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ID0401701900

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    Deutscher Bundestag 17. Sitzung Bonn, den 23. Februar 1962 Inhalt: Erweiterung der Tagesordnung 577 A Fragestunde (Drucksache IV/ 199) Frage des Abg. Hörmann (Freiburg) : Wirtschaftliche Lage des Landkreises Freiburg Dr. Dr. h. c. Erhard, Bundesminister 577 B Hörmann (Freiburg) (SPD) . . . 577 D Mündlicher Bericht des Rechtsausschusses über die Streitsache vor dem Bundesverfassungsgericht: Antrag der Landesregierung des Landes Nordrhein-Westfalen auf Feststellung der Nichtigkeit des Gesetzes über das Kreditwesen vom 10. Juli 1961 (Drucksache IV/ 214) 578 A Entwurf eines Gesetzes zu dem Protokoll vom 25. November 1959 über den Beitritt Griechenlands, Norwegens und Schwedens zu dem Übereinkommen vom 17. April 1950 über Gastarbeitnehmer (Drucksache IV/ 109); Schriftlicher _Bericht des Ausschusses für Arbeit (Drucksache IV/ 190) — Zweite und dritte Beratung — 578 B Entwurf eines Gesetzes über die in Nizza am 15. Juni 1957 unterzeichnete Fassung des Madrider Abkommens vom 14. April 1891 über die internationale Registrierung von Fabrik- oder Handelsmarken (Drucksache IV/ 101); Schriftlicher Bericht des Rechtsausschusses (Drucksache IV/ 193) — Zweite und dritte Beratung — 578 C Entwurf eines Gesetzes über die im Haag am 28. November 1960 unterzeichnete Fassung des Haager Abkommens vom 6. November 1925 über die internationale Hinterlegung gewerblicher Muster oder Modelle (Drucksache IV/ 102); Schriftlicher Bericht des Rechtsausschusses (Drucksache IV/ 198) — Zweite und dritte Beratung — 578 D Schriftlicher Bericht des Außenhandelsausschusses über den Entwurf einer Sechzehnten Verordnung zur Änderung des Deutschen Zolltarifs 1961 (Zollkontingente für Zeitungsdruckpapier und Eisen- und Stahlpulver aus Nicht-EWG-Ländern) (Drucksachen IV/ 186, IV/ 195) . . 579 A Mündlicher Bericht des Immunitätsausschusses über den Antrag der Fraktionen der CDU/CSU, SPD, FDP betr. Behandlung von Rechtsverordnungen gemäß § 21 Abs. 6 und § 77 Abs. 5 des Zollgesetzes sowie gemäß § 27 Abs. 2 des Außenwirtschaftsgesetzes (Drucksachen IV/ 189, IV/ 196) 579 B Mündlicher Bericht des Außenhandelsausschusses über den Entwurf einer Zehnten Verordnung zur Änderung des Deutschen Zolltarifs 1962 (nicht liberalisierte Waren der Agrarwirtschaft) (Drucksachen IV/ 130, IV/ 205) Bading (SPD) 579 C II Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 17. Sitzung. Bonn, Freitag, den 23. Februar 1962 Entwurf eines Aktiengesetzes sowie Entwurf eines Einführungsgesetzes zum Aktiengesetz (Drucksache IV/ 171) — Erste Beratung —; in Verbindung mit dem Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung der Publizität von Aktiengesellschaften, Gesellschaften mit beschränkter Haftung und Konzernen (SPD) (Drucksache IV/ 203) — Erste Beratung — und dem Entwurf eines Gesetzes zum Schutz von Minderheiten in Kapitalgesellschaften (SPD) (Drucksache 1V/204) — Erste Beratung — Dr. Stammberger, Bundesminister . 580 A Dr. Deist (SPD) 584 B Dr. Wilhelmi (CDU/CSU) . . . . 594 D Dr. Atzenroth (FDP) 598 D Dr. Mommer (SPD) 601 C Entwurf eines Bundesurlaubsgesetzes (CDU/CSU) (Drucksache IV/ 207) — Erste Beratung — Scheppmann (CDU/CSU) 601 D Behrendt (SPD) . . . . . . . 602 D Dürr (FDP) 604 C Brand (Remscheid) (CDU/CSU) . 605 D Nächste Sitzung 606 C Anlagen 607 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 17. Sitzung. Bonn, Freitag, den 23. Februar 1962 577 17. Sitzung Bonn, den 23. Februar 1962 Stenographischer Bericht Beginn: 9.02 Uhr
