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ID0402020400

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    Deutscher Bundestag 20. Sitzung Bonn, den 15. März 1962 Inhalt: Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Wehrsoldgesetzes (CDU/CSU, FDP) (Drucksache IV/248) — Erste Beratung — 699 B Fragestunde (Drucksache IV/239) Frage des Abg. Varelmann: Darlehen an Wirtschaftsbetriebe zur regionalen Wirtschaftsförderung Dr. Westrick, Staatssekretär . . . 699 C, 700 A, B Varelmann (CDU/CSU) . . . . 700 A, B Fragen des Abg. Schmitt-Vockenhausen: Sicherheitsvorkehrungen bei Banken und Sparkassen Dr. Westrick, Staatssekretär . . . 700 B Schmitt-Vockenhausen (SPD) . . . 700 D Frage des Abg. Ertl: Bodenvorratskäufe der Städte Dr. Westrick, Staatssekretär . . 700 D, 701 A, B, C, D Ertl (FDP) 701 A Dr. Brecht (SPD) 701 C Schmitt-Vockenhausen (SPD) . . 701 D Frage des Abg. Jacobi (Köln):: Energie-Enquete Dr. Westrick, Staatssekretär . . . 701 D, 702 B Jakobi (Köln) (SPD) 702 A, B Fragen der Abg. Dröscher und Schultz: Verordnung der französischen Regierung betr. die Neupflanzung von Weinbergen zur Herstellung von „Cognac" Schwarz, Bundesminister . . . 702 B, C, D, 703 A Dröscher (SPD) ........702 D Schultz (FDP) .........703 A Frage des Abg. Dröscher: Lieferprämie für Roggen Schwarz, Bundesminister . . . . 703 B, D Dröscher (SPD) 703 D Frage des Abg. Ertl: Einfuhr von Getreide Schwarz, Bundesminister . . 704 A, B, C Ertl (FDP) 704 B Wächter (FDP) . . . . . . . 704 B II Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 20. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 15. März 1962 Frage des Abg. Dürr: Pflichtjahr für Mädchen Blank, Bundesminister 704 C, D Dürr (FDP) 704 D Frau Welter (Aachen) (CDU/CSU) 704 D Frage des Abg. Wittrock: Gleiche Lohnzahlung für Männer und Frauen gemäß Art. 119 des EWG-Vertrages Blank, Bundesminister . . 705 A, B, C, D, 306 A, B, C Wittrock (SPD) 705 A, C Frau Dr. Elsner (SPD) . . 705 D, 706 A Jahn (SPD) 706 B Büttner (SPD) 706 B Schmitt-Vockenhausen (SPD) . . 706 B Frage des Abg. Dröscher: Dauer der Verfahren bei den Sozialgerichten Blank, Bundesminister 706 C, D 707 A, B Dröscher (SPD) 706 D Fritsch (SPD) 707 A Frage des Abg. Jahn: Äußerung des Staatssekretärs Dr. Claussen über die Zahl der Beamten des Bundessozialgerichts Blank, Bundesminister . . . . . 707 B, C Jahn (SPD) 707 C Frage des Abg. Dr. Stoltenberg: Verbindungsstraße zwischen Schleswig und dem Truppenübungsplatz Langsee Hopf, Staatssekretär 707 D Frage des Abg. Dr. Stoltenberg: Schäden durch Benutzung von Gemeindewegen im Umkreis des Truppenübungsplatzes Langsee Hopf, Staatssekretär 708 A Frage des Abg. Dr. Stoltenberg: Zugang von der E 3 zum Truppenübungsplatz bei Idstedt Hopf, Staatssekretär 708 A Frage des Abg. Seuffert: Veteranen der Blauen Division als Gäste der Bundesmarine in Barcelona Hopf, Staatssekretär 708 B Frage des Abg. Schmidt (Würgendorf) : Einrichtung eines Verkehrsflughafens „Lipperhöhe" Hopf, Staatssekretär . . . 708 B, C, D Schmidt (Würgendorf) (SPD) . 708 C, D Frage des Abg. Wacher: Vorräte der Bundeswehr an Gerät und Material Hopf, Staatssekretär 708 D Frage des Abg. Dr. Mommer: Gehwege an Bundesstraßen im Nachbarortsverkehr Dr. Seiermann, Staatssekretär 709 A, C, D Dr. Mommer (SPD) 709 B Frage des Abg. Regling: Äußerung des Bundesverkehrsministers über die Hilfe für Kommunen Dr. Seiermann, Staatssekretär . . . 709 D, 710 A Regling (SPD) 709 D Frage des Abg. Schmidt (Würgendorf) : Verkehrsunfälle auf der Bundesstraße 54 Dr. Seiermann, Staatssekretär . . 710 B, C Schmidt (Würgendorf) (SPD) . . . 710 C Frage des Abg. Müller (Nordenham) : Schilder an der B 212 und der B 69/211 Dr. Seiermann, Staatssekretär . . . 710 C, 711 A Müller (Nordenham) (SPD) . . . . 711 A Wächter (FDP) . . . . . . . . 311 B Frage der Abg. Frau Dr. Hubert: Tragung des Impfrisikos bei Schutzimpfungen Frau Dr. Schwarzhaupt, Bundesminister 711 C, D Frau Dr. Hubert (SPD) 711 C Große Anfrage der Fraktion der CDU/CSU betr. Entwicklung von Wissenschaft und Forschung in der Bundesrepublik (Drucksache IV/154); verbunden mit Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 20. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 15. März 1962 III Große Anfrage der Fraktion der SPD betr. Förderung der wissenschaftlichen Forschung (Drucksache IV/158) und Große Anfrage der Fraktion der FDP betr. kulturpolitische Aufgaben des Bundes (Drucksache IV/233) Dr. Martin (CDU/CSU) 712 A Lohmar (SPD) . . . . 715 D, 753 B Dr. Hellige (FDP) 721 D Höcherl, Bundesminister . 726 A, 754 B Dr. Süsterhenn (CDU/CSU) . . . . 737 B Dr. Frede (SPD) 740 D Frau Funcke (Hagen) (FDP) . . • 745 A Sänger (SPD) 749 A Frau D. Maxsein (CDU/CSU) . . 751 C Nächste Sitzung 755 C Anlagen 757 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 20. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 15. März 1962 699 20. Sitzung Bonn, den 15. März 1962 Stenographischer Bericht Beginn: 9.02 Uhr
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    Anlage 1 Liste der beurlaubten Abgeordneten Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich a) Beurlaubungen Arendt (Wattenscheid) 15. 3. Dr. Arnold 16. 3. Dr. Atzenroth 23. 3. Dr. Dr. h. c. Baade 13. 4. Dr. Barzel 16. 3. Bergmann 15. 3. Berlin 23. 3. Dr. Birrenbach 16. 3. Fürst von Bismarck 15. 3. Brand 15. 3. Corterier 15. 3. Grainer 12.4. Dr. Danz 15. 3. Deringer 15. 3. Dr. Dichgans 15. 3. Drachsler 15. 3. Engelbrecht-Greve 15. 3. Dr. Eppler 16. 3. Dr. Furler 16. 3. Geiger 16. 3. Glombig 16. 3. Hahn (Bielefeld) 16. 3. Dr. Hesberg 6.4. Illerhaus 15.3. Iven (Düren) 15.3. Frau Jacobi (Marl) 16. 3. Killat 15. 3. Klein (Saarbrücken) 15. 3. Dr. Kohut 20.3. Kraus 16. 3. Dr. Kreyssig 15. 3. Krüger 31. 3. Kühn ,(Hildesheim) 16. 3. Leber 15. 3. Lenz (Bremerhaven) 16. 3. Lenz (Brühl) 15. 3. Lenze ,(Attendorn) 15. 3. Liehr (Berlin) 16. 3. Dr. Löbe 16. 3. Dr. Löhr 14.4. Dr. h. c. Menne (Frankfurt) 16. 3. Dr. Menzel 31. 3. Michels 15.3. Dr. Miessner 31. 3. Müller (Remscheid) 15. 3. Dr. Müller-Emmert 16. 3. Neumann (Allensbach) 16. 3. Oetzel 7. 4. Dr. h. c. Pferdmenges 23. 