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ID0401701700

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  • tocInhaltsverzeichnis
    Deutscher Bundestag 17. Sitzung Bonn, den 23. Februar 1962 Inhalt: Erweiterung der Tagesordnung 577 A Fragestunde (Drucksache IV/ 199) Frage des Abg. Hörmann (Freiburg) : Wirtschaftliche Lage des Landkreises Freiburg Dr. Dr. h. c. Erhard, Bundesminister 577 B Hörmann (Freiburg) (SPD) . . . 577 D Mündlicher Bericht des Rechtsausschusses über die Streitsache vor dem Bundesverfassungsgericht: Antrag der Landesregierung des Landes Nordrhein-Westfalen auf Feststellung der Nichtigkeit des Gesetzes über das Kreditwesen vom 10. Juli 1961 (Drucksache IV/ 214) 578 A Entwurf eines Gesetzes zu dem Protokoll vom 25. November 1959 über den Beitritt Griechenlands, Norwegens und Schwedens zu dem Übereinkommen vom 17. April 1950 über Gastarbeitnehmer (Drucksache IV/ 109); Schriftlicher _Bericht des Ausschusses für Arbeit (Drucksache IV/ 190) — Zweite und dritte Beratung — 578 B Entwurf eines Gesetzes über die in Nizza am 15. Juni 1957 unterzeichnete Fassung des Madrider Abkommens vom 14. April 1891 über die internationale Registrierung von Fabrik- oder Handelsmarken (Drucksache IV/ 101); Schriftlicher Bericht des Rechtsausschusses (Drucksache IV/ 193) — Zweite und dritte Beratung — 578 C Entwurf eines Gesetzes über die im Haag am 28. November 1960 unterzeichnete Fassung des Haager Abkommens vom 6. November 1925 über die internationale Hinterlegung gewerblicher Muster oder Modelle (Drucksache IV/ 102); Schriftlicher Bericht des Rechtsausschusses (Drucksache IV/ 198) — Zweite und dritte Beratung — 578 D Schriftlicher Bericht des Außenhandelsausschusses über den Entwurf einer Sechzehnten Verordnung zur Änderung des Deutschen Zolltarifs 1961 (Zollkontingente für Zeitungsdruckpapier und Eisen- und Stahlpulver aus Nicht-EWG-Ländern) (Drucksachen IV/ 186, IV/ 195) . . 579 A Mündlicher Bericht des Immunitätsausschusses über den Antrag der Fraktionen der CDU/CSU, SPD, FDP betr. Behandlung von Rechtsverordnungen gemäß § 21 Abs. 6 und § 77 Abs. 5 des Zollgesetzes sowie gemäß § 27 Abs. 2 des Außenwirtschaftsgesetzes (Drucksachen IV/ 189, IV/ 196) 579 B Mündlicher Bericht des Außenhandelsausschusses über den Entwurf einer Zehnten Verordnung zur Änderung des Deutschen Zolltarifs 1962 (nicht liberalisierte Waren der Agrarwirtschaft) (Drucksachen IV/ 130, IV/ 205) Bading (SPD) 579 C II Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 17. Sitzung. Bonn, Freitag, den 23. Februar 1962 Entwurf eines Aktiengesetzes sowie Entwurf eines Einführungsgesetzes zum Aktiengesetz (Drucksache IV/ 171) — Erste Beratung —; in Verbindung mit dem Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung der Publizität von Aktiengesellschaften, Gesellschaften mit beschränkter Haftung und Konzernen (SPD) (Drucksache IV/ 203) — Erste Beratung — und dem Entwurf eines Gesetzes zum Schutz von Minderheiten in Kapitalgesellschaften (SPD) (Drucksache 1V/204) — Erste Beratung — Dr. Stammberger, Bundesminister . 580 A Dr. Deist (SPD) 584 B Dr. Wilhelmi (CDU/CSU) . . . . 594 D Dr. Atzenroth (FDP) 598 D Dr. Mommer (SPD) 601 C Entwurf eines Bundesurlaubsgesetzes (CDU/CSU) (Drucksache IV/ 207) — Erste Beratung — Scheppmann (CDU/CSU) 601 D Behrendt (SPD) . . . . . . . 602 D Dürr (FDP) 604 C Brand (Remscheid) (CDU/CSU) . 605 D Nächste Sitzung 606 C Anlagen 607 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 17. Sitzung. Bonn, Freitag, den 23. Februar 1962 577 17. Sitzung Bonn, den 23. Februar 1962 Stenographischer Bericht Beginn: 9.02 Uhr
