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ID0402020200

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    Deutscher Bundestag 20. Sitzung Bonn, den 15. März 1962 Inhalt: Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Wehrsoldgesetzes (CDU/CSU, FDP) (Drucksache IV/248) — Erste Beratung — 699 B Fragestunde (Drucksache IV/239) Frage des Abg. Varelmann: Darlehen an Wirtschaftsbetriebe zur regionalen Wirtschaftsförderung Dr. Westrick, Staatssekretär . . . 699 C, 700 A, B Varelmann (CDU/CSU) . . . . 700 A, B Fragen des Abg. Schmitt-Vockenhausen: Sicherheitsvorkehrungen bei Banken und Sparkassen Dr. Westrick, Staatssekretär . . . 700 B Schmitt-Vockenhausen (SPD) . . . 700 D Frage des Abg. Ertl: Bodenvorratskäufe der Städte Dr. Westrick, Staatssekretär . . 700 D, 701 A, B, C, D Ertl (FDP) 701 A Dr. Brecht (SPD) 701 C Schmitt-Vockenhausen (SPD) . . 701 D Frage des Abg. Jacobi (Köln):: Energie-Enquete Dr. Westrick, Staatssekretär . . . 701 D, 702 B Jakobi (Köln) (SPD) 702 A, B Fragen der Abg. Dröscher und Schultz: Verordnung der französischen Regierung betr. die Neupflanzung von Weinbergen zur Herstellung von „Cognac" Schwarz, Bundesminister . . . 702 B, C, D, 703 A Dröscher (SPD) ........702 D Schultz (FDP) .........703 A Frage des Abg. Dröscher: Lieferprämie für Roggen Schwarz, Bundesminister . . . . 703 B, D Dröscher (SPD) 703 D Frage des Abg. Ertl: Einfuhr von Getreide Schwarz, Bundesminister . . 704 A, B, C Ertl (FDP) 704 B Wächter (FDP) . . . . . . . 704 B II Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 20. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 15. März 1962 Frage des Abg. Dürr: Pflichtjahr für Mädchen Blank, Bundesminister 704 C, D Dürr (FDP) 704 D Frau Welter (Aachen) (CDU/CSU) 704 D Frage des Abg. Wittrock: Gleiche Lohnzahlung für Männer und Frauen gemäß Art. 119 des EWG-Vertrages Blank, Bundesminister . . 705 A, B, C, D, 306 A, B, C Wittrock (SPD) 705 A, C Frau Dr. Elsner (SPD) . . 705 D, 706 A Jahn (SPD) 706 B Büttner (SPD) 706 B Schmitt-Vockenhausen (SPD) . . 706 B Frage des Abg. Dröscher: Dauer der Verfahren bei den Sozialgerichten Blank, Bundesminister 706 C, D 707 A, B Dröscher (SPD) 706 D Fritsch (SPD) 707 A Frage des Abg. Jahn: Äußerung des Staatssekretärs Dr. Claussen über die Zahl der Beamten des Bundessozialgerichts Blank, Bundesminister . . . . . 707 B, C Jahn (SPD) 707 C Frage des Abg. Dr. Stoltenberg: Verbindungsstraße zwischen Schleswig und dem Truppenübungsplatz Langsee Hopf, Staatssekretär 707 D Frage des Abg. Dr. Stoltenberg: Schäden durch Benutzung von Gemeindewegen im Umkreis des Truppenübungsplatzes Langsee Hopf, Staatssekretär 708 A Frage des Abg. Dr. Stoltenberg: Zugang von der E 3 zum Truppenübungsplatz bei Idstedt Hopf, Staatssekretär 708 A Frage des Abg. Seuffert: Veteranen der Blauen Division als Gäste der Bundesmarine in Barcelona Hopf, Staatssekretär 708 B Frage des Abg. Schmidt (Würgendorf) : Einrichtung eines Verkehrsflughafens „Lipperhöhe" Hopf, Staatssekretär . . . 708 B, C, D Schmidt (Würgendorf) (SPD) . 708 C, D Frage des Abg. Wacher: Vorräte der Bundeswehr an Gerät und Material Hopf, Staatssekretär 708 D Frage des Abg. Dr. Mommer: Gehwege an Bundesstraßen im Nachbarortsverkehr Dr. Seiermann, Staatssekretär 709 A, C, D Dr. Mommer (SPD) 709 B Frage des Abg. Regling: Äußerung des Bundesverkehrsministers über die Hilfe für Kommunen Dr. Seiermann, Staatssekretär . . . 709 D, 710 A Regling (SPD) 709 D Frage des Abg. Schmidt (Würgendorf) : Verkehrsunfälle auf der Bundesstraße 54 Dr. Seiermann, Staatssekretär . . 710 B, C Schmidt (Würgendorf) (SPD) . . . 710 C Frage des Abg. Müller (Nordenham) : Schilder an der B 212 und der B 69/211 Dr. Seiermann, Staatssekretär . . . 710 C, 711 A Müller (Nordenham) (SPD) . . . . 711 A Wächter (FDP) . . . . . . . . 311 B Frage der Abg. Frau Dr. Hubert: Tragung des Impfrisikos bei Schutzimpfungen Frau Dr. Schwarzhaupt, Bundesminister 711 C, D Frau Dr. Hubert (SPD) 711 C Große Anfrage der Fraktion der CDU/CSU betr. Entwicklung von Wissenschaft und Forschung in der Bundesrepublik (Drucksache IV/154); verbunden mit Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 20. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 15. März 1962 III Große Anfrage der Fraktion der SPD betr. Förderung der wissenschaftlichen Forschung (Drucksache IV/158) und Große Anfrage der Fraktion der FDP betr. kulturpolitische Aufgaben des Bundes (Drucksache IV/233) Dr. Martin (CDU/CSU) 712 A Lohmar (SPD) . . . . 715 D, 753 B Dr. Hellige (FDP) 721 D Höcherl, Bundesminister . 726 A, 754 B Dr. Süsterhenn (CDU/CSU) . . . . 737 B Dr. Frede (SPD) 740 D Frau Funcke (Hagen) (FDP) . . • 745 A Sänger (SPD) 749 A Frau D. Maxsein (CDU/CSU) . . 751 C Nächste Sitzung 755 C Anlagen 757 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 20. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 15. März 1962 699 20. Sitzung Bonn, den 15. März 1962 Stenographischer Bericht Beginn: 9.02 Uhr
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    Anlage 1 Liste der beurlaubten Abgeordneten Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich a) Beurlaubungen Arendt (Wattenscheid) 15. 3. Dr. Arnold 16. 3. Dr. Atzenroth 23. 3. Dr. Dr. h. c. Baade 13. 4. Dr. Barzel 16. 3. Bergmann 15. 3. Berlin 23. 3. Dr. Birrenbach 16. 3. Fürst von Bismarck 15. 3. Brand 15. 3. Corterier 15. 3. Grainer 12.4. Dr. Danz 15. 3. Deringer 15. 3. Dr. Dichgans 15. 3. Drachsler 15. 3. Engelbrecht-Greve 15. 3. Dr. Eppler 16. 3. Dr. Furler 16. 3. Geiger 16. 3. Glombig 16. 3. Hahn (Bielefeld) 16. 3. Dr. Hesberg 6.4. Illerhaus 15.3. Iven (Düren) 15.3. Frau Jacobi (Marl) 16. 3. Killat 15. 3. Klein (Saarbrücken) 15. 3. Dr. Kohut 20.3. Kraus 16. 3. Dr. Kreyssig 15. 3. Krüger 31. 3. Kühn ,(Hildesheim) 16. 3. Leber 15. 3. Lenz (Bremerhaven) 16. 3. Lenz (Brühl) 15. 3. Lenze ,(Attendorn) 15. 3. Liehr (Berlin) 16. 3. Dr. Löbe 16. 3. Dr. Löhr 14.4. Dr. h. c. Menne (Frankfurt) 16. 3. Dr. Menzel 31. 3. Michels 15.3. Dr. Miessner 31. 3. Müller (Remscheid) 15. 3. Dr. Müller-Emmert 16. 3. Neumann (Allensbach) 16. 3. Oetzel 7. 4. Dr. h. c. Pferdmenges 23. 3. Dr. Philipp 15. 3. Pöhler 16. 3. Ramms 15. 3. Dr. Reinhard 16. 3. Reitzner 31. 3. Riedel (Frankfurt) 31. 3. Scheppmann 15. 3. Schlick 14. 4. Anlagen zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich Dr. Schmid (Frankfurt) 15. 3. Dr. Schneider 26. 3. Schütz 15. 3. Seifriz 16. 3. Dr. Sinn 16. 3. Stein 15. 3. Steinhoff 16. 3. Storch 15. 3. Stooß 15. 3. Striebeck 23. 3. Theis 15. 3. Verhoeven 16. 3. Walter 15. 3. Frau Dr. h. c. Weber (Essen) 23. 3. Weinkamm 16. 3. Wullenhaupt 16. 3. b) Urlaubsanträge Spitzmüller 15. 5. Anlage 2 Schriftliche Antwort des Herrn Staatssekretärs Dr. Hettlage auf die mündliche Anfrage des Abgeordneten Riedel (Frankfurt) (Fragestunde der 19. Sitzung vom 14. März 1962, Drucksache IV/239, Frage V/1): Wie werden sich die Einnahmen aus der Grundsteuer in den nächsten Jahren unter dem Gesichtspunkt der auslaufenden Begünstigungen entwickeln? Die 10jährige Grundsteuerbefreiung für neue Wohnungen nach § 7 und § 92 des II. Wohnungsbaugesetzes hat im Jahre 1961 bei der Grundsteuer zu einer Minderung des Grundsteueraufkommens um etwa 420 Mio DM geführt. In dem. Grundsteueraufkommen des Jahres 1961 mit insgesamt 1720 Mio DM ist ein Teilbetrag von 30 Mio DM enthalten, der darauf zurückzuführen ist, daß die Grundsteuerbefreiung für Neubauten aus dem Jahre 1951 fortgefallen ist. In den kommenden Jahren ist mit einem weiteren Zuwachs des Grundsteueraufkommens wegen der ausgelaufenen 10-Jahresfrist urn jährlich etwa 35 Mio DM und ab 1965 um jährlich etwa 40 bis 45 Mio DM zu rechnen. Anlage 3 Umdruck 43 Antrag der Fraktion der SPD zur Großen Anfrage der Fraktion der SPD betreffend Förderung der wissenschaftlichen Forschung (Drucksache IV/158). 758 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 20. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 15. März 1962 Der Bundestag wolle beschließen: Die Bundesregierung wird ersucht, 1. gemeinsam mit dem Berliner Senat und den Regierungen der anderen Länder in der Bundesrepublik dafür zu sorgen, daß Berlin eine der geistigen und kulturellen Metropolen der freien Welt bleibt, seine Aufgabe als Hauptstadt Deutschlands erfüllen und seine freiheitliche Lebensform bewahren und gestalten kann. Dazu ist notwendig der Ausbau aller Bildungseinrichtungen der Stadt von den allgemeinbildenden und berufsbildenden Schulen bis zu den Universitäten, Hochschulen, Forschungsinstituten und den Institutionen der Erwachsenenbildung. Die Städtischen Bühnen und andere künstlerische Einrichtungen Berlins müssen gefördert werden. Ein Zentrum für die pädagogische Forschung sollte in Berlin gegründet werden. Kulturelle Institutionen internationalen Charakters, vor allem neue Einrichtungen der UNESCO, können in Berlin eine Stätte für eine weltoffene Arbeit finden; 2. eine wirksame organisatorische und sachliche Koordinierung aller Maßnahmen zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung sicherzustellen, der Wissenschaftsförderung den ihr gebührenden institutionellen und politischen Rang im Rahmen der allgemeinen Staatspolitik zu geben und die Zusammenarbeit mit den Ländern und den Gremien der Wissenschaftler im Wissenschaftsrat, in der Deutschen Forschungsgemeinschaft und in der Max-Planck-Gesellschaft zu vertiefen; 3. unverzüglich ein Rahmengesetz über die Förderung der wissenschaftlichen Forschung nach Artikel 74 Nr. 13 GG vorzulegen; 4. Forschungsvorhaben, soweit sie sich dazu eignen, in enger Zusammenarbeit mit Institutionen der Universitäten und Hochschulen durchzuführen und dabei die Freiheit der Forschung zu wahren. Bonn, den 14. März 1962 Ollenhauer und Fraktion Anlage 4 Umdruck 44 Antrag der Fraktionen der CDU/CSU, FDP zur Großen Anfrage der Fraktion der CDU/CSU betreffend Entwicklung von Wissenschaft und Forschung in der Bundesrepublik (Drucksache IV/154) und zur Großen Anfrage der Fraktion der FDP betreffend kulturpolitische Aufgaben des Bundes (Drucksache IV/233). Der Deutsche Bundestag wolle beschließen: Die Bundesregierung wird ersucht, 1. ein Programm der Sozial- und Bildungshilfe für die Entwicklungsländer dem Bundestag vorzulegen; 2. in Beratung mit den Bundesländern, Universitäten und sonstigen beteiligten Institutionen ein sich auf mehrere Jahre erstreckendes Programm zu einer psychologisch angepaßten Unterbringung ausländischer Studenten, Praktikanten usw. auszuarbeiten und dem Bundestag vorzulegen; 3. in Zusammenarbeit mit den Bundesländern und anderen beteiligten Institutionen die soziale und berufliche Stellung desjenigen deutschen Personenkreises zu sichern, der im Rahmen der Entwicklungshilfe für längere Zeit im Ausland tätig ist; 4. geeignete Maßnahmen zu treffen, um eine möglichst systematische Vorbereitung der für eine Tätigkeit in den Entwicklungsländern in Frage kommenden deutschen Personen auf deren Aufgaben sicherzustellen und dabei auch einen qualifizierten Nachwuchs heranzubilden; 5. in Zusammenarbeit mit den Bundesländern die Frage zu überprüfen, inwieweit es möglich ist, die wissenschaftliche Behandlung des Problems der Entwicklungsländer und der Entwicklungshilfe besser als bisher zu fundieren und zu koordinieren. Bonn, den 15. März 1962 Dr. von Brentano und Fraktion Dr. Mende und Fraktion Anlage 5 Umdruck 45 Antrag der Fraktionen der CDU/CSU, FDP zur Großen Anfrage der Fraktion der CDU/CSU betreffend Entwicklung von Wissenschaft und Forschung in der Bundesrepublik (Drucksache IV/154) und zur Großen Anfrage der Fraktion der FDP betreffend kulturpolitische Aufgaben des Bundes (Drucksache IV/233). Der Bundestag wolle beschließen: Die Bundesregierung wird ersucht, 1. den Ausbau und die Errichtung wissenschaftlicher Einrichtungen mit internationalem Rang in Berlin zu unterstützen und Kultureinrichtungen internationaler Träger in Berlin zu fördern, 2. die Voraussetzungen dafür zu schaffen, daß jeder Studierende an deutschen Hochschulen die Möglichkeit erhält, wenigstens ein Semester an Berliner Hochschulen zu studieren. Bonn, den 15. März 1962 Dr. von Brentano und Fraktion Dr. Bucher und Fraktion
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    Rede von Dr. Adolf Süsterhenn