3. Dr. Philipp 15. 3. Pöhler 16. 3. Ramms 15. 3. Dr. Reinhard 16. 3. Reitzner 31. 3. Riedel (Frankfurt) 31. 3. Scheppmann 15. 3. Schlick 14. 4. Anlagen zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich Dr. Schmid (Frankfurt) 15. 3. Dr. Schneider 26. 3. Schütz 15. 3. Seifriz 16. 3. Dr. Sinn 16. 3. Stein 15. 3. Steinhoff 16. 3. Storch 15. 3. Stooß 15. 3. Striebeck 23. 3. Theis 15. 3. Verhoeven 16. 3. Walter 15. 3. Frau Dr. h. c. Weber (Essen) 23. 3. Weinkamm 16. 3. Wullenhaupt 16. 3. b) Urlaubsanträge Spitzmüller 15. 5. Anlage 2 Schriftliche Antwort des Herrn Staatssekretärs Dr. Hettlage auf die mündliche Anfrage des Abgeordneten Riedel (Frankfurt) (Fragestunde der 19. Sitzung vom 14. März 1962, Drucksache IV/239, Frage V/1): Wie werden sich die Einnahmen aus der Grundsteuer in den nächsten Jahren unter dem Gesichtspunkt der auslaufenden Begünstigungen entwickeln? Die 10jährige Grundsteuerbefreiung für neue Wohnungen nach § 7 und § 92 des II. Wohnungsbaugesetzes hat im Jahre 1961 bei der Grundsteuer zu einer Minderung des Grundsteueraufkommens um etwa 420 Mio DM geführt. In dem. Grundsteueraufkommen des Jahres 1961 mit insgesamt 1720 Mio DM ist ein Teilbetrag von 30 Mio DM enthalten, der darauf zurückzuführen ist, daß die Grundsteuerbefreiung für Neubauten aus dem Jahre 1951 fortgefallen ist. In den kommenden Jahren ist mit einem weiteren Zuwachs des Grundsteueraufkommens wegen der ausgelaufenen 10-Jahresfrist urn jährlich etwa 35 Mio DM und ab 1965 um jährlich etwa 40 bis 45 Mio DM zu rechnen. Anlage 3 Umdruck 43 Antrag der Fraktion der SPD zur Großen Anfrage der Fraktion der SPD betreffend Förderung der wissenschaftlichen Forschung (Drucksache IV/158). 758 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 20. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 15. März 1962 Der Bundestag wolle beschließen: Die Bundesregierung wird ersucht, 1. gemeinsam mit dem Berliner Senat und den Regierungen der anderen Länder in der Bundesrepublik dafür zu sorgen, daß Berlin eine der geistigen und kulturellen Metropolen der freien Welt bleibt, seine Aufgabe als Hauptstadt Deutschlands erfüllen und seine freiheitliche Lebensform bewahren und gestalten kann. Dazu ist notwendig der Ausbau aller Bildungseinrichtungen der Stadt von den allgemeinbildenden und berufsbildenden Schulen bis zu den Universitäten, Hochschulen, Forschungsinstituten und den Institutionen der Erwachsenenbildung. Die Städtischen Bühnen und andere künstlerische Einrichtungen Berlins müssen gefördert werden. Ein Zentrum für die pädagogische Forschung sollte in Berlin gegründet werden. Kulturelle Institutionen internationalen Charakters, vor allem neue Einrichtungen der UNESCO, können in Berlin eine Stätte für eine weltoffene Arbeit finden; 2. eine wirksame organisatorische und sachliche Koordinierung aller Maßnahmen zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung sicherzustellen, der Wissenschaftsförderung den ihr gebührenden institutionellen und politischen Rang im Rahmen der allgemeinen Staatspolitik zu geben und die Zusammenarbeit mit den Ländern und den Gremien der Wissenschaftler im Wissenschaftsrat, in der Deutschen Forschungsgemeinschaft und in der Max-Planck-Gesellschaft zu vertiefen; 3. unverzüglich ein Rahmengesetz über die Förderung der wissenschaftlichen Forschung nach Artikel 74 Nr. 13 GG vorzulegen; 4. Forschungsvorhaben, soweit sie sich dazu eignen, in enger Zusammenarbeit mit Institutionen der Universitäten und Hochschulen durchzuführen und dabei die Freiheit der Forschung zu wahren. Bonn, den 14. März 1962 Ollenhauer und Fraktion Anlage 4 Umdruck 44 Antrag der Fraktionen der CDU/CSU, FDP zur Großen Anfrage der Fraktion der CDU/CSU betreffend Entwicklung von Wissenschaft und Forschung in der Bundesrepublik (Drucksache IV/154) und zur Großen Anfrage der Fraktion der FDP betreffend kulturpolitische Aufgaben des Bundes (Drucksache IV/233). Der Deutsche Bundestag wolle beschließen: Die Bundesregierung wird ersucht, 1. ein Programm der Sozial- und Bildungshilfe für die Entwicklungsländer dem Bundestag vorzulegen; 2. in Beratung mit den Bundesländern, Universitäten und sonstigen beteiligten Institutionen ein sich auf mehrere Jahre erstreckendes Programm zu einer psychologisch angepaßten Unterbringung ausländischer Studenten, Praktikanten usw. auszuarbeiten und dem Bundestag vorzulegen; 3. in Zusammenarbeit mit den Bundesländern und anderen beteiligten Institutionen die soziale und berufliche Stellung desjenigen deutschen Personenkreises zu sichern, der im Rahmen der Entwicklungshilfe für längere Zeit im Ausland tätig ist; 4. geeignete Maßnahmen zu treffen, um eine möglichst systematische Vorbereitung der für eine Tätigkeit in den Entwicklungsländern in Frage kommenden deutschen Personen auf deren Aufgaben sicherzustellen und dabei auch einen qualifizierten Nachwuchs heranzubilden; 5. in Zusammenarbeit mit den Bundesländern die Frage zu überprüfen, inwieweit es möglich ist, die wissenschaftliche Behandlung des Problems der Entwicklungsländer und der Entwicklungshilfe besser als bisher zu fundieren und zu koordinieren. Bonn, den 15. März 1962 Dr. von Brentano und Fraktion Dr. Mende und Fraktion Anlage 5 Umdruck 45 Antrag der Fraktionen der CDU/CSU, FDP zur Großen Anfrage der Fraktion der CDU/CSU betreffend Entwicklung von Wissenschaft und Forschung in der Bundesrepublik (Drucksache IV/154) und zur Großen Anfrage der Fraktion der FDP betreffend kulturpolitische Aufgaben des Bundes (Drucksache IV/233). Der Bundestag wolle beschließen: Die Bundesregierung wird ersucht, 1. den Ausbau und die Errichtung wissenschaftlicher Einrichtungen mit internationalem Rang in Berlin zu unterstützen und Kultureinrichtungen internationaler Träger in Berlin zu fördern, 2. die Voraussetzungen dafür zu schaffen, daß jeder Studierende an deutschen Hochschulen die Möglichkeit erhält, wenigstens ein Semester an Berliner Hochschulen zu studieren. Bonn, den 15. März 1962 Dr. von Brentano und Fraktion Dr. Bucher und Fraktion
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    Rede von Dr. Günter Frede


