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    1. tocInhaltsverzeichnis
      Deutscher Bundestag 40. Sitzung Bonn, den 11. Oktober 1962 Inhalt: Erweiterung der Tagesordnung . . . . 1671 C Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die Ausprägung von Scheidemünzen (Drucksache IV/ 556) — Erste Beratung — . . . . . . . . 1671 D Entwurf eines Vierten Gesetzes zur Änderung des Flüchtlings-Notleistungsgesetzes (Drucksache IV/ 593) — Erste Beratung — 1671 D Entwurf eines Gesetzes über die Durchführung einer Repräsentativstatistik der Bevölkerung und des Erwerbslebens (Mikrozensus) (Drucksache IV/ 612) — Erste Beratung — . . . . . . . . 1671 D Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Inneres über den Entwurf einer Verordnung zur Änderung des Artikels 109 des Statuts der Beamten der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Europäischen Atomgemeinschaft (Drucksachen IV/ 610, IV/ 652) . . . . . . . 1672 A Entwurf einer Dreiunddreißigsten Verordnung zur Änderung des Deutschen Zolltarifs 1962 (GATT-Zugeständnisse — EWG : UDA) (Drucksache IV/ 613) . . . 1672 B Entwurf einer Einunddreißigsten Verordnung zur Änderung des Deutschen Zolltarifs 1962 (Zollaussetzungen — 2. Halbjahr 1962) (Drucksache IV/ 614) . . . 1672 B Begrüßung von Mitgliedern des Wohnungsbauausschusses der niederländischen Zweiten Kammer 1672 B Aussprache über die Erklärung der Bundesregierung Dr. von Brentano (CDU/CSU) . . 1672 C Ollenhauer (SPD) 1676 D Dr. Adenauer, Bundeskanzler . . 1687 C Dr. Mende (FDP) 1689 D Dr. Dr. h. c. Erhard . . 1698 A, 1728 B Dr. Deist (SPD) . . 1713 D, 1733 D Schmücker (CDU/CSU) . . . . . 1721 C Schwarz, Bundesminister . 1723 C Dollinger (CDU/CSU) . . . . . . 1724 D Dr. Dahlgrün (FDP) 1727 A Illerhaus (CDU/CSU) . . . . . 1731 B Dr. Imle (FDP) 1736 C Dr. Barzel (CDU/CSU) . . . . 1737 C Wehner (SPD) . . . . . . . 1739 A Fragestunde (Drucksache IV/ 655) Frage des Abg. Gewandt: Rückvergütung der umsatzsteuerlichen Vorbelastung beim Schiffbau Dr. Hettlage, Staatssekretär . 1703 B, C Gewandt (CDU/CSU) 1703 C II Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 40. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 11. Oktober 1962 Fragen des Abg. Dr. Dörinkel: Nachprägung von Goldmünzen . . . 1703 D Fragen des Abg. Fritsch: Schutzhütten für Beamte des Bundesgrenzzolldienstes Dr. Hettlage, Staatssekretär 1704 B, C, D, 1705 A Fritsch (SPD) . . . . . . . . . 1704 D Frage des Abg. Dröscher: Verseuchung des Quellschutzgebietes Königswald Dr. Hettlage, Staatssekretär 1705 A, B, C Dröscher (SPD) . . . . . . 1705 B, C Frage des Abg. Dröscher: Verwaltungsmehraufwendungen von Gemeinden durch Bearbeitung von Stationierungsaufgaben Dr. Hettlage, Staatssekretär 1705 C, 1706 A, B, C Dröscher (SPD) 1706 A, B Ritzel (SPD) . . . . . . 1706 B, C Frage des Abg. Cramer: Versagung einer Unterstützung für den ehemaligen Angestellten der Marineverwaltung Bruno Goerth Dr. Hettlage, Staatssekretär . . . 1706 D, 1707 A, B Cramer (SPD) . . . . . . . . 1707 A Frage des Abg. Schmitt-Vockenhausen: Sondermarke „Brot für die Welt" Stücklen, Bundesminister . . . . 1707 B Frage des Abg. Dr. Kohut: Dienstvorschriften der Deutschen Bundespost Stücklen, Bundesminister . . 1707 C, D Dr. Kohut (FDP) 1707 C, D Frage des Abg. Fritsch: Entschädigung der Landzusteller der Deutschen Bundespost 1707 D Frage des Abg. Walter: Telefonanschluß im Krankenhaus Hofgeismar Stücklen, Bundesminister . . , . . 1708 A Frage des Abg. Dr. Rutschke: Fahrpreiserhöhungen für den Kraftpostverkehr auf der Strecke Stein—Pforzheim Stücklen, Bundesminister 1708 A, B Dr. Rutschke (FDP) . . . . . . . 1708 B Frage des Abg. Cramer: Anmeldepflicht von Autoradios Stücklen, Bundesminister . . . 1708 C, D Cramer (SPD) . . . . . . . . 1708 C Frage der Abg. Frau Dr. Diemer-Nicolaus: Verbot von Fluor in Trinkwasser Frau Dr. Schwarzhaupt, Bundesminister 1708 D, 1709 A, B Frau Dr. Diemer-Nicolaus (FDP) 1709 A, B Frage des Abg. Gscheidle: Kennzeichnung der Lagerfähigkeit von Konserven 1709 B Frage der Abg. Frau Blohm: Verwendung von Phosphaten bei der Herstellung von Brühwürsten Frau Dr. Schwarzhaupt, Bundesminister . . . . . . . 1709 D Frage der Abg. Frau Blohm: Phosphatsalze bei der Herstellung von Brühwürsten Frau Dr. Schwarzhaupt, Bundesminister . . . . . . . 1709 D Frage des Abg. Dr. Dittrich: Bundestierärzteordnung Frau Dr. Schwarzhaupt, Bundesminister . . . . 1710 A, B, C Dr. Dittrich (CDU/CSU) . . . 1710 B, C Frage des Abg. Bauer (Würzburg) : Vertrieb von lebensmittelähnlichen t Scherzartikeln 1710 C Frage des Abg. Ritzel: Gemeinden ohne 'zentrale Wasserversorgung Frau Dr. Schwarzhaupt, Bundesminister 1710 D, 1711 A, B, C, D,1712 A Ritzel (SPD) . . . . . . . . 1710 D Könen (Düsseldorf) (SPD) . . . . 1711 A Sänger (SPD) . . . . . . . . . 1711 B Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 40. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 11. Oktober 1962 III Dr. Kohut (FDP) 1711 B Schwabe (SPD) . . . . . . . 1711 C Hammersen (FDP) . . . . . . -1711 D Metzger (SPD) 1711 D Börner (SPD) 1712 A Frage des Abg. Dr. Jungmann: Diät-Fremdstoffverordnung Frau Dr. Schwarzhaupt, Bundesminister 1712 B Frage des Abg. Dr. Bechert: Milchverseuchung mit Jod 131 Frau Dr. Schwarzhaupt, Bundesminister . . 1712 C, D, 1713 A Dr. Bechert (SPD) . . . 1712 D, 1713 A Frage des Abg. Dr. Bechert: Koordinierungsausschuß betr. Umweltradioaktivität Frau Dr. Schwarzhaupt, Bundesminister 1713 B, C Dr. Bechert (SPD) . . . . . . 1713 B Sammelübersicht des Petitionsausschusses über Anträge zu Petitionen (Drucksache IV/ 642) 1713 C Nächste Sitzung . . . . . . . . . 1741 C Anlagen 1743 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 40. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 11. Oktober 1962 1669 40. Sitzung Bonn, den 11. Oktober 1962 Stenographischer Bericht Beginn: 9.03 Uhr
    2. folderAnlagen
      Berichtigung Es ist zu lesen: 39. Sitzung Seite 1634 A Zeile 16 statt „5,3": 3,5. Anlage 1 Liste der beurlaubten Abgeordneten Abgeordnete (r) beurlaubt bis einschließlich a) Beurlaubungen Frau Albertz 3. 11. Arndgen 12. 10. Dr. Arndt (Berlin) 12. 10. Baier (Mosbach) 12. 10. Bauer (Wasserburg) 26. 10. Bausch 20. 10. Biermann 12. 10. Dr. Birrenbach 16. 10. Dr. h. c. Brauer 12. 10. Burckardt 12. 10. Figgen 13. 10. Frau Dr. Flitz (Wilhelmshaven) 12. 10. Dr. Frey (Bonn) 12. 10, Gerns 12. 10. Dr. Götz 12. 10. Dr. Hamm (Kaiserslautern) 12. 10. Dr. Harm (Hamburg) 1. 11. Heiland 12. 10. Dr. Dr. Heinemann 12. 10. Hellenbrock 12. 10. Jacobi (Köln) 12. 10. Jacobs 12. 10. Junghans 12. 10. Dr. Jungmann 12. 10. Dr. Kliesing (Honnef) 12. 10. .Dr. Koch 12. 10. Dr. Kopf 11. 10. Kraus 12. 10. Kriedemann 12. 10. Freiherr von Kühlmann-Stumm 12. 10. Kühn (Bonn) 31. 12. Kuntscher 31. 10. Leber 20. 10. Lenz (Bremerhaven) 12. 10. Lünenstraß 12. 10. Frau Dr. Maxsein 12. 10. Dr. h. c. Menne (Frankfurt) 12. 10. Metzger 12. 10. Dr. Morgenstern 12. 10. Müller (Worms) 12. 10. Murr 12. 10. Oetzel 31. 10. Frau Dr. Probst 11. 10. Rademacher 12. 10. Dr. Schäfer 12. 10. Scheuren 11. 10. Schoettle 12. 10. Steinhoff 13. 10. Stooß 12. 10. Storch 12. 10. Dr. Wahl 15. 11. Wehking 3. 11. Weigl 12. 10. Wittmer-Eigenbrodt 31. 10. b) Urlaubsanträge Dopatka 17. 10. Dr. Dr. h. c. Friedensburg 28. 11. Rademacher 31. 10. Anlagen zum Stenographischen Bericht Anlage 2 Abschrift Der Präsident des Bundesrates. Bonn a. Rh., 13. Juli 1962 An den Herrn Bundeskanzler Bonn Bundeskanzleramt Ich beehre mich mitzuteilen, daß das Gesetz zur Änderung des Zollgesetzes nach Ansicht des Bundesrates seiner Zustimmung bedarf. Der Bundesrat hat in seiner 248. Sitzung am 12./13. Juli 1962 beschlossen, dem vom Deutschen Bundestage am 29. Juni 1962 verabschiedeten Gesetz gemäß Artikel 84 Abs. 1 und 105 Abs. 3 des Grundgesetzes zuzustimmen. Der Bundesrat bedauert, daß er keine Gelegenheit hatte, zu den Gesetzen betreffend die Verwirklichung eines gemeinsamen Agrarmarktes gemäß Artikel 76 Abs. 2 des Grundgesetzes Stellung zu nehmen. Dies ist verfassungspolitisch und verfassungsrechtlich umso bedenklicher, als es sich nicht um echte Initiativgesetze des Deutschen Bundestages handelt, sondern um Vorlagen der Bundesregierung, die nach der zwingenden Vorschrift des Grundgesetzes zunächst dem Bundesrat zuzuleiten gewesen wären. Der Hinweis auf den Zeitdruck, unter dem das Gesetzgebungswerk stand, vermag nicht durchzugreifen, weil auch in einem solchen Falle die verfassungsmäßigen Rechte des Bundesrates beachtet werden müssen. Im Bewußtsein seiner Verantwortung gegenüber dem europäischen Gedanken, dem durch die EWG sichtbarer Ausdruck verliehen worden ist, und -im Hinblick auf die Bedeutung der schnellen Verwirklichung eines gemeinsamen europäischen Agrarmarktes sieht der Bundesrat trotz dieser Bedenken davon ab, bei dem Gesetz zur Änderung des Zollgesetzes den Vermittlungsausschuß anzurufen. Dr. Ehard Bonn, 13. Juli 1962 An den Herrn Präsidenten des Deutschen Bundestages Bonn Bundeshaus Vorstehende Abschrift wird mit Bezug auf das dortige Schreiben vom 29. Juni 1962 mit der Bitte um Kenntnisnahme übersandt. 1744 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 40. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 11. Oktober 1962 Anlage 3 Abschrift Der Präsident des Bundesrates Bonn a. Rh., 13. Juli 1962 An den Herrn Bundeskanzler Bonn Bundeskanzleramt Ich beehre mich mitzuteilen, daß der Bundesrat in seiner 248. Sitzung am 12./13. Juli 1962 beschlossen hat, hinsichtlich des vom Deutschen Bundestage am 29. Juni 1962 verabschiedeten Gesetzes über die Erhebung der Abschöpfungen nach Maßgabe der Verordnungen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft über die schrittweise Errichtung gemeinsamer Marktorganisationen für die landwirtschaftlichen Erzeugnisse (Abschöpfungserhebungsgesetz) einen Antrag gemäß Artikel 77 Abs. 2 des Grundgesetzes nicht zu stellen. Der Bundesrat bedauert, daß er keine Gelegenheit hatte, zu den Gesetzen betreffend die Verwirklichung eines gemeinsamen Agrarmarktes gemäß Artikel 76 Abs. 2 des Grundgesetzes Stellung zu nehmen. Dies ist verfassungspolitisch und verfassungsrechtlich umso bedenklicher, als es sich nicht um echte Initiativgesetze des Deutschen Bundestages handelt, sondern um Vorlagen der Bundesregierung, die nach der zwingenden Vorschrift des Grundgesetzes zunächst dem Bundesrat zuzuleiten gewesen wären. Der Hinweis auf den Zeitdruck, unter dem das Gesetzgebungswerk stand, vermag nicht durchzugreifen, weil auch in einem solchen Falle die verfassungsmäßigen Rechte des Bundesrates beachtet werden müssen. Im 'Bewußtsein seiner Verantwortung gegenüber dem europäischen Gedanken, 'dem durch die EWG sichtbarer Ausdruck verliehen worden ist, und im Hinblick auf die Bedeutung der schnellen Verwirklichung eines gemeinsamen europäischen Agrarmarktes sieht der Bundesrat trotz dieser Bedenken davon ab, bei dem Abschöpfungserhebungsgesetz den Vermittlungsausschuß anzurufen. Dr. Ehard Bonn, den 13. Juli 1962 An den Herrn Präsidenten des Deutschen Bundestages Bonn Bundeshaus Vorstehende Abschrift wird mit Bezug auf das dortige Schreiben vom 29. Juni 1962 mit der Bitte um Kenntnisnahme übersandt. Anlage 4 — Abschrift — Der Präsident des Bundesrates Bonn a. Rh., 13. Juli 1962 An den Herrn Bundeskanzler Bonn Bundeskanzleramt Ich beehre mich mitzuteilen, daß der Bundesrat in seiner 248. Sitzung am 12./13. Juli 1962 beschlossen hat, dem vom Deutschen Bundestag am 29. Juni 1962 verabschiedeten Gesetz zur Durchführung der Verordnungen Nr. 20 (Schweinefleisch), Nr. 21 (Eier) und Nr. 22 (Geflügelfleisch) des Rates der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft sowie zur Änderung des Gesetzes zur Förderung der deutschen Eier- und Geflügelwirtschaft gemäß Artikel 84 Abs. 1 und Artikel 87 Abs. 3 Satz 2 des Grundgesetzes zuzustimmen. Außerdem hat der Bundesrat folgende Entschließung gefaßt: Der Bundesrat bedauert, daß er keine Gelegenheit hatte, zu den Gesetzen betreffend die Verwirklichung eines gemeinsamen Agrarmarktes gemäß Artikel 76 Abs. 2 des Grundgesetzes Stellung zu nehmen. Dies ist verfassungspolitisch und verfassungsrechtlich umso bedenklicher, als es sich nicht um echte Initiativgesetze des Deutschen Bundestages handelt, sondern um Vorlagen der Bundesregierung, die nach der zwingenden Vorschrift des Grundgesetzes zunächst dem Bundesrat zuzuleiten gewesen wären. Der Hinweis auf den Zeitdruck, unter dem das Gesetzgebungswerk stand, vermag nicht durchzugreifen, weil auch in einem solchen Falle die verfassungsmäßigen Rechte des Bundesrates beachtet werden müssen. Im Bewußtsein seiner Verantwortung gegenüber dem europäischen Gedanken, dem durch die EWG sichtbarer Ausdruck verliehen worden ist, und im Hinblick auf die Bedeutung der schnellen Verwirklichung eines gemeinsamen europäischen Agrarmarktes sieht der Bundesrat trotz dieser Bedenken bei den Gesetzen zur Durchführung der Verordnungen Nr. 19 bis 22 des Rates der EWG von einer Versagung der Zustimmung ab." Dr. Ehard Bonn, den 13. Juli 1962 An den Herrn Präsidenten des Deutschen Bundestages Bonn Bundeshaus Vorstehende Abschrift wird mit Bezug auf das dortige Schreiben vom 29. Juni 1962 mit der Bitte um Kenntnisnahme übersandt Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 40. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 11. Oktober 1962 1745 Anlage 5 — Abschrift — Der Präsident des Bundesrates Bonn a. Rh., 13. Juli 1962 An den Herrn Bundeskanzler Bonn Bundeskanzleramt Ich beehre mich mitzuteilen, daß der Bundesrat in seiner 248. Sitzung am 12./13. Juli 1962 beschlossen hat, dem vom Deutschen Bundestag am 29. Juni 1962 verabschiedeten Gesetz zur Durchführung der Verordnung Nr. 19 (Getreide) des Rates der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft gemäß Artikel 84 Abs. 1 und Artikel 87 Abs. 3 Satz 2 des Grundgesetzes zuzustimmen. Außerdem hat der Bundesrat folgende Entschließung gefaßt: Der Bundesrat bedauert, daß er keine Gelegenheit hatte, zu den Gesetzen betreffend die Verwirklichung eines gemeinsamen Agrarmarktes gemäß Artikel 76 Abs. 2 des Grundgesetzes Stellung zu nehmen. Dies ist verfassungspolitisch und verfassungsrechtlich um so bedenklicher, als es sich nicht um echte Initiativgesetze des Deutschen Bundestages handelt, sondern um Vorlagen der Bundesregierung, die nach der zwingenden Vorschrift des Grundgesetzes zunächst dem Bundesrat zuzuleiten gewesen wären. Der Hinweis auf Zeitdruck, unter dem das Gesetzgebungswerk stand, vermag nicht durchzugreifen, weil auch in einem solchen Falle die verfassungsmäßigen Rechte des Bundesrates beachtet werden müssen. Im Bewußtsein seiner Verantwortung gegenüber dem europäischen Gedanken, dem durch die EWG sichtbarer Ausdruck verliehen worden ist, und im Hinblick auf die Bedeutung der schnellen Verwirklichung eines gemeinsamen europäischen Agrarmarktes sieht der Bundesrat trotz dieser Bedenken bei den Gesetzen zur Durchführung der Verordnungen Nr. 19 bis 22 des Rates der EWG von einer Versagung der Zustimmung ab." Dr. Ehard Bonn, den 13. Juli 1962 An den Herrn Präsidenten des Deutschen Bundestages Bonn Bundeshaus Vorstehende Abschrift wird mit Bezug auf das dortige Schreiben vom 29. Juni 1962 mit der Bitte um Kenntnisnahme übersandt.
    • insert_commentVorherige Rede als Kontext
      Rede von Dr. Erich Mende


      • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
      • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

      Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Vorsitzende der Oppositionsfraktion, Kollege Ollenhauer, hat in seinen einleitenden Bemerkungen und auch zum Schluß harte Kritik am ersten Jahr der 4. Bundesregierung geübt. Das ist sein gutes Recht als Vorsitzender der Opposition; es scheint aber auch gewissermaßen eine traditionelle Pflicht geworden zu sein. Ich habe in den Protokollen, die nach dein ersten Arbeitsjahr des 1. Deutschen Bundestages und der 1. Bundesregierung — in der gleichen Koalition — über die damaligen Aussprachen angefertigt wurden, eine Formulierung gefunden, die fast wörtlich heute vom Kollegen Ollenhauer wieder zu hören war. Ich zitiere Professor Dr. Nölting, den Sprecher der sozialdemokratischen Opposition am Ende einer ähnlichen Debatte am 14. März .1951:
      Wir hatten heute wohl alle gehofft, — so erklärte Professor Nölting —daß man von der Regierungsbank ein wirklich zielweisendes Wort zu hören bekommen würde; denn bei den breitesten Volksmassen hat sich ein Gefühl der Erbitterung und der Sorge festgefressen,

      (Hört! Hört! bei der CDU/CSU)

      ,daß die Regierung die Dinge nicht mehr in ihrer Hand hat

      (Hört! Hört! bei der CDU/CSU) und daß sie sie schleifen läßt.

