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    Deutscher Bundestag 41. Sitzung Bonn, den 12. Oktober 1962 Inhalt: Aussprache über die Erklärung der Bundesregierung Majonica .(CDU/CSU) . . . . . 1747 A Wehner (SPD) . . . . 1751 A, 1784 B Dr. Adenauer, Bundeskanzler . . . 1759 D Döring (Düsseldorf) (FDP) . . . . 1761 B Freiherr zu Guttenberg (CDU/CSU) 1763 D Dr. Schröder, Bundesminister . . 1770 A Erler (SPD) 1773 B Dr. Gradl (CDU/CSU) 1780 C Wacher (CDU/CSU) 1784 B Zur GO Schmitt-Vockenhausen (SPD) . . . 1786 C Antrag der Fraktion der SPD betr. Überbrückungszulage für die Beamten und Versorgungsempfänger des Bundes (Drucksache IV/509) 1786 C Nächste Sitzung 1786 D Anlagen 1787 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 41. Sitzung. Bonn, Freitag, den 12. Oktober 1962 1747 41. Sitzung Bonn, den 12. Oktober 1962 Stenographischer Bericht Beginn: 9.02 Uhr
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    *) Siehe Anlage 2 Anlage 1 Liste der beurlaubten Abgeordneten Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich Frau Albertz 3. 11. Arndgen 12. 10. Dr. Arndt (Berlin) 12. 10. Dr. Aschoff 12. 10. Dr. Atzenroth 12. 10. Bading 12. 10. Baier (Mosbach) 12. 10. Bauer (Wasserburg) 26. 10. Bausch 20. 10. Benda 12. 10. Biermann 12. 10. Dr. Birrenbach 16. 10. Dr. h. c. Brauer 12. 10. Brese 12. 10. Burckardt 12. 10. Dr. Burgbacher 12. 10. Dr. Czaja 12. 10. Dopatka 12. 10. Engelbrecht-Greve 12. 10. Figgen 13. 10. Frau Dr. Flitz (Wilhelmshaven) 12. 10. Dr. Frey (Bonn) 12. 10. Dr. Dr. h. c. Friedensburg 28. 11. Geiger 12. 10. Gerns 12. 10. Gewandt 12. 10. Dr. Gleissner 12. 10. Dr. Götz 12. 10. Günther 12. 10. Dr. Hamm (Kaiserslautern) 12. 10. Dr. Harm (Hamburg) 1. 11. Harnischfeger 12. 10. Heiland 12. 10. Dr. Dr. Heinemann 12. 10. Hellenbrock 12. 10. Dr. Hesberg 12. 10. Hirsch 12. 10. Jacobi (Köln) 12. 10. Jacobs 12. 10. Junghans 12. 10. Dr. Jungmann 12. 10. Killat 12. 10. Dr. Kliesing (Honnef) 12. 10. Dr. Koch 12. 10. Kraus 12. 10. Dr. Kreyssig 12. 10. Kriedemann 12. 10. Freiherr von Kühlmann-Stumm 12. 10. Kühn (Bonn) 31. 12. Kuntscher 31. 10. Kurlbaum 12. 10. Lange (Essen) 12. 10. Leber 20. 10. Lenz (Bremerhaven) 12. 10. Lenze (Attendorn) 12. 10. Dr. Löbe 12. 10. Dr. Lähr 12. 10. Lünenstraß 12. 10. Anlagen zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich Dr. Mälzig 12. 10. Frau Dr. Maxsein 12. 10. Dr. h. C. Menne (Frankfurt) 12. 10. Metzger 12. 10. Michels 12. 10. Dr. h. c. Dr.-Ing. E. h. Möller 12. 10. Dr. Morgenstern 12. 10. Müller (Nordenham) 12. 10. Müller (Worms) 12. 10. Murr 12. 10. Oetzel 31. 10. Rademacher 31. 10. Ramms 12. 10. Sander 12. 10. Dr. Schäfer 12. 10. Spitzmüller 12. 10. Steinhoff 13. 10. Stooß 12. 10. Storch 12. 10. Striebeck 12. 10. Dr. Freiherr 12. 10. von Vittinghoff-Schell Dr. Wahl 15. 11. Walter 12. 10. Wehking 3. 11. Weigl 12. 10. Werner 12. 10. Dr. Winter 12. 10. Wittmer-Eigenbrodt 31. 10. Anlage 2 Schriftliche Erklärung des Abgeordneten Schmitt-Vockenhausen zu dem Antrag der SPD-Fraktion betr. Überbrückungszulage für die Beamten und Versorgungsempfänger des Bundes (Drucksache IV/509). Dreieinhalb Monate nach der Erklärung des Vorsitzenden der CDU/CSU-Fraktion, Dr. von Brentano, vom 27. 6. 1962, als die Koalitionsparteien die Beratung des SPD-Antrages auf Zahlung einer Überbrückungszulage für die Beamten und Versorgungsempfänger des Bundes im Jahre 1962 ablehnten, liegt immer noch kein entsprechender Vorschlag der Koalitionsparteien vor. Vielmehr hat die Bundesregierung mehrfach alle Vorschläge auf Zahlung einer Überbrückungszulage abgelehnt. Diese ablehnende Haltung der Bundesregierung und Untätigkeit der Koalition hat verständlicherweise bei der Beamtenschaft starke Verärgerung hervorgerufen, die in dieser Haltung berechtigterweise eine Verletzung der Fürsorgepflicht der Bundesregierung sieht. Es wäre zu bedauern, wenn durch die mangelnde Fürsorgepflicht der Bundesregierung gegenüber den Bundesbeamten eine Berufs- und Staatsverdrossenheit der Beamtenschaft einträten, deren Leistungen der Herr Bundeskanzler erst in seiner Regierungserklärung