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    Deutscher Bundestag 41. Sitzung Bonn, den 12. Oktober 1962 Inhalt: Aussprache über die Erklärung der Bundesregierung Majonica .(CDU/CSU) . . . . . 1747 A Wehner (SPD) . . . . 1751 A, 1784 B Dr. Adenauer, Bundeskanzler . . . 1759 D Döring (Düsseldorf) (FDP) . . . . 1761 B Freiherr zu Guttenberg (CDU/CSU) 1763 D Dr. Schröder, Bundesminister . . 1770 A Erler (SPD) 1773 B Dr. Gradl (CDU/CSU) 1780 C Wacher (CDU/CSU) 1784 B Zur GO Schmitt-Vockenhausen (SPD) . . . 1786 C Antrag der Fraktion der SPD betr. Überbrückungszulage für die Beamten und Versorgungsempfänger des Bundes (Drucksache IV/509) 1786 C Nächste Sitzung 1786 D Anlagen 1787 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 41. Sitzung. Bonn, Freitag, den 12. Oktober 1962 1747 41. Sitzung Bonn, den 12. Oktober 1962 Stenographischer Bericht Beginn: 9.02 Uhr
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    *) Siehe Anlage 2 Anlage 1 Liste der beurlaubten Abgeordneten Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich Frau Albertz 3. 11. Arndgen 12. 10. Dr. Arndt (Berlin) 12. 10. Dr. Aschoff 12. 10. Dr. Atzenroth 12. 10. Bading 12. 10. Baier (Mosbach) 12. 10. Bauer (Wasserburg) 26. 10. Bausch 20. 10. Benda 12. 10. Biermann 12. 10. Dr. Birrenbach 16. 10. Dr. h. c. Brauer 12. 10. Brese 12. 10. Burckardt 12. 10. Dr. Burgbacher 12. 10. Dr. Czaja 12. 10. Dopatka 12. 10. Engelbrecht-Greve 12. 10. Figgen 13. 10. Frau Dr. Flitz (Wilhelmshaven) 12. 10. Dr. Frey (Bonn) 12. 10. Dr. Dr. h. c. Friedensburg 28. 11. Geiger 12. 10. Gerns 12. 10. Gewandt 12. 10. Dr. Gleissner 12. 10. Dr. Götz 12. 10. Günther 12. 10. Dr. Hamm (Kaiserslautern) 12. 10. Dr. Harm (Hamburg) 1. 11. Harnischfeger 12. 10. Heiland 12. 10. Dr. Dr. Heinemann 12. 10. Hellenbrock 12. 10. Dr. Hesberg 12. 10. Hirsch 12. 10. Jacobi (Köln) 12. 10. Jacobs 12. 10. Junghans 12. 10. Dr. Jungmann 12. 10. Killat 12. 10. Dr. Kliesing (Honnef) 12. 10. Dr. Koch 12. 10. Kraus 12. 10. Dr. Kreyssig 12. 10. Kriedemann 12. 10. Freiherr von Kühlmann-Stumm 12. 10. Kühn (Bonn) 31. 12. Kuntscher 31. 10. Kurlbaum 12. 10. Lange (Essen) 12. 10. Leber 20. 10. Lenz (Bremerhaven) 12. 10. Lenze (Attendorn) 12. 10. Dr. Löbe 12. 10. Dr. Lähr 12. 10. Lünenstraß 12. 10. Anlagen zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich Dr. Mälzig 12. 10. Frau Dr. Maxsein 12. 10. Dr. h. C. Menne (Frankfurt) 12. 10. Metzger 12. 10. Michels 12. 10. Dr. h. c. Dr.-Ing. E. h. Möller 12. 10. Dr. Morgenstern 12. 10. Müller (Nordenham) 12. 10. Müller (Worms) 12. 10. Murr 12. 10. Oetzel 31. 10. Rademacher 31. 10. Ramms 12. 10. Sander 12. 10. Dr. Schäfer 12. 10. Spitzmüller 12. 10. Steinhoff 13. 10. Stooß 12. 10. Storch 12. 10. Striebeck 12. 10. Dr. Freiherr 12. 10. von Vittinghoff-Schell Dr. Wahl 15. 11. Walter 12. 10. Wehking 3. 11. Weigl 12. 10. Werner 12. 10. Dr. Winter 12. 10. Wittmer-Eigenbrodt 31. 10. Anlage 2 Schriftliche Erklärung des Abgeordneten Schmitt-Vockenhausen zu dem Antrag der SPD-Fraktion betr. Überbrückungszulage für die Beamten und Versorgungsempfänger des Bundes (Drucksache IV/509). Dreieinhalb Monate nach der Erklärung des Vorsitzenden der CDU/CSU-Fraktion, Dr. von Brentano, vom 27. 6. 1962, als die Koalitionsparteien die Beratung des SPD-Antrages auf Zahlung einer Überbrückungszulage für die Beamten und Versorgungsempfänger des Bundes im Jahre 1962 ablehnten, liegt immer noch kein entsprechender Vorschlag der Koalitionsparteien vor. Vielmehr hat die Bundesregierung mehrfach alle Vorschläge auf Zahlung einer Überbrückungszulage abgelehnt. Diese ablehnende Haltung der Bundesregierung und Untätigkeit der Koalition hat verständlicherweise bei der Beamtenschaft starke Verärgerung hervorgerufen, die in dieser Haltung berechtigterweise eine Verletzung der Fürsorgepflicht der Bundesregierung sieht. Es wäre zu bedauern, wenn durch die mangelnde Fürsorgepflicht der Bundesregierung gegenüber den Bundesbeamten eine Berufs- und Staatsverdrossenheit der Beamtenschaft einträten, deren Leistungen der Herr Bundeskanzler erst in seiner Regierungserklärung gewürdigt hat. Es kommt nun darauf an, daß nach den vielen Reden 1788 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 41. Sitzung. Bonn, Freitag, den 12. Oktober 1962 und zahlreichen zustimmenden Erklärungen gegenüber der Beamtenschaft auch tatsächlich etwas geschieht. Wir glauben, hier mit Recht auf die Ausführungen eines stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden der CDU hinweisen zu müssen, der erklärt hat, daß das gute Prinzip des Maßhaltens für die Verbrämung eines schlichten Unrechts herhalten würde, wenn man einem Postschaffner oder Zollassistenten unter Hinweis auf eine sparsame Wirtschaftsführung das verweigern würde, was ein Staatssekretär in Düsseldorf bekommen habe. Die SPD-Fraktion ist der gleichen Auffassung und bittet um schnelle Beratung des Antrages im Ausschuß, damit die Beamtenschaft noch im Oktober mit einer positiven Entscheidung rechnen kann. Anlage 3 Schriftliche Antwort des Herrn Bundesministers Schwarz auf die Zusatzfrage zu der Mündlichen Anfrage des Abgeordneten Dr. Schmidt (Gellersen) (Fragestunde der 34. Sitzung vom 14. Juni 1962, Drucksache IV/453, Frage X/2: *) Die Kosten des Gesamtvergleichs lassen sich zur Zeit noch nicht genau feststellen, da es sich um den Abschluß eines Rahmenvergleichs handelt und die Gesamtsumme der einzelnen Forderungen, die sich aus den erhobenen Klagen und den fristgemäß eingelegten Widersprüchen ergeben, der Einfuhr- und Vorratsstelle noch nicht vorliegen; als letzter Anmeldetermin für die spezifizierte Einreichung der Forderungen bei der Einfuhr- und Vorratsstelle ist der 31. Dezember 1962 vereinbart worden. Eine Schätzung der Gesamtforderungen hat einen Höchstbetrag von ca. 50 Mill. DM ergeben. Bei diesen Forderungen handelt es sich, worauf ich besonders hinweisen möchte, um zuviel erhobene Abschöpfungsbeträge (so die Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte, insbesondere die des Bundesverwaltungsgerichts in den Jahren 1960 und 1961). Diese Beträge brauchen jedoch nach dem Vergleich nur teilweise zurückgezahlt zu werden. Ein Schaden ist deshalb dem Bund durch den Abschluß des Gesamtvergleichs nicht entstanden, zumal die Kläger auf die Zahlung von Zinsen verzichtet haben. Außerdem ist zwischen den Parteien vereinbart worden, daß von der Einfuhr- und Vorratsstelle Gerichtskosten und Anwaltskosten nur in solchen Fällen voll übernommen werden, in denen ein höchstrichterliches Urteil gegen sie ergangen ist, während in allen anderen Vergleichsfällen die Anwaltskosten von jeder Partei selbst und die Gerichtskosten von jeder Partei zur Hälfte getragen werden sollen. Unter diesen Umständen erschien der Abschluß des Gesamtvergleichs, der zwischen den beteiligten Bundesressorts eingehend vorbereitet worden ist, aus Sparsamkeitsgründen nach den Bestimmungen der Reichshaushaltsordnung geboten, und zwar im *) Siehe 34. Sitzung Seite 1430 B Hinblick auf die Einsparung von sonst wahrscheinlich erheblich höheren Bundesmitteln sowie in Anbetracht einer erheblichen Arbeitsentlastung bei der Einfuhr- und Vorratsstelle und den beteiligten Bundesressorts. Die durch die Vielzahl der Prozesse verursachte Mehrbelastung für die Beamten der Bundesressorts und die Dienstangehörigen der Einfuhr- und Vorratsstelle hätte ohne Anstellung von zusätzlichen Kräften weiterhin nicht mehr verantwortet werden können. Eine Durchschrift dieses Schreibens habe ich noch Herrn Abgeordneten Provinzialdirektor i. R. Ritzel mit der Bitte um Kenntnisnahme übersandt, weil auch Herr Ritzel über den Ausgang der gegen die Einfuhr- und Vorratsstelle geführten Rechtsstreitigkeiten und die damit verbundenen Kosten für den Bund unterrichtet sein wollte. Anlage 4 Umdruck 144 Entschließungsantrag der Fraktionen der CDU/ CSU, FDP zur Erklärung der Bundesregierung vom 9. Oktober 1962 Der Bundestag wolle beschließen: I 1. Der Deutsche Bundestag ist bereit, die in der Regierungserklärung aufgezeigten Maßnahmen zur Stabilisierung der wirtschaftlichen Verhältnisse nachhaltig zu unterstützen. Insbesondere begrüßt der Deutsche Bundestag eine sparsame Haushaltspolitik, die der Offentlichen Hand die notwendige Zurückhaltung nicht zuletzt auf dem Baumarkt auferlegt hat. 14. Der Deutsche Bundestag erwartet, daß Länder und Gemeinden sich diesen Bemühungen der Bundesregierung anschließen. 15. Der Deutsche Bundestag appelliert eindringlich an die Tarifpartner, durch eine maßvolle und der wirtschaftlichen Situation entsprechenden Haltung bei der Gestaltung von Preisen, Löhnen und Arbeitszeit die Bemühungen der Bundesregierung und des Deutschen Bundestages zu unterstützen. II 1. Der Bundestag erklärt seine Befriedigung über den Verlauf der Besuche des Bundespräsidenten und des Bundeskanzlers in Frankreich sowie des Präsidenten der Französischen Republik in Deutschland. Er betrachtet die Freundschaft und enge Zusammenarbeit zwischen Frankreich und Deutschland als endgültigen und unverrückbaren Bestandteil. der deutschen Außenpolitik und als wesentlichen Beitrag für ein geeintes Europa. 