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zunächst
    möchte ich dem Herrn Bundesinnenminister danken für ,den umfassenden Überblick, den er über die kulturellen Leistungen des Bundes gegeben hat. Wenn man diesen Überblick auf sich wirken läßt, muß man immerhin sagen, daß das, was ich heute morgen von meinem engeren politischen Freund Dr. August Dresbach in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung" gelesen habe: „O Bund, du Hund, du bist nicht gesund", zweifellos eine unzulässige Verzerrung der Situation darstellt. Denn das, was hier an effektiven Leistungen aufgezählt und aufgewiesen worden ist, kann sich sehen lassen, und darauf wollen wir stolz sein. Die so häufig geübte Kritik an der Untätigkeit der staatlichen Stellen auf dem Gebiete der Kulturpolitik und an unzureichenden Leistungen dürfte meines Erachtens in einer sehr einleuchtenden Weise widerlegt worden sein.
    Das gilt insbesondere, wenn wir uns darüber im klaren sind, daß nach der Verfassungslage in der Bundesrepublik die Kulturpolitik nicht nur eine Aufgabe des Bundes, sondern auch eine Aufgabe der Länder ist. Nach der Verfassungslage könnte man vielleicht sogar umgekehrt sagen, daß die Kulturpolitik zum größeren Teile eine Aufgabe der Länder und auch eine Aufgabe des Bundes ist.
    Ich habe dieser Tage in einer Zeitung einige Anmerkungen des Herrn bayerischen Kultusministers Professor Maunz gelesen, in denen er sagt, ,daß die Gesamtheit der deutschen Länder etwa zehn- oder elfmal soviel Mittel für kulturpolitische Zwecke ausgebe als der Bund. Ob die Zahlen genau richtig sind, ob es auch nur ,das Fünf- oder Sechs- oder Sieben- oder Achtfache statt des Zehnfachen ist, spielt keine Rolle.
    Wenn man über deutsche Kulturpolitik spricht, kann man nach der Verfassungslage der Bundesrepublik nicht nur den Bund sehen, kann man auch nicht nur die Aufgaben sehen, die von Bund und Ländern gemeinsam gelöst werden, sondern man muß auch die Aufgaben mit einbeziehen, die von den Ländern auf Grund ihrer verfassungsrechtlichen Befugnis und Verpflichtung alleine erfüllt werden. Wenn ich so die deutsche Kulturpolitik — Kulturpolitik betrieben durch den Bund, betrieben durch die Länder und betrieben in der Zusammenarbeit von Bund und Ländern — als ein Ganzes sehe, muß ich es außerordentlich bedauerlich finden — ich möchte nicht von der jetzigen After-dinner-Situation sprechen, wo die Bundesratstribüne völlig leer ist, sondern ich erinnere an die Zeit des heutigen Vormittags, wo der Herr Bundesinnenminister seine seine sehr instruktiven und wertvollen Ausführungen gemacht hat —, daß die Bundesratstribüne heute angesichts des so lautstark angemeldeten kulturpolitischen Anspruchs der Länder so leer war.