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    Anlage 1 Liste der beurlaubten Abgeordneten Abgeordnete (r) beurlaubt bis einschließlich a) Beurlaubungen Dr. Aigner* 23.2. Altmaier 23. 2. Dr. Aschoff* 23. 2. Bazille 23. 2. Berlin 23.2. Birkelbach* 23. 2. Frau Blohm 23. 2. Dr. Brecht 23. 2. Brünen 5. 3 Dr. Bucerius 23. 2. Dr. Burgbacher* 23. 2. Corterier 23. 2. Cramer 23. 2. Dr. Dahlgrün 6. 3. Dr. Deist* 23. 2. Deringer* 23. 2. Dr. Dichgans* 23. 2. Dr. Dittrich 23.2. Drachsler 23. 2. Eisenmann 23. 2. Frau Dr. Elsner* 23.2. Engelbrecht-Greve* 23. 2. Etzel 23.2. Faller* 23. 2. Dr. Dr. h. c. Friedensburg* 23. 2. Dr. Furler* 23. 2. Gedat 23.2. Gehring 23. 2. Gerns 23 .2. D. Dr. Gerstenmaier 28.2. Glombig 14.3. Goldhagen 23.2. Dr. Gradl 23. 2. Haage (München) 23.2. Hahn (Bielefeld)* 23.2. Dr. Heck 23.2. Hirsch 23. 2. Horn 23. 2. Illerhaus* 23.2. Jaksch 23. 2. Kalbitzer* 23. 2. Frau Kalinke 23. 2. Frau Dr. Kiep-Altenloh 23.2. Dr. Kohut 23. 2. Dr. Kreyssig* 23. 2. Kriedemann* 23. 2. Kuntscher 23. 2. Leber 23. 2. Lenz (Brühl)* , 23.2. Lücker (München)* 23.2. Dr. Baron Manteuffel-Szoege 23. 2. Margulies* 23. 2. Mattick 23.2. Mauk* 23. 2. Dr. h. c. Menne (Frankfurt) 23. 2. Dr. Menzel 31. 3. Metzger* 23. 2. Anlagen zum Stenographischen Bericht Abgeordnete (r) beurlaubt bis einschließlich Michels* 23. 2. Müller (Nordenham) 23. 2. Müller (Remscheid) 27.2. Müller-Hermann* 23. 2. Neubauer 23. 2. Oetzel 7. 4. Ollenhauer 23. 2. Dr.-Ing. Philipp* 23.2. Frau Dr. Probst* 23. 2. Rademacher* 23.2. Reitzner 28. 2. Richarts* 23. 2. Dr. Rieger 10.3. Rollmann 23. 2. Ruland 23. 2. Sänger 23. 2. Schmücker 23. 2. Dr. Schneider 10. 3. Schoettle 23. 2. Seifriz* 23. 2. Seuffert 23. 2. Soetebier 23. 2. Stein 23. 2. Stooß 23. 2. Storch* 23.2. Striebeck 23. 2. Frau Strobel* 23.2. Dr. Tamblé 23. 2. Theis 7. 3. Tobaben 23. 2. Wächter 23. 2. Wehner 23. 2. Weinkamm* 23. 2. Wischnewski* 23. 2. Wullenhaupt 23. 2. Zoglmann 27. 2. Anlage 2 Umdruck 35 Änderungsantrag der Fraktionen der CDU/CSU, SPD, FDP zur Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung (1. Ausschuß) - Geschäftsordnungsangelegenheiten - über den Antrag der Fraktionen der CDU/CSU, SPD, FDP betreffend Behandlung von Rechtsverordnungen gemäß § 21 Abs. 6 und § 77 Abs. 5 des Zollgesetzes sowie gemäß j 27 Abs. 2 des Außenwirtschaftsgesetzes (Drucksachen IV/ 189, IV/ 196). Der Bundestag wolle beschließen: Im Ausschußantrag werden die beiden letzten Sätze gestrichen und durch folgenden Text ersetzt: „Eine Abstimmung findet nur statt, wenn der Ausschuß empfiehlt, von dem Recht des Bundestages gemäß § 27 Abs. 2 Satz 3 des Außenwirtschaftsgesetzes oder gemäß § 77 Abs. 5 Satz 3 des * Für die Teilnahme an einer Tagung des Europäischen Parlaments. 608 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 17. Sitzung. Bonn, Freitag, den 23. Februar 1962 Zollgesetzes Gebrauch zu machen. Das gleiche gilt, wenn bei Aufruf des Tagesordnungspunktes ein entsprechender Antrag aus der Mitte des Hauses vorliegt. Er bedarf der Unterschrift von mindestens so viel Mitgliedern wie einer Fraktionsstärke entspricht. Für Änderungsanträge gilt § 100 der Geschäftsordnung. Bonn, den 21. Februar 1962 Dr. von Brentano und Fraktion Ollenhauer und Fraktion Dürr und Fraktion Anlage 3 Umdruck 39 Änderungsantrag der Abgeordneten Dr. Weber (Koblenz), Dr. Reischl, Dr. Bucher und Genossen zur zweiten Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die in Nizza am 15. Juni 1957 unterzeichnete Fassung des Madrider Abkommens vom 14. April 1891 über die internationale Registrierung von Fabrik- oder Handelsmarken (Drucksachen IV/ 101, IV/ 197). Der Bundestag wolle beschließen: Artikel 2 erhält folgenden Satz 2: Rechtsverordnungen, die auf Grund dieses Gesetzes erlassen werden, gelten im Land Berlin nach § 14 des Dritten Überleitungsgesetzes vom 4. Januar 1952 (Bundesgesetzbl. I S. 1). Bonn, den 22. Februar 1962 Dr. Weber (Koblenz) Dr. Reischl Dr. Bucher
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Heinrich Deist


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Meine Damen und Herren, das war in den dreißiger Jahren, vor nunmehr drei Jahrzehnten. Wir leben in einem Jahrhundert, in dem die moderne Industriewirtschaft eine rasante Entwicklung durchmacht, eine Entwicklung von einer Bedeutung, wie sie in früheren Jahrzehnten naturgemäß nicht vorhanden war. Sie ist gekennzeichnet durch die Entwicklung zum Großunternehmen. Wir alle kennen diesen Prozeß unter dem uns allen geläufigen Begriff des Konzentrationsprozesses.
