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ID0404102300

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    Deutscher Bundestag 41. Sitzung Bonn, den 12. Oktober 1962 Inhalt: Aussprache über die Erklärung der Bundesregierung Majonica .(CDU/CSU) . . . . . 1747 A Wehner (SPD) . . . . 1751 A, 1784 B Dr. Adenauer, Bundeskanzler . . . 1759 D Döring (Düsseldorf) (FDP) . . . . 1761 B Freiherr zu Guttenberg (CDU/CSU) 1763 D Dr. Schröder, Bundesminister . . 1770 A Erler (SPD) 1773 B Dr. Gradl (CDU/CSU) 1780 C Wacher (CDU/CSU) 1784 B Zur GO Schmitt-Vockenhausen (SPD) . . . 1786 C Antrag der Fraktion der SPD betr. Überbrückungszulage für die Beamten und Versorgungsempfänger des Bundes (Drucksache IV/509) 1786 C Nächste Sitzung 1786 D Anlagen 1787 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 41. Sitzung. Bonn, Freitag, den 12. Oktober 1962 1747 41. Sitzung Bonn, den 12. Oktober 1962 Stenographischer Bericht Beginn: 9.02 Uhr
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    *) Siehe Anlage 2 Anlage 1 Liste der beurlaubten Abgeordneten Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich Frau Albertz 3. 11. Arndgen 12. 10. Dr. Arndt (Berlin) 12. 10. Dr. Aschoff 12. 10. Dr. Atzenroth 12. 10. Bading 12. 10. Baier (Mosbach) 12. 10. Bauer (Wasserburg) 26. 10. Bausch 20. 10. Benda 12. 10. Biermann 12. 10. Dr. Birrenbach 16. 10. Dr. h. c. Brauer 12. 10. Brese 12. 10. Burckardt 12. 10. Dr. Burgbacher 12. 10. Dr. Czaja 12. 10. Dopatka 12. 10. Engelbrecht-Greve 12. 10. Figgen 13. 10. Frau Dr. Flitz (Wilhelmshaven) 12. 10. Dr. Frey (Bonn) 12. 10. Dr. Dr. h. c. Friedensburg 28. 11. Geiger 12. 10. Gerns 12. 10. Gewandt 12. 10. Dr. Gleissner 12. 10. Dr. Götz 12. 10. Günther 12. 10. Dr. Hamm (Kaiserslautern) 12. 10. Dr. Harm (Hamburg) 1. 11. Harnischfeger 12. 10. Heiland 12. 10. Dr. Dr. Heinemann 12. 10. Hellenbrock 12. 10. Dr. Hesberg 12. 10. Hirsch 12. 10. Jacobi (Köln) 12. 10. Jacobs 12. 10. Junghans 12. 10. Dr. Jungmann 12. 10. Killat 12. 10. Dr. Kliesing (Honnef) 12. 10. Dr. Koch 12. 10. Kraus 12. 10. Dr. Kreyssig 12. 10. Kriedemann 12. 10. Freiherr von Kühlmann-Stumm 12. 10. Kühn (Bonn) 31. 12. Kuntscher 31. 10. Kurlbaum 12. 10. Lange (Essen) 12. 10. Leber 20. 10. Lenz (Bremerhaven) 12. 10. Lenze (Attendorn) 12. 10. Dr. Löbe 12. 10. Dr. Lähr 12. 10. Lünenstraß 12. 10. Anlagen zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich Dr. Mälzig 12. 10. Frau Dr. Maxsein 12. 10. Dr. h. C. Menne (Frankfurt) 12. 10. Metzger 12. 10. Michels 12. 10. Dr. h. c. Dr.-Ing. E. h. Möller 12. 10. Dr. Morgenstern 12. 10. Müller (Nordenham) 12. 10. Müller (Worms) 12. 10. Murr 12. 10. Oetzel 31. 10. Rademacher 31. 10. Ramms 12. 10. Sander 12. 10. Dr. Schäfer 12. 10. Spitzmüller 12. 10. Steinhoff 13. 10. Stooß 12. 10. Storch 12. 10. Striebeck 12. 10. Dr. Freiherr 12. 10. von Vittinghoff-Schell Dr. Wahl 15. 11. Walter 12. 10. Wehking 3. 11. Weigl 12. 10. Werner 12. 10. Dr. Winter 12. 10. Wittmer-Eigenbrodt 31. 10. Anlage 2 Schriftliche Erklärung des Abgeordneten Schmitt-Vockenhausen zu dem Antrag der SPD-Fraktion betr. Überbrückungszulage für die Beamten und Versorgungsempfänger des Bundes (Drucksache IV/509). Dreieinhalb Monate nach der Erklärung des Vorsitzenden der CDU/CSU-Fraktion, Dr. von Brentano, vom 27. 6. 1962, als die Koalitionsparteien die Beratung des SPD-Antrages auf Zahlung einer Überbrückungszulage für die Beamten und Versorgungsempfänger des Bundes im Jahre 1962 ablehnten, liegt immer noch kein entsprechender Vorschlag der Koalitionsparteien vor. Vielmehr hat die Bundesregierung mehrfach alle Vorschläge auf Zahlung einer Überbrückungszulage abgelehnt. Diese ablehnende Haltung der Bundesregierung und Untätigkeit der Koalition hat verständlicherweise bei der Beamtenschaft starke Verärgerung hervorgerufen, die in dieser Haltung berechtigterweise eine Verletzung der Fürsorgepflicht der Bundesregierung sieht. Es wäre zu bedauern, wenn durch die mangelnde Fürsorgepflicht der Bundesregierung gegenüber den Bundesbeamten eine Berufs- und Staatsverdrossenheit der Beamtenschaft einträten, deren Leistungen der Herr Bundeskanzler erst in seiner Regierungserklärung gewürdigt hat. Es kommt nun darauf an, daß nach den vielen Reden 1788 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 41. Sitzung. Bonn, Freitag, den 12. Oktober 1962 und zahlreichen zustimmenden Erklärungen gegenüber der Beamtenschaft auch tatsächlich etwas geschieht. Wir glauben, hier mit Recht auf die Ausführungen eines stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden der CDU hinweisen zu müssen, der erklärt hat, daß das gute Prinzip des Maßhaltens für die Verbrämung eines schlichten Unrechts herhalten würde, wenn man einem Postschaffner oder Zollassistenten unter Hinweis auf eine sparsame Wirtschaftsführung das verweigern würde, was ein Staatssekretär in Düsseldorf bekommen habe. Die SPD-Fraktion ist der gleichen Auffassung und bittet um schnelle Beratung des Antrages im Ausschuß, damit die Beamtenschaft noch im Oktober mit einer positiven Entscheidung rechnen kann. Anlage 3 Schriftliche Antwort des Herrn Bundesministers Schwarz auf die Zusatzfrage zu der Mündlichen Anfrage des Abgeordneten Dr. Schmidt (Gellersen) (Fragestunde der 34. Sitzung vom 14. Juni 1962, Drucksache IV/453, Frage X/2: *) Die Kosten des Gesamtvergleichs lassen sich zur Zeit noch nicht genau feststellen, da es sich um den Abschluß eines Rahmenvergleichs handelt und die Gesamtsumme der einzelnen Forderungen, die sich aus den erhobenen Klagen und den fristgemäß eingelegten Widersprüchen ergeben, der Einfuhr- und Vorratsstelle noch nicht vorliegen; als letzter Anmeldetermin für die spezifizierte Einreichung der Forderungen bei der Einfuhr- und Vorratsstelle ist der 31. Dezember 1962 vereinbart worden. Eine Schätzung der Gesamtforderungen hat einen Höchstbetrag von ca. 50 Mill. DM ergeben. Bei diesen Forderungen handelt es sich, worauf ich besonders hinweisen möchte, um zuviel erhobene Abschöpfungsbeträge (so die Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte, insbesondere die des Bundesverwaltungsgerichts in den Jahren 1960 und 1961). Diese