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ID0404000200

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    6. Ollenhauer.: 1
  • tocInhaltsverzeichnis
    Deutscher Bundestag 40. Sitzung Bonn, den 11. Oktober 1962 Inhalt: Erweiterung der Tagesordnung . . . . 1671 C Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die Ausprägung von Scheidemünzen (Drucksache IV/ 556) — Erste Beratung — . . . . . . . . 1671 D Entwurf eines Vierten Gesetzes zur Änderung des Flüchtlings-Notleistungsgesetzes (Drucksache IV/ 593) — Erste Beratung — 1671 D Entwurf eines Gesetzes über die Durchführung einer Repräsentativstatistik der Bevölkerung und des Erwerbslebens (Mikrozensus) (Drucksache IV/ 612) — Erste Beratung — . . . . . . . . 1671 D Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Inneres über den Entwurf einer Verordnung zur Änderung des Artikels 109 des Statuts der Beamten der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Europäischen Atomgemeinschaft (Drucksachen IV/ 610, IV/ 652) . . . . . . . 1672 A Entwurf einer Dreiunddreißigsten Verordnung zur Änderung des Deutschen Zolltarifs 1962 (GATT-Zugeständnisse — EWG : UDA) (Drucksache IV/ 613) . . . 1672 B Entwurf einer Einunddreißigsten Verordnung zur Änderung des Deutschen Zolltarifs 1962 (Zollaussetzungen — 2. Halbjahr 1962) (Drucksache IV/ 614) . . . 1672 B Begrüßung von Mitgliedern des Wohnungsbauausschusses der niederländischen Zweiten Kammer 1672 B Aussprache über die Erklärung der Bundesregierung Dr. von Brentano (CDU/CSU) . . 1672 C Ollenhauer (SPD) 1676 D Dr. Adenauer, Bundeskanzler . . 1687 C Dr. Mende (FDP) 1689 D Dr. Dr. h. c. Erhard . . 1698 A, 1728 B Dr. Deist (SPD) . . 1713 D, 1733 D Schmücker (CDU/CSU) . . . . . 1721 C Schwarz, Bundesminister . 1723 C Dollinger (CDU/CSU) . . . . . . 1724 D Dr. Dahlgrün (FDP) 1727 A Illerhaus (CDU/CSU) . . . . . 1731 B Dr. Imle (FDP) 1736 C Dr. Barzel (CDU/CSU) . . . . 1737 C Wehner (SPD) . . . . . . . 1739 A Fragestunde (Drucksache IV/ 655) Frage des Abg. Gewandt: Rückvergütung der umsatzsteuerlichen Vorbelastung beim Schiffbau Dr. Hettlage, Staatssekretär . 1703 B, C Gewandt (CDU/CSU) 1703 C II Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 40. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 11. Oktober 1962 Fragen des Abg. Dr. Dörinkel: Nachprägung von Goldmünzen . . . 1703 D Fragen des Abg. Fritsch: Schutzhütten für Beamte des Bundesgrenzzolldienstes Dr. Hettlage, Staatssekretär 1704 B, C, D, 1705 A Fritsch (SPD) . . . . . . . . . 1704 D Frage des Abg. Dröscher: Verseuchung des Quellschutzgebietes Königswald Dr. Hettlage, Staatssekretär 1705 A, B, C Dröscher (SPD) . . . . . . 1705 B, C Frage des Abg. Dröscher: Verwaltungsmehraufwendungen von Gemeinden durch Bearbeitung von Stationierungsaufgaben Dr. Hettlage, Staatssekretär 1705 C, 1706 A, B, C Dröscher (SPD) 1706 A, B Ritzel (SPD) . . . . . . 1706 B, C Frage des Abg. Cramer: Versagung einer Unterstützung für den ehemaligen Angestellten der Marineverwaltung Bruno Goerth Dr. Hettlage, Staatssekretär . . . 1706 D, 1707 A, B Cramer (SPD) . . . . . . . . 1707 A Frage des Abg. Schmitt-Vockenhausen: Sondermarke „Brot für die Welt" Stücklen, Bundesminister . . . . 1707 B Frage des Abg. Dr. Kohut: Dienstvorschriften der Deutschen Bundespost Stücklen, Bundesminister . . 1707 C, D Dr. Kohut (FDP) 1707 C, D Frage des Abg. Fritsch: Entschädigung der Landzusteller der Deutschen Bundespost 1707 D Frage des Abg. Walter: Telefonanschluß im Krankenhaus Hofgeismar Stücklen, Bundesminister . . , . . 1708 A Frage des Abg. Dr. Rutschke: Fahrpreiserhöhungen für den Kraftpostverkehr auf der Strecke Stein—Pforzheim Stücklen, Bundesminister 1708 A, B Dr. Rutschke (FDP) . . . . . . . 1708 B Frage des Abg. Cramer: Anmeldepflicht von Autoradios Stücklen, Bundesminister . . . 1708 C, D Cramer (SPD) . . . . . . . . 1708 C Frage der Abg. Frau Dr. Diemer-Nicolaus: Verbot von Fluor in Trinkwasser Frau Dr. Schwarzhaupt, Bundesminister 1708 D, 1709 A, B Frau Dr. Diemer-Nicolaus (FDP) 1709 A, B Frage des Abg. Gscheidle: Kennzeichnung der Lagerfähigkeit von Konserven 1709 B Frage der Abg. Frau Blohm: Verwendung von Phosphaten bei der Herstellung von Brühwürsten Frau Dr. Schwarzhaupt, Bundesminister . . . . . . . 1709 D Frage der Abg. Frau Blohm: Phosphatsalze bei der Herstellung von Brühwürsten Frau Dr. Schwarzhaupt, Bundesminister . . . . . . . 1709 D Frage des Abg. Dr. Dittrich: Bundestierärzteordnung Frau Dr. Schwarzhaupt, Bundesminister . . . . 1710 A, B, C Dr. Dittrich (CDU/CSU) . . . 1710 B, C Frage des Abg. Bauer (Würzburg) : Vertrieb von lebensmittelähnlichen t Scherzartikeln 1710 C Frage des Abg. Ritzel: Gemeinden ohne 'zentrale Wasserversorgung Frau Dr. Schwarzhaupt, Bundesminister 1710 D, 1711 A, B, C, D,1712 A Ritzel (SPD) . . . . . . . . 1710 D Könen (Düsseldorf) (SPD) . . . . 1711 A Sänger (SPD) . . . . . . . . . 1711 B Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 40. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 11. Oktober 1962 III Dr. Kohut (FDP) 1711 B Schwabe (SPD) . . . . . . . 1711 C Hammersen (FDP) . . . . . . -1711 D Metzger (SPD) 1711 D Börner (SPD) 1712 A Frage des Abg. Dr. Jungmann: Diät-Fremdstoffverordnung Frau Dr. Schwarzhaupt, Bundesminister 1712 B Frage des Abg. Dr. Bechert: Milchverseuchung mit Jod 131 Frau Dr. Schwarzhaupt, Bundesminister . . 1712 C, D, 1713 A Dr. Bechert (SPD) . . . 1712 D, 1713 A Frage des Abg. Dr. Bechert: Koordinierungsausschuß betr. Umweltradioaktivität Frau Dr. Schwarzhaupt, Bundesminister 1713 B, C Dr. Bechert (SPD) . . . . . . 1713 B Sammelübersicht des Petitionsausschusses über Anträge zu Petitionen (Drucksache IV/ 642) 1713 C Nächste Sitzung . . . . . . . . . 1741 C Anlagen 1743 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 40. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 11. Oktober 1962 1669 40. Sitzung Bonn, den 11. Oktober 1962 Stenographischer Bericht Beginn: 9.03 Uhr
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    Berichtigung Es ist zu lesen: 39. Sitzung Seite 1634 A Zeile 16 statt „5,3": 3,5. Anlage 1 Liste der beurlaubten Abgeordneten Abgeordnete (r) beurlaubt bis einschließlich a) Beurlaubungen Frau Albertz 3. 11. Arndgen 12. 10. Dr. Arndt (Berlin) 12. 10. Baier (Mosbach) 12. 10. Bauer (Wasserburg) 26. 10. Bausch 20. 10. Biermann 12. 10. Dr. Birrenbach 16. 10. Dr. h. c. Brauer 12. 10. Burckardt 12. 10. Figgen 13. 10. Frau Dr. Flitz (Wilhelmshaven) 12. 10. Dr. Frey (Bonn) 12. 10, Gerns 12. 10. Dr. Götz 12. 10. Dr. Hamm (Kaiserslautern) 12. 10. Dr. Harm (Hamburg) 1. 11. Heiland 12. 10. Dr. Dr. Heinemann 12. 10. Hellenbrock 12. 10. Jacobi (Köln) 12. 10. Jacobs 12. 10. Junghans 12. 10. Dr. Jungmann 12. 10. Dr. Kliesing (Honnef) 12. 10. .Dr. Koch 12. 10. Dr. Kopf 11. 10. Kraus 12. 10. Kriedemann 12. 10. Freiherr von Kühlmann-Stumm 12. 10. Kühn (Bonn) 31. 12. Kuntscher 31. 10. Leber 20. 10. Lenz (Bremerhaven) 12. 10. Lünenstraß 12. 10. Frau Dr. Maxsein 12. 10. Dr. h. c. Menne (Frankfurt) 12. 10. Metzger 12. 10. Dr. Morgenstern 12. 10. Müller (Worms) 12. 10. Murr 12. 10. Oetzel 31. 10. Frau Dr. Probst 11. 10. Rademacher 12. 10. Dr. Schäfer 12. 10. Scheuren 11. 10. Schoettle 12. 10. Steinhoff 13. 10. Stooß 12. 10. Storch 12. 10. Dr. Wahl 15. 11. Wehking 3. 11. Weigl 12. 10. Wittmer-Eigenbrodt 31. 10. b) Urlaubsanträge Dopatka 17. 10. Dr. Dr. h. c. Friedensburg 28. 11. Rademacher 31. 10. Anlagen zum Stenographischen Bericht Anlage 2 Abschrift Der Präsident des Bundesrates. Bonn a. Rh., 13. Juli 1962 An den Herrn Bundeskanzler Bonn Bundeskanzleramt Ich beehre mich mitzuteilen, daß das Gesetz zur Änderung des Zollgesetzes nach Ansicht des Bundesrates seiner Zustimmung bedarf. Der Bundesrat hat in seiner 248. Sitzung am 12./13. Juli 1962 beschlossen, dem vom Deutschen Bundestage am 29. Juni 1962 verabschiedeten Gesetz gemäß Artikel 84 Abs. 1 und 105 Abs. 3 des Grundgesetzes zuzustimmen. Der Bundesrat bedauert, daß er keine Gelegenheit hatte, zu den Gesetzen betreffend die Verwirklichung eines gemeinsamen Agrarmarktes gemäß Artikel 76 Abs. 2 des Grundgesetzes Stellung zu nehmen. Dies ist verfassungspolitisch und verfassungsrechtlich umso bedenklicher, als es sich nicht um echte Initiativgesetze des Deutschen Bundestages handelt, sondern um Vorlagen der Bundesregierung, die nach der zwingenden Vorschrift des Grundgesetzes zunächst dem Bundesrat zuzuleiten gewesen wären. Der Hinweis auf den Zeitdruck, unter dem das Gesetzgebungswerk stand, vermag nicht durchzugreifen, weil auch in einem solchen Falle die verfassungsmäßigen Rechte des Bundesrates beachtet werden müssen. Im Bewußtsein seiner Verantwortung gegenüber dem europäischen Gedanken, dem durch die EWG sichtbarer Ausdruck verliehen worden ist, und -im Hinblick auf die Bedeutung der schnellen Verwirklichung eines gemeinsamen europäischen Agrarmarktes sieht der Bundesrat trotz dieser Bedenken davon ab, bei dem Gesetz zur Änderung des Zollgesetzes den Vermittlungsausschuß anzurufen. Dr. Ehard Bonn, 13. Juli 1962 An den Herrn Präsidenten des Deutschen Bundestages Bonn Bundeshaus Vorstehende Abschrift wird mit Bezug auf das dortige Schreiben vom 29. Juni 1962 mit der Bitte um Kenntnisnahme übersandt. 1744 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 40. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 11. Oktober 1962 Anlage 3 Abschrift Der Präsident des Bundesrates Bonn a. Rh., 13. Juli 1962 An den Herrn Bundeskanzler Bonn Bundeskanzleramt Ich beehre mich mitzuteilen, daß der Bundesrat in seiner 248. Sitzung am 12./13. Juli 1962 beschlossen hat, hinsichtlich des vom Deutschen Bundestage am 29. Juni 1962 verabschiedeten Gesetzes über die Erhebung der Abschöpfungen nach Maßgabe der Verordnungen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft über die schrittweise Errichtung gemeinsamer Marktorganisationen für die landwirtschaftlichen Erzeugnisse (Abschöpfungserhebungsgesetz) einen Antrag gemäß Artikel 77 Abs. 2 des Grundgesetzes nicht zu stellen. Der Bundesrat bedauert, daß er keine Gelegenheit hatte, zu den Gesetzen betreffend die Verwirklichung eines gemeinsamen Agrarmarktes gemäß Artikel 76 Abs. 2 des Grundgesetzes Stellung zu nehmen. Dies ist verfassungspolitisch und verfassungsrechtlich umso bedenklicher, als es sich nicht um echte Initiativgesetze des Deutschen Bundestages handelt, sondern um Vorlagen der Bundesregierung, die nach der zwingenden Vorschrift des Grundgesetzes zunächst dem Bundesrat zuzuleiten gewesen wären. Der Hinweis auf den Zeitdruck, unter dem das Gesetzgebungswerk stand, vermag nicht durchzugreifen, weil auch in einem solchen Falle die verfassungsmäßigen Rechte des Bundesrates beachtet werden müssen. Im 'Bewußtsein seiner Verantwortung gegenüber dem europäischen Gedanken, 'dem durch die EWG sichtbarer Ausdruck verliehen worden ist, und im Hinblick auf die Bedeutung der schnellen Verwirklichung eines gemeinsamen europäischen Agrarmarktes sieht der Bundesrat trotz dieser Bedenken davon ab, bei dem Abschöpfungserhebungsgesetz den Vermittlungsausschuß anzurufen. Dr. Ehard Bonn, den 13. Juli 1962 An den Herrn Präsidenten des Deutschen Bundestages Bonn Bundeshaus Vorstehende Abschrift wird mit Bezug auf das dortige Schreiben vom 29. Juni 1962 mit der Bitte um Kenntnisnahme übersandt. Anlage 4 — Abschrift — Der Präsident des Bundesrates Bonn a. Rh., 13. Juli 1962 An den Herrn Bundeskanzler Bonn Bundeskanzleramt Ich beehre mich mitzuteilen, daß der Bundesrat in seiner 248. Sitzung am 12./13. Juli 1962 beschlossen hat, dem vom Deutschen Bundestag am 29. Juni 1962 verabschiedeten Gesetz zur Durchführung der Verordnungen Nr. 20 (Schweinefleisch), Nr. 21 (Eier) und Nr. 22 (Geflügelfleisch) des Rates der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft sowie zur Änderung des Gesetzes zur Förderung der deutschen Eier- und Geflügelwirtschaft gemäß Artikel 84 Abs. 1 und Artikel 87 Abs. 3 Satz 2 des Grundgesetzes zuzustimmen. Außerdem hat der Bundesrat folgende Entschließung gefaßt: Der Bundesrat bedauert, daß er keine Gelegenheit hatte, zu den Gesetzen betreffend die Verwirklichung eines gemeinsamen Agrarmarktes gemäß Artikel 76 Abs. 2 des Grundgesetzes Stellung zu nehmen. Dies ist verfassungspolitisch und verfassungsrechtlich umso bedenklicher, als es sich nicht um echte Initiativgesetze des Deutschen Bundestages handelt, sondern um Vorlagen der Bundesregierung, die nach der zwingenden Vorschrift des Grundgesetzes zunächst dem Bundesrat zuzuleiten gewesen wären. Der Hinweis auf den Zeitdruck, unter dem das Gesetzgebungswerk stand, vermag nicht durchzugreifen, weil auch in einem solchen Falle die verfassungsmäßigen Rechte des Bundesrates beachtet werden müssen. Im Bewußtsein seiner Verantwortung gegenüber dem europäischen Gedanken, dem durch die EWG sichtbarer Ausdruck verliehen worden ist, und im Hinblick auf die Bedeutung der schnellen Verwirklichung eines gemeinsamen europäischen Agrarmarktes sieht der Bundesrat trotz dieser Bedenken bei den Gesetzen zur Durchführung der Verordnungen Nr. 19 bis 22 des Rates der EWG von einer Versagung der Zustimmung ab." Dr. Ehard Bonn, den 13. Juli 1962 An den Herrn Präsidenten des Deutschen Bundestages Bonn Bundeshaus Vorstehende Abschrift wird mit Bezug auf das dortige Schreiben vom 29. Juni 1962 mit der Bitte um Kenntnisnahme übersandt Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 40. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 11. Oktober 1962 1745 Anlage 5 — Abschrift — Der Präsident des Bundesrates Bonn a. Rh., 13. Juli 1962 An den Herrn Bundeskanzler Bonn Bundeskanzleramt Ich beehre mich mitzuteilen, daß der Bundesrat in seiner 248. Sitzung am 12./13. Juli 1962 beschlossen hat, dem vom Deutschen Bundestag am 29. Juni 1962 verabschiedeten Gesetz zur Durchführung der Verordnung Nr. 19 (Getreide) des Rates der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft gemäß Artikel 84 Abs. 1 und Artikel 87 Abs. 3 Satz 2 des Grundgesetzes zuzustimmen. Außerdem hat der Bundesrat folgende Entschließung gefaßt: Der Bundesrat bedauert, daß er keine Gelegenheit hatte, zu den Gesetzen betreffend die Verwirklichung eines gemeinsamen Agrarmarktes gemäß Artikel 76 Abs. 2 des Grundgesetzes Stellung zu nehmen. Dies ist verfassungspolitisch und verfassungsrechtlich um so bedenklicher, als es sich nicht um echte Initiativgesetze des Deutschen Bundestages handelt, sondern um Vorlagen der Bundesregierung, die nach der zwingenden Vorschrift des Grundgesetzes zunächst dem Bundesrat zuzuleiten gewesen wären. Der Hinweis auf Zeitdruck, unter dem das Gesetzgebungswerk stand, vermag nicht durchzugreifen, weil auch in einem solchen Falle die verfassungsmäßigen Rechte des Bundesrates beachtet werden müssen. Im Bewußtsein seiner Verantwortung gegenüber dem europäischen Gedanken, dem durch die EWG sichtbarer Ausdruck verliehen worden ist, und im Hinblick auf die Bedeutung der schnellen Verwirklichung eines gemeinsamen europäischen Agrarmarktes sieht der Bundesrat trotz dieser Bedenken bei den Gesetzen zur Durchführung der Verordnungen Nr. 19 bis 22 des Rates der EWG von einer Versagung der Zustimmung ab." Dr. Ehard Bonn, den 13. Juli 1962 An den Herrn Präsidenten des Deutschen Bundestages Bonn Bundeshaus Vorstehende Abschrift wird mit Bezug auf das dortige Schreiben vom 29. Juni 1962 mit der Bitte um Kenntnisnahme übersandt.
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    Rede von Dr. Heinrich von Brentano