    Von einem Gesetzentwurf, der sich sehr betont als ein Reformentwurf bezeichnet, muß man erwarten, daß er mit dieser gesellschaftlichen Entwicklung Schritt hält. Je größer der Wandel ist, um so dringender ist die Reform. Die Frage ist: entspricht dieser Entwurf, der hier vorgelegt wird, wirklich der heutigen Situation? Kann er wirklich ernsthaft als eine zulängliche Reform des Aktienrechts, der Verfassung der Aktiengesellschaft betrachtet werden?
    Im Jahre 1925 stellten die Reformatoren fest, wie sich die Entwicklung in den ersten 25 Jahren dieses Jahrhunderts vollzogen hatte. Um 1900 hatten wir 2000 Aktiengesellschaften mit 5 Milliarden Gesamtkapital. Im Jahre 1925 waren es bereits 13 000 mit rund 20 Milliarden Gesamtkapital. Man hat damals sehr wohl verstanden, welche Veränderungen sich vollzogen haben, daß der Übergang zur Publikumsgesellschaft mit breiter Streuung der Anteilsrechte und einer immer größeren Zahl von Aktionären, von Gesellschaftern zwangsläufig zu einer ständigen weiteren Aushöhlung der Aktienrechte führen muß, ob man das will oder ob man das nicht will. Die Wirtschaftsenquête, die der Reichstag in jenen Jahren durchgeführt hat, kam zu dem bemerkenswerten Ergebnis — 1930! —: der einzelne Aktionär fühlt sich nicht als der vollverantwortliche Mitinhaber der Gesellschaft.
    Man hatte damals auch begriffen — das wird deutlich in der Begründung des Aktienrechtsgesetzentwurfs vom Jahre 1930 —, daß sich entsprechend der Aushöhlung der Rechte der Aktionäre zwangsläufig in der Leitung der Aktiengesellschaft größere Befugnisse ansammeln, die infolgedessen auch eine größere Verantwortung und eine größere Kontrolle und größere Haftung zur Folge haben müssen.
    Schließlich ein letztes — das möchte ich dem Herrn Bundesjustizminister sagen — im Hinblick auf die Bagatellisierung jener Erörterungen der Wissenschaft über die Frage, welche Bedeutung das Unternehmen an sich hat. Damals bemerkte man sehr deutlich, wie sich die Interessen des Unternehmens verselbständigen und von den einzelnen, häufig sehr verschiedenartigen Interessen der Aktionäre lösen, und daß es eine eigene Aufgabe, ein eigenes Interesse und eine eigene Verantwortung der Unternehmung als eines wichtigen volkswirtschaftlichen Tatbestandes gibt.
    Ein großer Demokrat, Herr Bundesjustizminister, den Sie selbst genannt haben, Walther Rathenau, hat in seiner Schrift vom Aktienwesen im Jahre 1922 dazu einige bemerkenswerte Ausführungen gemacht, die ich kurz zitieren darf:
    Die Großunternehmung ist heute überhaupt nicht mehr lediglich ein Gebilde privatrechtlicher Interessen. Sie ist



    Dr. Deist
    — diese Formel haben Sie vorsichtshalber mit aufgenommen, Herr Bundesjustizminister —
    vielmehr ein nationalwirtschaftlicher, der Gesamtheit angehöriger Faktor, der zwar aus seiner Herkunft noch die privatrechtlichen Züge des reinen Erwerbs-Unternehmens trägt, während er längst und in steigendem Maße öffentlichen Interessen dienstbar geworden ist und hierdurch sich ein neues Daseinsrecht geschaffen hat.
    Das nächste haben Sie nicht zitiert, Herr Bundesjustizminister, und nicht aufgenommen. Da steht nämlich:
    Seine Fortbildung in gemeinwirtschaftlichem Sinne ist möglich. Seine Rückbildung zur rein privatwirtschaftlichen Bindung ist undenkbar.
    Sehen Sie, meine Damen und Herren, genau dieser Versuch der Rückbildung wird jedenfalls in der Begründung der Aktienrechtsreform unternommen. Dabei sind das alles Erkenntnisse der ersten 20 Jahre. In den nachfolgenden 30 bis 40 Jahren hat sich Gewaltiges ereignet.
