführlich zu sprechen sein. Bis zur Einführung der EWG-Marktordnung wurde die Umsatzausgleichssteuer zwar erhoben, bei der Abschöpfung aber zurückerstattet. Das hätte bei der Festsetzung der Schwellenpreise oder — soweit solche nicht 'bestehen — bei der Abschöpfung berücksichtigt werden müssen. Laut Meldung VWD-Europa Nr. 246 vom 24. 10. 1962 wird in Brüssel erwartet, daß die Bundesrepublik auf die Erhebung der Umsatzausgleichssteuer bei der Einfuhr von Getreide verzichtet, weil gemäß Art. 18 der Verordnung Nr. 19 im Handel zwischen den Mitgliedstaaten die Erhebung von Zöllen und Abgaben gleicher Wirkung mit der Anwendung der innergemeinschaftlichen Absatzregelung unvereinbar ist. Das gilt in gleicher Weise auch gegenüber Drittländern. Dem Vernehmen nach wird bei der EWG-Kommission jetzt erwogen, falls deutsche Maßnahmen zur Befolgung der Bestimmungen der EWG-Getreideverordnung nicht ergriffen werden, die deutschen Schwellenpreise durch eine Verordnung der EWG um den Betrag der Umsatzausgleichssteuer zu senken. Da die bisherige Erhebung der Umsatzausgleichsteuer gegen die EWG-Getreidemarktordnung verstößt, müssen die zu Unrecht erhobenen Beträge zurückerstattet werden. Die Umsatzausgleichsteuer hat bisher unnötigerweise die Preise erhöht. Es ist an der Zeit, diesen Übelstand zu beseitigen. Mit der zweiten Forderung unseres Antrages wollen wir erreichen, daß die Einfuhr- und Vorratsstelle (Getreide) Getreidemengen auch denaturiert, so lange verstärkt und unter solchen Bedingungen dem Markt zuführt, bis eine Normalisierung der Marktlage für Futtergetreide erreicht ist. Die Einfuhr- und Vorratsstelle hat mit dem Verkauf von denaturiertem Weizen für Futterzwecke bereits begonnen. Der Verkaufspreis liegt 5 DM/t über dem Richtpreis für Gerste. In Art. 7 Abs. 4 der EWG-Getreideverordnung ist vorgesehen, daß eine Denaturierungsprämie bei einem solchen Verkauf gewährt werden kann. Es ist infolgedessen zu prüfen, ob nicht ohne Gefährdung des Preisniveaus für andere Futtergetreidearten, ohne Gefährdung des Richtpreises für Gerste eine solche Denaturierungsprämie vergütet werden kann. Allerdings müssen bei derartigen Verkäufen ökonomische Gesichtspunkte berücksichtigt werden. Das scheint bisher nicht immer der Fall gewesen zu sein. So wurde kürzlich in Saarbrücken Futterweizen benötigt. Die EVST hätte von einem Lager in Enkenbach bei Kaiserslautern diesen Futterweizen nach Saarbrücken Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 46. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 8. November 1962 2069 verkaufen können. Sie hat das deshalb nicht getan, weil nach unserem Paritätspunktesystem der Futterweizenpreis in Saarbrücken nur 405,90 DM/t beträgt, in Enkenbach jedoch 422 DM/t. Aus diesem Grunde wurde ein Paritätspunkt ausgesucht, der im Preis unter dem für Saarbrücken gültigen Preis lag. Die Ware wurde somit von Massing in Bayern nach Saarbrücken verfügt, weil der Futterweizenpreis dort auf 395,60 DM/t festgesetzt wurde. Das Groteske einer solchen Maßnahme wird um so deutlicher, wenn man bedenkt, daß die Entfernung von Enkenbach nach Saarbrücken 81 km und die Bahnfracht bei 20 t 1,02 DM/100 kg beträgt, während Massing von Saarbrücken 571 km entfernt liegt und die Fracht 4,45 DM/ je 100 kg beträgt. Die Beförderung von 20 t Futterweizen von Enkenbach nach Saarbrücken kostet 204 DM, während die gleiche Menge von Massing nach Saarbrücken 814 DM erfordert. Da der Käufer Frachtkosten nur bis zum Betrag von 10 DM/t zu tragen hat, wäre also bei einer Lieferung von Enkenbach nach Saarbrücken keine Frachtsubvention zu zahlen, während diese bei einer Lieferung von Massing nach Saarbrücken 3,45 DM je 100 kg ausmacht. Solche Scherze sollten wir uns nicht leisten. Ich bitte, die Drucksache IV/674 dem Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten zu überweisen.
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    Rede von Dr. Rudolf Vogel


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Eigentlich hätte ich heute nach den Vorankündigungen in manchen Gremien der Opposition in den letzten Wochen und Monaten heftigere Breitseiten gegen die Finanzpolitik der Bundesregierung erwartet, als sie soeben hier abgeschossen worden sind.

    (Abg. Schoettle: Es sind noch nicht alle Geschütze aufgefahren!)

    — Ich weiß, Herr Kollege Dr. Möller wird ja aus seiner Wunderkiste einen neuen Steuersegen auf uns herabregnen lassen. Das kann ich also schon im voraus mit einkalkulieren. Aber ich muß im großen und ganzen sagen: alles, was hier vorgebracht worden ist, bestätigt im Grunde genommen nur, daß wir in diesem Jahre einen außerordentlich ausgewogenen Haushaltsentwurf bekommen haben. Und ich möchte noch etwas Weiteres dazu sagen, Herr Kollege Schoettle: daß von seiten der Opposition in dieser Lage niemand der Versuchung widerstehen würde, nachzusehen, wie stark der Kitt der Koalition
    ist, das haben wir auch vorausgesehen. Aber ich glaube, daß man sich da täuschen wird.
    Sie, verehrter Kollege Schoettle, haben ein Bukett von lauter neuen Ausgaben vorgelegt, die Sie zusätzlich zu dem verlangen, was im Bundeshaushalt 1963 vorgesehen ist. Die Versuchung, das alles einmal zusammenzustellen, läge natürlich nahe; aber ich möchte das nicht tun. Ich werde bei den einzelnen Punkten darauf zu sprechen kommen. Bei einigen Punkten möchte ich es allerdings bereits im voraus tun, weil hier einiges nicht so in der Welt stehenbleiben darf, wie Sie es vorgetragen haben.
    Sie haben mit den auch von uns seit Jahren erwogenen Sanierungsmöglichkeiten bei der Bundesbahn angefangen. Von der Bundespost brauchen wir hier nicht zu sprechen; denn die ist nicht in einer derartigen Bedrängnis wie die Bundesbahn. Aber wer kann denn leugnen, daß regelmäßig, wenn sie haarscharf daran war, die roten und die blauen Zahlen in eine Balance miteinander zu bringen, eine neue Gehalts- oder Lohnerhöhung alles wieder über den Haufen geworfen hat?! Das wissen wir doch seit Jahren.
    Ich möchte noch einmal ausdrücklich folgendes, sagen. Wenn auch in den letzten Jahren durch ganz erhebliche neue Zuwendungen die Kapitalsituation der Bundesbahn wesentlich verbessert worden ist, so ist doch meinem Dafürhalten nach kein Anlaß, von Ihrer Seite jetzt zu sagen, die Tarifpolitik der Bundesbahn sei schlecht, weil sie nicht freiere Bewegungsmöglichkeiten habe. Ich möchte einmal das Geschrei hören, das ausbrechen würde, wenn wir der Bundesbahn ihre volle Tariffreiheit wiedergeben wollten. Was für Beschwerden würde es dann von allen möglichen Seiten und aus allen Ecken der Bundesrepublik hageln, wenn wir die bisherige Gebundenheit, die uns allerdings sehr viel kostet, aufheben wollten! Daß naturgemäß die jetzt bevorstehenden Gehaltserhöhungen auf der anderen Seite irgendwo ihren Ausdruck finden müssen, halte ich für völlig selbstverständlich, und das wird auch bei der Bundespost nicht anders sein können.
    Geradezu unverständlich sind mir Ihre Bemerkungen über die Agrarpreise. Denn wenn man von einem Stand in Deutschland sagen kann, daß seine Preise in den letzten Jahren festgehalten worden sind und nicht mit gestiegen sind, dann ist es die Agrarwirtschaft.

    (Beifall bei der CDU/CSU.) Das läßt sich doch einfach nicht leugnen.

    Lassen Sie mich nun noch einige Bemerkungen zu den Leistungen der Länder machen; ich werde sie nachher noch vertiefen. Das Gesamtproblem werde ich näher erläutern, wenn ich auf die Gesamtfrage Bund, Länder und Gemeinden zu sprechen kommen werde. Aber eine Bemerkung kann ich mir jetzt doch nicht verkneifen. Wenn hier schon von seiten der SPD dieser Salto mortale vollführt wird, der uns immer so sehr amüsiert, weil wir die Reden, die in den Jahren 1954, 1955 und 1956 gehalten worden sind, noch deutlich in den Ohren haben, und also plötzlich erklärt wird, die Länder könnten nicht mehr, dann frage ich mich, warum das für seine



    Dr. Vogel
    Bundestreue — ich bin stolz darauf, das als „Neoschwabe" sagen zu können — bekannte Land BadenWürttemberg in seinem Haushalt 3 % schon für eine Änderung der Prozentsätze bei der Einkommen- und Körperschaftsteuer eingesetzt hat. Wenn das nicht alle Länder getan haben, wenn das vor allen Dingen zu meinem sehr großen Bedauern das reichste Land der Bundesrepublik, das Land Nordrhein-Westfalen, nicht getan hat, dann steht das auf einem anderen Blatt. Aber einige Länder haben es getan. Drei Länder haben ihre Haushalte überhaupt noch nicht eingebracht; infolgedessen kann man dazu noch gar nichts sagen. Zu der Frage, wie sich das auf die Gemeinden auswirken kann, werde ich nachher noch einige besondere Ausführungen machen können.
    Es ist jetzt nicht notwendig, im einzelnen von den Verkehrsleistungen bis zur Filmpolitik zu sprechen und bis in die letzten Einzelheiten dessen einzusteigen, was man ausgeben oder wofür man mehr Geld ausgeben könnte. An Vorschlägen, den Haushalt auszuweiten, mangelt es ja nicht. Aber das große Kunststück unserer Tage besteht eben darin, die Ausgaben der öffentlichen Hand einigermaßen einzudämmen gegenüber den Notwendigkeiten, die sich heute auf allen Seiten ergeben.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Und da muß ich nun doch sagen, daß der Haushalt, den der Bundesfinanzminister vorgelegt hat, nach seinem Gesamteindruck ein ermutigendes Beispiel des von uns immer geforderten Maßhaltens auch in den öffentlichen Haushalten ist.

    (Erneuter Beifall bei der CDU/CSU.)

    Was die Schwerpunktpolitik anlangt, nämlich zuerst die Berücksichtigung der auch in meinen Auge zur Zeit vordringlichsten Aufgabe, der Verteidigungsausgaben, und dann, fast auf gleicher Ebene, schon das angekündigte Sozialpaket, so muß ich gestehen, daß ich darin eine gerechte Schwerpunktverteilung gemäß den heutigen Bedürfnissen des deutschen Volkes sehe. Daß wir naturgemäß mit manchen Ausgaben, die hier angekündigt worden sind, nicht auskommen werden, kann man heute wohl schon unschwer voraussehen. Es ist kein Geheimnis mehr, daß der Bundesfinanzminister schon in den letzten Monaten dieses Haushaltsjahres gezwungen sein wird, Vorgriffe auf den Verteidigungshaushalt des nächsten Jahres in einer Größenordnung von 700 bis 800 Millionen DM zu machen. Ich nehme an, daß sich diese Vorgriffe wahrscheinlich dann auch noch in irgendeiner Weise in einem Nachtragshaushalt 1963 niederschlagen könnten.
    Uns ist sehr wohl bekannt, daß unsere Verbündeten hohe Anforderungen an uns stellen, und ich beneide den Herrn Bundeskanzler nicht um seine Aufgabe, die er in den Vereinigten Staaten zu lösen haben wird, wenn er sich dort mit den neuen Wünschen unserer Verbündeten konfrontiert sehen wird.

    (Abg. Dr. h. c. Dr.-Ing. E. h. Möller: Der Herr Bundeskanzler ist Kummer gewöhnt!)