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine Damen, meine Herren! Die Fraktion der Christlich-Demokratischen Union und Christlich-Sozialen Union hat es begrüßt, daß die parlamentarische Arbeit nach den Ferien mit einer Erklärung der Bundesregierung eröffnet wurde. Meine Fraktion stimmt dieser Erklärung zu und dankt dem Herrn Bundeskanzler und der Bundesregierung für die programmatische Darstellung und für die politische Analyse.
    Wir glauben, daß wir häufiger als seither eine solche Gesamtdarstellung der politischen Überlegungen und Absichten der Bundesregierung zum Gegenstand einer allgemeinen Aussprache machen sollten.

    (Beifall in der Mitte. — Zuruf.)

    — Sind Sie anderer Meinung?
    Die Regierungserklärung hat zunächst über die zurückliegende Zeit berichtet und die eindrucksvollen Leistungen der vergangenen Jahre hervorgehoben. Ich begrüße 'das; denn wir haben Grund und Anlaß, auf die Ergebnisse einer Politik stolz zu sein, an der meine Fraktion seit Beginn unserer parlamentarischen Arbeit im Jahre 1949 entscheidend 'beteiligt war. Aber ich unterstreiche auch die Feststellung des Herrn Bundeskanzlers, daß die Arbeit der gesamten Bevölkerung der Bundesrepublik in allen ihren Schichten und Berufen die Grundlage dieser Erfolge war.

    (Beifall.)

    Wenn der Herr Bundeskanzler an das Parlament und an das deutsche Volk 'appelliert, daß das, was wir erreicht haben, nun zu sichern und daß unsere Ziele in behutsamer Weise weiter zu verfolgen sind, dann kann er .der Unterstützung meiner Fraktion sicher sein.
    Ich möchte nicht die kommende Haushaltsdebatte vorwegnehmen. Ich beschränke mich darum auf die Feststellung, daß wir die Entscheidung der Bundesregierung begrüßen, gerade bei der Verabschiedung des Haushalts die Stabilisierung des Preisniveaus und damit die Festigung der Kaufkraft .der Währung in den Vordergrund zu stellen.
    Der Realismus, der in der Festlegung des Plafonds zum Ausdruck kommt, ist kein Zeichen von Pessimismus, sondern ein Zeichen von .staatspolitischer Vernunft. Ich erkläre ausdrücklich, daß wir den Plafonds nicht als Mindestbetrag, sondern als Höchstbetrag betrachten.

    (Beifall 'bei 'der CDU/CSU.)

    Der Haushaltsausschuß wird die Unterstützung meiner Fraktion haben, wenn er mit gewohnter Gründlichkeit an die Prüfung des Haushaltsplanes herangeht. Dabei werden wir uns selbstverständlich vorbehalten, im Rahmen ides Plafonds Ausgabenverschiebungen vorzunehmen, soweit wirtschaftspoli-



    Dr. von Brentano
    tische, sozialpolitische oder auch außenpolitische Notwendigkeiten uns dazu zwingen.
    Der Bundeswirtschaftsminister hat am 21. März einen Appell an das deutsche Volk gerichtet. Er hat auf die Notwendigkeit hingewiesen, maßzuhalten, und ich glaube, daß er in allen Kreisen des deutschen Volkes richtig verstanden worden ist. Aber wir können ihn und die Bundesregierung nicht besser unterstützen als dadurch, daß wir nun die äußerste Sparsamkeit gerade von der öffentlichen Hand erwarten. Der Bund wird hier mit gutem Beispiel vorangehen müssen. Denn nur dann ist es möglich, daß auch Länder und Gemeinden sich dieser behutsamen Ausgabengestaltung anschließen. Wir können und wir wollen ihnen, die für ihre eigene Finanzpolitik die volle Verantwortung tragen, keine Vorschriften machen.
    Die freiheitliche Grundordnung, in der wir leben, und die soziale Marktwirtschaft, zu der wir uns bekennen, lassen es aber auch nicht zu, die Freiheit des selbstverantwortlichen Staatsbürgers in unzulässiger Weise zu beschränken. Wir lehnen die Vorstellung von der Allmacht des Staates als einer dem freien Individuum übergeordneten Institution ab. Auch nicht auf Umwegen wollen wir zur staatlich gelenkten Wirtschaft, zum Dirigismus, zurückkehren, dem wir gottlob schon in den Tagen des Frankfurter Wirtschaftsrates den Garaus gemacht haben.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Gerade unsere Kritiker auf der linken Seite dieses Hauses — und ich zweifle nicht daran, daß wir im Laufe der Debatte einiges an sachlicher, vielleicht sogar an unsachlicher Kritik zu hören bekommen —,

    (Zurufe von der SPD)

    gerade sie sollten diese Feststellung, die ich getroffen habe, dankbar begrüßen. Denn weil wir uns grundsätzlich zur Freiheit auch in der Wirtschaft bekennen, lehnen wir auch Eingriffe in die Tarifhoheit ab. In der Tarifhoheit sehen wir vielmehr einen Grundpfeiler der freiheitlichen Wirtschaftsordnung, zu der wir uns bekennen.

    (Beifall bei der CDU/CSU. — Abg. Wehner: Sehr gut! Sehr gut!)

    Aber diejenigen, die diese Tarifhoheit leidenschaftlich verteidigen, sollten im Interesse der eigenen Glaubwürdigkeit auch die zweite Feststellung bejahen, die ich treffe: daß diese freiheitliche Ordnung dem Staate auch den Eingriff in die Preispolitik verwehrt. Ich glaube, es ist kaum nötig, dafür eine Begründung zu geben; denn der im Tarifvertrag vereinbarte Lohn ist ja ein entscheidender Faktor der Preisbildung. Wer die Tarifhoheit bejaht, muß auch die Freiheit der Preisbildung bejahen.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Um nicht mißverstanden zu werden, möchte ich eine Einschränkung machen, die sich eigentlich von selbst ergibt. Wir vertreten den Gedanken der sozialen Marktwirtschaft. Alle wirtschaftspolitischen Entscheidungen müssen in einer solchen Wirtschaft auf die gemeinsame soziale Verantwortung ausgerichtet sein, die ein jeder von uns trägt. Die Bundesregierung hat darum das Recht und auch die Pflicht, einem Mißbrauch dieser Freiheit zu begegnen, — natürlich nur im Rahmen der gesetzlichen Ordnung, in der wir leben.
    Dieses Bekenntnis zur freiheitlichen Ordnung beschränkt aber nicht das Recht und die Pflicht der für das gesamte deutsche Volk verantwortlichen Bundesregierung, zu mahnen und zu warnen, und ebensowenig das Recht und die Pflicht des Deutschen Bundestages, Überlegungen dieser Art, die gegen den Mißbrauch der Freiheit gerichtet sind, aufzunehmen und ihnen auch Wirksamkeit zu verschaffen.
    Jede Vereinbarung zwischen den Tarifpartnern muß sich auf die Preisbildung auswirken. Die Lohnsumme ist ein Teil der Gestehungskosten. Die Preisgestaltung wieder trifft den Verbraucher, und nicht nur die Tarifpartner gehören zu den Verbrauchern, sondern auch die Millionen von Menschen, die auf die Ermittlung des Preises keinen Einfluß haben.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Jeder von uns ist Konsument. Sollte es denn wirklich nicht erlaubt sein, davon zu sprechen, daß es ein gefährlicher Selbstbetrug ist, von einer Steigerung des Einkommens zu reden, wenn gleichzeitig die Steigerung der Preise das angebliche Mehreinkommen verzehrt?
    Aber die Steigerung der Preise trifft nicht nur den unmittelbaren Konsumenten; sie trifft die Millionen von Sparern, die im Vertrauen auf die Beständigkeit der Kaufkraft der Mark ihr Guthaben anlegen, um später einmal davon leben zu können, vielleicht auch, um ein Haus zu bauen, oder um sich durch den Erwerb eines Geschäftes selbständig zu machen.
    Die Steigerung der Preise gefährdet aber auch in zunehmendem Maße unseren Export. Über die Bedeutung des Exports für die deutsche Wirtschaft hier zu sprechen, scheint mir beinahe überflüssig zu sein; denn jeder von uns weiß, daß wir die Rohstoffe, die wir brauchen, nur aus dem Exportüberschuß bezahlen können, daß wir internationale Verpflichtungen nur aus dem gleichen Ertrag einlösen können.
    Ich erwähne darüber hinaus die Käufe von Rüstungsgütern im Ausland. Um sie selbst herzustellen, müßten wir neue große Produktionskapazitäten schaffen. Um diese zu errichten, fehlt uns das Kapital. Um sie auszunützen, fehlt uns die Arbeitskraft.
    Es sollte uns nachdenklich stimmen, wenn ein angesehener Wirtschaftspolitiker der Vereinigten Staaten vor kurzem gesagt hat: „Die Deutschen brauchen ihre Mark nicht weiter aufzuwerten. Es genügt schon, wenn die Preise bei ihnen noch einmal um 5 % steigen. Dann nämlich werden ihre Ausfuhren zurückgehen und die Importe zunehmen. Ihr Außenhandel — und damit ihre Zahlungsbilanz -- wird sich automatisch in einen Gleichgewichtszustand einpendeln. Und sie werden ihre Sorgen mit den Devisenüberschüssen los sein."
    Nun, meine Damen und Herren, wir hätten keine Sorge vor diesem Einpendeln. Aber wenn wir uns vorstellen, daß die Preise dann noch einmal steigen,



    Dr. von Brentano
    so müssen wir sagen: es geht nicht mehr um das Einpendeln, sondern um die Störung des Gleichgewichts und damit um eine lebenswichtige Frage, von deren Antwort nicht nur unser wirtschaftliches, sondern auch unser politisches Schicksal abhängt.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Wir haben in der Bundesrepublik — und wir sind stolz darauf — die Vollbeschäftigung, ja wir haben mehr: Tausende von offenen Stellen und Hunderttausende von Fremdarbeitern. Aber eine Analyse der Situation auf dem Arbeitsmarkt berechtigt zu besorgten Prognosen. Im letzten Jahrzehnt stieg die Zahl der in abhängiger Beschäftigung stehenden Erwerbspersonen um über 40 %. Für die Zeit von 1960 bis 1970 können wir nur mit einer Steigerung von insgesamt 5 % rechnen. Es rührt das u. a. daher, daß die geburtenschwachen Jahrgänge heranwachsen.
    Ist es unter solchen Umständen denn wirklich unbillig oder gar unzulässig, an den Arbeitswillen der Menschen in Deutschland zu appellieren?