2. Der Bundestag ist der Überzeugung, daß die noch offenen Probleme bei den Verhandlungen über den Eintritt Großbritanniens in die EWG in einer für alle Beteiligten tragbaren Weise gelöst werden können. Er fordert die Bundesregierung auf, Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 41. Sitzung. Bonn, Freitag, den 12. Oktober 1962 1789 alles in ihren Kräften stehende zu tun, um dieses Ziel zu erreichen. Die politische Mitwirkung Großbritanniens bei der Schaffung eines geeinten und weltoffenen Europas wird vom Bundestag sehr begrüßt. 3. Der Bundestag hält es für erforderlich, daß nach dem Eintritt Großbritanniens in die EWG von ihren Gremien das Gespräch mit den Vereinigten Staaten über die von Präsident Kennedy vorgeschlagene atlantische Partnerschaft und Interdependenz aufgenommen wird. 4. Der Fortschritt der Menschheit, von der ein großer Teil noch von Hunger und Elend geplagt ist, hat als erste und unerläßliche Voraussetzung die Erhaltung des Weltfriedens. Der Bundestag ist der Auffassung, daß, nachdem in Westeuropa eine dauerhafte Friedensordnung gefunden worden ist, erneut versucht werden muß, auch mit Deutschlands östlichen Nachbarn zu einem wahren Frieden zu gelangen. Das Recht auf Selbstbestimmung, auf nationale Einheit und Freiheit muß dabei für das deutsche Volk ebenso respektiert werden wie für alle anderen Völker. 5. Der Bundestag erklärt seine Entschlossenheit, alles zu unterstützen und alles zu tun, um die Freiheit in Berlin zu wahren. Die Bevölkerung Westberlins darf gewiß sein, daß sie sich auf die Bundesrepublik verlassen kann. Gemeinsam mit den drei westlichen Schutzmächten und mit allen Partnern des westlichen Bündnisses wird die Freiheit in Berlin mit allen Mitteln verteidigt werden, die notwendig sind. Der Bundestag erklärt das im Bewußtsein der Verpflichtung des Grundgesetzes, sich für alle Deutschen verantwortlich zu wissen, gleichgültig in welchem Teil Deutschlands sie leben. Den Landsleuten hinter der Mauer und den Todesstreifen versichert der Bundestag, daß alle Energie eingesetzt werden wird, um endlich auch für sie Menschlichkeit und Selbstbestimmung und für das ganze deutsche Volk Einheit in Frieden und Freiheit zu verwirklichen. 6. Der Bundestag bedauert, daß die sowjetische Politik die Erreichung dieses gerechten Zieles nicht nur erschwert, sondern darüber hinaus eine Verschärfung der internationalen Lage bewirkt hat. Angesichts dieser Lage erwartet der Bundestag von der Bundesregierung, daß sie alle die Maßnahmen ergreift, die für die Sicherheit und Freiheit unseres Volkes erforderlich sind. 7. Der Bundestag fordert die Bundesregierung auf, mit ihren Verbündeten in Konsultationen einzutreten mit dem Ziel, seitens des Westens der Sowjetunion den Vorschlag zu machen, entsprechend der Verantwortung der Vier Mächte eine gemeinsame ständige Konferenz zur Lösung der deutschen Frage als Voraussetzung eines dauerhaften Friedens herbeizuführen. Bonn, den 12. Oktober 1962 Dr. von Brentano und Fraktion Dr. Mende und Fraktion.
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    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe leider an der gestrigen Debatte nicht teilnehmen können, weil ich zur Eröffnung des Zweiten Vatikanischen Konzils in Rom war. Aber ich darf sagen, daß ich der Debatte heute morgen nicht nur mit gespanntem Interesse, sondern teilweise mit großer Bewegung zugehört habe. Sie werden das um so mehr verstehen, als Sie wissen, daß ich morgen in die Vereinigten Staaten fliegen werde, um sowohl mit dem Präsidenten der Vereinigten Staaten wie mit dem amerikanischen Außenminister Unterhaltungen zu haben, die sich um das Thema drehen, das uns jedenfalls hier heute morgen am stärksten am Herzen gelegen hat.
    Lassen Sie mich zunächst in aller Offenheit ein paar Worte über die Frage der Gemeinsamkeit sagen. Hier handelt es sich doch' offenbar um die Frage der Gemeinsamkeit zwischen Regierungskoalition und Opposition in den Fragen der auswärtigen Politik. Meine Damen und Herren, ich würde es trotz vieler an sich sicherlich sehr positiven Bemerkungen, die heute gemacht worden sind, für vermessen halten, zu sagen, daß wir etwa eine Gemeinsamkeit in allen außenpolitischen Fragen und Betrachtungen hätten. Das wäre, wie ich glaube, eine übertriebene Aussage. Aber es gibt eine Aussage, die eben niemand bestreiten kann und die niemand bestreiten sollte. Das ist diese Aussage: daß wir auf diesem Feld ganz anders als in den Bereichen der Finanz-, der Wirtschafts- und der Sozialpolitik eine Gemeinsamkeit des Schicksals gehabt haben, eine Gemeinsamkeit des Schicksals haben und morgen eine Gemeinsamkeit des Schicksals haben werden. Das verpflichtet uns, mit größter Sorgfalt und mit größter Bemühung immer wieder zu untersuchen, ob es nicht ein paar Aussagen der deutschen Politik gibt, die für uns alle einen gemeinsam tragenden Grund darstellen und darstellen können. Soviel zu diesem Problem.
    Ich bin nicht etwa — und ich brauche das nicht erst zu sagen — für eine Gemeinsamkeit um jeden Preis. Ich bin auch nicht etwa nur deswegen für eine Gemeinsamkeit, weil es nicht schön wäre und weil es nicht zu den Aufgaben des Parlaments gehörte, eine kontroverse Diskussion zu haben. Die Essenz des Parlaments besteht für mich immer — und ich gehöre diesem Haus nun schließlich seit 1949 an — darin, daß eben mit großer Leidenschaft unter Umständen sehr kontrovers diskutiert wird, nicht um sich gegenseitig wehe zu tun, sondern um so schärfer herauszuarbeiten, was es eigentlich zu entscheiden gilt und was ein ganzes Volk bei den Wahlen zu entscheiden hat.
    Herr Kollege Wehner hat ein paar Worte darüber gesagt, wie z. B. in Großbritannien bei den Erörterungen der nächsten Tage das aussehen würde, was gestern — ich habe es leider hier nicht gehört — hinsichtlich der britischen Frage ausgeführt worden ist. Nun, meine Damen und Herren, im Blick auf Großbritannien wird man natürlich immer leicht in der Gefahr sein, ein bißchen neidisch zu werden. Dort gibt es ein so unzerstörtes nationales Gefühl, dort gibt es ein so unzerstörtes nationales Gefüge, daß sich dort bei aller Kontroverse viele Dinge eben leichter tun als bei uns. Ich bin allerdings nicht der Meinung, daß wir hier sozusagen ein Spiel mit verteilten Rollen aufführen könnten. Ich habe dieses Spiel mit verteilten Rollen immer als einen schlechten Ausdruck empfunden. Aber das, was wir haben können und haben sollten in ein paar wesentlichen Dingen, ist eben ein gutes Zusammenspiel, und um dieses Zusammenspiel werden wir uns immer wieder bemühen müssen.
    Der Herr Bundeskanzler hat in der Regierungserklärung am vergangenen Dienstag die Richtlinien der Politik dargelegt, die für unser weiteres Tun und Handeln gelten sollen. Bei diesen Richtlinien ist zwischen zwei großen Komplexen zu unterscheiden: einmal der Wirtschafts-, Sozial-, Finanz- und Steuerpolitik und zum anderen eben jenem Bereich der auswärtigen Politik. Wenn man noch einmal sorgfältig die Regierungserklärung und jede Einzelheit, die hier in der Debatte geäußert worden ist, durchgeht — und man muß das einmal tun —, so muß man wahrscheinlich sagen, daß diese Richtlinien der Politik in der Tat weithin Zustimmung auf allen Seiten des Hohen Hauses gefunden haben. So sind sie im Bereich der auswärtigen Politik nach der ausdrücklichen Aussage des Herrn Bundeskanzlers gedacht gewesen, und alles, was wir dabei an Zustimmung bekommen, werden wir nur dankbar werten.
    Ich brauche jetzt keine dieser Linien im einzelnen noch einmal nachzuziehen. Das Problem, das für uns sozusagen nach der diplomatischen Intensität der nächsten Zeit stark im Vordergrund steht, ist natürlich jenes große Problem des Beitritts Großbritanniens zum Gemeinsamen Markt. Darüber gibt es hier, soweit ich sehe, gar keine Kontroverse. Es muß völlig klar sein, daß wir genauso gewissenhafte Verhandlungspartner — ich gebrauche ungern den Ausdruck „harte Verhandlungspartner", weil das Wort „hart" das nicht richtig aussagt,— auf unserer Seite und auf der Seite der Sechs sein werden, wie das derjenige, der beitreten will, für sich aussagt und natürlich auch für seine Commonwealth-Interessen und die Interessen des Commonwealth auszusagen hat. Aber in der Sache selbst gibt es hier keine wirkliche Kontroverse mehr, und ich begrüße das aus folgendem Grunde.
    Wir sind alle allzu leicht geneigt, in der Bewertung von neuen Entwicklungen zurückzugreifen in ein Stück Geschichte, das eben jüngst hinter uns liegt oder vielleicht auch einige Jahrzehnte weiter