      ,(Lachen und Zurufe von den Regierungsparteien.)




      Dr. Mende
      ) Im Verfolg seiner Rede stellte dann Professor Nölting den Antrag, der Bundeswirtschaftsminister Professor Erhard möge zurücktreten,

      (Lachen bei den Regierungsparteien)

      und die sozialdemokratische Opposition stellte den Antrag, das Amtsgehalt des Bundesministers für Wirtschaft zu streichen.

      (Erneutes Lachen bei den Regierungsparteien.)

      Wir alle, meine Damen und Herren, sind elf Jahre später dem Hause dankbar — ich glaube, auch die sozialdemokratische Opposition ist es 'heute —,

      (Sehr gut! bei der CDU/CSU)

      daß die Wirtschaftspolitik in den vergangenen 13 Jahren nicht nach den Vorstellungen des Sozialdemokraten Professor Nölting, sondern nach denen des Bundeswirtschaftsministers Professor Erhard gehandhabt wurde.

      (Lebhafter Beifall bei den Regierungsparteien.)

      Ich darf in meiner Stellungnahme zu der Erklärung der Bundesregierung, obgleich es reizen würde, auf den außenpolitischen Teil und die Kontroverse des Regierungschefs mit dem Vorsitzenden der Opposition einzugehen, den innerpolitischen Teil vorziehen. Die Bundesregierung hat mit ihrer Erklärung den Ernst unserer außen- und innenpolitischen Lage dargelegt, und sie hat zugleich ihre Entschlossenheit betont, alle Kräfte unseres Volkes für eine Bewältigung der vor uns stehenden Aufgaben einzusetzen.
      Auf dem Gebiet der Innenpolitik wird die Bundesregierung mit einem Haushalt der Besinnung und des Maßhaltens vor den 4. Deutschen Bundestag treten. Der Bundesfinanzminister hat am 13. März dieses Jahres an dieses Hohe Haus einen Appell zur Sparsamkeit gerichtet. In den darauf folgenden Monaten ist es gelungen, für die Verwirklichung dieser Forderungen die Unterstützung .der deutschen Offentlichkeit zu gewinnen und dem Bundeshaushalt 1963, der hier in Kürze vorgelegt werden wird, eine Form zu geben, die eine Wende in der Finanzpolitik ,des Bundes einleitet. Damit ist nach unserer Auffassung der erste Schritt in dem Bemühen um eine Politik der langfristigen Stabilisierung getan, die durch die Namen Blessing, Erhard und Starke gekennzeichnet wird.
      Die angekündigten wirtschaftspolitischen Maßnahmen müssen die Haushaltspolitik ergänzen, wenn der Erfolg dieser Politik nicht wieder in Frage gestellt werden soll.
      Der Haushalt 1963 paßt sich mit den vorgesehenen Ausgaben dem realen Zuwachs des Sozialproduktes an. Es ist damit zum erstenmal gelungen, den von Jahr zu Jahr von uns mit größter Sorge beobachteten sprunghaften Anstieg der öffentlichen Ausgaben beim Bund zu bremsen. Es geht jetzt darum, diese Ausgabenpolitik des Bundes durch ein entsprechendes Verhalten von Ländern und Gemeinden zu ergänzen.
      Die Fraktion der Freien Demokratischen Partei unterstützt die einstimmigen Beschlüsse des Bundeskabinetts, durch die Ausgabekürzungen bei allen Ressorts vorgenommen worden sind. Wir sind uns darüber im klaren, daß manche Kürzung unpopulär ist und Härten für einen Teil der Betroffenen mit sich bringen wird. Wir wissen aber auch, daß auf lange Sicht nichts unpopulärer und falscher sein wird als eine öffentliche Finanzpolitik, die die drohende Gefahr einer schleichenden Geldentwertung weiter fördern würde.

      (Beifall bei den Regierungsparteien.)

      Das öffentliche Interesse zwingt die Bundesregierung zu einer besonnenen, verantwortungsbewußten und weitschauenden Haushaltspolitik. Das muß in der gegenwärtigen Situation eine konjunkturpolitisch und finanzpolitisch antizyklische Haushaltspolitik sein. Der Bund hat im Jahre 1962 zum erstenmal seine vermehrten. Aufgaben nicht aus eigener Kraft erfüllen können. Wir erkennen dankbar an, daß die Länder in verantwortungsvollem Handeln für das gemeinsame Ganze den Bund in diesem Jahr unterstützt haben. Sie haben damit einen Teil der Lasten übernommen, nachdem der Deutsche Bundestag — was er bei den Haushaltsberatungen 1962 erstmalig getan hat — Kürzungen in beträchtlichem Umfang vorgenommen hatte. Das geschah mit den Stimmen der Regierungsfraktionen und — ich freue mich, daß ich das hier hervorheben kann — auch mit den Stimmen ,der sozialdemokratischen Opposition.
      Die Haushaltsberatungen 1962, in denen von den Fraktionen der Regierungskoalition — auch das ist eine begrüßenswerte Neuerung — keine ausgabenerhöhenden Anträge gestellt wurden, waren die erste Bewährungsprobe dieser Koalition, die in ihrem Anfangsstadium in der Tat mit gewissen Geburtswehen belastet war. Dieser Erfolg in der Finanz- und Haushaltspolitik ist ein Beweis für die Fruchtbarkeit gemeinsamen politischen Handelns und gemeinsamen Aufeinanderangewiesenseins bei der Übernahme gemeinsamer Verantwortung in einer Koalition.

      (Beifall bei den Regierungsparteien.)

      Die großen Aufgaben, die dem Bund in den letzten Jahren, vor allem nach der Errichtung der Mauer in Berlin, in zum Teil nicht vorgesehenem Umfang zusätzlich gestellt worden sind, erfordern eine Überprüfung unserer Finanzverfassung. Der von mir schon erwähnte Beitrag der Länder zum Bundeshaushalt 1962 hat eine permanente Finanzreform eingeleitet. Bund und Länder sind sich darüber im klaren, daß es auf die Dauer unbefriedigend ist, wenn der vermehrten Aufgabenstellung des Bundes nur durch jährlich sich ändernde Beiträge der Länder Rechnung getragen wird. Es fördert nicht die Glaubwürdigkeit, wenn im jeweiligen Streit zwischen dem Bundesfinanzminister und den Länderfinanzministern in aller Öffentlichkeit wechselweise die vorgelegten Schätzungen und Zahlen angezweifelt werden.

      (Zustimmung in der Mitte.)




      Dr. Mende
      Es ist eine unbestreitbare Notwendigkeit, daß sich Bund und Länder über eine Erhöhung des Anteils des Bundes an dem Aufkommen der Einkommen- und Körperschaftsteuer einigen. Dabei wird niemand den Ländern zumuten, daß sie wichtige eigene Aufgaben vernachlässigen sollen. Ich denke hier an den Bereich der Kulturpolitik, vor allem an das durchaus einer „Entwicklungshilfe" der Länder bedürftige Schul- und Bildungswesen. Ich denke an die wichtigen Aufgaben der Gewerbeförderung, aber auch an die Verpflichtung der Länder gegenüber ihren Gemeinden, die sich ähnlich wie der Bund neuen Aufgaben gegenübersehen. Die Vorsitzenden der Landtagsfraktionen der Freien Demokratischen Partei haben am Freitag, dem 5. Oktober 1962, in Bremen beschlossen, für eine Erhöhung des Bundesanteils an der Einkommen- und Körperschaftsteuer in ihren Landtagen und Bürgerschaften einzutreten. Wir begrüßen diesen Beschluß als ein Zeichen verantwortungsvollen und bundesfreundlichen Verhaltens.

      (Beifall bei den Regierungsparteien.)

      Das Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland stellt über das Eigeninteresse der Glieder unseres Staates das gemeinsame gesamtstaatliche Interesse von Bund und Ländern. Es hat dies sichtbar zum Ausdruck gebracht in der Bildung des Verfassungsorgans „Bundesrat", das, von den Ländern beschickt, ein Organ des Bundes ist. Die Wahrung der gesamtstaatlichen Interessen bedarf der Ergänzung der Zuständigkeiten des Bundes für den Fall der Not. Für den Bereich der Finanzpolitik sieht Art. 106 eine Notstandsklausel vor. Für den Bereich unserer inneren Sicherheit werden die 4. Bundesregierung und der 4. Deutsche Bundestag das große Werk einer deutschen Notstandsgesetzgebung schaffen müssen. Was uns fehlt, ist ein Instrument des Bundes zur Sicherung der Früchte unseres gemeinsamen Arbeitsergebnisses beim Wiederaufbau unseres Landes. Das Haushaltsgebaren der öffentlichen Hand bestimmt entscheidend die Konjunkturpolitik. In Zeiten unmittelbarer Gefahr für Währung und Wirtschaft und damit für den Arbeitsplatz und für alle Arbeitswilligen muß deshalb die gesamte Haushaltspolitik einer im Bereich des Bundes gewonnenen Einsicht in das Notwendige angepaßt werden. Niemand sollte vergessen, daß die öffentliche Hand nicht vom Bund allein, sondern in nicht geringerem Maße von den Ländern und den Gemeinden dargestellt wird. Vertrauensvolle Verhandlungen mit den Ländern unter Einbeziehung der kommunalen Belange sollten hier ein wirksames Instrument schaffen, das allein dem Gemeinwohl zu dienen bestimmt ist.
      Ernstes Bemühen der öffentlichen Hand allein kann die große Aufgabe einer langfristigen Stabilisierung nicht meistern. Die Bundesregierung hat deshalb mit Recht an die Tarifpartner appelliert, ihre Bemühungen zu unterstützen. Die Tarifpartner, Gewerkschaften und Arbeitgeber, sind selbst unmittelbar an dem Erfolg dieser Politik interessiert. Die Zeit des sprunghaften konjunkturellen Anstiegs ist vorbei, Wir befinden uns in einer Phase des langsamen, aber stetigen Wachstums. Diese Stetigkeit allein sichert den größten und sozialsten Erfolg der
      Marktwirtschaft, die Vollbeschäftigung. Sie verwirklicht das Recht auf Arbeit und die Freiheit der Wahl des Arbeitsplatzes. Gerade die Tarifpartner sollten sich der Einsicht nicht verschließen, daß diese Rechte und Freiheiten nicht gefährdet werden dürfen.
      Wir Freien Demokraten bejahen vorbehaltlos die Tarifautonomie. Sie ist ein unentbehrlicher Bestandteil unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung, deren leidenschaftlichste Verfechter die Liberalen zuerst und seit je gewesen sind. Aber auch dieses demokratische Grundrecht der Tarifautonomie findet seine Grenze im Gemeinschaftsvorbehalt unseres Grundgesetzes. Die Bundesrepublik Deutschland ist — und das war der gemeinsame Wille aller in diesem Bundestag vertretenen Parteien — ein demokratischer und sozialer Bundesstaat! Das Grundgesetz fordert damit von jedem bei der Ausübung seiner Rechte die Beachtung der Belange aller anderen. Das gilt auch für die Ausübung der Tarifhoheit.
      Wir wiederholen erneut unseren Vorschlag, man möge eine gesetzliche Regelung finden, die es den Tarifpartnern zur Pflicht macht, vor jedem Arbeitskampf den ernsthaften Versuch einer Schlichtung zu unternehmen.