gewürdigt hat. Es kommt nun darauf an, daß nach den vielen Reden 1788 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 41. Sitzung. Bonn, Freitag, den 12. Oktober 1962 und zahlreichen zustimmenden Erklärungen gegenüber der Beamtenschaft auch tatsächlich etwas geschieht. Wir glauben, hier mit Recht auf die Ausführungen eines stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden der CDU hinweisen zu müssen, der erklärt hat, daß das gute Prinzip des Maßhaltens für die Verbrämung eines schlichten Unrechts herhalten würde, wenn man einem Postschaffner oder Zollassistenten unter Hinweis auf eine sparsame Wirtschaftsführung das verweigern würde, was ein Staatssekretär in Düsseldorf bekommen habe. Die SPD-Fraktion ist der gleichen Auffassung und bittet um schnelle Beratung des Antrages im Ausschuß, damit die Beamtenschaft noch im Oktober mit einer positiven Entscheidung rechnen kann. Anlage 3 Schriftliche Antwort des Herrn Bundesministers Schwarz auf die Zusatzfrage zu der Mündlichen Anfrage des Abgeordneten Dr. Schmidt (Gellersen) (Fragestunde der 34. Sitzung vom 14. Juni 1962, Drucksache IV/453, Frage X/2: *) Die Kosten des Gesamtvergleichs lassen sich zur Zeit noch nicht genau feststellen, da es sich um den Abschluß eines Rahmenvergleichs handelt und die Gesamtsumme der einzelnen Forderungen, die sich aus den erhobenen Klagen und den fristgemäß eingelegten Widersprüchen ergeben, der Einfuhr- und Vorratsstelle noch nicht vorliegen; als letzter Anmeldetermin für die spezifizierte Einreichung der Forderungen bei der Einfuhr- und Vorratsstelle ist der 31. Dezember 1962 vereinbart worden. Eine Schätzung der Gesamtforderungen hat einen Höchstbetrag von ca. 50 Mill. DM ergeben. Bei diesen Forderungen handelt es sich, worauf ich besonders hinweisen möchte, um zuviel erhobene Abschöpfungsbeträge (so die Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte, insbesondere die des Bundesverwaltungsgerichts in den Jahren 1960 und 1961). Diese Beträge brauchen jedoch nach dem Vergleich nur teilweise zurückgezahlt zu werden. Ein Schaden ist deshalb dem Bund durch den Abschluß des Gesamtvergleichs nicht entstanden, zumal die Kläger auf die Zahlung von Zinsen verzichtet haben. Außerdem ist zwischen den Parteien vereinbart worden, daß von der Einfuhr- und Vorratsstelle Gerichtskosten und Anwaltskosten nur in solchen Fällen voll übernommen werden, in denen ein höchstrichterliches Urteil gegen sie ergangen ist, während in allen anderen Vergleichsfällen die Anwaltskosten von jeder Partei selbst und die Gerichtskosten von jeder Partei zur Hälfte getragen werden sollen. Unter diesen Umständen erschien der Abschluß des Gesamtvergleichs, der zwischen den beteiligten Bundesressorts eingehend vorbereitet worden ist, aus Sparsamkeitsgründen nach den Bestimmungen der Reichshaushaltsordnung geboten, und zwar im *) Siehe 34. Sitzung Seite 1430 B Hinblick auf die Einsparung von sonst wahrscheinlich erheblich höheren Bundesmitteln sowie in Anbetracht einer erheblichen Arbeitsentlastung bei der Einfuhr- und Vorratsstelle und den beteiligten Bundesressorts. Die durch die Vielzahl der Prozesse verursachte Mehrbelastung für die Beamten der Bundesressorts und die Dienstangehörigen der Einfuhr- und Vorratsstelle hätte ohne Anstellung von zusätzlichen Kräften weiterhin nicht mehr verantwortet werden können. Eine Durchschrift dieses Schreibens habe ich noch Herrn Abgeordneten Provinzialdirektor i. R. Ritzel mit der Bitte um Kenntnisnahme übersandt, weil auch Herr Ritzel über den Ausgang der gegen die Einfuhr- und Vorratsstelle geführten Rechtsstreitigkeiten und die damit verbundenen Kosten für den Bund unterrichtet sein wollte. Anlage 4 Umdruck 144 Entschließungsantrag der Fraktionen der CDU/ CSU, FDP zur Erklärung der Bundesregierung vom 9. Oktober 1962 Der Bundestag wolle beschließen: I 1. Der Deutsche Bundestag ist bereit, die in der Regierungserklärung aufgezeigten Maßnahmen zur Stabilisierung der wirtschaftlichen Verhältnisse nachhaltig zu unterstützen. Insbesondere begrüßt der Deutsche Bundestag eine sparsame Haushaltspolitik, die der Offentlichen Hand die notwendige Zurückhaltung nicht zuletzt auf dem Baumarkt auferlegt hat. 14. Der Deutsche Bundestag erwartet, daß Länder und Gemeinden sich diesen Bemühungen der Bundesregierung anschließen. 