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    Anlage 1 Liste der beurlaubten Abgeordneten Abgeordnete (r) beurlaubt bis einschließlich a) Beurlaubungen Dr. Aigner* 23.2. Altmaier 23. 2. Dr. Aschoff* 23. 2. Bazille 23. 2. Berlin 23.2. Birkelbach* 23. 2. Frau Blohm 23. 2. Dr. Brecht 23. 2. Brünen 5. 3 Dr. Bucerius 23. 2. Dr. Burgbacher* 23. 2. Corterier 23. 2. Cramer 23. 2. Dr. Dahlgrün 6. 3. Dr. Deist* 23. 2. Deringer* 23. 2. Dr. Dichgans* 23. 2. Dr. Dittrich 23.2. Drachsler 23. 2. Eisenmann 23. 2. Frau Dr. Elsner* 23.2. Engelbrecht-Greve* 23. 2. Etzel 23.2. Faller* 23. 2. Dr. Dr. h. c. Friedensburg* 23. 2. Dr. Furler* 23. 2. Gedat 23.2. Gehring 23. 2. Gerns 23 .2. D. Dr. Gerstenmaier 28.2. Glombig 14.3. Goldhagen 23.2. Dr. Gradl 23. 2. Haage (München) 23.2. Hahn (Bielefeld)* 23.2. Dr. Heck 23.2. Hirsch 23. 2. Horn 23. 2. Illerhaus* 23.2. Jaksch 23. 2. Kalbitzer* 23. 2. Frau Kalinke 23. 2. Frau Dr. Kiep-Altenloh 23.2. Dr. Kohut 23. 2. Dr. Kreyssig* 23. 2. Kriedemann* 23. 2. Kuntscher 23. 2. Leber 23. 2. Lenz (Brühl)* , 23.2. Lücker (München)* 23.2. Dr. Baron Manteuffel-Szoege 23. 2. Margulies* 23. 2. Mattick 23.2. Mauk* 23. 2. Dr. h. c. Menne (Frankfurt) 23. 2. Dr. Menzel 31. 3. Metzger* 23. 2. Anlagen zum Stenographischen Bericht Abgeordnete (r) beurlaubt bis einschließlich Michels* 23. 2. Müller (Nordenham) 23. 2. Müller (Remscheid) 27.2. Müller-Hermann* 23. 2. Neubauer 23. 2. Oetzel 7. 4. Ollenhauer 23. 2. Dr.-Ing. Philipp* 23.2. Frau Dr. Probst* 23. 2. Rademacher* 23.2. Reitzner 28. 2. Richarts* 23. 2. Dr. Rieger 10.3. Rollmann 23. 2. Ruland 23. 2. Sänger 23. 2. Schmücker 23. 2. Dr. Schneider 10. 3. Schoettle 23. 2. Seifriz* 23. 2. Seuffert 23. 2. Soetebier 23. 2. Stein 23. 2. Stooß 23. 2. Storch* 23.2. Striebeck 23. 2. Frau Strobel* 23.2. Dr. Tamblé 23. 2. Theis 7. 3. Tobaben 23. 2. Wächter 23. 2. Wehner 23. 2. Weinkamm* 23. 2. Wischnewski* 23. 2. Wullenhaupt 23. 2. Zoglmann 27. 2. Anlage 2 Umdruck 35 Änderungsantrag der Fraktionen der CDU/CSU, SPD, FDP zur Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung (1. Ausschuß) - Geschäftsordnungsangelegenheiten - über den Antrag der Fraktionen der CDU/CSU, SPD, FDP betreffend Behandlung von Rechtsverordnungen gemäß § 21 Abs. 6 und § 77 Abs. 5 des Zollgesetzes sowie gemäß j 27 Abs. 2 des Außenwirtschaftsgesetzes (Drucksachen IV/ 189, IV/ 196). Der Bundestag wolle beschließen: Im Ausschußantrag werden die beiden letzten Sätze gestrichen und durch folgenden Text ersetzt: „Eine Abstimmung findet nur statt, wenn der Ausschuß empfiehlt, von dem Recht des Bundestages gemäß § 27 Abs. 2 Satz 3 des Außenwirtschaftsgesetzes oder gemäß § 77 Abs. 5 Satz 3 des * Für die Teilnahme an einer Tagung des Europäischen Parlaments. 608 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 17. Sitzung. Bonn, Freitag, den 23. Februar 1962 Zollgesetzes Gebrauch zu machen. Das gleiche gilt, wenn bei Aufruf des Tagesordnungspunktes ein entsprechender Antrag aus der Mitte des Hauses vorliegt. Er bedarf der Unterschrift von mindestens so viel Mitgliedern wie einer Fraktionsstärke entspricht. Für Änderungsanträge gilt § 100 der Geschäftsordnung. Bonn, den 21. Februar 1962 Dr. von Brentano und Fraktion Ollenhauer und Fraktion Dürr und Fraktion Anlage 3 Umdruck 39 Änderungsantrag der Abgeordneten Dr. Weber (Koblenz), Dr. Reischl, Dr. Bucher und Genossen zur zweiten Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die in Nizza am 15. Juni 1957 unterzeichnete Fassung des Madrider Abkommens vom 14. April 1891 über die internationale Registrierung von Fabrik- oder Handelsmarken (Drucksachen IV/ 101, IV/ 197). Der Bundestag wolle beschließen: Artikel 2 erhält folgenden Satz 2: Rechtsverordnungen, die auf Grund dieses Gesetzes erlassen werden, gelten im Land Berlin nach § 14 des Dritten Überleitungsgesetzes vom 4. Januar 1952 (Bundesgesetzbl. I S. 1). Bonn, den 22. Februar 1962 Dr. Weber (Koblenz) Dr. Reischl Dr. Bucher
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    Rede von Dr. Hans Wilhelmi