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Herr Kollege Süsterhenn hat zum Mittelpunkt seiner Ausführungen die Frage der Koordinierung aller kulturpolitischen Aufgaben ge-



    Dr. Frede
    macht. Ich halte das für sehr wesentlich und richtig. Diese Koordinierung ist auch einer der wesentlichen Punkte der Anfragen, die wir heute behandeln. Darüber hinaus haben Sie, Herr Süsterhenn, mit einigem Pathos zu den Grundfragen der Kulturpolitik Stellung genommen, insbesondere zu dem heute morgen aufgegriffenen Thema einer, sagen wir einmal, christlich ausgerichteten Auffassung vom Menschen und von der Kultur oder einer säkularisierten Auffassung. Diese Frage stand schon heute morgen im Mittelpunkt der Erörterung.
    Wenn wir uns hier primär mit Fragen der wissenschaftlichen Forschung befassen, dann sollte es auch bei Ihnen keinen Zweifel darüber geben, daß die Forschung frei ist und daß sie im Zuge der historischen Entwicklung der letzten drei-, vierhundert Jahre eine säkularisierte Angelegenheit geworden ist. Es bleibt uns — Ihnen, mir und anderen — in einer pluralistischen Gesellschaft und in einem Staat, der diese pluralistische Gesellschaft anerkennt, selbstverständlich überlassen, was wir für ein Menschenbild haben. Die Frage ist nur, wie weit man, wenn man kulturpolitische Fragen erörtert und Kulturpolitik betreibt, eine eingeengte Auffassung — denn im Rahmen des Gesamtkomplexes des Humanismus ist das eine spezielle Auffassung — zur Grundlage und zum Gegenstand politischer Maßnahmen machen kann, und um das geht es hier. Es ist die Frage — nach Wilhelm von Humboldt —: Wie hälst du es mit dem Humanismus? Und es ist die Gretchenfrage, die man hier nicht stellen sollte: Wie hälst du es mit der Religion? Das gehört nicht
    hierher und hat hier keinen Sinn. Deshalb ist es für uns relativ uninteressant, ob Sie gegen Auffdssungen, die Herr Bloch oder sonstwer vertreten hat, opponieren. Wir Sozialdemokraten, das wissen Sie genau, stehen in den Fragen der Wissenschaft, der Forschung und der Kultur zu den Grundwerten einer demokratischen Ordnung, wir stehen auf dem Boden der Grundrechte, an deren Spitze das auf Würde des Menschen und Freiheit des Menschen steht. Nur von da ausgehend kann dann der einzelne hier und dort seine spezielle kulturpolitische Position beziehen. Mehr möchte ich hierzu nicht sagen. Es bleibt vielleicht anderen Kollegen, die dieses Thema angeregt haben, vorbehalten, noch einiges zu sagen.
    Kehren wir zu dem Hauptthema zurück, nämlich dem der Kompetenzfrage oder der Koordinierungsfrage. Sowohl Sie, Herr Kollege Martin, wie auch Sie, Herr Minister, haben hier wie auch in einigen Beiträgen, die vorher erschienen sind, wiederholt davor gewarnt, die Frage der Koordinierung allzusehr mit der Frage der Kompetenz zu koppeln, die Frage der Kompetenz von Bund und Ländern allzusehr in den Vordergrund zu stellen oder gar erneut einen Streit hierüber zu entfachen, wie gesagt wurde. Die Frage der Zuständigkeiten ist nicht von uns, sondern von Ihnen, von der CDU aufgeworfen worden. Lesen Sie bitte die Protokolle über die kulturpolitische Debatte vor vier Jahren nach. Damals haben Sie, als wir mit sehr konkreten und materiellen Anträgen kamen, alle diese Anträge abzuschieben oder — ich möchte sagen — hinüber-zuleiten versucht auf die Frage der Zuständigkeit von Bund und Ländern. Sie haben einen solchen Antrag zwei Jahre später erneut gestellt. Sie brauchen sich nur alle ihre eigenen Anträge und ihre eigenen Vorlagen anzusehen; Sie werden finden, daß im Grunde genommen in den vergangenen vier Jahren die Frage nach der Zuständigkeit zwischen Bund und Ländern die Kardinalfrage in kulturpolitischer Hinsicht gewesen ist.
    Sie, Herr Minister, haben gesagt, man solle gewisse Fragen nicht überhasten, solle nicht übertreiben, das könne zum Nachteil sein. Sicher, aber man soll sie auch nicht in einer Weise hinschleppen, wie das hier geschehen ist; denn in vier Jahren hätte immerhin etwas mehr herauskommen können als herausgekommen ist. Sie haben zugegeben, die Verhandlungen seien gescheitert. Das erfahren wir hier zum erstenmal. Ich darf doch darauf hinweisen, daß ,der Bundestag seinerzeit eine Entschließung gefaßt hatte, daß bis zur Einbringung des Haushalts 1960 ein Bericht hierüber gegeben werden sollte. Ich finde, man zeigt recht wenig Achtung vor dem Parlament, wenn man bis heute einen solchen Bericht nicht gegeben hat und dem Hohen Haus bis heute keine Kenntnis gegeben hat, was aus diesen Verhandlungen herausgekommen ist und ob ein Abkommen geschlossen wurde. Wir haben es vorhin zum erstenmal erfahren.
    Die Gefahr, die ich darin sehe, ist vielleicht nicht ganz unerheblich. Der breiten Öffentlichkeit ist es verhältnismäßig gleichgültig, ob der Bund, ob die Länder oder ob die Gemeinden auf dem Gebiete der Kulturpolitik etwas tun. Was die breite Öffentlichkeit will, ist, daß etwas geschieht, daß etwas sinnvoll geschieht und daß etwas — auch das muß gesagt werden — in relativer Einmütigkeit und Einheit geschieht. Ich darf daran erinnern, daß vor Jahren über die Frage der Zersplitterung des Bildungswesens ein sehr heftiger Streit entbrannt war und daß man erst durch die öffentliche Debatte dazu gekommen ist, gewisse Rahmenvereinbarungen z. B. über Vereinheitlichung des Schulwesens zu treffen.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Um festzustellen, wie weit das übertrieben war!)

    — Wie weit das übertrieben ist, .das ist eine andere Frage. Jedenfalls besteht in der breiten Öffentlichkeit der Wunsch, daß wir zu gewissen einheitlichen Auffassungen und einheitlichen politischen Praktiken in der Kulturpolitik kommen. Wenn nun wegen einer solchen Verzögerungstaktik kein Ergebnis zustande kommt, rührt das an das Vertrauen, das man ,dem föderalen Aufbau unseres Staates und der Demokratie entgegenbringt. Das sollte man nicht verkennen. Hören Sie sich bitte draußen um, nicht nur in Fachkreisen, sondern allgemein in der Öffentlichkeit.
    Wenn ,der Herr Minister mit Freuden feststellt, daß ihm in den letzten Wochen eine Hilfstruppe in den verschiedensten Kreisen der Wissenschaft erstanden ist — Rektorenkonferenz, Wissenschaftsrat und was alles es sein mag —, muß das zu denken geben. Dahinter steht doch ein gewisses Mißtrauen gegenüber den primär berufenen Organen der Kulturpolitik in den Ländern. Man hat offensichtlich nicht das Vertrauen, daß von den Ländern



    Dr. Frede
    her auf dem Gebiet der Kulturpolitik so intensiv und so nachhaltig gearbeitet wird, wie es gewünscht wird, und ich glaube, dies ist nicht ganz unberechtigt.
    Ein kleines Beispiel! Ihr Kollege Balke, Herr Minister Höcherl, hatte seinerzeit den Art. 74 Nr. 13 des Grundgesetzes so weit ausgelegt, daß er auf seinen ureigensten Gebieten nicht nur die Forschung fördern, sondern sich schon an den jüngsten Nachwuchs wenden wollte, indem er den höheren Schulen die Anschaffung von Geräten ermöglichte, die den Unterricht auf dem Gebiete der Kernphysik beleben. Das Hohe Haus hat damals 9 Millionen DM für diesen Zweck bewilligt. Dann hat der Haushaltsausschuß plötzlich gesagt, das sei verfassungsmäßig nicht angängig, und infolgedessen wurde der zweite Teil dieser Mittel nicht bewilligt. So ist es dazu gekommen, daß .die Hälfte der höheren Schulen in der Bundesrepublik mit solchen Geräten ausgestattet wurde. Man hatte den Ländern empfohlen, die Ausstattung der anderen Hälfte zu übernehmen. Jeder weiß — der Herr Minister hat es erst neulich im Ausschuß für Atomkernenergie betont —, daß das bis heute nicht geschehen ist. — Eine relativ kleine Angelegenheit, die aber nicht ganz unbezeichnend ist und nicht geeignet sein dürfte, das Vertrauen in die Einheitlichkeit und geschlossene Arbeit der Kultusminister zu heben.
    Ich könnte noch sehr viele andere Beispiele anführen, möchte es mir aber ersparen und in diesem Zusammenhang darlegen, weshalb neuerdings von Kreisen meiner Parteifreunde der Vorschlag über
    eine Ländervereinbarung gemacht worden ist, den sowohl Sie, Herr Martin, wie auch Sie Herr Süsterhenn, so heftig kritisiert haben. Herr Kollege Süsterhenn, Sie haben selber zugestanden, daß verfassungsrechtlich nicht nur Vereinbarungen zwischen Bund und Ländern, sondern auch Vereinbarungen zwischen den Ländern durchaus zulässig sind. Es gibt solche Vereinbarungen. Der Vorschlag, den wir der Öffentlichkeit unterbreitet haben, besagt nichts weiter, als daß das relativ lose Gefüge der Kultusministerkonferenz gefestigt werden soli, indem es eine gewisse vertragliche Grundlage erhält. Falls Sie diesen Vorschlag noch nicht gelesen haben sollten, darf ich Sie insofern beuhigen: Die Frage des Kulturrates ist dabei völlig nebensächlich. Die Kultusministerkonferenz soll nicht als ein neues Verfassungsorgan geschaffen, sondern als eine faktisch bestehende Organisation In ihrer Arbeit gestärkt und attraktiver gemacht werden.

    (Abg. Dr. Martin: Wie denn?)

    — Dadurch, daß die Kultusministerkonferenz nicht mehr nur — wie bisher — in verhältnismäßig loser Form zusammenkommt und relativ weit auslegbare Beschlüsse faßt, sondern mit ihren Vorschlägen ein wenig weiter geht, daß sie sich organisatorisch ein klein wenig ausweitet, daß das, was gegenwärtig das Generalsekretariat in Bonn macht, ein bißchen aufgewertet wird, um es ganz vorsichtig zu sagen.

    (Abg. Dr. Martin: Darunter kann ich mir nichts vorstellen!)