    (Beifall bei den Regierungsparteien und bei Abgeordneten der SPD.)

    Das hat mich als überzeugten Föderalisten tief bedrückt.

    (Abg. Metzger: Wie ist es mit dem Bundestag, — wenn ich einmal die Frage aufwerfen darf?)




    Dr. Süsterhenn
    — Hier habe ich ja entschuldigend von „einer Art Dinner-Situation" gesprochen. Aber auch das ist ja nicht gerade ein eindrucksvolles Bild

    (Abg. Metzger: Eben!)

    des kulturpolitischen Willens des Deutschen Bundestages. Ich danke Ihnen für diese Zwischenbemerkung; damit man also auch die Kritik nach allen Seiten gerecht zu verteilen in der Lage ist.

    (Abg. Frau Geisendörfer: Die anderen sind im Geist dabei!)

    — Marschieren im Geiste mit, jawohl.

    (Abg. Frau Geisendörfer: Nein, das habe ich nicht gesagt!)

    Der Herr Bundesinnenminister hat zu Beginn seiner Ausführungen betont, daß er die Kulturpolitik nicht als Angelegenheit eines Kompetenzstreites behandeln wolle, und er hat meines Erachtens sehr gut daran getan. Er hat also, möchte ich aus dieser Bemerkung schließen, weniger als Verfassungsminister denn als Kulturminister gesprochen; er hat also mehr Wert gelegt auf die Fragen der kulturpolitischen Zweckmäßigkeit, auf die Fragen der kulturpolitischen Praxis, auf die Organisation und die finanzielle Förderung der Kulturpolitik, und er hat dann mit der Feststellung geschlossen: Die Kompetenzfragen sind weniger wichtig; Bund und Länder mögen sich in einem kulturpolitischen Wettstreit zusammenfinden. Ich lasse das vom Standpunkt der Kulturpolitik aus gesehen durchaus gelten. Ob es eine zutreffende Charakterisierung unserer verfassungsrechtlichen Situation gewesen ist, möchte ich dahingestellt sein lassen; zum mindesten war es eine sehr vereinfachende Darstellung unserer Verfassungslage auf diesem Gebiet.

    (Abg. Eichelbaum: Für den Hausgebrauch!)

    — Für den Hausgebrauch, ja. Aber wir sind ja letzten Endes ein Verfassungs- und Rechtsstaat und müssen die Grundlinien, die wir durch die Verfassung festgelegt haben, im Auge behalten, selbst wenn sie sich nicht immer als äußerst bequem, ja selbst wenn sie sich im einzelnen Falle noch nicht einmal als zweckmäßig erweisen sollten.
    Im übrigen bin ich der Auffassung, daß der Bund selbstverständlich das ungeschriebene Recht zur Koordination in allen das Leben des deutschen Volkes betreffenden Angelegenheiten hat und damit selbstverständlich auch das Recht und die Pflicht, aus der bundesstaatlichen Verfassung heraus für die Koordination auf dem Gebiete der Kulturpolitik zu sorgen. Koordinieren ist natürlich nicht dasselbe wie Dirigieren, noch viel weniger dasselbe wie Kommandieren. Ich bin dem Herrn Bundesinnenminister sehr dankbar dafür, daß er so großen Wert darauf gelegt hat, an einer Fülle von praktischen Beispielen zu illustrieren, wie gut und positiv diese Koordination, diese Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern funktioniert. Ich glaube, man sollte den Herrn Bundesinnenminister und die Bundesregierung durchaus ermutigen, auf diesem Wege der freundschaftlichen Zusammenarbeit, also dieser Koordination, die nicht identisch ist mit Kommando, weiter fortzuschreiten.
    Es ist ganz klar — einer der Herren Redner hat es schon gesagt, ich glaube, es war der Herr Kollege Lohmar, oder es ist in der gestrigen Debatte einmal gesagt worden —: die Verfassung fixiert natürlich immer eine bestimmte Situation. Aber diese Situation, in der eine Verfassung geschaffen worden ist und die Normen fixiert worden sind, bleibt natürlich nicht dieselbe. Infolgedessen befinden wir uns zweifellos nicht mehr in der Situation des Jahres 1949, als wir das Grundgesetz gemacht haben, sondern die Zeit ist weiter fortgeschritten, und wenn eine Verfassung allzu starr ist, besteht die große Gefahr, daß irgendwelche Friktionen eintreten.
    Nun scheint es mir der Vorzug der föderalistischen Verfassung zu sein, daß sie wie kaum eine andere dynamisch, daß sie dehnbar, daß sie also an den Fortschritt der tatsächlichen Entwicklung anpassungsfähig ist, — wenn man diese Verfassung nicht lediglich als eine starre Kompetenzverteilung zwischen Bund und Ländern sieht, sondern wenn man das Wesen einer föderalistischen Verfassung dahin versteht, daß in einem Bundesstaat Bund und Länder zur Kooperation oder, wie es das Bundesverfassungsgericht einmal ausgedrückt hat, zur Realisierung des Prinzips der wechselseitigen Bundestreue verpflichtet sind. Einer der Reichskanzler der Weimarer Republik, Herr Dr. Luther, den ich für einen .der erfahrensten Kenner deutschen Staatslebens halte, hat einmal gesagt: In einem Bundesstaat gibt es eigentlich drei Rechtsquellen; die eine ist die Gesetzgebungskompetenz des Bundes, die andere die Gesetzgebungskompetenz der Länder, und die dritte Rechtsquelle ist die des Staatsvertrages oder der Verwaltungsabkommen oder des praktischen Arrangements. Ich glaube, daß gerade in dieser dritten Rechtsquelle die große Chance für eine bundesstaatliche Verfassung liegt, auch neue Probleme, die auftauchen, einvernehmlich zu lösen.
    Der Herr Bundesinnenminister hat einen eindrucksvollen Überblick über diese vielfältigen Formen der Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern gegeben. Wenn wir gerecht sein wollen, müssen wir aber auch feststellen, daß die Länder unter sich bereits erfolgreiche Koordinationsmaßnahmen durchgeführt haben. Ich darf mich hier wiederum auf den Herrn bayerischen Kultusminister Prof. Maunz berufen, der kürzlich einmal gesagt hat, daß die Ständige Konferenz der Kultusminister während ihres Bestehens bisher in 300 Abkommen und Absprachen, sei es über Institutionen wissenschaftlicher und kultureller Art, sei es auch über praktische Maßnahmen der Angleichung des Schul-und Hochschulwesens in den deutschen Ländern, wesentliche, notwendige Vereinheitlichungsmaßnahmen durchgeführt hat.
    Angesichts dieser Tatsache einer erfolgreichen Koordinationsarbeit zwischen Bund und Ländern einerseits und andererseits auch der Länder untereinander vermag ich eigentlich nicht zu verstehen, daß Herr Kollege Lohmar im Anschluß an die Ausführungen des Herrn von Knoeringen noch ein weiteres Interländergremium in Form eines Länderkulturrates, oder wie man es heißen will, in Vorschlag gebracht hat. Nach meiner Überzeugung ist