    Lassen Sie mich einige Zahlen über die Entwicklung der Aktiengesellschaften nennen. Im Jahre 1925 — ich sagte es schon — hatten wir 13 000 Aktiengesellschaften mit einem Kapital von 19 Milliarden RM, also im Durchschnitt ein Kapital von 1,5 Millionen RM. Im Jahre 1959 war die Zahl der Aktiengesellschaften von 13 000 auf 2400 zurückgegangen, das Kapital aber auf 27 Milliarden DM mit einem Durchschnittskapital von 11,4 Millionen DM je Gesellschaft gestiegen. Das zeigt doch, daß man einfach nicht darüber hinwegsehen kann, welche Bedeutung eine solche Entwicklung für das Aktienrecht hat.
    Von 2400 Gesellschaften haben nur 9,5 %, nämlich 225 Gesellschaften, ein Aktienkapital von über 20 Millionen DM. Sie vereinigen aber in sich 80 % des gesamten Aktienkapitals aller Aktiengesellschaften in Deutschland. Diese 225 Großunternehmen beherrschen 80 % des Potentials dieser Großwirtschaft! Und da wollen Sie sagen: Das interessiert nicht, da mögen andere von gemeinwichtigen Unternehmen reden, wir brauchen dafür keine besonderen Bestimmungen!
    Ein zweites kommt hinzu. 50 % dieses gesamten Aktienkapitals befinden sich nicht in der Hand von Individuen und haben nichts mit privatem Eigentum von Personen zu tun. Sie befinden sich in der Hand von anderen anonymen Gruppen, insbesondere von anderen anonymen Kapitalgesellschaften. Man pflegt das als die Institutionalisierung des Aktienbesitzes zu bezeichnen. Dieser Prozeß schreitet fort und erstreckt sich gerade auch wieder auf den Bereich der Großgesellschaften. Ich verstehe nicht, daß man den Mut haben kann, hierin keinen Anlaß zu einer besonderen Betrachtung oder Behandlung der Großunternehmen zu sehen. Diese 200 bis 300 Unternehmungen sind Gebilde eigener Art und eigener Bedeutung und von eigenem Schwergewicht. Sie bestimmen mit ihrem Anteil von 80 % am Kapital aller Gesellschaften entscheidend die Struktur der Wirtschaft. Sie werfen damit Probleme auf, an denen man nicht mit einigen wenigen Bemerkungen vorübergehen kann.
    Nicht nur der Zug zum Großunternehmen und die Tatsache, daß die Großunternehmen immer stärker die Struktur der Wirtschaft bestimmen, ist wichtig, sondern auch der Umstand, daß wir 'es mit stark differenzierten Größenordnungen der Unternehmungen zu tun haben. Ich sagte bereits, daß sich bei insgesamt 2400 Gesellschaften im Jahre 1959 80 % des Kapitals auf 225 Großbetriebe konzentriert. Daneben gibt es aber 1500 mittlere Gesellschaften mit einem Kapital von 0,5 bis 3 Millionen DM und mehr als 600 Gesellschaften mit einem Kapital unter 500 000 DM. Das Kapital der letztgenannten Gesellschaften befindet sich entweder in der Hand von Einzelpersonen oder in der Hand eines kleinen Teils von Gesellschaftern, die noch gemeinsam zusammenwirken, oder es handelt sich um Familiengesellschaften. Das Statistische Bundesamt gibt die Zahl der Familiengesellschaften mit 400 und ihr durchschnittliches Kapital mit 300 000 DM an.

    (Zuruf rechts: Sind das nur Aktiengesellschaften?)

    — Ich spreche nur von Aktiengesellschaften. — Das sind doch Unterschiede! Bei den kleinen Unternehmen spielt privates Eigentum noch eine entscheidende Rolle. Bei ihnen können die Verhältnisse im Betrieb von den Gesellschaftern noch übersehen werden, ja da können die Gesellschafter-Eigentümer auch noch den Gang der Dinge beeinflussen. Die Bedeutung für die Öffentlichkeit, das öffentliche Interesse und die Gefahren für die Entwicklung der Gemeinschaft sind jedoch bei diesen Unternehmungen denkbar gering.
    Es ist sinnlos, alle Aktiengesellschaften — mit nur ganz geringen Ausnahmen — praktisch über einen Kamm zu scheren. Vieles, was für die normale Gesellschaft notwendig ist, ist für die kleinen Gesellschaften keineswegs notwendig, und vieles, was für die normalen Gesellschaften gut ist, reicht nicht aus für jene Mammutgesellschaften, von denen ich vorhin gesprochen habe. Ein Gesetzgeber, der für sich in Anspruch nimmt, eine Reform durchzuführen, darf an diesen Strukturunterschieden nicht vorübergehen.