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir verhandeln heute zum zweitenmal über die Aktienrechtsreform. Zum erstenmal geschah das noch im letzten Bundestag am 7. Dezember 1960, und nun verhandeln wir heute vor diesem Bundestag. Ich muß feststellen, dieses Gesetz hat offenbar das Mißgeschick, daß in den Debatten ungewöhnlich wenig über das Gesetz selbst gesprochen wird und ungewöhnlich viel über Dinge, die mit dem Gesetz nichts zu tun haben.

    (Zustimmung bei der CDU/CSU. — Hört! Hört! bei der SPD.)

    Ich mußte zur Vorbereitung auf den heutigen Tag die seinerzeitige Debatte nachlesen. Dabei konnte ich feststellen, daß zu zwei Dritteln die Debatte über die Volksaktie der CDU und die deutsche Volksaktie der SPD geführt worden ist. Über diese Angelegenheit kann man wohl den Mantel, na, nicht der Liebe, aber des Wahlkampfes decken. Das interessiert heute, wo wir an die sachliche Behandlung dieses Gesetzes herangehen, wohl uns alle nicht mehr.



    Dr. Wilhelmi
    Heute ist tatsächlich über etwas gesprochen worden, was zwar nicht im Gesetzentwurf steht, aber von der Opposition gern in dieses Gesetz hineingearbeitet werden würde. Oder richtiger gesagt — ein Hineinarbeiten in dieses Gesetz ist wohl schlechterdings nicht möglich —: Die Opposition will, daß dieses Gesetz überhaupt nicht kommt, sondern nur einige Bestimmungen daraus, die dankenswerterweise in den Eingaben der SPD im wesentlichen aus dem Regierungsentwurf abgeschrieben worden sind.

    (Widerspruch bei der SPD. — Zuruf von der SPD: Unsinn!)