    Dr. Süsterhenn
    die Kultusministerkonferenz durchaus in der Lage, die notwendigen Koordinationsaufgaben, die zwischen den Ländern zu erfüllen sind, zu erfüllen, und es bedarf hierzu gar keines weiteren Gremiums mehr. Ich würde das als eine völlig unnötige Überorganisation ansehen, zumal es ja gerade die Kultusministerkonferenz gewesen ist, die die fruchtbare Zusammenarbeit mit dem Bund, sei es im Deutschen Ausschuß für Erziehung, sei es im Wissenschaftsrat oder auf so manchen anderen Gebieten, mitgestaltet hat. Warum denn hier noch einmal eine formelle dritte Organisation schaffen, für deren Betätigung — es nicht ganz klar, wie es im einzelnen ausgestaltet werden soll, welche Befugnisse sie haben soll — ich zunächst keinen praktischen Raum sehe und gegen deren Betätigung ich unter Umständen auch verfassungsrechtliche Bedenken anzumelden hätte.
    Es ist ganz klar, daß die Länder befugt sind, unter sich zusammenzuarbeiten, und in diesem Sinne bildet auch die Ständige Kultusministerkonferenz eine Ländergemeinschaft, gegen die sich sicherlich auch der Herr Bundesminister nicht wenden wollte, als er sich gegen Ländergemeinschaften ausgesprochen hat. Ländergemeinschaften könnten nur dann als verfassungswidrig, als grundgesetzwidrig bezeichnet werden, wenn sie über die Aufgabe der Koordination hinaus unmittelbare Staatsgewalt im Namen einer Ländergemeinschaft in die Länder hinein auszuüben beanspruchten. Eine derartige Ländergemeinschaft wäre mit dem Grundgesetz nicht vereinbar. Warum also da noch dieses unklare Gebilde des neuen Kulturrates schaffen?
    Wir sind uns darüber im klaren, daß es nicht die Aufgabe des Staates ist, Kultur zu machen — das hat der Herr Bundesinnenminister vor allem im letzten ,Teil seiner Ausführungen mit erfreulicher Deutlichkeit festgestellt —, sondern daß Kulturpolitik überhaupt nur 'bedeuten kann: Kultur fördern, anregen, hilfreich der kulturellen Entfaltung, dem freien kulturellen Schaffen zur Seite stehen und gegebenenfalls auch Wildwüchse, die mit den Forderungen des Gemeinwohls nicht im Einklang stehen, beschneiden. Zu einer positiven Kulturpolitik gehört auch, daß man nicht allem, was nichts mit Kultur zu tun hat, sondern letzten Endes kultur-und sittlichkeitszerstörend wirkt, freien Weg gibt. Die Hilfestellung des Staates auf dem Gebiet der Kulturpolitik scheint mir vom Herrn Bundesinnenminister sehr richtig hervorgehoben worden zu sein.
    Natürlich: Kulturpolitik ist mehr als Organisation, mehr .als Verwaltung, mehr als Finanzierung. Wir müssen uns selbstverständlich auch mit den geistigen Grundlagen der Kulturpolitik, mit den kulturellen Grundwerten befassen. Ich bin dem Herrn Kollegen Lohmar sehr dankbar, daß er gerade dieses Thema angeschnitten hat, allerdings in Form eines sehr unvollständigen Zitats aus einem Protokoll des Eilwanger Kreises.

    (Abg. Lohmar: Ich will es gern ergänzen, Herr Kollege!)

    — Es wäre zu lang. Ich habe mir inzwischen das
    Protokoll beschafft. Das sind beinahe 40 Seiten. Es
    würde deshalb wohl zu weit führen, das Protokoll
    hier zum Gegenstand einer Analyse zu machen. Ich bin aber bereit, mit Ihnen .gemeinsam in diese Analyse einzutreten, wenn Sie im einzelnen Wert darauf legen.
    Obwohl die CDU/CSU als solche sich keineswegs durch den Ellwanger Kreis irgendwie festgelegt fühlt, möchte ich .doch erklären, daß für die CDU/ CSU-Fraktion und auch für mich persönlich keinerlei Notwendigkeit besteht, sich von dem, was dort gesagt worden ist, und insbesondere von dem, was dort als Zitat des heute morgen auf der Regierungsbank sitzenden Staatssekretärs Strauß — ich sehe, er ist wieder da — wiedergegeben worden ist, irgendwie zu .distanzieren.
    Ja, wir bekennen uns zum Humanismus. Aber Humanismus ist heute ein so ausdeutbares Wort geworden, daß es schon notwendig ist, diesen Begriff mit etwas mehr Inhalt anzureichern.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Vom Humanismus des Herrn Sartre will ich gar nicht sprechen. Ich möchte hier gern in unsere deutsche Gegenwart hineingehen. Vor zwei oder drei Wochen habe ich im „Vorwärts" einen sehr interessanten Artikel über den aus Leipzig in die Bundesrepublik geflohenen Philosophieprofessor Bloch gelesen. Auch da wurde mir ein Humanismus serviert. Meine Damen und Herren, einen derartigen Humanismus lehnen wir von der Christlich-Demokratischen und Christlich-Sozialen Union allerdings ganz entschieden ab, weil uns dieser Humanismus in eine fatale Nachbarschaft des Ulbrichtschen sogenannten Humanismus zu geraten scheint.

    (Beifall bei der CDU/CSU. — Abg. Erler: Haben Sie denn Bloch schon einmal gelesen?!)

    — Ich haben den 'Bericht gelesen, Herr Kollege Erler.

    (Abg. Erler: Haben Sie etwas von Bloch selbst gelesen?)

    — Ich habe den Bericht im „Vorwärts" gelesen, (Abg. Erler: Von Herrn Bloch?!)

    und ich nehme nicht an, daß der „Vorwärts" dem Herrn Bloch unrecht tut. Lesen Sie das bitte nach. Ich könnte Ihnen auch noch mit einigen Zitaten von Herrn Bloch aufwarten. Da würden Ihnen wahrscheinlich die Augen überlaufen, und Sie würden diese Nachbarschaft wahrscheinlich entschieden ablehnen.

    (Abg. Erler: Na also! — Weitere Zurufe von der SPD.)

    — Warum denn so aufgeregt, meine Damen und Herren?

    (Erneute Zurufe von der SPD.)

    Das wird uns aber auch als Humanismus präsentiert, und diesen Humanismus lehnen wir ab.

    (Sehr gut! bei der CDU/CSU. — Zuruf von der SPD: Natürlich!)

    — Schön, daß wir in dem Punkte einig sind, daß es mit diesem verschwommenen Begriff „Humanismus" allein also nicht getan ist.



    Dr. Süsterhenn
    Jetzt will ich Ihnen sagen, was nach Auffassung der Christlich-Demokratischen und Christlich-Sozialen Union zu unserem Begriff des Humanismus hinzugehört. Das ist der Begriff des christlichen Humanismus, die Tatsache, daß in diesem Humanismus die christlichen Werte die entscheidenden und die bestimmenden sind.

    (Zurufe von der SPD. — Zuruf links: Spanien!)

    — Meine Damen und Herren, Spanien! Ich könnte ja jetzt auch von Tito — Jugoslawien sprechen, wo sich Ihr Kollege Schmid im Augenblick aufhält. Ich tue das bewußt nicht. Wir reden ja hier von den deutschen Verhältnissen.
    Da bin ich allerdings der Meinung, daß wir allein für unsere deutschen Verhältnisse die Verantwortung tragen. Ich schiebe Ihnen nicht die Verantwortung für Jugoslawien in die Schuhe, schieben Sie bitte uns nicht die Verantwortung für Spanien in die Schuhe!

    (Beifall 'bei der CDU/CSU.)