    Bundesaußenminister Dr. Schröder
    hinter uns liegt, um aus den dort gewonnenen Erfahrungen Schlüsse zu ziehen für das, was es jetzt zu tun gilt. Das ist eine ganz notwendige und es ist eine ganz menschliche Methode, die natürlich jeder anwenden wird. Aber man darf eines nicht aus dem Blick verlieren. Man darf nicht verlieren den Blick dafür, daß es in der Welt plötzlich, schneller als erwartet, Entwicklungen gibt, die man eben nicht nur so langsam hat heranreifen sehen, sondern die sich aus intensiven Veränderungen der Welt plötzlich ergeben, schneller ergeben, als es vielleicht vorausgesagt worden wäre.
    Die Völker der Welt befinden sich in einem gewaltigen Umwandlungsprozeß. Sie brauchen nur einen Blick nach New York zu werfen, wo gerade das 109. Mitglied in die UNO aufgenommen worden ist, um das zu sehen, was hier in den jüngeren Zeiten vor sich gegangen ist und unter unseren Augen weiter vor sich geht.
    Ich möchte das einmal an einem anderen Bild zeigen: Die Menschheit 'hat ein paar tausend Jahre an Bemühungen darauf verwandt, ein bißchen fliegen zu können, und das hat sie so um die Wende dieses Jahrhunderts herum in einigen primitiven Anfängen schließlich fertigbekommen. Nach ein paar Jahrtausenden! Heute, 60 Jahre später, beschäftigen wir uns mit jenen Problemen der Kosmonauten, wie sie die Sowjets getauft haben, also mit Dingen, die doch in ungeheures Beschleunigungstempo dieser Entwicklung darstellen. Wir haben die Aufgabe — ob uns das gefällt oder nicht —, uns vor diesen Problemen zurechtzufinden und hier dabeizubleiben, nicht nur dabeizubleiben auf den Gebieten der Wissenschaft und Wirtschaft, die natürlich ,ganz entscheidende Gebiete sind, das Gebiet der Wissenschaft vielleicht sogar entscheidender als alles andere. Wir haben aber auch in unserer politischen Praxis dabei zu bleiben. Wo würde das stärker gelten als auf dem Feld der auswärtigen Beziehungen? Deswegen hat es keinen Zweck mehr, Großbritannien und dieses Problem seines Beitritts zur EWG heute noch an vielleicht früheren ungünstigen Erfahrungen messen 2u wollen. Es muß vielmehr an der Aufgabenstellung gemessen werden, vor der wir uns heute befinden. Die Aufgabenstellung, vor der wir uns befinden, ist im Grunde sehr einfach. Wenn jemand sagt: Großbritannien ist eigentlich noch nie so richtig auf dem Kontinent gewesen, dann kann ich darauf nur sagen: Die Russen sind auch noch nicht vor Lübeck und Hamburg gewesen, wie sie das heute sind. Das sind Veränderungen unserer Welt, mit denen wir irgendwie fertig werden müssen.
    Das 'Große, was 'hier heranreift, was heranreifen kann und heranreifen muß, das ist ein Europa nach dem Beitritt Großbritanniens, das über mehr als 220 Millionen Menschen verfügen wird, ein Europa, dessen politische Gestaltung uns dann 'hoffentlich gelingen "wird — hier gibt es Fragen, die ich keineswegs bagatellisiere —, ein Europa, in seiner wirtschaftlichen und in seiner Menschenkraft größer als die Sowjetunion, weit größer als die Vereinigten 'Staaten. Das sage ich nicht, um dieses Europa so zu malen, als wenn es in irgendeine besondere Rolle einer dritten Kraft geraten sollte. Nein, dieses
    Europa 'soll nach unserem Willen so ausehen, daß es einen kräftigen Pfeiler einer Art von atlantischer Brücke darstellt.
    Meine Damen und Herren, das sind die Größenordnungen, in denen zu denken wir uns angewöhnen müssen. Deswegen ist dieser Vorgang, von dem ich gerade spreche, eine der wichtigsten unserer Bemühungen in 'den kommenden Wochen und Monaten, ohne daß ich damit eine 'falsche Prioritätenliste eröffnen möchte.
    Dazu möchte ich noch .zwei weitere Worte sagen. Daraus, daß der Akzent hei 'dem, was ich gerade gesagt habe, auf 'Großbritannien liegt, mag bitte niemand schließen, daß 'ich etwa weniger Akzent auf Frankreich lege. Es soll bitte auch niemand daraus schließen, daß ich weniger -Akzent auch auf Italien und die kleineren Länder, die Benelux-Staaten 'lege, die mit uns 'zusammen in unserer SechserGemeinschaft sind. Man muß es sehr hoch bewerten — und es wird gut sein, sich -das sozusagen für den Geschichtsunterricht immer wieder 'vorzuhalten —, daß es eine ganz große und ganz bedeutende Leistung der Sechs gewesen ist, über deren Fortsetzung wir nun sprechen. Das waren große Entschlüsse, hervorgegangen aus einer Annäherung Frankreich — Deutschland, positiv aufgenommen von Italien, positiv aufgenommen von den 'Benelux-Staaten. Deswegen müssen wir ganz deutlich machen, daß wir, selbst wenn wir in unserer Diskussion aus aktuellem Anlaß das eine oder andere vielleicht einmal ein bißchen stärker akzentuieren, in keinem Augenblick den Blick für das verlieren, 'was diese Sechs geleistet haben. Dies zu sagen liegt mir besonders nahe, da ich gestern in -Rom ,gewesen bin und weil ich nicht gern den Eindruck aufkommen ließe, daß wir hier in irgendeiner Weise diskriminierend vorgehen wollten. Nein, wir wissen, daß man Freunde, die man gewonnen hat, unter allen Umständen zu halten versuchen sollte. Wir in unserem Vaterland sind in einer Lage, in der wir nicht etwa bereitwillig bisherige Freunde wegschenken könnten. Wir haben sie vielmehr mit großer Sorgfalt zu pflegen.

