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ID0404617100

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    Deutscher Bundestag 46. Sitzung Bonn, den 8. November 1962 Inhalt: Fragestunde (Drucksache IV/708) Frage des Abg. Wittrock: Festnahme des „Spiegel"-Redakteurs Ahlers in Malaga Erler (SPD) . . . . . . . . . 2013 B, D Höcherl, Bundesminister . . . . 2013 B, D, 2014 B, C, D, 2015 A, D, 2016 C, 2017 C, 2018 B, C, 2020 A, C, D, 2021 A, B Strauß, Bundesminister 2013 D, 2015 A, B, 2018C,D, 2019A Dr. Schäfer (SPD) . . . . 2014 A, B, C Schmitt-Vockenhausen (SPD) . . 2014 C, D Dr. Mommer (SPD) . . . 2014 D, 2015 A Ritzel (SPD) . . . . 2015 C, 2016 A, B Vizepräsident Dr. Schmid . . . . 2016 B, 2017A,B, 2018A,B,D Dr. Kohut (FDP) . . . . . 2017 A, B Wittrock (SPD) 2017 B, C Metzger (SPD) . . . 2018 A, B, 2019 D Wacher (CDU/CSU) . . . . . . 2020 C Dr. Müller-Emmert (SPD) . . . . 2020 D Figgen (SPD) . . . . . . . . . 2021 A Dr. Schmidt (Wuppertal) (CDU/CSU) 2021 A Frage des Abg. Wittrock: Ermittlungen gegen andere Zeitungen Höcherl, Bundesminister . . 2021 B, C, D Wittrock (SPD) . . . . . . . 2021 B, D Schmitt-Vockenhausen (SPD) . , 2021 C Strauß, Bundesminister . . . . 2021 C, D Frage des Abg. Wittrock: Einschließung in eine Zelle Höcherl, Bundesminister . . . . 2022 A, B Wittrock (SPD) . . . . . . 2022 A, B Frage des Abg. Erler: Unterrichtung der Presse über Erfordernisse der militärischen Geheimhaltung Strauß, Bundesminister 2022 C, 2023 A Erler (SPD) 2022 C, 2023 A Frage des Abg. Erler: Anzeige des Bundesverteidigungsministeriums wegen Nr. 41 des „Spiegels" Strauß, Bundesminister . . 2023 B, C, D, 2024 A, C, D, 2025 A, B, D Erler (SPD) 2023 C II Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 46. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 8. November 1962 Dr. Schäfer (SPD) . . . . . . . 2023 D Kreitmeyer (FDP) 2024 A, C Dr. Kohut (FDP) . . . 2024 D, 2025 A, B Vizepräsident Dr. Schmid . . . . 2025 D Verordnung über die Senkung von Abschöpfungssätzen bei der Einfuhr von geschlachteten Gänsen (Drucksache IV/703); in Verbindung mit der Verordnung über die Senkung von Abschöpfungssätzen bei der Einfuhr von geschlachteten Hühnern (Drucksache IV/704) Bauknecht (CDU/CSU) 2026 A Bading (SPD) 2026 C Bauer (Wasserburg) (CDU/CSU) . 2026 C Dr. Schmidt (Gellersen) (SPD) . . 2027 A Entwurf eines Gesetzes über die Feststellung eines Nachtrags zum Bundeshaushaltsplan für das Rechnungsjahr 1962 (Nachtragshaushaltsgesetz 1962) (Drucksache IV/699) — Fortsetzung der ersten Beratung —; in Verbindung mit dem Entwurf eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Rechnungsjahr 1963 (Haushaltsgesetz 1963) (Drucksache IV/700) — Fortsetzung der ersten Beratung —Schoettle (SPD) . . . . . . . . 2027 C Dr. Vogel (CDU/CSU) . . . . . . 2036 B Dr. Emde (FDP) . . . . . . . . 2044 D Dr. h. c. Dr.-Ing. E. h. Möller (SPD) 2050 D Dr. Schellenberg (SPD) . . . . . 2058 A Dr. Bleiß (SPD) . . . . . . . . 2060 C Dr. Starke, Bundesminister . . . . 2062 C Entwurf eines Gesetzes zur Ausführung der zoll- und steuerrechtlichen Bestimmungen des Abkommens zwischen den Parteien des Nordatlantikvertrags vom 19. Juni 1951 über die Rechtsstellung ihrer Truppen (NATO-Truppenstatut) und des Zusatzabkommens vom 3. August 1959 usw. (Truppenzollgesetz 1962) (Drucksache IV/695) — Erste Beratung — . . . 2066 C Antrag der Fraktion der SPD betr. Futtergetreidepreise (Drucksache IV/674) . . 2066 D Nächste Sitzung 2066 D Anlagen 2057 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 46. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 8. November 1962 2013 46. Sitzung Bonn, den 8. November 1962 Stenographischer Bericht Beginn: 9.03 Uhr
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    *) Siehe Anlage 3 Anlage 1 Liste der beurlaubten Abgeordneten Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich a) Beurlaubungen Frau Albertz 30. 11. Altmaier 12. 11. Auge 19. 11. Dr. Besold 9. 11. Biegler 10. 11. von Bodelschwingh 8. 11. Dr. Bucher 9. 11. Burckardt 8. 11. Ehnes 9. 11. Engelbrecht-Greve 9. 11. Etzel 8. 11. Dr. Dr. h. c. Friedensburg 28. 11. Dr. Gleissner 9. 11. Hahn (Bielefeld) 9. 11. Hammersen 9. 11. Dr. Harm 1. 12. Höhmann (Hessisch Lichtenau) 9. 11. Hörnemann (Gescher) 9. 11. Illerhaus 8. 11. Frau Klee 9. 11. Knobloch 8. 11. Freiherr von Kühlmann-Stumm 9. 11. Kühn (Bonn) 31. 12. Kühn (Hildesheim) 9. 11. Kuntscher 31. 12. Dr. Löhr 9. 11. Lünenstraß 9. 11. Dr. Martin 9. 11. Merten 9. 11. Michels 8. 11. Murr 9. 11. Frau Dr. Probst 9. 11. Rademacher 9. 11. Richarts 16. 11. Schultz 9. 11. Seidl (München) 9. 11. Dr. Sinn 9. 11. Dr. Wahl 15. 11. Walter 9. 11. b) Urlaubsanträge Fürst von Bismarck 17. 11. Storch 15. 11. Anlage 2 Persönliche Erklärung gemäß § 36 der Geschäftsordnung. Ich bedauere, daß aus meiner Fragestellung gegenüber dem Herrn Bundesverteidigungsminister zur Person des Gutachters der Eindruck eines Kollektivurteils entstehen konnte. Eine Beleidigung hat mir ferngelegen. Gemeinsam mit meinen poli- Anlagen zum Stenographischen Bericht tischen Freunden lehne ich, getreu liberaler Tradition, jedes Kollektivurteil ab und bekenne mich zur individuellen Verantwortung in einem Rechtsstaat; gleichzeitig betone ich den Anspruch eines jeden Bürgers auf den Schutz der Gesetze, damit ihm kein Unrecht geschieht. Dr. Oswald Kohut Anlage 3 Erklärung des Abgeordneten Müller (Worms) für die Fraktion der SPD zu dem Antrag der Fraktion der SPD betr. Futtergetreidepreise (Drucksache IV/674). Der Präsident des Deutschen Bauernverbandes hat am 30. August 1962 in der Deutschen Bauernzeitung darauf hingewiesen, daß die Umstellung der Getreidepreise auf das EWG-Abschöpfungssystem zu einer allseits unerwünschten Verteuerung der von der Veredelungswirtschaft benötigten Futtermittel geführt habe. Ein allgemeines Ansteigen der Futtergetreidepreise - so sagte er - liege nicht im Interesse der Veredelungswirtschaft. Wenn das Abschöpfungssystem dafür verantwortlich sei, müsse eine Revision einzelner Elemente dieses Systems in Erwägung gezogen werden, um ein Gleichgewicht zwischen den Preisen für Futtergetreide und Veredelungsprodukte herzustellen. In diesem Zusammenhang wurde vorgeschlagen, die Monatsaufschläge für Januar und Februar 1963 zu halbieren und den Märzreport zu streichen. Nach reiflicher Überlegung sind wir zu dem Ergebnis gekommen, daß ein derartiger Vorschlag deshalb nicht praktikabel ist, weil während des laufenden Getreidewirtschaftsjahres eine Preisänderung zu erheblichen Marktstörungen führen müßte. Einfuhrverträge werden im allgemeinen für einen längeren Zeitraum abgeschlossen, so daß Änderungen, die der Gesetzgeber beschließt, unweigerlich zahllose Regreßansprüche auslösen müßten. Das ändert nichts daran, daß wir das Futtergetreidepreisniveau für überhöht erachten. Wir haben hierauf bei der Debatte des Durchführungsgesetzes zur EWG-Verordnung Nr. 19 im Plenum des Bundestages aufmerksam gemacht. Bei den Ausschußberatungen haben wir eine Grundsatzentscheidung darüber beantragt, daß der Futtergetreidepreis gesenkt werden solle. Dieser Antrag wurde mit 10 zu 9 Stimmen abgelehnt. Nachdem seitens der Regierungsvertreter im Ausschuß erklärt worden war, die endgültige Berechnung der Schwellenpreise für Futtergetreide liege noch nicht fest, haben wir vorgeschlagen, den Schwellenpreis so festzusetzen, daß die Futtergetreidepreise nicht steigen. Wir haben damit kein Gehör gefunden. Nach einem Bericht des Ernährungsdienstes vom 30. Oktober 1962 hat Herr Bundesminister Schwarz auf der Jahrestagung des Fachverbandes der Futtermittelindustrie in Minden erklärt, der Preisanstieg bei Futtergetreide sei `auf die zu reichlich berech- 2068 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 46. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 8. November 1962 neten Reports zurückzuführen. Das ist leider nur die halbe Wahrheit. Der Herr Minister hat zwar bei der Debatte über das Getreidepreisgesetz am 29. Juni 1962 nach meiner Aufforderung im Bundestag erklärt, daß er die von den Regierungsparteien beschlossene Erhöhung der Reports nicht für richtig halte, aber er hat seinen Standpunkt weder verteidigt noch für seine Verwirklichung gekämpft. Die Absicht, das bisherige Mindestpreisniveau bei Einführung der EWG-Marktordnung beizubehalten, mußte nicht notwendigerweise zu den jetzigen Konsequenzen führen. Wir hatten vorgeschlagen: a) die Vermarktungskosten von 23,50 DM/t um 4 DM/t zu senken, b) den Abstand zwischen den Interventionspreisen und den Richtpreisen von 7,5 % auf 5 % zu ermäßigen, c) bei den Monatsaufschlägen es bei der ursprünglichen Vorlage zu belassen. Die Mehrheit des Bundestages hat das leider nicht gewollt. Die Bauern, die auf den Zukauf von Futtermitteln angewiesen sind, haben die Zeche zu bezahlen, und die deutsche Veredelungswirtschaft hat den Schaden davon. Wie wichtig das Futtergetreidepreisniveau ist, ergibt sich daraus, daß die Futtergetreide-Verkaufserlöse der deutschen Landwirtschaft im Wirtschaftsjahr 1961/62 nur 10 Millionen DM betrugen, während die Landwirtschaft in diesem Zeitraum fast 3 Milliarden DM für Zukauffutter ausgegeben hat. Selbst im Vergleich mit dem Maschinenankauf und dem Aufwand für Düngemittel und den Löhnen stellt dieser Posten die absolut höchste Betriebsausgabe dar. Die Frage, was im äußersten Fall zu tun sei, um das bisherige Erzeugerpreisniveau zu schützen, wurde weder ausreichend noch gründlich erörtert. Hätte man das getan, würde man unschwer zu dem Ergebnis gekommen sein, daß dieses Ziel billiger zu erreichen ist, als es in der Tat geschah. Der Preis für denaturierten Weizen lag bisher unter dem Preis für Gerste und Mais. (397,50 DM zu 405 DM/t). Ich gebe zu, daß diese Relation nach der EWG-Verordnung Nr. 96 vom 25. Juni 1962 nicht mehr möglich ist, weil sie bestimmt, daß die Richtpreise für Gerste oder Mais beim Verkauf von denaturiertem Weizen nicht gefährdet werden dürfen. Nach Einführung der EWG-Getreidemarktordnung ist beispielsweise der Marktpreis 'für Auslandsgerste im Oktober 1962 auf etwa 450 DM/tgestiegen gegenüber etwa 405 DM/t im ,Oktober 1961; für Auslandhafer liegt er bei 420 .DM/t :gegenüber etwa 360 DM/t und für Mais bei 450 DM/t bis 475 DM/t gegenüber etwa 405 DM bis 430 DM/t. Für diese Entwicklung kann natürlich nicht die EWG-Getreidemanktordnung verantwortlich gemacht werden. Die derzeitigen Preise sind vielmehr das Ergebnis der Agrarpolitik, die die Bundesregierung und die Koalitionsparteien zu verantworten haben. Sie selbst haben den Preis bestimmt. Zum Schutz des .deutschen Erzeugerpreisniveaus hätten sowohl niedrigere Richtpreise wie auch niedrigere Schwellenpreise genügt. Das wird heute besser verstanden als vor einem halben Jahr, aber eine grundlegende Änderung kann erst das Getreidepreisgesetz für das nächste Wirtschaftsjahr bringen. Dennoch können wir einiges tun. In dem vorliegenden Antrag IV/674 beantragen wir die Beseitigang .der Umsatzausgleichssteuer. Dieses Ziel kann sowohl durch eine Änderung des Umsatzsteuergesetzes erreicht werden als auch durch eine entsprechende Ermäßigung des Schwellenpreises oder der Abschöpfungen. Hierüber wird im Ausschuß ausführlich zu sprechen sein. Bis zur Einführung der EWG-Marktordnung wurde die Umsatzausgleichssteuer zwar erhoben, bei der Abschöpfung aber zurückerstattet. Das hätte bei der Festsetzung der Schwellenpreise oder — soweit solche nicht 'bestehen — bei der Abschöpfung berücksichtigt werden müssen. Laut Meldung VWD-Europa Nr. 246 vom 24. 10. 1962 wird in Brüssel erwartet, daß die Bundesrepublik auf die Erhebung der Umsatzausgleichssteuer bei der Einfuhr von Getreide verzichtet, weil gemäß Art. 18 der Verordnung Nr. 19 im Handel zwischen den Mitgliedstaaten die Erhebung von Zöllen und Abgaben gleicher Wirkung mit der Anwendung der innergemeinschaftlichen Absatzregelung unvereinbar ist. Das gilt in gleicher Weise auch gegenüber Drittländern. Dem Vernehmen nach wird bei der EWG-Kommission jetzt erwogen, falls deutsche Maßnahmen zur Befolgung der Bestimmungen der EWG-Getreideverordnung nicht ergriffen werden, die deutschen Schwellenpreise durch eine Verordnung der EWG um den Betrag der Umsatzausgleichssteuer zu senken. Da die bisherige Erhebung der Umsatzausgleichsteuer gegen die EWG-Getreidemarktordnung verstößt, müssen die zu Unrecht erhobenen Beträge zurückerstattet werden. Die Umsatzausgleichsteuer hat bisher unnötigerweise die Preise erhöht. Es ist an der Zeit, diesen Übelstand zu beseitigen. Mit der zweiten Forderung unseres Antrages wollen wir erreichen, daß die Einfuhr- und Vorratsstelle (Getreide) Getreidemengen auch denaturiert, so lange verstärkt und unter solchen Bedingungen dem Markt zuführt, bis eine Normalisierung der Marktlage für Futtergetreide erreicht ist. Die Einfuhr- und Vorratsstelle hat mit dem Verkauf von denaturiertem Weizen für Futterzwecke bereits begonnen. Der Verkaufspreis liegt 5 DM/t über dem Richtpreis für Gerste. In Art. 7 Abs. 4 der EWG-Getreideverordnung ist vorgesehen, daß eine Denaturierungsprämie bei einem solchen Verkauf gewährt werden kann. Es ist infolgedessen zu prüfen, ob nicht ohne Gefährdung des Preisniveaus für andere Futtergetreidearten, ohne Gefährdung des Richtpreises für Gerste eine solche Denaturierungsprämie vergütet werden kann. Allerdings müssen bei derartigen Verkäufen ökonomische Gesichtspunkte berücksichtigt werden. Das scheint bisher nicht immer der Fall gewesen zu sein. So wurde kürzlich in Saarbrücken Futterweizen benötigt. Die EVST hätte von einem Lager in Enkenbach bei Kaiserslautern diesen Futterweizen nach Saarbrücken Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 46. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 8. November 1962 2069 verkaufen können. Sie hat das deshalb nicht getan, weil nach unserem Paritätspunktesystem der Futterweizenpreis in Saarbrücken nur 405,90 DM/t beträgt, in Enkenbach jedoch 422 DM/t. Aus diesem Grunde wurde ein Paritätspunkt ausgesucht, der im Preis unter dem für Saarbrücken gültigen Preis lag. Die Ware wurde somit von Massing in Bayern nach Saarbrücken verfügt, weil der Futterweizenpreis dort auf 395,60 DM/t festgesetzt wurde. Das Groteske einer solchen Maßnahme wird um so deutlicher, wenn man bedenkt, daß die Entfernung von Enkenbach nach Saarbrücken 81 km und die Bahnfracht bei 20 t 1,02 DM/100 kg beträgt, während Massing von Saarbrücken 571 km entfernt liegt und die Fracht 4,45 DM/ je 100 kg beträgt. Die Beförderung von 20 t Futterweizen von Enkenbach nach Saarbrücken kostet 204 DM, während die gleiche Menge von Massing nach Saarbrücken 814 DM erfordert. Da der Käufer Frachtkosten nur bis zum Betrag von 10 DM/t zu tragen hat, wäre also bei einer Lieferung von Enkenbach nach Saarbrücken keine Frachtsubvention zu zahlen, während diese bei einer Lieferung von Massing nach Saarbrücken 3,45 DM je 100 kg ausmacht. Solche Scherze sollten wir uns nicht leisten. Ich bitte, die Drucksache IV/674 dem Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten zu überweisen.
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. R. Martin Schmidt