    Nun lassen Sie mich ein paar 'Bemerkungen zu jenen Großgesellschaften machen, die über eine Riesenzahl von Aktionären verfügen. Wir wissen, daß der Zug immer mehr zu diesen sogenannten Publikumsgesellschaften geht. Auch hier kann man an der Struktur der Unternehmungen nicht vorübergehen. Bei diesen Unternehmungen handelt es sich um Riesengebilde, die zu steuern, zu beherrschen und zu führen sind allein mit dem Mittel der Organisation, d. h. dadurch, daß das Ganze horizontal und vertikal in zahlreiche Einzelbereiche aufgegliedert wird, wobei jeder einzelne Teilbereich seine eigenen Aufgaben, seine eigenen Zuständigkeiten und seine eigene Verantwortung hat. Das Ganze wird wiederum durch das Mittel der Organisation so zu einer Einheit zusammengefaßt, daß sich die Kenntnis von dem, was in dem Unternehmen vorgeht, die Möglichkeit und das Recht, Entscheidungen zu treffen, auf eine ganz kleine Gruppe konzentriert,



    Dr. Deist
    die wir als das Management zu bezeichnen pflegen. Das ist ein ganz zwangsläufiger Prozeß, den wir nicht mit einigen Thesen über die Bedeutung des Eigentums im modernen Aktienrecht aus der Welt schaffen können. Er führt notwendig zu einer Zentralisierung der Verfügungsmacht von großem Ausmaß.
    Dieses Management verfügt in Großunternehmungen normalerweise über eine hervorragende personelle und maschinelle Apparatur. Ihm stehen die Mittel der modernen Menschenführung zur Verfügung. Denken Sie an das Heer von Betriebspsychologen, Betriebsphysiologen, Betriebssoziologen, Betriebsärzten und Betriebskrankenschwestern, denken Sie an die Betriebsgesangvereine und Betriebsfußballvereine. Das sind alles Mittel zur Beeinflussung der Menschen, zur Menschenführung. Dieses Management verfügt über ein Potential an Finanzkraft und an Menschen wie kein anderes Großgebilde der Gesellschaft.
    Parallel zu diesem Prozeß der Zentralisierung der Verfügungsmacht bei dem Management verlief in den letzten dreißig Jahren zwangsläufig ein entsprechender Prozeß der Aushöhlung der Befugnisse der Aktionäre. Denn naturgemäß kann die Verfügung über solche Vermögenskomplexe nicht doppelt ausgeübt werden. Wenn dem einen etwas an Verfügungsmacht zuwächst, geht dem anderen zum Teil Verfügungsmacht verloren. Der Deutsche Juristentag hat im Jahre 1955 eine Studienkommission eingesetzt, die zum gleichen Ergebnis gekommen ist. Der Herr
    Bundesjustizminister hat einiges von diesen Ergebnissen hier wiedergegeben. Da steht aber auch drin: es lasse sich nicht leugnen, daß der Sache nach der Wille der Anteilseigner in einem weiten Maße für die Art der Herrschaftsausübung unmaßgeblich geworden sei. Das Gesetz statte die Aktionäre mit Befugnissen aus, die sie auszuüben weder in der Lage noch ernstlich bestrebt seien. Der amerikanische Wirtschaftswissenschaftler Professor Berle jun. hat sich über die Hauptversammlungen der großen Gesellschaften deutlicher ausgesprochen: Jeder weiß, daß die Aktionärsversammlungen von heute eine Art sinnlosen Rituals geworden sind.
    Dr. Littmann von der Universität in Münster, der dieses Problem wissenschaftlich gründlich untersucht hat, kommt zu dem Ergebnis — das ist eine wichtige Feststellung, die jeder, der an Privateigentum und an der Aufrechterhaltung von Privateigentum Interesse hat, sich merken sollte —:
    daß die Institution des Privateigentums entscheidend geschwächt, wahrscheinlich sogar aufgegeben wird, sowie eine Überleitung von Produktionseinheiten in die Rechtsform der Kapitalgesellschaften bei gleichzeitiger breiter Streuung des Grundkapitals erfolgt.
    Das ist eine Konsequenz, die ein Wissenschaftler aus der Entwicklung der Tatsachen gezogen hat. Dieser immer schwächer werdenden Hauptversammlung steht als zentrale Gewalt innerhalb des Unternehmens das Management gegenüber. Das ist auch wieder nicht so einfach zu verstehen, als wenn das der Vorstand des Unternehmens wäre, sondern hier geht es um die Zusammenarbeit zwischen den maßgeblichen Vertretern der Depotbanken in den Aufsichtsräten, den maßgebenden Männern des Vorstandes und vielleicht einem Großaktionär des Unternehmens. In diesen Großgesellschaften --- von denen spreche ich — steht der sachliche Ablauf der Hauptversammlung und ihr Ergebnis von vornherein fest. Da darf sehr viel Wirbel entstehen, das tut alles nichts zur Sache; das Ergebnis ist vorher bestimmt. Für die Hauptversammlungen gilt eben heute der Satz: Die Redenden wissen nicht, und die Wissenden reden nicht.