    (Allseitiger Beifall.)

    Nun noch ganz wenige Worte über die Vereinigten Staaten. Sie werden verstehen, daß ich mich da etwas zurückhaltend ausdrücke, weil ich nicht Unterhaltungen der nächsten Tage und späteren Aussagen in diesem Hohen Hause über solche Unterhaltungen vorgreifen möchte. Aber eines ist ganz sicher, und diese Sicherheit sollte man intensiver herausstellen — in jeder Weise, nicht nur immer wieder durch feierliche Regierungsdeklarationen —, als das dann und wann geschieht: daß die Vereinigten Staaten — und das gilt für den Präsidenten, das gilt für die Administration, das gilt aber auch ganz weithin für das amerikanische Volk und für die amerikanische Öffentlichkeit — diese ihr Schicksal mit unserem Schicksal verbindenden Zusagen über Berlin wirklich mit vollem Ernst und voller Entschlossenheit gegeben haben. Daran sollte man nicht die Spur eines Zweifels aufkommen lassen. Sicher ist der Zweifel etwas, was im Anblick von großen Gefahren in die Herzen der Menschen schleicht. Aber, meine Damen und Herren, wen hat man auf



    Bundesaußenminister Dr. Schröder
    der anderen Seite? Auf der anderen Seite hat man es mit den Sowjets zu tun. Wenn Herr Chruschtschow seinen westlichen Besuchern in den letzten Tagen und Wochen immer wieder gesagt hat: „Ach, ihr werdet ja nicht kämpfen! Ihr seid viel zu liberal, um hier zu kämpfen! Außerdem kennen wir alle eure Pläne. Eure Pläne imponieren uns gar nicht" — meine Damen und Herren, warum sagt er das? Er sagt das natürlich, weil auch diese Unterhaltungen für ihn ein Stück Kriegführung sind. Das ist ein Stück psychologische Kriegführung, um dadurch Reaktionen der Verzagtheit auszulösen und um sich seinerseits in die Rolle zu bringen, in der er sich so gern fühlt, trotz gewisser Umstände, die ihn dort zögernder machen könnten: in die Rolle dessen, mit dem schließlich die Weltgeschichte und der Lauf der Ereignisse in diesen unseren Jahren sind.
    Meine Damen und Herren, es ist vorhin schon mit ein paar Worten — ich glaube, von Kollegen Wehner — über die neueren Betrachtungen, die die Sowjets z. B. über die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft anstellen, gesprochen worden. Wenn man sich das ein bißchen ansieht und weiterspinnt, dann weiß man, daß die Sowjets keineswegs mehr so davon überzeugt sind oder überzeugt sein können, daß die Geschichte nun einfach mit ihnen und mit der roten Fahne an der Spitze weiter über uns alle hinwegrollen würde. Ich glaube, Chruschtschow selbst hat hier eine ganze Menge Zweifel im eigenen Herzen sitzen. Diese Zweifel sollten wir bei ihm intensiv verstärken durch unser Handeln, meine Damen und Herren. Denn das Schicksal Berlins hängt eben in der Tat daran — das muß man einmal mit aller Nüchternheit und Entschlossenheit aussprechen —, daß sich Chruschtschow in Berlin mit dem vollen Risiko konfrontiert sieht. Daran hängt das Schicksal Berlins, meine Damen und Herren.