Beträge brauchen jedoch nach dem Vergleich nur teilweise zurückgezahlt zu werden. Ein Schaden ist deshalb dem Bund durch den Abschluß des Gesamtvergleichs nicht entstanden, zumal die Kläger auf die Zahlung von Zinsen verzichtet haben. Außerdem ist zwischen den Parteien vereinbart worden, daß von der Einfuhr- und Vorratsstelle Gerichtskosten und Anwaltskosten nur in solchen Fällen voll übernommen werden, in denen ein höchstrichterliches Urteil gegen sie ergangen ist, während in allen anderen Vergleichsfällen die Anwaltskosten von jeder Partei selbst und die Gerichtskosten von jeder Partei zur Hälfte getragen werden sollen. Unter diesen Umständen erschien der Abschluß des Gesamtvergleichs, der zwischen den beteiligten Bundesressorts eingehend vorbereitet worden ist, aus Sparsamkeitsgründen nach den Bestimmungen der Reichshaushaltsordnung geboten, und zwar im *) Siehe 34. Sitzung Seite 1430 B Hinblick auf die Einsparung von sonst wahrscheinlich erheblich höheren Bundesmitteln sowie in Anbetracht einer erheblichen Arbeitsentlastung bei der Einfuhr- und Vorratsstelle und den beteiligten Bundesressorts. Die durch die Vielzahl der Prozesse verursachte Mehrbelastung für die Beamten der Bundesressorts und die Dienstangehörigen der Einfuhr- und Vorratsstelle hätte ohne Anstellung von zusätzlichen Kräften weiterhin nicht mehr verantwortet werden können. Eine Durchschrift dieses Schreibens habe ich noch Herrn Abgeordneten Provinzialdirektor i. R. Ritzel mit der Bitte um Kenntnisnahme übersandt, weil auch Herr Ritzel über den Ausgang der gegen die Einfuhr- und Vorratsstelle geführten Rechtsstreitigkeiten und die damit verbundenen Kosten für den Bund unterrichtet sein wollte. Anlage 4 Umdruck 144 Entschließungsantrag der Fraktionen der CDU/ CSU, FDP zur Erklärung der Bundesregierung vom 9. Oktober 1962 Der Bundestag wolle beschließen: I 1. Der Deutsche Bundestag ist bereit, die in der Regierungserklärung aufgezeigten Maßnahmen zur Stabilisierung der wirtschaftlichen Verhältnisse nachhaltig zu unterstützen. Insbesondere begrüßt der Deutsche Bundestag eine sparsame Haushaltspolitik, die der Offentlichen Hand die notwendige Zurückhaltung nicht zuletzt auf dem Baumarkt auferlegt hat. 14. Der Deutsche Bundestag erwartet, daß Länder und Gemeinden sich diesen Bemühungen der Bundesregierung anschließen. 15. Der Deutsche Bundestag appelliert eindringlich an die Tarifpartner, durch eine maßvolle und der wirtschaftlichen Situation entsprechenden Haltung bei der Gestaltung von Preisen, Löhnen und Arbeitszeit die Bemühungen der Bundesregierung und des Deutschen Bundestages zu unterstützen. II 1. Der Bundestag erklärt seine Befriedigung über den Verlauf der Besuche des Bundespräsidenten und des Bundeskanzlers in Frankreich sowie des Präsidenten der Französischen Republik in Deutschland. Er betrachtet die Freundschaft und enge Zusammenarbeit zwischen Frankreich und Deutschland als endgültigen und unverrückbaren Bestandteil. der deutschen Außenpolitik und als wesentlichen Beitrag für ein geeintes Europa. 2. Der Bundestag ist der Überzeugung, daß die noch offenen Probleme bei den Verhandlungen über den Eintritt Großbritanniens in die EWG in einer für alle Beteiligten tragbaren Weise gelöst werden können. Er fordert die Bundesregierung auf, Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 41. Sitzung. Bonn, Freitag, den 12. Oktober 1962 1789 alles in ihren Kräften stehende zu tun, um dieses Ziel zu erreichen. Die politische Mitwirkung Großbritanniens bei der Schaffung eines geeinten und weltoffenen Europas wird vom Bundestag sehr begrüßt. 3. Der Bundestag hält es für erforderlich, daß nach dem Eintritt Großbritanniens in die EWG von ihren Gremien das Gespräch mit den Vereinigten Staaten über die von Präsident Kennedy vorgeschlagene atlantische Partnerschaft und Interdependenz aufgenommen wird. 4. Der Fortschritt der Menschheit, von der ein großer Teil noch von Hunger und Elend geplagt ist, hat als erste und unerläßliche Voraussetzung die Erhaltung des Weltfriedens. Der Bundestag ist der Auffassung, daß, nachdem in Westeuropa eine dauerhafte Friedensordnung gefunden worden ist, erneut versucht werden muß, auch mit Deutschlands östlichen Nachbarn zu einem wahren Frieden zu gelangen. Das Recht auf Selbstbestimmung, auf nationale Einheit und Freiheit muß dabei für das deutsche Volk ebenso respektiert werden wie für alle anderen Völker. 5. Der Bundestag erklärt seine Entschlossenheit, alles zu unterstützen und alles zu tun, um die Freiheit in Berlin zu wahren. Die Bevölkerung Westberlins darf gewiß sein, daß sie sich auf die Bundesrepublik verlassen kann. Gemeinsam mit den drei westlichen Schutzmächten und mit allen Partnern des westlichen Bündnisses wird die Freiheit in Berlin mit allen Mitteln verteidigt werden, die notwendig sind. Der Bundestag erklärt das im Bewußtsein der Verpflichtung des Grundgesetzes, sich für alle Deutschen verantwortlich zu wissen, gleichgültig in welchem Teil Deutschlands sie leben. Den Landsleuten hinter der Mauer und den Todesstreifen versichert der Bundestag, daß alle Energie eingesetzt werden wird, um endlich auch für sie Menschlichkeit und Selbstbestimmung und für das ganze deutsche Volk Einheit in Frieden und Freiheit zu verwirklichen. 6. Der Bundestag bedauert, daß die sowjetische Politik die Erreichung dieses gerechten Zieles nicht nur erschwert, sondern darüber hinaus eine Verschärfung der internationalen Lage bewirkt hat. Angesichts dieser Lage erwartet der Bundestag von der Bundesregierung, daß sie alle die Maßnahmen ergreift, die für die Sicherheit und Freiheit unseres Volkes erforderlich sind. 7. Der Bundestag fordert die Bundesregierung auf, mit ihren Verbündeten in Konsultationen einzutreten mit dem Ziel, seitens des Westens der Sowjetunion den Vorschlag zu machen, entsprechend der Verantwortung der Vier Mächte eine gemeinsame ständige Konferenz zur Lösung der deutschen Frage als Voraussetzung eines dauerhaften Friedens herbeizuführen. Bonn, den 12. Oktober 1962 Dr. von Brentano und Fraktion Dr. Mende und Fraktion.
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Thomas Dehler