    Meine Damen und Herren, wir haben diese Entwicklung beobachten können bei den Hauptversammlungen jener Gesellschaften, bei denen Sie sich so viele Mühe gegeben haben, nicht nur breites Eigentum zu streuen — damit sind wir durchaus einverstanden, wenn auch nicht mit Ihren Methoden —, sondern bei denen Sie auch geglaubt haben, eine Wiederbelebung des Aktionärs der Großgesellschaft durchführen zu können. In der Hauptversammlung der Preußag wurde nicht nur der Rahmen, sondern auch ihr Gepräge durch schmetternde Marschmusik bestimmt. Beim Volkswagenwerk waren der ganze Parkplatz und der Anmarschweg zur Versammlungsstätte ein einziger Rummelplatz mit Würstchenbuden und ähnlichen Requisiten. Von den 5- bis 6000 Teilnehmern dieser Massenversammlung, die sich zwischendurch aus mitgebrachten Stullenpaketen zu verpflegen hatten, waren nach siebeneinhalbstündiger Dauer gerade noch 500 Mann im Saal.

    (Zuruf von der SPD: Die Marschverpflegung war ausgegangen!)

    Ich glaube, jener Teilnehmer, den die Frankfurter Zeitung zitierte, hatte nicht ganz unrecht, als er sagte, hier liege ein Aktienrecht zugrunde, das in die Gegenwart passe wie ein Dreirad auf die Autobahn. Aber das Wesentliche: Alles verlief nach Wunsch. Die Steuerung war so gut, daß zum Schluß das Ergebnis herauskam, das vorher gewollt war. Professoren, die dieser Entwicklung wohlwollender als ich gegenüberstehen, pflegen das so auszudrükken, wie es Herr Professor Schwantag getan hat, indem er sagte, die Labilität der Willensbildung der Hauptversammlung werde oft durch den Einfluß der Unternehmensleitung stabilisiert. So kann man das auch ausdrücken, nur bleibt der Tatbestand der gleiche.
    Hier besteht ein unüberbrückbarer Gegensatz zwischen dem Verfassungsrecht, wie es im Aktiengesetz niedergelegt ist, und der Verfassungswirklichkeit. Tatsächlich ist in diesen Großgesellschaften die Hauptversammlung als Vertretung der Eigentümer ein unbrauchbares Instrument. Sie ist als eigenständiges Organ mit eigener Willensbildung funktionsunfähig. Und sie wird entweder vom Großaktionär beherrscht oder durch das Management ferngesteuert. Diesen so hart ausgedrückten Tatbestand muß man beachten, wenn man an eine Reform des Aktienrechts geht.
    Demgegenüber steht das Management, das sich praktisch durch Kooptation ergänzt; der Beschluß der Hauptversammlung über die Zuwahl von Auf-



    Dr. Deist
    sichtsratsmitgliedern ist eine reine Formalie, wie jeder weiß, der Hauptversammlungen von Großgesellschaften mitgemacht hat. Das heißt, der Aufsichtsrat in der großen Aktiengesellschaft hat keine gültige Legitimation mehr und er kann infolgedessen auch keine wirksame Kontrolle ausüben. Herr Professor von Nell-Breuning hat in diesem Zusammenhang den bemerkenswerten Ausspruch von dem „sozusagen freischwebenden Management" geprägt. Man muß sich die Frage stellen, inwieweit der vorliegende Entwurf dieser Entwicklung und der Wirklichkeit von heute gerecht wird.
    Das betraf die rechtliche Verfassung der Großunternehmung. Aber wir sollten auch daran denken, daß die Menschen in diesen Unternehmungen in eine ganz andere Umwelt und in ständig sich ändernde Umweltbedingungen hineinwachsen. Technisch und kaufmännisch sind unsere Unternehmen im großen und ganzen hervorragend organisiert. Mit der Eingliederung des Menschen als einer Persönlichkeit mit Selbstbestimmungsrecht ist die Großgesellschaft bis heute nicht fertig geworden. Das ist ein Problem — ich sage nicht, das vor der Großgesellschaft steht, sondern das vor uns steht —, mit dem wir fertig werden müssen. In diesen Unternehmungen besteht eine solche absolute Abhängigkeit voneinander und von der Spitze, daß man wohl sagen kann, daß diese Abhängigkeit der Menschen über das Ökonomische weit hinausgeht. Hier gibt es ein Maß von Fremdbestimmung und einen Mangel an Selbstbestimmung, der zu erheblichen Konflikten führen kann. Die Unternehmen wissen das; sonst hätten sie nicht soviel Institutionen für Public Relations und wie sich das sonst nennt, geschaffen. Wir müssen uns aber darüber klar sein, daß bei diesen Public Relations die Verwertbarkeit der Arbeitskraft für das Unternehmen, aber nicht der Wert des Menschen als einer sittlichen Persönlichkeit im Vordergrund steht. Das ist ein wichtiges menschliches Verfassungsproblem, vor dem wir in der modernen Industriegesellschaft stehen. Auch hier erhebt sich die Frage, Herr Bundesjustizminister: ist die heutige Verfassung der Aktiengesellschaft mit ihren jetzigen Institutionen, mit den Menschen, die auf Grund dieser Verfassung zwangsläufig zur Führung kommen, und mit der Wirtschaftsgesinnung, die in solchen Unternehmungen zwangsläufig entstehen muß, ist eine solche Großunternehmung wirklich in der Lage, einen gültigen Beitrag zur Lösung dieses menschlichen Problems zu leisten?