    — Ich werde Ihnen gern den Vorschlag im Wortlaut
    unterbreiten — es hier zu tun würde zu weit führen —; dann können wir uns darüber unterhalten und sehen, was dabei konkret herauskommt. Ich bin der Überzeugung, daß der Vorschlag durchführbar ist; ich kenne die Arbeit der Kultusministerkonferenz in der gegenwärtigen Form.
    Eine solche Ausweitung hätte eine zweite, sehr positive Wirkung. Dem Bunde stände nicht ein Organ, aber, sagen wir, ein Sekretariat gegenüber, mit dem man stärker als bisher in Beziehung treten könnte, .aus dem dann vielleicht auch mehr zu erfahren wäre, als man bisher erfahren konnte. Das bezieht sich insbesondere auf das, was Sie, Herr Martin, hinsichtlich einer Repräsentativdokumentation oder einer Repräsentativdarstellung dessen sagten, was kulturell — in diesem Falle von den Ländern — 'geleistet worden ist. Sie können doch nicht von allen zehn Ländern einzeln von Jahr zu Jahr Auskünfte darüber herbeiholen, was in diesen Ländern geschehen ist. Es wäre doch sehr zweckmäßig und wünschenswert, wenn derartige Dokumentationen einheitlich erstellt und publiziert würden. Ich weiß, daß das zum Teil geschehen ist, aber noch keinesfalls in der Intensität, die wir für wünschenswert halten.

    (Abg. Frau Geisendörfer: Mit denen stehen wir doch ständig in Verbindung!)

    — Wir stehen nicht ständig in Verbindung, sondern nur gelegentlich, liebe Frau Kollegin. Wenn wir ständig in Verbindung ständen, könnten hinsichtlich der Frage der Abgrenzung der Kompetenzen zwischen Bund und Ländern schon ein wenig größere Fortschritte erzielt sein. Sie werden sich erinnern, daß Herr Generalsekretär Frey uns bereits vor zwei Jahren eine sehr gründliche und eingehende Darstellung vorgelegt hat, wie weit unter Berücksichtigung der grundgesetzlichen Zuständigkeiten die Länder etwas tun können, der Bund etwas tun kann und beide gemeinsam etwas tun können. Warum ist das nicht zur Grundlage für ein Abkommen genommen worden, das von allen Kreisen gewünscht wird, die sich mit Kulturpolitik beschäftigen? Eben aus dein einfachen Grunde, weil diese Organisation nicht das Gewicht hat, das sie haben sollte.
    Ich darf mich von diesem Punkt abwenden und nochmals zu dem zurückkehren, was Sie, Herr Minister, zu der Frage der Kompetenzverteilung gesagt haben. Sie haben sich hier als Pragmatikererwiesen, indem Sie uns sehr bunt und schillernd den Strauß von Erfolgen und Maßnahmen, die die Bundesregierung ergriffen hat, dargestellt haben. Das war sehr schön. Sie haben sich dabei als ein Optimist erwiesen, indem Sie das alles für „bestens" halten. Herr Kollege 'Süsterhenn hat aber schon darauf hingewiesen, daß es damit allein nicht getan ist, sondern daß verfassungsrechtliche Probleme dahinterstehen. Wir wollen keinen Streit aufrollen. Dieser Streit, falls es ein Streit ist, sagen wir dieses „Problem" ist doch jetzt von den Ländern aufgeworfen worden. Die Länder, zumindest die Kultusminister, haben nach dem .Karlsruher Urteil beschlossen, daß die Zuständigkeiten des Bundes in kulturpolitischer Hinsicht nicht erweitert, sondern, wenn möglich, sukzessive abgebaut werden sollten



    Dr. Frede
    Weil dieser Beschluß besteht, haben die Finanzminister die Gelegenheit genützt, nun ihrerseits zu sagen: Wir nehmen jene Positionen aus dem Bundeshaushalt nunmehr auf die Länderhaushalte. Meine Damen und Herren, insbesondere meine Damen und Herren von der CDU/CSU, wir sind in diesem Punkte mit Ihnen wohl völlig einer Meinung, daß wir dem Bund nicht ohne Grund etwas von den kulturpolitischen Kompetenzen nehmen sollten, die er hat und deren Rahmen er mit einem Inhalt gefüllt hat. Das ist eine gemeinsame Auffassung von Opposition und Regierungsparteien, eine gemeinsame Auffassung, die auch bereits in der vorhin genannten Entschließung vom Juli 1960 zum Ausdruck gekommen ist.
    Bei der Wiederaufnahme der Verhandlungen kommen wir aber nicht darum herum, zu prüfen, wie weit nach dem Grundgesetz eine Zuständigkeit wirklich gegeben oder wie weit sie vielleicht nur sehr vage begründet ist. Wir sollten in dieser Frage so weit wie möglich gehen, h. wir sollten auch die Frage des wissenschaftlichen Nachwuchses, des Nachwuchses in Forschung und Wissenschaft positiv mit einbeziehen. Das Verbindende, das sich bisher durch die Initiative des Bundes und der Bundesregierung gezeigt hat, sollte man nicht aufgeben. Ich will hier die Frage des Honnefer Modells nicht vertiefen. Das Positive am Honnefer Modell ist nicht, wie hoch die Summe ist, die vom Bund gegeben wird, so notwendig diese Frage ist, sondern daß überhaupt eine bindende Vereinbarung über die Förderung von Studenten und damit des wissenschaftlichen Nachwuchses zustande kam. In Fragen der Studentenförderung, bei denen sich der Bund nicht zuständig fühlte, also bei pädagogischen Hochschulen, Kunsthochschulen, Fachschulen usw., hat sich sofort gezeigt, daß eine sehr starke Differenzierung bei den Ländern eintritt, wenn sie selbst diese Studentenförderung in die Hand nehmen. Auch das spricht dafür, daß es bei der bisherigen Zuständigkeit und bei der bisherigen Aufgabe, die sich der Bund gestellt hat, bleiben sollte.
    Meine Damen und Herren, zur konkurrierenden Gesetzgebung ist also die konkurrierende Kulturpflege gekommen, eine konkurrierende Kulturpflege, die sicher noch intensiviert werden kann, wenn wir ein Gesetz haben, wenn wir den Rahmen ausschöpfen, von dem ich soeben sprach, der insbesondere durch Art. 74 Nr. 13 des Grundgesetzes abgesteckt wird.
    Herr Minister, es ist nicht unsere Auffassung, daß dieses Gesetz nun etwa einen Katalog von Zuständigkeiten haben sollte, die dem Bund eigen wären, und andere wiederum, die den Ländern eigen wären. Dieses Gesetz kann nur ein organisatorisches Rahmengesetz sein. Es ist das einzige Rahmengesetz auf kulturpolitischem Gebiete, das der zentrale Staat, also der Bund, heute überhaupt noch im Gegensatz zur Weimarer Verfassung geben kann. In der Weimarer Verfassung war das Reich bekanntlich berechtigt, eine ganze Fülle von Rahmengesetzen auf kulturpolitischem Gebiete zu erlassen. Das ist heute nicht möglich, und das können wir auch nicht ändern; denn die föderative Struktur unseres Staates ist
    definitiv und kann auch nicht durch eine verfassungsändernde Mehrheit geändert werden.
    Um so mehr ist es erforderlich, daß die verfassungsmäßig zulässigen Möglichkeiten genutzt werden und daß uns dafür möglichst bald Unterlagen in Form eines Gesetzentwurfs vorgelegt werden. Dieses Gesetz wird keineswegs alles das umfassen und ausdeuten können, was an Möglichkeiten kulturpolitischer Betätigung seitens des Bundes vorhanden ist. Es wird darüber hinaus, wie Sie mit Recht sagten, Herr Minister, auch dann noch Abkommen zwischen Bund und Ländern und unter den Ländern selbst geben müssen.
    Herr Minister, Sie haben sich zur Berlin-Frage geäußert und haben aufgezählt, was alles vom Bunde getan worden ist, was der Bund alles für Berlin auf dem Kultursektor geleistet hat. Das erkennen wir gern und dankbar an. Aber ich glaube, für die Lösung des zentralen Problems „Berlin" genügt es nicht. Es genügt nicht, zu sagen: Wir begrüßen es, wenn noch etwas mehr geschieht. Es wäre vielmehr gut, wenn Sie selbst, wenn sich die Bundesregierung selbst einmal Gedanken darüber machte und aktiv werden könnte in der Frage, was denn geschehen kann, um Berlin zu einem Zentrum der Wissenschaft und des Geistes zu machen. Ich glaube, das ist von einer sehr großen politischen Bedeutung; denn je mehr Berlin aufgewertet wird, ganz gleich, womit und wodurch — in diesem Fall durch Einrichtungen der Wissenschaft und Kultur —, um so mehr ist es auch von Gewicht im Rahmen der politischen Verhandlungen über die Zukunft Berlins. Darum sollte man nicht allzusehr zögern, sondern sollte versuchen, auch selbst Initiativen zu ergreifen, um Berlin zu einem Mittelpunkt internationaler Forschung und internationaler Wissenschaft zu machen. Berlin als eine Zentrale, als ein Zentrum für wissenschaftliche Bemühungen internationaler Art würde, glaube ich, uns allen nur dienen können.
    In diesem Zusammenhang eine Bemerkung zu der Verwendung der Mittel aus der VW-Stiftung. In einer Fragestunde ist uns gesagt worden, daß beabsichtigt sei, jenen Kapitalstock, der noch vorhanden ist — die Hälfte, also ca. 500 Millionen DM, sind ja für die Entwicklungshilfe gegeben —, für die Wissenschaft, für die Forschung, überhaupt für kulturelle Zwecke zu verwenden. Auch hier ist ein Gesetz angekündigt; darüber ist heute nicht gesprochen worden. Wir haben die herzliche Bitte, daß uns möglichst bald auch diese Unterlagen vorgelegt werden. Wie den Ausführungen des Herrn Schatzministers zu entnehmen war, sieht es allerdings nicht so aus, als ob diese Mittel speziell der Wissenschaftsförderung dienen sollen. Ich nehme an, daß der Bund bei seiner Schwerpunktbildung in der Wissenschaftsförderung, insbesondere in der Gründung neuer Hochschulen, mit anderen Etatmitteln helfend einspringt.
    Sie wissen, auch hier ist Eile geboten. Die Zahl der Studierenden nimmt ständig zu. Die Frage der Gründung neuer Hochschulen ist bereits vor zwei Jahren angeschnitten worden. Geschehen ist in den vergangenen zwei Jahren nichts.