      (Beifall bei der FDP.)

      Nur Böswillige können uns unterstellen, daß wir damit eine Zwangsschlichtung fordern. Ein Gremium von Gutachtern, das uns über die Möglichkeiten der Erhaltung der Stabilität unserer Währung, einer gesunden Wirtschaft und der Vollbeschäftigung unterrichtet, wird mit seinen Erkenntnissen eine objektive Leitlinie für Schlichtungsverhandlungen geben. Dazu wird mein Kollege, der Vorsitzende des Wirtschafts-Ausschusses des Bundestages, Dr. Dahlgrün, in der wirtschaftspolitischen Debatte ausführlicher Stellung nehmen.
      Darüber hinaus sollten die Tarifpartner in einer Zeit, in der die Bundesregierung um eine vorausschauende und langfristige Haushalts-, Finanz- und Konjunkturpolitik bemüht ist, durch den Abschluß langfristiger Tarifverträge stabilisierend wirken. Es darf in Zukunft nicht mehr eine aktive Konjunkturpolitik durch einen ständigen Wechsel von Anpassungen und Lohnerhöhungen, Tariferhöhungen und neuen Anpassungen gelähmt werden.
      Es ist ein sichtbarer Erfolg der neuen Haushaltspolitik, daß trotz erheblich gestiegener Ausgaben, die sich auch aus unseren zusätzlichen Verpflichtungen für Berlin, aber auch für die gemeinsame westliche Verteidigung ergeben haben, Steuererhöhungen vermieden werden konnten. Die Kraft unserer Volkswirtschaft und der Führungswille der Bundesregierung auf dem Gebiet der Finanz- und Haushaltspolitik haben damit eine schwierige Situation gemeistert.
      Wir stimmen darin überein, meine Damen und Herren, daß das große Ziel einer Steuersenkung schon im Interesse der Bildung von Vermögen beim Staatsbürger, und zwar bei breitesten Schichten unseres Volkes, nicht aus dem Auge gelassen werden darf.

      (Beifall bei der FDP.)




      Dr. Mende
      Eine unverhältnismäßig große Vermögensbildung bei der öffentlichen Hand zum Nachteil der Vermögen der privaten Haushalte, wie wir sie in den vergangenen Jahren zu verzeichnen hatten, läuft den gesellschaftspolitischen Zielen der Freien Demokratischen Partei, und wie ich glaube, auch dieser Bundesregierung entschieden zuwider.

      (Beifall bei der FDP.)

      Die Regierung hat in ihrer Erklärung mit Recht darauf verwiesen, daß wir in hohem Maße von der Ausfuhr von Gütern abhängig sind. Das Lohn- und Preisniveau der Bundesrepublik ist in jüngster Zeit so stark angestiegen, daß wir in einigen wichtigen Bereichen schon die Grenzen der Wettbewerbsfähigkeit erreicht haben. Jede weitere Verteuerung läßt deshalb Auswirkungen auf die Konjunktur befürchten. Das würde am Ende nichts anderes bedeuten als einen Verlust von Arbeitsplätzen als Folge einer unbedachten Politik, die vielleicht sozial gemeint ist, aber schließlich einen außerordentlich unsozialen Effekt hat.

      (Beifall bei den Regierungsparteien.)

      In den Jahren des schnellen wirtschaftlichen Aufstiegs sind naturgemäß die Bedürfnisse gewachsen, und wir können sie zum Teil nur noch mühsam befriedigen. Wenn wir heute zu viel erreichen wollen, können wir morgen schon, vor einem schweren wirtschaftlichen Rückschlag stehen. Niemand kann dieser Alternative ausweichen, und auch die verständliche Einzelkritik der Betroffenen und in ihren Erwartungen Enttäuschten sollte das berücksichtigen. Eine vernünftige Sozialpolitik besteht nicht darin, daß alles auf einmal erreicht wird, sondern darin, daß alle notwendigen Aufgaben in der Reihenfolge ihrer Dringlichkeit in einem längeren Zeitraum erfüllt werden.

      (Beifall bei der FDP.)

      Das erfordert eine grundsätzliche Überprüfung aller sozialen Tatbestände. Dabei muß unser besonderes Augenmerk den Kriegsfolgelasten gelten. Das deutsche Volk kann sich auch in einer Zeit angespanntester Haushaltslage seinen Verpflichtungen gegenüber den Kriegsopfern, den Schwerbeschädigten, Witwen und Waisen nicht entziehen.

      (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU.)

      Die Bundestagsfraktion der Freien Demokratischen Partei begrüßt es, daß eine Kommission der Bundesregierung die sozialen Tatbestände untersuchen wird. Sie sieht auch darin ein erfreuliches Zeichen für den Willen zu langfristigen Dispositionen.
      So begrüßenswert es ist, meine Damen und Herren, daß Steuererhöhungen vermieden werden konnten, so darf doch nicht übersehen werden, ,daß Löhne und Gehälter durch unverhältnismäßig hohe Sozialabgaben belastet sind, um nicht zu sagen: fast sozialisiert werden. Es wind die Aufgabe der Sozialpolitik dieser Bundesregierung sein, ohne Erhöhung ,der sozialen Belastungen für Arbeitnehmer und Arbeitgeber ein Höchstmaß an sozialer Sicherheit und Gerechtigkeit zu erreichen. Wir gehen an diese Aufgabe unvoreingenommen und frei von dogmatischen Bindungen heran. Das „Sozialpaket" ist ein Ausdruck des Bemühens um eine geschlossene sozialpolitische Konzeption, die nicht nur Teilgebiete sieht, sondern sich in die allgemeine Wirtschafts-, Finanz- und Währungssituation einfügt.

      (Beifall bei den Regierungsparteien.)

      Die Sicherung der Arbeitsplätze für alle Arbeitnehmer ist nur möglich, wenn eine breite Schicht Selbständiger in Handel, Handwerk, Gewerbe und freien Berufen unternehmerische Initiative entfalten kann. Diese Gruppe der Selbständigen muß zusammen mit den Bauern, Beamten, Angestellten und nicht zuletzt mit ,den qualifiziertesten Arbeitern als breite Mittelschicht das Gesicht unserer gegliederten Gesellschaft bestimmen. Diese mittelständische Schicht ist ein wesentliches Element einer gesunden Sozialstruktur und ,damit ein entscheidender Faktor unserer festgefügten demokratischen Ordnung.

      (Beifall bei der FDP.)

      Die Erhaltung einer breiten Schicht Selbständiger fordert die Korrektur einer wettbewerbsverzerrenden Steuergesetzgebung und die Berücksichtigung der besonderen Belange der lohnintensiven Betriebe. Gerade .das Handwerk und die lohnintensive Mittel-und Kleinindustrie können sich ein weiteres fast mittelstandsfeindliches Verhalten nicht mehr gefallen lassen, wenn sie nicht eines Tages vor dem Zusammenbruch stehen sollen.

      (Beifall bei der FDP.)

      Wir Freien Demokraten haben es dankbar empfunden, daß die Regierung sich zu den Sorgen der deutschen Landwirtschaft geäußert hat. Für die Freie Demokratische Partei ist die Agrarpolitik der Bestandteil einer Gesellschaftspolitik, die das Ziel hat, Freiheit und Eigentum zu erhalten. Daneben darf die Bedeutung der eigenen Versorgung unseres Volkes aus allgemein ernährungspolitischer Sicht nicht unterschätzt wenden. Noch stehen ,der Landwirtschaftspolitik große Aufgaben bevor. Trotz erheblicher Aufwendungen im Rahmen des Grünen Plans und der bisherigen Grünen Pläne ist die Zielsetzung des Landwirtschaftsgesetzes noch nicht erreicht. Bis heute ist das Einkommen der Landwirtschaft an die übrige Wirtschaft nicht angeglichen. Die Verschuldung in der Landwirtschaft wächst. Die Überlastung der bäuerlichen Familie, vor allem der Bäuerinnen, ist noch ungelöst. Für einen großen Teil unserer Bauern und Bäuerinnen existiert das Problem eines Anspruchs auf Urlaub und Erholung grundsätzlich nicht.

      (Zustimmung bei der FDP.)

      Die Lage der Landwirtschaft, insbesondere auch jene soeben erwähnte Überbelastung der bäuerlichen Familie, bildet einen viel 211 wenig beachteten Kontrast zum sozialen 'Fortschritt, zur Erholung und Freizeit in übrigen Wirtschaftszweigen. Bei der Verwirklichung des gemeinsamen europäischen Agrarmarktes müssen noch große Schwierigkeiten überwunden werden. Wir alle sollten uns in diesem Haus 'einig sein in dem Bemühen, alles zu tun, um dem bäuerlichen Betrieb auf lange Sicht eine gesicherte Existenz zu ermöglichen.