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)


    (Beifall bei den Regierungsparteien.)


    (Beifall bei der CDU/CSU.)


Rede von Dr. Carlo Schmid
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Wir setzen die unterbrochene Sitzung fort.
Meine Damen und Herren! Nach der Vereinbarung der Fraktionen sind jetzt die Punkte 2 und 3 der Tagesordnung aufzurufen:
Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung eines Nachtrags zum Bundeshaushaltsplan für das Rechnungsjahr 1962 (Nachtragshaushaltsgesetz 1962), (Drucksache IV/699),
Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung 'des Bundeshaushaltsplans für das Rechnungsjahr 1963 (Haushaltsgesetz 1963) (Drucksache IV/700),
und zwar soll mit der Aussprache begonnen werden.
Das Wort hat der Abgeordnete Schoettle.

(Abg. Dr. Mommer: Der Herr Finanzminister fehlt noch!)

— Der Bundeskanzler ist da, und das deckt alles....

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Erwin Schoettle


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Haushaltsdebatten sind in diesem Hause 'selten große Tage, und ich befürchte, daß auch das 'Eintreffen des Herrn Bundesfinanzministers diesen Tag nicht größer macht, als er der Natur der Sache nach und unseren bedauerlichen Gewohnheiten nach an sich ist.
    Der Herr Bundesfinanzminister hat gestern den Haushalt für das Haushaltsjahr 1963 im Schatten einer schweren innenpolitischen Auseinandersetzung in diesem Hause eingebracht, einer Auseinandersetzung, die, abgesehen von ihrem eigentlichen Anlaß, Grundfragen unserer innerstaatlichen Ordnung berührt hat. Das Echo, das diese Auseinandersetzung in der Öffentlichkeit gefunden hat, sollte eigentlich diejenigen, die in diesem Hause infolge ihrer größeren Zahl zur Zeit über die größere Lautstärke verfügen, darüber belehren, daß sie in einer falschen Frontstellung gekämpft haben.
    Der Bundeshaushalt ist, abgesehen von seiner finanz- und haushaltspolitischen Bedeutung, ein so wesentlicher Teil der Gesamtpolitik der Regierung, daß auf einige Bemerkungen zu dieser Regierung selbst nicht verzichtet werden kann.
    Der Herr Bundesfinanzminister war ja, wie wir heute wissen, selber so sehr mit der Bewältigung der vorläufig letzten Koalitionskrise beschäftigt, daß er seine Rede nicht rechtzeitig fertigstellen konnte, so daß wir diese Debatte um einen Tag verschieben mußten. Das war Pech, vielleicht auf beiden Seiten.
    Betrachtet man das Ergebnis dieser Krise, dann bleibt als ein festzuhaltender und beunruhigender Eindruck die Tatsache, daß die Verantwortlichkeit der Minister gegenüber dem Parlament für Vorgänge in ihrem Amtsbereich offensichtlich abgeschafft worden ist und daß an ihre Stelle der total bevollmächtigte Staatssekretär gesetzt worden ist, der dann aber, wenn die Dinge einen unerwünschten Verlauf nehmen, vielleicht über die Klinge springen muß.

    (Zustimmung bei der SPD. — Abg. Dr. Dollinger: Nichts Neues!)

    — Ich weiß, daß das nichts Neues ist. Es ist vielleicht auch nicht gerade angenehm, es noch einmal gesagt zu bekommen, Herr Kollege Dollinger, aber schaden kann es Ihnen 'auf keinen Fall.

    (Beifall bei der SPD. — Zuruf des Abg. Schütz.)

    — Herr Kollege Schütz, beruhigen 'Sie sich. (Abg. Schütz: Ich bin ganz ruhig!)

    — Das ist schön, 'da sind wir ja beide gleich. (Abg. Schütz: Sehr schön!)

    Eine besonders pikante Nuance dieser Koalitionskrise, die den Haushalt unmittelbar betraf, war ja dann die beiläufige Verabschiedung eines so wichtigen und auch finanziell bedeutungsvollen Gesetzeswerks, wie es das sogenannte Sozialpaket ist, durch das Rumpfkabinett, während die FDP-Minister, sozusagen im Nebenzimmer, sich gerade den Wunden widmeten, die 'sie in der Krisenschlacht