    (Zuruf von der Mitte: Das ist doch nicht wahr!)




    Dr. Frede
    — Nein? Haben Sie schon eine Hochschule in Konstanz, in Dortmund oder in Bochum? Haben Sie eine in Bremen oder was weiß ich wo? Sie haben noch nicht einmal einen Anfang zu den drei oder vier Hochschulen, Herr Martin, das können Sie doch nicht bestreiten. Noch nicht einmal die Anfänge sind sichtbar.

    (Abg. Frau Geisendörfer: Doch! Es geht doch nicht von heute auf morgen!)

    — Nein, es geht nicht von heute auf morgen, aber ich habe nur etwas zur Eile angetrieben, damit -wir in diesen Fragen etwas schneller vorankommen als bisher, und zwar, wie es angekündigt wurde, mit Bundeshilfe.
    Das gilt insbesondere für die Frage einer nordwestdeutschen Universität, die jetzt in Bremen entstehen soll. Bremen ist einer der Staaten, der am wenigsten von sich aus in der Lage ist, diese Lasten im vollen Umfang zu tragen.

    (Zuruf von der Mitte: Bremen hat doch schon eine Zusage!)

    — Ja, die Zusage liegt vor. Aber seien Sie doch nicht so böse, wenn ich darum bitte, daß ,es ein bißchen schneller geht. Sie werden nicht bestreiten wollen, daß in all diesen Fragen ein wenig Tempo durchaus am Platze wäre. Sonst hatten wir uns nicht vier Jahre lang immer wieder über die gleichen Fragen zu unterhalten brauchen.
    Ich habe auch heute dein Eindruck gewonnen, daß man immer wieder von vorn anfängt.

    (Zuruf von der CDU/CSU.)

    — Das will ich gar nicht bestreiten. In Kleinigkeiten sind durchaus Fortschritte sichtbar — wie auch der Herr Bundesinnenminister aufgezeigt hat —, und diese Positionen wollen wir ja gemeinsam halten und verteidigen. Aber warum denn so nervös werden, wenn wir uns im Blick auf die Vergangenheit in klein wenig bemühen, die Dinge etwas lebendiger voranzutreiben, als es bisher häufig geschehen ist!
    Mir war eines dabei interessant, Herr Minister, und damit möchte ich abschließen. Ich meine die Begründung, die Sie für die Hilfe gegeben haben, die der Bund bisher für kulturpolitische Aufgaben geleistet hat. Da sagten Sie z. B., es sei doch nicht zu bestreiten, daß viele Universitäten und Institute durch den Krieg zerstört worden seien. Da kam mir so der Art. 120 des Grundgesetzes in den Sinn. Als ob es hier plötzlich eine Begründung nach Art. 120 gäbe! Ich erinnere mich, daß Sie eine solche Begründung in der Vergangenheit immer dann abgelehnt haben, wenn wir mit ähnlichen Forderungen kamen, z. B. der der Hilfe für die kriegszerstörten Schulbauten. Sie haben dann jedesmal die Zuständigkeit des Bundes — ich muß jetzt auf die Zuständigkeit kommen — bestritten, bis das Urteil des Bundesverfassungsgerichts über die Ausgleichsforderungen kam. In diesem Urteil stand klipp und klar, daß es nicht im Ermessen des Bundes liegt, wie weit er sich zuständig fühlt, was kriegszerstört oder nicht kriegszerstört sei, sondern daß eine generelle Verpflichtung des Bundes auf Grund des Art. 120 vorliege.
    Das hat dann dazu geführt, daß wir sogar den Art. 120 des Grundgesetzes ändern wollten. Sie erinnern sich vielleicht, daß in einer der letzten Sitzungen der vergangenen Legislaturperiode diese Gesetzesvorlage steckengeblieben ist und damit vorerst in der Versenkung verschwand, vielleicht und wahrscheinlich aber demnächst auch wieder auftauchen wird.
    Herr Minister, ich darf daran erinnern, daß nicht die Kriegszerstörung von wissenschaftlichen Instituten, von Schulen oder anderen Bildungseinrichtungen der Anlaß gewesen ist, daß für Wissenschaft und Kultur Bundeshilfe gegeben wurde und daß wir heute diese Ansätze in dem Etat haben, sondern es ist so gewesen, daß der Bund früher als der finanzstärkere und finanzkräftigere Partner eine Fülle von Aufgaben übernommen hat, die die Länder nicht lösen konnten. Sie können nicht bestreiten, daß es aus diesem Grund auch der Wunsch der Länder gewesen ist, daß der Bund sich engagierte, weil eben die erforderlichen Mittel auf der Länderseite nicht vorhanden waren. Heute haben sich die Fronten um 180 Grad gedreht; heute sind es bekanntlich die Länder, die über die Mittel verfügen und infolgedessen nun auch Appetit darauf bekommen, aus dem Bundesetat das herüberzuziehen, was früher der Bund aus den von mir eben genannten Gründen übernommen hat. Das ist das eigentliche Kennzeichen der gegenwärtigen Situation. Rein praktische Dinge also, wie z. B. die Finanzquellen fließen, haben zu einer Situation geführt, die man zum Anlaß nimmt, um eine Wendung, eine Verdrehung — Verdrehung in mehrfachem Sinne, wie es sich in der letzten Zeit gezeigt hat — vorzunehmen, so daß nun der Bundesrat — zumindest die Finanzminister — jetzt ihre Hand auf das legen wollten, was der Bund früher und noch jetzt für sich beansprucht hat.
    Meine Damen und Herren, wir sollten die Fragen leidenschaftslos, rein sachlich und unabhängig von der jeweiligen Kassenfülle bei Bund, Ländern und Gemeinden behandeln. Wir können aber nicht umhin, Herr Minister — und das haben Sie, glaube ich, nicht hinreichend betont; Herr Kollege Süsterhenn hat es aber bestätigt und vertieft —, dabei die verfassungsmäßigen Grundlagen zu beachten. Wir müssen uns fragen, inwieweit es in Zukunft, wenn z. B. dieses zusätzliche Förderungsprogramm für die Wissenschaft mit einer Milliarde vom Bund und einer Milliarde von den Ländern abgewickelt ist — das ist ja in zwei, drei Jahren der Fall. —, noch eine Zuständigkeit oder eine Aufgabe des Bundes hierin gibt. Wir müssen uns auch fragen, wieweit das Honnefer Modell und die Studentenförderung weiterhin eine Aufgabe des Bundes bleiben. Wir bejahen es; aber die Frage müssen wir stellen. Wir müssen einmal unter sachlichen Gesichtspunkten, unter verfassungsrechtlichen Aspekten, alles durchforsten, was bisher an Aufgaben und Vereinbarungen seitens des Bundes oder des Bundes und der Länder zugleich da ist. Ich glaube, dann können wir auch die Gemeinsamkeit von Opposition und Regierungsparteien feststellen und zu einer großen Koalition in der Bildungs- und der Wissenschaftsförderung kommen. Wir wollen unser Möglichstes dazu tun.

    (Allseitiger Beifall.)