    — Herr Kollege Dr. Möller, Sie wissen genauso wie
    ich, worum es hier geht, und da Ihr Kollege Ollenhauer vor diesem Hause gesagt hat, daß auch Sie bereit sind, das „Letzte„ — wie es wörtlich hieß — für die deutsche Verteidigung bereitzustellen, werden wir Sie beim Wort zu nehmen wissen, wenn die Zeit dafür gekommen sein wird.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Allerdings glaube ich, daß man insgesamt wenig Nützliches leistet, wenn man jetzt schon im Vorkonzept die Stellung der Länder zu stärken versucht, indem man z. B. auf dem großen Gemeindevertretertag, den die SPD vor einigen Wochen in München abgehalten hat, schon Forderungen der deutschen Städte in einer Größenordnung von 157 Milliarden DM vorbringt. Ja, meine Damen und Herren, es ist doch kein Kunststück, Forderungen auch in noch größerer Höhe aufzustellen. Wir leben ja heute in einer Zeit, in der man Pläne macht, goldene Pläne. Städtepläne, Grüne Pläne! Alle möglichen Pläne werden heute aufgestellt. Die Frage ist nur: Wer kann das lezten Endes aufbringen auf der anderen Seite, ohne daß ein neuer Steuersegen auf die deutsche Bevölkerung niedergehen muß, wenn man das verwirklichen will?
    Wir können wohl schon im voraus ein wenig das anpeilen, was Herr Kollege Dr. Möller uns wahrscheinlich nachher vortragen wird, nämlich die neuen Steuerpläne, die die SPD in ihrem Busen hegt. Da der hohe Präsident des Hauses vorhin einen Zwischenruf meines verehrten Kollegen Dresbach so wohlwollend aufnahm, möchte ich mir erlauben, aus dem letzten Buch von Parkinson „ ... alles von unserem Geld" nur einmal einige Sätze zu diesem Thema vorzulesen, weil sie gerade so gut hineinpassen. Er schreibt auf Seite 90 — „Die Umgehung der Steuer" —:
    Die Untersuchung des britischen Steuerwesens muß ein Gefühl der Verwunderung hinterlassen, daß England das überhaupt ausgehalten hat. Daß das Land einen gewissen Wohlstand bewahrt oder wiedererlangt hat, ist sicherlich überraschend. Man bedenke jedoch, daß auch bei den früher erwähnten Beispielen aus der Geschichte die Folgen überhöhter Besteuerung nicht unmittelbar eingetreten sind. Weltreiche oder Länder, die von ihren eigenen Steuerbehörden abgewürgt werden, brauchen nicht unbedingt auf der Stelle zusammenzubrechen. Der Prozeß kann sich eine Weile hinziehen und verläuft anfangs unbemerkt.
    Und dann zählt er weiter auf, was im einzelnen in der britischen Geschichte geschehen ist.
    Und nun, meine Damen und Herren, komme ich zu dem aktuellen Anlaß. Es ist nicht ohne Tragik, wenn ein Mann wie Parkinson, der ja doch hinter seiner Ironie eine sehr abgewogene Weisheit und auch ein sehr tiefes Wissen verbirgt, dann auf Seite 60 einmal aufzählt, wie England in den Jahren 1904 bis 1913 verfahren ist, als es die Ausgaben für seine Flotte — ich lese mit Erlaubnis des Herrn Präsidenten einmal die Zahlen vor — innerhalb von zehn Jahren von 41 Millionen Pfund auf nur 45 Millionen Pfund steigerte, dagegen seine Fürsorgeausgaben



    Dr. Vogel
    von 15 Millionen Pfund auf 35 Millionen Pfund erhöhte und dann beim Ausbruch des ersten Weltkrieges nicht so bereitstand, wie das englische Volk es eigentlich von seiner Regierung erwartet hätte.

    (Sehr richtig! bei der CDU/CSU. — Lebhafte Zurufe von der SPD.)

    Die Folgerung liegt auch heute nahe.

    (Anhaltende Zurufe von der SPD.)

    — Sie liegt auch heute sehr nahe! Wehe uns, wenn einmal spätere Geschlechter zu uns sagen sollten, daß wir die Forderungen unserer Stunde in unserer bedrohten Situation nicht richtig erkannt und nicht danach gehandelt haben!

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Was übrigens diesen neuen Steuersegen betrifft, der uns ja beschert werden soll, so können wir, glaube ich, ruhig auf das verweisen, was jetzt schon vor der Tagung der Deutschen Bankvereinigung im Rahmen der Zeitschrift für Kreditpolitik z. B. auch von Herrn Abs angedeutet worden ist: Eins wäre die sichere Folge, nämlich die Gefährdung eines wesentlichen Teils der Fortschritte, die bis jetzt in der EWG erreicht worden sind, und die unweigerliche Einführung einer neuen Devisenbewirtschaftung oder das Ende der Konvertibilität der deutschen Währung.
    Das wäre wohl die notwendige Folge. Ob Sie sie riskieren wollen, meine Damen und Herren von der Opposition, das ist Ihre Sache. Wir sind jedenfalls nicht bereit, diesen Weg zu gehen.
    Dieser neue Haushalt sollte ein Beispiel geben für die Möglichkeiten der Eindämmung der Wünsche mit dem Ziel, zu einer Stabilisierung von Preisen und Löhnen zu kommen. Wir dürfen, glaube ich, nicht müde werden, auf die schicksalhafte Verkettung einiger entscheidender Zusammenhänge immer wieder von neuem hinzuweisen, nämlich darauf, daß der Sozial- Rund der Lebensstandard des deutschen Volkes nur möglich ist bei einer Aufrechterhaltung der Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands auf dem Weltmarkt und daß ein untrennbarer Zusammenhang zwischen dieser Wettbewerbsfähigkeit, der Vollbeschäftigung und dem Lebensstandard gegeben ist.
    Diese Dinge werden heute in den Diskussionen nicht immer so bewertet, wie es der Fall sein sollte. Ich möchte in diesem Zusammenhang gern das Zeugnis gerade eines Mannes anführen, den ich persönlich als Fachmann und als Menschen außerordentlich schätze und der, glaube ich, nicht in dem Geruche steht, ein ausgesprochener Befürworter der CDU-Politik zu sein. Ich möchte hier einmal einige Sätze aus .der Rede zitieren, die Herr Dr. Troeger, Vizepräsident der Deutschen Bundesbank, bei der Herbsttagung des Vereins für Kommunalwirtschaft und Kommunalpolitik erst jüngst am 29. Oktober in München gehalten hat. Er hat übrigens sehr interessanterweise darauf hingewiesen, daß sich nach den bis jetzt vorliegenden wissenschaftlichen Arbeiten in der Zeit von 1895 bis 1914, also einer Zeit einer von einigen Wellentälern durchbrochenen, aber sonst ziemlich konstanten Aufwärtsentwicklung der deutschen Wirtschaft, das Preisniveau jährlich um 1,9% gehoben hat, daß also auch damals schon ähnlich Klagen hätten laut werden sollen, wie sie heute laut werden. Aber was viel wichtiger erscheint, ist doch das, was er heute im wesentlichen an unsere eigene Adresse und auch an andere Adressen gerichtet gesagt hat. Er hat einen europäischen Vergleich angestellt über die Zunahme der Bruttolöhne und .der Gehälter aller Erwerbstätigen von 1960 zu 1961 und von 1961 zu 1962 im ersten Halbjahr, und er hat eine Zuwachsrate von 10,1% in der Bundesrepublik, für den gleichen Zeitraum in der französischen Industrie — es handelt sich wohlgemerkt um die Zuwachsrate in der Industrie, nicht insgesamt gesehen; das möchte ich hier einschränkend sagen — von 8 %, in der schwedischen von 5 %, in den USA von 4 % und in der englischen weiterverarbeitenden Industrie von nur 3 % gegenübergestellt.

    (Zuruf von der SPD: Der Ausgangspunkt?)

    — Der Ausgangspunkt ist das Jahr 1961, Frühjahr, erstes Halbjahr 1962. Das sind Zahlen, die Sie alle, wenn Sie daran zweifeln, in der sehr lesenswerten Darstellung im September-Heft der Deutschen Bundesbank nachprüfen können.
    Dr. Troeger sagt dann wörtlich dazu:
    Wir sind mit dieser Entwicklung inzwischen bei einem Punkt angelangt, wo es ohne Schaden im gleichen Sinne nicht weitergeht. Die Verteuerung der Erzeugung, die in die Preise unserer Ausfuhrgüter eingeht, während gleichzeitig die ausländischen Erzeugnisse auf unseren Märkten vordringen, hat sich bereits deutlich in der Außenhandelsbilanz niedergeschlagen.
    Sie kennen ja alle die erhebliche Steigerung der Einfuhr und auf der anderen Seite das nur schwache Wachstum der Ausfuhr. Am Schluß macht er eine beinahe tragische Bemerkung, indem er sagt:
    Heute ist das wirtschaftspolitische Postulat Nr. 1 die Vollbeschäftigung — bei Strafe des Unterganges der Demokratie, so daß sich die Schwankungen in der Volkswirtschaft nicht auf dem Arbeitsmarkt, sondern in dem elastischen Preisniveau und in dem Saldo der Zahlungsbilanz zeigen.
    Es gibt viele solcher Stimmen, aber diese erschien mir in ihrer Kürze und in ihrer gedrängten Folgerichtigkeit hier durchaus vortragenswert zu sein.
    Ich möchte hier auch nicht näher auf das wachsende Defizit im Kapitalverkehr eingehen, ein Defizit von 5 Milliarden DM bereits im Jahre 1961; und das trotz der DM-Aufwertung von 5 % im vergangenen Jahr.
    Lassen Sie mich jetzt aber doch zu dem kommen, was ich als den Schlüssel zur Eindämmung der Konjunkturüberhitzung überhaupt ansehe und wovon auch sehr viel für unsere Haushaltspolitik im Jahre 1963 abhängen wird. Wir befinden uns bei diesem Haushalt und auch im Haushaltsausschuß ganz besonders in einem gewissen Dilemma; ich möchte das keineswegs verkennen. Wir haben auf der einen Seite die Notwendigkeit, Bauten einzudäm-



    Dr. Vogel
    men, und wir haben deshalb im Haushaltsgesetz auch die Weiterführung des Baustopps und die entsprechenden Möglichkeiten für das Bundesfinanzministerium. Auf der anderen Seite haben wir die Notwendigkeit, die Verteidigungsbauten weiterzuführen. Denn wenn die Zahlen, die der Bundesfinanzminister in seiner Rede genannt hat, stimmen, daß die Zahl der Soldaten auf 443 000 und vor allen Dingen die Zahl der Zivilbediensteten der Bundeswehr auf rund 170 000 ansteigt, dann erfordert das alles auch Wohnungen zur Unterbringung der Leute und zur Unterbringung des Personals selbst. Die Zahl von 56 Millionen DM Trennungsentschädigungen, die wir allein nur für die Bundeswehr aufbringen müssen, spricht hier eine nur zu beredte Sprache.
    Auch die Inanspruchnahme von 180 Millionen DM Bindungsermächtigungen im Einzelplan 14 kann ich in diesem Zusammenhang für den Vollzug des Haushalts 1962 nicht unerwähnt lassen. Wir haben darüber hinaus, wie ich glaube, die Verpflichtung, die Menschen, die noch in Lagern wohnen, anständig unterzubringen. Wir haben den nicht abreißenden Zustrom zu den Ballungszentren; München nimmt jährlich um 30 000 Menschen zu, und es ist auch in anderen Großstädten nicht anders. Wir haben weiter den Nachholbedarf von Kommunen; wir haben das neue Hochschulausbauprogramm und das Ingenieurschulausbauprogramm vor uns; schließlich haben wir die gesamte Problematik neuer Schulbauten als Folge der Einrichtung des neunten, zum Teil auch schon des geplanten zehnten Schuljahres vor uns, ein Programm, das Professor Edding auf insgesamt mindestens 20 Milliarden DM nach den Preisen von 1959 berechnet hat. Man kann also heute noch 30 % daraufschlagen. Dies alles zusammen bewirkt eben die Steigerung des Preisindex für Leistungen an Wohngebäuden um 11%, die er in der Mitte dieses Jahres höher war als in der Mitte des vergangenen Jahres. Der Haushaltsplan ist im Begriff, hier mit den Mitteln, die ihm zur Verfügung stehen in Ansehung dieser unabdingbaren Leistungen, die vollbracht werden müssen, trotzdem noch Bauten einzudämmen, und er hat die Vorkehrungen dafür im Haushaltsgesetz geschaffen. Daher auch die Nichtmehrerhöhung der Mittel für Straßenbauten, bei denen übrigens ganz zu Recht darauf hingewiesen worden ist, daß die unteren ausführenden Instanzen heute einfach nicht mehr in der Lage sind, dieses Geld sinnvoll auszugeben.
    Jeder hat in seinem Wahlkreis, glaube ich, Beweise dafür vorliegen, daß wir auch in diesem Hohen Hause zuerst einmal zwei Aufgaben lösen sollten, wenn wir tatsächlich in vollem Zuge das ausgeben wollten, was aus der Mineralölsteuer etc. entspringen würde. Das eine wäre eine entsprechende riesige Verstärkung der Straßenbaubehörden auf der Länderebene, die aus Mangel an Personal zur Zeit nicht durchführbar ist. Das zweite wären wesentliche Änderungen in dem bisherigen Rechtsverfahren bei Enteignungen und bei den Verhandlungen mit den betreffenden Grundeigentümern. Jedem von uns sind die Fälle bekannt, in
    denen er sich als Abgeordneter auch mit den Wünschen der Betroffenen auseinandersetzen muß, die mit Recht sagen, sie wollen keine neuen Häuser haben, sondern sie wollen in ihren alten Häusern bleiben, aber man sollte ihnen persönlich keine neuen Ausgaben zumuten. Jeder von uns kennt die Preise, die verlangt werden, wenn Grund und Boden abgetreten werden soll. In meinem eigenen Lande ist es so, daß jemand auch wegen der Abtretung von 12 qm bis zum Kabinett von Baden-Württemberg hinauf seinen Rechtsweg verfolgen kann. Daß das natürlich Zeit und dreimal Zeit kostet, ist allen Beteiligten bekannt, und daß sich das darüber hinaus auch auf die tatsächliche Verausgabung der zur Verfügung gestellten Summen niederschlagen muß, auch das, glaube ich, darf man als bekannt voraussetzen.
    Meine Damen und Herren, lassen Sie mich hier noch einmal einige eigene Vorschläge machen, wie man vielleicht diesem Problem an den Leib gehen könnte, auf der einen Seite das Notwendige zu tun und auf der anderen Seite das Überflüssige zu unterlassen. Ich schlage Ihnen hiermit vor, daß man auch im Haushaltsausschuß ernstlich daran denkt, eine kleine, aber hochqualifizierte Kontrollgruppe zusätäzlich für die Überprüfung der Baupläne im Zusammenhang mit dem Bundesbeauftragten für die Wirtschaftlichkeit zu schaffen und diese Kontrollgruppe auf der Landesebene durch enge Zusammenarbeit mit den Ländern, mit den einzelnen Landesrechnungsämtern auszudehnen. Denn der Verdacht ist berechtigt, daß heute vielfach zu aufwendig und zu wenig sparsam gebaut wird bei aller Notwendigkeit der Bauten.