15. Der Deutsche Bundestag appelliert eindringlich an die Tarifpartner, durch eine maßvolle und der wirtschaftlichen Situation entsprechenden Haltung bei der Gestaltung von Preisen, Löhnen und Arbeitszeit die Bemühungen der Bundesregierung und des Deutschen Bundestages zu unterstützen. II 1. Der Bundestag erklärt seine Befriedigung über den Verlauf der Besuche des Bundespräsidenten und des Bundeskanzlers in Frankreich sowie des Präsidenten der Französischen Republik in Deutschland. Er betrachtet die Freundschaft und enge Zusammenarbeit zwischen Frankreich und Deutschland als endgültigen und unverrückbaren Bestandteil. der deutschen Außenpolitik und als wesentlichen Beitrag für ein geeintes Europa. 2. Der Bundestag ist der Überzeugung, daß die noch offenen Probleme bei den Verhandlungen über den Eintritt Großbritanniens in die EWG in einer für alle Beteiligten tragbaren Weise gelöst werden können. Er fordert die Bundesregierung auf, Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 41. Sitzung. Bonn, Freitag, den 12. Oktober 1962 1789 alles in ihren Kräften stehende zu tun, um dieses Ziel zu erreichen. Die politische Mitwirkung Großbritanniens bei der Schaffung eines geeinten und weltoffenen Europas wird vom Bundestag sehr begrüßt. 3. Der Bundestag hält es für erforderlich, daß nach dem Eintritt Großbritanniens in die EWG von ihren Gremien das Gespräch mit den Vereinigten Staaten über die von Präsident Kennedy vorgeschlagene atlantische Partnerschaft und Interdependenz aufgenommen wird. 4. Der Fortschritt der Menschheit, von der ein großer Teil noch von Hunger und Elend geplagt ist, hat als erste und unerläßliche Voraussetzung die Erhaltung des Weltfriedens. Der Bundestag ist der Auffassung, daß, nachdem in Westeuropa eine dauerhafte Friedensordnung gefunden worden ist, erneut versucht werden muß, auch mit Deutschlands östlichen Nachbarn zu einem wahren Frieden zu gelangen. Das Recht auf Selbstbestimmung, auf nationale Einheit und Freiheit muß dabei für das deutsche Volk ebenso respektiert werden wie für alle anderen Völker. 5. Der Bundestag erklärt seine Entschlossenheit, alles zu unterstützen und alles zu tun, um die Freiheit in Berlin zu wahren. Die Bevölkerung Westberlins darf gewiß sein, daß sie sich auf die Bundesrepublik verlassen kann. Gemeinsam mit den drei westlichen Schutzmächten und mit allen Partnern des westlichen Bündnisses wird die Freiheit in Berlin mit allen Mitteln verteidigt werden, die notwendig sind. Der Bundestag erklärt das im Bewußtsein der Verpflichtung des Grundgesetzes, sich für alle Deutschen verantwortlich zu wissen, gleichgültig in welchem Teil Deutschlands sie leben. Den Landsleuten hinter der Mauer und den Todesstreifen versichert der Bundestag, daß alle Energie eingesetzt werden wird, um endlich auch für sie Menschlichkeit und Selbstbestimmung und für das ganze deutsche Volk Einheit in Frieden und Freiheit zu verwirklichen. 6. Der Bundestag bedauert, daß die sowjetische Politik die Erreichung dieses gerechten Zieles nicht nur erschwert, sondern darüber hinaus eine Verschärfung der internationalen Lage bewirkt hat. Angesichts dieser Lage erwartet der Bundestag von der Bundesregierung, daß sie alle die Maßnahmen ergreift, die für die Sicherheit und Freiheit unseres Volkes erforderlich sind. 7. Der Bundestag fordert die Bundesregierung auf, mit ihren Verbündeten in Konsultationen einzutreten mit dem Ziel, seitens des Westens der Sowjetunion den Vorschlag zu machen, entsprechend der Verantwortung der Vier Mächte eine gemeinsame ständige Konferenz zur Lösung der deutschen Frage als Voraussetzung eines dauerhaften Friedens herbeizuführen. Bonn, den 12. Oktober 1962 Dr. von Brentano und Fraktion Dr. Mende und Fraktion.
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    Rede von Freiherr Karl Theodor von und zu Guttenberg