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Die Sitzung wird fortgesetzt.
    Im Augenblick kommt der Wunsch von der CDU/ CSU-Fraktion, daß wir noch weitere zehn Minuten warten.

    (Zurufe von der SPD.)

    — Wir müssen diesem Wunsch entsprechen. Um Schwierigkeiten aus dem Wege zu gehen, schlage ich vor, daß wir um 11.45 Uhr wieder beginnen.

    (Unterbrechung der Sitzung von 11.23 bis 11.45 Uhr.)



Rede von Dr. Thomas Dehler
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Die Sitzung wird fortgesetzt.
Das Wort hat Herr Abgeordneter zu Guttenberg.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Freiherr Karl Theodor von und zu Guttenberg


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wie schon einmal ist mir die Aufgabe zugefallen, auf eine Rede zu antworten, die der Herr Kollege Wehner hier gehalten hat. Herr Kollege Wehner hat diese Rede zweigeteilt. Er hat sowohl vom heutigen Kurs als auch vom Gestern seiner Partei gesprochen.
    Meine Antwort auf das, was er vom Heute der SPD gesagt hat, ist ganz einfach die: Herr Kollege Wehner, wir freuen uns, daß der Prinzipienstreit,



    Freiherr zu Guttenberg
    der jahrelang dieses Haus und die Öffentlichkeit in unserem Lande beschäftigt hat, zu Ende ist. Jahrelang gab es jene, die da sagten, daß sie für die NATO, für das westliche Bündnis, für Europa seien, und es gab die anderen, die von der Bündnisfreiheit und von der Neutralität gesprochen haben. Ich wiederhole, wir freuen uns, daß dieser Prinzipienstreit zu Ende ist. Die schwerste Hürde scheint genommen zu sein, um die Gefahr zu beseitigen, die für unsere Existenz durch all diese Jahre bestanden hat, solange unsere Gegner eine Chance und unsere Freunde ein höchstes Risiko darin erblicken mußten, daß nur ein Teil der politischen Repräsentanz der Deutschen uneingeschränkt für das Bündnis mit dem Westen war.
    Ein zweites. Als einem Mitglied der CDU/CSU wird man mir wohl nicht verdenken, daß ich sage: wir freuen uns auch darüber, daß wir die letzte, die wirklich nicht mehr zu überbietende Bestätigung für die Richtigkeit unserer Politik erhalten haben,

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    jene Bestätigung nämlich, daß die Prinzipien unserer Politik von unserem schärfsten Widersacher übernommen wurden.
    Nun aber zu dem, Herr Kollege Wehner, was Sie zum Gestern Ihrer Partei gesagt haben. Herr Wehner, es ist doch ganz einfach wahr, daß Sie unsere schärfsten Gegner waren. Es gab doch keinen Wahlkampf in unserem Lande, der nicht um die Fragen unserer Außen- und Verteidigungspolitik geführt wurde; und man soll uns doch heute nicht glauben machen wollen, daß wir es seien, die zu einer neuen Politik gegriffen hätten, und daß Sie die Ihre fort: gesetzt hätten.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Ich gebe zu, Herr Kollege Wehner, daß Ihre Darstellung der Vergangenheit Ihrer Partei gut gemacht war. Und ich räume auch gern ein, Verständnis für ihre Lage zu haben. Es ist gewiß nicht leicht, einen eklatanten Wandel zu vollziehen und gleichzeitig von Kontinuität zu reden.

    (Heiterkeit bei der CDU/CSU. — Abg. Mattick: Ist denn Ihre Politik durch die Mauer bestätigt worden?)

    — Ich glaube, Herr Mattick, Sie wissen so gut wie ich, daß die Mauer nicht durch unsere Politik herbeigeführt worden ist,

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    und ich verwahre mich gegen die Unterstellung, als hätte es hier einen anderen als einen möglicherweise kriegerischen Weg gegeben, diese Mauer zu verhindern.

    (Beifall bei der CDU/CSU. — Abg. Metzger: Wir müssen die Sünden Ihrer Politik ausbaden!)