    (Beifall bei allen Parteien.)

    Deswegen darf man auch nicht etwa den Gedanken aufkommen lassen, den die sowjetischen Diplomaten gern unter die Leute bringen, vor allen Dingen unter die Amerikaner bringen. Sie bringen den Gedanken: „Mit euch würden wir ja schon irgendwie einig werden; es ist nur der böse Bundeskanzler Adenauer, der euch, die Amerikaner, hindert, einzugehen auf das, worauf ihr sonst etwa würdet eingehen können." Meine Damen und Herren, man muß klarmachen, daß das nicht nur der böse Bundeskanzler Adenauer ist; man muß ganz klarmachen, daß die Amerikaner selbst genauso entschlossen sind wie — verzeihen Sie den Ausdruck, Herr Bundeskanzler — der böse Bundeskanzler Adenauer; das ist also eine sowjetische Darstellung, die aber in Ihren Ohren, Herr Bundeskanzler, sicherlich eine Ehrenerklärung höchsten Ranges sein wird.
    Meine Damen und Herren, ich werde über dieses Thema jetzt nicht mehr sagen, als daß ich eine Aussage wiederhole, die ich in Berlin gemacht habe. Ich habe in Berlin gesagt — dabei habe ich darauf hingewiesen, daß das nicht die Spur mit Pathos zu tun hat, sondern daß das eine ganz klare Willensaussage ist — und wiederhole das hier: „Dies ist unsere Stadt, dies bleibt unsere Stadt." Meine Damen und Herren, das ist die Haltung, mit der allein wir dieses Problem behandeln können, jedenfalls in seiner Essenz behandeln werden.
    Und nun mit ein paar Worten zu Vorschlägen, die hier gemacht worden sind, die ich gestern leider nicht mitgehört habe und die ich mir jetzt eigentlich nur durch das Nachlesen vermitteln kann.
    Da ich gerade bei Berlin bin: es ist, offenbar von dem Kollegen Ollenhauer, angeregt worden, zu überlegen, ob man nicht ein Gremium bilden könnte, das wohl aus Vertretern der Bundesregierung, Vertretern des Berliner Senats und Vertretern der politischen Parteien bestehen sollte. Herr Kollege Ollenhauer, ich möchte da in voller Offenheit sagen, daß ich ein solches Gremium nicht bilden würde; und. ich will Ihnen auch gleich hier in voller Offenheit erklären, warum nicht. Man muß meiner Meinung nach auseinanderhalten die Dinge, die man unter Umständen in gemischten Gremien gemeinsam tun kann, und jene Dinge, die man eher in der Behandlung und der Verantwortung der Regierung sein lassen muß. Und hier gilt im Verhältnis zwischen Bundesregierung und Berliner Senat — den sehe ich jetzt einmal, obwohl das mißverstanden werden könnte, eben als eine Regierung an; ich gehe hier nicht weiter auf die verfassungsrechtlichen Punkte ein —, daß diese Art von Zusammenarbeit gut und eng und intensiv sein muß, weil nämlich für die an der Zusammenarbeit Beteiligten mehr oder weniger immer die gleichen Amtspflichten gelten. Es gibt also, bei aller Verschiedenheit, immer auch eine gewisse Gemeinsamkeit von Regierungen, und die besteht darin, daß Regierungen untereinander unter Umständen doch noch besser und intensiver sprechen, als wenn sie mit anderen Beteiligten zusammen sind. Aber damit sage ich ja nichts Neues.
    Aber wenn ich meine, daß diese Dinge zwischen Bundesregierung und Senat von Berlin eng behandelt werden und weiter behandelt werden sollten, so bin ich ebensosehr damit einverstanden, daß die Essenz dessen, was dort gedanklich traktiert wird, natürlich auch in anderen geeigneten Gremien besprochen wird. Dazu gehört in erster Linie der Auswärtige Ausschuß. Ich glaube, Sie werden selbst zugeben müssen, daß das ein Gremium ist, in dem das weitgehend geschehen kann. Es steht auch gar nichts im Wege, daß wir unter Umständen bestimmte Fragen noch einmal wieder in entsprechenden kleineren Kreisen erörtern. Aber vom Institutionellen her möchte ich nicht für die Einsetzung eines Gremiums sein, weil dies dazu führen könnte, sowohl die Verantwortung ein bißchen zu verwischen als auch diese oder jene andere Schwierigkeit zu verursachen.
    Ich möchte zu, dem Problem Friedensvertrag usw. nicht allzuviel sagen. Die Debatte ist darüber ja auch nur zum Teil gegangen. Ich will etwas wiederholen, was ich dazu gelegentlich gesagt habe. Natürlich muß ein verantwortlicher Politiker die Umrisse eines möglichen Friedensvertrages im Kopf haben. Aber, meine Damen und Herren, es wäre ein geradezu tödliches Unterfangen — bitte, glauben Sie mir das! —, wenn wir in irgendwelchen Gremien zu noch so vorsichtigen schriftlichen Fixierungen kommen sollten. Ich habe überhaupt noch nicht, wirklich



    Bundesaußenminister Dr. Schröder
    überhaupt noch nicht erlebt, daß die Essenz einer solchen Sache geheim bleiben könnte. Das ist ausgeschlossen. Das hat nichts mit der Verläßlichkeit der daran Beteiligten zu tun, sondern das hängt einfach damit zusammen, daß direkt und indirekt solche Gedankengänge ihren Ausdruck an anderer Stelle finden. Meine Damen und Herren, wenn Sie einmal in den Kategorien der gegenseitigen Generalstäbe denken: Was können Sie dem sowjetischen politischen Generalstab für einen größeren Gefallen tun, als wenn Sie auch noch so vertraulich unter verantwortlichen Männern wohlgemerkt — unter unverantwortlichen Leuten zu diskutieren ist kein Problem — diskutieren wollten: Das und das können wir sozusagen notfalls tun! Meine Damen und Herren, das ist tödlich und das ist etwas, wozu wir uns unter gar keinen Umständen hergeben können, so gut es von denjenigen gemeint ist, die es anregen. Das gehört — ich sage es noch einmal — derzeit nicht auf Papier, sondern in den Kopf; denn es wäre unvermeidlich, daß alle jene Fragen wie die Grenzen, wie die Bündnisse, wie die Verteidigung dann in einer Weise erörtert würden, die natürlich ein hervorragendes Spielmaterial für jenen Gegner wäre, mit dem wir uns eines Tages auseinanderzusetzen haben.
    Im übrigen kennt dieser Gegner sehr genau die Grundideen über eine Friedensregelung, wie sie in den Köpfen der Deutschen sind. Das ist eine Friedensregelung, die eben überhaupt nur ein Prinzip als ein tragendes und gestaltendes Prinzip enthalten kann, nämlich das Prinzip der Selbstbestimmung. Solange auch nicht nur von weitem zu sehen ist, daß sich — ich habe gerade gesagt: Gegner —, sagen wir einmal: jener gedachte künftige Vertragspartner bereit ist darauf einzulassen, wäre alles andere höchst gefährlich.
    Meine Damen und Herren, wir werden ja in den nächsten Wochen vielleicht Gelegenheit haben, im Auswärtigen Ausschuß weiter über diese Dinge zu sprechen. Deswegen will ich nur noch zwei Aussagen zum Schluß machen. Ich sage es noch einmal wieder, weil ich glaube, daß es für die Berliner notwendig ist, dies zu wissen, nicht weil wir das für pathetisch gut hielten, sondern damit sie es kennen als eine Aussage unseres gemeinsamen Willens: Dies ist unsere Stadt, dies bleibt unsere Stadt und — ich gehe nun über zu uns im ganzen — dies i s t ein freies Land, dies bleibt ein freies Land. Nun gibt es den einen oder anderen, meine Damen und Herren, der sagen würde: Diese Aussage geht nicht weit genug. Ich will sie daher ganz klar und bewußt erweitern und sagen: Dieses freie Land arbeitet dem Tag entgegen, an dem ganz Deutschland wieder frei sein wird.