    Und schließlich eine dritte Konsequenz, meine Damen und Herren. Diese Großunternehmungen stehen ganz überwiegend nicht im sogenannten freien Wettbewerb zueinander. Sie sind Machtgebilde, sie betreiben Marktstrategie, sie machen Investitionspolitik, sie machen Preispolitik. Wer will bestreiten, daß Entscheidungen z. B. in der Großchemie, in der Automobilindustrie, in der Elektroindustrie, bei Kohle, bei Stahl, in der Mineralölindustrie nicht grundlegende Bedeutung für die Gestaltung des Arbeitsmarktes, für die Preisentwicklung, für die Einkommensverteilung und für die allgemeine Versorgung der Bevölkerung haben? Auch daraus muß man Konsequenzen ziehen. Hier zeigt sich, daß diese Großunternehmen ein wesentlicher Teil unserer Wirtschafts- und Gesellschaftsverfassung geworden sind. Hier zeigt sich ferner, daß das keine reine Privatsache mehr sein kann, daß das Dinge sind, die uns alle — als Verbraucher und als Staatsbürger — angehen.
    Jetzt frage ich mich: Wie soll ein Gesetzentwurf, der so begründet wird, wie der Herr Bundesjustizminister es eben getan hat, mit diesen gewaltigen Veränderungen der letzten 30 Jahre fertig werden? Das Aktienrecht des Jahres 1937 hatte aus der Entwicklung der ersten 30 Jahre klare Konsequenzen gezogen. Ich will nur zwei Dinge nennen, die zeigen, wie deutlich diese Konsequenz war, und die den Unterschied zu heute klarmachen. Damals wurde in dem § 70 ausdrücklich bestimmt, daß die Verwaltung eines Unternehmens nicht nur das Interesse der Aktionäre, sondern auch die Aufgabe und das Interesse des Unternehmens, die Interessen der Belegschaft und das allgemeine Wohl zu beachten habe. Dieser Paragraph ist in dem Entwurf gestrichen. Ich komme auf die Begründung des Entwurfs in dieser Beziehung gleich noch kurz zurück.
    Weiter hat das damalige Aktienrecht radikal mit jener falschen Eigentumstheorie Schluß gemacht, die so tut, als ob es sich bei diesen Großgesellschaften wirklich noch um privates Eigentum handle. Meine Damen und Herren, bis dahin, bis zum Jahre 1930 bzw. 1937, hatten die Hauptversammlungen als Vertretungen der Gesellschafter noch alle wesentlichen Befugnisse. Sie konnten praktisch alle Entscheidungen des Unternehmens an sich ziehen, ja, sie konnten sogar den Vorstand wählen. Damit hat das Aktienrecht damals Schluß gemacht. Weder in der Begründung des Gesetzentwurfs von 1930 noch in der Begründung des Entwurfs von 1937 wird der Versuch gemacht, die innere Organisation, die Zuständigkeit der Gesellschafter, der Aufsichtsräte und der Vorstände auf Eigentum zurückzuführen. Damals wußte man ganz genau: hier wird für einen Vermögenskomplex, der ein Tatbestand an sich ist, eine körperschaftliche Verfassung geschaffen, und damals wußte man ganz genau: da gibt es eben nur Mitgliedschaftsrechte der Gesellschafter. Diese Mitgliedschaftsrechte — das können 'Sie in jedem Lehrbuch nachlesen — sind entweder Verwaltungsrechte oder Vermögensrechte. Die Verwaltungsrechte bestehen im wesentlichen im Stimmrecht bei der Wahl des Aufsichtsrats und im Auskunftsrecht, und das Vermögensrecht beschränkt sich im wesentlichen auf den Anspruch auf Dividende.
    Das war die Konsequenz, die seinerzeit gezogen wurde. Und es wurde auch nicht der Versuch gemacht, die körperschaftliche Verfassung mit falschen Argumenten abzustützen.
    Nun, meine Damen und Herren, sehe ich mir demgegenüber .die 'Begründung zum Entwurf des Jahres 1962 an. Da finden sich folgende drei bemerkenswerte Sätze, die im wesentlichen mit den einleitenden Bemerkungen des Herrn Bundesjustizministers übereinstimmen. Da heißt es:
    Unsere Rechts- und Wirtschaftsordnung beruht
    auf der Anerkennung und dem Schutz des pri-



    Dr. Deist
    vaten Eigentums und der freien Verfügung über das Eigentum.