    Im übrigen soll dann dieses bis jetzt nicht ganz klare, etwas schwammige Unternehmensrecht geschaffen werden. Das ist immerhin ein sehr ernstes Problem, das in engem Zusammenhang mit der Aktienrechtsreform steht. Ich bin deshalb dem Herrn Minister ganz besonders dankbar, daß er bei der Einbringung der Vorlage nicht auf einzelne Bestimmungen eingegangen ist, sondern daß er ein ganz zentrales Problem angeschnitten hat, das sich aus der ersten Debatte im 3. Bundestag ergab. Die Frage des einheitlichen Unternehmensrechts ist in der Tat außerordentlich schwierig. Ich kann nur feststellen, Herr Kollege Deist, daß in der Wissenschaft bisher gar nichts Konkretes erreicht worden ist, wenn man vielleicht von den Vorschlägen absieht, die Herr Rechtsanwalt Kunze vom Gewerkschaftsverband gemacht hat. Sie stehen aber ziemlich allein da und haben wenig, um nicht zu sagen, gar keinen Widerhall in der Wissenschaft gefunden.
    Die Wissenschaft geht bisher davon aus, daß man der Wirtschaft verschiedene Rechtsformen zu ihrer Betätigung 'zur Verfügung stellen soll und daß es ihr überlassen bleiben muß, welche dieser rechtlichen Formen sie anwenden will. Sie wird die Form anwenden, die jeweils für die Größe des Unternehmens, für die Art der Betätigung, für die Notwendigkeit der Kapitalbeschaffung und dergleichen am günstigsten ist. Wir haben deshalb auf dem Gebiet der juristischen Personen die beiden Formen, die Aktiengesellschaft und die GmbH. Damit haben wir — über den Daumen gepeilt gesprochen — auf der einen Seite für kleinere Gesellschaften, die einen geschlossenen Mitgliederkreis haben, eine Konstruktion zur Verfügung gestellt, nämlich die GmbH, und auf der anderen Seite für die Großgesellschaften und damit auch für die heute vorhandenen ganz großen Unternehmungen eine andere Gesellschaftsform, nämlich die Aktiengesellschaft, die aber durchaus auch für die kleinen Unternehmen praktikabel ist.
    Es gibt natürlich unter den ganz kleinen Gesellschaften Fälle, für die der Mantel, der jetzt für die Aktiengesellschaften geschneidert wird, nicht paßt. Nun, dann mögen diese Aktiengesellschaften in die GmbH hinübergehen, sie mögen sich die Form aussuchen, die für sie geeignet ist. Aber ich glaube nicht, daß das in der Praxis eine große Rolle spielen wird.
    Der Herr Justizminister hat bei seinen Ausführungen an die Debatte über die Einführung eines einheitlichen Unternehmensrechts angeknüpft, wie es von der Opposition vorgeschlagen war. Es ist immerhin fünf viertel Jahre her, daß dieser Gedanke hier vorgetragen wurde. Ich nehme an, er ist Ihnen schon vorher gekommen, denn er ist ja bereits vorher erörtert worden. Dennoch ist bis heute nichts Konkretes vorgelegt worden. Was hier vorgelegt worden ist, hat doch mit dem großen Gedanken, ein Unternehmensrecht zu schaffen, gar nichts zu tun, und das enttäuscht mich sehr. Wenn schon von Ihnen beantragt wird, das ganze Aktienrecht zurückzustellen und ein Unternehmensrecht zu schaffen, dann muß doch wohl etwas präziser gesagt werden, was los ist. Es hätte doch einmal ein Rohentwurf -gemacht werden müssen, der eine Grundlage für eine Reform darstellt. Das ist nicht geschehen. Sie haben praktisch — mit ganz kleinen Änderungen, die allerdings in die Sache gehen — das vorgelegt, was Sie vor fünfviertel Jahren vorgelegt haben. Das war eine große Enttäuschung für mich. Ich habe gedacht, es gibt jetzt etwas Neues. Aber dieses Neue kommt von Professor Kronstein. Es ist anerkennenswert, daß das hineingearbeitet ist; darüber werden wir diskutieren müssen. Aber es ist etwas erschütternd und eigentlich etwas beschämend, daß wir uns hier wieder über das Unternehmensrecht unterhalten müssen, ohne daß eine klare Konzeption vorliegt.
    Auch das, was hier als Kritik an dem Entwurf der Regierung vorgetragen worden ist, läßt gar keine Konzeption erkennen. Damit steht diese Kritik in deutlichem Gegensatz zu dem Regierungsentwurf, der eine sehr klare Konzeption erkennen läßt. Gut, Sie lehnen sie ab und sagen, man dürfe nicht in der Weise von dem Privateigentum, von dem wirtschaftlichen Eigentum des Aktionärs ausgehen, wie das in dem Entwurf geschehen sei, denn es gebe innerhalb einer Aktiengesellschaft neben dem wirtschaftlichen Eigentum noch eine ganze Reihe anderer Kräfte und Aufgaben, die bei dem Organisationsrecht, um das es sich bei der Aktienrechtsreform handle, zu berücksichtigen seien. Das ist selbstverständlich richtig. Aber man muß doch von einer klaren Konzeption ausgehen. Der Entwurf hat die in der Wissenschaft vertretene privatrechtliche Auffassung aufgegriffen, der wir von der CDU/CSU von ganzem Herzen und aus voller Überzeugung zustimmen. Für uns kann gar nichts anderes der Ausgangspunkt sein als das Privateigentum und die sich daraus ergebenden Kontrollrechte des Aktionärs über die anderen Organe, die eine Gesellschaft selbstverständlich haben muß.
    Das ist das eigentliche Problem bei jeder Aktienrechtsreform: die Rechte der Aktionäre als der wirtschaftlichen Eigentümer abzugrenzen gegen die notwendigen Rechte, die der Vorstand in der Führung der Geschäfte einer Aktiengesellschaft haben muß, damit die Aktiengesellschaft im Wirtschaftsleben überhaupt tätig werden kann, und gegen die Rechte des Aufsichtsorgans, des Aufsichtsrates. Diese Rechte richtig abzugrenzen, ist und bleibt das Problem bei jeder Aktienrechtsreform, und damit müssen wir uns hier auseinandersetzen. Es ist natürlich wichtig, klar zu erkennen, von welchen Grundsätzen wir ausgehen. Man kann nicht ein Gesetz machen, das überhaupt keine Grundsätze hat und das die Dinge rein zufällig ordnet. Im Grunde genommen ist die Frage des Privateigentums des Aktionärs eng mit der Frage verknüpft: Wer übt die Kontrolle über