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)

    Herr Wehner, ich bin gerne bereit, Ihnen zu attestieren, daß wahrscheinlich auch Sie diese Äußerung des Herrn Brandt für falsch gehalten haben.

    (Abg. Wehner: Es kommt ja aber darauf an, ob es eine Äußerung ,des Herrn Brandt war.)

    — Herrn Brandt sollte wissen

    (Zurufe von der SPD: Das ist aber noch immer keine Antwort!)

    — Sie kriegen die Anwort gleich —, daß Äußerungen dieser Art vielleicht nicht nach seiner Absicht, gewiß nicht nach seiner Absicht, aber ganz einfach in ihrer Konsequenz geeignet sind, Zweifel zu erregen, geeignet sind, die Haltung einer großen deutschen Partei ins Zwielicht zu tauchen.

    (Beifall in der Mitte. — Zurufe von der SPD.)

    Herr Brandt ist aus ähnlichen Gründen der Öffentlichkeit noch eine Erklärung schuldig, die Erklärung nämlich, was er mit einem anderen Satze meinte, als er am 8. Oktober, eben frisch aus Amerika zurück, auf 'seiner Pressekonferenz wörtlich sagte — ich zitiere —, daß die Verträge des Jahres 1955 in einem Punkt als politisch überholt gelten müssen. Er hat auch deutlich klargemacht, welchen Punkt er damit meinte; denn er fuhr fort: In jenen Verträgen — des Jahres 1955 — hätten sich die drei Mächte ihre Rechte in bezug auf ganz Deutschland und Berlin vorbehalten.
    Meine Damen und Herren, wenn es einen gibt, der es wissen muß, dann ist es Herr Brandt, daß mit diesen Verträgen sowohl die Verpflichtung der Westmächte für die Wiederherstellung des ganzen freien Deutschlands als auch — in der Form dieses Vorbehalts — die Verantwortung der Westmächte für eben 'dieses Ziel festgelegt sind.

    (Abg. Dr. von Brentano: Sehr richtig!)

    Noch einmal, meine Damen und Herren von der SPD: ich zitiere diese Dinge nicht, um Herrn Brandt etwas zu 'unterstellen; ich halte es aber ganz einfach für unerträglich, gerade ads seinem Munde Sätze zu hören, die in entscheidenden Dingen Unklarheit schaffen und die Konturen verschwimmen lassen. Worum es mir im wesentlichen ging

    (Abg. Wehner: Das merkt man, worum es Ihnen im wesentlichen ging!)

    — wenn Sie es gemerkt haben, habe ich mein Ziel erreicht, Herr Wehner —,

    (Heiterkeit und Beifall in der Mitte — Abg. Wehner: Das kann ich mir denken!)

    war der Versuch, zu zeigen, daß unsere Mühen sich nicht ausschließlich darauf konzentrieren dürfen, Westberlin vor ,dem Zugriff der Sowjets zu schützen. Was ich sagen wollte, ist dies: es ist für die ganze Allianz nicht weniger lebenswichtig, daß auch die vereinbarte gemeinsame Deutschlandpolitik des Westens fortgesetzt wird. Das war das Wesentlichste, und ich hoffe, daß auch Herr Wehner mir zustimmt. Ich weiß, daß er es tut. Es sollte an Hand von deutlichen Argumenten, von nüchternen Überlegungen klargestellt werden, daß es nicht, wie hier und da zu hören, deutsche Träumerei, Romantik, ja



    Freiherr zu Guttenberg
    sogar, wie in den letzten Tagen zu lesen, Zwangsvorstellungen seien, die uns bewegen. Denn unsere Sorge ist, daß eine falsche Politik Herrn Chruschtschow eines Tages die Chance geben könnte, den Hebel an der Teilung Deutschlands anzusetzen, der das Gefüge ganz Westeuropas aus den Angeln heben könnte. Deshalb ist es richtig, daß man von den Deutschen Geduld erwarten kann und .soll; aber niemand soll von uns verlangen, daß wir verzichten.

    (Lebhafter Beifall bei der CDU/CSU.)



Rede von Dr. Thomas Dehler
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Das Wort hat der Herr Bundesminister des Auswärtigen.

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    Rede von: Unbekanntinfo_outline


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (None)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: ()