      Dr. Mende
      Wer die Lohn- und Gehaltsentwicklung des Jahres 1962 verfolgt hat, muß erkennen,daß die Besoldungssituation .der Bundesbeamten sich der Grenze des Zumutbaren nähert. Wir haben sehr aufmerksam, Herr Kollege Ollenhauer, Ihre scharfe kritische Anmerkung zu 'diesem Thema vernommen. In der Sache muß leider objektiv festgestellt werden, daß Löhne und Gehälter der Arbeiter und Angestellten des öffentlichen 'Dienstes auch beim Bund in diesem Jahr erhöht worden sind. Die Länder und Gemeinden haben, ob unterbesonderer Initiative der von der CDU geführten oder von der Sozialdemokratie geführten Länder, allesamt im Bundesgebiet die Bezüge ihrer Beamten angehoben, auch vor den Wahlen beiderseits. Deshalb ist die Beunruhigung unter den Bundesbeamten verstäindlich. Denn sie sind die einzigen im öffentlichen Dienst, die seit dem 1. Januar 1961 eine ähnliche Behandlung wie die Beamten unid Angestellten bei Ländern und 'Gemeinden und die Angestellten und Arbeiter beim Bund nicht zu verzeichnen haben.
      Die Koalitionsfraktionen sind, wie das schon vor den Parlamentsferien durch den Vorsitzenden der CDU/CSU-Fraktion, Herrn von Brentano, im Namen beider Fraktionen angekündigt wurde, in eine Prüfung der Gehaltssituation der Bundesbeamten für das Jahr 1962 eingetreten. Es ist jetzt unsere gemeinsame \\Aufgabe, einen Weg zu finden, der die Belange der Bundesbeamten berücksichtigt, den Ausgleich des Nachtragshaushalts 1962 aber angesichts unserer gesamtpolitischen Verantwortung für Haushalt und Währung nicht gefährdet. Die Kommission
      sollte sich in ihrer Arbeit zum Ziel setzen, gleiche Leistung im öffentlichen Dienst gleich zu entlohnen, ob bei Bund, Ländern oder Gemeinden, unid das bisherige Gefälle auszugleichen. Vielleicht wäre die einfachste Lösung — ein Diskussionsvorschlag — für das Jahr 1962 eine einmalige Überbrückung etwa in Höhe eines Drittels des Monatsgehalts, bis am 1. Januar 1963 die von der Bundesregierung angekündigte Anhebung auch der Bezüge der Bundesbeamten in Kraft treten kann. Wie gesagt, darüber sollte gesprochen werden.

      (Beifall bei der FDP.)

      Der Gesamtverantwortung für die Währung werden wir nur gerecht, wenn es uns gelingt, die Preisentwicklung 'im zentralen Bereich der Bauwirtschaft zu dämpfen. Aus diesem Grunde ist es notwendig, daß die Bundesregierung gerade für dieses Gebiet wirkungsvolle Maßnahmen ergreift. Es ist dabei eine Selbstverständlichkeit, daß bei der Aussetzung steuerlicher Vergünstigungen, die einst 'als konjunkturpolitischer Anreiz geschaffen worden sind, der Eigenheimbau ausgenommen wird.

      ('Beifall bei der FDP.)


      (besonderen gesellschaftspolitischen Bedeutung des Baus von ,Eigenheimen Rechnung. Das gilt ,sowohl für das Eigenhaus wie für die Eigentumswohnung. Wir sind allerdings der Meinung, daß die von der Bundesregierung verkündeten Maßnahmen eine notwendige 'Ergänzung in einer Überprüfung und Veränderung der Vorschriften über die Gemeinnützigkeit finden müssen. Nach dem eindrucksvollen Ergebnis des deutschen Wohnungsbaus nach dem Kriege, an dem in der ersten Bundesregierung auch die Freie Demokratische Partei mit ihrem Wohnungsbauminister Eberhard Wildermuth maßgeblichen Anteil hatte, muß der Begriff der Gemeinnützigkeit neu ,gefaßt werden. Je mehr die Wohnungsnot beseitigt wird, um so mehr liegt der Gemeinnutzen 'in einer tmöglichst 'breiten Streuung von Eigentum an Haus und Wohnung. Gemeinnützig sind deshalb vor allem solche Gesellschaften, die es als vornehmstes 'Ziel ihrer Bautätigkeit betrachten, breiten Bevölkerungsschichten das Eigentum an Eigenheimen zu verschaffen, indem sie zu einem gewissen Zeitpunkt Iden Mietern die Eigentumserwerbsmöglichkeit einräumen. (Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU/CSU.)

      Das gilt auch für Gesellschaften, die über einen großen Mietwohnungsbestand verfügen und die diese Mietwohnungen zum Kauf anbieten. Sie können daß mit in einer Zeit, die durch das Bemühen gekennzeichnet ist, breiten Schichten unseres Volkes eine beständige Vermögensbildung zu ermöglichen, eine wichtige gesellschaftspolitische Aufgabe erfüllen.
      Die Bundesregierung konnte eine eindrucksvolle Bilanz unseres Aufbaus nach dem Kriege ziehen. Der Fleiß und die unternehmerische Initiative unseres Volkes haben diesen Aufbau trotz drückender materieller Lasten möglich gemacht. Der Verteidigungsbeitrag, der auch bei internationalen Gremien gelegentlich in Vergleichen diskutiert wird, darf nicht so, wie er im Haushalt des Bundesministeriums der Verteidigung ausgewiesen wird, für sich allein betrachtet werden. Der Verteidigungshaushalt der Bundesrepublik muß vielmehr im Zusammenhang mit den von uns übernommenen Verpflichtungen für die Kriegsopferversorgung, für die Versorgung der ehemaligen Berufssoldaten und im Zusammenhang mit der finanziellen Unterstützung zur Verteidigung der Freiheit Berlins gesehen werden. Allein diese Ausgaben betragen über 6 Milliarden DM, d. h. rund 10 % unseres gesamten Haushalts. Diese Beträge muß man logischerweise zu den generellen Verteidigungsaufwendungen der Bundesrepublik Deutschland hinzurechnen, so wie unser Nachbar Frankreich auch seinerseits sämtliche Kriegsopfer- und Berufssoldatenversorgungsleistungen im Verteidigungsetat ausweist. Erst dann haben internationale Vergleiche eine objektive Basis.

      (Beifall bei der FDP.)

      Die Versorgung der Kriegsopfer ist eine von allen drei Parteien dieses Hauses als notwendig erkannte — leider noch nicht befriedigend gelöste — Aufgabe. Das gilt auch für die Frage des Ausgleichs der Kriegsopferrenten im Rahmen der in den letzten Jahren zu beklagenden Teuerung. Nicht zuletzt hat die Eingliederung der Vertriebenen und Flüchtlinge aus der Sowjetzone große materielle Anstrengungen notwendig gemacht. Wir heben diese Lasten hervor, nicht weil wir sie als drückend empfinden, sondern weil die Welt in der Bewältigung dieser schweren Aufgaben den Willen unseres Volkes zu einem



      Dr. Mende
      neuen Weg in eine neue Zukunft des Friedens und der Freiheit erkennen soll.
      Lassen Sie, meine Damen und Herren, nunmehr mich dem Gebiet der Außenpolitik zuwenden. Zwar ist vereinbart, in Abwesenheit des Herrn Bundesaußenministers heute nicht in Einzeldiskussionen einzutreten; genau aber wie die Sprecher der CDU/ CSU-Fraktion und der sozialdemokratischen Fraktion ihrerseits werde ich die Grundrisse der Außenpolitik der Freien Demokratischen Partei Ihnen hier vortragen müssen. Die Parteien des Deutschen Bundestages haben in den vergangenen Jahren immer wieder den Versuch unternommen, eine für Regierung wie Opposition gleichermaßen verbindliche Formel zur Lösung der schwierigen nationalen Fragen unseres Volkes zu finden. Auch die Koalitionspartner, die diese Bundesregierung tragen, sind sich darin einig, daß die jetzige Bundesregierung versuchen muß, die Initiative für die Deutschland-Politik für sich und den Westen zu gewinnen.
      Bei einer Betrachtung der Gemeinsamkeiten, Herr Kollege Ollenhauer, die auch heute noch in wichtigen Fragen der Berlin-, der Deutschland- und der Außenpolitik zu verzeichnen sind, kann man vielleicht die eben aufgetretene Kontroverse zwischen dem Regierungschef und dem Vorsitzenden der Oppositionsfraktion etwas mildern.
      Der Deutsche Bundestag hat sich mehrfach einstimmig zu Grundfragen unserer Außenpolitik geäußert. Am 1. Oktober 1958 hat das Parlament in Berlin einmütig seine Bereitschaft bekundet, jede Verhandlung zu unterstützen, die die Wege zu einem Willensentscheid des deutschen Volkes zur Wiederherstellung der staatlichen Einheit Deutschlands ebnet, sobald eine Vereinbarung der vier Mächte diese Möglichkeit erschlossen hat. In einer gemeinsamen Empfehlung des Deutschen Bundestages an die Bundesregierung vom 14. Juni 1961 wurde festgestellt, daß die Bundesregierung jede sich bietende Möglichkeit ergreifen möge, um ohne Preisgabe lebenswichtiger deutscher Interessen zu einer Konsoldierung der Beziehungen zwischen der Bundesrepublik und den osteuropäischen Staaten zu gelangen. Schließlich hat am 30. Juni vorigen Jahres der Bundestagspräsident für die drei Fraktionen dieses Hauses festgestellt, daß über das Verfahren zu einem Friedensvertrag mit Deutschland eine Einigung zwischen den Westmächten und Sowjetrußland herbeigeführt werden muß.

      (Abg. Erler: Passen Sie auf, daß Sie nicht unter den Bannstrahl fallen!)