    Für uns gehört zum Begriff und Wesen des Humanismus, daß er vom christlichen Denken, vom christlich-religiösen Denken her bestimmt ist. Wir bekennen uns ausdrücklich zum christlichen Humanismus. Wir wollen uns — damit das ganz klar ist — auch darüber im klaren sein, daß dieser christliche Humanismus durchaus seinen gesicherten und verfassungsrechtlich' garantierten Platz im Rahmen unseres Grundgesetzes hat, das ja damit beginnt: „Im Bewußtsein seiner Verantwortung vor Gott". Es bietet also durchaus für einen theistischen, christlichen Humanismus, für eine entsprechende Kulturbetrachtung und Kulturpolitik Raum, und wir, die CDU/CSU, sind gewillt, diesen uns verfassungsrechtlich gebotenen Raum auszufüllen.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Letzten Endes kommen wir in der großen geistigen Auseinandersetzung zwischen Ost und West, die nicht nur unseren Kontinent, sondern die ganze Welt durchpulst, mit irgendwelchen blassen, unentschiedenen Begriffen von Humanismus nicht durch, sondern da müssen wir Farbe bekennen, was für uns das Humanum ist. Für uns ist der Mensch ein Geschöpf Gottes, und das Humanum hat nur seinen Sinn durch die Verankerung im Religiösen, im Christlichen. Das wollen wir auch auf dem weiten Gebiet der Auslandskulturpolitik und insbesondere auch auf dem Gebiet der Entwicklungshilfe, die wir mit besonderer Betonung als eine Bildungshilfe ansehen, verwirklicht und garantiert wissen.
    Auf dem Gebiet der Auslandskulturpolitik müssen wir nach meinem Dafürhalten, Herr Bundesinnenminister — mehr noch richte ich diese Bitte an die Adresse des Auswärtigen Amts —, noch unendlich viel mehr tun. Es ist sehr _viel getan worden, aber wenn man im Ausland sieht, was andere Staaten auf diesem Gebiete leisten, auch uns befreundete Staaten, und nicht erst seit gestern oder vorgestern, sondern seit Jahrzehnten, dann kann einen mitunter der blasse Neid ankommen.
    Ich möchte insbesondere dem Herrn Vertreter des Auswärtigen Amts sagen: das System, in den wichtigen Metropolen der Welt Deutsche Häuser zu gründen, scheint mir einmal einer Prüfung wert zu sein. Wenn man in anderen Hauptstädten sieht, wie Häuser anderer Länder wirklich Kulturmittelpunkte, gesellschaftliche Mittelpunkte, auch Mittelpunkte wirtschaftlicher Werbung sind — unsere Häuser würden auch Stützpunkte für die Deutschen im Ausland und für alle diejenigen sein, die Freunde Deutschlands sind oder sich über Deutschland informieren wollen —, muß man sagen, daß sich das Auswärtige Amt doch einmal näher mit derartigen Häusern und Projekten dazu befassen sollte. Das gilt besonders, wenn die Anregung zur Verwirklichung derartiger Projekte gerade von Ausländern an uns herangetragen wird, und zwar mit der Bereitschaft, sich nicht nur etwas schenken zu lassen, sondern dafür von ausländischer Seite auch ganz erhebliche Opfer zu bringen.
    Wir bejahen den Gedanken einer Intensivierung der Kulturpolitik im Bund, in den Ländern und in der Gemeinschaftsarbeit zwischen Bund und Ländern und möchten den Herrn Bundesinnenminister bitten, die Aufgabe der Koordinierung noch stärker in seine Obhut zu nehmen, als das bisher von seinem Ministerium aus geschehen ist, und zwar zunächst was die Koordination der wissenschaftlichen Forschung und der Kulturpolitik im weitesten Sinne zwischen den Bundesministerien angeht. Wir haben von einem interministeriellen Ausschuß gehört und sind sehr froh darüber, daß er existiert. Ich glaube jedoch, daß in der Öffentlichkeit weithin nicht allzu viel von seiner positiven Tätigkeit bekanntgeworden ist. Klappern gehört auch zum Handwerk, Herr Minister; wenn man etwas Gutes tut, soll man das nicht verschweigen, sondern es ohne weiteres auch ruhig einmal dem Lichte der Öffentlichkeit aussetzen.
    Ein Weiteres! Ich bedauere sehr — ich sage das, obwohl die Bundesratsbank fast leer ist —, daß das Schreiben des Bundesinnenministeriums vom April vorigen Jahres, in dem vorgeschlagen wurde, weitere Verhandlungen zwecks Intensivierung der Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern aufzunehmen, bisher nicht die entsprechende Beantwortung gefunden hat bzw. erst in den letzten Tagen durch den Ministerpräsidenten Altmeier mündlich beantwortet worden ist. Herr Bundesinnenminister, nehmen Sie Herrn Altmeier, nehmen Sie den Bundesrat, nehmen Sie die Kultusministerkonferenz beim Wort und sorgen Sie dafür, daß Bund und Länder durch eine Fülle, sei es formeller Abmachungen, sei es mündlicher oder stillschweigender Arrangements das tun, was das gesamte deutsche Volk erwartet, nämlich die deutsche Kultur in größt- und bestmöglichem Ausmaße zu fördern und in unserem Volke und gegenüber der Welt positiv darzustellen.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)



Rede von Erwin Schoettle
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Frede.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Günter Frede


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Herr Kollege Süsterhenn hat zum Mittelpunkt seiner Ausführungen die Frage der Koordinierung aller kulturpolitischen Aufgaben ge-



    Dr. Frede
    macht. Ich halte das für sehr wesentlich und richtig. Diese Koordinierung ist auch einer der wesentlichen Punkte der Anfragen, die wir heute behandeln. Darüber hinaus haben Sie, Herr Süsterhenn, mit einigem Pathos zu den Grundfragen der Kulturpolitik Stellung genommen, insbesondere zu dem heute morgen aufgegriffenen Thema einer, sagen wir einmal, christlich ausgerichteten Auffassung vom Menschen und von der Kultur oder einer säkularisierten Auffassung. Diese Frage stand schon heute morgen im Mittelpunkt der Erörterung.
    Wenn wir uns hier primär mit Fragen der wissenschaftlichen Forschung befassen, dann sollte es auch bei Ihnen keinen Zweifel darüber geben, daß die Forschung frei ist und daß sie im Zuge der historischen Entwicklung der letzten drei-, vierhundert Jahre eine säkularisierte Angelegenheit geworden ist. Es bleibt uns — Ihnen, mir und anderen — in einer pluralistischen Gesellschaft und in einem Staat, der diese pluralistische Gesellschaft anerkennt, selbstverständlich überlassen, was wir für ein Menschenbild haben. Die Frage ist nur, wie weit man, wenn man kulturpolitische Fragen erörtert und Kulturpolitik betreibt, eine eingeengte Auffassung — denn im Rahmen des Gesamtkomplexes des Humanismus ist das eine spezielle Auffassung — zur Grundlage und zum Gegenstand politischer Maßnahmen machen kann, und um das geht es hier. Es ist die Frage — nach Wilhelm von Humboldt —: Wie hälst du es mit dem Humanismus? Und es ist die Gretchenfrage, die man hier nicht stellen sollte: Wie hälst du es mit der Religion? Das gehört nicht
    hierher und hat hier keinen Sinn. Deshalb ist es für uns relativ uninteressant, ob Sie gegen Auffdssungen, die Herr Bloch oder sonstwer vertreten hat, opponieren. Wir Sozialdemokraten, das wissen Sie genau, stehen in den Fragen der Wissenschaft, der Forschung und der Kultur zu den Grundwerten einer demokratischen Ordnung, wir stehen auf dem Boden der Grundrechte, an deren Spitze das auf Würde des Menschen und Freiheit des Menschen steht. Nur von da ausgehend kann dann der einzelne hier und dort seine spezielle kulturpolitische Position beziehen. Mehr möchte ich hierzu nicht sagen. Es bleibt vielleicht anderen Kollegen, die dieses Thema angeregt haben, vorbehalten, noch einiges zu sagen.
    Kehren wir zu dem Hauptthema zurück, nämlich dem der Kompetenzfrage oder der Koordinierungsfrage. Sowohl Sie, Herr Kollege Martin, wie auch Sie, Herr Minister, haben hier wie auch in einigen Beiträgen, die vorher erschienen sind, wiederholt davor gewarnt, die Frage der Koordinierung allzusehr mit der Frage der Kompetenz zu koppeln, die Frage der Kompetenz von Bund und Ländern allzusehr in den Vordergrund zu stellen oder gar erneut einen Streit hierüber zu entfachen, wie gesagt wurde. Die Frage der Zuständigkeiten ist nicht von uns, sondern von Ihnen, von der CDU aufgeworfen worden. Lesen Sie bitte die Protokolle über die kulturpolitische Debatte vor vier Jahren nach. Damals haben Sie, als wir mit sehr konkreten und materiellen Anträgen kamen, alle diese Anträge abzuschieben oder — ich möchte sagen — hinüber-zuleiten versucht auf die Frage der Zuständigkeit von Bund und Ländern. Sie haben einen solchen Antrag zwei Jahre später erneut gestellt. Sie brauchen sich nur alle ihre eigenen Anträge und ihre eigenen Vorlagen anzusehen; Sie werden finden, daß im Grunde genommen in den vergangenen vier Jahren die Frage nach der Zuständigkeit zwischen Bund und Ländern die Kardinalfrage in kulturpolitischer Hinsicht gewesen ist.
    Sie, Herr Minister, haben gesagt, man solle gewisse Fragen nicht überhasten, solle nicht übertreiben, das könne zum Nachteil sein. Sicher, aber man soll sie auch nicht in einer Weise hinschleppen, wie das hier geschehen ist; denn in vier Jahren hätte immerhin etwas mehr herauskommen können als herausgekommen ist. Sie haben zugegeben, die Verhandlungen seien gescheitert. Das erfahren wir hier zum erstenmal. Ich darf doch darauf hinweisen, daß ,der Bundestag seinerzeit eine Entschließung gefaßt hatte, daß bis zur Einbringung des Haushalts 1960 ein Bericht hierüber gegeben werden sollte. Ich finde, man zeigt recht wenig Achtung vor dem Parlament, wenn man bis heute einen solchen Bericht nicht gegeben hat und dem Hohen Haus bis heute keine Kenntnis gegeben hat, was aus diesen Verhandlungen herausgekommen ist und ob ein Abkommen geschlossen wurde. Wir haben es vorhin zum erstenmal erfahren.
    Die Gefahr, die ich darin sehe, ist vielleicht nicht ganz unerheblich. Der breiten Öffentlichkeit ist es verhältnismäßig gleichgültig, ob der Bund, ob die Länder oder ob die Gemeinden auf dem Gebiete der Kulturpolitik etwas tun. Was die breite Öffentlichkeit will, ist, daß etwas geschieht, daß etwas sinnvoll geschieht und daß etwas — auch das muß gesagt werden — in relativer Einmütigkeit und Einheit geschieht. Ich darf daran erinnern, daß vor Jahren über die Frage der Zersplitterung des Bildungswesens ein sehr heftiger Streit entbrannt war und daß man erst durch die öffentliche Debatte dazu gekommen ist, gewisse Rahmenvereinbarungen z. B. über Vereinheitlichung des Schulwesens zu treffen.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Um festzustellen, wie weit das übertrieben war!)