    (Beifall bei den Regierungsparteien. — Zuruf des Abg. Dr. Schäfer.)

    - Ich möchte hier nur einmal ein Beispiel geben aus einer sehr naheliegenden Stadt — ich will sie aus bestimmten Gründen hier nicht nennen —, einer sehr, sehr bekannten Großstadt. Dort sind in den Haushalt 1963 4 Millionen DM an Zinseinnahmen eingestellt für das aufgestaute Geld, das nicht ausgegeben werden kann. Dabei ist das keineswegs eine sehr reiche Stadt.

    (Abg. Seuffert: Dann freut sich aber die Sparkasse!)

    — Die Sparkasse freut sich, Herr Kollege Seuffert. Die Stadtkasse, die an sich ein Minusunternehmen sein muß, bringt in dieser Stadt einen Überschuß von 1,5 Millionen DM zuwege. Sie können daraus Rückschlüsse auf die Größenordnung der Summen ziehen, die sich hier gestaut haben, weil die Bauvorhaben nicht durchgeführt werden. Darauf kommt es mir in diesem Augenblick an.
    Der Bundeswirtschaftsminister — ich habe immer beklagt, daß er es nicht getan hat — sollte sich sein Instrumentarium einmal ansehen, mit dem er gegenwärtig in der Lage ist, mehr als bis jetzt auf eine vernünftige Lenkung der Kapitalströme einzuwirken, die sich meiner Überzeugung nach nicht in der richtigen Richtung bewegt haben. Wenn wir in den letzten zwei Jahren 50 % der aufgebrachten Ersparnisse nur für Bauten aufgewandt haben, lag auf



    Dr. Vogel
    diesem Gebiete eine offensichtliche Fehlentwicklung vor, die nicht zuletzt zu der Überhitzung in der Bauwirtschaft beigetragen hat. Der Kapitalmarkt ist in einer übermäßigen Weise durch Pfandbriefe, Kommunalobligationen und Schuldscheindarlehen, letztere in einer Größenordnung von fünf bis sechs Milliarden, dazu noch steuerbegünstigt, in Anspruch genommen worden. Hätte eigentlich nicht der ungeheure Druck auf den Arbeitsmarkt und das ständige Steigen der Preise zu einer verstärkten Anstrengung führen müssen, die Automation und Rationalisierung voranzutreiben, anstatt das Geld zu einem übergroßen Teil nur in diese Bauten hineinzutun?! Ich spreche hier keineswegs von einer Kapazitätsausweitung — das ist etwas anderes —, sondern ich spreche von arbeitersparenden Maßnahmen, die hätten getroffen werden müssen, um unsere Konkurrenzfähigkeit vor allem auf dem Weltmarkt sicherzustellen.
    Ein weiterer Vorschlag von mir — er ist nicht neu, das ist im Jahre 1955 schon einmal, ich glaube, mit Erfolg angewandt worden — betrifft die Befreiung der Überstunden von der Lohnsteuer. Ich glaube, daß sehr viele meiner Freunde 'durchaus bereit wären, eine dementsprechende Initiative mitzumachen.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)