    (Beifall bei den Regierungsparteien und bei Abgeordneten der SPD.)



Rede von Dr. Thomas Dehler
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Das Wort hat der Abgeordnete Erler.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Fritz Erler


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Bevor wir uns dem heutigen außenpolitischen Abschnitt der Debatte zuwenden, möchte ich noch kurz auf die Intervention des Herrn Bundeskanzler zur Frage seines Verhältnisses zu den Gewerkschaften in unserem Lande eingehen. Er hat dargelegt, welch große Bemühungen er persönlich unternommen habe, um die Mitwirkung der Arbeitnehmerorganisationen in bestimmten entscheidenden wirtschaftspolitischen Fragen zu gewinnen. Ich bin davon überzeugt, daß es hier nicht nur eines gelegentlichen Gesprächs, sondern eines möglichst häufigen Kontaktes der großen Arbeitnehmerorganisationen mit den Führern der deutschen Politik bedarf. Aber wenn schon derartige Gespräche stattfinden, dann sollten sie auch dazu führen, daß man allgemein in unserem Lande zu einem Klima kommt, in dem — wie gestern, glaube ich, gesagt worden ist — die Gewerkschaften nicht das Gefühl haben, ständig in die Rolle des Beschuldigten gedrängt zu werden.
    Ich möchte hier einen konkreten Einzelfall erwähnen — er ist leider sehr aktuell —, der mir nicht davon zu zeugen scheint, daß der Herr Bundeskanzler wirklich alles tut, um das Verhältnis zu den Gewerkschaften in dem hier geschilderten günstigen Sinne zu gestalten. Die Fraktionen haben heute ein Telegramm des Deutschen Gewerkschaftsbundes bekommen, das sich mit der Besetzung einer sehr wichtigen europäischen Funktion in der Montanunion beschäftigt. Ich darf mit Erlaubnis des Präsidenten aus diesem Telegramm einen wichtigen Abschnitt hier vorlesen:
    Bei der Gründung der Montanunion hatte die Bundesregierung den Grundsatz gebilligt, von den zwei deutschen Vertretern einen zu benennen, der vom Deutschen Gewerkschaftsbund vorgeschlagen wurde. So wurde Dr. Heinz Potthoff auf Vorschlag des DGB zum Mitglied der Hohen Behörde der Montanunion benannt. Durch den Rücktritt von Dr. Heinz Potthoff wurde es notwendig, diese Position neu zu besetzen. Der Bundeskanzler hat in Gesprächen mit den Vertretern des DGB ausdrücklich erklärt, daß auch bei dieser Neubesetzung Vorschläge des DGB berücksichtigt würden. Der DGB hat rechtzeitig schriftlich und in direktem Gespräch mit dem Bundeskanzler einen Kandidaten vorgeschlagen, der sowohl in fachlicher und persönlicher Hinsicht den an den Vertreter der Bundesrepublik in der Hohen Behörde gestellten Anforderungen voll entspricht und der durch langjährige Tätigkeit mit den in der Montanunion zu behandelnden Problemen der betroffenen Wirtschaftszweige bestens vertraut ist.
    Auf diese Vorstellung wurde ein hinhaltender Bescheid gegeben, bis dann das Bundeskabinett unter Dr. Adenauer am 10. 10. 1962 ohne vorherige Rücksprache oder Unterrichtung des DGB den Beschluß faßte, Herrn Staatssekretär Dr. Hettlage vom Bundesfinanzministerium als Vertreter der Bundesrepublik bei der Hohen Behörde für Kohle und Stahl anstelle von Herrn Dr. Potthoff zu benennen.

    (Zurufe von der SPD: Hört! Hört! — Unglaublich!)




    Erler
    In dem Telegramm heißt es weiter:
    Der DGB erblickt in der Art der Behandlung dieser Frage eine bewußte Brüskierung der Gewerkschaften, auf deren sachliche Mitarbeit die Bundesregierung gerade in den Institutionen der Europäischen Gemeinschaften weitgehend angewiesen ist.
    Die Gewerkschaften müssen in diesem Verhalten einen zusätzlichen Beweis dafür sehen, in welcher Weise die Bundesregierung offensichtlich über die anderswo selbstverständlichen Regeln politischen Verhaltens sich hinwegsetzen zu können glaubt,

    (Sehr richtig! bei der SPD)

    und wie sie nicht versäumt, das Verhältnis zwischen Gewerkschaften und Bundesregierung zu verschlechtern.

    (Zuruf von der SPD: Traurig!)

    Meine Damen und Herren, ich habe volles Verständnis dafür, daß die Bundesregierung Überlegungen angestellt hat, wie sie Herrn Bundesfinanzminister Starke dabei helfen kann, zu einem anderen Staatssekretär zu gelangen.

    (Heiterkeit bei der SPD.)

    Aber daß man dieses Problem so löst, daß man es mit einer Herausforderung der Gewerkschaften verknüpft und damit gegen die bisher bewährte gute Zusammenarbeit mit den Gewerkschaften in der Montanunion verstößt, dafür fehlt meinen politisehen Freunden jedes Verständnis.

    (Beifall bei der SPD.)

    Nun zu den heute erörterten außenpolitischen Fragen. Der Herr Bundesaußenminister hat einen Überblick über eine Reihe von in der Welt sich vollziehenden schnellen Umwälzungen gegeben. Er hat uns daran gemahnt, daß wir in dieser schnelllebigen Zeit immer nahe bei den Problemen bleiben müssen. Ich glaube, es ist auch wohl dieser Gedanke gewesen, der den Herrn Bundesaußenminister dazu geführt hat, vor einiger Zeit schon Gedanken zu erwägen, wie man auch in unserem Lande im Auswärtigen Amt eine Art politischen Planungsstab einrichten könne. Mit anderen Worten: das Vorausdenken und gelegentlich sogar das schriftliche Fixieren bestimmter möglicher Entwicklungen und Positionen gehört zum Handwerkszeug moderner Außenpolitik. Deshalb habe ich es nicht ganz verstanden, daß in der für uns außerordentlich wichtigen Frage der gemeinsamen westlichen Vorstellungen über eine Friedensregelung für ganz Deutschland der Herr Außenminister dieses Vorausdenken für zu gefährlich erklärt hat.

    (Abg. Freiherr zu Guttenberg: Das Vorausschreiben hat er für gefährlich erklärt!)

    — Aber wenn es nur in den Köpfen bleibt, ist es morgen unter Umständen wieder vergessen; das wissen Sie doch auch. Große Gedanken müssen von Zeit zu Zeit auch einmal im Gespräch und in der Diskussion und in der Niederschrift in einem entsprechend engen Kreise — jawohl! — diskutiert und geklärt und geprüft werden. Denn was soll einmal mit allen Gedanken geschehen, wenn der Träger dieser Gedanken plötzlich stirbt und damit alles, was er angehäuft hat an Kenntnissen und Erfahrungen, verloren geht?