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Nur wer die Arbeit als ärgerlichen Zwang oder gar
    als Schande empfindet, kann sich darüber erregen.

    (Erneuter Beifall bei der CDU/CSU.)

    Es ist obendrein auch ein Appell an den freien Willen, wenn die Bundesregierung — und sie hat hier die Unterstützung meiner Fraktion — vor den Folgen einer Arbeitszeitverkürzung warnt.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Eine Arbeitszeitverkürzung von nur 1 % bedeutet heute eine Kürzung des Sozialprodukts um rund 3 Milliarden DM.

    (Abg. Dr. Mommer: Das ist aber eine Milchmädchenrechnung!)

    Bitte?

    (Abg. Dr. Mommer: Die Rechnung stimmt nicht ganz!)

    — Darüber werden wir uns noch unterhalten können. Ich glaube, sie stimmt. Ich glaube sogar, daß es
    etwas mehr sind als 3 Milliarden DM, Herr Kollege
    Mommer.
    Mir scheint, es wäre wirtschaftlich und politisch vernünftig, wenn auch die Frage der Gestaltung der Arbeitszeit am Produktivitätsfortschritt orientiert wird. Es ist darum auch nicht unzulässig, wenn die Bundesregierung eine Zurückhaltung bei Lohnerhöhungen erwartet. Ich sprach schon von den Auswirkungen der Lohnerhöhungen, die einen solchen Appell rechtfertigen.
    Dieser Appell an die Arbeitsmoral, an die Gesamtverantwortung, an der jeder von uns beteiligt ist, sollte auch von denen verstanden werden, die wie wir, und Sie sicherlich auch, wissen, daß es von dem Ergebnis der Arbeitskraft, von der Entwicklung unserer Wirtschaft, von der Steigerung des Sozialprodukts abhängt, ob wir die steigenden sozialen Verpflichtungen in Zukunft einzulösen in der Lage sind.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Die Absage an einen unmittelbaren Eingriff in die Gestaltung von Löhnen und Preisen schließt nicht aus, daß wir uns bemühen, im Rahmen unserer sozialen Marktwirtschaft gefährlichen und unerwünschten Entwicklungen zu begegnen. Wir wissen, daß insbesondere auf dem Baumarkt eine Überkonjunktur zu verzeichnen ist, die zwangsläufig zu einer stetigen Preissteigerung geführt hat. Hier kann die öffentliche Hand regulierend einwirken, indem sie Neubauten, deren sofortige Errichtung nicht unbedingt notwendig ist, zurückstellt. Aber auch die Ausstattung dieser Neubauten läßt es wohl zu, den Appell zum Maßhalten auch an die öffentliche Hand zu richten.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Wirksam werden solche Maßnahmen allerdings nur dann — das wissen wir wohl —, wenn alle Bauträger der öffentlichen Hand daran teilnehmen.
    Wir stimmen den Überlegungen der Bundesregierung aber auch insoweit zu, als sie eine befristete Aufhebung, vielleicht auch eine Neufassung des § 7 b des Einkommensteuergesetzes in Aussicht gestellt hat. Auch davon kann und wird eine dämpfende Wirkung ausgehen. Allerdings haben wir den Wunsch, daß auch nach der Aufhebung des § 7b die Wettbewerbsgleichheit zwischen dem privaten und dem gemeinnützigen Wohnungsbau sichergestellt wird.
    Die Regierungserklärung sagt zum Kartellbericht, wir sollten uns hier im Bundestag bald mit diesem Bericht beschäftigen und nach gründlicher Beratung die Bundesregierung um die notwendige Novellierung des Kartellrechts ersuchen. Es geht dabei — ich möchte die Entscheidungen auch meiner eigenen Fraktion nicht vorwegnehmen — meiner Meinung nach in erster Linie um die Frage der Preisbindung der zweiten Hand. Sie bedarf gründlicher Prüfung, damit wir uns über die Notwendigkeit, aber auch über die Begrenzungen klar werden.
    Meine Fraktion wird im übrigen die Beratung des Gesetzentwurfs über die Errichtung des sogenannten Gutachtergremiums beschleunigen. Wir wissen, daß eine solche Institution keine Wunder wirken kann. Aber wir sind überzeugt, daß der Rat ausgesuchter und anerkannter Wirtschaftspolitiker nicht beiseite geschoben wird. Solange diese Institution noch nicht geschaffen ist — und wir bedauern die Verzögerung —, wird die Erstellung des angekündigten Wirtschaftsberichts durch das Wirtschaftsministerium eine Analyse der wirtschaftspolitischen Gegebenheiten und Möglichkeiten wesentlich erleichtern.
    Die Mitglieder meiner Fraktion werden im Laufe der Debatte auch noch zu einzelnen Fragen Stellung nehmen. Ich kann mich daher auf wenige Feststellungen beschränken.
    Wir begrüßen die Ankündigung der Vorlage einer Novelle zum Beamtenrecht gleichzeitig mit der Harmonisierungsnovelle. Gerade der Hinweis darauf, daß die Novelle familien- und sozialgerechte Verbesserungen enthalten soll, wird von uns begrüßt.
    Wir vermissen in diesem Zusammenhang den Hinweis auf die notwendige Novellierung der



    Dr. von Brentano
    Kriegsopferversorgung. Der Bundesarbeitsminister hat allerdings angekündigt, daß er auch diese Frage behandeln wird, wenn er in Kürze die sozialpolitischen Gesetze vorlegen wird.
    Meine Damen und Herren! Im zweiten Teil der Regierungserklärung hat sich der Bundeskanzler mit den Fragen der Außenpolitik beschäftigt. Ich beschränke mich auf einige kurze Anmerkungen und Feststellungen; denn nach einer Vereinbarung der Fraktionen soll ja die außenpolitische Debatte morgen in Gegenwart des Bundesministers des Auswärtigen geführt werden.
    Mit Recht weist die Regierungserklärung auf die wachsende Bedeutung der Nordatlantischen Verteidigungsgemeinschaft hin. Dieses Bündnis dient der ganzen freien Welt. Es ist die einzige wirksame Garantie für die Erhaltung des Weltfriedens. Wir und alle unsere Bündnispartner haben die gemeinsame Aufgabe, daran mitzuwirken, daß diese Gemeinschaft immer enger zusammenwächst, um wirksam zu bleiben. Fortbestand und Festigung der NATO sind die Voraussetzungen für die Sicherung unserer Freiheit.
    Wir alle empfinden das in besonderem Maße, wenn wir nach Berlin blicken. Die Errichtung der Mauer hat den Organismus dieser Stadt in gefährlichem Maße gestört. Die Lebensfähigkeit der Stadt, in der zweieinhalb Millionen freie Menschen wohnen, hängt von der Entschlossenheit der drei westlichen Verbündeten ab, die dort an Ort und Stelle die Freiheit sichern. Das ganze deutsche Volk schuldet den Regierungen der Vereinigten Staaten, Großbritanniens und Frankreichs für dieses sichtbare Bekenntnis zur Freiheit auf deutschem Boden aufrichtigen Dank.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Die Politik der europäischen Zusammenarbeit hat sich gerade im letzten Jahr in einer Weise entwickelt, die sogar die Optimisten unter uns überraschen mußte. Ich denke an die Besuche des Bundespräsidenten und des Bundeskanzlers in Frankreich und an die Reise des französischen Staatspräsidenten durch die Bundesrepublik. Die Herzlichkeit, mit der Präsident de Gaulle überall in Deutschland empfangen wurde, galt ihm selbst, aber in seiner Person auch dem ganzen französischen Volk.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.) '

    Ich glaube, die Menschen in Frankreich und in Deutschland haben erkannt, was es für die Zukunft der beiden Völker und des ganzen europäischen Kontinents bedeutet, daß die tragische Spannung zwischen diesen beiden Nationen nun durch eine feste Freundschaft abgelöst wurde. Sie beruht auf der Erkenntnis der Gemeinsamkeit der Zukunft und damit auch der Gemeinsamkeit der Aufgaben.
    Aber auch der Antrag Großbritanniens, der EWG mit allen Rechten und Pflichten beizutreten, ist, wie mir scheint, von hoher politischer Bedeutung. Mit Recht weist die Regierung auf die Probleme hin, die durch das Beitrittsgesuch Großbritanniens und anderer europäischer Länder — ich erinnere an Dänemark und Norwegen — aufgeworfen werden.
    Auch der Wunsch der europäischen neutralen Staaten, sich der EWG zu assoziieren, wirft neue schwierige Fragen auf. Aber ich habe die Hoffnung, meine Damen und Herren, daß die Verhandlungen, die zur Zeit in Brüssel mit der britischen Regierung geführt werden, bei allen Beteiligten von dem politischen Willen getragen sind, so bald wie möglich zu einem positiven Abschluß zu kommen.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Niemand von uns unterschätzt die Schwierigkeiten. Ich erinnere dabei an die legitimen Interessen der deutschen Landwirtschaft, von denen auch die Regierungserklärung spricht. Die Erhaltung einer gesunden Landwirtschaft ist nicht nur ein Problem eines Berufsstandes; es handelt sich um eine politische und eine volkswirtschaftliche Notwendigkeit, wenn wir uns darum bemühen, die großen ländlichen Räume innerhalb der ganzen Bundesrepublik so gesund zu erhalten, daß sie nicht nur bestehen, sondern sich fortentwickeln können wie die anderen Zweige unserer Wirtschaft auch.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Auch der begreifliche Wunsch der britischen Regierung, ihre enge Zusammenarbeit mit den Ländern des Commonwealth nicht zu gefährden, verlangt eine sorgfältige Prüfung. Aber ich glaube, meine Damen und Herren, daß der Zusammenschluß des Wirtschaftsraums der EWG mit Großbritannien für alle Beteiligten, auf die Dauer gesehen, unschätzbare Vorteile bringen wird. Wir kennen auch die positive Einstellung der Vereinigten Staaten zu dieser Frage, und es muß unser Ziel sein, die Voraussetzungen einer echten Partnerschaft zwischen einem wirtschaftlich und politisch geeinten Europa mit den Vereinigten Staaten von Amerika zu schaffen.
    Diese Entwicklung wird auch das Verhältnis der freien Welt zum Kommunismus entscheidend beeinflussen. Es ist interessant, zu lesen, was noch vor wenigen Wochen die „Prawda" schrieb — ich zitiere nur die letzten Sätze —:
    Die Realisierung des Vertrages von Rom, die sich in einer Situation der Zuspitzung des Konkurrenzkampfes auf dem ,Gemeinsamen Markt abspielt, förderte das Wachstum der Kapitalanlagen, beschleunigte die Modernisierung der Betriebe und brachte eine bestimmte wirtschaftliche und organisatorische Umgestaltung der Monopole mit sich. Der Abbau der Zollbarrieren förderte den Übergang zur großen Massenproduktion. Der Gemeinsame Markt bringt nicht nur eine arithmetische Summe der nationalen Ländermärkte, die der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft angehören. Selbst in ihren entstellten kapitalistischen Formen kann die wirtschaftliche Integration zu einer Erweiterung des Produktionsumfanges und des Innen- und Außenhandels führen.
    Meine Damen und Herren, ich glaube, wir haben noch selten aus diesem Bereich eine so positive Beurteilung unserer europäischen Politik gehört, und wir sollten die Empfehlungen, die darin zum Ausdruck kommen, befolgen.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)




    Dr. von Brentano
    Die europäische Politik trägt keinen aggressiven Charakter. Aber in der Zusammenarbeit der europäischen Nationen manifestiert sich ein steigendes Selbstgefühl und eine wachsende Zukunftsgläubigkeit dieser Völker. Es kann für die weltpolitische Entwicklung nur nützlich sein, wenn man in der Sowjetunion zur Kenntnis nimmt, daß wir in Europa davon überzeugt sind, daß wir selbst es in der Hand haben, unsere Zukunft zu gestalten.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Die verstärkte Zusammenarbeit in der NATO und die fortgesetzte wirtschaftliche und politische Integration in Europa sind nach der Überzeugung meiner Freunde entscheidende Mitvoraussetzungen für die Lösung der deutschen Frage. Um sie zu lösen, bedürfen wir der politischen und der moralischen Unterstützung der freien Welt. Die Bundesrepublik war niemals in der Lage, und sie wird niemals in der Lage sein, im zweiseitigen Gespräch mt der Sowjetunion die Voraussetzungen für die Wiedervereinigung Deutschlands in Freiheit zu schaffen. Das bedeutet nicht, daß wir bereit wären, in Zukunft auf Initiativen zu verzichten, die wir mit unseren Verbündeten gemeinsam entfalten müssen.

    (Abg. Erler: Aus Geschäftigkeit?!)

    Aber die Warnung des Bundeskanzlers — ich bin dankbar für Ihren Hinweis, Herr Kollege Erler — richtet sich gegen die falsche Initiative aus Geschäftigkeit, und eine solche Warnung kann nur von einem Böswilligen mißverstanden werden.

    (Beifall bei der CDU/CSU. — Abg. Wehner: Es scheint hier viele Böswillige zu geben! — Abg. Dr. Mommer: Auch in der Koalition!)