    (Schatzministers zitiert worden. Wenn auch bei uns der Finanzminister sicher wäre, daß er nur einmal im Jahr dem Parlament Ausgaben vorzulegen hätte, und wenn jeder, der weitere Ausgaben vom Hohen Hause verlangte, zuerst bei ihm anfragen müßte, ob er seine Zustimmung gibt, auch wenn er zur Opposition gehörte, dann wären sowohl der Bundesfinanzminister wie auch wir in einer wesentlich günstigeren Position. So kann er sich meiner Überzeugung nach nur an das halten, was wir in den letzten Jahren 'wohl doch durchgehalten haben, nämlich keine Ausgaben in den Haushalt einzusetzen, 'wenn die entsprechenden Gesetze nicht da sind. Hier könnten Sie vielleicht vorschlagen, man solle einen Merkposten in der Höhe von einigen hundert Millionen D-Mark einsetzen. Aber das würde eben ein Prinzip durchbrechen, das sich auf manchen anderen Gebieten als nützlich und richtig erwiesen hat. Man darf bei dieser Gelegenheit auch nicht verhehlen, daß die gegenwärtige Haushaltslage kassenmäßig äußerlich weitaus günstiger aussieht, als sie in Wirklichkeit 'ist. Dier Bundesfinanzminister hat das in einer Passage seiner Rede ganz kurz angedeutet. Er hat uns allerdings dabei nicht verraten, daß er eine 'Zeitlang an einem EWG-Topf naschen konnte, das aber im nächsten Haushaltsjahr wiedergutmachen muß, daß er also Ausgaben voir sich herschieben muß: daß aber die Dinge im Grunde genommen wesentlich schlechter aussehen, als sie sich auch in den Ausweisen der Bundesbank gegenwärtig niederschlagen. Viele Ausgabenotwendigkeiten sind praktisch für das Haushaltsjahr 1963 vor uns hergeschoben, so Verteidigungsleistungen. Ich bedauere ganz aufrichtig — der Herr Bundesfinanzminister wird dafür wohl volles Verständnis haben —, daß wir nicht in der zweiten Tranche statt 225 Millionen DM 400 Millionen DM Anleihen aufgelegt haben. Ichglaube, das Haushaltsbild hätte von idem Extraordinarium her mehr an Klarheit, Gewicht und Durchschlagskraft vor dem Hohen Hause gewonnen, wenn wir das getan hätten. Ich weiß, Sie werden darauf wahrscheinlich antworten, daß man den Kapitalmarkt nicht in Anspruch nehmen soll, wenn man das Geld aus anderen Töpfen nehmen kann. Aber die Folgerungen, die sich daraus für Sie ergeben, sind eben die, daß Sie im nächsten Jahr in größere Schwierigkeiten geraten werden. Nun, meine sehr verehrten Damen und Herren, möchte ich auf die einzelnen Ausführungen in der Rede des Bundesfinanzministers zu sprechen kommen, die sich vor allen Dingen auf die Ausgabepositionen bezogen. Da ist zunächst ein Posten, der unsere Aufmerksamkeit geradezu herausfordert. Es sind die sehr hohen Abschöpfungsbeträge beim Agrarhaushalt in einer Größenordnung von 1010 Millionen DM, die um 610 Millionen DM höher sind als im Jahre 1962. Der Herr Bundesfinanzminister hat damit mit vollem Recht — ich glaube, hier stehen wir alle voll und ganz hinter ihm — die Forderungen nach einer gerechteren Lastenverteilung unter den Mitgliedsstaaten der EWG in den nächsten Jahren verbunden. Lassen Sie mich hier gleich einmal etwas einfügen. Heute morgen las 'ich in den Zeitungen, daß unsere französischen Freunde darüber erbittert sind und sich darüber beschweren, wir hätten ihnen von ihrer großartigen Getreideernte in diesem Jahr — wir haben ja auch eine sehr große Ernte, eine Rekordernte, die mit 15,5 Millionen t wahrscheinlich sogar größer sein wird als die des Rekordjahres 1960 — nur 24 000 t Weizen abgekauft, während wir aus anderen Ländern 124 000 t gekauft hätten. Hier, meine Damen und Herren, muß einmal etwas ganz offen ausgesprochen werden. Man kann, glaube ich, von uns — denn diese Abschöpfungsbeträge werden später einmal zu einem großen Teil in den gemeinsamen Topf wandern — nicht auf der einen Seite einseitige Leistungen verlangen, während auf der anderen Seite z. B. — ich zähle es hier einmal nach den mir zugänglichen Daten der entsprechenden Verbände auf — die Einfuhrbelastung bei Automobilen im Verhältnis Italien zu Deutschland 41 : 16 % und im Verhältnis Frankreich zu Deutschland 51 : 17 % beträgt. Wenn man auf der einen Seite von uns Leistungen verlangt, dann sollte man unserer industriellen Ausfuhr auf der anderen Seite aber auch nicht diese Hindernisse entgegensetzen, sondern dann sollten wir die Ausgleichsmöglichkeit erhalten. Dr. Vogel Wir haben eine Steigerung der Milchsubventionen auf über 600 Millionen DM. Ich möchte hier doch sehr ernstlich anheimstellen, im Bundesernährungsministerium und bei den künftigen Verhandlungen in der EWG zu prüfen, ob man nicht bei dem Sichgegenseitig-Hinaufsteigern der Subventionen zwischen den einzelnen Ländern innerhalb der EWG zu einer Übereinkunft kommen könnte, damit diese Subventionen in der Zukunft, wenn nicht wegfallen, so doch zum mindesten sich auf einen vernünftigen Grad ermäßigen lassen könnten. Wenn ich mir überlege, daß in einem Haushalt mit zwei kleinen Kindern bei einem Milchverbrauch von täglich anderthalb Litern, sagen wir einmal, 10 Pf mehr aufgewendet werden müssen, so ergibt das, multipliziert mit 30, monatlich eine Summe, die durchaus pro Haushalt in einem tragbaren Verhältnis zu den 1,2 Milliarden DM steht, die wir jetzt allein als Kinderzulagen für das Zweitkind innerhalb von anderthalb Jahren zusätzlich ausgeben. Wer sich heute draußen in der Landwirtschaft umhört — ich selber habe einen zur Hälfte landwirtschaftlichen Wahlkreis —, kann doch nicht an der wachsenden Unruhe vorbeigehen, die durch die immer schärfer werdende Not an Arbeitskräften hervorgerufen wird, aber auch durch die Entwicklung der Erzeugerpreise und das Professorengutachten, um nur einmal die wichtigsten Punkte hier aufzuzählen. In dem vorliegenden Haushalt sind im wesentlichen nur die alten Ziffern des Grünen Plans 1962 aufgenommen. Der Grüne Bericht 1963 liegt uns noch nicht vor. Er wird — das kann man jetzt sicher unschwer voraussehen — da er immer nur ein Jahr rückwärts die Ergebnisse aufzeigt, auch die Verschlechterung der Lage der Landwirtschaft gegenüber dem letzten Jahr aufzeigen. Meine politischen Freunde sind der Auffassung, daß sich auf Grund des Landwirtschaftsgesetzes hier noch Mehrleistungen sowohl auf wirtschaftlichem wie auf sozialpolitischem Gebiet abzeichnen könnten. Lassen Sie mich jetzt zur Beamtenbesoldung kommen. Ich bin dem Herrn Bundesfinanzminister dankbar, daß er bei der Aufzählung dessen, was die Bundesregierung selbst auf diesem Gebiet beabsichtigt, einmal die Gesamtbelastung dargestellt hat. Sie beträgt einschließlich Bundesbahn und Bundespost für das Haushaltsjahr 1963 eine runde Milliarde DM. Das ist eine sehr gewichtige Summe. Es ist auch bekannt, daß es in der Absicht des Herrn Bundeskanzlers selbst liegt, zu einer Aufbesserung der Bezüge der Beamten, vor allem des unteren und des mittleren Dienstes, zu kommen. Mit der Anhebung am 1. 1. und am 1. 4. mit der familiengerechteren Lösung bei den Ortszuschlägen einschließlich der Kindergeldzuschläge wird ein wesentlicher Schritt in dieser Richtung bereits getan. Da bei der Bundespost und der Bundesbahn gleichfalls die Fragen der Dienstpostenneubewertung zu neuen Vorschlägen heranreifen, kann für rund 90 % der gesamten Beamtenschaft eine beachtliche Anhebung erwartet werden. Aber die Ausgabe wird der Bundesregierung durch das Anwachsen der Zahl der Besoldungsempfänger — z. B. allein schon bei den langdienenden Soldaten — keinesfalls einfacher gemacht, und die Verbesserungen werden sich — und das wird leider zwangsläufig sofort der Fall sein — bei Bundesbahn und Bundespost in entsprechenden Tarifanhebungen ausdrücken müssen, weil sie nicht vom Steuerhaushalt des Bundes insgesamt übernommen werden können. Der Bundesfinanzminister selbst hat auf die Notwendigkeit vermehrter Bundesbahneinnahmen hingewiesen und sich dagegen gewandt, den Bundeszuschuß über die 1,2 Milliarden plus der Garantie für die 500-Millionen-DM-Anleihe im Haushaltsjahr 1963 hinaus weiter anwachsen zu lassen. Hier wird die Wechselbeziehung zwischen höheren Gehältern und Löhnen auf der einen Seite und Preisen auf der anderen Seite offensichtlich. Man kann aber — hier spreche ich eine persönliche Meinung aus — angesichts der Anhebung bei den Beamten nicht an den zwangsläufigen Folgen bei den Angestellten des öffentlichen Dienstes vorbeisehen. Vor Jahren waren die Angestelltengehälter im Durchschnitt, vor allem beim höheren Dienst, etwas höher als die der Beamten mit gleicher Dienstpostenbewertung. Das hat sich in den letzten Jahren leider zuungunsten der Angestellten verschoben. Wir werden daraus wahrscheinlich einmal Konsequenzen ziehen müssen. Selbst die beste Harmonisierungsnovelle wird nicht das ausgleichen können, was das Ergebnis einer sehr wesentlichen Verbesserung des Stellenkegels ist, die man vor allen Dingen bei den Gemeinden ohne Rücksicht auf das, was sich daraus zwangsläufig für den Bund ergibt, vorgenommen hat. Auch hier erhebt sich die Forderung nach einem besseren und geschlosseneren Zusammenwirken von Bund, Ländern und Gemeinden insgesamt. Ich glaube, daß das eine Folge der neueingeleiteten Gesetzgebung sein wird, und ich hoffe auch, daß wir hier die Zustimmung aller Beteiligten erhalten werden. Wir stehen jetzt vor dem Eintritt in die Endphase der EWG. Es ist deswegen an der Zeit, auch einmal das Nebenund Durcheinander bei Bund, Ländern und Gemeinden ganz objektiv und nach reinen Zweckmäßigkeitserwägungen zu beleuchten, um dort, wo wir es können — unsere Möglichkeiten sind da sehr begrenzt —, an eine Neuordnung heranzugehen. Ich denke hier vor allem an eine einheitliche Kommunalverfassung, durch die gewisse aus der Besatzungszeit überkommene Relikte ausgeräumt werden sollten. Der Herr Bundesfinanzminister hat sich dadurch ein Verdienst erworben, daß er einmal die Gesamtaufwendungen der öffentlichen Hand zusammengestellt hat, die seit der Währungsreform für die Beseitigung von Folgen des Krieges und der NS-Herrschaft erbracht worden sind, und hier die Gesamtsumme von 270 Milliarden DM der Öffentlichkeit mitgeteilt hat. Ich glaube, das deutsche Volk hat Grund, stolz zu sein auf das, was es hier vollbracht hat. Aber der Minister war auch gezwungen, sich mit neuen, weitergehenden Forderungen auseinanderzusetzen. Auf Seite 49 des verteilten Manuskripts seiner Rede heißt es, „daß die Leistungen Dr. Vogel der Bundesrepublik für die Wiedergutmachung alle damaligen Vorstellungen weit übertroffen haben". Die Kollegen des Haushaltsausschusses und wohl auch der entsprechenden anderen Ausschüsse werden sich noch erinnern, daß der damalige Finanzminister Schäffer seinerzeit von 6 Milliarden DM Leistungen ausgegangen war. Demgegenüber ist festzustellen, daß in den letzten zehn Jahren nach der Darstellung des Bundesfinanzministers bereits 20 Milliarden DM gezahlt worden sind und weitere 8 bis 10 Milliarden DM voraussichtlich noch gezahlt werden. Niemand wird bestreiten können, daß hier eine ganz außerordentliche Anstrengung des deutschen Volkes vorliegt, um begangenes Unrecht wiedergutzumachen. Aber der Bundesfinanzminister wird es mir als Heimatvertriebenem, da er vor allen Dingen selber schlesischer Landsmann und Vertriebener ist, sicher nachsehen, wenn ich hier einmal auf das Verhältnis von 46 Milliarden DM Lastenausgleichsaufbringung für den Riesenkreis von annähernd 13 Millionen Vertriebenen insgesamt verweise und das nicht gerade für letztlich befriedigend halte. Ich denke hier vor allen Dingen an zwei Kategorien unter den Vertriebenen, nämlich die vertriebenen Bauern und zu einem großen Teil die vertriebenen Gewerbetreibenden, die nicht mehr in der Lage waren, sich eine entsprechende, einigermaßen vergleichbare neue Existenz in ihrer neuen Heimat aufzubauen. Völlig überein stimme ich mit dem Herrn Bundesfinanzminister in seinen Ausführungen hinsichtlich des Reparationsschädengesetzes auf der Grundlage des Lastenausgleichs. Ich glaube, wir können hier gar nicht anders verfahren, wenn wir nicht eine Kettenreaktion auslösen wollen. Meine sehr verehrten Damen und Herren, daß die Förderung des Sparens ein wesentliches Ziel jeder Regierung sein wird, leuchtet ein. Seit langen Jahren haben die Regierungen Dr. Adenauers dieses Ziel konsequent verfolgt. Es wurden Förderungsmaßnahmen schon unter dem Vorgänger des Bundesfinanzministers neu geschaffen, die erwarten lassen, daß sich die Belastungen des Haushalts allein aus dem Sparprämiengesetz auf 800 Millionen DM im kommenden Haushaltsjahr belaufen werden. Wenn ich mich nicht täusche, sind bereits jetzt nach einer Zahl, die mir vorlag, rund 15 % aller Sparbeträge insgesamt in irgendeiner Form begünstigt. Wenn ich mich nicht täusche — ich bitte aber, mich nicht darauf festzulegen —, stammt die Angabe von Herrn Butschkau, einem immerhin so prominenten Kenner der Verhältnisse. Unbestreitbar wurde in der Eigentumsbildung durch die systematische Begünstigung der Bausparverträge eine — ich möchte das hier ruhig einmal sagen — historische Leistung durch die von uns gestellten Regierungen seit der Währungsreform in der Schaffung von Eigentum vollbracht. Die Wohnungsbauprämien und die begünstigten Bausparverträge erhalten Zuschüsse von insgesamt 1,1 Milliarden DM jährlich von Bund und Ländern gemeinschaftlich. Ich glaube, es wird aber jetzt langsam die Zeit herankommen, wo wir bei diesen insgesamt 1,1 Milliarden DM, von denen, wie gesagt, ein Teil auf die Länder entfällt und 800 Millionen auf den Bund, prüfen werden, ob der noch erzielbare zusätzliche Effekt in einer vernünftigen Relation zu den aufzuwendenden Kosten stehen kann. Die Bundesbank gab unlängst bekannt, daß der Zuwachs der Ersparnisse im ersten Halbjahr 1962 mit 8,5 Milliarden DM gegenüber dem ersten Halbjahr 1961 leider einen Rückgang von 300 Millionen aufweist. Es wird dabei auf die außergewöhnliche Steigerung der Sparquote im ersten Halbjahr 1961 durch die Ausgabe der VW-Aktien verwiesen. Aber ich glaube, über die Psychologie der deutschen Sparer wissen wir alle miteinander noch nicht genügend. Im Grunde genommen sollten wir froh sein, daß das Sparvolumen der Einkommen trotz der Preissteigerungen um 2,8 % sich über 8 % gehalten hat, also auf einem so hohen Level. Im großen und ganzen können wir mit der Sparfreudigkeit der deutschen Bevölkerung trotz dieses Rückgangs im ersten halben Jahr zufrieden sein. Es mag sein, daß viele Sparer, die auf Großobjekte hin sparen wie eigene Häuser usw., nur deswegen 'heute Sparkonten in der Höhe haben, weil sie normalerweise jetzt nicht zum Ziel ihrer Wünsche gelangen können, und zwar infolge der Baupreissteigerungen und der Verteuerungen bei einem Bauüberhang von mindestens 800 000 Wohnungen. Meine Damen und Herren, über das Sozialpaket zu diskutieren, wie das mein verehrter Vorredner getan hat, und die sich daraus ergebenden finanziellen Forderungen hier im einzelnen darzulegen, sollten wir, glaube ich, den Verhandlungen in den nächsten Tagen überlassen. Die Bundesregierung hat uns angekündigt, daß sie die entsprechenden Gesetze alsbald vorlegen wird. Ich glaube, dann wird Zeit sein, sie vor dem Hohen Hause mit der ihrer Bedeutung gebührenden Aufmerksamkeit zu diskutieren. Mit allem Nachdruck stellen meine Freunde und ich uns hinter die Erklärungen über die Entschlossenheit der Bundesregierung, keine neuen Steuern zu erheben. Das möchte ich gegenüber den leicht voraussehbaren Plänen der Opposition hier mit allem Nachdruck noch einmal erklären. Über das Kapitel eines erweiterten Steueranteils des Bundes bei der Einkommenund Körperschaftsteuer wäre noch sehr lange zu diskutieren. Ich möchte das hier in dem Ausmaße nicht tun, wie ich es eigentlich tun sollte. Nach dem Besuch der Ministerpräsidenten beim Herrn Bundeskanzler ist eine Kommission gebildet worden, die sich über dieses Thema aussprechen soll, bevor man sich auf entsprechende Prozente 'festlegt. Ich glaube, man sollte diese höchst diffizilen Verhandlungen nicht vorzeitig erschweren, indem man hier Anmerkungen Dr. Vogel macht, die dann vielleicht zu Bitterkeiten Anlaß geben könnten. (Abg. Dr. Dr. h. c. Dresbach: Aber, Herr Vogel, einen 'besonderen Dank an Bayern!)


    (Beifall bei der CDU/CSU)








    (Hört! Hört! bei der CDU/CSU.)


    (Beifall in der Mitte.)




    — An Bayern?

    (Abg. Dr. Dr. h. c. Dresbach: Ja, das ist der bundesfreundlichste Staat, den wir halben!)

    — Das wird meinem Kollegen Niederalt ein wahrer Trost sein, Herr Kollege Dresbach, daß Sie das hier festgestellt haben.

    (Abg. Seuffert: 'Das wollen sie gar nicht so hören, daß sie bundesfreundlich sind!)

    — Herr 'Seuffert, das tut ihnen jetzt in der Seele weh; früher war das anders.

    (Abg. Dr. Dr. h. c. Dersbach: Ich verbinde damit aber aber die Kritik an meinem engeren Vaterlande Nordrhein-Westfalen!)

    — Da kann ich Ihnen beim besten Willen nicht widersprechen, Herr Kollege Dresbach.
    Meine Freunde stehen auf dem Standpunkt, daß die Erhebung einer Ergänzungsabgabe, wie sie von manchen Kreisen, vor allen Dingen von der Opposition, wiederholt gefordert worden ist, schon angesichts der jetzigen Progression bei der Einkommensteuer unbedingt vermieden werden sollte.

    (Zurufe.)