    — Wie weit das übertrieben ist, .das ist eine andere Frage. Jedenfalls besteht in der breiten Öffentlichkeit der Wunsch, daß wir zu gewissen einheitlichen Auffassungen und einheitlichen politischen Praktiken in der Kulturpolitik kommen. Wenn nun wegen einer solchen Verzögerungstaktik kein Ergebnis zustande kommt, rührt das an das Vertrauen, das man ,dem föderalen Aufbau unseres Staates und der Demokratie entgegenbringt. Das sollte man nicht verkennen. Hören Sie sich bitte draußen um, nicht nur in Fachkreisen, sondern allgemein in der Öffentlichkeit.
    Wenn ,der Herr Minister mit Freuden feststellt, daß ihm in den letzten Wochen eine Hilfstruppe in den verschiedensten Kreisen der Wissenschaft erstanden ist — Rektorenkonferenz, Wissenschaftsrat und was alles es sein mag —, muß das zu denken geben. Dahinter steht doch ein gewisses Mißtrauen gegenüber den primär berufenen Organen der Kulturpolitik in den Ländern. Man hat offensichtlich nicht das Vertrauen, daß von den Ländern



    Dr. Frede
    her auf dem Gebiet der Kulturpolitik so intensiv und so nachhaltig gearbeitet wird, wie es gewünscht wird, und ich glaube, dies ist nicht ganz unberechtigt.
    Ein kleines Beispiel! Ihr Kollege Balke, Herr Minister Höcherl, hatte seinerzeit den Art. 74 Nr. 13 des Grundgesetzes so weit ausgelegt, daß er auf seinen ureigensten Gebieten nicht nur die Forschung fördern, sondern sich schon an den jüngsten Nachwuchs wenden wollte, indem er den höheren Schulen die Anschaffung von Geräten ermöglichte, die den Unterricht auf dem Gebiete der Kernphysik beleben. Das Hohe Haus hat damals 9 Millionen DM für diesen Zweck bewilligt. Dann hat der Haushaltsausschuß plötzlich gesagt, das sei verfassungsmäßig nicht angängig, und infolgedessen wurde der zweite Teil dieser Mittel nicht bewilligt. So ist es dazu gekommen, daß .die Hälfte der höheren Schulen in der Bundesrepublik mit solchen Geräten ausgestattet wurde. Man hatte den Ländern empfohlen, die Ausstattung der anderen Hälfte zu übernehmen. Jeder weiß — der Herr Minister hat es erst neulich im Ausschuß für Atomkernenergie betont —, daß das bis heute nicht geschehen ist. — Eine relativ kleine Angelegenheit, die aber nicht ganz unbezeichnend ist und nicht geeignet sein dürfte, das Vertrauen in die Einheitlichkeit und geschlossene Arbeit der Kultusminister zu heben.
    Ich könnte noch sehr viele andere Beispiele anführen, möchte es mir aber ersparen und in diesem Zusammenhang darlegen, weshalb neuerdings von Kreisen meiner Parteifreunde der Vorschlag über
    eine Ländervereinbarung gemacht worden ist, den sowohl Sie, Herr Martin, wie auch Sie Herr Süsterhenn, so heftig kritisiert haben. Herr Kollege Süsterhenn, Sie haben selber zugestanden, daß verfassungsrechtlich nicht nur Vereinbarungen zwischen Bund und Ländern, sondern auch Vereinbarungen zwischen den Ländern durchaus zulässig sind. Es gibt solche Vereinbarungen. Der Vorschlag, den wir der Öffentlichkeit unterbreitet haben, besagt nichts weiter, als daß das relativ lose Gefüge der Kultusministerkonferenz gefestigt werden soli, indem es eine gewisse vertragliche Grundlage erhält. Falls Sie diesen Vorschlag noch nicht gelesen haben sollten, darf ich Sie insofern beuhigen: Die Frage des Kulturrates ist dabei völlig nebensächlich. Die Kultusministerkonferenz soll nicht als ein neues Verfassungsorgan geschaffen, sondern als eine faktisch bestehende Organisation In ihrer Arbeit gestärkt und attraktiver gemacht werden.

    (Abg. Dr. Martin: Wie denn?)

    — Dadurch, daß die Kultusministerkonferenz nicht mehr nur — wie bisher — in verhältnismäßig loser Form zusammenkommt und relativ weit auslegbare Beschlüsse faßt, sondern mit ihren Vorschlägen ein wenig weiter geht, daß sie sich organisatorisch ein klein wenig ausweitet, daß das, was gegenwärtig das Generalsekretariat in Bonn macht, ein bißchen aufgewertet wird, um es ganz vorsichtig zu sagen.

    (Abg. Dr. Martin: Darunter kann ich mir nichts vorstellen!)

    — Ich werde Ihnen gern den Vorschlag im Wortlaut
    unterbreiten — es hier zu tun würde zu weit führen —; dann können wir uns darüber unterhalten und sehen, was dabei konkret herauskommt. Ich bin der Überzeugung, daß der Vorschlag durchführbar ist; ich kenne die Arbeit der Kultusministerkonferenz in der gegenwärtigen Form.
    Eine solche Ausweitung hätte eine zweite, sehr positive Wirkung. Dem Bunde stände nicht ein Organ, aber, sagen wir, ein Sekretariat gegenüber, mit dem man stärker als bisher in Beziehung treten könnte, .aus dem dann vielleicht auch mehr zu erfahren wäre, als man bisher erfahren konnte. Das bezieht sich insbesondere auf das, was Sie, Herr Martin, hinsichtlich einer Repräsentativdokumentation oder einer Repräsentativdarstellung dessen sagten, was kulturell — in diesem Falle von den Ländern — 'geleistet worden ist. Sie können doch nicht von allen zehn Ländern einzeln von Jahr zu Jahr Auskünfte darüber herbeiholen, was in diesen Ländern geschehen ist. Es wäre doch sehr zweckmäßig und wünschenswert, wenn derartige Dokumentationen einheitlich erstellt und publiziert würden. Ich weiß, daß das zum Teil geschehen ist, aber noch keinesfalls in der Intensität, die wir für wünschenswert halten.