    — Ach, nicht so arg viele! Das haben bis jetzt die Wahlen immer wieder bewiesen.

    (Abg. Wehner: Hier! Von Wahlen reden wir das nächste Mal! Darüber reden wir 19651)

    — Sicher. Aber auch hier halte ich die Zahl der Böswilligen für nicht so groß, wie Sie hoffen, Herr Wehner.

    (Abg. Wehner: Das glaube ich auch! Heiterkeit bei der SPD.)

    Der Bundeskanzler hat sich auch mit der Haltung der Sowjetunion gegenüber dem deutschen Volk auseinandergesetzt. Er hat die Ziele der Sowjetunion umrissen, und ich glaube, daß kaum jemand diese Analyse bestreiten kann. Er hat erklärt, daß die Verbesserung der Beziehungen zur Sowjetunion davon abhängt, daß diese von ihrer aggressiven Politik gegenüber Deutschland abläßt. Ich war überrascht, darüber kritische Bemerkungen in einem Pressedienst zu lesen. Die Sowjetunion ist dafür verantwortlich, meine Damen und Herren, daß bis zur Stunde 17 Millionen Deutsche in der Sklaverei eines unmenschlichen Systems leben müssen. Die Sowjetunion ist dafür verantwortlich, daß durch den lebenden Körper der Stadt Berlin eine Mauer gezogen wurde und daß Wachttürme und Stacheldrahtverhaue die Begegnung von Deutschen mit Deutschen verhindern. Die Sowjetunion bedroht die Freiheit Berlins. Ich kann mir nicht denken, daß irgend jemand glauben könnte, daß eine ausgeglichene Atmosphäre gegenseitigen Vertrauens zwischen der Bundesrepublik und der Sowjetunion bestehen kann, solange die Sowjetunion an diesen Maßnahmen und an diesen Zielen festhält.

    (Beifall in der Mitte.)

    Über die politischen und wirtschaftspolitischen Vorstellungen der Sowjetunion — soweit sie das eigene russische Volk angehen — steht uns kein Urteil zu; aber wir haben das Recht und wir haben die Pflicht, die Sowjetunion anzuklagen, solange sie gegen den Willen des deutschen Volkes und nur unter der Ausnutzung von Macht und Gewalt den Deutschen die Ausübung des Selbstbestimmungsrechts verweigert.

    (Beifall in der Mitte.)

    Die Deutschen in der Bundesrepublik, in der Zone und in Berlin hoffen und wünschen leidenschaftlich, daß die unerträgliche Bedrohung, unter der wir leben müssen, ein Ende nimmt. Wir wollen den dauerhaften Frieden mit allen Völkern der Welt, 'mit allen unseren Nachbarn. Aber wir sind überzeugt, daß Friede und Freiheit untrennbar miteinander verbunden sind.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)



Rede von Dr. Carlo Schmid
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Das Wort hat der Abgeordnete Ollenhauer.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Erich Ollenhauer


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Auch wir haben es begrüßt, daß der Herr Bundeskanzler das zweite Jahr der 4. Legislaturperiode des Bundestages mit einer Regierungserklärung eröffnet hat. Das gibt dem Parlament die Möglichkeit eines Rückblicks und eines Ausblicks sowie einer Aussprache über die Grundlinien der zukünftigen Politik.
    Ich muß allerdings sagen, der Inhalt der Regierungserklärung hat uns enttäuscht.

    (Sehr wahr! bei der SPD.)

    Sie war so angelegt, als ob der 4. Deutsche Bundestag erst am 9. Oktober 1962 seine Arbeit aufgenommen habe.

    (Beifall bei der SPD.)

    Wir finden in der Erklärung nicht ein Wort über die Tätigkeit der Bundesregierung im ersten Jahr ihrer Existenz. Hier wäre mindestens ein Zwischenbericht notwendig gewesen. Wir betrachten diese Tatsache als eine vollkommene Fehlanzeige in bezug auf die Leistung dieser Bundesregierung im ersten Jahr ihrer Existenz.

    (Beifall bei der SPD.)

    Der Herr Bundeskanzler hat auf diese Weise in der eindrucksvollsten Art unsere Behauptung bestätigt, daß dieses erste Jahr nach der Bundestagswahl 1961 ein verlorenes Jahr gewesen ist.

    (Beifall bei der SPD.)

    Da die Ursachen dieses Versagens, die innere Uneinigkeit der Koalition und die Unsicherheit über




    Ollenhauer
    die Führung der Regierung, weiterbestehen, haben wir erhebliche Zweifel, ob das jetzt angekündigte sogenannte Arbeitsprogramm für das Jahr 1963 tatsächlich verwirklicht werden wird.
    Die Erklärung des Herrn Bundeskanzlers war zum größten Teil eine vorweggenommene Begründung des Haushaltsentwurfs für das Jahr 1963. Auch dieses Vorgehen ist eine unmögliche Praxis. Der Haushalt liegt dem Parlament bis heute nicht vor. Der Herr Bundeskanzler hat selber davon gesprochen, daß die Einbringung des Etats erst Anfang November erfolgen soll. Ich finde, es ist mit der Anerkennung der Bedeutung dieses Hauses nicht vereinbar, daß hier über eine Vorlage gesprochen wird, die dem Parlament überhaupt noch nicht vorgelegt worden ist.

    (Zustimmung bei der SPD. — Widerspruch bei der CDU/CSU. — Abg. Rasner: Doch, im Bundesrat! — Lachen bei der SPD.)

    — Na, hören Sie mal! Sie können doch nicht immer auf die Hilfsstellen ausweichen, wenn Sie hier versagen!

    (Beifall bei der SPD. — Abg. Rasner: „Hilfsstellen" ist gut!)

    Jedenfalls: Durch diese Verzögerung ist 'die zeitgerechte Verabschiedung des Etats auch in diesem Jahr wieder unmöglich geworden.

    (Abg. Dr. Stoltenberg: Wir haben auch über den Etat gesprochen!)

    — Wollen Sie das bestreiten?

    (Abg. Dr. Stoltenberg: Ihre Fraktion hat doch auch zum Etat gesprochen! In der Öffentlichkeit!)

    Das ist ein schlechtes Vorzeichen für die Arbeit im zweiten Jahr der Legislaturperiode

    (Lachen in der Mitte)

    und beim Start des zweiten Arbeitsjahres alles andere als ermutigend.
    Der Herr Bundeskanzler hat die wirtschafts- und finanzpolitischen Erwägungen in den Vordergrund seiner Ausführungen gestellt. Er hat mit Recht auf die veränderte wirtschaftliche Situation hingewiesen, die auf eine Normalisierung des wirtschaftlichen Aufstiegs schließen läßt. Der weitere Verlauf der Aussprache wird es sicher noch notwendig machen, auf diesen Fragenkomplex näher einzugehen. Ich möchte aber hierzu einige wenige grundsätzliche Feststellungen treffen.
    Die Erhaltung der Stabilität unserer Währung, die Erhaltung der Kaufkraft unseres Geldes und die gesunde Weiterentwicklung unserer Wirtschaft, zu der die Erhaltung der Vollbeschäftigung gehört, sind unerläßliche Voraussetzungen für eine gesunde Weiterentwicklung unseres Gemeinschaftslebens überhaupt.

    (Sehr gut! Bei der CDU/CSU)

    Die Erhaltung und Sicherung dieser Grundlage liegen daher in unserem gemeinsamen Interesse und sind unsere gemeinsamen Aufgaben.

    (Beifall bei der SPD und bei der CDU/CSU.)

    Natürlich können Meinungsverschiedenheiten bestehen, und sie bestehen auch angesichts der vom Bundeskanzler entwickelten Vorstellungen über die Zweckmäßigkeit der Maßnahmen zur Sicherung der Basis und zur gesunden Weiterentwicklung unserer Wirtschaft. Es gibt darüber Differenzen, und ich möchte da gleich auf einen wesentlichen Punkt eingehen. Der Herr Bundeskanzler hat in seiner Rede mit Recht festgestellt, daß die Arbeitskraft unseres Volkes unser wertvollstes Gut ist. Sicher hat er damit die Summe aller Arbeitsleistungen gemeint, die alle Teile unseres Volkes in die Wirtschaft einbringen. Unbestreitbar ist aber auch, daß für die große Mehrheit unseres Volkes die Arbeitskraft die einzige Existenzgrundlage ihres Lebens darstellt. Die Höhe ihres Lebensstandards hängt daher allein von der Höhe der Löhne und Gehälter ab, die sie aus dem Einsatz ihrer Arbeitskraft gewinnen.

    (Zurufe von der CDU/CSU: Und der Preise! — und der Kaufkraft!)

    In einem demokratischen und sozialen Rechtsstaat, in dem die Arbeitskraft das wichtigste Kapital darstellt, ist daher eine gerechte Beteiligung aller Arbeitnehmer und aller kleinen und mittleren Selbständigen am steigenden Sozialprodukt nicht eine Frage des Maßhaltens, sondern eine Frage der Gerechtigkeit.

    (Lebhafter Beifall bei der SPD.)

    Meine Damen und Herren, wenn man diesen Grundsatz anerkennt — und er sollte eigentlich unbestritten sein —, dann ist schon eine wesentliche Voraussetzung für ein sachliches Gespräch über Lohn- und Preispolitik mit allen Beteiligten geschaffen. Natürlich gibt es Interessengegensätze. Die schafft man aber nicht aus dem Wege mit Appellen und Maßhalteaufrufen. Solche Deklamationen müssen immer eine negative Reaktion und Bitternis bei den Arbeitnehmern auslösen;

    (Abg. Dr. von Brentano: Warum?)

    denn sie sind ja nun wirklich nicht diejenigen, die in den letzten zehn Jahren die großen Vermögen angehäuft haben.

    (Lebhafter Beifall bei der SPD.)

    Meine Damen und Herren, ich komme nunmehr zu dem Sanierungsprogramm der Bundesregierung. Der Bundeskanzler, der Bundeswirtschaftsminister und viele andere Sprecher der Bundesregierung und der CDU/CSU-Fraktion haben lange so getan, als ob sie jetzt dabei seien, alles Notwendige zu tun. Es wurde gesprochen von harten Maßnahmen, vom Anpacken aller heißen Eisen und von einem grundlegenden Sanierungsprogramm. Ich habe mir die Mühe gemacht, festzustellen, welche konkreten Maßnahmen die Bundesregierung nach der Rede des Herrn Bundeskanzlers wirklich ergreifen will, um, wie sie sagt, eine Stabilität unserer Preise und als deren Folge eine Festigung der Kaufkraft unserer Währung herbeizuführen. Da steht im Vordergrund der angebliche Stabilisierungscharakter des Haushaltsplans 1963.

    (Zuruf von der Mitte: Warum „angebliche"?)




    Ollenhauer
    — Nun, ich komme darauf; warten Sie nur. Ich will mich mit den Einzelheiten nicht beschäftigen, zumal der Haushaltsplan selber noch nicht vorliegt. Aber ich möchte heute schon feststellen: Der Verzicht der Bundesregierung auf die Erfüllung wichtiger Aufgaben zur Sicherung einer gesunden wirtschaftlichen und sozialen Struktur führt zwangsläufig dazu, daß Länder und Gemeinden an Stelle der Bundesregierung diese Ausgaben vornehmen müssen.

    (Sehr richtig! bei der SPD.)

    Das weiß die Bundesregierung, und sie erwartet das auch von den Ländern und Gemeinden. Hier erfolgt also nur eine Verlagerung der Ausgaben vom Bund auf die Länder und Gemeinden. Da kann doch nicht von Stabilisierung gesprochen werden!

    (Zuruf von der CDU/CSU: Da müssen Sie schon genauer werden! — Weitere Zurufe von der CDU/CSU.)

    Die Bundesregierung hat es abgelehnt — entgegen ihren wiederholten programmatischen Erklärungen —, der Bundesbahn und -post betriebsfremde Ausgaben zu erstatten. Sie zwingt damit die Bundesbahn zu Preiserhöhungen; sie weiß das, und sie ist mit diesen Preiserhöhungen auch einverstanden. Zuletzt ging es nur darum, die Tariferhöhung nicht vor dem 1. Dezember — das heißt: nicht vor den bayerischen Wahlen — durchzuführen.

    (Sehr 'gut! bei der SPD.)

    Diese Praxis der Regierung bedeutet aber, daß ein 1 Haushalt, der bei wichtigen öffentlichen Institutionen zu Preiserhöhungen führen muß, nicht als ein Haushalt der Stabilisierung angesehen werden kann.

    (Beifall bei der SPD.)

    Unterstrichen wird meine Behauptung hinsichtlich der Unaufrichtigkeit, die in diesem Haushalt liegt, noch durch die merkwürdige Darstellung, die der Bundesfinanzminister von der Finanzierung der Kosten des Sozialpaketes gegeben hat. Der Herr Bundeskanzler hat mitgeteilt, daß dieses Sozialpaket dem Bundestag demnächst zugehen werde. In bezug auf „demnächst" bin ich, nach den Erfahrungen, die wir hinter uns haben, sehr skeptisch.

    (Lachen bei der SPD.)

    Der Herr Bundesfinanzminister hat dazu festgestellt, daß durch dieses Sozialpaket Kosten in Höhe von nahezu 1 Milliarde DM entstehen würden, und hat weiter hinzugefügt, daß Ansätze dafür im Haushalt nicht vorgesehen seien.

    (Hört! Hört! bei der SPD.)

    Nun muß man die Sätze, die der Herr Bundesfinanzminister in diesem Zusammenhang der Öffentlichkeit übergeben hat, mit besonderer Sorgfalt genießen. Da heißt es:
    Sollte sich wider Erwarten und entgegen den Bestrebungen der Bundesregierung die unerwünschte Preis- und Lohnentwicklung fortsetzen und würden sich daraus Steuermehreinnahmen beim Bund und bei den Ländern ergeben,
    so müßte der Bund sie zur Finanzierung dieser 1 Millarde verwenden.

    (Hört! Hört! bei der SPD.)

    Die Bundesregierung setzt also voraus, daß diese Preis- und Lohnpolitik fortgesetzt wird; denn sonst — —

    (Abg. Dr. Bucher: „Wider Erwarten"!)