    Herr Kollege Wehner, wir erwarten auch gar nicht das Eingeständnis Ihrer Partei, daß Sie hier etwa sagten, Sie hätten sich geirrt. Aber bitte verwehren Sie es auch nicht uns, wenn wir heute wiederholen, was wir in all den hinter uns liegenden
    Jahren immer wieder_ festzustellen hatten. Wenn wir damals nämlich sagten: „Sie irren!" Dann müssen wir doch heute sagen: Jawohl, Sie haben sich geirrt!

    (Abg. Frau Dr. Hubert: Leider nicht!)

    Es ist schwer erträglich, zuzuhören, wenn man die Rechtfertigungen hört, die in der Rede des Herrn Wehner vorgebracht wurden. Sie haben doch gesagt, Herr Wehner, die deutschen Sozialdemokraten seien nicht gegen die Verteidigung an sich gewesen, sie hätten sich nur — das waren Ihre Worte — eine andere Rangordnung vorgestellt. Eine Rangordnung, in der politische Ziele — so habe ich Sie verstanden — vor den militärischen Zielen rangierten.
    Wirklich, Herr Wehner? Ist das die ganze Wahrheit? Gab es denn nicht Plakate, die wir von der CDU gesehen, die Sie von der SPD gedruckt und aufgehängt haben, auf denen zu lesen stand: „Wohnungen statt Kasernen"? War es denn nicht so, daß wir, die CDU, allerorten, wohin wir kamen, auf die Parole trafen: „Ohne mich"? Wer hat diese Parole denn ins Volk gebracht? Wir alle wissen, wie das war.
    Wir wissen auch, wie es um die Europapolitik der Sozialdemokraten damals stand. Gewiß, das weiß ich auch, keiner aus der SPD 'hat je etwa gesagt, daß er gegen Europa sei und nichts von einer europäischen Einigung wissen wolle. Aber eben dies war es ja. Wir haben viele schöne Theorien gehört und vieles, was im Grunde aber unverbindlich blieb. Wenn es auf das Feld des Konkreten ging, dann sah es anders aus. Herr Ollenhauer hat doch hier an dieser Stelle damals, als es um die Europäische Verteidigungsgemeinschaft ging, am 5. Dezember 1952 wörtlich erklärt: die unvermeidliche Folge der Einbeziehung der Bundesrepublik in diese europäische Gemeinschaft sei die Vertiefung der Spaltung Deutschlands. Mit diesem Satze hat er klar gesagt, was Ihre Partei, was Ihre Politik durch Jahre hindurch in diesem Punkte ausgezeichnet hat, nämlich die Annahme, es gebe eine Alternative zwischen der Einbeziehung der Bundesrepublik in diese westlichen Gemeinschaften einerseits und der Wiederherstellung der deutschen Freiheit und Einheit andererseits, es gebe also eine Wahlmöglichkeit zwischen der Einigung Europas und der Einigung Deutschlands. Sie waren es doch, die von der Bündnisfreiheit gesprochen haben. Sie waren es doch, die von der Neutralität gesprochen haben. Herr Professor Carlo Schmid hat doch selbst auf das österreichische und schwedische Beispiel hingewiesen.

    (Abg. Dr. Schmid [Frankfurt] : Für ein wiedervereinigtes Deutschland!)

    Wie kann man da heute so tun, als gäbe es diese Geschichte nicht? Herr Kollege Wehner, bei allem Verständnis für die von Ihnen geschilderte damalige Lage Ihrer Partei muß ich Ihnen sagen: ich bin ganz einfach nicht in der Lage, genügend Verständnis für Ihre heutige Lage aufzubringen, um zuzustimmen, daß die Geschichte dieses Hauses in allen diesen Punkten neu geschrieben werden sollte.

    (Sehr gut! bei der CDU/CSU.)




    Freiherr zu Guttenberg
    Meine Damen und Herren, aber nun zu dem, was wir in dieser Debatte zum Heute unserer deutschen Situation zu sagen haben. Auch in dieser Debatte gibt es, wie ich meine, kein einziges Thema, das ohne Zusammenhang wäre mit Berlin. Damit ist keineswegs nur die selbstverständliche Sorge dieses Hauses um das Wohlergehen und die Sicherheit der Westberliner gemeint. Vielmehr halte ich dafür, daß alle unsere Entscheidungen auf allen Gebieten unsere Politik an jenem Maßstab zu messen sind, den uns die unablässigen sowjetischen Drohungen gegen unsere Stadt Berlin auferlegen, an dem Maßstab eines tiefen und letzten Ernstes, der alleine unserer Lage angemessen ist.
    In Berlin wird, wie wir alle wissen, nicht nur um Berlin gerungen. Zwar will Moskau auch Berlin, aber es will nicht nur Berlin. Berlin ist lediglich die Stelle, an der sich der Charakter des Konflikts am deutlichsten erweist, der die ganze Welt erschüttert. Was da die Krise um Berlin genannt wird, das ist in Wahrheit nur ein Name, der in diesen Tagen und vielleicht für lange Zeit stellvertretend für die Krise steht, die die ganze Erde in Atem hält.
    Wir würden uns deshalb selbst, wir würden unser Volk und wir würden unsere Freunde täuschen, wollten wir der Hoffnung Nahrung geben, daß ein Modus für Berlin gefunden werden könne, der dort zu einer dauerhaften Ordnung führt, während Moskau gleichzeitig daran festhält, seine Politik des Kalten Krieges auf allen anderen Fronten fortzusetzen. Es mag möglich sein, Atempausen zu gewinnen. Aber wir würden uns nur selbst belügen, wenn wir etwa glaubten, daß es einen leichteren Weg, einen Ausweg also aus dieser Krise um Berlin gäbe, der es uns ersparen könnte, fest zu bleiben, auf unseren Rechten zu beharren und der Drohung die Stirn zu bieten.
    Auch ich komme zurück auf das, was der Herr Bundeskanzler gestern gesagt hat, als er vor den Initiativen gewarnt hat, die der Geschäftigkeit entspringen. Herr Kollege Ollenhauer hat den Herrn Bundeskanzler dafür kritisiert und hat sich im Ton der moralischen Entrüstung zum Anwalt derer aufgeschwungen, die sich — wie er sagte — ernsthaft Sorgen um Berlin und um die Zukunft unseres Volkes machen. Herr Ollenhauer, glauben Sie denn wirklich, daß nur jene sich den Kopf zerbrechen, die da fortgesetzt nach Initiativen rufen? Ist es denn nicht so, daß dieser permanente Ruf nach Initiativen meist nur die Suche nach einem Ausweg aus einer beängstigenden Wirklichkeit ist? Auch Herr Wehner scheint mir dieser Meinung zu sein, wenn er davon gesprochen hat, daß es Unfug sei, dauernd Initiativen zu erwarten. Und ist diese deutsche Wirklichkeit denn nicht die, daß sich hier Fronten gegenüberstehen, die nun einmal unvereinbar sind? Wo ist denn dieser Ausweg? Wo ist denn diese Initiative, die das Dilemma auflöst, wenn Herr Chruschtschow uns da sagt, er will Berlin, und wenn wir ihm zu sagen haben, daß dies Berlin unser bleibt?
    Man entgeht nicht dadurch der Gefahr, daß man ihr den Rücken kehrt, weil man ihren Anblick nicht erträgt. Noch keiner hat die Freiheit je auf leichtem Weg gewonnen. Daher, meine ich, sollte in diesem Hause bei jedem, der da redet; der Mut zur ganzen Wahrheit herrschen, der Mut, unserem Volke zu sagen, daß die Chance, unsere Freiheit und den Frieden zu bewahren, im Grunde ganz allein darin besteht, dem Gegner klarzumachen, daß es in diesem Hause keinen gibt, dem irgendein Risiko größer erscheinen könnte als jenes, unsere Freiheit zu verlieren.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP.)