    Nachdem soeben die Kommission der EWG in Brüssel dem Ministerrat den Entwurf einer Ersten Richtlinie zur Harmonisierung der Umsatzsteuern zugeleitet hat, möchte ich mich hier nicht ausführlich mit der Notwendigkeit einer wettbewerbsneutralen Umsatzsteuer befassen. Dies wird sicher bei der Diskussion der vorliegenden Großen Anfragen der Fraktionen zur Steuergesetzgebung in den nächsten Tagen ausführlich geschehen. Schon jetzt aber wird das Hohe Haus gut daran tun, sich weitaus stärker als bisher mit den unausweichlichen Folgen der Verwirklichung der EWG auf dem Gebiete der Vereinheitlichung des Steuerwesens, der Sozialgesetzgebung und nicht zuletzt des Währungswesens zu befassen. Alle drei Ziele wirken sich ungeheuer stark auf jeden Haushalt des Bundes in der Zukunft aus. Die Weichen werden jetzt gestellt. Sorgen wir dafür — meine Damen und Herren, diesen Appell möchte ich mit allem Ernste vortragen —, daß wir in der Bundesrepublik mehr als bis jetzt die besten Köpfe und Experten und alle jene so seltenen Leute, denen auch mal etwas Neues einfällt, mobilisieren, um unseren Ministern im Ministerrat und unseren Fachleuten in den einzelnen Fachkonferenzen in der EWG bei den kommenden Verhandlungen zur Seite zu stehen. Ich glaube, hier von der personalpolitischen Seite her Sparsamkeit walten zu lassen, wäre Sparsamkeit am falschen Platze. Wir werden uns gezwungen sehen, hier bestimmte Konsequenzen auch im Haushaltsausschuß zu ziehen
    Der Ruf nach einer größeren Koordination ertönt ja nicht nur in Brüssel, sondern in außerordentlicher Lautstärke auch in den Vereinigten Staaten, in Kanada und noch anderwärts jenseits des Ozeans,
    wenn man die von mir nicht ganz verstandenen Deflationsschreie des früheren Präsidenten Peer Jacobsson hört.
    Es wäre noch eine Fülle von einzelnen Bemerkungen zu der sehr langen und sehr ausführlichen Rede des Herrn Ministers zu Haushaltseinbringung zu machen.
    Wie in jedem Jahr so möchte ich mich auch in diesem der Dankesschuld gegenüber den Beamten des Bundesfinanzministeriums entledigen, die uns den — qualitativ wie immer — ausgezeichneten Finanzbericht 1963 vorgelegt haben, der wie immer eine wertvolle Fundgrube nicht nur für unsere Haushaltsreden, sondern darüber hinaus für unsere Gesamtbetrachtung des Haushalts ist.
    Ich darf lin diesem Zusammenhang vielleicht auch auf die sehr nützliche Arbeit in Heft 60 des Instituts Finanzen und Steuern „Die Grundlagen und Möglichkeiten einer organischen Finanz- und Steuerreform" verweisen. Es wäre überaus wünschenswert, wenn sich auch andere Institute in Deutschland mit dieser so spröden und so schwer darzustellenden Materie mehr als bis jetzt befaßten.
    Ist man nicht— das möchte ich, auf den Schluß kommend, noch sagen — als langjähriges Mitglied des Haushaltsausschusses beinahe verpflichtet, zu fragen, ob nicht die Reform der Reichshaushaltsordnung mehr als bis jetzt vorangetrieben werden sollte? Denn fast scheint es uns, daß nach den unglücklichen persönlichen Umständen, vor allem nach dem überaus bedauernswerten Tod von Herrn Ministerialdirektor Greuner im Bundesrechnungshof, diese Dinge zu stocken begonnen haben. Ich möchte damit zugleich die Hoffnung aussprechen, daß man endlich auch mit größerem Nachdruck an die Vorbereitung der Finanzverfassungsreform herangeht. Wie sich die Dinge jetzt im Rahmen der EWG deutlicher abzuzeichnen beginnen, sollte man auch im eigenen Hause die Meinungen — nach Möglichkeit in Form von Gesetzesvorschlägen — abgeklärt haben, um nicht später mit leeren Händen dastehen zu müssen.
    Lassen Sie mich im Zusammenhang mit der EWG auch noch einiges zur Entwicklungshilfe sagen. Ich wende mich vor dem Hohen Hause noch einmal ganz entschieden gegen jede Prozentrechnung auf diesem Gebiet. Wir können es uns einfach nicht leisten, uns auf bestimmte Prozentsätze des Bruttosozialprodukts festlegen zu lassen. Die Entwicklungshilfe muß sich wie alle anderen anerkannten Notwendigkeiten — ich spreche hier von einer Notwendigkeit — im Rahmen 'der volkswirtschaftlichen unid haushaltsmäßigen Möglichkeiten jedes einzelnen Haushaltsjahres bewegen.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Was unser Haushalt 1963 ausweist, mag ,den an uns herangetragenen Wünschen nicht in vollem Umfang entsprechen. Aber niemand wird leugnen können, daß hier eine vertretbare Haltung gegenüber den Schwerpunkten eingenommen warden ist, auch was die Entwicklungshilfe betrifft, für die übrigens über 500 Millionen DM mehr vorhanden sind und ausgewiesen werden.
    Lassen Sie mich noch ein Argument ganz kurz streifen — es wurde wiederholt auch in diesem



    Dr. Vogel
    Hause angebracht —, nämlich den engen Zusammenhang zwischen ,den fallenden Rohstoffpreisen in den Entwicklungsländern einerseits und der Notwendigkeit einer Entwicklungshilfe andererseits. Die Deutsche Bank 'bat sich in ihrem Oktober-Bericht ihrer wirtschaftlichen ,Mitteilungen der sehr dankeswerten Mühe unterzogen, anhand von Einzelbeispielen einiger prominenter Entwicklungsländer nachzurechnen, ob das stimmt oder nicht stimmt. Ich empfehle gerade diese Ergebnisse Ihrer besonderen Aufmerksamkeit. Was hier dargelegt wird, scheint mir so beachtlich zu sein, daß man keinesfalls ohne weiteres dem Vorschlag der Vereinten Nationen beistimmen sollte, eine Teilkompensation der Exportausfälle in Form eines Development Insurance Fund zu schaffen.
    Ich bin Minister Scheel besonders dankbar, daß er bei seiner Aufklärungsarbeit vor allen Dingen in Südamerika — auf Kosten seiner Gesundheit übrigens — falschen Vorstellungen über Exportmöglichkeiten als Folge einer Senkung von Kaffee- und Teesteuer entgegengewirkt hat. Noch dankbarer bin ich ihm allerdings dafür, daß er keine neuen Zusagen gemacht hat und daß wir überhaupt generell von den Globalzusagen herunterkommen.
    Vieles in der jetzigen Diskussion über die Einnahmemöglichkeiten im Bundeshaushaltsjahr 1963 wird sich durch die Prozedur des nächsten Jahres ganz von allein erledigen, nämlich wenn rechtzeitig — ich sage ausdrücklich: rechtzeitig — im Zusammenhang mit der Verabschiedung der Sozialgesetze ein Nachtragshaushalt eingebracht werden wird. Wie auch immer die Verhandlungen zwischen Bund und Ländern über die Prozentsätze bei der Einkommen- und Körperschaftsteuer ausfallen mögen, mit einer Verkündung des Haushaltsgesetzes selbst werden wir nach dem bisherigen Stand der Dinge wohl kaum vor Mai 1963 rechnen können. Bis dahin wird man bessere Unterlagen über den Konjunkturablauf und die Steuereingänge haben, als wir zur Stunde besitzen.
    Es besteht zur Zeit kein unbedingter Anlaß, sich pessimistisch über den Wirtschaftsablauf 1963 im voraus zu äußern. Aber wir können nicht an der deutschen Zahlungsbilanz vorbei. Ich habe Ihnen bereits die entsprechenden Zahlen aus dem Vortrag von Dr. Troeger und aus dem Bericht der Deutschen Bundesbank zur Kenntnis gebracht. Im ersten Halbjahr dieses Jahres haben wir allein bei den Kapitalleistungen einen Passivsaldo von 2 Milliarden zu verzeichnen; und was mir beim Blick auf den Gesamtablauf noch interessanter erscheint, ist, daß die Guthaben der deutschen Banken, vor allen Dingen auch der Kreditanstalt für Wiederaufbau, bei ausländischen Banken im ersten Halbjahr sich von 4,7 auf 3,4 Milliarden DM gesenkt haben, daß also hier ein sehr beachtlicher Rückstrom von Kapital stattgefunden hat. Wir werden unseren bisherigen Vorsprung auf dem Weltmarkt im Wettbewerb mit den anderen großen Industrievölkern nur dann halten können, wenn wir bestimmte Konsequenzen ziehen, wie ich sie vorhin angedeutet habe und für die ich Ihnen bestimmte Vorschläge unterbreitet habe.
    In der Zukunft werden wir die eigentliche Schwäche unserer weltwirtschaftlichen Position, unsere nach wie vor existente ausgesprochene Kapitalarmut viel schwerer als in den vergangenen Jahren zu spüren bekommen, vor allen Dingen dann, wenn es sich bei Ausschreibungen um die Zinshöhe und die Laufzeit der Kredite bei großen Aufträgen handeln wird. Überall in der Wirtschaft überprüft man gegenwärtig bei den großen Unternehmen und Banken, ob sich nicht in den letzten Jahren der Gewinne Wildwuchs irgendwie angesiedelt hat. Möge dieser Haushalt auch zu einer Überprüfung solchen Wildwuchses nicht nur im Schoße des Haushaltsausschusses selbst, sondern auch in den Finanzausschüssen der Landtage und der Kommunen führen. Mehr denn je hängt heute infolge der Verknüpfung von Überkonjunktur und Baukonjunktur von dem Verhalten der gesamten öffentlichen Hand, nicht des Bundes allein, Entscheidendes ab.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Meine Freunde und ich haben im Haushaltsausschuß mehr als einmal den Beweis dafür angetreten, daß wir den Ruf und die Forderung nach Sparsamkeit ernst nehmen und ernst genommen haben. Ich bitte das Hohe Haus, ebenso wie im Frühjahr dieses Jahres auch im kommenden Frühjahr diesen Kampf für eine Eindämmung der Ausgaben zu unterstützen; denn nur durch eine geschlossene Haltung, durch eine Überwindung von Gruppenegoismen und durch die Besinnung auf das vornehmlichste Ziel aller Haushalts- und Finanzpolitik, die Stabilität der Währung und der Wirtschaft zu sichern und damit diesem in so außerordentlich schwieriger Lage lebenden deutschen Volk eine würdige und angemessene Existenz zu sichern, können wir alle miteinander das gemeinsame Ziel erreichen.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)



Rede von Dr. Carlo Schmid
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Emde.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Hans Georg Emde


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Selten war ein Haushalt so stark Symbol für die Veränderung der Zeiten wie dieser Entwurf für das Haushaltsjahr 1963. Der neue Stil der Finanzpolitik, angekündigt im vergangenen Jahr, beginnt Konturen zu gewinnen.
    Im Zuge der Harmonisierung der allgemeinen Regierungs- und Haushaltspolitik hat die Haushaltspolitik darauf zu achten, daß bei sinnvoller Finanzierung der gestellten Aufgaben die Preisstabilität wiedergewonnen oder bewahrt wird. Währungsstabilität ist ohne Preisstabilität nicht denkbar.
    Wird der vorliegende Entwurf diesen Forderungen gerecht? Das ist die erste entscheidende Frage.
    Der Haushalt des Jahre 1962 war in seinem Entwurf von der Ausgabenseite noch in den Kategorien der Geldfülle aufgebaut, ein Entwurf, der im Frühjahr und Sommer des Jahres 1961 entstanden war. Zwar hatte der neue Finanzminister in den Ressortbesprechungen Ausgabenwünsche abgelehnt. Entscheidende Eingriffe des neuen Finanzministers aber zeigte die Einnahmeseite. Der fehlende Aus-