    (Abg. Frau Geisendörfer: Mit denen stehen wir doch ständig in Verbindung!)

    — Wir stehen nicht ständig in Verbindung, sondern nur gelegentlich, liebe Frau Kollegin. Wenn wir ständig in Verbindung ständen, könnten hinsichtlich der Frage der Abgrenzung der Kompetenzen zwischen Bund und Ländern schon ein wenig größere Fortschritte erzielt sein. Sie werden sich erinnern, daß Herr Generalsekretär Frey uns bereits vor zwei Jahren eine sehr gründliche und eingehende Darstellung vorgelegt hat, wie weit unter Berücksichtigung der grundgesetzlichen Zuständigkeiten die Länder etwas tun können, der Bund etwas tun kann und beide gemeinsam etwas tun können. Warum ist das nicht zur Grundlage für ein Abkommen genommen worden, das von allen Kreisen gewünscht wird, die sich mit Kulturpolitik beschäftigen? Eben aus dein einfachen Grunde, weil diese Organisation nicht das Gewicht hat, das sie haben sollte.
    Ich darf mich von diesem Punkt abwenden und nochmals zu dem zurückkehren, was Sie, Herr Minister, zu der Frage der Kompetenzverteilung gesagt haben. Sie haben sich hier als Pragmatikererwiesen, indem Sie uns sehr bunt und schillernd den Strauß von Erfolgen und Maßnahmen, die die Bundesregierung ergriffen hat, dargestellt haben. Das war sehr schön. Sie haben sich dabei als ein Optimist erwiesen, indem Sie das alles für „bestens" halten. Herr Kollege 'Süsterhenn hat aber schon darauf hingewiesen, daß es damit allein nicht getan ist, sondern daß verfassungsrechtliche Probleme dahinterstehen. Wir wollen keinen Streit aufrollen. Dieser Streit, falls es ein Streit ist, sagen wir dieses „Problem" ist doch jetzt von den Ländern aufgeworfen worden. Die Länder, zumindest die Kultusminister, haben nach dem .Karlsruher Urteil beschlossen, daß die Zuständigkeiten des Bundes in kulturpolitischer Hinsicht nicht erweitert, sondern, wenn möglich, sukzessive abgebaut werden sollten



    Dr. Frede
    Weil dieser Beschluß besteht, haben die Finanzminister die Gelegenheit genützt, nun ihrerseits zu sagen: Wir nehmen jene Positionen aus dem Bundeshaushalt nunmehr auf die Länderhaushalte. Meine Damen und Herren, insbesondere meine Damen und Herren von der CDU/CSU, wir sind in diesem Punkte mit Ihnen wohl völlig einer Meinung, daß wir dem Bund nicht ohne Grund etwas von den kulturpolitischen Kompetenzen nehmen sollten, die er hat und deren Rahmen er mit einem Inhalt gefüllt hat. Das ist eine gemeinsame Auffassung von Opposition und Regierungsparteien, eine gemeinsame Auffassung, die auch bereits in der vorhin genannten Entschließung vom Juli 1960 zum Ausdruck gekommen ist.
    Bei der Wiederaufnahme der Verhandlungen kommen wir aber nicht darum herum, zu prüfen, wie weit nach dem Grundgesetz eine Zuständigkeit wirklich gegeben oder wie weit sie vielleicht nur sehr vage begründet ist. Wir sollten in dieser Frage so weit wie möglich gehen, h. wir sollten auch die Frage des wissenschaftlichen Nachwuchses, des Nachwuchses in Forschung und Wissenschaft positiv mit einbeziehen. Das Verbindende, das sich bisher durch die Initiative des Bundes und der Bundesregierung gezeigt hat, sollte man nicht aufgeben. Ich will hier die Frage des Honnefer Modells nicht vertiefen. Das Positive am Honnefer Modell ist nicht, wie hoch die Summe ist, die vom Bund gegeben wird, so notwendig diese Frage ist, sondern daß überhaupt eine bindende Vereinbarung über die Förderung von Studenten und damit des wissenschaftlichen Nachwuchses zustande kam. In Fragen der Studentenförderung, bei denen sich der Bund nicht zuständig fühlte, also bei pädagogischen Hochschulen, Kunsthochschulen, Fachschulen usw., hat sich sofort gezeigt, daß eine sehr starke Differenzierung bei den Ländern eintritt, wenn sie selbst diese Studentenförderung in die Hand nehmen. Auch das spricht dafür, daß es bei der bisherigen Zuständigkeit und bei der bisherigen Aufgabe, die sich der Bund gestellt hat, bleiben sollte.
    Meine Damen und Herren, zur konkurrierenden Gesetzgebung ist also die konkurrierende Kulturpflege gekommen, eine konkurrierende Kulturpflege, die sicher noch intensiviert werden kann, wenn wir ein Gesetz haben, wenn wir den Rahmen ausschöpfen, von dem ich soeben sprach, der insbesondere durch Art. 74 Nr. 13 des Grundgesetzes abgesteckt wird.
    Herr Minister, es ist nicht unsere Auffassung, daß dieses Gesetz nun etwa einen Katalog von Zuständigkeiten haben sollte, die dem Bund eigen wären, und andere wiederum, die den Ländern eigen wären. Dieses Gesetz kann nur ein organisatorisches Rahmengesetz sein. Es ist das einzige Rahmengesetz auf kulturpolitischem Gebiete, das der zentrale Staat, also der Bund, heute überhaupt noch im Gegensatz zur Weimarer Verfassung geben kann. In der Weimarer Verfassung war das Reich bekanntlich berechtigt, eine ganze Fülle von Rahmengesetzen auf kulturpolitischem Gebiete zu erlassen. Das ist heute nicht möglich, und das können wir auch nicht ändern; denn die föderative Struktur unseres Staates ist
    definitiv und kann auch nicht durch eine verfassungsändernde Mehrheit geändert werden.
    Um so mehr ist es erforderlich, daß die verfassungsmäßig zulässigen Möglichkeiten genutzt werden und daß uns dafür möglichst bald Unterlagen in Form eines Gesetzentwurfs vorgelegt werden. Dieses Gesetz wird keineswegs alles das umfassen und ausdeuten können, was an Möglichkeiten kulturpolitischer Betätigung seitens des Bundes vorhanden ist. Es wird darüber hinaus, wie Sie mit Recht sagten, Herr Minister, auch dann noch Abkommen zwischen Bund und Ländern und unter den Ländern selbst geben müssen.
    Herr Minister, Sie haben sich zur Berlin-Frage geäußert und haben aufgezählt, was alles vom Bunde getan worden ist, was der Bund alles für Berlin auf dem Kultursektor geleistet hat. Das erkennen wir gern und dankbar an. Aber ich glaube, für die Lösung des zentralen Problems „Berlin" genügt es nicht. Es genügt nicht, zu sagen: Wir begrüßen es, wenn noch etwas mehr geschieht. Es wäre vielmehr gut, wenn Sie selbst, wenn sich die Bundesregierung selbst einmal Gedanken darüber machte und aktiv werden könnte in der Frage, was denn geschehen kann, um Berlin zu einem Zentrum der Wissenschaft und des Geistes zu machen. Ich glaube, das ist von einer sehr großen politischen Bedeutung; denn je mehr Berlin aufgewertet wird, ganz gleich, womit und wodurch — in diesem Fall durch Einrichtungen der Wissenschaft und Kultur —, um so mehr ist es auch von Gewicht im Rahmen der politischen Verhandlungen über die Zukunft Berlins. Darum sollte man nicht allzusehr zögern, sondern sollte versuchen, auch selbst Initiativen zu ergreifen, um Berlin zu einem Mittelpunkt internationaler Forschung und internationaler Wissenschaft zu machen. Berlin als eine Zentrale, als ein Zentrum für wissenschaftliche Bemühungen internationaler Art würde, glaube ich, uns allen nur dienen können.
    In diesem Zusammenhang eine Bemerkung zu der Verwendung der Mittel aus der VW-Stiftung. In einer Fragestunde ist uns gesagt worden, daß beabsichtigt sei, jenen Kapitalstock, der noch vorhanden ist — die Hälfte, also ca. 500 Millionen DM, sind ja für die Entwicklungshilfe gegeben —, für die Wissenschaft, für die Forschung, überhaupt für kulturelle Zwecke zu verwenden. Auch hier ist ein Gesetz angekündigt; darüber ist heute nicht gesprochen worden. Wir haben die herzliche Bitte, daß uns möglichst bald auch diese Unterlagen vorgelegt werden. Wie den Ausführungen des Herrn Schatzministers zu entnehmen war, sieht es allerdings nicht so aus, als ob diese Mittel speziell der Wissenschaftsförderung dienen sollen. Ich nehme an, daß der Bund bei seiner Schwerpunktbildung in der Wissenschaftsförderung, insbesondere in der Gründung neuer Hochschulen, mit anderen Etatmitteln helfend einspringt.
    Sie wissen, auch hier ist Eile geboten. Die Zahl der Studierenden nimmt ständig zu. Die Frage der Gründung neuer Hochschulen ist bereits vor zwei Jahren angeschnitten worden. Geschehen ist in den vergangenen zwei Jahren nichts.