    Meine Damen und Herren, lassen Sie mich weiter sagen, daß die Krise um Berlin auch deshalb mehr ist als ihr Name, weil der Streit um die Freiheit der Berliner gleichzeitig eine Prüfung der inneren Wahrheit, der inneren Wahrhaftigkeit unserer Allianz bedeutet, die doch nur dieses Prinzip der Freiheit zusammengeführt hat. Mit dem sowjetischen Anschlag gegen Berlin, mit dieser ersten, direkten und ungeschminkten Herausforderung des ganzen westlichen Bündnisses und seiner Vormacht hat vor vier Jahren eine neue Phase des Ost-West-Konflikts begonnen, jene Phase, in der die Sowjetunion versucht, an der entscheidenden Front ihres Kalten Krieges den entscheidenden Durchbruch zu erzwingen.
    Mit Dankbarkeit gegen unsere Freunde und — mit Verlaub zu sagen — mit Genugtuung über die Bestätigung der Richtigkeit unserer Politik können wir nach vier Jahren unablässiger sowjetischer Drohungen die Feststellung treffen, daß dem Gegner dieser erstrebte Durchbruch nicht gelungen ist. Ja, ich meine, es besteht aller Anlaß zu der Zuversicht, daß sich dieser Gegner angesichts der unzweideutigen Garantien unserer Partner auch in Zukunft hüten wird, Aktionen gegen Westberlin in Gang zu setzen, die einen Brand entstehen lassen könnten, der auch die Sowjetunion ergreifen müßte.
    Allerdings — und diese Anmerkung ist nötig — hängt diese unsere Zuversicht entscheidend davon ab, daß man in Moskau keinen Augenblick an der Entschlossenheit des Westens zweifelt, Berlin, wenn nötig, mit dem letzten Einsatz zu verteidigen. Wir zweifeln hieran keinen Augenblick, und ich glaube, dies im Namen aller hier im Hause sagen zu können. Aber eben deshalb muß ich mich dagegen wenden, daß der frühere Kollege Helmut Schmidt im Namen der SPD Äußerungen gemacht hat, die nach meiner Meinung geeignet sind, in Moskau eben diesen Zweifel zu erregen.

    (Abg. Majonica: Sehr richtig!)

    Denn der Senator Schmidt hat öffentlich erklärt, es gebe eine neue Strategie, die von den USA vertreten, von ihm gebilligt und von unserem Verteidigungsminister verworfen werde. Diese neue Strategie, so hat er es geschrieben, bestehe darin, daß zur Verteidigung Europas und damit auch zur Verteidigung Berlins nukleare Waffen nur dann Verwendung finden sollten, wenn zuvor der Gegner von seinem nuklearen Arsenal Gebrauch gemacht haben sollte. Die Konsequenz aus diesen Worten des früheren Kollegen Helmut Schmidt ist klar: sollte Moskau daran glauben, daß eine solche NATO-Strategie bereits beschlossen sei, dann wäre Moskau von dem atomaren Risiko befreit und gleichzeitig in den Stand gesetzt, seine Übermacht konventioneller Truppen einzusetzen.
    17.

    Freiherr zu Guttenberg
    Der Senator Helmut Schmidt kennt diesen Sachverhalt der konventionellen Überlegenheit der Sowjetunion so gut wie ich. Er meint jedoch, es werde möglich sein, auf dem Felde konventioneller Stärke dem Gegner, wie er sagt, adäquat zu werden. Gewiß, es wäre wünschenswert, wenn es dem Westen, wenn es auch Europa gelänge, auf allen Stufen der Verteidigung ein Maximum der Stärke zu erreichen. Wir meinen nur, daß auch in Zukunft keine Möglichkeit besteht, das theoretisch Wünschenswerte auf diesem Feld der herkömmlichen Bewaffnung auch wirklich praktisch durchzusetzen. Es ist nämlich nicht damit getan — wie Herr Helmut Schmidt es tut —, summarisch einfach zu vergleichen, welche Wirtschaftskraft und welche Bevölkerungszahlen in Ost und West sich gegenüberstehen. Denn in der Diktatur ist vieles möglich, was einen freien Staat erschüttern müßte. Und wir — ich darf das sagen — denken nicht daran, zur Verteidigung der Freiheit etwa die Freiheit in unserem Lande selbst aufs Spiel zu setzen.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Hingegen sind wir daran interessiert, von Ihrer Seite, meine Herren von der Opposition, einmal zu hören, wie Sie sich diese Sache denken, die Ihr Sprecher vorgeschlagen hat, als er von der adäquaten konventionellen Rüstung des Westens sprach. Denn eines, was Herr Helmut Schmidt hierzu gesagt und geschrieben hat, ist auf jeden Fall ungenügend: daß er nämlich nach dem Motto „Jockele, geh du voran!" kurzerhand Großbritannien die Wehrpflicht wieder verordnet hat. Ich denke, diese wilhelminischen Posen des Praeceptor Britanniae — sollten auch auf Ihrer Seite nicht wiederholt werden.