    — Das ist ja nun sehr schön: „Es tut mir leid, daß ich mehr Geld bekomme; dann kann ich wenigstens bestimmte soziale Aufgaben erfüllen." — Was ist denn das für eine Politik?

    (Beifall bei der SPD.)

    Auf der einen Seite erklärt man: „Ihr dürft nicht höhere Lohn- und Gehaltsforderungen stellen!, und auf .der anderen Seite sagt man: Wenn ihr es dennoch tut, dann können wir wenigstens unser Sozialpaket finanzieren.

    (Heiterkeit und Beifall bei der SPD.)

    — Na, hören Sie, wo ist denn ida noch Sinn und Verstand, wo ist denn da die Linie: Entweder Stabilisierung oder sozialer Fortschritt ? Das können iSie hier nicht ernsthaft als eine haushaltspolitsche Grundlage verkaufen. Jedenfalls ist das die Lage.
    Die Bundesregierung meint, ihr Gewissen sanieren zu können, indem sie davon spricht, daß diese Preis-und Lohnentwicklung, mit der sie rechnet, wider ihr Erwarten unid entgegen ihren Bestrebungen eintrete. Aber auf der anderen Seite muß man sagen: Wenn ihr hier etwas an Leistungen aus dem Sozialpaket haben wollt, dann müßt ihr darauf hoffen, daß diese Lohn- und Preiserhöhung weitere Erhöhungen der Einnahmen ermöglicht. Nichts zeigt deutlicher, wie wenig ernst die Behauptung genommen werden kann, hier handele es sich um einen Haushalt, der der Stabilisierung der Preise diene.
    Weiter, meine Damen und Herren, noch eine Frage. Der Herr Bundesfinanzminister hat für 1963 Mehreinnahmen aus Steuern vom Einkommen in Höhe von 9,5 % ermittelt. Der Herr Bundeskanzler hat behauptet, die Schätzung der Mehreinnahmen gehe von einer realen Steigerung des Sozialprodukts um 3,5 % aus. Beides ist schwer miteinander zu vereinbaren. Die Darlegungen sowohl des Bundeskanzlers als auch des Bundesfinanzministers sind im übrigen so verklausuliert, .daß sie allen Interpretationen Raum lassen. Ich möchte daher um eine eindeutige, unmißverständliche Äußerung des Herrn Bundeskanzlers oder ides Herrn Bundesfinanzministers bitten, ob der Berechnung des Steueraufkommens eine Steigerung des Sozialprodukts von 7 oder eine solche von 3 % zugrunde liegt. Eine Stellungnahme zu dieser Frage behalten wir uns vor, bis die Antwort hier vorliegt, die in bezug 'auf die Beurteilung der finanzpolitschen Situation, in der wir im nächsten Jahr stehen werden, ja wohl von einiger Bedeutung ist.
    Darüber hinaus kündigt der Herr Bundeskanzler, ich glaube, sechs weitere Maßnahmen an, um diese Stabilisierungspolitik durchzuführen, Maßnahmen, die darin bestehen— wir haben es alle gehört —,



    Ollenhauer
    daß die Bundesregierung Aufträge an den Bundesfinanzminister, an den Bundesminister für Wohnungsbau und an den Bundeswirtschaftsminister erteilt hat. Das ist vielleicht ein Arbeitsbeschaffungsprogramm für die Minister,

    (Beifall bei der SPD) aber es ist kein Sanierungsprogramm.

    Die erste große alamierende Fernsehrede des Herrn Bundeswirtschaftsministers wurde, wie Sie wissen, am 21. März 1962 gehalten. Ich frage Sie: Hat diese Bundesregierung in einem Zeitraum von mehr als einem halben Jahr nicht mehr zustande gebracht als den Entschluß, einigen ihrer Kollegen im Kabinett bestimmte Aufträge zu erteilen?

    (Erneuter Beifall bei der SPD.)

    Schließlich hat der Herr Bundeskanzler mitgeteilt, daß die Bundesregierung den Minister für Wirtschaft beauftragt habe, zum 15. Januar 1963 einen Wirtschaftsbericht vorzulegen. Sie wissen, daß meine Fraktion bereits im Jahre 1956 einen Gesetzentwurf zur Sicherung des wirtschaftlichen Wachstums vorgelegt hat, der die Errichtung eines sachverständigen Gutachtergremmiums und die Erstattung eines regelmäßigen Jahreswirtschaftsberichts vorsah. In weitgehender Übereinstimmung mit unseren bereits damals erörterten Vorstellungen soll nun in einem Bericht eine Analyse des abgelaufenen Jahres und eine Ubersicht für das kommende Jahr gegeben werden. Das ist ein Fortschritt. Es heißt sogar in der Erklärung:
    Die Bundesregierung wird hierbei Leitlinien für ,das Verhalten all 'derjenigen ableiten, die Ansprüche an das Sozialprodukt stellen.
    Auch diese Ankündigung ist ein Fortschritt. Wir wollen nur hoffen, daß sich auch der Herr Bundeswirtschaftsminister mit einer solchen fortschrittlichen Methode einer freiheitlichen Wirtschaftspolitik befreundet. Noch vor kurzem äußerte er, daß solche Scherze mit ihm nicht zu machen seien.

    (Heiterkeit bei der SPD.)

    An dieser Ankündigung sind zwei Dinge bemerkenswert:
    1. Von dem Gutachtergremium, das die Unterlagen für einen solchen Wirtschaftsbericht erarbeitet, ist in der Regierungserklärung nicht mehr die Rede. Ich frage: Ist dieser Gedanke aufgegeben?
    2. In der Regierungserklärung ist von Leitlinien für das Verhalten der freien Wirtschaft die Rede, aber nicht ein Wort davon, daß die Bundesregierung in diesem Bericht die Grundsätze ihrer Wirtschaftspolitik verbindlich darlegt. Ich frage: Soll der Wirtschaftsbericht nur theoretischer Erörterung dienen oder soll er auch die Grundlinien der Wirtschaftspolitik festlegen? Meine Freunde werden unseren Gesetzentwurf vom Jahre 1956 wieder aufgreifen, um ausreichende Grundlagen für die Entwicklung einer systematischen und zielbewußten Wirtschaftspolitik zu erhalten.
    Der Herr Bundeskanzler hat zutreffend darauf hingewiesen, daß die Periode des stürmischen Aufbaus zu Ende ist und daß wir nunmehr in eine
    Periode des normalen Wirtschaftswachstums eintreten. Aus dieser Erkenntnis müssen Konsequenzen gezogen werden. Tatsächlich vollzieht sich bereits heute eine Anpassung an eine normale Entwicklung. Es kommt entscheidend darauf an, daß dieser Prozeß überall als ein Prozeß der Normalisierung erkannt und nicht durch eine Fehlbeurteilung gestört wird.
    Wir haben seit Jahren beklagt, daß die ungewöhnlich hohen Ausfuhrüberschüsse der letzten Jahre das internationale Währungsgleichgewicht störten und in der Bundesrepublik immer wieder neue Preisauftriebstendenzen auslösten. Die D-Mark-Aufwertung hatte das ausgesprochene Ziel, den Ausfuhrüberschuß auf ein normales Maß herabzusetzen. Jetzt ist dieser Normalisierungsprozeß im Gange. Wir erzielen immer noch ansehnliche Ausfuhrüberschüsse. Aber sie gehen allmählich auf ein geringeres Maß zurück. Hier handelt es sich um eine gesunde Entwicklung. Sie ist kein Zeichen, daß unsere Wettbewerbsfähigkeit nachläßt. Unter diesen Umständen ist es Aufgabe einer verantwortungsbewußten Bundesregierung, in der Wirtschaft Verständnis für die Notwendigkeit dieser Entwicklung zu wecken. Sie sollte sich vor der Gefahr hüten, durch falsche Darstellungen Panikstimmungen auszulösen, die nur gefährlich sein können.

    (Sehr wahr! bei der SPD.)

    Die Investitionstätigkeit ist zum Beispiel im ersten Halbjahr 1962 nicht zurückgegangen, aber sie verharrt auf hohem Niveau und steigt nicht weiter. Wer in dieser Lage von den Gefahren sinkender Investitionsneigung spricht, beschwört die Gefahr herauf, daß die Investitionsneigung tatsächlich unter jenes Maß sinkt, das im Interesse einer gesunden wirtschaftlichen Entwicklung erforderlich ist.
    Schließlich in ,diesem Zusammenhang noch ein Wort zu dem Problem ,der Agrarwirtschaft. Der Herr Bundeskanzler hat einen Teil seiner Ausführungen der Lage der Landwirtschaft, insbesondere der Bauern gewidmet. Wir alle wissen, daß dies ein schwieriges Problem ist. Bisher ist es nicht gelungen, die Landwirtschaft wirklich zu einem integrierenden Teil der gesamten Volkswirtschaft zu machen und den Bauern ebenso wie den Landarbeitern ein Einkommen zu sichern, das den Einkommen vergleichbarer Erwerbstätiger in der übrigen Wirtschaft entspricht. Aber der Herr Bundeskanzler hat es sich sehr einfach gemacht.
    Das Problem, die Menschen auf dem Lande teilhaben zu lassen an der wirtschaftlichen und sozialen Gesamtentwicklung, läßt sich nicht lösen, wenn man nicht den Aufgaben, die im Rahmen des Gemeinsamen Marktes auf uns zukommen, klar ins Auge sieht. Und ich möchte an die Bundesregierung folgende Fragen richten:
    1. Trifft es zu, daß ein von der Europäischen Kornmission und dem Bundesernährungsminister eingesetztes Sachverständigengremium zu der Überzeugung gekommen ist, 'daß das Preisniveau für Getreide und damit auch für die anderen Agrarerzeugnisse im Gemeinsamen Markt nicht aufrechterhalten werden kann?



    Ollenhauer
    2. Warum zögert die Bundesregierung, der Öffentlichkeit und damit auch den Bauern klaren Wein über die voraussichtliche Entwicklung einzuschenken?
    3. Was beabsichtigt die Bundesregierung zu tun, um die Einkommensschmälerungen, die im Zuge einer solchen Entwicklung auf die Bauernschaft zukommen müßten, durch wirksame Maßnahmen zu verhindern und damit das durch das Landwirtschaftsgesetz erstrebte Ziel einer Einkommensbesserung zu sichern? Wir bedauern es außerordentlich, daß der Herr Bundeskanzler auf dieses Problem, das so dringlich auf der Tagesordnung steht, mit keinem Worte eingegangen ist.

    (Beifall bei der SPD.)

    Meine Damen und Herren, ich kann die wichtigsten Fragen hier nur in Stichworten behandeln. Wir werden ja Gelegenheit haben, auf gewisse Fragen im Laufe der Debatte im einzelnen zurückzukommen. Ich möchte aber noch ein Wort zu dem wichtigen Problem der Preisstabilität sagen. Wer ernsthaft Preisstabilität will, muß sich mit der Tatsache auseinandersetzen, daß in weiten Bereichen der gewerblichen Wirtschaft kein freier Wettbewerb und keine freie Preisbildung besteht, sondern daß hier durch marktbeherrschende Unternehmen das Preisniveau unangemessen hochgehalten wird.
    Im Vordergrund der öffentlichen Diskussion steht zur Zeit die Preisbindung der zweiten Hand. Nach den vorliegenden Untersuchungen und Berichten kann kein Zweifel bestehen, daß die Praxis der Preisbindung der zweiten Hand in vielen Bereichen der Wirtschaft zu überhöhten Preisen führt. Die Bundesregierung hat durch die Art, wie sie dieses Problem behandelt, es zu einer dogmatischen, theoretischen Streitfrage gemacht. Es droht die .Gefahr, daß dadurch konkrete Maßnahmen, die dringend erforderlich sind, auf die lange Bank geschoben oder gar unmöglich gemacht werden. Wir haben hierzu ganz konkrete Vorschläge gemacht. Dabei handelt es sich vor allem um vier Punkte:
    a) die sofortige Beseitigung aller Preisbindungen der zweiten Hand für jene Erzeugnisse, bei denen offensichtlich Preiserhöhungen vorliegen und ernsthafte übergeordnete Gründe des Gemeinwohls für die Beibehaltung fester Preise nicht geltend gemacht werden können;
    b) eine gründliche Untersuchung, für welche Waren aus übergeordneten Gründen, etwa aus gesundheits- oder kulturpolitischen Gründen, ein öffentliches Interesse an festen Preisen besteht;
    c) Veröffentlichung aller Spannen für preisgebundene Artikel;
    d) scharfe Kontrolle der Preisbindung durch die Kartellbehörde.
    Die augenblickliche Diskussion über die Preisbindung der zweiten Hand verschleiert den Tatbestand, daß darüber hinaus in vielen Wirtschaftsbereichen marktbeherrschende Unternehmungen die Preise diktieren und Preissenkungen dort verhindern, wo sie möglich und wünschenswert sind.

    (Beifall bei der SPD.)

    Das Bundeskartellamt hat in diesem Zusammenhang einige bemerkenswerte Anregungen gegeben, die wir aufgreifen werden. Darüber hinaus halten wir die Errichtung einer Monopolkommission für erforderlich, die in öffentlichen Verfahren jene Wirtschaftszweige untersuchen soll, in denen marktbeherrschende Unternehmungen den Gang der Dinge entscheidend bestimmen. Hier handelt es sich nicht um eine neue Behörde, sondern es handelt sich darum, die Offentlichkeit darüber zu unterrichten, was in diesen Bereichen der Wirtschaft vor sich geht, und gegebenenfalls dem Parlament, der Bundesregierung, dem Bundeskartellamt ausreichende Unterlagen für angemessene Maßnahmen zur Bekämpfung des Machtmißbrauchs in der Wirtschaft zu geben.
    Schließlich ist ein Wort zur Stellung des Verbrauchers in der Wirtschaft notwendig. Die Hausfrau ist bei vielen Dingen, die sie täglich braucht, nicht in der Lage, sich ein eigenes Urteil über Wert und Preis der Ware zu bilden. Es ist eine Aufgabe der Wirtschaftspolitik, ihr hier zu helfen, und wir begrüßen es, daß der Herr Bundeskanzler in seiner Regierungserklärung den bisherigen Widerstand der Bundesregierung gegen eine wirksame Förderung der Verbraucheraufklärung aufgegeben hat. Wir sind jedoch der Ansicht, daß hier wesentlich mehr getan werden muß. Wir nehmen unseren Vorschlag wieder auf, einen Verbraucher- und Preisrat zu bilden, der die Aufgabe hat, die Entwicklung auf dem Verbrauchsgütermarkt, insbesondere die Bedeutung und den Einfluß der Werbung, die Möglichkeiten zur Aufklärung des Verbrauchers und die Preisentwicklung zu verfolgen. Ein solcher Preisrat hat sich seit Jahren in Norwegen bewährt. Jetzt hat der Präsident der Vereinigten Staaten die Bildung ,eines Verbraucherausschusses angeordnet. Wir sollten nicht zögern, uns ein solches wichtiges Instrument der modernen Wirtschaftspolitik zunutze zu machen.
    Abschließend möchte ich zu diesem Kapitel der Regierungserklärung sagen: Ich muß mein Bedauern aussprechen, daß sich die Bundesregierung nicht zu einer sachlichen Klarstellung der Konjunkturlage hat durchringen können, daß die Regierungserklärung kaum eine einzige Maßnahme zur Stabilisierung des Preisniveaus und zur Sicherung einer gesunden wirtschaftlichen Aufwärtsentwicklung enthält und daß damit die große Aufgabe unerfüllt bleibt, dem allgemeinen Unbehagen über die Unsicherheit und Aktionsunfähigkeit der Bundesregierung entgegenzutreten und die Überzeugung zu vermitteln, daß die Bundesregierung ihre Pflichten kennt und alles tut, um ein gesundes Wirtschaftswachstum zu sichern.