      Dabei forderte der Präsident des Deutschen Bundestages, daß die Friedensverhandlungen über den militärischen und politischen Status des zukünftigen Gesamtdeutschland Klarheit schaffen müssen. Zugleich bekräftigte das frei gewählte deutsche Parlament in dieser Erklärung des Präsidenten dieses Hauses noch einmal seinen Beschluß vom 1. Oktober 1958, daß es jede Verhandlung zu unterstützen willens sei, die einen Weg zur Wiedervereinigung eröffne.
      Seit dieser letzten gemeinsamen Erklärung der drei Parteien des Bundestages zum Deutschlandproblem sind fast 16 Monate ins Land gegangen. Sie waren erfüllt von schwerer Sorge um das Schicksal Berlins und um das Leben und die Zukunft unserer Landsleute in Mitteldeutschland und von Tag zu Tag mehr um die Erhaltung des Friedens. Die Errichtung der Mauer des 13. August 1961, durch die 17 Millionen Deutsche der Zwangsherrschaft Ulbrichts ausgeliefert wurden und die Spaltung unseres Vaterlandes sich nahezu vollendete, hat die Menschen in unserem Lande mit Recht tief aufgewühlt. Überall wird die Frage gestellt, wie es in der Deutschland- und Berlinfrage weitergehen soll. Der Gedanke, daß der Westen resignierend etwa dem weiteren durch immer neue sowjetische oder sowjetzonale Aktionen bestimmten Verlauf der Dinge zusehen könnte, ist für Millionen Menschen in Deutschland unerträglich.
      Zudem weiß jedermann, daß die Bürgerkriegslage an der Trennungslinie zum Kommunismus nur deswegen noch nicht in eine blutige militärische Auseinandersetzung umgeschlagen ist, weil Ost und West gemeinsam einen solchen Schritt zumindest jetzt noch als den Anfang vom atomaren Ende für alle Beteiligten betrachten. Aber wird diese allgemeine Furcht mit absoluter Sicherheit verhindern können, daß es bei neuen Morden nicht doch eines Tages in Berlin oder an der Zonengrenze zu Kurzschlußhandlungen kommt?
      Gäbe es nur die Hoffnung, daß sich die Großmächte in absehbarer Zeit doch noch über das Berlinproblem einigen könnten, so wäre die Nervenbelastung vor allem der Berliner trotz der Ausschreitungen einiger Volksarmisten immer noch zu ertragen. Aber nachdem die monatelangen Verhandlungen der Amerikaner mit den Sowjets über die Zukunft der Hauptstadt praktisch ohne jedes Ergebnis geblieben sind, muß man zumindest von der Möglichkeit ausgehen, daß auf absehbare Zeit keine Änderung der äußerst gespannten Situation an den Trennlinien von Ost und West in Europa zu erwarten ist. Das aber bedeutet nach wie vor erhöhte Kriegsgefahr. Das bedeutet für uns alle das Risiko, eines Tages Opfer einer atomaren Katastrophe zu werden, die Europa zum Atombombenversuchsfeld beider Giganten machen könnte.
      Allerdings ist es eine gefährliche Tendenz, meine Kolleginnen und Kollegen, wollte man den atomaren Zusammenstoß der Weltmächte als unabweisbar und unvermeidlich hinstellen. Es ist ein tödlicher Irrtum, zu glauben, daß der Krieg im atomaren Zeitalter noch die Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln sein könnte. Krieg ist heute nicht mehr die Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln, sondern das Spiel mit der atomaren Selbstvernichtung ganzer Kontinente.
      In diesem Zusammenhang, Herr Kollege Ollenhauer, waren die Freien Demokraten bestürzt, von einem deutschen Politiker der Opposition nach seiner Rückkehr aus Washington die Formulierung zu hören — ich zitiere wörtlich nach den Presse- und Agenturmeldungen —: „Wenn Chruschtschow den Konflikt haben will, wird er ihn bekommen."

      (Hört! Hört! bei der FDP.)




      Dr. Mende
      Herr Kollege Ollenhauer, Sie haben gerade vorher über das Risiko gesprochen, über das sich alle — nicht nur die Amerikaner — in der Berlin- und Deutschlandfrage wechselseitig klarwerden sollten. Glauben Sie nicht, daß auch eine solche Erklärung ein neues Risiko heraufbeschwört? Denn solche Formulierungen sind geeignet, Mißdeutungen und falsche Schlüsse über die Zielsetzung der deutschen Politik heraufzubeschwören.

      (Beifall bei den Regierungsparteien.)

      Gerade die sozialdemokratische Opposition ist in den vergangenen Jahren nicht müde geworden, der Bundesregierung nahezulegen, sie solle nicht mit dem amerikanischen Säbel rasseln. Mehr denn je gilt diese Forderung heute, Herr Kollege Ollenhauer, wenn wir nicht zu Fehlbeurteilungen über die Einstellung der deutschen Politik und damit zu einer Vergrößerung des Risikos kommen wollen.

      (Beifall bei den Regierungsparteien..)

      Aus der festgefahrenen weltpolitischen Situation können nach unserer Überzeugung nur Verhandlungen herausführen, keine Verhandlungen des Zurückweichens oder fauler Kompromisse, sondern auf der Grundlage der Prinzipien der Charta der Vereinten Nationen und des Selbstbehauptungswillens des deutschen Volkes, seines Willens, seine Rechte zu wahren und sie gegebenenfalls in der Notwehr auch zu verteidigen.

      (Zuruf von der SPD: Ist das etwas anderes?)

      Über uns allen liegt, meine Damen und Herren, die ständige Mahnung des Grundgesetzes, in dem wir aufgefordert werden, in freier Selbstbestimmung die Einheit und Freiheit Deutschlands zu vollenden. Das gilt im 14. Jahr des Deutschen Bundestages noch mehr als zu Beginn unserer Arbeit vor über einem Jahrzehnt, wenn wir nicht wollen, daß sich ein Teil der Welt an die Teilung Deutschlands gewöhnt und der falsche Eindruck entsteht, wir würden uns damit abzufinden beginnen, daß Deutschland geteilt und Berlin in ständiger Gefahr ist.
      Geistige Unruhe in der Frage der Einheit unseres Volkes und ständige Wiederholung der Versicherungen, daß sich das deutsche Volk niemals mit der Teilung und dem Verzicht auf das Selbstbestimmungsrecht abfinden wird, gehören daher nach der Meinung der Freien Demokraten zu der obersten Pflicht eines jeden Abgeordneten dieses ganzen Hauses und jeder Bundesregierung, wer sie auch immer stellen möge.

      (Beifall bei den Regierungsparteien.)

      Es liegt im westlichen wie im deutschen Interesse, die deutsche Frage insgesamt zu lösen, um den Frieden zu erhalten. Wir, die Deutschen und unsere Verbündeten, werden uns in Zukunft mehr noch als bisher auf die Lösung des Deutschlandproblems konzentrieren müssen. Aber ist auf diesem Gebiet heute ein Resultat überhaupt noch erreichbar? Ich weiß, daß viele Menschen in unserem Land 'und sicherlich auch mancher Kollege in diesem Parlament die Antwort auf diese Frage in der ebenso eindrucksvollen wie deprimierenden Zahl sehen würde, die der Bundestagspräsident dem Hohen
      Hause am 30. Juni vorigen Jahres vorgetragen hat. Bis zu diesem Zeitpunkt waren die Staatschefs, Ministerpräsidenten und Außenminister der Westmächte und Sowjetrußlands auf nicht weniger als 27 Konferenzen zusammen und haben an 315 Verhandlungenstagen ergebnislos über Berlin und Deutschland beraten.
      Man kann nun wirklich nicht behaupten, daß sich die Positionen von Ost und West in der Deutschlandfrage seit dieser Zeit einander angenähert haben, jedenfalls nicht, was die Frage der Wiederherstellung der deutschen Einheit betrifft.
      Aber geht es gegenwärtig allein um die Frage, ob Deutschlands Einheit in Freiheit in diesem Jahr oder im nächsten Jahr durch irgendwelche Ost- West-Konferenzen in einem Zug wiederhergestellt werden kann? Oder geht es nicht vielmehr auch darum, den Ausbruch eines militärischen Konflikts um Deutschland und Berlin zu verhindern, die ersten Schritte auf dem Wege zu einer Entspannung zwischen Ost und West zu tun und nach Vereinbarungen zwischen beiden Lagern zu suchen, die das Morden in Berlin wenigstens beenden, den gegen einen Teil unseres Volkes verübten Terror brechen und Voraussetzungen schaffen, daß zu einem späteren Zeitpunkt die deutsche Frage insgesamt den Interessen des deutschen Volkes entsprechend in friedlicher Weise durch einen Friedensvertrag mit ganz Deutschland gelöst werden kann?
      Wer wollte behaupten, daß eine solche Aufgabe nicht mit aller Energie angepackt werden muß trotz der pessimistischen Erfahrungen der vergangenen 13 Jahre! Und wer kann mit absoluter Sicherheit voraussagen, daß es in absehbarer Zeit keine Chance gäbe, auf diesem Gebiet wenigstens Teillösungen und Fortschritte zu erzielen? Ich meine, man darf über den Streit, in welcher Zusammensetzung eine Ost-West-Konferenz über Deutschland zusammentreten sollte, keinen Augenblick das Z i e 1 solcher Beratungen aus dem Auge lassen. Und man muß zwischen den gegenwärtig vielleicht manchmal nur aus propagandistischen Gründen verkündeten Maximalforderungen und praktisch realisierbaren Resultaten unterscheiden.
      Es ist hier nicht der Ort — und da stimmen wir der Bundesregierung zu —, diese Aufgabenstellung und diese Frage näher zu erläutern. Der Deutsche Bundestag — das hat Kollege Dehler vor einigen Jahren an gleicher Stelle festgestellt — ist nicht das geeignete Gremium, um außenpolitische Einzelheiten zu diskutieren. Außenpolitik und Verteidigungspolitik eignen sich nach ihrer ganzen Struktur und Substanz am allerwenigsten für die Diskussion in einem Plenarsaal.
      Wir glauben aber, daß, sei es im Auswärtigen Ausschuß, sei es in besonderen Gremien, in denen die Vorsitzenden aller drei Fraktionen des Hauses gehört werden sollten, die Möglichkeit der Erörterung solcher subtiler Fragen gegeben sein sollte. Wir sollten dem praktisch möglichen Inhalt kommender Verhandlungen mehr Aufmerksamkeit widmen als der formalen und der strukturmäßigen Frage der Zusammensetzung der Konferenzen.

      (Beifall bei der FDP.)