    (Beifall bei der CDU/CSU. — Lebhafte Zurufe und Lachen bei der SPD. — Abg. Wehner: Sie brauchen nur dazustehen, dann sieht man die Pose!)

    — Wenn nur einer von Ihnen reden würde, würde ich diesem gern antworten. — Herr Schmitt, lassen Sie doch die Kirche in Vockenhausen!

    (Heiterkeit bei der CDU/CSU.)

    Gewiß, der Senator Schmidt hat dann etwas Wein in sein Wasser gegossen; ich sage nicht: Wasser in seinen Wein, denn das wäre ein falsches Bild. Er hat nämlich dann erklärt, nicht das Heute, sondern jene Situation gemeint zu haben, die sich erst im Laufe der Jahre einmal zeigen werde. Nun, Herr Schmidt mußte das wohl sagen, denn der amerikanische Präsident Kennedy hat selbst in aller Öffentlichkeit — und offenbar nicht ohne Anlaß — jede Vermutung, daß es eine solche neue Strategie geben könne, als - wörtlich — „völlig unrichtig und gänzlich falsch" bezeichnet und damit unseren Verteidigungsminister bestätigt, der der Kontinuität der geltenden Verteidigungsdoktrin das Wort geredet hat.

    (Beifall bei der CDU/CSU. — Zurufe von der SPD. — Abg. Majonica: Der hatte Helmut Schmidt noch nicht gelesen!)

    Aber noch ein Weiteres! Der Senator Schmidt hat auch folgendes wörtlich geschrieben — ich zitiere —:
    Die Besorgnis ist völlig gerechtfertigt, Amerika werde in der Pattsituation auf begrenzte konventionelle Aggression nicht mehr nuklear reagieren wollen.
    Und Herr Schmidt hat dann deutlich gemacht, wann er diese Pattsituation als gegeben ansehen möchte: dann nämlich, wenn beide Weltmächte in der Lage seien, sich gegenseitig nuklear zu zerstören. Nun gut, Herr Helmut Schmidt hat mündlich erklärt, daß es diese Situation der gegenseitigen völligen Zerstörungsmöglichkeit heute noch nicht gebe. Aber wenn er sagt, daß diese Situation noch nicht gegeben sei, warum schreibt er dann das Gegenteil? Hier sind seine Worte, ich zitiere wieder wörtlich:
    Insgesamt kann die sowjetische Führung ziemlich sicher sein, im Falle der Gefahr nicht jener katastrophalen Alternative anheim zu fallen, die zur Zeit
    — also heute —
    den Westen zwingt, zwischen Unterwerfung unter die Aggression und atomarer Zerstörung zu wählen.
    Ich meine, allein wegen dieses einen Satzes wäre es schon nötig gewesen, darauf hinzuweisen, daß es der Sicherheit Berlins nicht dienlich sein kann — um mich zurückhaltend und milde auszudrücken —, wenn ein Sprecher der zweitgrößten deutschen Partei in der Öffentlichkeit und im Auftrage dieser Partei,

    (Zurufe von der SPD: Der größten Partei! — Gegenruf von der CDU/CSU: Um so schlimmer!)

    — Sie hören die Wahrheit nicht gern, insoweit
    haben Sie sich nicht gewandelt, das ist richtig —

    (Beifall und Heiterkeit bei der CDU/CSU — Zurufe von der SPD)

    wenn ein Sprecher der deutschen SPD erklärt, in einer solchen Situation und also in der von Ihnen als schon heute bestehend angesehenen/Lage würden beide Weltmächte — beide, also auch die USA — sich hüten, die gegenüberstehende Weltmacht nuklear zu treffen
    Ich sprach von der Zuversicht, die wir für die Erhaltung der Freiheit Berlins hegen dürfen, wenn die Verantwortlichen in der Sowjetunion von der Entschossenheit des Westens überzeugt bleiben, für Berlin mit allen Mitteln einzutreten. Ich sage: von der Entschlossenheit des Westens; denn — und das ist selbstverständlich — nichts wäre gefährlicher als irgendein Gefälle in der Risikobereitschaft derer, die für die Freiheit Berlins verantwortlich sind.
    Es war heute schon davon die Rede, daß Herr Ollenhauer gestern eine Erklärung des Herrn Bundeskanzlers vermißt habe, daß auch die Bundesregierung bereit sei, das Risiko zu teilen, das unsere Freunde auf sich nehmen. Ich brauchte eigentlich nicht zu wiederholen, was der Herr Bundeskanzler und was mein Freund Majonica hierzu gesagt haben. Aber ich tue Ihnen gern den Gefallen, auch meinerseits das nur Selbstverständliche