    (Beifall bei der SPD.)

    Meine Damen und Herren, ich möchte nun ein Wort zu dem Kapitel Sozialpolitik sagen. Der Herr Bundeskanzler hat die bemerkenswerte Feststellung getroffen, daß er die Meinung mancher Kreise nicht teile, man habe auf dem Gebiet der Sozialpolitik schon des Guten zuviel getan. Das ist ein gutes Wort. Aber es darf doch nicht nur für die Vergangenheit gelten. Die soziale Neuordnung ist



    Ollenhauer
    noch keineswegs abgeschlossen. Der Bundeskanzler hat in seiner Rede zum Beispiel sehr nachdrücklich die Auffassung vertreten, daß nichts von dem verlorengehen darf, was wir erreicht haben. Niemand will das. Aber es kann doch nicht bestritten werden, daß es auch bei dem jetzt Erreichten noch große Gruppen unserer Mitbürger gibt, die an diesem Aufstieg, an der Erhöhung des Lebensstandards in völlig ungenügender Weise teilgenommen haben.

    (Beifall bei der SPD.)

    Es gibt hier einen Nachholbedarf, den wir in der Genugtuung über das Erreichte nicht vergessen dürfen.
    Der Herr Bundeskanzler hat von der großen Vermögensumschichtung gesprochen, die durch den Lastenausgleich bis 1961 herbeigeführt wurde. Ich will jetzt nicht erörtern, ob es sich hier tatsächlich um eine Vermögensumschichtung handelt und ob und welche Unzulänglichkeiten hier festzustellen wären. Jedenfalls war es eine große Leistung, an deren Lösung alle mitgewirkt haben. Aber wir sollten in diesem Zusammenhang nicht übersehen, daß es in der deutschen Wirtschaft eine echte Vermögenskonzentration gibt, die die soziale Ordnung aufs schwerste gefährdet und uns vor ernsthafte Probleme stellt. Noch vor kurzem hat eine vom Rat der Evangelischen Kirche Deutschlands vorgelegte Denkschrift darauf hingewiesen, daß eine einseitige Anhäufung von Eigentum am Produktivvermögen begünstigt wurde und die große Masse der damit arbeitenden Menschen davon ausgeschlossen blieb. Eine solche einseitige Vermögensbildung, so heißt es dort, sei bedenklich.
    Ich finde, hier ist ein Kernproblem unserer inneren sozialen Ordnung angesprochen. Es handelt sich hier um eine wichtige und entscheidende Aufgabe der sozialen Neuordnung. Ich muß mit Bedauern feststellen, daß dieses wichtige Problem in der Regierungserklärung nur an zwei Stellen ganz am Rande erwähnt wird. Sie wissen, daß wir einen ausführlichen Vorschlag gemacht haben, um endlich wirksame Schritte zu einer gerechteren Vermögensverteilung zu tun und damit zu einer Vermögensbildung in den breitesten Schichten der Bevölkerung zu kommen. Die Bundesregierung und wir alle sollten darüber wachen, daß nicht durch kurzsichtige Behandlung konjunktureller Probleme wichtige gesellschaftspolitische Aufgaben in untragbarer Weise vernachlässigt werden.

    (Beifall bei der SPD.)

    Die soziale Neuordnung 'ist noch keineswegs abgeschlossen. Im Gegenteil, wir haben hier einen vollkommenen Stillstand in der Gesetzgebung und in der Praxis manchen bedenklichen Rückschritt.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Wo denn?)

    Zu den wirklich entscheidenden sozialen und gesellschaftspolitischen Fragen des Arbeitslebens hat der Bundeskanzler nicht einen einzigen Satz gefunden. Beispielsweise kommt das Wort Gesundheit in seiner Erklärung nicht einmal vor.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Er hat sie selber! — Heiterkeit.)

    —Ja, das hilft aber vielen anderen nichts, daß er eine so gute Gesundheit hat! Manche haben's eben schwerer, ihre Gesundheit zu erhalten. —

    (Beifall bei der SPD.)

    Und das, obwohl die öffentliche Diskussion in Deutschland und in allen Industriestaaten um die Schaffung der Voraussetzungen zur besseren Erhaltung der Gesundheit und der Arbeitskraft des Menschen geht. Der Bundeskanzler hat offenbar noch nichts davon gehört, daß zwei Drittel aller Arbeiter und Angestellten heute wegen vorzeitigen Verbrauchs ihrer Gesundheit und Arbeitskraft nach vertrauensärztlicher Untersuchung vor der normalen Altersgrenze zu Rentnern werden.
    Auch für die zweite große Gemeinschaftsaufgabe, Ausbildung und berufliche Fortbildung, hat der Bundeskanzler nicht einen einzigen Satz übrig gehabt.
    In der Regierungserklärung findet sich ferner kein Wort über die soziale Sicherung der Familie. Das ist um so enttäuschender, als gerade in diesen Tagen durch Versagen der Bundesregierung und der Regierungsparteien über 300 000 Familien mit zwei und mehr Kindern auf Grund von Einkommensprüfungen ihr Kindergeld von 25 DM monatlich deshalb verlieren, weil sie ein Familieneinkommen von knapp über 600 DM erreichen.

    (Hört! Hört! bei der SPD.)

    In erschreckender Weise bleiben unsere Familien mit Kindern hinter der wirtschaftlichen Entwicklung zurück.
    Seit einiger Zeit versucht die Bundesregierung, sich den Fragen nach der zukünftigen Gestaltung der Sozialpolitik mit dem Schlagwort vom „Sozialpaket" zu entziehen. Was der Herr Bundeskanzler in seiner Regierungserklärung dazu mitgeteilt hat, war noch dürftiger als die Antwort des Bundesarbeitsministers vom 15. Juni auf unsere Große Anfrage zur Sozialreform.

    (Lebhafter Beifall bei der SPD.)

    Und diese Antwort war doch schon mager genug. Lassen Sie mich .hier zur Frage des Sozialpaketes nur eines sagen: Wir denken nicht daran, die sozialpolitische Diskussion zu einer fruchtlosen Auseinandersetzung um ein Schlagwort wie „Sozialpaket" zu führen. Uns kommt es allein auf den sozialpolitischen Inhalt und darauf an, wie die sozialen Aufgaben ihrer Dringlichkeit nach angepackt werden.

    (Abg. Dr. von Brentano: Uns auch, Herr Kollege!)

    — Sehr schön, Herr Kollege! — Ich. erinnere — um hier eine Priorität zu nennen — in diesem Zusammenhang daran, daß der Herr Bundeskanzler den Kriegsopfern vor den Wahlen versprach — ich zitiere wörtlich —:
    Die CDU ist bereit, eine Weiterentwicklung der Kriegsopferversorgung im Sinne eines Ausbaues der Leistungen im 4. Bundestag vorrangig zu behandeln.

    (Hört! Hört! bei der SPD.)




    Ollenhauer
    In der Regierungserklärung dieser Woche wild aber die Kriegsopferversorgung mit keinem Wort erwähnt, obwohl dem Bundeskanzler und der Regierung nicht verborgen geblieben sein kann, welche Unruhe die Kriegsopfer erfaßt hat, weil sie weder für 1962 noch für 1963 irgendwelche Beträge für eine Verbesserung der Kriegsopferversorgung in den Haushaltsplan eingesetzt sehen. Im Gegenteil, der Herr Bundeskanzler hat in seiner Regierungserklärung wiederholt auf den kürzlich verabschiedeten Haushaltsplan für 1963 Bezug genommen. Es dürfte dem Herrn Bundeskanzler doch nicht entgangen sein, daß in diesem Haushalt die Ansätze für Kriegsbeschädigte und Kriegshinterbliebene um 320 Millionen DM niedriger sind als das Ist-Ergebnis von 1961.

    (Hört! Hört! bei der SPD. — Abg. Dr. Schmidt [Wuppertal] : Muß das denn nicht so sein? — Abg. Erler: Wenn Sie verbessern wollen, nicht!)

    — Wollen Sie es verbessern oder nicht? Versprochen haben Sie es ja. Ob Sie es halten werden, werden wir sehen.

    (Beifall bei der SPD. — Zurufe von der Mitte.)

    Die Bundesregierung muß uns endlich sagen, wie sie die großen sozialpolitischen und gesundheitspolitischen Aufgaben, die vor uns stehen, zu bewältigen gedenkt. Nachdem das erste Jahr in der Parlamentsarbeit vorüber ist, haben wir eine Regierungserklärung gehört, die sozialpolitisch noch enttäuschender ist als die Regierungserklärung im November vorigen Jahres.
    Wir werden später noch zu reden haben über den Teil der Ausführungen des Herrn Bundeskanzlers, die sich mit dem geplanten neuen Verteilungsschlüssel für die Einkommen- und Körperschaftsteuer zwischen Bund und Ländern beschäftigen. Heute nur die eine Bemerkung: Eine weitere Verengung der finanziellen Basis — vor allem der Gemeinden — wäre ein nicht zu verantwortender Schlag gegen die Selbstverwaltung der Gemeinden.

    (Beifall bei der SPD.)

    Länder und Gemeinden tragen die größte Last auf dem Gebiet der Kultur- und Schulpolitik. Sie stehen, auch durch unsere Beschlüsse hier, vor großen, neuen und lebenswichtigen Aufgaben hinsichtlich der Verwirklichung der großen Gemeinschaftsaufgaben, angefangen bei der Förderung einer umfassenden Gesundheitsvorsorge, einer sinnvollen Freizeitgestaltung bis zu den Planungsaufgaben und der Lösung der Verkehrsprobleme. Alles das muß steckenbleiben und verkümmern, wenn man jetzt die finanziellen Grundlagen der Länder und Gemeinden einengt oder schmälert. Dieser Hinweis erscheint mir um so notwendiger, als es in der Erklärung der Bundesregierung über dieses wichtige Gebiet nicht eine einzige Bemerkung gibt, trotz aller Ankündigungen und Versprechungen in der vor einem Jahr abgegebenen Regierungserklärung.
    Die Forderung nach Sparsamkeit der öffentlichen Hand ist ein weites und trübes Kapitel. Ich erinnere
    mich an Auseinandersetzungen dieser Art in der Weimarer Republik, wo mit der Forderung nach Sparsamkeit der öffentlichen Hand sehr massive politische Ziele gegen die Demokratie verfolgt wurden.

    (Beifall bei der SPD.)

    Ich unterstelle das nicht dieser Regierung.

    (Zurufe von der Mitte: Sehr gut! — Abg. Majonica: Warum erwähnen Sie es dann?)

    — Warum wir es erwähnen? Weil bei aller Anerkennung des Grundsatzes der Sparsamkeit die Anwendung dieses Grundsatzes von den Kommunen z. B. nicht in der Weise verlangt werden darf, daß das auf Kosten einer gesunden Selbstverwaltung der Gemeinden geht.

    (Beifall bei der SPD. — Zurufe von der Mitte.)

    — Ich freue mich, daß Sie abwehren. Wir werden sehen, wie die Dinge stehen, wenn wir zu der Praxis kommen.

    (Abg. Dr. Wuermeling: Jedem alles versprechen! — Abg. Wehner: Darin können Sie doch gar nicht übertroffen werden!)

    Die entscheidende Frage ist: Sparsamkeit und Einschränkung auf welchen Gebieten? Auch der Bund steht vor dieser Frage, und wir werden sie sehr genau untersuchen, wenn wir uns hier mit dem Haushalt 1963 im einzelnen zu beschäftigen haben. Es darf da keine Tabus geben, und man darf die Schwächsten nicht einfach hängenlassen. Ich will hier nur das eine Beispiel nennen: Der Herr Bundeskanzler hat die Erhöhung der Gehälter für die Beamten des Bundes um 6 für den 1. Januar 1963 angekündigt. Das kann doch die Beamten nicht befriedigen — und mit Recht.

    (Unruhe in der Mitte.)

    Man kann nicht auf der einen Seite das Treueverhältnis dieser Männer und Frauen, das sie in ihrer Beamteneigenschaft eingegangen sind, in Anspruch nehmen und sie auf der anderen Seite auch noch gegenüber ihren Kollegen in Ländern und Gemeinden im Nachteil lassen.

    (Beifall bei der SPD. — Zurufe von der Mitte.)

    Das besondere Treueverhältnis hat für beide Seiten Konsequenzen, in diesem Fall auch die Verpflichtung der Bundesregierung zu einer besonderen Fürsorge für diese Beamten.

    (Beifall bei der SPD.)

    Die Fürsorgepflicht der Bundesregierung gegenüber den Bundesbeamten ist in dieser Frage sträflich vernachlässig worden.

    (Erneuter Beifall bei der SPD.)

    Ich sage das hier nicht im Wettstreit um Prozenthöhen von Gehaltserhöhungen. Es ist ein unmöglicher Zustand, daß wir die Frage der Gehaltserhöhung für Beamte in allen Ländern und Gemeinden unter Führung von CDU-Ländern geregelt haben, die solche Erhöhungen kurz vor der Wahl für richtig hielten.