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe leider an der gestrigen Debatte nicht teilnehmen können, weil ich zur Eröffnung des Zweiten Vatikanischen Konzils in Rom war. Aber ich darf sagen, daß ich der Debatte heute morgen nicht nur mit gespanntem Interesse, sondern teilweise mit großer Bewegung zugehört habe. Sie werden das um so mehr verstehen, als Sie wissen, daß ich morgen in die Vereinigten Staaten fliegen werde, um sowohl mit dem Präsidenten der Vereinigten Staaten wie mit dem amerikanischen Außenminister Unterhaltungen zu haben, die sich um das Thema drehen, das uns jedenfalls hier heute morgen am stärksten am Herzen gelegen hat.
    Lassen Sie mich zunächst in aller Offenheit ein paar Worte über die Frage der Gemeinsamkeit sagen. Hier handelt es sich doch' offenbar um die Frage der Gemeinsamkeit zwischen Regierungskoalition und Opposition in den Fragen der auswärtigen Politik. Meine Damen und Herren, ich würde es trotz vieler an sich sicherlich sehr positiven Bemerkungen, die heute gemacht worden sind, für vermessen halten, zu sagen, daß wir etwa eine Gemeinsamkeit in allen außenpolitischen Fragen und Betrachtungen hätten. Das wäre, wie ich glaube, eine übertriebene Aussage. Aber es gibt eine Aussage, die eben niemand bestreiten kann und die niemand bestreiten sollte. Das ist diese Aussage: daß wir auf diesem Feld ganz anders als in den Bereichen der Finanz-, der Wirtschafts- und der Sozialpolitik eine Gemeinsamkeit des Schicksals gehabt haben, eine Gemeinsamkeit des Schicksals haben und morgen eine Gemeinsamkeit des Schicksals haben werden. Das verpflichtet uns, mit größter Sorgfalt und mit größter Bemühung immer wieder zu untersuchen, ob es nicht ein paar Aussagen der deutschen Politik gibt, die für uns alle einen gemeinsam tragenden Grund darstellen und darstellen können. Soviel zu diesem Problem.
    Ich bin nicht etwa — und ich brauche das nicht erst zu sagen — für eine Gemeinsamkeit um jeden Preis. Ich bin auch nicht etwa nur deswegen für eine Gemeinsamkeit, weil es nicht schön wäre und weil es nicht zu den Aufgaben des Parlaments gehörte, eine kontroverse Diskussion zu haben. Die Essenz des Parlaments besteht für mich immer — und ich gehöre diesem Haus nun schließlich seit 1949 an — darin, daß eben mit großer Leidenschaft unter Umständen sehr kontrovers diskutiert wird, nicht um sich gegenseitig wehe zu tun, sondern um so schärfer herauszuarbeiten, was es eigentlich zu entscheiden gilt und was ein ganzes Volk bei den Wahlen zu entscheiden hat.
    Herr Kollege Wehner hat ein paar Worte darüber gesagt, wie z. B. in Großbritannien bei den Erörterungen der nächsten Tage das aussehen würde, was gestern — ich habe es leider hier nicht gehört — hinsichtlich der britischen Frage ausgeführt worden ist. Nun, meine Damen und Herren, im Blick auf Großbritannien wird man natürlich immer leicht in der Gefahr sein, ein bißchen neidisch zu werden. Dort gibt es ein so unzerstörtes nationales Gefühl, dort gibt es ein so unzerstörtes nationales Gefüge, daß sich dort bei aller Kontroverse viele Dinge eben leichter tun als bei uns. Ich bin allerdings nicht der Meinung, daß wir hier sozusagen ein Spiel mit verteilten Rollen aufführen könnten. Ich habe dieses Spiel mit verteilten Rollen immer als einen schlechten Ausdruck empfunden. Aber das, was wir haben können und haben sollten in ein paar wesentlichen Dingen, ist eben ein gutes Zusammenspiel, und um dieses Zusammenspiel werden wir uns immer wieder bemühen müssen.
    Der Herr Bundeskanzler hat in der Regierungserklärung am vergangenen Dienstag die Richtlinien der Politik dargelegt, die für unser weiteres Tun und Handeln gelten sollen. Bei diesen Richtlinien ist zwischen zwei großen Komplexen zu unterscheiden: einmal der Wirtschafts-, Sozial-, Finanz- und Steuerpolitik und zum anderen eben jenem Bereich der auswärtigen Politik. Wenn man noch einmal sorgfältig die Regierungserklärung und jede Einzelheit, die hier in der Debatte geäußert worden ist, durchgeht — und man muß das einmal tun —, so muß man wahrscheinlich sagen, daß diese Richtlinien der Politik in der Tat weithin Zustimmung auf allen Seiten des Hohen Hauses gefunden haben. So sind sie im Bereich der auswärtigen Politik nach der ausdrücklichen Aussage des Herrn Bundeskanzlers gedacht gewesen, und alles, was wir dabei an Zustimmung bekommen, werden wir nur dankbar werten.
    Ich brauche jetzt keine dieser Linien im einzelnen noch einmal nachzuziehen. Das Problem, das für uns sozusagen nach der diplomatischen Intensität der nächsten Zeit stark im Vordergrund steht, ist natürlich jenes große Problem des Beitritts Großbritanniens zum Gemeinsamen Markt. Darüber gibt es hier, soweit ich sehe, gar keine Kontroverse. Es muß völlig klar sein, daß wir genauso gewissenhafte Verhandlungspartner — ich gebrauche ungern den Ausdruck „harte Verhandlungspartner", weil das Wort „hart" das nicht richtig aussagt,— auf unserer Seite und auf der Seite der Sechs sein werden, wie das derjenige, der beitreten will, für sich aussagt und natürlich auch für seine Commonwealth-Interessen und die Interessen des Commonwealth auszusagen hat. Aber in der Sache selbst gibt es hier keine wirkliche Kontroverse mehr, und ich begrüße das aus folgendem Grunde.
    Wir sind alle allzu leicht geneigt, in der Bewertung von neuen Entwicklungen zurückzugreifen in ein Stück Geschichte, das eben jüngst hinter uns liegt oder vielleicht auch einige Jahrzehnte weiter