    Dr. Emde
    gleich wurde nicht, wie viele erwartet und einige vorgeschlagen hatten, durch Steuererhöhung gewonnen, sondern globale Kürzungen, ein Appell an die Länder und der Weg zum Kapitalmarkt waren erste Zeichen einer veränderten Situation. Hier trafen sich Finanzminister und Haushaltsausschuß in ihren Zielen. Die für die Bundesrepublik erstmalige Kürzung eines vorliegenden Entwurfs um den Rekordbetrag von 1,1 Milliarden DM zeigte jedermann den Willen, der drohenden Inflationsgefahr zu begegnen. Natürlich waren die Kürzungen des Haushaltsausschusses nicht bis zur letzten Gerechtigkeit ausgewogen, natürlich ergaben sich im Laufe des Haushaltsjahres bei der Verwirklichung des Etats Schwierigkeiten, Schwierigkeiten aller Art. Natürlich unternehmen die Vertreter der zu Recht oder Unrecht gekürzten Gruppen Gegenmaßnahmen, um ihren Stand zu verbessern. Die Auswirkung dieser Entwicklung ist der heute behandelte Nachtragshaushalt 1962, — ein Nachtragshaushalt an Stelle der Nachschiebelisten der Vergangenheit. Noch ein Stück neuen Stils der Finanzpolitik: Mehrausgaben werden nicht durch Erhöhung des Steueraufkommens abgefangen, sondern durch Kürzung der Ausgaben. Hierbei hat sich gezeigt, daß die Steuerschätzungen des Bundesfinanzministeriums richtig waren, richtiger als die Steuerschätzungen der Länder, auf deren Einwirkung hin der Ansatz der Steuereinnahmen erhöht wurde. Und nun erleben wir alle, daß die so erhöhten Ansätze nicht erreicht werden. Daß wir in der Lage waren, Kürzungen gewisser Ausgaben vorzunehmen, ist kein Beweis für das Argument, der Haushalt 1962 enthalte nicht abgeschöpfte Polster. Die Umwandlung von Sperrungen beim Hoch- und Tiefbau in Streichungen, die Verringerung des Schuldendienstes durch verspätete Darlehensaufnahmen sind eher Symbole für allgemeine wirtschaftliche Probleme des Baumarktes und des Kapitalmarktes als der Beweis für gewollte oder verborgene Reserven. Wenn aber der Haushaltsablauf 1962 auch problematisch ist, — der Jahresabschluß wird — ein gewisser unvorhergesehener Unsicherheitsfaktor muß einkalkuliert werden — hoffentlich im großen und ganzen ausgeglichen enden. War der Haushalt des Jahres 1962 noch betont von der Ausgabenseite her gestaltet, — der vorliegende Entwurf 1963 hat seine finanzpolitischen Entscheidungen auf der Einnahmeseite gesucht. In der Grundkonzeption geht die Bundesregierung von den verfügbaren Mitteln aus, erstens den bisherigen Einnahmeblöcken, zweitens erneuter Darlehensaufnahme, und setzt drittens dazu einen auf 2 Milliarden erhöhten Anteil der Länder.
    Die Problematik liegt in .der Steuerfestsetzung, und hier wird der Stil der Wirtschafts- und Finanzpolitik besonders deutlich. Aufbauend auf dem realen Zuwachs des Sozialprodukts von 3 bis 4 % ergibt sich eine Zuwachsrate von 5 % des Steueraufkommens. Damit wird das Sozialprodukt und seine Zuwachsrate zur Grundlage der Ausgabenseite gemacht. Wie oft haben in den vergangenen Jahren die Leiter der Haushaltsabteilungen beim Bund, bei den Ländern und den Kommunen im Innern ihres Herzens nicht folgende Rechnung aufgemacht: Wir können mit der echten Zuwachsrate des Sozialprodukts und damit der Steuern unsere Ausgaben nicht decken; aber das auch im kommenden Jahr steigende Preis- und Lohnniveau wird uns schon das fehlende Geld bringen. — Jetzt zum erstenmal wird ganz eindeutig diese Hoffnung aus dem Etatdenken vertrieben; jetzt wird 'zum erstenmal mit Entschlossenheit versucht, das Preisniveau zu halten, und, da dann sicherlich auch die Lohnentwicklung im Rahmen des Wirtschaftswachstums bleibt, die Möglichkeit inflationärer Steuermehreinnahmen verhindert mit allen Konsequenzen, )die sich dann für die Ausgaben und für die Dotierung der Aufgaben ergeben. Möge diese Politik Erfolg haben, damit nicht der kleine Mann zum drittenmal das Liedchen von Erich Kästner singen muß mit der Überschrift „Auf einer kleinen Bank vor einer großen Bank" und der bezeichnenden Strophe:
    Uns erfreut das bloße Sparen. Geld alleine macht nicht froh. Regelmäßig nach paar Jahren Klaut ihr's uns ja sowieso.
    Meine Damen und Herren, wir sind am Anfang des Weges. Noch viele Mühe und Arbeit werden erforderlich sein. Ich werde im Verlauf meiner Darlegungen zeigen, was meine Fraktion damit meint. Aber eines möchte ich in aller Deutlichkeit hier an dieser Stelle sagen: In dem Instrumentarium ist der Begriff der Steuererhöhungen nicht vorgesehen. Wir sind der Meinung, daß unsere Probleme auch ohne Erhöhung der drückenden Steuerlast gemeistert werden können und gemeistert werden sollen.
    Lassen Sie es mich so ausdrücken: Der Entwurf 1963 ist zwar im Zahlenwerk ausgeglichen, nicht aber im inneren Wert der Aufgabenstellung. Diese Feststellung ist kein Vorwurf gegenüber dem Finanzminister, auch kein Vorwurf gegenüber der Regierung und der von dieser Regierung vertretenen Politik; diese Feststellung ist nichts weiter als die finanzpolitische Auswirkung unserer heutigen politischen Situation. Krieg und Kriegsfolgen, Teilung Deutschlands und Teilung der Welt sind nicht von den hier vertretenen Parteien verschuldet. Wir haben uns nur mit den traurigen Folgen politischer Fehler der Vergangenheit auseinanderzusetzen. Wir können diesen Folgen nicht ausweichen; wir müssen aber versuchen, sie möglichst rasch zu überwinden. Was bedeutet die Erklärung, der Entwurf 1963 sei nicht !ausgeglichen im inneren Wert der Aufgabenstellung? Nichts anderes, als daß gewisse von uns allein kaum zu beeinflussende Ausgaben geleistet wenden müssen, selbst wenn damit die Grenzen der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit erreicht und andere höchst notwendige Ausgaben zurückgestellt werden. Aber damit will 'ich — das möge jedermann klar sein — diese Dinge und Verhältnisse nicht als endgültig und unveränderbar hinnehmen. Im Gegenteil, ich meine, wir sollten alles tun, um uns nicht von den Gegebenheiten überwältigen zu lassen, sondern unser Schicksal soweit wie möglich selbst gestalten.
    Nicht ausgeglichen im inneren Wert der Aufgabenstellung bedeutet auf der einen Seite Überforderung, auf der anderen Seite nicht ausreichende



    Dr. Emde
    Dotierung. Der Bundeshaushalt wird heute überfordert durch Verteidigungslasten, durch Berlinhilfe, durch Kriegsfolgeleistungen, durch Sozialausgaben und durch Entwicklungshilfe. Die Reihenfolge dieser Aufzählung bedeutet keine Wertung, die Erwähnung dieser Bereiche keine Ablehnung oder Abwertung der Aufgaben an sich. Sie ist nichts weiter als die haushaltspolitische Beurteilung der entstehenden Lasten im Verhältnis zur Leistungsfähigkeit und zu den sonstigen Aufgaben. Wenn 18,4 Milliarden DM für die äußere Sicherheit, 1,7 Milliarden DM für die Berlinhilfe, 12,6 Milliarden DM für Sozialaufgaben und Kriegsfolgeleistungen, 1,1 Milliarden DM für Entwicklungshilfe, also zusammen rund 34 Milliarden DM aufgewandt werden, so sind damit rund 60 % der Gesamtausgaben erfaßt, womit für die übrigen Bereiche ein bedauerlich kleiner Anteil verbleibt.
    Bei der Berlinhilfe, bei den Kriegsfolgeleistungen und 'bei den Sozialaufgaben wird es im Zuge der Haushaltsberatung 'keinerlei Streichungen, sicherlich auch keine Veränderung der Ansätze geben. Meine Fraktion wird dazu auch keine Vorschläge machen. Im Gegenteil sind wir der Meinung, daß im Bereich der Kriegsfolgelasten noch nicht einmal alles Erforderliche getan ist, um berechtigte Wünsche zu erfüllen.
    Bei den Sicherheitskosten sind die Positionen, die auf die zivile Verteidigung entfallen, mit 800 Millionen DM und die Stationierungskosten mit 600 Millionen DM sicherlich auch in keiner Weise zu verändern.
    Bei den 17 Milliarden DM für die Bundeswehr aber mag es gewisse Möglichkeiten geben, ohne Beeinträchtigung der Verteidigungsfähigkeit und bereitschaft die Ansätze zu verändern. Meine Fraktion wird im Rahmen der einzelnen Beratungen detaillierte Vorschläge machen, die zum Ziele haben, über rationellere und modernere Baumethoden die Kosten für Hoch- und Tiefbau in der Bundeswehr zu senken, ohne daß dabei das Bauvolumen geschmälert wird. Wir haben auch Vorstellungen entwickelt — über die noch im einzelnen gesprochen werden soll —, über Rationalisierung und Typisierung, über Standardisierung im Kraftfahrzeugwesen Einsparungen bei der Bundeswehr herbeizuführen. Wir werden uns im Haushaltsausschuß darüber zu unterhalten haben, wo dann etwa freiwerdende Beträge an anderer Stelle des Haushalts sinnvoller eingesetzt werden können. Ich kann mir vorstellen, daß der Herr Verteidigungsminister durchaus einverstanden ist, wenn freiwerdende Beträge zur 'Entlastung der allgemeinen Deckungsmittel im Bereich des Ministers für Atomwesen und Raumforschung verwandt werden; denn dort gewonnene Erkenntnisse dienen letztlich auch zur Stärkung der Verteidigungskraft.
    Aber lassen Sie mich noch einige Worte zur Entwicklungshilfe sagen, nicht weil die FDP den Wunsch hat, den von ihr gestellten Minister für wirtschaftliche Zusammenarbeit zu kritisieren, sondern weil in diesem Bereich grundsätzliche politische Entscheidungen zu fällen sind, Entscheidungen, bei denen nach meiner Überzeugung der Entwicklungshilfe-
    minister voll meinen hier vorgetragenen Ausführungen zustimmen wird.
    In den Jahren bis 1961 hat sich ein Berg von 7 Milliarden DM Zusagen aufgetürmt, die nunmehr verwirklicht werden müssen. Minister Scheel hat in den letzten Wochen zwei Auslandsreisen, nach Südamerika und nach den Vereinigten Staaten, unternommen. Er ist von diesen Reisen zurückgekehrt, ohne den früheren Gepflogenheiten ins Ausland reisender Minister nachzueifern und das Klima seines örtlichen Auftretens durch freundliche Zusagen zu verbessern. Ich glaube, wir alle sollten Minister Scheel für dieses Verhalten dankbar sein.

    (Beifall bei der FDP.)

    Der Minister hat darüber hinaus in den Vereinigten Staaten die bedeutsame Erklärung abgegeben, Deutschland werde in den nächsten Jahren ungefähr den gleichen Betrag wie in der Vergangenheit an finanziellen Leistungen des Bundes für Entwicklungsländer aufbringen. Solche Leistungen müssen aber in den Rahmen der Haushaltsmöglichkeiten eingeplant werden.
    Es muß hier weiter folgendes deutlich gesagt werden. Es ist unbedingt erforderlich, den Zusageberg abzubauen, und zwar so, daß gegebene Zusagen jeweils in etwa zwei bis drei Jahren zu erfüllen sind. Denn nichts schädigt mehr unser Ansehen in den nehmenden Ländern als die Flut der Versprechungen der Vergangenheit, deren Verwirklichung dann eine übermäßig lange Zeitspanne in Anspruch nimmt. Solche Zusagen erwecken den Eindruck, als ob wir mehr reden als handeln könnten. Man soll nur das versprechen, was auch in absehbarer Zeit gehalten, hier also gezahlt werden kann.
    In dieser Frage ist noch mehr zu besprechen. Es wird immer betont, Entwicklungshilfe solle ohne politische Auflagen gegeben werden. Ich will hier nicht die Richtigkeit dieser Ansicht untersuchen. Auf jeden Fall aber sollte sich aus der Leistung von Entwicklungshilfe eine Zusammenarbeit zwischen gebenden und nehmenden Ländern in möglichst breiter Form entwickeln.
    Leider hat ein Einblick in die Praxis gezeigt, wie sehr hier Theorie und Praxis auseinanderlaufen. Ich hatte die Möglichkeit, mit den Kollegen des Haushaltsausschusses Herrn Niederalt, Herrn Jürgensen und Herrn Windelen in dem Augenblick Kenia zu besuchen, in dem der Deutschen Lufthansa dort trotz monatelangen Anfliegens des Flugplatzes Nairobi das Recht verweigert wurde, Passagiere aufzunehmen oder abzusetzen.

    (Hört! Hört! bei der FDP.)

    Im gleichen Augenblick aber wurde der Vertrag zwischen Deutschland und Kenia ratifiziert, nach dem Kenia 35 Millionen DM Entwicklungshilfe von Deutschland erhielt. Meine Damen und Herren, so geht es nicht!

    (Zuruf von der Mitte: Richtig!)

    Ich will dabei nicht untersuchen, ob die Flugrechte in Nairobi auf Zureden oder Einwirkung einer drit-



    Dr Emde
    ten Macht verweigert wurden. Das tut hier gar nichts zur Sache. Entscheidend ist, daß auch unser rechtzeitiges Eingreifen, unsere Intervention beim Auswärtigen Amt, nicht die Ratifizierung des Vertrages verhindern konnte oder uns als Ausgleich dafür die Flugrechte verschaffte. Solche Vorgänge diskreditieren die Maßnahmen der Entwicklungshilfe stärker als falsche Geschichten über goldene Betten und Haremsfrauen. Ich bin überzeugt, daß wir im Rahmen der zweiten Lesung diese und andere Vorgänge eingehend behandeln werden.
    Und ein Drittes noch! Leistungen der Entwicklungshilfe können von uns unter keinen Umständen gegeben werden, um für gewisse Länder einen finanziellen Ausgleich dafür zu liefern, daß gleichzeitig von dort noch viel größere Beträge, als wir sie zahlen, in Form von Fluchtkapital abwandern und in den Vereinigten Staaten, der Schweiz oder anderen Ländern investiert werden. Unsere Hilfe kann nur dann helfen, wenn der Partner bereit ist, seine eigene Leistung mit einzubringen.