    (Beifall bei der SPD.)




    Ollenhauer
    Das Bedrückende dabei ist, daß Sie und wit alle wissen: wenn in diesem Herbst oder Sommer die Bundestagswahl gewesen wäre, hätten Sie die 56 Millionen DM für die Erhöhung der Beamtengehälter gefunden.

    (Beifall bei der SPD.)

    Das ist der Punkt, wo wir ehrlich und aufrichtig sagen müssen, daß das keine Grundlage für eine gesunde öffentliche Finanzpolitik ist.
    Meine Damen und Herren, ich will das hier jetzt nicht weiter vertiefen. Mir kam es nur darauf an, daß wir uns darüber klar werden, daß wir mit dem Begriff Sparkamkeit der öffentlichen Hand vorsichtig umgehen müssen, daß es sich darum handelt, zunächst einmal festzustellen, was darunter auf allen Ebenen der öffentlichen Verwaltung wirklich gemeint ist.
    Alles in allem, wenn wir hier Kritik angebracht und Vorschläge vorgelegt haben, dann mit dem Ziel, dabei mitzuhelfen, unser Haus in Ordnung zu bringen und in Ordnung zu halten, so daß alle Bürger der Bundesrepublik das Bewußtsein haben können, wirtschaftlich gesichert, sozial geschützt und. in einem freiheitlichen Rechtsstaat geborgen zu sein. Nach unserer Meinung ist dieses Ziel noch nicht erreicht. Wir glauben auch nicht, daß die angekündigten Maßnahmen der Bundesregierung ausreichen. Wir unterbreiten deshalb unsere eigenen Vorschläge, und wir erwarten, daß sie eine sachliche und vorurteilsfreie Würdigung erfahren, wenn wir überhaupt zu einer sachlichen Arbeit in dieser Lage kommen wollen.
    Die Lage unseres Volkes erfordert dringend eine solche Versachlichung der Politik. Wir haben sie schon vor einem Jahr für notwendig gehalten. Heute sind wir leider durch die Entwicklung bestätigt. Ob wir uns als freier Teil des deutschen Volkes in der Bundesrepublik behaupten, ob wir die Freiheit und die Lebensfähigkeit Berlins bewahren und sichern, ob unser Verlangen nach Selbstbestimmung für das ganze deutsche Volk als Grundlage für die Wiederherstellung unserer staatlichen Einheit im Bewußtsein der Welt lebendig bleibt, bis die Voraussetzungen für ihre Verwirklichung gegeben sind, das alles hängt ab von unserer Verbundenheit mit der freien Welt.
    Um zudem Kapitel Außenpolitik hier einige wenige Bemerkungen zu machen, möchte ich sagen: Wir bejahen die eingegangenen Verpflichtungen der Bundesrepublik. Wir bejahen sie gegenüber der NATO wie gegenüber den europäischen Gemeinschaften. Auch hier gilt das, was ich auf dem Gebiet der Innenpolitik gesagt habe. Über die Grundeinstellung brauchen wir nicht zu streiten. Aber über den besten Weg zur Festigung und zum Ausbau dieser Gemeinschaften kann man verschiedener Meinung sein. Wir sollten aber endlich die Auseinandersetzung über solche Meinungsverschiedenheiten nicht immer wieder benutzen, um mit Zweifeln oder Verdächtigungen über die Klarheit und die Zuverlässigkeit der grundsätzlichen Einstellung zu arbeiten. Damit ist niemandem genützt.

    (Beifall bei der SPD.)

    Im Augenblick, meine Damen und Herren, geht es vor allem um Europa, d. h. es geht um die Ausdehnung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft durch die Aufnahme von Großbritannien, Dänemark, Norwegen und Irland und um die Schaffung eines engeren Verhältnisses zu den neutralen Ländern wie Schweden, der Schweiz und Osterreich. Gibt es einen Zweifel, daß eine solche Entwicklung eine bedeutsame Stärkung des freien Europa und die Schaffung neuer Entwicklungsmöglichkeiten für alle wäre? Der Bundestag hat klar seine positive Meinung in diesem Punkt zum Ausdruck gebracht. Der Herr Außenminister hat sie als Standpunkt der Bundesregierung bestätigt. Trotzdem gibt es ein Unbehagen und eine Unsicherheit über die Haltung der Bundesregierung in dieser Frage. Ihre Ursachen haben sie in dem Verhalten des Herrn Bundeskanzlers. Er hat hier vorgestern in diesem Zusammenhang erklärt, er wünsche den Antragstellern alles Gute. Das war wohl das Wenigste, was gesagt werden konnte. Aber warum sagt er nicht in Übereinstimmung mit der Auffassung des Bundestages, die Bundesregierung werde mit allen ihren Kräften die baldige positive Entscheidung über die Aufnahmeanträge fordern? Darauf kommt es an!

    (Beifall bei der SPD.)

    Der Bundeskanzler hat hier mit Recht herzliche Worte über das deutsch-französische Verhältnis gefunden. Auch wir begrüßen diese Freundschaft zwischen unseren beiden Völkern. Sie ist eine lebenswichtige Basis für die Vereinigung von Europa. Aber, meine Damen und Herren, gilt dasselbe nicht auch für das Verhältnis zwischen dein englischen und idem deutschen Volk

    (Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der FDP und der CDU/CSU)

    und den skandinavischen Völkern und unserem Volk?

    (Beifall.)

    Warum muß man hier gerade die Notwendigkeit der Vertretung der deutschen Interessen so betont ins Gespräch bringen? Jede Regierung hat die Pflicht, in einer übernationalen Gemeinschaft die Interessen des eigenen Volkes zu wahren. Dazu bedarf es keiner besonderen Betonung. Im Falle der Europäischen Gemeinschaften und der westlichen Gemeinschaften überhaupt ist das überragende deutsche Interesse die Förderung des Wachsens und Gedeihens der Europäischen Gemeinschaften auf so breiter Grundlage wie nur möglich.

    (Beifall bei der SPD. — Abg. Majonica: Sagen Sie das Gaitskell, Herr Ollenhauer! — Abg. Wehner: Der hat gesagt, er sei noch nie so einig gewesen mit Ihrem Bundeskanzler wie in dieser Frage! Schlechtes Argument, Herr Majonica!)

    ,— Das mußte ja kommen, das war ja klar!

    (Abg. Majonica: Aber mit Recht!)

    — Ich will Ihnen ganz offen sagen: ich bin selten
    über eine große politische rednerische Leistung



    Ollenhauer
    eines politischen Freundes so betrübt gewesen wie über die Rede meines Freundes Gaitskell.

    (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU.)

    Ich will Ihnen weiter sagen: wir haben uns ehrlich bemüht, unsere Freunde von der Labour Party von unserer Auffassung über die Notwendigkeit des Beitritts zu überzeugen.

    (Abg. Dr. von Brentano: Sehr gut!)

    Wir haben keinen Erfolg gehabt. Aber Sie haben wenigstens die Genugtuung, daß Herr Gaitskell sich auf Herrn Dr. Adenauer wegen seiner Zurückhaltung bei der Ausweitung der EWG berufen kann.

    (Lebhafter Beifall und Heiterkeit bei der SPD. — Beifall bei Abgeordneten der CDU/ CSU und der FDP.)

    Im übrigen, Herr Majonica — um das noch hinzuzufügen —: Sie wissen ja, wie schwer es ist, andere zu überzeugen. Wir haben es nicht bei der Labour Party geschafft, einer selbständigen Partei; aber Sie haben es nicht einmal bei Ihrem eigenen Parteivorsitzenden geschafft.

    (Beifall und Heiterkeit bei der SPD.)

    Nun, wir werden ja hören, wieweit der Bundeskanzler noch mit konkreten Antworten auf bestimmte Fragen herauskommt; wollen mal sehen, wo Ihre Europäer dann bleiben.
    Um zur Sache zurückzukommen: ich meine, die Existenz unserer Nation hängt tatsächlich davon ab,
    o daß das freie Europa lebensfähig bleibt, daß es eine Gemeinschaft von Partnern und Freunden wird und daß wir von allen Mitgliedern als vertrauenswürdiger und unentbehrlicher Bestandteil dieser Gemeinschaften angesehen werden.
    Angesichts der großen Bedeutung dieser Angelegenheit möchten wir in dieser Frage völlige Klarheit Über den Standpunkt der Bundesregierung selbst haben: Wir bitten daher den Herrn Bundeskanzler um eine eindeutige Stellungnahme zu folgenden Fragen:
    1. Ist der Bundeskanzler der Auffassung, daß der Beitritt Großbritanniens zur EWG im Interesse aller europäischen Völker zu begrüßen wäre und den europäischen Zusammenschluß stärken würde?
    2. Ist es die Ansicht des Herrn Bundeskanzlers, daß die Abklärung ,der Bedingungen für einen eventuellen Beitritt Großbritanniens mit Vorrang zum Abschluß gebracht werden soll?
    3. Ist der Bundeskanzler bereit, seinen vollen Einfluß als Regierungschef dahin geltend zu machen, daß von der Seite der Sechs eine besondere Anstrengung unternommen wird, um zusammen mit Großbritannien einen Zeitrahmen festzulegen, innerhalb dessen die Verhandlungen abgeschlossen werden sollten?
    Das ist die Frage, meine Damen und Herren. Bitte, hier ist die Gelegenheit, darauf klar zu antworten.

    (Beifall bei der SPD.)

    Lassen Sie mich nun im Zusammenhang mit dieser europäischen Zusammenarbeit noch eine andere
    Überlegung anstellen, weil sie auch von wesentlicher Bedeutung für uns ist. Der amerikanische Präsident Kennedy hat am 4. Juli dieses Jahres die Idee der atlantischen Gemeinschaft entwickelt und praktische Möglichkeiten und Wege zu ihrer Verwirklichung aufgezeigt. Inzwischen haben Kongreß und Senat die entsprechenden zollpolitischen Vorschläge Kennedys als einen ersten Schritt zur Verwirklichung dieser Idee beschlossen. Das ist eine geradezu revolutionäre Entwicklung in der amerikanischen Politik. Hier eröffnen sich große Möglichkeiten für die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft und für ihre Mitglieder für eine weltweite wirtschaftliche und handelspolitische Zusammenarbeit. Hier ist ein weittragender positiver Schritt zur effektiven Zusammenarbeit der freien Völker eingeleitet worden. Aber er wird erst verwirklicht werden — darüber gibt es keinen Zweifel —, wenn Großbritannien Mitglied der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft geworden ist. Meine Damen und Herren, zwingt uns denn diese Aussicht nicht zu einer wirklichen Anstrengung auch von unserer Seite zur Oberwindung der Schwierigkeiten für die jetzt bestehenden Möglichkeiten zur Ausweitung der EWG? Unklarheiten und Zweideutigkeiten in dieser Frage können der deutschen Sache nur schaden.

    (Sehr wahr! bei der SPD.)

    Der Herr Bundeskanzler hat vorgestern nicht gesprochen über die Fragen der Entwicklungshilfe. Ich weiß nicht, aus welchen Gründen. Abgesehen von den wirtschafts- und handelspolitischen Aspekten dieses Problems, die ernsthaft zu behandeln sind und die wir bei der nächsten Gelegenheit behandeln werden, ist das Verhältnis zu den Entwicklungsländern von entscheidender politischer Bedeutung für das zukünftige Kräfteverhältnis zwischen dem freien Westen und der kommunistischen Welt. Es geht nicht darum, etwa das eine oder andere Land zu kaufen oder in dem einen oder anderen Fall die Konkurrenz anderer Länder zu schlagen. Es geht darum, daß 'wir endlich in der freien Welt zu einer gemeinsamen Politik der freien Völker gegenüber den Entwicklungsländern kommen, daß wir diese Völker von der Redlichkeit unserer Absichten überzeugen, daß wir ihnen zur Seite stehen wollen und sie als Partner in einer Gemeinschaft von Freien und Gleichen sehen möchten. Mancher hält das für eine Utopie — ich ,weiß es —, und es gibt Probleme auch in dieser Vorstellung. Aber ich sage dennoch: Es ist die Frage unseres Jahrhunderts, ob dieser Versuch gelingt und ob wir damit unter den Aspekten und den Vorstellungen unserer freiheitlichen Auffassung der Welt in weiten Teilen ein neues Gesicht geben Mit mehr Glück und Zufriedenheit für Millionen von Menschen, als das heute der Fall ist.

    (Beifall bei der SPD.)

    Was uns fehlt, ist die Gemeinsamkeit der Anstrengungen. Hier könnte die vom amerikanischen Präsidenten angebotene Partnerschaft der Vereinigten Staaten mit den in der Vereinigung befindlichen europäischen Ländern eine große gemeinsame Aufgabe lösen, und wir könnten damit auch eine Reihe



    Ollenhauer
    von Schwierigkeiten leichter überwinden, die sich heute aus der Entwicklung der europäischen Gemeinschaft für fast alle Beteiligten ergeben. Haben wir hier nicht eine Aufgabe, 'die zukunftweisend und aufbauend ist wie kaum eine andere? Und hat die Regierung in einer Erklärung über ihre Politik in dieser Zeit dazu überhaupt nichts zu sagen?
    Gewiß, es gibt noch andere Fragen, die uns besonders naheliegen und die uns bedrücken. Die Deutschland-Frage, die Berlin-Frage, das Schicksal unserer Landsleute hinter der Mauer und hinter der Zonengrenze. Wir haben die sowjetischen Pläne für die Beseitigung des freien Berlins und für eine Verewigung der Spaltung Deutschlands durch die Anerkennung des Pankower Regimes. Wir haben die ununterbrochene Vergewaltigung der Menschenrechte an der Mauer und an der Zonengrenze. Wir haben den Druck auf Berlin mit immer neuen, einseitigen Maßnahmen ,der Sowjets oder der Zonenmachthaber. Wir können diese Ziele der sowjetischen Politik nicht hingehen lassen und erst recht nicht in irgendeiner Weise akzeptieren. Niemand will .das hier in diesem Hause. Aber, meine Damen und Herren, haben wir gar nichts zu tun, als die Unvereinbarkeit der Vorstellungen festzustellen und dann abzuwarten, was alles durch das dauernde einseitige Vorstoßen der anderen Seite geschieht?
    Herr Bundeskanzler, Sie haben am 9. Oktober ein böses Wort gesprochen, das Wort, daß es Leute gebe, die von der Bundesregierung ständig Initiativen erwarteten um der Geschäftigkeit willen. Ich will Ihnen ganz offen sagen, Herr Bundeskanzler, das ist für viele in unserem Volk — ,ganz gleich, wo sie politisch stehen mögen —, die sich ernsthaft Sorgen um das Schicksal Berlins, um die Zukunft unseres Volkes und um die Lösung dieser Probleme machen, einfach eine unverantwortliche Diffamierung.