    Schoettle
    davongetragen hatten. Es ist schwer, darüber keine Satire zu schreiben. Die „Frankfurter Allgemeine", die in der Regel doch wohl eher regierungsfreundlich ist, überschrieb eine Glosse zu diesem Thema mit den Worten „Mühsam geflickt", und es scheint durchaus nicht unangebracht zu sein, ein Stückchen dieses Kommentars zu zitieren, damit es in die Protokolle dieses Hohen Hauses eingeht. Ich nehme an, Sie haben es gelesen. Aber vielleicht lesen Sie es noch einmal nach. Es ist immer gut, auch sich selber im Spiegel anderer zu sehen. In der Glosse heißt es:
    Es ist ja nicht so, daß nur die Freien Demokraten sich vergaloppiert und in eine Lage gebracht hatten, in der jede Konzession wie ein „Umfallen" aussehen mußte. Ihr Widerpart oder Koalitionspartner hatte ihr Tempo mutwillig gesteigert, indem er selbst sich nicht einmal zum sanftesten Trab bewegen ließ. Der Bundeskanzler hat so lange die Berechtigung der Klagen Stammbergers bestritten, so lange mißzuverstehen und zu bagatellisieren versucht, so lange darauf beharrt, den Ernst seiner Koalitionspartner zu ignorieren, bis diese ihn immer lauter und in immer größerer Öffentlichkeit herausschreien mußten. Er zwang die FDP geradezu, so sehr zu übertreiben, daß sie schließlich damit selbst demonstrierte, daß sie der kleinere Partner ist. Ein Meisterstück politischer Taktik? Beileibe nein! Ganz von der Jämmerlichkeit des Schauspiels, das die Bundesrepublik in diesen Tagen weltpolitischer Krisen bietet, abgesehen: diese Koalition hat sich nicht zu festerem Verein zusammengerauft. Sie ist mühsam geflickt.
    Meine Damen und Herren, dieses „mühsam geflickt" könnte auch sehr gut als Haupttitel über dem Entwurf stehen, den der Herr Bundesfinanzminister gestern dem Hause vorgelegt hat, einem Entwurf, der mit so schönen Titeln versehen wurde, wie „Haushalt der Besinnung", „Haushalt der Sparsamkeit", „Haushalt der Stabilisierung", „Haushalt der Entspannung", und ich weiß nicht, mit welchen schönen Eigenschaften dieser Haushaltsentwurf sonst noch belegt wurde. Es will uns scheinen, daß man diesen Entwurf weit eher als einen Haushalt der Lücken bezeichnen könnte; denn er zeichnet sich vor allem durch. die Positionen aus, die nicht in ihm veranschlagt sind. Ich werde auf diesen Punkt im einzelnen noch zu sprechen kommen.
    Der Herr Bundesfinanzminister hat gestern seine Rede mit einer Bemerkung eingeleitet, die deutlicher als manches andere die anormale Lage kennzeichnet, der sich das Parlament bei der Wahrnehmung eines seiner wichtigsten Rechte, nämlich des Budgetrechtes, seit Jahren gegenübersieht. Ich sage hier auch etwas, was schon öfters gesagt worden ist, und es hat keinen polemischen, sondern einen tatsächlichen Gehalt. Ich meine die Unmöglichkeit einer rechtzeitigen Verabschiedung des Haushalts zum gesetzlich vorgeschriebenen Termin, nämlich zum Beginn des neuen Haushaltsjahres. Es gibt bisher keinen Etat der Bundesrepublik, der rechtzeitig hätte in Kraft gesetzt werden können.
    Die Schuld daran trifft sicher nicht das Parlament, das den Haushalt beraten, und zwar gründlich beraten muß, wenn es seiner Verpflichtung gerecht werden will. Sie trifft zu einem Teil die Bundesregierung, nämlich dort, wo diese auf Grund von inneren Schwierigkeiten, wie z. B. in den beiden letzten Jahren, den Haushalt mit großer Verspätung vorlegt. Entscheidender Grund allerdings, das muß ich sagen, sind die unmöglichen Fristen, die wir der Regierung und uns selber in den einschlägigen Gesetzen beschert haben. Hier muß endlich — und das ist eine Bitte, ein Wunsch, den ich mit allem Nachdruck vortrage — eine Korrektur erfolgen, wenn das Haushaltsrecht des Parlaments nicht zu einer Farce werden soll. Ich richte die Aufforderung an die Bundesregierung, von sich aus Vorschläge zu machen, die uns zu einer normalen und dem Grundgesetz gerecht werdenden Verfahrensweise in Haushaltsfragen verhelfen.

    (Abg. Dr. Conring: Aber wie?)

    — Das Wie, mein lieber Herr Kollege Conring, ist gerade die Frage, die die Bundesregierung und der Bundesfinanzminister untersuchen sollen und die das Haus dann mit ihm gemeinsam auf Grund von Vorschlägen zu den Gesetzen zu prüfen und zu entscheiden hat. Darum kommen wir nicht herum.
    Sie wissen übrigens so gut wie ich, Herr Kollege Conring, was an diesen Fristen falsch ist. Es ist nicht nur die Frist in den Gesetzen, sondern es ist zum Teil auch die Arbeitseinteilung dieses Hauses,

    (Zustimmung in der Mitte)

    und das ist die Frage, die an uns selber gerichtet ist, wenn es wirklich einmal zur Entscheidung in diesen Dingen kommt. Ich bin mir bewußt, meine Damen und Herren, daß ich das schon zum x-ten Male in diesem Hause gesagt habe und andere auch; ich will da kein Monopol für mich in Anspruch nehmen. Denn wir, die wir wirklich unmittelbar mit diesen Dingen beschäftigt sind, wissen ja, wo uns in diesem Falle der Schuh drückt. Das Unbehagen über die anormale Situation ist, glaube ich, groß genug und sollte endlich zu entscheidenden Maßnahmen führen.
    Und nun zum Haushalt selber! Er ist u. a., wie ich vorhin schon sagte, auch ein Haushalt der Stabilisierung genannt worden. Damit ist wohl gemeint, daß mit den Mitteln der Haushaltspolitik der ständigen Aufwärtsbewegung nicht nur in den öffentlichen Haushalten, sondern auch und vor allem bei den Preisen Einhalt geboten werden sollte. Bei genauerem Hinsehen allerdings erweist sich, daß diesem Ziel der Haushaltspolitik der Bundesregierung durch sie selber in einer Reihe von Punkten entgegengewirkt wird.
    Um gleich einen solchen Punkt herauszugreifen: der Herr Bundesfinanzminister hat in seiner gestrigen Rede auf das Beispiel der Schweiz hingewiesen, das nach seiner Meinung zeige, daß es für ein hochindustrialisiertes Land richtig und für den Verbraucher zumutbar sei, der Landwirtschaft neben staatlichen Hilfen ein ausreichendes Einkommen über den Preis zu schaffen. Ein ausreichendes Einkom-



    Schoettle
    men für die Landwirtschaft ist etwas, das wir Sozialdemokraten auch wünschen. Aber das, was der Herr Bundesfinanzminister gestern in diesem Zusammenhang vorgetragen hat, war doch eigentlich ein Plädoyer für Preissteigerungen gerade auf einem Gebiet, das für die großen Massen der deutschen Verbraucher wesentlich ist.

    (Beifall bei der SPD.)

    Das ist nur ein Punkt aus einer Reihe noch bedenklicherer. Ein anderer ist die Behandlung der Bundesbahn im Bundeshaushalt. Die Lage der Bundesbahn ist zu bekannt, als daß darüber noch Einzelheiten gesagt werden müßten. Die Bundesregierung hat es bisher leider unterlassen, die Bundesbahn mit einer ausreichenden Kapitalausstattung zu versehen, und so kam es zu einem permanenten Defizithaushalt der Bundesbahn. Nach § 28 des Bundesbahngesetzes muß der Bund die Defizite der Bahn ausgleichen. Seit etwa einem Jahrzehnt ist das alles bereits so. Jedes neue, nicht ausgeglichene Defizit im Haushalt der Bundesbahn belastet aber den Bundeshaushalt künftiger Jahre. Wir haben immer gefordert, daß die Bundesbahn endlich saniert wird; denn dann würde das größte Sondervermögen des Bundes saniert werden, dann würde endlich dieses Sondervermögen des Bundes über eine gesunde Kapitalstruktur verfügen, und die Bundesbahn wäre in der Lage, ihre Tarifpolitik nach ihrem eigenen Status zu bestimmen und die Tarife für Massengüter vermutlich zu senken. Eine solche Sanierung der Bundesbahn wäre eine echte I stabilisierende Maßnahme.
    Die Haltung der Bundesregierung und ihre Haushaltspolitik zwingen dagegen die Bundesbahn zu Tariferhöhungen, die zumindest im Berufverkehr zu einer wachsenden Abwanderung von der Schiene auf die Straße führen werden, die Betriebsverluste also nicht auffangen, sondern die Spannung noch vergrößern. Das gilt nicht nur für die Wirkungen auf den Berufsverkehr, es gilt auch für den Güterverkehr in einem hohen Maße. Wir meinen, daß die von der Bundesregierung bewußt verzögerte saubere Regelung der finanziellen Beziehungen zwischen Bund und Bundesbahn ein Musterbeispiel einer falschen Politik mit preierhöhenden Folgen ist.