    Bundesaußenminister Dr. Schröder
    hinter uns liegt, um aus den dort gewonnenen Erfahrungen Schlüsse zu ziehen für das, was es jetzt zu tun gilt. Das ist eine ganz notwendige und es ist eine ganz menschliche Methode, die natürlich jeder anwenden wird. Aber man darf eines nicht aus dem Blick verlieren. Man darf nicht verlieren den Blick dafür, daß es in der Welt plötzlich, schneller als erwartet, Entwicklungen gibt, die man eben nicht nur so langsam hat heranreifen sehen, sondern die sich aus intensiven Veränderungen der Welt plötzlich ergeben, schneller ergeben, als es vielleicht vorausgesagt worden wäre.
    Die Völker der Welt befinden sich in einem gewaltigen Umwandlungsprozeß. Sie brauchen nur einen Blick nach New York zu werfen, wo gerade das 109. Mitglied in die UNO aufgenommen worden ist, um das zu sehen, was hier in den jüngeren Zeiten vor sich gegangen ist und unter unseren Augen weiter vor sich geht.
    Ich möchte das einmal an einem anderen Bild zeigen: Die Menschheit 'hat ein paar tausend Jahre an Bemühungen darauf verwandt, ein bißchen fliegen zu können, und das hat sie so um die Wende dieses Jahrhunderts herum in einigen primitiven Anfängen schließlich fertigbekommen. Nach ein paar Jahrtausenden! Heute, 60 Jahre später, beschäftigen wir uns mit jenen Problemen der Kosmonauten, wie sie die Sowjets getauft haben, also mit Dingen, die doch in ungeheures Beschleunigungstempo dieser Entwicklung darstellen. Wir haben die Aufgabe — ob uns das gefällt oder nicht —, uns vor diesen Problemen zurechtzufinden und hier dabeizubleiben, nicht nur dabeizubleiben auf den Gebieten der Wissenschaft und Wirtschaft, die natürlich ,ganz entscheidende Gebiete sind, das Gebiet der Wissenschaft vielleicht sogar entscheidender als alles andere. Wir haben aber auch in unserer politischen Praxis dabei zu bleiben. Wo würde das stärker gelten als auf dem Feld der auswärtigen Beziehungen? Deswegen hat es keinen Zweck mehr, Großbritannien und dieses Problem seines Beitritts zur EWG heute noch an vielleicht früheren ungünstigen Erfahrungen messen 2u wollen. Es muß vielmehr an der Aufgabenstellung gemessen werden, vor der wir uns heute befinden. Die Aufgabenstellung, vor der wir uns befinden, ist im Grunde sehr einfach. Wenn jemand sagt: Großbritannien ist eigentlich noch nie so richtig auf dem Kontinent gewesen, dann kann ich darauf nur sagen: Die Russen sind auch noch nicht vor Lübeck und Hamburg gewesen, wie sie das heute sind. Das sind Veränderungen unserer Welt, mit denen wir irgendwie fertig werden müssen.
    Das 'Große, was 'hier heranreift, was heranreifen kann und heranreifen muß, das ist ein Europa nach dem Beitritt Großbritanniens, das über mehr als 220 Millionen Menschen verfügen wird, ein Europa, dessen politische Gestaltung uns dann 'hoffentlich gelingen "wird — hier gibt es Fragen, die ich keineswegs bagatellisiere —, ein Europa, in seiner wirtschaftlichen und in seiner Menschenkraft größer als die Sowjetunion, weit größer als die Vereinigten 'Staaten. Das sage ich nicht, um dieses Europa so zu malen, als wenn es in irgendeine besondere Rolle einer dritten Kraft geraten sollte. Nein, dieses
    Europa 'soll nach unserem Willen so ausehen, daß es einen kräftigen Pfeiler einer Art von atlantischer Brücke darstellt.
    Meine Damen und Herren, das sind die Größenordnungen, in denen zu denken wir uns angewöhnen müssen. Deswegen ist dieser Vorgang, von dem ich gerade spreche, eine der wichtigsten unserer Bemühungen in 'den kommenden Wochen und Monaten, ohne daß ich damit eine 'falsche Prioritätenliste eröffnen möchte.
    Dazu möchte ich noch .zwei weitere Worte sagen. Daraus, daß der Akzent hei 'dem, was ich gerade gesagt habe, auf 'Großbritannien liegt, mag bitte niemand schließen, daß 'ich etwa weniger Akzent auf Frankreich lege. Es soll bitte auch niemand daraus schließen, daß ich weniger -Akzent auch auf Italien und die kleineren Länder, die Benelux-Staaten 'lege, die mit uns 'zusammen in unserer SechserGemeinschaft sind. Man muß es sehr hoch bewerten — und es wird gut sein, sich -das sozusagen für den Geschichtsunterricht immer wieder 'vorzuhalten —, daß es eine ganz große und ganz bedeutende Leistung der Sechs gewesen ist, über deren Fortsetzung wir nun sprechen. Das waren große Entschlüsse, hervorgegangen aus einer Annäherung Frankreich — Deutschland, positiv aufgenommen von Italien, positiv aufgenommen von den 'Benelux-Staaten. Deswegen müssen wir ganz deutlich machen, daß wir, selbst wenn wir in unserer Diskussion aus aktuellem Anlaß das eine oder andere vielleicht einmal ein bißchen stärker akzentuieren, in keinem Augenblick den Blick für das verlieren, 'was diese Sechs geleistet haben. Dies zu sagen liegt mir besonders nahe, da ich gestern in -Rom ,gewesen bin und weil ich nicht gern den Eindruck aufkommen ließe, daß wir hier in irgendeiner Weise diskriminierend vorgehen wollten. Nein, wir wissen, daß man Freunde, die man gewonnen hat, unter allen Umständen zu halten versuchen sollte. Wir in unserem Vaterland sind in einer Lage, in der wir nicht etwa bereitwillig bisherige Freunde wegschenken könnten. Wir haben sie vielmehr mit großer Sorgfalt zu pflegen.

    (Allseitiger Beifall.)