    (Unruhe bei der SPD. — Abg. Wehner: Wer Gedanken trägt, stirbt nicht! Die anderen machen es nur aus Geschäftigkeit!)

    So geht es doch nicht. Aber ich verstehe die Bedenken des Herrn Außenministers. Ich teile sie nicht. Denn ich weiß, daß es eine Reihe anderer, genauso diffiziler außen- und verteidigungspolitischer Probleme gibt, bei denen immer die Gefahr besteht, daß der Gegner unter Umständen zur Unzeit mithört. Das wissen wir. Das entbindet uns nicht von der Verpflichtung, hier bei uns zu prüfen und zu überlegen, wie wir im Verein mit unseren westlichen Freunden jener sowjetischen Diffamierungskampagne wirksam entgegentreten können, die dahin zielt, daß die Sowjetunion, die doch in Wahrheit mit ihrem Spaltungsdiktat die Spannungen verschärft, angeblich einen Frieden wolle und wir in der Bundesrepublik Deutschland das nicht wollten.
    Wir wollen uns hier nicht über die Einzelheiten der Prozedur streiten. Wir haben ein paar Vorschläge gemacht, wie wir uns auch diesem Problem so zuwenden können, daß der deutschen Sache kein Nachteil geschieht. Ich bin überzeugt, daß, wenn der Herr Bundesaußenminister noch einmal Gelegenheit nimmt, sich die entsprechenden Papiere und Reden dazu sorgfältiger anzusehen, vielleicht doch — ohne daß eine verfassungsrechtlich neuartige Institution geschaffen werden sollte; das wollen wir gar nicht — eine feste Gesprächsform hergestellt werden kann, die dazu führt, daß diejenigen, die man zu einer breiten Grundlage für die Herstellung politischen Handelns der Umwelt gegenüber braucht, in einer geeigneten Weise an der Beratung und Vorbereitung solchen politischen Handelns auch beteiligt werden.
    Das ist doch das Thema, um das es geht. Gerade weil wir die Sorge wegen eines unzeitigen Zerredens haben, deshalb haben wir ganz bewußt einen Vorschlag gemacht, der — nach bitteren Erfahrungen in der Vergangenheit — den Kreis der Beteiligten nicht allzu groß werden läßt. Das ist doch wohl des Nachdenkens wert.
    Die Rede des Herrn Bundesaußenministers hat sich im übrigen sehr wohltuend von manchen Diskussionsbeiträgen unterschieden, die doch wohl ein bißchen darauf angelegt waren — lassen Sie es mich ehrlich sagen —, Händel zu suchen. Ich frage mich, ob bei aller Notwendigkeit der Profilierung des Gesichts von Parteien die gegenwärtige außenpolitische Lage unseres Volkes und unserer Hauptstadt den heutigen Tag dafür besonders geeignet macht.

    (Beifall bei der SPD.)

    Deshalb lassen Sie mich einiges zur Methode außenpolitischer Erörterungen in dieser sehr gefährlichen Zeit sagen. Natürlich kann und darf der Deutsche Bundestag zu den Lebensfragen der Nation nicht einfach schweigen. Das Volk erwartet, daß die Regierung und dieses Haus — und das ist geschehen - in einigen wichtigen Fragen unmißverständlich



    Erler
    klarmachen, wo sie stehen. Das Volk will wissen, ob und wie wir uns des Ernstes der Lage auch bewußt sind und wie breit die Grundlage ist, die geschaffen werden kann, um mit gemeinsamen Kräften die Lage so gut es geht zu meistern.
    Wir wissen — darin trennt uns nichts —, daß es heute vor allem auf die Abwehr des sowjetischen Vorstoßes gegen die Freiheit Berlins ankommt, des sowjetischen Versuchs, die Spaltung unseres Landes zu zementieren und damit gleichzeitig unseren Landsleuten in Mitteldeutschland jede Hoffnung auf eine spätere Änderung ihres schrecklichen Loses unter kommunistischer Gewaltherrschaft zu nehmen. Die Abwehr dieser Versuche gebietet größte Geschlossenheit.
    Dennoch leugnet niemand — das wäre geradezu kindlich —, daß man auch bei dieser notwendigen Geschlossenheit in den Prinzipien, auf die es ankommt, Einzelfragen verschieden beurteilen kann. Hier geht es doch wohl auch um eine Grundhaltung, ob man gewissermaßen abwarten soll, bis die Sowjetunion den nächsten Schritt zu unserem Nachteil tut, und ob man sich lediglich darauf verlassen kann, solche Abwehrmaßnahmen in der Hand zu haben, daß dieser Schritt vielleicht nicht erfolgt, oder ob man statt dessen im Verein mit unseren Freunden sich überlegt, ob es nicht einen Weg gibt, sich das Gesetz des politischen Handelns nicht nur vom Gegner und seinen angedrohten oder tatsächlich durchgeführten Schritten vorschreiben zu lassen.
    Ich teile Ihre Überzeugung, Herr Kollege Guttenberg, daß es hier auf eine klare und entschlossene Haltung ankommt. Aber die Haltung, die sicher notwendig ist, um die eigene Position mit aller Entschlossenheit zu verteidigen, muß, glaube ich, bei einem Gegner wie der Sowjetunion genau auch das aufweisen, wovon Sie an anderer Stelle geschrieben und heute auch gesprochen haben, nämlich ein Stück Dynamik. Wer — lassen Sie mich das kurz noch einmal sagen — angesichts der sowjetischen Versuche, den Status quo in Mitteleuropa und Berlin zu unserem Nachteil zu verändern, sich lediglich darauf beschränkt, die Entschlossenheit, den Status quo zu verteidigen, zu verkünden und sonst nichts, wer nur den anderen gegen den Status quo drücken läßt, der riskiert, daß dieser Status quo zum Vorteil des anderen und zum eigenen Nachteil verändert wird.
    Ich will hier aus guten Gründen, die Sie genauso gut kennen wie ich, nicht in die Einzelheiten gehen und nicht untersuchen, was angesichts der sehr engen Marge deutscher Handelsmöglichkeiten auf diesem Feld getan werden kann. Ich meine nur, es lohnt sich, sorgfältig miteinander auch über dieses Erfordernis zu sprechen, und dazu haben wir, glaube ich, einen förderlichen Weg vorgeschlagen. Dabei kommt es' darauf an, abzustecken, wie breit - und zwar möglichst breit — die Grundlage für gemeinsames Handeln geschaffen werden kann. Die Regierung ist stärker, wenn sie sich bei politischem Handeln auf eine möglichst breite Zustimmung in diesem Hause und in der Öffentlichkeit stützen kann. Ich wiederhole, was wir in früheren Debatten schon gesagt haben. Das kann aber dann nicht einfach so gehen, daß die Regierung von sich aus sagt:
    Nach reiflicher Prüfung haben wir dieses und jenes vorgeschlagen, und wir fordern das Hohe Haus auf, sich hinten anzuschließen. Dann muß man vielmehr mit denen, die nicht in der Regierung sitzen, auch über dieses gemeinsame Handeln sprechen und ihnen das Gefühl des Mitwirkens an den zu unternehmenden politischen Schritten geben. Dann wird die Grundlage breiter sein.
    Wir sind in diesem Hause trotz der Kontroversen, die hier heute aus einem bestimmten Teilaspekt, auf den ich noch kommen werde, wieder aufgeklungen sind, doch in vielen Fragen auch unseres außenpolitischen Verhaltens nicht erst in den letzten Jahren seit dem sowjetischen Ultimatum gegen Berlin ein gutes Stück Weges gemeinsam gegangen. Das fing doch mit jenem Akt des außenpolitischen Bekenntnisses der Bundesrepublik an, der uns seinerzeit viel Vertrauenskapital erworben und manche Hemmnisse gegen uns Deutsche abgebaut hat, als wir in diesem Hause den Wiedergutmachungsvertrag mit Israel beschlossen. Das war ein wichtiges Stück außenpolitischen Handelns.