    (Sehr richtig! bei der SPD.)

    Nicht sehr viel anders steht es bei der Post, die nach dem Postverwaltungsgesetz von ihrem Umsatz 62/3 % — das sind im Jahre 1963 etwa 400 Millionen DM — an den Bund abführen muß, dafür aber dann ein Defizit von etwa 330 Millionen DM einhandelt, das auch sie zu Tariferhöhungen zwingt. Alle diese Erhöhungen werden — dessen kann man sicher sein —nicht ohne Einfluß auf das Preisniveau bleiben; denn die von den Tariferhöhungen Betroffenen, vor allem aber die Unternehmungen der Wirtschaft werden diese höheren Kosten in ihren Kalkulationen und in ihren Preisen zum Ausdruck bringen, mit all den Konsequenzen, die sich aus einer solchen Entwicklung ergeben. Also auch hier scheint uns ein eklatanter Widerspruch zu der vorgegebenen Absicht der Stabilisierung zu liegen, die dieser Bundeshaushalt verfolgen soll.
    Überhaupt scheint uns die Grundkonzeption, die diesem Haushalt unterstellt wird, in mancher Hinsicht umstritten. An Stelle der vielen kritischen Äußerungen zitiere ich nur aus dem Wochenbericht des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung vom 26. Oktober 1962. Dort heißt es u. a. im Hinblick auf den Bundeshaushalt:
    Maßnahmen von heute sind auf die Konstellation von gestern zugeschnitten, statt sich an der Situation von morgen zu orientieren. Denn es ist schon seit längerem sichtbar, daß ein Abschnitt in der konjunkturellen Entwicklung erreicht ist, in dem die wirtschaftsimmanenten Kräfte selbst für eine fortschreitende Marktentspannung sorgen. Diese Entspannung wird schließlich bis zu den wenigen verbliebenen eigentlichen Engpaßsektoren ausstrahlen. Daher wäre erforderlich, daß die Nachfragedispositionen der öffentlichen Hand — sollen sie nicht wie früher die Überhitzung, so jetzt die Entspannung forcieren — gegen diese immanenten Kräfte und nicht mit ihnen angesetzt werden. So wenig unmittelbare Gefahren für den Moment von diesem prozyklischen Gebaren auch ausgehen, so sehr ist andererseits zu bedenken, daß durch die auf diese Weise verstärkte Unstetigkeit des wirtschaftlichen Fortschritts die langfristigen Wachstumschancen beeinträchtigt werden.
    Ich habe gesagt, daß man den Haushalt 1963 auch als einen Haushalt der Lücken 'bezeichnen kann. Nach unserer Auffassung gibt es solche Lücken im Entwurf in mehrfacher Hinsicht. Da ist einmal —und das ist eine 'bezeichnende Lücke — die Deckungslücke, ein auf dem Papier durch das Einsetzen von Einnahmepositionen herbeigeführter Ausgleich, Positionen, die noch keineswegs sicher sind unid erst ausgehandelt werden müssen. Damit meine ich die Inanspruchnahme eines höheren Bundesanteils an der Einkommen- und Körperschaftsteuer. Für den Haushalt 1962 hatte der Bundesfinanzminister bereits die Länder mit etwas mehr als 1 Milliarde DM, genau 1050 Millionen DM, in 'Anspruch genommen. Das Verfahren, das 'damals angewandt wurde, hat schließlich zu einem Erfolg geführt. Wie der Herr Bundesfinanzminister uns mitge't'eilt hat, gehen die entsprechenden Beträge von den Ländern beim Bundeshaushalt ein.
    Das Verfahren selbst war außerordentlich bedenklich. Das ist schon damals von vielen Seiten bestätigt worden. Schon .damals aber konnte die Bundesregierung auch wissen — und sie wußte es —, daß auch im Haushalt 1963 eine Lücke zu schließen sein würde. Wenn sie jetzt wiederum über das Ausmaß von 1962 hinaus ihren Anteil an der Einkommen- und Körperschaftsteuer zu Lasten der Länder erhöhen will, dann ist erstens die nunmehr angewandte Methode lebenfalls zu kritisieren; denn obwohl die Bundesregierung ein entsprechendes Gesetz nach Art. 106 des Grundgesetzes angekündigt hat, muß man doch sagen, daß es im Grunde 'die Wiederholung der Prozedur des Vorjahres ist.

    (Widerspruch bei 'der CDU/CSU.)




    Schoettle
    Man verhandelt eben mit den Ländern nicht anders als unter dem Druck bereits in den Haushalt eingesetzter Summen.

    (Abg. Etzel: Es wird doch ein Gesetz vorgelegt!)

    — Ja, es wird vorgelegt, Herr Kollege Etzel, das ist durchaus richtig. Aber inzwischen hat man bereits die Summen in 'den Haushalt eingesetzt. Die Länder äußern sich jetzt — das wissen Sie auch — am laufenden Band zu diesem noch nicht vorhandenen Gesetz und der ihm zugrunde liegenden Forderung.
    Zweitens füge ich hinzu: Es ist absolut nicht sicher, daß die höhere Inanspruchnahme notwendig und gerechtfertigt ist. Mein Freund Dr. Alex Möller wird sich in dieser Debatte sehr eingehend mit dieser Seite des Haushalts und insbesondere mit den finanz- und steuerpolitischen Fragen beschäftigen, denen ja auch 'der Herr Bundesfinanzminister gestern einen großen Teil seiner 'Redegewidmet hat.
    Ich möchte für meinen Teil nur darauf hinweisen, daß die Länder — und dabei insbesondere die von der CDU/CSU geführten — sich bereits sehr nachdrücklich gegen die 'Erhöhung des Bundesanteils an der Einkommen- und Körperschaftsteuer über das Maß von 1962 hinaus gewandt haben. Es 'ist allzu leicht und bequem, von den vollen Kassen der Länder zu sprechen, ohne zugleich zu bedenken, daß die Länder gerade in der letzten Zeit 'beträchtliche Mehrleistungen sowohl für den Bund wie auch für die ihnen zu treuen Händen anvertrauten Gemeinden zu erbringen hatten.
    Daß das nicht leere Behauptungen sind, möchte ich Ihnen an einigen Beispielen beweisen. Was die Mehrleistungen der Länder für den Bund betrifft, so ist zu sagen: Die für den Bundeshaushalt 1962 ursprünglich vorgesehenen Mittel für die Förderung der Atomforschung in Höhe von 46,7 Millionen DM sind auf 37,7 Millionen DM gekürzt worden. Die wissenschaftlichen Hochschulen konnten daher nur niedrigere Beträge, als erwartet, bekommen. Die Länder mußten zusätzlich Beträge im Nachtragshaushalt 1962 zur Verfügung stellen. Das wird sich 1963 und in ' den folgenden Jahren fortsetzen.
    Das Kulturabkommen zwischen Bund und Ländern sieht vor, daß Bund und Länder zum Ausbau der wissenschaftlichen Hochschulen in der Zeit von 1963 bis 1967 jährlich je 250 Millionen DM, zusammen also 500 Millionen DM, bereitstellen. Für den Ausbau der wissenschaftlichen Hochschulen ist im Entwurf des Bundeshaushalts bei Kap. 06 02 Tit. 616 ein Ansatz von 220 Millionen DM vorgesehen. Bei der angespannten Haushaltslage, so sagt man, konnte ein höherer Betrag nicht angesetzt werden. Aber praktisch bedeutet das, daß schon im Anlaufen dieses Abkommens der Bund hinter den von ihm übernommenen Leistungsverpflichtungen um 30 Millionen DM zurückbleibt.
    Die Mittel für die Durchführung des Honnefer Modells wurden bisher vom Bund mit zwei Drittel und von den Ländern mit einem Drittel aufgebracht. Für 1963 ist bereits unabhängig von dem vorgesehenen Verwaltungsabkommen vereinbart worden, daß Bund und Länder je die Hälfte der Mittel bereitstellen. Dementsprechend ist im Haushaltsentwurf bei Kap. 06 02 ein Betrag von 56 Millionen DM veranschlagt worden, der dem 50-v.-H.-Anteil des Bundes entspricht. Gegenüber dem Rechnungsjahr 1962 hat sich dabei eine Einsparung von 22 Millionen DM ergeben, für die die Länder eintreten.
    Schließlich das Siedlungsprogramm! 1961 entfallen von diesem Programm auf Hessen 66,2 Millionen DM Bundesmittel, Landesanteil 7,3 Millionen DM. 1962 hat der Bund seine Mittel vermindert, so daß das Land, um dieses Programm für Hessen durchführen zu können, sich im Verhältnis 2 zu 1 beteiligen müßte. Hessen müßte weitere 11,5 Millionen DM bereitstellen. Einen Teil hat es bereits im Nachtragshaushalt vorgesehen. Da das Programm 1963 erweitert werden soll, werden bei einem Beteiligungsverhältnis von 2 zu 1 die Landesmittel noch erhöht werden.