      Dr. Mende
      Wir Freien Demokraten haben allerdings den Eindruck, daß die in der deutschen Öffentlichkeit in den letzten Wochen gemachten verschiedenartigen Äußerungen über die weitere Behandlung der Berlin- und Deutschlandfrage ein wenig die Tatsache verschleiern, daß die Fraktionen des Bundestages in den wesentlichen Fragen der Berlin- und Deutschlandpolitik nach wie vor übereinstimmen. Die Erklärungen des Bundesaußenministers in der vergangenen Woche in Wiesbaden haben in weitem Maße die Position nicht nur der Regierungsparteien, sondern auch die der Opposition in der BerlinDeutschland-, in der Ost- und Europapolitik markiert, und die hier gezeichneten Linien bieten nicht nur einen guten Ansatzpunkt für eine stärkere Zusammenarbeit der Parteien in den außenpolitischen Fragen; sie sind auch geeignet, bei nachdrücklicher Unterstützung durch alle demokratischen Kräfte in der Bundesrepublik eines Tages doch die festgefahrenen Fronten im Kalten Krieg aufzulockern und damit die Aussichten für eine allmähliche, für eine schrittweise Lösung des deutschen Problems zu verbessern.
      Das gilt in besonderem Maße für die Bemühungen der Bundesregierung, die Beziehungen des freien Deutschland zu den osteuropäischen Staaten zu normalisieren. Die Freie Demokratische Partei hat bekanntlich niemals aus ihrer Überzeugung einen Hehl gemacht, daß die Frage der Beziehungen der Bundesrepublik zu Osteuropa für eine Politik der Wiedervereinigung Deutschlands von großer Bedeutung ist. Es gibt hier Wechselbeziehungen, stärker, als sie sich öffentlich diskutieren lassen. Wir waren und sind der Meinung, daß nach einer so erfolgreichen und verheißungsvollen Politik der Aussöhnung Deutschlands mit dem Westen nun auch wenigstens ein Schritt auf eine Normalisierung der Beziehungen zum Osten hin gemacht werden sollte.
      Natürlich wissen auch wir, was bisher in erster Linie einer solchen konstruktiven Ostpolitik entgegengestanden hat. Es ist vor allem das System des Stalinismus in der Sowjetzone, gestützt und gefördert von der Sowjetunion, das naturgemäß zu einer ständigen Verschlechterung des Klimas in den Beziehungen zwischen der Bundesrepublik und dem Block der kommunistischen Staaten beitrug.
      Aber gerade das polnische Volk, das in seiner Geschichte fünfmal geteilt war, zum fünften Male durch Stalin und Hitler, und das alle Teilungen und Drangsalierungen überstanden hat, gerade das polnische Volk, das in seiner Geduld, in seiner Leidensfähigkeit und seiner Vaterlandsliebe Vorbild in der Welt geworden ist, sollte Verständnis dafür haben, daß das deutsche Volk in ähnlicher Not der Teilung und Drangsalierung eines Teils seiner Bevölkerung sich an dem Verhalten des polnischen Volkes in seiner Geschichte orientieren will und das Selbstbestimmungsrecht für alle Deutschen ebenso für sich beansprucht, wie es die jungen asiatischen und afrikanischen Völker gegenwärtig mit Recht tun.

      (Beifall bei der FDP.)

      Wenn die Freie Demokratische Partei trotz vieler Enttäuschungen immer wieder ihre Stimme für eine
      Politik der Aussöhnung mit den östlichen Nachbarstaaten erhoben hat, dann natürlich nicht, um das Unrechtsystem in der Zone zu verewigen und die gegenwärtigen politischen oder gar territorialen Veränderungen nach dem zweiten Weltkrieg anzuerkennen. Es geschah vielmehr aus der Erkenntnis, daß eine Neuordnung und Normalisierung der durch Krieg und Nachkriegszeit entstandenen Lage in Deutschland und Europa, wenn überhaupt, nur mit und nicht gegen diese osteuropäischen Staaten möglich ist.
      Wir begrüßen es darum, daß die Bundesregierung zur Zeit den Versuch unternimmt, bessere Beziehungen zwischen dem freien Deutschland und den osteuropäischen Staaten herzustellen. Dabei wird es freilich zweckmäßig sein, sich angesichts der gegenwärtig bestehenden Verhältnisse keinen übertriebenen Hoffnungen hinzugeben und vor allem auch die mit diesem Schritt zusammenhängenden Probleme nicht in aller Öffentlichkeit und in allen Einzelheiten zu erörtern.
      Die ersten Schritte, die unsere Regierung auf diesem außenpolitischen Bereich zu tun sich anschickt, werden keine bequeme Reise in eine bessere deutsch-polnische oder deutsch-ungarische oder deutsch-tschechische Zukunft sein. Sie werden eher einer äußerst beschwerlichen, mit vielen Hindernissen und Risiken versehenen Wanderung durch weitgehend unbekannte politische Landschaften gleichen. Um so mehr sollte dieser Bundestag die Bundesregierung bei dieser ihrer schweren Aufgabe besonders unterstützen und vor aller Welt deutlich machen, daß er sich geschlossen hinter die Absicht der Bundesregierung stellt, auch Deutschlands Beziehungen zu den osteuropäischen Staaten und Völkern allmählich zu ordnen.
      Wir hoffen allerdings, daß man auch im östlichen Teil unseres Kontinents eine solche Verständigungspolitik nicht durch unerfüllbare Forderungen bereits im Anfangsstadium zunichte macht. Nichts wäre schädlicher, als wenn man hüben oder drüben von dem verfehlten Standpunkt des „Alles oder Nichts" ausginge. Prinzipien sind in der Politik immer nur solange nützlich, als sie die Staatsmänner nicht daran hindern, Wege zu beschreiten, die die Vernunft und die neue Lage gebieten. Das gilt nicht nur für deutsche Politiker! Man wird beiderseits mit viel Geduld und großer Zurückhaltung in der Frage unserer Normalisierung des Verhältnisses zu Osteuropa zu Werke gehen müssen, wenn überhaupt Teilergebnisse erreicht werden sollen.
      Ähnliche Geduld verlangt auch das Werk der europäischen Einigung! Die Freien Demokraten haben mit Genugtuung die jüngste Entwicklung in der Europapolitik verfolgt. Sie teilen nicht den Pessimismus des Vorsitzenden der sozialdemokratischen Opposition bezüglich der Haltung 'des Regierungschefs zum Beitritt Großbritanniens. Die Bemühungen der Bundesregierung um eine Ausweitung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft auf die noch abseits stehenden westeuropäischen Staaten finden unsere volle Unterstützung. Wir sehen in dem geplanten Beitritt Großbritanniens und anderer Staaten zur Gemeinschaft einen Akt von geschichtlicher



      Dr. Mende
      Bedeutung, der sich nachhaltig auf die gesamte europäische Politik auswirken wird. Es steht außer Zweifel, daß ein umfassendes, wirtschaftlich und politisch -starkes Westeuropa einen entscheidenden Beitrag zur Sicherung des Friedens, zum Abbau der Spannungen und zur Steigerung des Wohlstandes in der ganzen Welt wird leisten können.

      (Abg. Wehner: Sie kommen mir vor wie der Barde der Bundesregierung!)

      Angesichts dieser geschichtlichen Aufgabe der Gemeinschaft ist die Frage nach der endgültigen Form der politischen Gestaltung Europas zweitrangig. Die Furcht, daß eine Ausweitung der EWG die politische Einigung Europas verzögern oder gar verhindern könne, ist uns unverständlich. Abgesehen davon, daß niemand daran interessiert sein kann, die Dreiteilung unseres Kontinents durch vorschnelle Maßnahmen auf dem Gebiete der politischen Integration zu verewigen, kann überhaupt kein Zweifel bestehen, daß jede wirtschaftliche Integration ohnehin zwangsläufig zu einer immer engeren politischen Zusammenarbeit der europäischen Staaten führen muß.
      Die Freie Demokratische Partei ist der Überzeugung, daß den freien europäischen Völkern gemeinsam mit den Vereinigten Staaten in der gegenwärtigen Phase der internationalen Politik vorrangig drei Aufgaben gestellt sind, erstens die Abwehr aller kommunistischen Bedrohungen von Westeuropa oder von Teilen dieses Halbkontinents, insbesondere von Berlin, zweitens die Entfaltung aller politischen, wirtschaftlichen und militärischen Kräfte des freien Europa, um so dem Westen eine günstige Ausgangsposition für Verhandlungen mit dem Osten über die ungelösten Nachkriegsprobleme zu verschaffen, und drittens die Einleitung einer Politik der Entspannung in Europa, der Überwindung der Spaltung unseres Kontinents und damit auch der Teilung Deutschlands.

      (Beifall bei der FDP und in der Mitte.)

      Es ist offensichtlich, daß eine solche Europapolitik im Interesse auch gerade des deutschen Volkes liegt. Darum soll und muß es, Kollege Wehner, möglich sein, mit den Problemen fertigzuwerden, die sich allerdings mit dem Beitritt weiterer Staaten zur EWG auf wirtschaftlichem und politischem Gebiet stellen. Es ist selbstverständlich, daß die Bundesregierung dabei die spezifisch deutschen Interessen gegenüber allen an den Verhandlungen beteiligten Staaten zu vertreten hat. Aber das gilt natürlich nicht nur für die Stellung der Bundesregierung zu Großbritannien, sondern zu allen Partnern.

      (Beifall bei der FDP.)

      Lassen Sie mich zum Abschluß den Standpunkt der Freien Demokratischen Partei zu den wichtigsten außenpolitischen Fragen zusammenfassen:
      Erstens. Die Positionen des Westens in der deutschen Hauptstadt müssen gesichert, die Interessen des deutschen Volkes gewahrt und alle Anstrengungen unternommen werden, damit Berlin aus seiner gegenwärtig schwierigen Lage heraus- und einer sicheren Zukunft in einem geeinten Deutschland entgegengeführt wird.

      (Abg. Mattick: Wie?)