    (Sehr richtig! bei der FDP.)

    Auf jeden Fall sind wir nicht damit einverstanden, daß solche Leistungen erfolgen, auf der anderen Seite hier im Lande wichtige Dinge zurückgestellt werden und damit die wirtschaftliche und militärische Kraft des Westens in Wirklichkeit geschwächt wird.

    (Sehr richtig! bei der FDP.)

    Meine Damen und Herren, über das eine sind wir uns doch alle einig: während auf der einen Seite der Bundeshaushalt überfordert wird, sind andere wesentliche Teile der Bundesaufgaben nicht ausreichend dotiert. Hier liegt das zweite große Problem dieses Etatentwurfs: in der Unmöglichkeit, 1963 wichtige Bereiche finanziell genügend auszustatten.
    Lassen Sie mich mit dem Sektor beginnen, der in der Öffentlichkeit am leidenschaftlichsten diskutiert wird, dem Sektor der Verkehrsinvestitionen. Für den Straßenbau ist zwar der gleiche Betrag wie im Vorjahr ausgebracht. Aber das bedeutet in Wirklichkeit ein Zurückbleiben hinter den Vorstellungen; die alle Fraktionen dieses Hauses in der Vergangenheit entwickelt haben, Auch meine Fraktion bedauert, daß der Ansatz für Straßenbau nicht erhöht werden kann. Allerdings suchen wir die Schuld nicht beim Finanzminister. In den letzten Jahren haben sich im Straßenbau-Haushalt regelmäßig erhebliche Reste gebildet. Vielleicht ist es interessant, zu hören, was eine der großen Verwaltungen, die den Straßenbau als Auftragsverwaltung des Bundes und des Landes ausübt, dazu zu sagen hat.
    Der Landschaftsverband Rheinland hatte im Jahre 1961 bei einem Ansatz von 380 Millionen DM 70 Millionen DM Reste im Straßenbauhaushalt gebildet; das sind mehr als 20 0/o.

    (Hört! Hört! in der Mitte.)

    Der Kämmerer dieser Behörde führte in seiner letzten Haushaltsrede vom Oktober dieses Jahres in
    diesem Zusammenhang u. a. folgendes aus — ich
    zitiere einige Passagen der Rede des Ersten Landesrats Könemann —:
    Gerade in unserem Bereich stößt die von den Straßenbaubehörden zu leistende Vorarbeit auf besondere Schwierigkeiten.
    Und an anderer Stelle:
    . . . macht sich die Öffentlichkeit anscheinend kein klares Bild über die Schwierigkeiten, die mit dem Grunderwerb verbunden sind, und über die Zeitspannen, die für eine einzelne Enteignungsmaßnahme benötigt werden.
    Noch ein Stück weiter heißt es:
    . . . sind von dem Neubau der B 326 im Zuge der nördlichen Umgehung von Wuppertal etwa 450 Grundeigentümer betroffen. Das zuständige Fernstraßenneubauamt des Landschaftsverbandes Rheinland wird allein für diese verhältnismäßig kurze Strecke rund 1000 Verträge abschließen müssen.
    Diese Zitate zeigen, wo das Problem liegt. Nicht die zu geringe Kapazität der Straßenbaufirmen, sondern die Schwierigkeiten der Planung und des Grunderwerbs in den Ballungszentren des Verkehrs führen zu der Unmöglichkeit, die 'hohen Ansätze des Straßenbauhaushalts voll zu verbauen, und führen damit zur Restebildung. Die Unmöglichkeit für die ausführenden Behörden, für diese Arbeiten qualifiziertes Pensonal in noch stärkerem Maße zu gewinnen, als es bereits geschehen ist, lassen diese Schwierigkeiten noch für Jahre 'bestehen. Es besteht damit die Gefahr, daß aus optischen Gründen, um ein möglichst hohes Bauvolumen zu erreichen, Straßen dort ,gebaut werden, wo diese Schwierigkeiten nicht gegeben sind. Damit wird aber nur etwas an der Optik getan und nicht die Verkehrskrise und -misere überwunden. Das ist eine bittere Erkenntnis für 'uns alle. Wir würden es begrüßen, wenn es .gelänge, die zur Verfügung stehenden Mittel in sinnvoller Weise voll zu verbauen. Aber bei dieser Situation die Mittel zu erhöhen, hieße nicht mehr Straßen, sondern bestenfalls mehr Reste. Auf Resten allerdings hann niemand fahren; das ist ,die nüchterne Wirklichkeit.
    Ebenso nüchtern sollten wir die Probleme der Bundesbahn betrachten. Hier allerdings melde ich für meine Fraktion ganz erhebliche Zweifel an. Auch die Bundesbahn muß die Beamtengehälter ab 1. Januar 1963 in gleichem Umfang wie die Bundesbehörden erhöhen. Das bedeutet eine zusätzliche Belastung des Haushalts der Bundesbahn, die zweifelsohne nicht aus Mehreinnahmen aus dem Verkehrsaufkommen und durch Rationalisierung gewonnen werden kann, es sei denn, man beabsichtigt, die Tarife noch weiter zu erhöhen. Wenn irgend jemand aber glaubt, daß das Wachsen des Defizits der Bundesbahn ungefährlich sei, dann verkennt er, daß damit der Haushalt des Jahres 1964 belastet wird. Das Problem wird also nicht gelöst, sondern nur auf die Zukunft verschoben, was für jeden vernünftigen Haushaltsfachmann ein Greuel ist. Meine Fraktion ist der Meinung, daß etwaige bei der Haushaltsberatung einzusparende Beträge in erster Linie zur Verstärkung des Zuschusses für die Bundesbahn zu



    Dr. Emde
    verwenden sind, um zumindest die dort nicht zu erwirtschaftenden Belastungen der Besoldungserhöhungen abzufangen. Es muß auch verhindert werden, daß die Bundesbahn einen Ausgleich über Verringerung ihrer Rationalisierungsbemühungen sucht. Auch das wäre ein Verschieben der Probleme in die Zukunft; denn nur durch weitgehende Rationalisierung — und Rationalisierung kostet immer Geld — kann die Lage dieses Unternehmens verbessert werden.
    Ich habe überhaupt den Eindruck, daß man zugunsten von Gegenwartsaufgaben versäumt, über ausreichende Investitionen und Rationalisierungsmaßnahmen die Lösung der Aufgaben von morgen und übermorgen zu erleichtern. Besonders trifft dieser Hinweis für den Ausbau der Wasserstraßen zu. Auch hier müssen die Leistungen erheblich gesteigert werden, um Schäden für die Zukunft zu vermeiden. Der Bau des Nord-Süd-Kanals, der schnellere Ausbau des Mittellandkanals für 1350-t-Schiffe, die Strombaumaßnahmen am Binger Loch, der beschleunigte Schleusenausbau des Wesel-DattelKanals, alle diese Vorhaben müssen durchgeführt werden, wenn die Wirtschaft im Raum von Braunschweig, dem Zonenrandgebiet und unsere Seehäfen sinnvoll weiter gefördert werden sollen. Es ist das Bemühen meiner Fraktion, im Zuge der Haushaltsberatungen durch Einsparungen des Haushalts an anderer Stelle diese Maßnahmen stärker zu dotieren. Die aus dem Verkehrshaushalt behandelten Fragen sind Probleme unserer Infrastruktur.
    Darüber hinaus aber kämpfen erhebliche Teile unserer Wirtschaft um ihren nackten Bestand. Die Landwirtschaft, der Kohlenbergbau, die Werftindustrie, die Textilindustrie, die Filmwirtschaft, sie alle sind durch Strukturwandel und Substitutionswettbewerb bedroht. Hier einzugreifen entspricht durchaus liberalen Vorstellungen einer gesunden Staatspolitik, da es sich um Strukturfragen handelt. Aktive Wirtschaftshilfe hat es noch immer gegeben. Aber nicht gute Worte und Ratschläge allein helfen Schwierigkeiten überwinden, sondern aktive finanzielle Hilfe des Staates ist zusätzlich erforderlich. Die bisher zur Verfügung gestellten Mittel haben nicht ausgereicht, die Probleme zu lösen. Es wird harter Anstrengungen bedürfen, um diesen wichtigen und noch manch andere Zweige unserer Produktionswirtschaft wieder wettbewerbsfähig zu machen. Haushaltsmittel in steigendem Maße werden in Zukunft dazu benötigt werden. Aber staatliche Maßnahmen sollten nur eine Hilfe zur Selbsthilfe sein und nicht zu endloser Subventionierung führen.
    Neben diesen direkten Aktionen darf ein Bereich staatlicher Aufgaben nicht übersehen werden, der in den vergangenen Jahren nicht immer die gebührende Aufmerksamkeit erfahren hat. ich meine den Bereich der Forschung und Wissenschaft. Jährlich sind die Mittel gestiegen, jährlich sind auch die Forderungen gestiegen. Hier in diesem Raum ist vieles an guten Reden von allen Seiten zu Wissenschaft und Forschung und ihre Wirkung auf Wirtschaft und Sicherheit gesagt worden. Jährlich haben sich die Etatansätze erhöht. Aber weder das Wünschenswerte noch das Erforderliche ist erreicht.
    Diese Feststellung soll kein Vorwurf nach irgendeiner Seite sein, ebensowenig wie die Aufzählung der nicht ausreichend dotierten Aufgaben ein geistiger Salto mortale ist, mit dem die Vorstellung einer geordneten Haushaltsführung wieder auf den Kopf gestellt wird. Dies soll vielmehr eine Dokumentation für Finanzminister und Regierung sein in der Hoffnung, daß diese Dokumentation, der auch andere Fraktionen des Hohen Hauses in ihrem inneren Gehalt sicherlich zustimmen, in mancher Auseinandersetzung auf internationaler Ebene als Meinung dieses Hauses verwandt wird. Wir im Haushaltsausschuß waren uns in dieser Richtung immer einig.
    Ich möchte hier eine Berufsgruppe erwähnen, um die es in den letzten Monaten leidenschaftliche Auseinandersetzungen gegeben hat, Auseinandersetzungen, die den Angehörigen dieser Berufsgruppe selbst zutiefst unsymphatisch waren. Ich meine den öffentlichen Dienst. Hier werden ab 1. Januar 1963 eine Erhöhung der Grundbezüge um 6 %, eine familiengerechte Erhöhung des Wohnungs- und des Kindergeldes und weitere Zulagen für die unteren Gruppen gegeben. So weit, so gut. Dazu muß aber noch ein weiteres ausgedrückt werden. Der Staat, der seine Fürsorgepflicht gegenüber seinen Bediensteten nicht voll erfüllt, gefährdet ein für seinen Bestand wesentliches Vertrauensverhältnis. Der Staat ist aber die Summe der Bürger schlechthin. Sie alle sollten dem öffentlichen Dienst das gleiche Recht der Einkommensentwicklung gönnen, das sie sich für ihre eigenen Einkommen wünschen.
    Natürlich .ist der öffentliche Dienst ganz besonders an der Stabilität der Währung und damit auch an der Stabilität des Preisniveaus interessiert; denn der Verlauf der Geschichte hat noch immer gezeigt, daß bei einer Geldwertverschlechterung Rentner und öffentlicher Dienst in erster Linie negativ betroffen wurden. Wir begrüßen daher die Besoldungsverbesserungen ab 1. Januar 1963, meinen aber, daß im Rahmen einer weiter gesunden Haushaltsentwicklung in der Zukunft noch bestehende Ungerechtigkeiten ausgeräumt werden sollten, wie z. B. durch Wegfall der Tarifklasse IV, Verbesserung von Stellenplänen im Zolldienst usw.
    Wenn ich nun den letzten, vielleicht schwierigsten Teil dieser Dokumentation behandle, das Sozialwesen, dann mag mir gesagt werden, ich hätte vorhin bei den Überforderungen des Haushalts das Sozialwesen schon einmal genannt. Das stimmt. Aber es ist hier nicht unlogisch; denn was zusammen mit einer Fülle anderer Dinge eine Überforderung darstellt, braucht deswegen in seinem eigenen Sektor noch lange nicht ausreichend genug finanziert zu sein.
    Dieses Parlament wird in den nächsten Monaten eine Reihe von Sozialgesetzen verabschieden, die der Öffentlichkeit unter der Bezeichnung „Sozialpaket" bekannt sind: das Gesetz zur Lohnfortzahlung, die Krankenversicherungsreform und die Übernahme des Kindergeldes auf den Bundeshaushalt mit gleichzeitiger Verbesserung der Leistungen. Dazu gehört auch die Neuordnung des Kriegsopferrechts, zu der noch kein Gesetzentwurf vorliegt. Es sollte auch hier darauf geachtet werden, daß gegen-