    Dr. Wilhelmi
    die übrigen Organe der Gesellschaft aus? Das ist die entscheidende Frage, und deshalb kommt man praktisch, wenn man die Kontrolle dies Aktionärs ablehnt und sagt, der ist gar nicht in der Lage, diese Kontrolle auszuüben, immer mehr zu einer Entwicklung, die in einer öffentlichen Aufsicht irgendwelcher Art enden muß. Das wäre das Ende der privatwirtschaftlichen Natur unserer großen Gesellschaften und damit ein tödlicher Stoß gegen die soziale Marktwirtschaft, die wir betreiben.
    Infolgedessen ist es richtig, wenn man im Rahmen der sozialen Marktwirtschaft und aus dem Gedanken des Privateigentums alles tut, um den Aktionär zu aktivieren und ihm die Kontrollfunktionen zu geben, die ihm als dem Eigentümer zustehen. Meine Damen und Herren, es ist selbstverständlich, daß der Aktionär nicht Eigentümer des Unternehmens und auch nicht Miteigentümer des Unternehmens in dem Sinne ist wie irgendein Mann, der sich ein Haus kauft, Eigentümer dieses Hauses ist und selbstverständlich auch darüber verfügen kann.
    Aber es ist auch nicht richtig, was Herr Kollege Deist gesagt hat: daß dieses Mitgliedschaftsrecht, das rein juristisch betrachtet das wirtschaftliche Eigentum des Aktionärs am Unternehmen ist, nicht von unserer Rechtsprechung als Eigentum aufgefaßt würde. Sie haben zwar die Rechtsprechung und Literatur zur Weimarer Verfassung zitiert, Herr Deist, aber Sie haben nicht zitiert, was heute unstreitig ist: daß unter Art. 14 unseres Grundgesetzes, nämlich Schutz des Eigentums, auch derartige Rechte wie Mitgliedschaftsrechte fallen.