    (Sehr richtig! in der Mitte.)

    Wer einmal in die Vereinigten Staaten von Amerika gereist ist, der weiß, welche Bedeutung diesem Vertragswerk auch und gerade für die Gestaltung der deutsch-amerikanischen Beziehungen zugekommen ist.
    Wie war es denn damals mit der Mitwirkung der Opposition? War die Mitwirkung eigentlich genauso ungeteilt auf allen anderen Seiten des Hauses?

    (Beifall bei der SPD.)

    Meine Damen und Herren, ich habe vorhin durch einen Zwischenruf klargemacht, daß eine solche Gemeinsamkeit in breiten Teilen dieses Hauses auch bei dem sehr wichtigen, vorwärtsweisenden Beschluß der Bundesrepublik Deutschland bestand, der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Europäischen Atomgemeinschaft beizutreten. Wir haben uns weiter darum bemüht, diese europäischen Gemeinschaftseinrichtungen, die ja mehr sind als lediglich Einrichtungen der freundschaftlichen Zusammenarbeit von Regierungen, fortzuentwickeln. In den letzten Jahren — das sagte ich schon — hat uns die Lage dann alle dazu gebracht, uns um unsere bedrohte Hauptstadt zu scharen und miteinander das Notwendige zu tun, um unsere und unserer Hauptstadt Freiheit zu schützen.
    Ich bringe das in Erinnerung, weil gerade dieser Rückblick zeigt, wie gefährlich es wäre, das abzuwerten mit Worten wie dem, es handle sich da um nichts anderes als um den faulen Zauber der Gemeinsamkeit. Wehe unserem Volke, wenn in der jetzigen Lage eine Partei glaubt, ihr Profil nur dadurch zurückgewinnen zu können, daß sie auf dem Feld der Außenpolitik . geradezu künstlich Händel sucht!

    (Beifall bei der SPD.)

    Deshalb fand ich einen Teil der heutigen Debatte so gespenstisch. Nehmen wir einmal das europäische Kapitel heraus.

    (Abg. Dr. Barzel: Und Helmut Schmidt?!)


    Erler
    — Helmut Schmidt hat nicht in diesem Hause debattiert, sondern sich in der Literatur genauso an einer Diskussion beteiligt wie andere auch. Und wenn Sie sich z. B. einmal den Beitrag von Herrn Schmückle ansähen, dann würden Sie erkennen, woher der größere Schaden für die deutsch-amerikanischen Beziehungen gekommen ist.

    (Beifall bei der SPD.)

    Damit meine ich nicht, daß Helmut Schmidt einen Schaden angerichtet hat. Das ist ein anderer Punkt. Aber darauf komme ich noch.

    (Abg. Freiherr zu Guttenberg: Herr Kollege Erler, Sie können doch nicht von uns sagen, daß wir Händel suchten, während es bei Ihnen Diskussion ist! — Heiterkeit bei der CDU/CSU.)

    — Darauf komme ich noch.
    Ich darf daran erinnern, daß es der Bundeskanzler selbst und der Kollege Majonica gewesen sind, die ihrerseits die Töne für eine bestimmte, notwendig gewordene Replik gestimmt haben, und das wollte ich hier in aller Nüchternheit registrieren.

    (Abg. Rasner: Ich dachte, es sei Herr Ollenhauer gewesen!)

    — Entschuldigen Sie, lesen Sie sich doch einmal die sehr sanften Vorschläge des Herrn Ollenhauer zum Verfahren durch! Daß es in diesem Hause bei aller Übereinstimmung in den Grundfragen der Außenpolitik doch auch erlaubt sein wird, die Bundesregierung zu bitten, bestimmte Punkte ihrer Regierungserklärung zu präzisieren, wie es inzwischen erfreulicherweise auch noch einmal durch den Minister geschehen ist, dürfte wohl nicht bestritten werden.

    (Beifall bei der SPD. — Abg. Rasner: Er hat etwas ganz anderes gesagt! — Weitere Zurufe von der CDU/CSU.)

    Mir ging es um heiklere Fragen, bei denen versucht worden ist, Gegensätze, die in diesem Hause oft zu stürmischen Debatten geführt haben, beinahe wie die Gespensterschlacht auf den Katalaunischen Feldern wieder heraufzubeschwören.
    Deswegen dazu nur ein paar Sätze. Meine Damen und Herren, wir wären ja nicht alle Zeugen dieser Debatte geworden und hätten nicht wie ich daran teilgenommen, wenn wir so täten, als hätte sie nicht stattgefunden; das wäre nicht wahr. Wir haben - und Herbert Wehner hat mit Recht daran erinnert — in den Fragen der europäischen Föderation hier in diesem Hause im Jahre 1950 einmütig quer durch die Parteien hindurch das Bekenntnis zu einem europäischen Bundespakt, zu den Vereinigten Staaten von Europa abgelegt.
    Die Diskussionen, die sich dann um die Europapolitik entwickelt haben, gingen doch im wesentlichen — von dem Sonderfall Montanunion abgesehen; zu dem werde ich auch noch einige Worte sagen — um die Verknüpfung der europäischen Zusammenarbeit mit dem damals heiß umstrittenen Thema, ob man erst die Bundesrepublik Deutschland aufrüsten, in den Verband der westlichen Allianz eingliedern und von dieser Position aus dann mit vermeintlich mehr Aussicht über die Wiedervereinigung Deutschlands verhandeln sollte oder ob man die andere Ausgangslage von damals, wie wir meinten, noch nutzen und zunächst nach einer anderen Sicherheitsordnung in Europa unter militärischer Beteiligung der Deutschen — das „Ohne-Mich" spielte in diesen Debatten keine Rolle — streben sollte, die, so hofften wir, mit der Wiedervereinigung Deutschlands verbunden wäre.
    Sie können sich heute gut hinstellen und sagen: Das sind alles Illusionen gewesen. Es ist ja nicht versucht worden!

    (Beifall bei der SPD.)

    Aber eines wollen wir doch ganz nüchtern festhalten: dieser Streit, den die Historiker von mir aus noch dreißig Jahre fortsetzen können, hat zunächst einmal damit ein Ende gefunden, daß neue Tatsachen geschaffen worden sind, daß wir die Ereignisse des Jahres 1952 nicht wiederholen können, etwa weil uns die letzten zehn Jahre nicht gefallen, und daß in diesen zehn Jahren leider Gottes nicht die Hoffnungen der Regierungsparteien, man würde dadurch bessere Voraussetzungen für die Wiedervereinigung schaffen, sich erfüllt haben, sondern die Spaltung unseres Landes verhärtet worden ist —, wozu natürlich auch noch eine ganze Reihe entscheidender anderer Faktoren hinzukommen. Diesen Sachverhalt wollen wir doch nicht einfach auf den Kopf stellen!

    (Beifall bei der SPD.)