      Zweitens. Die gegenwärtigen Vorstellungen der Sowjetunion von einer Lösung des Berlinproblems sind der Erhaltung des Friedens nicht dienlich, sondern verschärfen die internationalen Spannungen in gefährlicher Weise. Eingedenk der vom ganzen Deutschen Bundestag bisher vertretenen Auffassung, daß die Berlinfrage ohnehin nur im Rahmen des deutschen Problems endgültig zu lösen ist, muß erneut der Versuch unternommen werden, mit dem Osten zu Verhandlungen über Deutschland zu kommen, die das Ziel haben, auch dem deutschen Volk endlich in seiner Gesamtheit das Selbstbestimmungsrecht zu gewähren und die Spannungen in Europa abzubauen. Die Freie Demokratische Partei hat in letzter Zeit wiederholt Vorschläge unterbreitet, die zusammen mit Anregungen aus den anderen Fraktionen dieses Hauses Gegenstand eingehender Erörterungen in den zuständigen Gremien sein sollten.
      Wir hegen die Hoffnung, daß sich aus einer VierMächte-Außenminister-Konferenz .die Einsetzung einer Ständigen Deutschland-Konferenz auf der Ebene stellvertretender Außenminister oder Botschafter entwickeln könnte. Wir verkennen auch nicht die Schwierigkeit einer solchen Entwicklung nach den pessimistischen Erfahrungen der letzten anderthalb Jahrzehnte. Dieser bereits 1959 während der damaligen Genfer Außenministerkonferenz seitens der Freien Demokraten vorgeschlagene Plan ist bekantlich im Frühjahr dies-es Jahres bei der Diskussion amerikanischer Vorschläge erneut erörtert worden. Die Ablehnung durch den sowjetischen Außenminister Gromyko und den sowjetischen Botschafter Dobrynin sollte für uns kein Anlaß sein, diese Gedankengänge bereits aufzugeben.
      Drittens. Eine Verbesserung der Beziehungen zwischen der Bundesrepublik und den osteuropäischen Staten ist wünschenswert und notwendig.

      (die Einigung des freien Europa zu beschleunigen und den gegenwärtig laufenden Beitrittsoder ,Assoziierungsverhandlungen zur EWG zu einem Erfolg zu verhelfen. Es ist dabei die Aufgabe der Bundesrepublik, mit allen westeuropäischen Staaten gute und enge Beziehungen zu pflegen und ihren Einfluß dahin geltend zu machen, daß etwa bestehende Rivalitäten und Besorgnisse in der Gemeinschaft abgebaut und die noch ungelösten Fragen einer engeren politischen Zusammenarbeit in der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft bewältigt werden. 'Die Fraktion der Freien Demokratischen Partei ist der festen Überzeugung, daß eine auf solchen Prinzipien ruhende deutsche Außenpolitik nicht nur der Eilhaltung des Friedens und der Beseitigung der internationalen Spannungen, sondern auch und vor allem den Interessen des ganzen deutschen Volkes und seiner Sehnsucht nach Freiheit und Einheit dienen wird. Ich danke dem Hause für seine Aufmerksamkeit. Das Wort hat der Herr Bundeswirtschaftsminister. Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Ollenhauer meinte, es sei ungewöhnlich, dem Bundestag in Form einer Regierungserklärung einen Zwischenbericht zu erstatten. Er widerspricht sich allerdings im gleichen Augenblick, wenn er darauf hinweist, daß wir wirklich vor einer veränderten wirtschaftlichen Situation stehen, die es ganz offenkundig gerechtfertigt erscheinen läßt, einen Überblick über die gesamte wirtschaftliche und soziale Lage einschließlich der Entwicklungstendenzen zu geben. Das ist bekanntlich auch mein Anliegen, das ich erstmals am 21. März mit so großßer Deutlichkeit und mit scharfen Akzenten vorgetragen habe. Seinerzeit aber haben Sie von der Opposition sich ganz offensichtlich bemüht, den Ernst herunterzuspielen und die Lage so darzustellen, als ob überhaupt nicht der allergeringste Grund für irgendeine Besorgnis gegeben sei; es wäre alles großartig. Wir haben wirklich in diesen Jahren mit vertauschten Rollen gespielt. In den Jahren, in denen die deutsche Wirtschaft auf gesunden Grundlagen stand, haben Sie immer wieder ein trübes Bild gezeichnet; in dem Augenblick aber, als ich besorgt war — mit Recht besorgt war —, kamen Sie mit Beruhigungspillen und sagten: Alles ist in schönster Ordnung. Sie sind heute nicht mehr ganz dieser Meinung und erkennen an, daß meine Aussagen, meine Warnung und meine Mahnung wohl berechtigt waren. Man kann auch kaum sagen, daß dieses erste Jahr der 4. Legislaturperiode ein verlorenes Jahr gewesen wäre. Es kommt natürlich darauf an, welche Maßstäbe Sie benutzen. Aber wir haben immerhin auch in diesem Jahr weitere wirtschaftliche und soziale Fortschritte erzielt. Wir haben die sozialen Leistungen wesentlich verbessern können. Der Wohlstand wurde vermehrt, insbesondere das Einkommen der breiten Massen. Wir haben für die Verteidigung neue Aufwendungen tätigen können, und wir sind auch in Europa ein ganzes Stück weiter vorangekommen. Kollege Ollenhauer, Sie sagten mit Recht — ich unterstreiche das —, für viele Menschen sei die Arbeitskraft die einzige Grundlage ihres Seins, und darum sei die gerechte Beteiligung am Sozialprodukt von so ausschlaggebender Bedeutung. Jawohl! Sie fügten hinzu: Das ist keine Frage des Maßhaltens, sondern das ist eine Frage der Gerechtigkeit. — Ich weiß nicht, ob man diese beiden Elemente in dieser unserer Welt auseinanderhalten kann. Was in unserer Welt gerecht ist, kann eben nur gemessen werden an den Realitäten unseres Seins, an den materiellen Grundlagen, die wir täglich neu erarbeiten müssen. Sie haben — damit möchte ich noch auf Ihre Kritik eingehen — dann z. B. auf das Sozialpaket hingewiesen und der Bundesregierung in etwas lächerlicher Form vorgeworfen, sie treibe ein falsches Spiel, sie jongliere mit Zahlen, die nicht ganz ehrlich seien. Sicher, Sie haben recht: im Haushalt des Jahres 1963 sind keine Mittel flür das sogenannte Sozialpaket enthalten. Aber Sie haben völlig falsch kommentiert. Wir haben damit nicht gesagt, daß wir im Jahre 1963 höhere Preise wollen, um das Sozialpaket finanzieren zu können, sondern wir haben folgendes gesagt — ich argumentiere sozusagen mit dem Munde des Finanzministers —: Wir haben den realen Zuwachs von 1962 auf 1963 angenommen, wobei der reale Zuwachs von 4 % angesichts der Progressionen mancher Steuern nominell dann etwas mehr erbringt. Wir haben aber weiter annehmen müssen, daß Einnahmen aus den Preissteigerungen des Jahres 1962 zwangsläufig noch in das Jahr 1963 hineinwirken. Wir haben mit keinem Wort gesagt, daß wir eine Politik treiben möchten, die uns im Jahre 1963 weitere Preissteigerungen bringt, um daraus dann Finanzierungen vornehmen zu wollen. Eine solche Politik haben wir nie gewollt. Ich möchte das mit aller Deutlichkeit richtigstellen. Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Deist? Bitte. Da Sie schon auf diese Frage eingehen, Herr Bundeswirtschaftsminister, möchte ich die konkrete Frage stellen: Haben Sie für die Errechnung Ihrer Steuereinnahmen einen Zuwachs des Sozialprodukts von 3,5 bis 4 % zugrunde gelegt oder einen von um 7 %? Das ist doch eine klipp und klare Frage, die eine klipp und klare Antwort verlangt. Vielleicht kann Ihnen die Frage noch konkreter der Bundesfinanzminister beantworten, der diese Ziffern errechnet hat. — Ich habe keine Sorge. Ich sage Ihnen ja: wir haben 4% zugrunde gelegt, wobei 4 % realer Zuwachs angesichts der Progressionen mancher Steuern ein höheres Aufkommen ergeben als 4 %. Wir mußten füglich damit rechnen, daß aus dem Jahre 1962 Preissteigerungen fortwirken, die zu höheren Steuereinnahmen führen, die wir aber für 1963 unter allen Umständen unterbinden wollten. Ich glaube doch, daß der Haushaltsansatz mit 56,8 Milliarden DM angesichts aller Sparmaßnahmen und aller sonstigen Abstreichungen diesen guten Willen über alle Maßen deutlich beweist. Der Wirtschaftsbericht, der vom Wirtschaftsministerium vorgelegt werden wird, soll nicht bedeuten, daß die Bundesregierung auf ein Gutachtergremium verzichten will. Hier läuft ja der Initiativantrag der Koalitionsparteien, und ich hoffe, daß Bundeswirtschaftsminister Dr. Dr. h. c. Erhard er bald verabschiedet werden wird. Das wird aber, so schnell auch der Bundestag arbeitet, immer bedeuten: der Sachverständigenrat kann in diesem Jahr nicht mehr mit seiner Arbeit fertigwerden; denn bekanntlich hat dieser Sachverständigenrat die Aufgabe, mit einer hohen Objektivität die Analyse der Tatbestände so vorzunehmen, daß ein möglichst klares, einwandfreies, nicht von ,der Parteien Gunst und Meinungen gefärbtes Bild entsteht. Auf Grund dieses Gutachtens wird 'dann die Bundesregierung einen Wirtschaftsbericht ausarbeiten und Ihnen vorlegen. Die Bundesregierung zieht aus diesem Gutachten die wirtschaftspolitischen Konsequenzen, und darüber wird dann, auch in der Legislative, der Bundestag zu befinden haben. Nur müssen wir in diesem einen Jahr sozusagen das eine Gremium überspringen — wir haben es noch nicht —, und aus diesem Grunde wird das Wirtschaftsministerium dem Kabinettsausschuß für Wirtschaft, dem Kabinett und dem Bundestag den Bericht im ganzen vorlegen. Hier ist auch meine Rede, die ich vor den Opel-Werken in Rüsselsheim gehalten habe, zitiert worden, und zwar mit kritischen Anmerkungen zu dem Allheilmittel des Nationalbudgets oder der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung. Da kamen vorher — von Ihrer Seite aus; ich meine Sie nicht persönlich, Herr Kollege Ollenhauer — Meldungen in der Zeitung: Die Bundesregierung wird auf dieses Nationalbudget oder auf die volkswirtschaftliche Gesamtrechnung verpflichtet und vereidigt, nicht aber die Sozialpartner; diese bleiben in ihren Entscheidungen völlig frei. (Abg. Wehner: Was haben Sie denn da jetzt zitiert?)


      (Beifall bei den Regierungsparteien.)





    Rede von Dr. Eugen Gerstenmaier
    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
    • insert_commentNächste Rede als Kontext
      Rede von Dr. Ludwig Erhard


      • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (None)
      • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)


      (Beifall bei den Regierungsparteien.)