    (Abg. Dr. Deist: Doch, das habe ich gesagt und festgestellt!)

    — Dann habe ich geschlafen; ich bitte um Entschuldigung.

    (Heiterkeit.)

    Wir sind uns dann also darüber einig, daß heute nach unserem Grundgesetz dieses Mitgliedschaftsrecht als eigentumsähnliches Recht behandelt wird, und darauf kommt es uns an. Denn alle diese eigentumsähnlichen Rechte sind die, Grundlage, auf der nach unserer Auffassung die Wirtschaft basiert.
    Nun hat der neue Entwurf in der Tat einen entscheidenden Schritt in dieser Richtung getan. Sie berufen sich auf Rathenau, der im Jahre 1922 führend war in der Aufstellung der These, daß es ein Unternehmen an sich gebe, daß es Interessen gebe, die das Unternehmen unter Umständen gegen seine Aktionäre vertreten müsse. Das ist etwas lange her, und die Wissenschaft ist längst über diese These hinweg, weil sie nämlich erkannt hat, daß diese These des Unternehmens an sich zu nichts anderem führt als dazu, die jeweilige Verwaltung zu stärken. Denn ein Unternehmen an sich gibt es nicht.
    Wir Juristen sind zwar sehr tüchtige Leute. Wir haben es fertiggebracht, eine juristische Person zu erfinden und diese juristische Person im Rechtsleben so zu stellen wie eine natürliche Person. Aber eins haben wir nicht gekonnt: Wir haben ihr nicht Geist einhauchen und haben sie nicht lehren können, als Unternehmen an sich zu denken und zu handeln; dazu brauchen wir vielmehr Menschen, und diese Menschen sind eben der Vorstand, der Aufsichtsrat und die Hauptversammlung. Die müssen das tun und tun's ja auch, und ich darf hinzufügen: sie tun's sehr gut. Aber das Problem bleibt natürlich bestehen, daß eine solche Gesellschaft ihren Willen in verschiedenen Gremien bilden muß und daß die Tätigkeit dieser Gremien sinnvoll koordiniert sein muß. Ich gebe Ihnen völlig recht, Herr Dr. Deist, daß nicht der Aktionär allein bestimmen kann und bestimmen soll. Aber das können Sie doch auch wirklich nicht aus dem Entwurf herauslesen. Meines Erachtens ist in diesem Entwurf sehr sauber entwickelt, daß der Aktionär über alles das bestimmen soll, was sein Geld angeht, wenn ich es mal primitiv sagen soll. Er hat ein erhöhtes Mitbestimmungsrecht nach dem neuen Entwurf bei der Frage der Gewinnverteilung, die ihn besonders angeht. Er stellt sein Geld zur Verfügung, also muß er auch mit darüber entscheiden können, wieviel an Gewinnen als Verzinsung seines hineingesteckten Geldes an ihn auszuschütten ist, und wieviel etwa aus dem Gewinn wieder neu angelegt wird, wieviel also von seinem Geld in das Unternehmen hineinkommt. Das ist eine ganz vernünftige Regelung und ist einer der Punkte, durch die die Stellung des Aktionärs verstärkt wird.
    Ich habe an diesem Punkt des Entwurfs eine gewisse Kritik anzumelden, daß nämlich hier vielleicht der Verwaltung zu enge Grenzen gezogen sind. Ich bin der Auffassung, daß die Entscheidung über die Frage, wieviel Gewinn auszuschütten ist, bis zu einem gewissen Grad Aufgabe der Verwaltung sein muß; denn sie ist dafür verantwortlich, daß der Bestand und die Wettbewerbsfähigkeit eines Unternehmens erhalten bleibt. Das kann nicht bestritten werden. Aber nun kommen wir zu dem etwas umstrittenen Punkt, inwieweit die Verwaltung auch die Verantwortung allein dafür tragen muß, daß Rücklagen geschaffen werden, um beispielsweise Strukturveränderungen, die im Unternehmen notwendig sind, vorzunehmen. Wir werden uns in den Ausschüssen darüber unterhalten müssen, ob die in ,dem Entwurf gesetzten Grenzen richtig sind. Aber das sind Einzelfragen, auf die ich nicht eingehen will. Der Entwurf sieht auch an dieser Stelle vor, daß der Aktionär eine stärkere Stellung haben soll.
    Was können wir nun unter dem Gesichtspunkt der Stärkung des Aktionärs in der Gesellschaft Entscheidendes tun? Ich glaube, das Wichtigste ist, daß wir dem Aktionär und auch demjenigen, der Aktionär werden will, zunächst einmal sagen, was eine Aktie wert ist. Dieses Thema haben wir schon in der Kleinen Aktienrechtsform angeschnitten, nämlich das Thema der Publizität in der Gewinn- und Verlustrechnung. Jetzt gehen wir auch an die Bilanzen heran und vor allem an die Bewertungsprinzipien für Rücklagenbildung, stille und offene Rücklagen. Das scheint mir eines der wichtigsten Themen zu sein.
    In diesem Zusammenhang ist von Herrn Deist Herr Kronstein erwähnt worden, der eine sehr wichtige Schrift zu diesem Thema geschrieben hat, dem man in manchen Punkten zustimmen kann.