    Dr. Emde
    über den anderen sozialen Aufgaben die Kriegsopfer nicht wieder benachteiligt werden. Haushaltsansätze für alle diese Dinge sind nicht ausgebracht. Es ist hier nicht der Platz, zu den einzelnen Problemen Stellung zu nehmen. Hier geht es nur darum, zu untersuchen, in welchem Umfange Haushaltsmittel im nächsten Haushaltsjahr bereitgestellt werden können. Der Finanzminister hat einen Nachtragshaushalt für 1963 bereits angekündigt, in dem bei den Ausgaben alle diese Sozialmaßnahmen dotiert werden müssen. Wenn nicht irgendwelche unerwarteten Entwicklungen auf der Einnahmenseite uns die Möglichkeit verschaffen, diesen angekündigten Nachtragshaushalt aufzubauen, dann könnte auch er ähnlich wie der soeben behandelte Nachtragshaushalt 1962 nur durch nachträgliche Kürzung des ordentlichen Haushalts 1963 finanziert werden.
    Meine Damen und Herren, ich glaube, allein mit diesen Wenn und Aber wird es jedermann klar, wie schwierig inzwischen unsere Haushaltssituation geworden ist und daß es berechtigt ist, das Sozialwesen ebenfalls bei den nicht ausreichend dotierten Aufgaben aufzuführen.
    Wenn ich die Liste der Aufgaben, die zu der übermäßigen Beanspruchung unserer Haushaltes führen, und die Aufgaben, die nicht ausreichend dotiert erscheinen, einmal gegenüberstelle, dann wiegen vielleicht Sicherheit, Berlinhilfe und Entwicklungshilfe schwerer als manch einzelner Bereich auf der anderen Seite. Aber das Ganze kann nicht gesund leben, wenn nicht die einzelnen Teile gesund sind. Ich richte diese Worte mit besonderer Betonung an unsere Verbündeten im Westen. Natürlich verleitet der rasche Wiederaufbau in der Bundesrepublik und das steigende Volkseinkommen manchen Beobachter dazu, unsere Leistungsfähigkeit für nahezu unbeschränkt zu halten. Auch moralische Argumente stehen auf der anderen Seite: Wer Marshallplanhilfe mit soviel Nutzen für sich selbst erhalten hat, darf selbst Hilfeleistungen für andere nicht verweigern. Wer von Verbündeten militärische Garantien erwartet, muß bereit sein, eigene Verteidigungsanstrengungen bis zum äußersten zu leisten. — Aber die Hilfe und die Anstrengungen, die wir für den ganzen Westen erbringen, dürfen die volkswirtschaftlichen Grundlagen, auf denen diese Leistungen erbracht werden, nicht gefährden. Das Sprichwort „Wer Milch haben will, darf seine Kuh nicht schlachten" ist sicher mehr ein Symbol als ein Beweis für die Richtigkeit der hier vorgetragenen Gedanken.
    Eines jedoch sollte bedacht werden: je größer Volkseinkommen und Volksvermögen sind, um so größer ist die Möglichkeit für die Allgemeinheit, über Prozentanteile und das Auswirken dieser Prozentanteile Entwicklungshilfe und Verteidigungslasten zu leisten.
    Ich halte es nicht für notwendig, irgend jemandem vorzurechnen, wie sich eine Verminderung der Zuwachsrate unseres Sozialproduktes oder gar ein Sinken unseres Sozialproduktes auf Arbeitsstand, allgemeine Leistungen und die politische Stabilität in der Bundesrepublik auswirken würde. Die Erfahrungen der Weimarer Republik sollten jedem Politiker ein mahnender Hinweis sein.
    Ich halte es aber für notwendig, von dieser Stelle aus als Mitglied des Haushaltsausschusses darauf hinzuweisen, 'daß wir einen kritischen Punkt der Belastungsfähigkeit erreicht haben, über den hinaus weitere Belastungen nur mit zunehmendem Schaden für das Ganze erfolgen können. Mahnungen, wie ich sie hier vortrage, werden 'selten gern gehört, Mahner dieser Art oft für unverständig der gar böswillig gehalten. Dennoch spreche ich diese Mahnung aus. Ich fühle mich dazu vor meinem Gewissen verpflichtet.
    Um unsere wirtschaftliche Leistungsfähigkeit zu erhöhen, halte ich es für notwendig und unvermeidbar, die bisher nicht ausreichend bedachten Aufgaben in der Zukunft besser zu finanzieren. Hohe wirtschaftliche Leistungsfähigkeit bedeutet hohe Steuereinnahmen. Hohe Steuereinnahmen bedeuten hohe Leistungen für das Ganze. In diesen Bemühungen um hohe Einnahmen dürfen wir aber ein wesentliches Problem nicht übersehen. Unsere Einkommen- und Lohnsteuertarife sind ungerecht. Sie führen durch ihren Aufbau 'und die Progression zu einer überstarken Belastung der unteren und mittleren Einkommens- und Lohngruppen. Es ist das erklärte Ziel meiner Fraktion, diese Ungerechtigkeit möglichst bald zu beseitigen. Diese Ungerechtigkeit kann nur durch eine Änderung der Progression beseitigt werden, also durch Senkung der Einkommen- und Lohnsteuer für untere und mittlere Gruppen. Es ist mir völlig klar, daß in dem Augenblick, in dem es ein besonderer Erfolg ,des Finanzministers ist, Steuererhöhungen vermieden zu haben, der Wunsch nach Steuersenkungen fast wie eine Utopie erscheint. Wir sollten aber — und ,darum geht es mir — unsere Ziele nicht aus dem Auge verlieren. Irgendwann im Laufe ,der nächsten Jahre muß es gelingen, dieses Ziel zu erreichen, wenn wir nur entschlossen genug sind, die notwendigen Schritte zu gehen, die uns heute schon diesem Ziel näherbringen.
    Auch gegenüber unseren Verbündeten, denen ich vorhin so klar die Grenzen unserer Leistungsfähigkeit 'aufgezeigt habe, haben wir eine Verpflichtung. Wir haben die Verpflichtung, alle 'eigenen Reserven auszuschöpfen. Die Aufforderung an unsere Verbündeten, unsere Leistungen anzuerkennen, ist nur dann glaubhaft, wenn wir selbst ,ein Höchstmaß an Wirksamkeit unserer Maßnahmen erreichen. Ich bin überzeugt, daß wir auch heute noch trog aller Bemühungen um Sparsamkeit in den letzten Monaten genügend Möglichkeiten haben, die öffentlichen Haushalte in der Bundesrepublik wirkungsvoller und damit sparsamer zu gestalten.
    Die Beratungen des Haushaltsausschusses in den kommenden Monaten werden uns Gelegenheit genug geben, an vielen Stellen des Haushaltsentwurfs Veränderungen und auch Kürzungen vorzunehmen. Erfreulicherweise ist von Regierungsseite bei vielen Ansätzen im Bereich der Sachausgaben gegenüber dem laufenden Haushalt bereits gekürzt worden. Dennoch erscheinen mir noch nicht alle Möglichkeiten ausgeschöpft. Wer andere zur Sparsamkeit auffordert, sollte selbst bereit sein, in eigener Zuständigkeit sparsam zu handeln. Wenn der Staat die Bürger zum Maßhalten auffordert, dann muß er



    Dr. Emde
    selbst bereit sein, überall mußzuhalten, wo dieses Maßhalten nicht -die Erledigung selbstgestellter Aufgaben gefährdet. Wir werden auch, so wie im Vorjahr, mit aller Aufmerksamkeit die Hinweise des Bundesrates zum vorliegenden Entwurf überprüfen. Wir wären allerdings dankbar, wenn überall in Ländern und Kommunen mit ähnlicher Entschlossenheit an den Ausgaben gestrichen würde, 'wie wir es im Haushalt 1962 getan haben und sicherlich auch im Haushalt 1963 erneut tun werden.

    (V o r sitz: Vizepräsident Dr. Dehler.)

    Das Verhältnis zwischen Bund und Ländern wird durch die Kämpfe um die Erhöhung des Bundesanteils an der Einkommen-, Lohn- und Körperschaftsteuer sicherlich nicht negativ belastet werden. Wir wären aber dankbar, wenn die Länder die Schwierigkeiten des vorliegenden Entwurfs, die ich vorhin so eingehend geschildert habe, in stärkerem Maße anerkennen würden, als es beim ersten Durchgang im 'Bundesrat geschehen ist. Wir halten es für notwendig, daß, beginnend mit diesen Haushaltsberatungen und aufbauend auf dem Kulturabkommen zwischen Bund und Ländern, eine Aufgabenbereinigung zwischen diesen beiden Gruppen herbeigeführt wird. Allein schon die Aufgabenbereinigung kann zu einer erheblichen Verwaltungsvereinfachung und damit zur Ersparnis von Sach- und Personalausgaben führen.
    Es gibt aber noch weitere Möglichkeiten. Lassen Sie mich nur ein einziges Beispiel anführen: Bundesbahn und Bundespost betreiben ausgedehnte Verkehrsnetze in der Personenbeförderung des Kraftverkehrs nebeneinander. Wer die Dinge aus der Praxis kennt — Herr Kollege Dresbach, ich denke hier gerade an das Oberbergische —, ist verblüfft darüber, in welcher Form hier Bundesbetriebe parallel Einrichtungen unterhalten, zum Teil sogar sich im Wettbewerb gegenüberstehen. Schon die Zusammenfassung der Werkstättendienste und der Materialbeschaffung könnten hohe Beträge einsparen. Eine Zusammenlegung beider Verkehrsgruppen aber würde eine Rationalisierung unseres Personenverkehrs erster Güte darstellen.
    Nun wird man mir sagen, das geht doch nicht, das Postregal oder wer weiß was sonst hindert uns daran. Nun, wer wie 'Bundesbahn und Bundespost Tariferhöhungen plant, sollte mit allen Mitteln der Rationalisierung ein Höchstmaß an Wirksamkeit zu erreichen versuchen, ehe er Tariferhöhungen als letzten Ausweg wählt.
    Ich erwarte mit 'Spannung die Äußerung der von meinem Vorschlag betroffenen Unternehmen.
    Lassen Sie mich zusammenfassen. In diesem Haushalt besteht genügend Bedarf für Mittel, die wir an anderer Stelle einsparen können: Beamtenbesoldung, Kriegsopferversorgung, Lastenausgleich, Heimkehrer, Investitionen zur Verbesserung der Infrastruktur und zur Stärkung der Zonenrandgebiete, Maßnahmen zur Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft — auch im Rahmen der Steuerpolitik —, für alles das sollten höhere Mittel veranschlagt sein. Auch der zivile Bevölkerungsschutz, der ein Teil unserer Verteidigungsaufgaben ist -- denn Verteidigung ohne
    Bevölkerungsschutz ist undenkbar —, sollte verstärkt werden.
    Aber das alles, meine Damen und Herren, kann nur im Rahmen des vorgelegten Haushalts geschehen. Sicher werden wir nicht alles Erwünschte erreichen. Wir sollten uns aber bemühen, möglichst vieles zu erreichen.
    Ich glaube, wir im Parlament sollten erwarten, daß in den nächsten Monaten viele Leute über ihren Schatten springen.
    Die kaum überwundene Kuba-Krise hat es jedermann deutlich gemacht, in welchen Gefahren wir uns befinden. Niemand möge sich bei uns der Illusion hingeben, daß die Zukunft ruhig und gesichert sei, weil in Kuba ein Teilabkommen zwischen den USA und der Sowjetunion erreicht wurde. Wir stehen vor dem Höhepunkt des großen Ringens zwischen Ost und West. In diesem Ringen wird die Bundesrepublik große Prüfungen erleben und sich in manchen Auseinandersetzungen zu bewähren haben. Nur ein gesunder Staat wird diese Bewährungsprobe bestehen. Schaffen wir die Voraussetzungen, schaffen wir alle die notwendigen verwaltungsmäßigen, wirtschaftlichen und finanziellen Voraussetzungen für diese Periode der Bewährung! Dieser Etatentwurf schafft ein Stück der Voraussetzungen; zwar ein kleines Stück, aber es ist hier wie überall im Leben: viele Kleinigkeiten erst ergeben das Ganze.
    Ich bin überzeugt, daß der Haushaltsausschuß und das ganze Parlament in den kommenden Monaten ihren Anteil mit leisten werden. Ich möchte aber an alle Ressorts appellieren, mit denen wir zu verhandeln haben, über ihr Ressortdenken hinaus das Ganze zu sehen, den Ressortegoismus zu überwinden. Denn es geht um mehr als die erfolgreiche Vertretung spezieller Wünsche.
    Ich bin überzeugt, daß dieser Haushaltsentwurf eine gute Arbeitsgrundlage für die Wirtschaftspolitik der Bundesregierung in den nächsten Monaten sein wird und daß der Erfolg für uns alle nicht ausbleiben wird.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)