    (Sehr gut! bei der CDU/CSU.)

    Im Haushaltsentwurf 1963 des Landes BadenWürttemberg, also keines sozialdemokratisch geführten Landes, sind folgende Positionen vorgesehen: Darlehen des Bundes zur Finanzierung des Wohnungsbaues zugunsten von Zuwanderern aus den sowjetisch besetzten Gebieten — Aussiedler und Gleichgestellte — 1962 72 Millionen DM, 1963 24 Millionen DM, also eine Minderung um 48 Millionen DM; Darlehen aus dem Lastenausgleichsfonds für Wohnraumhilfe der Geschädigten 1962 3 Millionen DM, 1963 500 000 DM, eine Minderung der Bundesleistung um 21/2 Millionen DM; dagegen aber Darlehen des Landes an die Landeskreditanstalt zur Förderung des Wiederaufbaus und zur Wohnraumbeschaffung, also für die Zwecke, für die der Bund seine Leistung gemindert hat, 1962 100 Millionen DM, 1963 123 Millionen DM, also eine Mehrung um 23 Millionen DM. Das sind Leistungen, die die Länder — was hier für Hessen und Baden-Württemberg gesagt worden ist, trifft auch auf die anderen Länder zu — dem Bund abgenommen haben.
    Auf der anderen Seite haben die Länder ihre Leistungen an die Gemeinden in den letzten Jahren beträchtlich verstärkt, verstärken müssen, weil die Gemeinden einfach nur dann in der Lage waren, ihre Aufgaben zu erfüllen, wenn sie stärker aus Landesmitteln bezuschußt wurden. Auch wieder ein Beispiel aus dem Lande Baden-Württemberg. Im Jahre 1958 betrug die Summe aus dem Steuerverbund Einkommen- und Körperschaftsteuer, die dem Lande Baden-Württemberg zur Verfügung stand, 340,4 Millionen DM, aus dem Kraftfahrzeugsteuerverbund 16,6 Millionen DM und ,aus Leistungen für vornehmlich kommunale Aufgaben 144,6 Millionen DM, zusammen also 501,6 Millionen DM. Das waren 145,28 °/o, verglichen mit dem Jahre 1954. 1962 hat das Land Baden-Württemberg einen Betrag von 749,3 Millionen DM aus dem Einkommen- und Körperschaftsteuerverbund, von 76 Millionen DM aus dem Kraffahrzeugsteuerverbund und für vornehmlich kommunale Aufgaben darüber hinaus 341,5 Millionen DM zur Verfügung gestellt, insgesamt 1166,8



    Schoettle
    Millionen DM oder 316,43 % der Leistungen des Jahres 1954.

    (Abg. Dr. Stoltenberg: Herr Schoettle, ist das nicht Ausdruck eines ungemein gestiegenen Wohlstandes des Landes; denn der Steuerverbund hat sich prozentual doch nicht verändert?)

    — Herr Kollege Stoltenberg, das ist eine These, die Sie aufstellen! Daß die Länder nicht arm geworden sind, darüber brauchen wir uns wohl nicht zu streiten. Daß sie ihre Leistungen an die Gemeinden erhöht haben, ist natürlich zum Teil mit Ausfluß der Tatsache, daß ihre Steuereinkünfte nicht unbeträchtlich gewachsen sind. Das will ich nicht leugnen. Aber Tatsache ist, daß sie diese Leistungen vollbracht haben. Sie mußten sie vollbringen, weil die Gemeinden sie brauchten.

    (Abg. Dr. Conring: Und sie konnten sie vollbringen, weil sie volle Kassen hatten!)

    Überlegen wir uns einmal die Ausgabensteigerungen bei den Ländern. Ich will es auch an dem Beispiel von Baden-Württemberg exemplifizieren. Es hat einen Sinn, daß man sich auch das einmal ansieht. Die Ausgabensteigerungen lassen sich in folgende Gruppen zusammenfassen. Die Personalausgaben haben sich um 16,2 % gesteigert. Ich glaube, das ist ein durchaus normaler Prozentsatz. Er entspricht den allgemeinen Steigerungstendenzen unserer gesamten Volkswirtschaft. Die Ausgaben für Schule und Wissenschaft haben sich gegenüber 1961 um 32,5 % erhöht, und die Leistungen an die Gemeinden haben sich gegenüber 1961 um 64,3 % erhöht. Auch hier kann man sagen, daß die Länder — in diesem Falle spreche ich nur von Baden-Württemberg — Aufgaben erfüllen, von denen allgemein bekannt ist, daß sie absolut vordringlich sind und daß wir bei ihrer Erfüllung auf weiten Gebieten in einem bedauerlichen und bedrohlichen Rückstand sind. Ich denke nur an Schule und Wissenschaft.

    (Beifall bei der SPD.)

    Das sind Beispiele aus Ländern, deren politische Führung teils bei der Sozialdemokratie, teils bei der CDU liegt. Wir sind überzeugt, daß gleiches oder ähnliches auch für die übrigen deutschen Länder gilt.
    Zu diesem Punkt will ich abschließend noch zitieren, was der Finanzminister des Landes RheinlandPfalz bei seiner Haushaltsrede am 2. Oktober 1962. sagte. Er führte aus:
    Ich kann für uns nur sagen — das ist der Punkt, auf den es in diesem Zusammenhang ankommt —, daß der Etatausgleich 1963 bei einer Erhöhung des Bundesanteils, wie zu hören ist, auf 40 oder 41 % nicht möglich wäre.
    — Herr Glahn sprach vom Etat des Landes Rheinland-Pfalz. —
    Eine solche Erhöhung würde bedeuten, daß das Land 80 bis 90 Millionen DM an Steuereinnahmen und weitere 30 bis 35 Millionen DM an Zuweisungen aus dem horizontalen Finanzausgleich verlieren würde. Das sind Beträge, die Rheinland-Pfalz sicher nicht verkraften
    könnte und die sicherlich auch nicht ohne Auswirkungen auf die Leistungen des Landes an seine Gemeinden bleiben würden.
    Daß die letztere Bemerkung des Herrn Finanzministers Glahn keine Drohung, sondern eine beinahe sicher zu erwartende Realität sein wird, daß nämlich die Auseinandersetzung zwischen Bund und Ländern um ihren Anteil an der Einkommen- und Körperschaftsteuer schließlich auf dem Rücken der Gemeinden geführt würde, das veranlaßt uns Sozialdemokraten, der beabsichtigten Erhöhung des Bundesanteils auf 40,5 % entschieden entgegenzutreten.

    (Beifall bei der SPD. — Abg. Dr. Stoltenberg: Jetzt warten wir auf Ihre Sparvorschläge, Herr Schoettle!)

    — Warten Sie! Sie warten nicht vergebens.

    (Abg. Niederalt: „Nicht Aufgabe der Opposition", was?)