    Freiherr zu Guttenberg
    zu wiederholen: Es gibt den inneren Kreis der Schutzmächte Westberlins; neben ihnen steht die ganze NATO, die Bürgschaft für die Freiheit der Berliner leistet. Vor allem aber — das ist ganz einfach selbstverständlich und natürlich — steht da die Bundesrepublik, deren Grundgesetz und deren Verträge — um nur dies zu sagen — sie verpflichten, die Sache Berlins als ihre eigene zu vertreten.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Noch ein Weiteres ist zu sagen. Der sowjetische Druck richtet sich keineswegs nur gegen die Freiheit des Zugangs nach Berlin, gegen die Anwesenheit der alliierten Truppen in Berlin und gegen die Lebensfähigkeit Westberlins. Diese Westberlin selber betreffenden Positionen hat der amerikanische Präsident — und wir danken ihm dafür — als essentiell, als vital bezeichnet, und er hat sie damit nach menschlichem Ermessen dem Zugriff Moskaus entzogen.
    Der sowjetische Anschlag gegen Berlin ist aber auch und zugleich eine neue und bedrohliche Etappe in der sowjetischen Deutschlandpolitik, jener sowjetischen Deutschlandpolitik also, die nach meiner und meiner Freunde Ansicht vom Ende des Krieges bis heute von Moskau unbeirrt fortgeführt wurde und darin bestand, den eroberten Teil Deutschlands sich zu unterwerfen und gleichzeitig den Versuch zu unternehmen, Einfluß auch auf den anderen Teil Deutschlands zu gewinnen.
    Ich kann mir hier den Nachweis ersparen, daß und in welcher Weise Moskau hofft, durch den Druck auf Berlin dieses sein altes Deutschland-Konzept vorwärtszutreiben. Jeder in diesem Hause kennt das Begehren der sowjetischen Politik, dem sogenannten zweiten deutschen Staat und seinen sogenannten Grenzen internationale Anerkennung zu verschaffen. Jeder, meine Damen und Herren, in diesem Hause hat auch ein Bild davon, mit welchen Mitteln Moskau eines Tages versuchen könnte, sich an dieses Ziel der Anerkennung heranzutasten. Worauf es ankommt, ist, zu wissen, daß die Anerkennung eines zweiten deutschen Staates von Moskau nicht so sehr gewünscht wird, um diesem Zerrbild eines Staates Stabilität zu geben, als vielmehr deshalb, um der Bundesrepublik, dem wahren deutschen Staat, die Stabilität zu nehmen, die sie hat.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Meine Damen und Herren, jene Strecke, die auf deutschem Boden den Kontinent Europa teilt, war und ist und bleibt jener Teil der ganzen Teilungslinie, der zugleich die größte Chance und das höchste Risiko enthält. Wenn sich auch mancher mit der Vorstellung zufrieden geben mag, die westlichen Grenzen etwa Ungarns oder der Tschechoslowakei trennten auch heute noch wie seit eh und je lediglich Staaten und Völker voneinander, — Ulbrichts Todesstreifen und die Mauer in Berlin lassen solche Ausflucht, oder besser: solche Heuchelei, nicht zu.
    An der deutschen Teilung wird die ganze Wahrheit offenbar. Wer vor dieser Teilung steht, ist angerufen, sich zu entscheiden, zu antworten, nämlich auf die Frage: Soll solche Teilung anerkannt werden, oder soll ihr Anerkennung verweigert werden? Es gibt auf diese Frage eine Antwort aus dem Bereich der Moral, jene Antwort, daß es das Recht und nicht die Macht sein soll, das uns den Maßstab setzt.
    Aber die Welt, in der wir leben, ist wohl weniger an dieser Frage als daran interessiert, von uns zu hören, ob es eine gute Politik oder eine schlechte Politik ist, die wir vorschlagen, die wir treiben, wenn wir uns weigern, die Teilung unseres Landes hinzunehmen. Lassen Sie mich sagen: es ist ganz einfach gute, richtige Politik, unablässig und standhaft auf der Wiederherstellung der Freiheit und Einheit unseres Deutschlands zu bestehen, während es umgedreht schlechte, ja, in höchstem Maße lebensgefährliche Politik wäre, wollte sich irgendeiner bereit finden, diese Spaltung hinzunehmen.
    Dies aus zwei Gründen, einmal aus einem deutschen Grund. Meine Damen und Herren, wir sind den westlichen Bündnissen und den Gemeinschaften beigetreten, weil erstens die Sicherheit des freien Deutschlands anders nicht zu gewährleisten war und ist, weil wir zweitens die Verpflichtung fühlten und fühlen, daß auch wir unseren Teil zur gemeinsamen Verteidigung des gemeinsamen Gutes der Freiheit zu leisten haben, und weil wir drittens erkannten und erkennen, daß unsere Freiheit, daß unsere Einheit nur durch die Anstrengung der ganzen freien Welt erreicht werden kann, die Sowjetunion in einem mühseligen und langwierigen Prozeß von ihren revolutionären Zielen abzubringen.
    Aber, meine Damen und Herren, die geschichtliche Wahrheit ist die: unabdingbare Voraussetzung für unseren Beitritt zu diesen Bündnissen war die Bereitschaft unserer Partner zu einer formellen Verpflichtung, für die Wiederherstellung des ungeteilten freien Deutschlands einzutreten. Jede direkte oder indirekte, mittelbare oder unmittelbare Anerkennung oder Hinnahme der Teilung Deutschlands in zwei getrennte Staaten widerspräche dieser Verpflichtung.
    Wohlgemerkt, ich rede hier nicht von jenem Extrem, der Zone etwa durch formellen Rechtsakt Souveränität und Staatscharakter zu bescheinigen. Ich warne vielmehr vor jedem möglichen Schritt, der in unserem Land und außerhalb unseres Landes so verstanden, so bewertet, so gedeutet werden müßte, als rücke der Westen ab vom gemeinsamen Ziel der Freiheit und Einheit aller Deutschen. Ich warne deshalb vor solchen Schritten, weil sie den Boden bereiten müßten für den vergiftenden Vorwurf, der Westen habe die Deutschen getäuscht und irregeführt. Und ich setze hinzu, daß Herr Chruschtschow mit Sicherheit auf eben diese Stunde wartet, ja, ich möchte sogar sagen, daß Chruschtschows Aktion gegen Berlin vorzüglich dem Ziel dienen mag, diese Stunde herbeizuführen.
    Auch ich — wie Herr Wehner — bin mit dem Herrn Bundeskanzler der Meinung, daß wir gut beraten sind, wenn wir die deutsche Frage in erster Linie unter menschlichen und erst in zweiter unter nationalen Aspekten schildern und sehen. Eine solche Ordnung entspricht dem Rang der beiden Werte und entspricht gleichzeitig der Erkenntnis,



    Freiherr zu Guttenberg
    daß es keine Einheit geben kann, wenn nicht vorher die Freiheit wiederhergestellt ist. Was jedoch nicht geschehen dürfte, wäre dies: Weder sollte irgendeiner glauben, daß man die Freiheit zugunsten der Einheit, noch aber auch, daß man die Einheit zugunsten der Freiheit diskutierbar machen könne.

    (Sehr gut! bei der CDU/CSU.)