    (Lebhafter Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der FDP.)

    Herr Bundeskanzler, es ist ein zu billiges Argument, wenn Sie damit die Politik der Inaktivität Ihrer Regierung verteidigen wollen.

    (Beifall bei der SPD.)

    Natürlich ist uns die Frage gestellt: Was können wir tun?; und niemand von uns ist bereit, leichtfertig — um der Geschäftigkeit willen — darauf Antworten zu geben.

    (Zurufe von der CDU/CSU.)

    — Meine Damen und Herren, lassen Sie das jetzt; ich komme 'darauf, und dann werden wir sehen, wie Sie dann reagieren und was bei der Sache praktisch herauskommt.
    Nehmen wir Berlin. Herr Bundeskanzler, Sie haben die Ernsthaftigkeit der Zusagen der Vereinigten Staaten und unserer beiden anderen Verbündeten unterstrichen, daß sie auf jedes Risiko hin die Freiheit und die Lebensfähigkeit Berlins verteidigen würden, und Sie 'haben ihnen dafür mit Recht gedankt. Aber warum haben Sie, Herr Bundeskanzler, nicht hinzugefügt, daß wir die Größe des Risikos kennen, das die Vereinigten Staaten und ihre Verbündeten eingegangen sind, und daß wir, die Bundesrepublik, bereit sind, dieses Risiko mit allen Konsequenzen zu teilen?

    (Lebhafter Beifall bei der SPD. — Zurufe von der CDU/CSU.)

    — Ja, genau das ist ,der Punkt, meine Damen und Herren. Aber ich will hier nur folgendes sagen:

    (Abg. Majonica: Herr Ollenhauer, ist das nicht der Sinn jedes Bündnisvertrages, daß beide Bündnispartner ihre Verpflichtungen erfüllen?)

    — Es kann nichts schaden, wenn man die anderen alle zwölf Stunden fragt, ob sie es mit ihren Zusagen ernst meinen, und daß man auch von unserer Seite einmal ein offenes Wort dazu sagt.

    (Lebhafter Beifall bei der SPD. — Weitere Zurufe von der CDU/CSU.)

    Ich meine, wir sind doch die ersten, die es angeht. Berlin ist unsere Hauptstadt, und es sind unsere Berliner, um die es geht.
    Nun weiter: Sie haben darauf hingewiesen — —

    (Fortgesetzte Zurufe von der CDU/CSU. — Abg. Dr. Stoltenberg: 10 Jahre Ohne-michStandpunkt!)

    — Meine Damen und Herren, wenn Sie wollen, können wir ja Ihre alten Papiere noch mal vorziehen,

    (Zurufe von der Mitte)

    aber glauben Sie denn, daß Sie angesichts der praktischen Haltung der Sozialdemokratie in allen Lebensfragen unseres Volkes in den letzten Jahren damit überhaupt noch eine Chance haben, einen Hund vor den Ofen vorzulocken?

    (Beifall und Heiterkeit bei der SPD.)

    Ich möchte weiter folgendes sagen. Der Herr Bundeskanzler hat darauf hingewiesen, daß im Etat 1963 für Berlin die gleiche Summe zur Verfügung stehen wird wie im laufenden Jahr. Das ist eine wichtige und positive Feststellung. Aber, meine Damen und Herren, wir alle sollten doch wissen, daß damit unser Verhältnis zu Berlin und unsere Leistungen allein nicht ausgedrückt sind. Berlin ist doch für uns nicht nur ein Etatposten. Wir müssen immer wieder gemeinsam mit dem Berliner Senat untersuchen, was getan werden muß, um die Position Berlins zu stärken und das Vertrauen der Berliner Bevölkerung in seine Zukunft — vor allem bei den jungen Berlinern — zu erhalten. Wir müssen uns gegenüber Berlin auf allen Gebieten unseres öffentlichen Lebens so verhalten, als ob Berlin jetzt schon tatsächlich unsere Hauptstadt wäre und, wie der Herr Bundespräsident gesagt hat, als ob es dabei auf uns allein ankäme.

    (Beifall bei der SPD. — Zurufe von der CDU/CSU.)

    Nur mit einer solchen — — —

    (Abg. Dr. Krone: Dieser Passus Ihrer Rede ist mit Herrn Brandt nicht abgestimmt worden!)




    Ollenhauer
    I — Was heißt hier abstimmen? Ich will Ihnen etwas sagen, Herr Kollege Krone: ich bin der Meinung, die Lage von Berlin ist so, daß wir das, was wir in bezug auf Berlin tun oder tun sollten, gemeinsam tun sollten,

    (Zuruf von der Mitte: Na also!)

    weil Berlin unser gemeinsames Schicksal und unsere gemeinsame Aufgabe ist.

    (Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der CDU/CSU.)

    Ich meine, nur mit einer solchen eindeutigen positiven Regierungspolitik gegenüber Berlin können wir die politische und moralische Position des freien Berlins immer wieder stärken und erhalten, und das ist doch unsere Aufgabe.
    Daneben steht noch etwas anderes, eine andere Frage, die sich aus der dauernden Verletzung der Menschenrechte ergibt. Die Mauer in Berlin kann man nicht mit einem Nebensatz erledigen. Sie ist eine Mauer der Unmenschlichkeit mit ihren immerwährenden Leiden und Schrecken. Ich denke dabei natürlich in erster Linie an die, die ihr Leben lassen mußten, weil sie nichts anderes wollten, als im freien Teil ihres Vaterlandes zu leben. Ich denke aber auch an die Millionen in Ostberlin und in der Zone, die unsagbar menschlich leiden unter der völligen Isolierung von ihren Verwandten, Freunden und Berufskollegen im anderen Teil der Stadt oder im freien Teil Deutschlands, hier in der Bundesrepublik. Halten wir uns die immerwährende Tragik dieses Schicksals immer wieder vor Augen! •
    Wir haben jetzt die Initiative des Kuratoriums Unteilbares Deutschland bei der Menschenrechtskommission in New York gehabt. Ich möchte dem Kuratorium für diese Initiative ausdrücklich danken.

    (Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der CDU/CSU.)

    Es war wirklich keine Initiative um der Geschäftigkeit willen.

    (Beifall bei der SPD.)

    Dieser Schritt hat trotz seiner beschränkten Möglichkeiten, die wir von vornherein gekannt haben, seine Wirkung gehabt bis in die Verhandlungen der Vollversammlung hinein, und er wird vielen Menschen in Ostberlin und in der Zone neue Hoffnung gegeben haben. Wir sollten einen Schritt weiter gehen: die Bundesregierung sollte sich bemühen, eines oder einige befreundete Mitglieder der Vereinten Nationen dazu zu gewinnen, die Frage der Verletzung der Menschenrechte — und nur diese Frage — vor die Vereinten Nationen zu bringen mit dem Ziel, daß die Vereinten Nationen sich in einem besonderen Ausschuß mit diesem menschlichen Problem beschäftigen. Wir haben das Beispiel der Kommission für die Freilassung von Kriegsgefangenen Anfang der fünfziger Jahre. Wir haben jetzt die Resonanz der Aktion des Kuratoriums Unteilbares Deutschland in der Vollversammlung selber. Ich kenne alle die Bedenken des Auswärtigen Amtes gegen einen solchen offiziellen Schritt.
    Aber wie ist die Lage heute? Fast alle Redner in der Vollversammlung der Vereinten Nationen behandeln das Berlin- und Deutschlandproblem, die Mauer und alles, was an Schrecken damit zusammenhängt. Eines fehlt: auch nur ein einziges sichtbares Zeichen der Regierung, die in erster Linie die Verantwortung für dieses Volk trägt und sein Fürsprecher sein sollte.

    (Beifall bei der SPD.)

    Ich weiß, wir sind nicht Mitglied der Vereinten Nationen.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Na also!) — „Na also" — ist das eine Antwort?


    (Zuruf von der CDU/CSU: Haben Sie etwas von dem Weißbuch gehört?)

    — Natürlich habe ich etwas von dem Weißbuch gehört. Sie werden lachen: ich kenne es. Nur: ist die Sache damit abgetan? Können wir nicht wirklich ernsthaft darüber reden, ob nicht über alle rechtlichen Bedenken hinweg die Anklage wegen der Verletzung elementarer Menschenrechte vor das einzige Forum der Welt gebracht werden kann, wo sie diskutiert werden kann und wo wir wirklich die Sympathie der Mehrheit der Völker für uns gewinnen können?

    (Beifall bei der SPD.)

    Ich werfe diese Frage auf. Es ist ein Vorschlag. Bitte, Sie — einschließlich der Regierung — möchten sich dazu äußern.
    Eine andere Sache! Auch dazu müssen wir Stellung nehmen. Wir haben landauf und landab die weltweite Propaganda der Sowjetunion für den Abschluß eines Friedensvertrages, ihres sogenannten Friedensvertrages mit den beiden Teilen Deutschlands. Dieser Spaltungsvertrag ist keine Basis für eine Verhandlung auf einer Friedenskonferenz über Deutschland. Aber können wir es uns leisten, ,daß in weiten Teilen der Welt durch die sowjetische Propaganda der Eindruck erweckt wird, die Sowjetunion wolle einen Friedensvertrag mit Deutschland, nur der Westen weigere sich? Ich plädiere jetzt nicht für eine Friedenskonferenz mit allen früheren Kriegsgegnern Deutschlands, wie sie im vorigen Jahr einmal zur Debatte stand. Aber ich plädiere dafür, daß die Bundesregierung bei den drei Westmächten anregt, eine Arbeitsgruppe unter Einbeziehung der Bundesrepublik zu schaffen, die die Aufgabe hat, die westlichen Vorstellungen für einen Friedensvertrag für Deutschland zu erarbeiten und zu formulieren. Heute tun wir so, als ob diese Frage überhaupt nicht existierte, statt daß wir uns einmal Gedanken darüber machen, welche Vorstellungen wir gemeinsam mit unseren Verbündeten entwickeln wollen, mit welchen Vorstellungen als gemeinsamer Basis wir in eine solche Friedenskonfernz gehen wollen, wenn sie einmal kommt. Natürlich wird auch eine westliche Arbeitsgruppe ihre Probleme zu lösen haben. Es wird nicht so einfach sein, eine gemeinsame Auffassung der drei Westmächte und der Deutschen über die Grundlagen eines Friedensvertrages für ganz Deutschland zu erarbeiten. Aber wenn wir nicht bei unseren Freunden den Versuch machen, eine solche Grundlage zu schaffen, wie wollen wir dann überhaupt in Zukunft mit der



    Ollenhauer
    Aussicht, zu einer befriedigenden Lösung zu kommen, an dieses Problem herangehen?

    (Beifall bei der SPD.)

    Was ich, hier vorschlage, ist nichts Sensationelles; aber es ist ein Schritt, ein kleiner Schritt. Ich frage mich: welche Bedenken kann es eigentlich gegen eine solche Initiative der Bundesregierung geben?
    Noch ein anderer Punkt! Das ist die Auseinandersetzung mit der aktuellen Krise um Berlin. Unsere Alliierten erwarten von der Bundesregierung Vorschläge für die weiteren Verhandlungen zur Sicherung der drei Lebensnotwendigkeiten in Berlin. Da geht es vor allem auch um die Frage der Sicherung der Zufahrtswege und jetzt auch wieder um die Frage einer sogenannten internationalen Zufahrtsbehörde. Wir können diesen Komplex, meine Damen und Herren, hier im Plenum nicht im einzelnen diskutieren. Aber wir können die Überlegungen über mögliche und erträgliche Lösungen nicht länger den Alliierten überlassen, wir haben hier auch unsere eigene Verantwortung. Unser Vorschlag ist, die Bundesregierung zu bitten, daß sie einen kleinen Arbeitsausschuß bildet, bestehend aus Vertretern der Bundesregierung und des Berliner Senats und aus Vertretern der drei Fraktionen des Bundestages, mit dem Auftrag, den gesamten Fragenkomplex um Berlin zu untersuchen und fortgesetzt den Versuch zu machen, zu gemeinsamen Vorstellungen zu kommen. Ich sage: gemeinsame, einstimmig gebilligte Vorschläge; denn Berlin ist unser aller gemeinsame Aufgabe, und die Vorschläge müssen von allen getragen werden, die in Exekutive und Parlament Verantwortung tragen. Ich meine, angesichts der Lage ist eine schnelle und positive Entscheidung über diese Anregung erforderlich.
    Meine Damen und Herren, ich breche hier ab, obwohl meine Auseinandersetzungen mit der Regierungserklärung unvollständig ist und wichtige Aufgaben der Innen- und Außenpolitik der Regierung unerwähnt geblieben sind. Sicher bietet sich im weiteren Verlauf der Debatte meinen Freunden noch Gelegenheit, meine Ausführungen zu erweitern und zu ergänzen.
    Ich habe hier den Versuch gemacht, eine Reihe von konkreten Vorschlägen zu unterbreiten, die uns nach unserer Auffassung auf dem Gebiet der Innen- und Außenpolitik einer Lösung der wichtigsten Probleme näherbringen können. Ich habe es nicht getan, um uns an die Regierungskoalition anzuhängen. Sie hat die volle Verantwortung für ihre Politik allein zu tragen. Aber wir haben immer erklärt, daß wir bereit sind, unseren Teil an Verantwortung in den großen Lebensfragen der Nation zu übernehmen. Dazu stehen wir auch noch heute, und das ist der Sinn unserer Vorschläge.
    Unsere Auffassung ist, daß weder die bisherige Tätigkeit der Bundesregierung im ersten Jahr der neuen Legislaturperiode noch die jetzt zur Debatte stehende Regierungserklärung den nationalpolitischen Notwendigkeiten unseres Volkes in dieser Zeit gerecht wird.

    (Anhaltender lebhafter Beifall bei der SPD.)