    — Das könnte man auch sagen.
    Der Herr Bundesfinanzminister hat in seiner gestrigen Rede davon gesprochen, daß der Bund mit der Anrufung des Art 106 des Grundgesetzes eine pragmatische Lösung für die im Augenblick vordringlichsten Finanzprobleme suche. Auch wir sind für pragmatische Lösungen. Aber wenn der Herr Finanzminister dann erklärte, daß ihm in der gegenwärtigen Situation die pragmatische Lösung realistischer erscheine als der Versuch, ein Modell einer idealen Finanzverfassung in die Wirklichkeit umzusetzen, so scheint uns das der ausgesprochene Opportunismus eines Finanzministers zu sein und zugleich — das muß ich hinzufügen — ein Grabgesang auf die so viel berufene und von allen Seiten geforderte Finanzreform,

    (Sehr richtig! bei der SPD)

    bei der es übrigens gar nicht um das Modell einer idealen Finanzverfassung geht, sondern um eine den Realitäten unseres heutigen staatlichen Lebens besser gerecht werdende Finanzverfassung als die im Augenblick gültige.
    Ich ziehe aus diesem Teil meiner Betrachtungen die Bilanz und komme zu dem Ergebnis, daß der von der Bundesregierung vorgelegte Haushaltsentwurf nicht ausgeglichen ist; denn für die 2 Milliarden DM, die der Herr Finanzminister als Mehr aus der Einkommen- und Körperschaftsteuer erwartet, gibt es, wenigstens vorläufig, keine gesetzliche Grundlage.
    Nun einige Bemerkungen zu dem, was ich die Lücken in diesem Entwurf genannt habe. Ich kann diese Lücken sicher nicht erschöpfend darstellen. Es handelt sich dabei um diejenigen Aufgaben, die für jedermann, auch für die Bundesregierung, sichtbar sind, die in diesem Haushalt aber keinen Niederschlag gefunden haben.
    Da steht an erster Stelle das sogenannte Sozialpaket. Was immer man über seinen Inhalt denken mag, vom Standpunkt des Haushalts aus ist dazu zu sagen, daß die Methode, die die Bundesregierung in diesem Fall. anwendet, nach unserer Meinung,



    Schoettle
    milde ausgedrückt, nicht haushaltsehrlich ist. Denn die Finanzierung dieses Sozialpakets wird, anstatt daß man ihren Aufwand, der doch offenbar in Umrissen errechenbar ist — denn es wird ja von der einen Milliarde gesprochen —, in den Haushalt einstellt, nach den Worten des Herrn Bundesfinanzministers auf künftige Preissteigerungen und daraus erwachsenden höheren Steueraufkommen aufgebaut.
    Ganz abgesehen davon, daß auch da ein eklatanter Widerspruch zu dem angeblichen Stabilisierungscharakter des Haushaltsentwurfs besteht, muß dazu gesagt werden: Hier werden neue Sozialgesetze des Bundes mit einem Aufwand für den Bundeshaushalt von mehr als einer Milliarde DM als Faktum angesehen, und es wird angekündigt, daß hierfür ein Nachtragshaushalt eingebracht wird. Dieser Nachtragshaushalt aber wird auf die gleichen finanziellen Probleme — man kann auch sagen „Scheinprobleme", wenn man die Erfahrungen mit dem Nachtragshaushalt 1962 in Rechnung stellt — stoßen wie die sofortige Einbeziehung des Vorhabens in den regulären Haushalt. Entweder sind die zusätzlichen Sozialausgaben mit den bisherigen Einnahmequellen zu finanzieren — und nach unserer Meinung sind sie es —, oder sie verlangen Steuererhöhungen bzw. eine stärkere Verschuldung des Bundeshaushalts. Die Ankündigung kann also entweder nur als Hinweis an den Bundestag aufgefaßt werden, die Sozialgesetze während der Haushaltsberatungen zu etatisieren — dann müssen aber auch die vorhandenen Einnahmereserven aufgezeigt werden —, oder als ein leeres Versprechen an die potentiell Begünstigten.
    In der Rede des Herrn Bundesfinanzministers begegnete uns übrigens eine Gleichung, die bisher in dieser Weise selten verwendet worden ist. Er gruppierte die großen Positionen des Haushalts in zwei Kategorien: die Aufwendungen für die äußere Sicherheit, die mehr als ein Drittel der Gesamtausgaben des Bundes ausmachen, nämlich 35,3 %, und die Aufwendungen für die innere Sicherheit, worunter in erster Linie soziale Sicherung verstanden worden ist, mit einem Gesamtaufwand von etwas über 15 Milliarden DM oder 27,3 % der Gesamtausgaben, wobei die Aufwendungen für das Sozialpaket noch nicht mitgerechnet sind.
    Über unsere Haltung zu den Fragen der äußeren Sicherheit, die in ihrer Hauptsache Verteidigungsfragen sind, habe ich vor wenigen Monaten, im März dieses Jahres, anläßlich der Haushaltsberatungen für den Haushalt 1962 hier Ausführungen gemacht, aus denen klar hervorgeht, daß wir zu den dafür notwendigen Aufwendungen positiv stehen, ohne freilich darauf verzichten zu können, diese Aufwendungen im einzelnen auf ihre Notwendigkeit, Zweckmäßigkeit und Unausweichlichkeit hin zu prüfen, soweit das innnerhalb der Grenzen der Sicherheit möglich ist, und daß wir nicht den Verteidigungshaushalt als unantastbar ansehen können. Dabei bleiben wir, gerade angesichts der Tatsache, daß von dieser Seite her durch bereits angekündigte Mehrforderungen, die an die Milliardengrenze herangehen, der Plafond gesprengt zu werden droht, den die Bundesregierung auf 56,8 Milliarden DM beziffert hat.
    Was nun die Probleme der inneren Sicherheit angeht, so möchte ich dazu vom sozialdemokratischen Standpunkt folgendes bemerken. In der Tat ist das, was wir zur sozialen Ordnung unternehmen oder unterlassen, von großer Bedeutung für die gesellschaftspolitische Stabilisierung unseres Landes. Dieser Gedanke muß sich auch in der Bewältigung der großen Ausgabenblöcke und der Beziehung, die unter ihnen besteht, widerspiegeln.
    Beurteilen wir den Bundeshaushalt im Lichte der Sozialpolitik, so ergeben sich zwei wichtige Gesichtspunkte. Erstens: Es handelt sich dabei nicht um abstrakte Zahlen, sondern hinter dem Sozialaufwand stehen Menschen, für die diese Sozialleistungen die wesentliche Grundlage ihrer Existenz darstellen. Zweitens: Das Gewicht des Finanzaufwandes für die Sozialleistungen kann nur dann hinreichend beurteilt werden, wenn er in Beziehung gesetzt wird zu dem Sozialprodukt im ganzen und insbesondere zum Ausmaß des Bundeshaushalts.
    Eine solche Betrachtung ergibt dann folgendes Bild. Der Anteil der Sozialleistungen aus Mitteln des Bundes ist auf 22,9 % der Bundesausgaben herabgesunken, nachdem er noch im Jahre 1953 fast 32 v. H. der Bundesausgaben betragen hat.

    (Hört! Hört! bei der SPD.)

