Herr Kollege, offen gestanden habe ich den tieferen Sinn dieser Frage nicht begriffen.
Ich muß jetzt ganz präzis sagen: die Behauptungen, die allenfalls zum Gegenstand einer Klage gegen Kapfinger hätten gemacht werden können, stammen eben aus diesem Kreis von Wind- und Goldmachern, und welches Gericht wird auf deren Aussagen ,noch irgendein Urteil stützen können? Keines!
Das Risiko liegt in der Sache und in den miserablen Zeugen. Nein, wenn mich der Herr Bundesverteidigungsminister etwa ihm raten ließe, dann würde
ich sagen, keinesfalls ließe ich mich, wenn schon ein planmäßiger Hetzfeldzug gegen ihn stattfindet — das ist nicht gegen Sie gemeint, meine Herren —, wenn schon ein planmäßiger Hetzfeldzug stattfindet, ließe ich mich dazu verführen, wegen jeder dieser Behauptungen Strafantrag zu stellen, einstweilige Verfügungen zu beantragen und mich in einen Wirbel von Prozessen verwirren zu lassen, in dem die Nerven, das Amt und zuletzt der Mensch zugrunde gehen.
Und Sie, meine Herren von der SPD, erinnern Sie sich an die Jahre der Weimarer Republik!
Erinnern Sie sich, wie hochangesehene und verdiente Leute Ihrer Partei,
— Ebert und andere, Noske — vergeblich Rechtsschutz, wirksamen Rechtsschutz vor dem Gericht gesucht haben.
Und: Seien Sie objektiv! Wie ich überhaupt sagen muß, meine Damen und Herren von der Opposition: denken Sie in diesem und in anderen ähnlichen Komplexen daran: Nach dem Maß, mit dem ihr messet, werdet ihr gemessen werden.
D e r Zustand der öffentlichen Meinung und des öffentlichen Rechtsschutzes, von dem ich jetzt spreche, der geht auf unser aller Kosten,
auf die Kosten der Demokratie, auf die Kosten der Politiker, auf die Kosten der Glaubwürdigkeit, und es ist nur ein Zufall, wen es zuerst trifft.
Wie ich überhaupt noch dazu sagen möchte: Die Demokratie wie jede überhaupt handlungsfähige Gesellschaft braucht eine gewisse Homogenität, eine gewisse gegenseitige Achtung, ein gewisses gegenseitiges Vertrauen. Das sage ich jetzt nicht nur zu Ihnen, das sage ich in der Tat zu allen. Es kann kein Parlament leben, wenn es aus der Verdächtigung lebt; weder hier noch hier.
Ich habe immerhin in einigen Jahrzehnten meiner Tätigkeit im Gerichtssaal doch wirklich etwas gelernt, was ich am Anfang auch noch nicht wußte; das, was jener Italiener sagte: die Strafprozeßordnung sei eine codice dei galantuomini. Solange jemand nicht verurteilt ist, gilt er als galantuomo, als Gentleman, als Ehrenmann. Erst für den Verurteilten gilt das Strafrecht. Nun, was schon für Angeklagte im Gerichtssaal gilt, meine Herren, das sollte unter uns aber auch gelten: daß einer als Ehrenmann gilt, solange ihm nicht nachgewiesen ist, daß er keiner ist;
1900 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 43. Sitzung. Bonn, Donnerstag, cien 25. Oktober 1962
Dr. h. c. Güde
daß einer ein Ehrenmann auch dann noch ist, wenn die Verdächtigungen gegen ihn hageln. Und bitte, meine Damen und Herren, seien Sie doch ehrlich: Was ist aus der Wolke Fibag und dieser Verdächtigung geblieben? Bitte, seien Sie ehrlich! Ich sage noch einmal: nichts!
— Bitte, etwas, was Sie mit dem doch sehr sterilen Namen „Pflichtverletzung" bedenken, aus der nach meiner Überzeugung dem Minister wirklich kein Vorwurf gemacht werden kann. Was brauchen Sie für künstliche Begriffe wie Zuständigkeit, um überhaupt zu der Pflichtverletzung zu kommen! Ich sage Ihnen noch einmal: Was Sie hier als Rest übrigbehalten haben, ist ein Pseudodisziplinarverfahren, das es in dieser Sphäre des Verhältnisses zwischen Parlament und Ministern überhaupt nicht geben sollte.
Nein, meine Damen und Herren, ein Stück gegenseitigen Vertrauens, ein Stück gegenseitigen Schutzes auch für einen Minister! Und wenn Sie in dieser Weise angegriffen werden, meine Damen und Herren, — ich sage Ihnen, ich werde auch für den von Ihnen eintreten und für seinen guten Ruf, weil ich ihn für einen Ehrenmann halte, solange nicht das Gegenteil feststeht. Nur so kann ein Parlament leben.
Dagegen ist nicht so sehr in diesem Hause, aber im großen Hause dieses deutschen Volkes und in seiner Offentlichkeit gegen diesen Minister auf eine grausame Weise gesündigt worden.
Solange ich Staatsanwalt war und noch nicht die Ehre hatte, in diesem Hause zu sprechen, habe ich meinen jüngeren Kollegen immer gesagt: Wenn eure Anklage sich nicht als wahr erweist, meine Herren Kollegen, dann habt den Großmut und die Großzügigkeit, das offen zu sagen und euch zu freuen, daß jemand von dem Verdacht gereinigt worden ist.
Meine Damen und Herren, das habe ich doch ein ganz klein wenig bei Ihnen, Herr Kollege Jahn, vermißt. Ich habe ein wenig die Bereitschaft vermißt, zuzugeben, daß in Wirklichkeit kein Vorwurf im Raum steht, der dem Minister das Vertrauen des Parlaments kosten könnte, und erst recht kein Vorwurf, der ehrenrührig wäre, erst recht kein Vorwurf, daß er Recht oder Gesetz verletzt habe. Ich sage Ihnen — ich sage das nicht, weil ich Angehöriger der CDU bin, sondern weil es meine Überzeugung ist und weil ich glaube, dem Minister das schuldig zu sein, aber als Mann zu Mann und nicht, weil ich in irgendeiner sonstigen Beziehung zu ihm stehe; ich glaube, es ihm schuldig zu sein —, daß er aus dieser Angelegenheit völlig sauber hervorgegangen ist,
daß seine Integrität vollkommen unangetastet bleibt.
Es darf niemand sagen, es sei ihm etwa nur nicht nachgewiesen.
— Nein, Sie haben es nicht behauptet. Ich sage es auch nur, um etwas, was Sie nicht behauptet haben, nun positiv zu sagen. Es darf niemand behaupten, hier sei es etwa nur nicht nachgewiesen, sondern für denjenigen, der mit unbefangenen Augen liest und unbefangen hört und die Dinge abschätzt, gibt es nicht das Mindeste von Verdacht eines Eigennutzes. Es ist völlig offenkundig, daß der Minister geglaubt hat, besten Glaubens war, die Interessen der Bundesrepublik so am besten zu wahren. Das können Sie nicht bestreiten.
Ich sage nicht umsonst — da es seinen guten Sinn hat, es wenigstens vor der Offentlichkeit dieses Hauses festzustellen —, daß es für einen vernünftigen Menschen nicht den geringsten Anhaltspunkt eines Verdachts dafür gibt, daß der Minister sich oder einen anderen habe bereichern wollen.