    Dr. Wilhelmi
    Wir werden uns auch darüber im Ausschuß eingehend unterhalten müssen. Es geht nicht, daß man die amerikanischen Prinzipien, die sich teilweise aus einem ganz anderen Aufbau des Aktienrechts ergeben haben, einfach auf unsere Verhältnisse überträgt. Das sind also Dinge, über die man im Ausschuß noch reden muß.
    Aber es ist nun doch nicht richtig, was Herr Deist gesagt hat, daß der Aktionär nur die Möglichkeit habe, bei der Gewinnverteilung. und bei der Wahl des Aufsichtsrats mitzuwirken. Es sind ihm eine Fülle von Rechten gegeben, die noch weiter ausgebaut werden. Zu diesen Rechten gehört z. B. das Auskunftsrecht:

    (Abg. Dr. Deist: Das habe ich genannt!)

    Das Auskunftsrecht ist wesentlich dadurch ausgebaut worden, daß die Anfechtung der Verweigerung des Auskunftsrechts in einem besonderen Gerichtsverfahren eingeführt ist. Im übrigen gibt es das Anfechtungsrecht als solches für Beschlüsse über die Verwendung von Gewinnen, das neu und praktisch geregelt ist, so daß der Aktionär also eine Fülle von Rechten hat, die letzten Endes darauf hinauslaufen, die Verwaltung zu kontrollieren. Alle diese Dinge sind ja eine Auswirkung der Kontrolle über die Tätigkeit der Verwaltung. Die Frage, wie der Aufsichtsrat gewählt wird und damit das Organ, das u. a. die Vertretung der Aktionäre darstellt, vor allem aber das eigentliche Aufsichtsratsorgan, wird in den Ausschüssen noch sehr eingehend behandelt werden müssen. Ich glaube, hier liegt in der Tat ein sehr ernstes Anliegen vor. Wir sind auch der Auffassung, daß die Hauptversammlung in irgendeiner Weise griffiger gestaltet werden muß, daß irgendeine Lösung dafür gefunden werden muß, wie gerade die Wahl des Aufsichtsrats auch durch eine Riesenhauptversammlung noch praktikabel ist. Das ist eine echte Aufgabe, und das gehört logischerweise in den ganzen Gedankenzug des neuen Entwurfs hinein. Es ist ja mit Recht von Ihnen, Herr Deist, gesagt worden, man müsse dem Aktionär mehr Rechte geben. Gut, dazu sind wir durchaus bereit. Wir wollen dem Aktionär mehr Rechte geben. Aber wir sind der Ansicht, daß er typisch dafür da ist, die Kontrolle auszuüben, wobei ich nicht meine, daß er es selber machen muß.


Rede von Dr. Thomas Dehler
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
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    Rede von Dr. Hans Wilhelmi


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Bitte sehr!