    Auch gemessen am Bruttosozialprodukt sind die Sozialausgaben des Bundes rückläufig. Noch eine dritte Zahl: Alle Sozialleistungen, des Bundes, der Länder, der Gemeinden und der Sozialversicherung, werden sich nach den Vorausschätzungen im Laufe des Jahres 1963 auf kaum mehr als 12 % des Bruttosozialproduktes belaufen und mit diesem Anteil dem niedrigsten Stand seit der Errichtung der Bundesrepublik äußerst nahe kommen.
    Den dringenden Fragen nach der Weiterentwicklung der sozialen Leistungen versucht sich die Bundesregierung seit langem mit der allgemeinen Formel vom „Sozialpaket" zu entziehen. Wir erleben das seit einem Jahr. Ich will das an zwei hervorragenden Beispielen deutlich machen.
    Initiativen zur Verbesserung der Kriegsopferversorgung und des Familienausgleichs sind bisher nicht verwirklicht worden. Tatsache ist, daß der Ansatz für die Kriegsopferversorgung im neuen Haushalt um 320 Millionen DM niedriger ist als das IstErgebnis des Jahres 1961

    (Hört! Hört! bei der SPD)

    und daß sich zum andern die Zahl der Personen, für die Zweitkindergeld gewährt wird, um über 300 000 vermindert hat. Die These der Regierung von heute scheint zu lauten: weiter warten.
    Ferner muß mit allem Nachdruck darauf hingewiesen werden, daß zu den vordringlichen Gemeinschaftsaufgaben nicht e i n überzeugendes Wort in der Rede des Herrn Bundesfinanzministers gesagt worden ist. Hinsichtlich der Gesundheitspolitik wurden wir im wesentlichen nur wieder mit den Zuständigkeitsproblemen des neugebildeten Ministeriums konfrontiert. Zu der Tatsache selbst und zur



    Schoettle
    Frage eines sinnvollen Beitrags zur Volksgesundheit hören wir nichts.
    Das gleiche trifft zu für die alle Industrienationen in unserer Zeit bewegende Frage, wie denn nun eigentlich die sozialen Voraussetzungen für die Ausbildung und somit für den beruflichen, kulturellen und sozialen Aufstieg der Menschen in unserem Lande verbessert werden können und sollen. Es scheint uns ein unerträglicher Zustand, daß draußen im Land über diese Frage geredet, aber bei der Gestaltung des Bundeshaushalts nicht sichtbar gemacht wird, wie die Worte in die Tat umgesetzt werden sollen.

    (Beifall bei der SPD.)

    Zu den nach unserer Meinung im Bundeshaushalt bestehenden Lücken oder ungenügend ausgestatteten Positionen gehört auch der Verkehr. Es ist nicht ohne Grund gesagt worden, daß die Verkehrswirtschaft im Haushalt 1963 unterentwickeltes Gebiet geblieben sei. Ich könnte mich dabei auch auf die Klagen eines Mitglieds der Bundesregierung beziehen. Der Herr Bundesverkehrsminister hat in den vergangenen Monaten mehr als einmal im Hinblick auf den Haushalt 1962 Alarmrufe ausgestoßen. Die Lage im Haushalt 1963 ist nicht besser geworden; denn die Haushaltsansätze halten sich auf der Vorjahreshöhe. Sie tragen aber damit den wirklichen Erfordernissen in der Verkehrswirtschaft nicht im geringsten Rechnung. Im Straßenbau setzt die Bundesregierung die Politik der Aushöhlung der Zweckbindung der Mineralölsteuer fort.

    (Abg. Dr. Dr. h. c. Dresbach: Sehr gut!)

    — Ich danke Ihnen, Herr Kollege Dresbach. Ich nehme an, daß Sie in diesem Fall einen anderen Standpunkt einnehmen als ich.

    (Abg. Dr. Dr. h. c. Dresbach: Das dürfte Ihnen bekannt sein!)

    — Das ist mir in der Tat bekannt. Ich kenne Ihre Überlegungen zur Frage der Zweckbindung überhaupt, und eben darum handelt es sich.

    (Abg. Niederalt: Da dürften Sie eben auch nicht viel anders denken!)

    — Woher wissen Sie das, Herr Kollege Niederalt?

    (Abg. Niederalt: Ich glaube, Sie so gut zu kennen!)

    — Ich glaube, Sie sind in diesem Punkt im Irrtum; Sie kennen mein Innerstes nicht.
    Jedenfalls, meine Damen und Herren, wurde im Jahre 1962 der Straßenbau — angeblich aus konjunkturpolitischen Gründen — in die 20 %ige Mittelsperre einbezogen. Sie erinnern sich alle daran, wie in diesem Hohen Hause vor allem von meinen Kollegen Ritzel und Bleiß gegen diese Einbeziehung der Straßenbaumittel in die Sperre gekämpft worden ist, obwohl alle fachkundigen Stellen mit dem Bundesverkehrsminister an der Spitze, so kann man sagen, darüber einig waren, daß im Straßenbau von einer Konjunkturüberhitzung nicht die Rede sein könne.

    (Zurufe von der CDU/CSU: Na, na!)

    — Was heißt hier „na, na"? Es gibt gewisse Tatbestände, die sich nicht leugnen lassen, und auf der anderen Seite bestimmte Situationen im Straßenverkehr, die auch nicht zu leugnen sind.

    (Beifall bei der SPD. — Abg. Etzel: Die Baukapazität ist doch nicht hoch genug!)

    Damals hat der Bundesfinanzminister versichert, daß es sich nur um eine vorläufige Sperre handle. Aber der Nachtragshaushalt für das Jahr 1962, der diesem Hause vorliegt, verwandelt die Sperre von 180 Millionen DM in eine echte Kürzung. Die 180 Millionen DM wandern in den Topf der allgemeinen Haushaltsdeckung. Für das Jahr 1963 werden schon gar keine konjunkturpolitischen Motive mehr vorgebracht. Diesmal werden die Straßenbaumittel auf der Vorjahreshöhe blockiert, und das Mehraufkommen aus der Mineralölsteuer wird für die allgemeine Deckung verwendet.

    (Abg. Dr. Dr. h. c. Dresbach: Schicksal aller Zweckbindung, Herr Kollege Schoettle!)

    — Herr Kollege Dresbach, man sollte bestimmte Dinge auch einmal im Lichte der wirklichen Erfordernisse der Zeit sehen und nicht nur unter theoretischen Gesichtspunkten.

    (Beifall bei der SPD.)

    Ob die Bundesregierung mit einer Vernachlässigung des Straßenbaues den von ihr erstrebten Zweck der Stabilisierung erreicht, erscheint mehr als zweifelhaft. Ganz abgesehen davon wäre auch einmal die Frage ganz ernsthaft zu erwägen, ob das Zurückbleiben des Straßenbaues weit hinter den Bedürfnissen eines ständig wachsenden Verkehrs nicht auch unter verteidigungspolitischen Gesichtspunkten ein großer Fehler ist.

    (Zuruf von der Mitte.)

    Straßen dienen ja bekanntlich nicht nur dem zivilen
    Verkehr. Eine Verteidigungsorganisation, deren
    Transportmittel auf schlechten und engen Verkehrswegen steckenbleiben, ist der Gefahr des Zusammenbruchs im Ernstfall schon im Anlauf ausgesetzt.

    (Abg. Dr. Vogel: Oh, das ist ja eine ganz neue Masche!)

    — Nein, mein lieber Herr Kollege, das ist gar keine neue Masche, sondern das ist einfach eine Tatsache. Lassen Sie sich einmal schildern, wie z. B. auf dem Heuberg die Straßen in der Umgebung des großen Truppenübungslagers aussehen. Und stellen Sie sich vor, wie dann die Situation wäre, wenn die dort stationierten Truppen in diesen Straßen stecken- und hängenblieben! Sie würden Wunder erleben.

    (Zurufe von der SPD.)

    Die andere Seite des gegenwärtigen Zustandes unseres Straßennetzes ist ebenso betrüblich wie volkswirtschaftlich bedenklich. Die hohe Zahl der Verkehrstoten ist alarmierend und allen bekannt. Aber schließlich summieren sich auch andere Dinge, nämlich größerer Verschleiß und unnötig großer Verbrauch an Kraftstoff zusammen mit der zusätzlichen Verunreinigung der Luft und den immer wieder entstehenden Fahrzeugschlangen, auch volks-



    Schoettle
    wirtschaftlich gesehen, zu beträchtlichen Größen. Ich glaube, die Sachverständigen auf diesem Gebiete könnten Rechnungen aufmachen, die die volkswirtschaftlich Veranwortlichen zum Nachdenken veranlassen müßten.

    (Abg. Dr. Dr. h. c. Dresbach: Herr Schoettle, wollen Sie nicht auch die Alkoholisierung mancher Kraftfahrer in diese Betrachtungen einziehen?)

    — Ich bin selber Kraftfahrer, Herr Kollege Dresbach, und ich weiß — —