Rede von Erwin Schoettle
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Das Wort hat Frau Abgeordnete Funcke.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Liselotte Funcke


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Es wäre jetzt für ein Mitglied der Freien Demokratischen Partei sehr reizvoll, den Fragen nach den geistigen oder metaphysischen Grundlagen unseres kulturellen Tuns nachzugehen. Ich glaube, daß man das zu gegebener Zeit hier in diesem Hause auch einmal tun sollte. Aber ich frage mich, ob bei dem Gegenstand, den wir heute zu beraten haben, eine solche Auseinandersetzung sehr dienlich, sehr förderlich wäre. Von unserer Seite aus jedenfalls wollen wir heute nicht dazu Stellung nehmen, zumal unsere Auffassung hierzu dem Hohen Hause bekannt sein dürfte.
    In der Begründung der verschiedenen Großen Anfragen und in der ausführlichen Antwort des Herrn Ministers ist sehr deutlich auf die verschiedene und entscheidende Bedeutung der kulturellen Aufgaben hingewiesen worden, einmal auf die Bedeutung der Kulturpolitik für die geistige Auseinandersetzung, in der sich unser Volk an der Grenze zum Bereich einer ideologischen Macht befindet, ferner auf die Bedeutung, die Forschung und Wissenschaft, Bildung und Ausbildung für unsere wirtschaftliche Existenz und damit für unseren sozialen Fortschritt haben, auf die Bedeutung, die sie haben für die Existenz unseres Landes als europäischer Staat hinsichtlich der Partnerschaft mit den erwachenden Völkern, die als neue, selbständige Staaten mit ihrer Kultur, mit ihrer Tradition, mit ihren anderen geistigen Voraussetzungen in die Geschichte eintreten.
    Hier stellt sich nun die Frage: Ist die Bundesrepublik — ich meine damit jetzt nicht das Hohe Haus und die Bundesregierung, sondern die Bundesrepublik in ihrer Gesamtheit — mit ihren Bemühungen staatlicher und nicht staatlicher Stellen auf allen Ebenen dieser ständig wachsenden, ja dieser ungeheuren Bedeutung der kulturellen Aufgaben im vollen Maße gerecht geworden? Ich fürchte, wir werden diese Frage nicht voll bejahen können. Das ist zunächst einmal eine Feststellung. Es ist nicht ein Vorwurf nach irgendeiner Seite, sondern einfach eine Feststellung, gemessen an der Bedeutung der Aufgabe und nicht an den vorhandenen Möglichkeiten. Wir können diese Frage eben nicht in vollem Maße bejahen.
    Es ist jetzt nicht die Zeit und nicht der Ort, auf die Tätigkeit der Länder in der Kulturpolitik und auf ihr Ergebnis des längeren einzugehen. Ich war selbst elf Jahre in einem Landesparlament und weiß um das redliche Bemühen der Landtage und der Landesregierungen, mit den Verhältnissen und den Problemen nach dem Zusammenbruch fertig zu werden, den Problemen materieller, personeller und geistiger Art. Ich weiß um dieses redliche Bemühen, wenngleich man über Tempo, Schwerpunkt und Zielrichtung je nach parteipolitischer Färbung naturgemäß verschiedener Meinung sein kann.
    Ich weiß auch nur zu gut um das Bemühen um die Koordinierung, in der Kulturpolitik seitens der Kultusministerkonferenz, dessen Ergebnis zweifelsohne nicht im rechten Verhältnis zu der Intensität der Arbeit steht, aus Gründen, die wir alle kennen, weil eben in den verschiedenen Ländern und ihren Mehrheiten unterschiedliche Auffassungen über die Kulturpolitik bestehen.
    Das alles sollte hier unbestritten sein, und wir sollten den Ländern Dank und Anerkennung dafür wissen, wo immer wir auch politisch stehen mögen.
    Aber trotz allem bleibt das große Aber, oder vielleicht darf ich sagen: das doppelte Aber. Es gibt eben Aufgaben — und das ist auch heute deutlich zum Ausdruck gekommen —; die die Länder von ihrer Sicht und von ihrer Aufgabenstellung her nicht lösen können. Die Länder sind Glieder, so steht es in unserem Grundgesetz. Sie sind Teile und haben von da her eine Aufgabenstellung, die vorzugsweise und vorrangig nach innen gerichtet ist, auf die verschiedenen Teilgebiete, die ihnen obliegen. Auch eine Addition von solchen Teilsichten bringt noch keine Gesamtsicht. Sicherlich haben die Länder — das hat ja auch das Urteil des Bundesverfassungsgerichts noch einmal festgestellt — eine Verpflichtung zum Ganzen. Aber sie haben eben vorrangig nicht die Politik des Ganzen zur Aufgabe, sondern ihren Teilbereich, und darin liegt meines Erachtens die unterschiedliche Auffassung.
    Daraus ergibt sich .die Folgerung, daß in dem Bereich überregionaler Kulturpolitik und in den Aufgaben, in denen Überblick, heute sogar weltweiter Überblick und Weitblick notwendig ist, die Länder von ihrer Aufgabenstellung und von ihren Leistungsmöglichkeiten her überfordert sind. Ich denke hier an die großen Aufgaben von Wissenschaft und Forschung. Wissenschaft drängt nach großräumiger Planung und Konzeption, das wissen wir alle, und es wäre Eulen nach Athen tragen, wollte ich auf die Bedeutung der Forschung hinweisen, einer Forschung, die schon aus Tradition überregional ist.
    Darf ich hier, da ich von den auch schon in der Vergangenheit überregionalen Instituten spreche, einflechten, Herr Minister Höcherl, daß Sie heute meinen Kollegen Dr. Hellige mißverstanden haben, als er von der „schimmernden Wehr" sprach. Ich verstehe, daß Sie von Ihrer regionalen Herkunft her immer gleich etwas empfindlich reagieren, wenn von der preußischen „schimmernden Wehr" die Rede ist, und daß Sie deswegen vielleicht etwas vorschnell und kämpferisch reagiert haben.

    (Beifall bei der FDP.)

    Aber immerhin hat uns dieses Mißverständnis die erfreuliche Feststellung gebracht, daß Sie sich so vorbehaltlos hinter die reichseigenen Einrichtungen früherer Jahre gestellt haben. Das hat uns gefreut.
    Ich denke hier auch an die Gründung der neuen Universitäten, über die gerade von Herrn Kollegen Frede gesprochen wurde. Meine Herren und Damen, es ist in diesem Hause ja wohl keine Frage, daß Universitätsgründungen, wenn sie etwa von einem Land wie Bremen geplant sind, über den Rahmen und die Möglichkeiten — nicht nur finanzieller Art — eines solchen Landes hinausgehen und daß hier eine überregionale Sicht notwendig ist. Schließlich