    Aber noch eine andere Überlegung läßt es einfach als schlechte Politik erscheinen, wenn man die Deutschen auffordern wollte, sich mit der Teilung ihres Landes abzufinden, eine Überlegung, die dem Bereich der Erfahrung zugehört, die die Welt mit totalitären Diktatoren gemacht hat. Es gehört doch zum Einmaleins des Umgangs mit einem solchen Gegner, daß Konzessionen und Verzicht auf Rechte seinen Appetit nicht stillen, sondern steigern. Moskaus Aggressivität wird dann wachsen, wenn sie zu Erfolgen führt. Unsere Hoffnung ist, daß sie eines Tages schwindet, wenn ihr der Erfolg versagt bleibt.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Wer deshalb glauben sollte, die Lage in Europa dadurch stabilisieren und den Kalten Krieg auf unserem Kontinent dadurch beendigen zu können, daß er den Status quo der Teilung hinnimmt, akzeptiert, der wäre auf dem besten Wege, auch das noch zu gefährden, was bis jetzt gesichert ist. Aus diesem Grunde wage ich den Satz: es ist in einem letzten Sinn nicht wahr, daß die ungelöste deutsche Frage für das Bündnis und für unsere Partner nur ein Risiko, nur eine Last bedeutete. In dieser ungelösten deutschen Frage steckt zugleich die Chance, daß dieses Bündnis insgesamt das Schicksal derer nicht vergißt, die in der Sklaverei versunken sind. Denn nicht nur auf dem Felde der Strategie ist das Gleichgewicht der Kräfte zu erhalten; auch auf dem Felde der Politik wird jener unterlegen sein, der dieses Gleichgewichtsgebot mißachten sollte.
    Westberlin ist nicht zu sichern, indem es nur verteidigt werden soll, und die Bundesrepublik gefährdet der, der das deutsche Lebensrecht auf sie beschränken möchte.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Für beide braucht man aber nicht zu fürchten, wenn dem widerrechtlichen Verlangen der Sowjets, in Berlin und später dann in Deutschland vorzudringen, mit dem legitimen Recht und Anspruch unseres Volkes begegnet wird, seine ganze Freiheit wiederzuerlangen.
    Sie mögen mich fragen, aus welchem Anlaß ich diese Rede führe. Diese Frage müßte leider zu der Antwort führen, daß es mehr als einen ernsten Anlaß hierzu gibt. Ich meine hier vor allem die Haltung eines sogenannten Realismus, die mehr und mehr zur Mode werden könnte.
    Lassen Sie mich als Beispiel hierzu sagen, daß ich erst kürzlich einen ganzen großen Saal deutscher Studenten einem deutschen Professor, einem deutschen Historiker, dem Sohn eines recht berühmten Mannes, Beifall spenden sah, als er der deutschen Politik empfahl, sich nicht länger der Teilung unseres Landes zu widersetzen. Und wer in diesem Hause, meine Damen und Herren, kennt nicht jene Zeitungen und Kommentare, die uns Illusionäre schelten, weil wir es unternehmen, Ulbricht und den zweiten deutschen Staat zu ignorieren, wie sie sagen. Und sollten wir hier nicht auch sagen, daß zu jenem Kreis der sogenannten Realisten nicht zuletzt auch die gehören, deren ganze sogenannte Wirklichkeit sich im Grunde nur um ihre eigenen höchstpersönlichen Sorgen und Wünsche dreht.
    Gewiß, meine Damen und Herren, die Motive, dieser sogenannten Realisten sind verschieden. Aber meist ist solcher Realismus nur ein Trick, ein frommer Selbstbetrug, der dazu dienen soll, sich aus der Wirklichkeit davonzustehlen — heimlich; denn getarnt mit diesem schönen Mantel des Realisten will da mancher der deutschen Wirklichkeit und der Last der Verantwortung entgehen, der deutschen Wirklichkeit der Narretei des Kommunismus, der auf deutschem Boden die Absurdität gewagt hat, die Verzweiflung einzumauern, statt sie aufzuheben.
    Was deshalb nötig ist, ist einfach schonungslose Offenheit, ist die Offensive einer klaren Haltung. D a s ist die Offensive, von der ich schrieb, Herr Wehner, ist die Aggressivität der Wahrheit und der Wahrhaftigkeit, ist jener Realismus, der Recht und Freiheit Wirklichkeit verschaffen will.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Der Sowjetoberst Tulpanow hat eine erstaunliche Ehrlichkeit besessen. Er hat nämlich geschrieben, die Mauer in Berlin sei die Grundlage der friedlichen Koexistenz. Er nennt es also Frieden; wir sagen dazu Mord, Verzweiflung, Sklaverei. Ich frage mich, ob vor diesem Friedensangebot, vor dem Angebot solcher „friedlichen Koexistenz" nicht doch jene althergebrachten Kategorien der Flexibilität, der intellektuellen Wendigkeit versagen, ob man nicht ganz einfach sagen muß: vor diesem sogenannten Angebot tut nichts mehr not als Selbstbehauptung, Standvermögen, Festigkeit und Selbstvertrauen. Was wir in diesem Zusammenhang am wenigsten ertragen können, ist Unklarheit und Zweifel über unsere eigene Haltung.
    Das gilt zum Beispiel dort, wo einer sagt — und es_ ist nicht nur einer —, es sei nun nachgerade Zeit, die sogenannte Hallstein-Doktrin zu revidieren; denn — so wird das meist begründet — diese alte Hallstein-These stehe uns doch nur im Wege, unsere Politik nach Osten hin zu aktivieren. Davon, daß es mit Hilfe dieses Instruments bis auf den heutigen Tag ,gelungen ist, dem sogenannten zweiten deutschen Staat den Weg zur Anerkennung außerhalb des Sowjetblocks zu versperren, ist sehr viel weniger die Rede. Ich sehe jedenfalls keinen Vorteil, keinen einzigen, der uns Anlaß bieten könnte, in diesem Punkte auch nur einen Schritt zurückzugehen und damit jenen Riegel zu gefährden, der Ulbrichts Mauerbauer bisher daran gehindert hat, im Auftrag eines deutschen Staates deutsche Schande in die Welt zu tragen.

    (Sehr gut! bei der CDU/CSU.)

    Noch sehr viel weniger verständlich scheinen mir allerdings gewisse Äußerungen des Herrn Regierenden Bürgermeisters Brandt, die er letzthin über seine Haltung zur Zone und über seine Hal-



    Freiherr zu Guttenberg
    tung zur gemeinsamen westlichen Deutschlandpolitik gemacht hat. Meine Damen und Herren, um allen Mißverständnissen vorzubeugen: ich ,will Herrn Brandt nichts unterstellen; ich will ihm nicht unterstellen, daß er wirklich meinte, was er sagte, als er einer schwedischen Zeitung erklärte, die Frage der Anerkennung der Zone sei nicht sein Problem, sondern das Problem Bonns. Herr Wehner hat heute gesagt, dies sei eine Frage gewesen, vor der wir alle stünden. Er hat in einem tiefen Sinne recht. Aber, meine Damen und Herren, Herr Brandt hat keine Frage gestellt, Herr Brandt hat auf eine Frage geantwortet und hat gesagt, dies sei nicht sein Problem. Ich möchte wissen, wessen Problem es dann ist, wenn nicht das des Regierenden Bürgermeisters.

    (Beifall in der Mitte.)