    (Zuruf von der Mitte: Das ist doch nicht wahr!)




    Dr. Frede
    — Nein? Haben Sie schon eine Hochschule in Konstanz, in Dortmund oder in Bochum? Haben Sie eine in Bremen oder was weiß ich wo? Sie haben noch nicht einmal einen Anfang zu den drei oder vier Hochschulen, Herr Martin, das können Sie doch nicht bestreiten. Noch nicht einmal die Anfänge sind sichtbar.

    (Abg. Frau Geisendörfer: Doch! Es geht doch nicht von heute auf morgen!)

    — Nein, es geht nicht von heute auf morgen, aber ich habe nur etwas zur Eile angetrieben, damit -wir in diesen Fragen etwas schneller vorankommen als bisher, und zwar, wie es angekündigt wurde, mit Bundeshilfe.
    Das gilt insbesondere für die Frage einer nordwestdeutschen Universität, die jetzt in Bremen entstehen soll. Bremen ist einer der Staaten, der am wenigsten von sich aus in der Lage ist, diese Lasten im vollen Umfang zu tragen.

    (Zuruf von der Mitte: Bremen hat doch schon eine Zusage!)

    — Ja, die Zusage liegt vor. Aber seien Sie doch nicht so böse, wenn ich darum bitte, daß ,es ein bißchen schneller geht. Sie werden nicht bestreiten wollen, daß in all diesen Fragen ein wenig Tempo durchaus am Platze wäre. Sonst hatten wir uns nicht vier Jahre lang immer wieder über die gleichen Fragen zu unterhalten brauchen.
    Ich habe auch heute dein Eindruck gewonnen, daß man immer wieder von vorn anfängt.

    (Zuruf von der CDU/CSU.)

    — Das will ich gar nicht bestreiten. In Kleinigkeiten sind durchaus Fortschritte sichtbar — wie auch der Herr Bundesinnenminister aufgezeigt hat —, und diese Positionen wollen wir ja gemeinsam halten und verteidigen. Aber warum denn so nervös werden, wenn wir uns im Blick auf die Vergangenheit in klein wenig bemühen, die Dinge etwas lebendiger voranzutreiben, als es bisher häufig geschehen ist!
    Mir war eines dabei interessant, Herr Minister, und damit möchte ich abschließen. Ich meine die Begründung, die Sie für die Hilfe gegeben haben, die der Bund bisher für kulturpolitische Aufgaben geleistet hat. Da sagten Sie z. B., es sei doch nicht zu bestreiten, daß viele Universitäten und Institute durch den Krieg zerstört worden seien. Da kam mir so der Art. 120 des Grundgesetzes in den Sinn. Als ob es hier plötzlich eine Begründung nach Art. 120 gäbe! Ich erinnere mich, daß Sie eine solche Begründung in der Vergangenheit immer dann abgelehnt haben, wenn wir mit ähnlichen Forderungen kamen, z. B. der der Hilfe für die kriegszerstörten Schulbauten. Sie haben dann jedesmal die Zuständigkeit des Bundes — ich muß jetzt auf die Zuständigkeit kommen — bestritten, bis das Urteil des Bundesverfassungsgerichts über die Ausgleichsforderungen kam. In diesem Urteil stand klipp und klar, daß es nicht im Ermessen des Bundes liegt, wie weit er sich zuständig fühlt, was kriegszerstört oder nicht kriegszerstört sei, sondern daß eine generelle Verpflichtung des Bundes auf Grund des Art. 120 vorliege.
    Das hat dann dazu geführt, daß wir sogar den Art. 120 des Grundgesetzes ändern wollten. Sie erinnern sich vielleicht, daß in einer der letzten Sitzungen der vergangenen Legislaturperiode diese Gesetzesvorlage steckengeblieben ist und damit vorerst in der Versenkung verschwand, vielleicht und wahrscheinlich aber demnächst auch wieder auftauchen wird.
    Herr Minister, ich darf daran erinnern, daß nicht die Kriegszerstörung von wissenschaftlichen Instituten, von Schulen oder anderen Bildungseinrichtungen der Anlaß gewesen ist, daß für Wissenschaft und Kultur Bundeshilfe gegeben wurde und daß wir heute diese Ansätze in dem Etat haben, sondern es ist so gewesen, daß der Bund früher als der finanzstärkere und finanzkräftigere Partner eine Fülle von Aufgaben übernommen hat, die die Länder nicht lösen konnten. Sie können nicht bestreiten, daß es aus diesem Grund auch der Wunsch der Länder gewesen ist, daß der Bund sich engagierte, weil eben die erforderlichen Mittel auf der Länderseite nicht vorhanden waren. Heute haben sich die Fronten um 180 Grad gedreht; heute sind es bekanntlich die Länder, die über die Mittel verfügen und infolgedessen nun auch Appetit darauf bekommen, aus dem Bundesetat das herüberzuziehen, was früher der Bund aus den von mir eben genannten Gründen übernommen hat. Das ist das eigentliche Kennzeichen der gegenwärtigen Situation. Rein praktische Dinge also, wie z. B. die Finanzquellen fließen, haben zu einer Situation geführt, die man zum Anlaß nimmt, um eine Wendung, eine Verdrehung — Verdrehung in mehrfachem Sinne, wie es sich in der letzten Zeit gezeigt hat — vorzunehmen, so daß nun der Bundesrat — zumindest die Finanzminister — jetzt ihre Hand auf das legen wollten, was der Bund früher und noch jetzt für sich beansprucht hat.
    Meine Damen und Herren, wir sollten die Fragen leidenschaftslos, rein sachlich und unabhängig von der jeweiligen Kassenfülle bei Bund, Ländern und Gemeinden behandeln. Wir können aber nicht umhin, Herr Minister — und das haben Sie, glaube ich, nicht hinreichend betont; Herr Kollege Süsterhenn hat es aber bestätigt und vertieft —, dabei die verfassungsmäßigen Grundlagen zu beachten. Wir müssen uns fragen, inwieweit es in Zukunft, wenn z. B. dieses zusätzliche Förderungsprogramm für die Wissenschaft mit einer Milliarde vom Bund und einer Milliarde von den Ländern abgewickelt ist — das ist ja in zwei, drei Jahren der Fall. —, noch eine Zuständigkeit oder eine Aufgabe des Bundes hierin gibt. Wir müssen uns auch fragen, wieweit das Honnefer Modell und die Studentenförderung weiterhin eine Aufgabe des Bundes bleiben. Wir bejahen es; aber die Frage müssen wir stellen. Wir müssen einmal unter sachlichen Gesichtspunkten, unter verfassungsrechtlichen Aspekten, alles durchforsten, was bisher an Aufgaben und Vereinbarungen seitens des Bundes oder des Bundes und der Länder zugleich da ist. Ich glaube, dann können wir auch die Gemeinsamkeit von Opposition und Regierungsparteien feststellen und zu einer großen Koalition in der Bildungs- und der Wissenschaftsförderung kommen. Wir wollen unser Möglichstes dazu tun.

    (Allseitiger Beifall.)