    Frau Funcke
    ist es ja trotz mancherlei Verhandlungen bisher auf Länderebene eben nicht geglückt, hier zu einem finanziellen Ausgleich zu kommen. Auch glaube ich, daß für überregionale Aufgaben ,die Notwendigkeit der Mitgestaltung und des Mitberatens — im geistigen, nicht unbedingt im institutionellen Sinne — gegeben ist.
    Das mag sich ganz besonders deutlich zeigen, wenn wir etwa an das Hauptthema der Großen Anfrage der SPD denken, an die Fragen um Berlin. Meine Herren und Damen, es klang ja auch in ,den Beratungen und auch in der Antwort des Herrn Innenministers an: Wir sind der Auffassung, daß die Förderung der kulturellen Einrichtungen in Berlin nicht nur aus politischen Gründen, sondern entscheidend aus kultureller Sicht eine nationale Aufgabe ist, die über den Rahmen dieser Stadt hinaus das ganze Volk angeht.
    Ich denke ferner an die Fragen des Honnefer Modells bei der Studentenförderung. Es ist gemeinsame Auffassung in diesem Hause, daß eine Weggabe dieser Mitverantwortung sehr stark in die Freizügigkeit der Studenten eingreifen und sie behindern würde. Deshalb sind wir dankbar, daß wir diese Aufgabe weiterhin hier wie bisher durchführen können.
    Ich denke des weiteren an die Aufgaben, die der Bund ganz zweifelsohne und auch unbestrittenerweise in bezug auf die Verbindung mit den anderen Staaten hat, nicht nur den Entwicklungsstaaten, sondern allgemein. Hier verlangt ja die Aufgabenstellung einen weltweiten Überblick und ein aktives Handeln. Wenn zugleich nach unserer Auffassung Entwicklungshilfe Bildungshilfe sein muß, so ergibt sich daraus, daß der Bund für eine solche nach außen gerichtete Aufgabe auch die Verbindung mit dem Innen haben muß. Man sollte bei gegebener Veranlassung noch einmal sehr eingehend auf die Frage zurückkommen, wie sehr der in der Vergangenheit nur unzulängliche Kontakt zwischen Bund und Ländern im kulturellen Bereich sich bisher hindernd auf die geistige Hilfe im Rahmen der Entwicklungshilfe ausgewirkt hat.
    Ich denke ferner an die europäischen Institutionen, die sich alle, ob es sich nun um militärische, wirtschaftliche oder politische Zusammenschlüsse handelt, in wachsendem Maße bemühen — und das ist sehr bezeichnend auch für unser heutiges Thema — eine kulturelle Zusammenarbeit aufzubauen; ein Zeichen, wie wesentlich die geistigen und kulturellen Aufgaben im Gesamtkonzept der Politik sind. Hier sind wir in unserer Bundesrepublik immer in einer gewissen Verlegenheit, wenn wir diese internationalen Gremien beschicken sollen. Nicht etwa, weil es nicht durchaus begrüßenswert wäre, wenn anstelle eines Ministerialbeamten oder eines Staatssekretärs oder gar Ministers einmal ein Wissenschaftler von Rang, etwa vom Wissenschaftsrat die deutsche Vertretung übernähme. Das kann er sicherlich. Aber die Verlegenheit besteht darin, daß er nicht verantwortlich für die Bundesrepublik sprechen kann. Weder der Präsident der Kultusministerkonferenz kann verantwortlich für die Länder außer für sein eigenes sprechen, noch kann ein
    Mitglied ,des Wissenschaftsrates verbindlich für diegeistigen und kulturellen Instanzen der Bundesrepublik sprechen. Hier liegen ,die großen Verlegenheiten, die im Gespräch draußen immer wieder an verschiedenen Stellen sichtbar werden.
    Ich denke hier auch an die Aufgaben etwa der ostdeutschen Kulturpflege, die uns, die unserm Volk gemeinsam gestellt sind. Ich denke nicht zuletzt auch an Fragen der staatsbürgerlichen Bildung, mit der nicht nur die staatsbürgerliche Bildung in den Schulen gemeint ist. Wir haben vielmehr als junge Demokratie ja auch eine erhebliche Verantwortung für die staatsbürgerliche Bildung des gesamten Volkes zu tragen.
    Ich brauche nicht an die weiteren Fragen zu erinnern, die das Grundgesetz zum Teil nennt, etwa hinsichtlich der Förderung der Kunst, zumindest soweit es sich um den Schutz vor Abwanderung handelt. Ich denke hier auch an Fragen des Films, die einfach von der Überregionalität der Aufgabenstellung her oder von der Überregionalität der Träger, um die es sich dreht, nicht hinreichend gelöst werden können.
    Das war die eine Seite, von der her man nach unserer Auffassung das Problem sehen muß, nämlich von der Aufgabenstellung her; die andere ist die Frage nach dem Verhältnis der Kulturpolitik zur Gesamtpolitik. Meine Herren und Damen, niemand, der mit offenen Augen durch die Welt geht, wird ernsthaft bestreiten können, daß Wissenschaft und Forschung, Bildung und Ausbildung heute wesentliche Faktoren der Politik sind. Das klingt so selbstverständlich, daß man eigentlich meint, es hier nicht mehr aussprechen zu sollen. Aber ist tatsächlich eine solche Äußerung so selbstverständlich, wenn wir die Räume dieses Hauses verlassen haben? Ich glaube es nicht. Es gibt noch immer einen großen Teil unseres Volkes, und es sind nicht die Schlechtesten — gerade aus dem Bereich der wissenschaftlichen und geistigen Welt —, in deren Vorstellung aus der Restaurationszeit des vergangenen Jahrhunderts her die Meinung besteht, daß die Politik ungeistig und die geistige Welt unpolitisch sei. Hier liegt meines Erachtens eine sehr große Sorge für uns und vielleicht liegt darin auch die Ursache für so manchen Mangel, der sich in unserer Gesetzgebung zeigt, weil wir an dieser Stelle — aus Gründen, die ich jetzt nicht im einzelnen darlegen will, da wir sie zumeist kennen — die kulturellen Aspekte der Gesamtpolitik nicht hinreichend im Auge haben. Es ist eine bekannte Klage, daß bei kulturpolitischen Debatten in diesem Hause die Bänke ziemlich leer sind. Man kann das sicherlich bedauern. Aber mag nicht eine Ursache hierfür darin liegen, daß wir von dieser Aufgabenstellung praktisch so wenig Wirkungsmöglichkeiten sehen — ganz von der praktischen Arbeit her —, daß sie uns mehr als ein schmückendes Beiwerk denn als Zentralproblem unserer politischen Arbeit erscheint?

    (Beifall bei der FDP.)

    Hier, meine ich, ist ein Ansatzpunkt, den wir sehr deutlich erkennen müssen. Wenn es uns nicht gelingt, vom Parlament und von der Regierung her



    Frau Funcke
    ,die geistigen, die kulturellen Dinge stärker in den Blick zu bekommen, so ist nach meinem Gefühl vieles, sehr vieles in unserem politischen Bemühen, und mögen wir es mit noch so heißem Herzen betreiben, sinnlos, weil ihm die Mitte fehlt.
    Schließlich besteht auch eine gewisse Gefahr darin, ,daß bei einer zu engen Begrenzung des kulturpolitischen Handelns im Bund, wie wir sie in der Vergangenheit gehabt haben und im Augenblick noch haben, hier auf der Bundesebene zu einseitig die Naturwissenschaften ins Auge gefaßt werden, weil sie sich in so unverkennbarem Maße politisch auswirken. Wir sollten die Gefahren erkennen, die bestehen, wenn wir vergessen, daß die geisteswissenschaftliche Forschung und die Geisteswissenschaften überhaupt unabweisbar dazugehören.
    Aus dieser Sicht müssen die Fragen der Kompetenzen — entschuldigen Sie, Herr Minister, daß ich jetzt noch einmal dieses Wort verwende; wir können auch sagen: Zusammenarbeit — und ihrer Verteilung zwischen Bund und Ländern in der Kulturpolitik gelöst werden. Im Grunde genommen liegen wir in der Diskussion um diese Frage gar nicht so weit auseinander. In der Öffentlichkeit und auch in den Parteien wird vieles durch ein allzu schnelles Aussprechen der Schlagwörter vom „Föderalismus" und vom „Zentralismus" verzerrt. Ich bin Herrn Kollegen Martin deshalb dafür sehr dankbar, daß er heute morgen deutlich gemacht hat, daß der, sagen wir einmal, scharfe Gegensatz zwischen diesen beiden Komponenten heute sich gar nicht mehr so stellt, sondern im Zuge der Fortentwicklung nicht nur ein Kompromiß geschlossen werden kann, sondern sich einfach eine ganz neue Art der Zusammenarbeit anbahnt. Insofern ist die Fragestellung überholt. Der gleichen Auffassung ist wohl auch Herr Kollege Süsterhenn, wenn ich seine Ausführungen richtig verstanden habe.
    Die Diskussion um diese Frage wird immer auch etwas dadurch belastet, daß man zu schnell mit dem Schlagwort vom „Bürokratismus in der Kulturpolitik" bei der Hand ist. Hier ist schon darauf hingewiesen worden, daß Verwaltung nicht unbedingt Bürokratie bedeutet. Eine Mitverantwortung der Behörden kann und muß von der Sache her sehr viel Freiheit, sehr viel Liberalität einschließen. Das hat sich in der Vergangenheit auf den verschiedenen Ebenen des Reiches bzw. des Bundes, der Länder und der Gemeinden gezeigt und sich fruchtbar ausgewirkt.
    Das Grundgesetz gibt uns Möglichkeiten einer verständnisvollen Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern, und es gibt dem Bund von seiner Überschau her die Möglichkeit, an der Lösung überregionaler und übernationaler Aufgaben mitgestaltend zu wirken, ja er muß es sogar, wenn diese Aufgaben von einer besonderen politischen Bedeutung sind. Die Länder werden das einsehen. Sie werden es einsehen müssen; sonst wird ,eines Tages die öffentliche Meinung nicht nur über die Überspitzung des Föderalismus, sondern möglicherweise auch über den gesunden Kern einer vernünftigen Dezentralisierung einfach hinweggehen.
    Ich wiederhole nur, was in der öffentlichen Diskussion schon verschiedentlich zu dieser Frage gesagt worden ist: Die Art, wie eine sinnvolle Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern in der Kulturpolitik gemeistert wird, ist eine Bewährungsprobe für den bundesstaatlichen Charakter überhaupt. Die Wissenschaft hat, wie Sie alle wissen, in den letzten Wochen sehr unmißverständlich Stellung genommen, als die Sorge aufkam, die bisher vom Bund wahrgenommenen Aufgaben in der Pflege und Förderung der Kultur könnten auf Grund der Kassenlage des Bundes auf die Länder übergehen. Wir bekennen uns in gleicher Weise zu der Sorge, die aus dem Memorandum der evangelischen Theologen und Laien gerade in bezug auf diese Aufgaben spricht. Wir sind dankbar für diese, ich möchte sagen, im besten Sinne des Wortes politischen Stimmen, die aus dem Bereich der Wissenschaft und Öffentlichkeit gekommen sind. Ihre Stimme wiegt mehr als die selbstbetroffener Interessenten. Denn sie sprechen als Sachwalter der geistigen Welt, die noch immer nach dem tieferen Zusammenhang gefragt hat.
    Ich glaube, wir alle erkennen dankbar an, daß die Bundesregierung von der sich anbietenden Möglichkeit, zu Aufgabenentlastungen zu kommen, nicht Gebrauch gemacht hat, daß der Herr Finanzminister es vielmehr abgelehnt hat, sich die kulturellen Aufgaben, die bisher der Bund wahrnahm, von den Ländern abnehmen zu lassen. Wir sind auch sehr dankbar für das, was zu diesem Punkt heute morgen Herr Minister Höcherl gesagt hat. Ich glaube, das war eindeutig. Wir konnten aus seinen Ausführungen auch noch in besonderer Zusammenfassung entnehmen, daß ,die Mittel, die der Bund gibt, und die Aufgaben, die er trägt, eher erweitert als vermindert oder eingeschränkt sind.
    Es geht hier ja nicht nur um die Finanzierung, es geht auch um die wirkliche Aufgabenstellung und die Aufgabenmeisterung. Wir sind der Auffassung, daß hier in extensiver Weise die Möglichkeiten gesehen und gesucht werden sollten, die das Grundgesetz dem Bund für seine überschauende, für seine nach außen und nach innen gerichtete Tätigkeit gibt. Wir meinen, man sollte diese Möglichkeiten weitestgehend ausschöpfen. Aber das sollte in der Arbeitsgemeinschaft geschehen. Wir wünschen uns eine recht baldige Verständigung mit den Ländern über eine ,gute und den heutigen Erkenntnissen angepaßte Zusammenarbeit auf Gebieten, die eben Übersicht und Koordinierung erfordern.
    Dabei meine ich — und damit befinde ich mich sicher in Übereinstimmung mit den meisten von Ihnen —, daß die Durchführung keineswegs allein auf behördlicher Ebene liegen muß, sondern daß es sehr entscheidend darauf ankommt, auch Wege zu finden, mit außerbehördlichen — von der Sache her notwendigen und wichtigen — Institutionen und vor allen Dingen Menschen zusammenzuarbeiten. Mir scheint, daß unsere deutsche Neigung zur Gruppenbildung uns in Vergangenheit und Gegenwart so hinreichend viele Formen beschert hat, daß Sie, Herr Minister, gar keine neuen zu erfinden brau-