    Nun noch ganz wenige Worte über die Vereinigten Staaten. Sie werden verstehen, daß ich mich da etwas zurückhaltend ausdrücke, weil ich nicht Unterhaltungen der nächsten Tage und späteren Aussagen in diesem Hohen Hause über solche Unterhaltungen vorgreifen möchte. Aber eines ist ganz sicher, und diese Sicherheit sollte man intensiver herausstellen — in jeder Weise, nicht nur immer wieder durch feierliche Regierungsdeklarationen —, als das dann und wann geschieht: daß die Vereinigten Staaten — und das gilt für den Präsidenten, das gilt für die Administration, das gilt aber auch ganz weithin für das amerikanische Volk und für die amerikanische Öffentlichkeit — diese ihr Schicksal mit unserem Schicksal verbindenden Zusagen über Berlin wirklich mit vollem Ernst und voller Entschlossenheit gegeben haben. Daran sollte man nicht die Spur eines Zweifels aufkommen lassen. Sicher ist der Zweifel etwas, was im Anblick von großen Gefahren in die Herzen der Menschen schleicht. Aber, meine Damen und Herren, wen hat man auf



    Bundesaußenminister Dr. Schröder
    der anderen Seite? Auf der anderen Seite hat man es mit den Sowjets zu tun. Wenn Herr Chruschtschow seinen westlichen Besuchern in den letzten Tagen und Wochen immer wieder gesagt hat: „Ach, ihr werdet ja nicht kämpfen! Ihr seid viel zu liberal, um hier zu kämpfen! Außerdem kennen wir alle eure Pläne. Eure Pläne imponieren uns gar nicht" — meine Damen und Herren, warum sagt er das? Er sagt das natürlich, weil auch diese Unterhaltungen für ihn ein Stück Kriegführung sind. Das ist ein Stück psychologische Kriegführung, um dadurch Reaktionen der Verzagtheit auszulösen und um sich seinerseits in die Rolle zu bringen, in der er sich so gern fühlt, trotz gewisser Umstände, die ihn dort zögernder machen könnten: in die Rolle dessen, mit dem schließlich die Weltgeschichte und der Lauf der Ereignisse in diesen unseren Jahren sind.
    Meine Damen und Herren, es ist vorhin schon mit ein paar Worten — ich glaube, von Kollegen Wehner — über die neueren Betrachtungen, die die Sowjets z. B. über die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft anstellen, gesprochen worden. Wenn man sich das ein bißchen ansieht und weiterspinnt, dann weiß man, daß die Sowjets keineswegs mehr so davon überzeugt sind oder überzeugt sein können, daß die Geschichte nun einfach mit ihnen und mit der roten Fahne an der Spitze weiter über uns alle hinwegrollen würde. Ich glaube, Chruschtschow selbst hat hier eine ganze Menge Zweifel im eigenen Herzen sitzen. Diese Zweifel sollten wir bei ihm intensiv verstärken durch unser Handeln, meine Damen und Herren. Denn das Schicksal Berlins hängt eben in der Tat daran — das muß man einmal mit aller Nüchternheit und Entschlossenheit aussprechen —, daß sich Chruschtschow in Berlin mit dem vollen Risiko konfrontiert sieht. Daran hängt das Schicksal Berlins, meine Damen und Herren.

    (Beifall bei allen Parteien.)

    Deswegen darf man auch nicht etwa den Gedanken aufkommen lassen, den die sowjetischen Diplomaten gern unter die Leute bringen, vor allen Dingen unter die Amerikaner bringen. Sie bringen den Gedanken: „Mit euch würden wir ja schon irgendwie einig werden; es ist nur der böse Bundeskanzler Adenauer, der euch, die Amerikaner, hindert, einzugehen auf das, worauf ihr sonst etwa würdet eingehen können." Meine Damen und Herren, man muß klarmachen, daß das nicht nur der böse Bundeskanzler Adenauer ist; man muß ganz klarmachen, daß die Amerikaner selbst genauso entschlossen sind wie — verzeihen Sie den Ausdruck, Herr Bundeskanzler — der böse Bundeskanzler Adenauer; das ist also eine sowjetische Darstellung, die aber in Ihren Ohren, Herr Bundeskanzler, sicherlich eine Ehrenerklärung höchsten Ranges sein wird.
    Meine Damen und Herren, ich werde über dieses Thema jetzt nicht mehr sagen, als daß ich eine Aussage wiederhole, die ich in Berlin gemacht habe. Ich habe in Berlin gesagt — dabei habe ich darauf hingewiesen, daß das nicht die Spur mit Pathos zu tun hat, sondern daß das eine ganz klare Willensaussage ist — und wiederhole das hier: „Dies ist unsere Stadt, dies bleibt unsere Stadt." Meine Damen und Herren, das ist die Haltung, mit der allein wir dieses Problem behandeln können, jedenfalls in seiner Essenz behandeln werden.
    Und nun mit ein paar Worten zu Vorschlägen, die hier gemacht worden sind, die ich gestern leider nicht mitgehört habe und die ich mir jetzt eigentlich nur durch das Nachlesen vermitteln kann.
    Da ich gerade bei Berlin bin: es ist, offenbar von dem Kollegen Ollenhauer, angeregt worden, zu überlegen, ob man nicht ein Gremium bilden könnte, das wohl aus Vertretern der Bundesregierung, Vertretern des Berliner Senats und Vertretern der politischen Parteien bestehen sollte. Herr Kollege Ollenhauer, ich möchte da in voller Offenheit sagen, daß ich ein solches Gremium nicht bilden würde; und. ich will Ihnen auch gleich hier in voller Offenheit erklären, warum nicht. Man muß meiner Meinung nach auseinanderhalten die Dinge, die man unter Umständen in gemischten Gremien gemeinsam tun kann, und jene Dinge, die man eher in der Behandlung und der Verantwortung der Regierung sein lassen muß. Und hier gilt im Verhältnis zwischen Bundesregierung und Berliner Senat — den sehe ich jetzt einmal, obwohl das mißverstanden werden könnte, eben als eine Regierung an; ich gehe hier nicht weiter auf die verfassungsrechtlichen Punkte ein —, daß diese Art von Zusammenarbeit gut und eng und intensiv sein muß, weil nämlich für die an der Zusammenarbeit Beteiligten mehr oder weniger immer die gleichen Amtspflichten gelten. Es gibt also, bei aller Verschiedenheit, immer auch eine gewisse Gemeinsamkeit von Regierungen, und die besteht darin, daß Regierungen untereinander unter Umständen doch noch besser und intensiver sprechen, als wenn sie mit anderen Beteiligten zusammen sind. Aber damit sage ich ja nichts Neues.
    Aber wenn ich meine, daß diese Dinge zwischen Bundesregierung und Senat von Berlin eng behandelt werden und weiter behandelt werden sollten, so bin ich ebensosehr damit einverstanden, daß die Essenz dessen, was dort gedanklich traktiert wird, natürlich auch in anderen geeigneten Gremien besprochen wird. Dazu gehört in erster Linie der Auswärtige Ausschuß. Ich glaube, Sie werden selbst zugeben müssen, daß das ein Gremium ist, in dem das weitgehend geschehen kann. Es steht auch gar nichts im Wege, daß wir unter Umständen bestimmte Fragen noch einmal wieder in entsprechenden kleineren Kreisen erörtern. Aber vom Institutionellen her möchte ich nicht für die Einsetzung eines Gremiums sein, weil dies dazu führen könnte, sowohl die Verantwortung ein bißchen zu verwischen als auch diese oder jene andere Schwierigkeit zu verursachen.
    Ich möchte zu, dem Problem Friedensvertrag usw. nicht allzuviel sagen. Die Debatte ist darüber ja auch nur zum Teil gegangen. Ich will etwas wiederholen, was ich dazu gelegentlich gesagt habe. Natürlich muß ein verantwortlicher Politiker die Umrisse eines möglichen Friedensvertrages im Kopf haben. Aber, meine Damen und Herren, es wäre ein geradezu tödliches Unterfangen — bitte, glauben Sie mir das! —, wenn wir in irgendwelchen Gremien zu noch so vorsichtigen schriftlichen Fixierungen kommen sollten. Ich habe überhaupt noch nicht, wirklich