    Frau Funcke
    chen, um solche Wege wirksamer Zusammenarbeit zu finden. Ich denke hier beispielsweise an den Wissenschaftsrat, an die Forschungsgemeinschaft, an den Deutschen Ausschuß und vieles andere.
    Auf eines kommt es uns allerdings entscheidend an: der Bund müßte den Durchblick behalten, und nicht nur den Durchblick und den Überblick über all die möglicherweise recht vielfältigen Formen, sondern er müßte sie auch in der Hand behalten, — wobei das „In-der-Hand-Behalten" durchaus nicht in dem Sinne einer Regie zu verstehen ist, sondern so, daß der Bund bei all diesen Bestrebungen, die letzten Endes in ihrer Wirksamkeit erheblich politisch zu werten sind, zentral beobachtend, mitplanend, helfend und koordinierend tätig sein muß. Da scheint es uns allerdings, daß eine Zusammenfassung der Dinge im Bereich der Bundesregierung notwendig und wichtig ist, nicht zuletzt darum, weil nur dadurch eine hinreichende und mit allem Gewicht ausgestattete Vertretung im Kabinett und Repräsentanz nach außen gesichert ist.
    Nun darf ich noch mit einem Wort auf die Vorschläge zurückkommen, die von einer anderen Seite, von Herrn von Knoeringen, in die Debatte gebracht worden sind und hinter die sich seinerzeit — jedenfalls soweit ich davon unterrichtet bin — auch die SPD in gewissem Umfange gestellt hat, — wenn auch sicherlich nicht :in allen Einzelheiten. Was bedeutet eine größere Kompetenz der Kultusminister? Ich glaube nicht, daß die Kultusministerkonferenz mit ihrer Koordinierung deshalb noch nicht weiter
    ist, weil es ihr an Paragraphen in ihrer Institution gefehlt hat, sondern es hat ihr eben an der Möglichkeit gefehlt, sich über bestimmte Dinge politisch zu einigen. Da liegen die Schwierigkeiten. Darüber helfen noch so schöne Konstruktionen mit Abkommen und Satzungen nicht hinweg. Hier geht es um Fragen, die nicht entschieden werden können, weil sie unterschiedlich beurteilt werden und weil keine Instanz vorhanden ist, die durch Abstimmungen eine Entscheidung herbeiführen kann; wenn man sich nicht einigt, fällt alles praktisch in den leeren Raum zurück. Daran liegt es, und hier kann eine noch so schöne Konstruktion innerhalb der Kultusministerkonferenz nichts ändern.
    Wir halten auch nicht sehr viel von Überlegungen bezüglich der Einrichtung eines Kulturrates. Ich möchte die Ausführungen nicht wiederholen, die an dieser Stelle ,soeben schon zu verschiedenen Aspekten dieses Problems gemacht warden sind. Darf ich nur etwas rein Praktisches dazu sagen. Entweder sie klammern die Probleme von Wissenschaft und Forschung aus, weil der Wissenschaftsrat bereits besteht; dann brauchen Sie wieder ein Instrument, das eine Koordinierung zwischen dem Wissenschaftsrat und dem Kulturrat herstellt. Oder aber Sie nehmen die Wissenschaft mit hinein; dann kann ich Ihnen mit absoluter Sicherheit sagen — ich habe Erfahrungen als Vorsitzende eines Kulturausschusses —, daß Sie bei 25 Personen die Sparten — von der Wissenschaft über den Sport bis zum Film und sämtlichen Schularten — nicht alle in diesem Gremium berücksichtigen können. Schon die Fülle der Aufgaben wird die Schwierigkeit entstehen lassen, einen solchen Kulturrat sinnvoll zusammenzustellen.

    (Sehr richtig! in der Mitte.)

    Nehmen Sie mir es bitte nicht übel, wenn ich sage, daß nach meiner Auffassung der Vorschlag auf Schaffung eines Kulturrates wohl mehr optische Gründe hat. Die Anliegen, um die es geht, können damit nicht weiter gefördert werden.
    Dazu noch eine Sorge, die mich auf Grund gewisser Erfahrungen aus der Landtagstätigkeit bewegt: bei der ganzen Konstruktion einer Koordinierung über die Länderkultusminister bleibt die Legislative völlig ausgeschaltet. Hier geht es um eine Frage unserer demokratischen Institutionen. Wir leben in einer Zeit, in der uns das Übergewicht der Exekutive schon manchmal zu schaffen gemacht hat. Wenn wir auf dem Gebiet der Kultur eine Koordinierung nur durch die Exekutive vornehmen lassen, dann besteht die große Gefahr, daß man dabei an der Vertretung des Volkes vorbeigeht. Damit könnte vielfach verwaltungsmäßiges Denken das Übergewicht gewinnen.
    Ich möchte jetzt nicht — schon aus Zeitgründen — noch auf die Fülle der sonst mit den Anfragen angeschnittenen Fragen eingehen. Wir glauben, daß gerade den Problemen der Entwicklungshilfe ein großer Raum gewidmet werden muß. Hierzu liegt ein Entschließungsantrag vor, der uns die Möglich-knit gibt, zu einem späteren Zeitpunkt noch einmal in aller Ausführlichkeit darauf einzugehen.
    Mir kam es entscheidend auf unsere ersten beiden Fragen an; Herr Minister Höcherl, sind Sie uns nicht böse, wenn wir sagen, daß das, was Sie zu der Frage der Auseinandersetzung oder des Zusammensetzens mit den Ländern gesagt haben, uns nicht ganz befriedigen kann. Ich nehme an, daß auch Sie nicht ganz befriedigt sind. Sie können ja auch persönlich nichts dafür, daß die Dinge in der Vergangenheit nicht weitergekommen sind. Doch glauben wir, daß Sie mit neuer Intensität und neuer Kraft diese Fragen aufnehmen müssen, und wir hoffen, daß Sie das auch tun werden. Wenn auch die Länder die Beziehungen zu Ihnen abgebrochen haben, so sollten wir von unserer Seite aus doch versuchen, diese Beziehungen neu zu knüpfen. Wir haben nicht mehr viel Zeit zu verlieren für das Hin und Her über mögliches Zusammenarbeiten oder mögliches Auseinandergehen. Die Probleme unserer Zeit sind nicht nur wirtschaftlicher und sozialer Art, es geht nicht nur um Machtpolitik, und es geht nicht nur um den Wettlauf naturwissenschaftlicher Erkenntnisse und ihrer Anwendung. Wir meinen vielmehr, daß die Probleme in entscheidendem Maße geistiger Art sind. Es geht hier um die Fragen der Freiheit, der Menschenwürde, des Glaubens und des Denkens und des Urteilens. Möge die heutige Debatte dazu beitragen, daß man sich hier im Hause und in den staatlichen und nichtstaatlichen Gremien noch stärker und durch die Übersicht und Koordinierung noch wirksamer mit diesen Fragen beschäftigt.

    (Beifall im ganzen Hause.)