    Bundesaußenminister Dr. Schröder
    überhaupt noch nicht erlebt, daß die Essenz einer solchen Sache geheim bleiben könnte. Das ist ausgeschlossen. Das hat nichts mit der Verläßlichkeit der daran Beteiligten zu tun, sondern das hängt einfach damit zusammen, daß direkt und indirekt solche Gedankengänge ihren Ausdruck an anderer Stelle finden. Meine Damen und Herren, wenn Sie einmal in den Kategorien der gegenseitigen Generalstäbe denken: Was können Sie dem sowjetischen politischen Generalstab für einen größeren Gefallen tun, als wenn Sie auch noch so vertraulich unter verantwortlichen Männern wohlgemerkt — unter unverantwortlichen Leuten zu diskutieren ist kein Problem — diskutieren wollten: Das und das können wir sozusagen notfalls tun! Meine Damen und Herren, das ist tödlich und das ist etwas, wozu wir uns unter gar keinen Umständen hergeben können, so gut es von denjenigen gemeint ist, die es anregen. Das gehört — ich sage es noch einmal — derzeit nicht auf Papier, sondern in den Kopf; denn es wäre unvermeidlich, daß alle jene Fragen wie die Grenzen, wie die Bündnisse, wie die Verteidigung dann in einer Weise erörtert würden, die natürlich ein hervorragendes Spielmaterial für jenen Gegner wäre, mit dem wir uns eines Tages auseinanderzusetzen haben.
    Im übrigen kennt dieser Gegner sehr genau die Grundideen über eine Friedensregelung, wie sie in den Köpfen der Deutschen sind. Das ist eine Friedensregelung, die eben überhaupt nur ein Prinzip als ein tragendes und gestaltendes Prinzip enthalten kann, nämlich das Prinzip der Selbstbestimmung. Solange auch nicht nur von weitem zu sehen ist, daß sich — ich habe gerade gesagt: Gegner —, sagen wir einmal: jener gedachte künftige Vertragspartner bereit ist darauf einzulassen, wäre alles andere höchst gefährlich.
    Meine Damen und Herren, wir werden ja in den nächsten Wochen vielleicht Gelegenheit haben, im Auswärtigen Ausschuß weiter über diese Dinge zu sprechen. Deswegen will ich nur noch zwei Aussagen zum Schluß machen. Ich sage es noch einmal wieder, weil ich glaube, daß es für die Berliner notwendig ist, dies zu wissen, nicht weil wir das für pathetisch gut hielten, sondern damit sie es kennen als eine Aussage unseres gemeinsamen Willens: Dies ist unsere Stadt, dies bleibt unsere Stadt und — ich gehe nun über zu uns im ganzen — dies i s t ein freies Land, dies bleibt ein freies Land. Nun gibt es den einen oder anderen, meine Damen und Herren, der sagen würde: Diese Aussage geht nicht weit genug. Ich will sie daher ganz klar und bewußt erweitern und sagen: Dieses freie Land arbeitet dem Tag entgegen, an dem ganz Deutschland wieder frei sein wird.

    (Beifall bei den Regierungsparteien und bei Abgeordneten der SPD.)