    Ist zu akzeptieren! Wir haben nur zu untersuchen, wo wirklich noch freie Verfügung über das Eigentum vorhanden ist.
    Dann ein zweiter Satz:
    Ein Aktienrecht, das diesen Grundsätzen unserer Wirtschaftsverfassung entsprechen soll, muß daher von dem wirtschaftlichen Eigentum der Aktionäre an dem auf ihren Kapitalbeiträgen beruhenden Unternehmen ausgehen ...
    Und dann der dritte Satz — sehr mutig ausgesprochen —:
    Dabei muß das Organ der Aktionäre, die Hauptversammlung, den Einfluß erhalten, der der Eigentümerstellung der Aktionäre entspricht.
    Nichts von den Strukturveränderungen in der Wirtschaft, dagegen ein krampfhaftes Bemühen, einen wirtschaftlichen Eigentumsbegriff dort einzuführen, wo er nun wirklich keinen Platz mehr hat! Man tut so, als ob diese Entwicklung der letzten 30 bis 50 Jahre ein gewaltiger Irrtum der Geschichte wäre, den man — davon geht jedenfalls die Begründung des Gesetzentwurfs aus — wieder rückgängig machen könne.
    Lassen Sie mich zu der Verwendung des Begriffs wirtschaftliches Eigentum ein paar Worte sagen. Wir kennen in Rechtswissenschaft und Rechtspraxis den Begriff ides wirtschaftlichen Eigentums, nämlich bei der Sicherungsübereignung. Da nennen wir wirtschaftlichen Eigentümer den, der zwar nicht formal Eigentümer ist, aber wirtschaftlich das Verfügungsrecht aber die Sache hat. Hier machen wir zum wirtschaftlichen Eigentümer jemanden, der weder ein formales Eigentumsrecht noch irgendein Verfügungsrecht aber die Sache hat. Meine Damen und Herren, das grenzt an öffentliche Irreführung, insbesondere in einem Lande, von dem wir wissen, mit welchen Hypotheken die Auseinandersetzung über das private Eigentum durch alles Idas belastet ist, was jenseits der Zonengrenze vor sich geht.
    Lassen Sie mich dazu noch ein zweites, sehr ernstes Wort sagen, weil ich in diesem Teil des Gesetzentwurfs und der 'Begründung einen Kardinalpunkt sehe. Ich meine das Spiel mit dem Eigentumsbegriff und den Bedeutungswandel, den der Eigentumsbegriff durch die Rechtsprechung im Laufe der letzten 20, 25 Jahre erhalten hat. Er hängt zusammen mit der Eigentumsgarantie in der Verfassung. Wir kennen in allen Verfassungen seit der amerikanischen Verfassung diese Garantie des Eigentums, zuletzt bei uns in der Weimarer Verfassung und im Grundgesetz. Aber bis zur Weimarer Verfassung bestand in Rechtswissenschaft und Praxis Übereinstimmung darüber, daß es sich dabei nur um die Garantie jener dinglichen Rechte an Sachen, an unbeweglichen und beweglichen Gegenständen, handeln könne, die die Gesetzgebung als „Eigentum" bezeichnete.
    Meine Damen und Herren, jetzt möchte ich nicht meine eigene Meinung sagen, sondern Ihnen kurz darstellen, was ein anderer guter Demokrat der
    Weimarer Republik, nämlich Professor Willibald Apelt, über die Entwicklung der Rechtsprechung gesagt hat. Willibald Apelt hat zusammen mit Preuß die Weimarer Verfassung bearbeitet und ist eine zeitlang demokratischer Innenminister, ich glaube, in Sachsen gewesen. Er hat sich nach den leidvollen Erfahrungen des Dritten Reiches mit der Geschichte der Weimarer Verfassung befaßt. Er sagt in bezug auf die Wandlung ides Eigentumsbegriffs auch bei der Rechtsprechung folgendes — ich darf mit Genehmigung des Herrn Präsidenten zitieren -:
    An diesem Sachbestand
    — daß es sich nur um Sachenrechte im eigentlichen Sinne handeln könne —
    haben Theorie und Praxis nicht gezweifelt, bis im Jahre 1924 ein namhafter Zivilist der Universität Berlin in einer Abhandlung „Reichsverfassung und Eigentum" ohne nähere Begründung die Behauptung aufstellte, die Verfassung verstehe unter Eigentum ... jedes private Vermögensrecht, gleichviel ob dinglichen oder persönlichen Charakters ... Diese Auffassung wurde sofort vom Reichsgericht aufgegriffen.
    Er kommt dann zu folgender Schlußfolgerung:
    Mit dieser Auffassung, der sich anzuschließen andere hohe Gerichtshöfe nicht zögerten, hatte sich das Reichsgericht einen Hammer geschmiedet, mit dem es nicht nur das in langer Verwaltungserfahrung erprobte Rechtsinstitut der Enteignung, sondern noch sehr viel Weiteres, nämlich einen beträchtlichen Teil des gesamten aus der Zeit des konstitutionellen Staatsrechts überkommenen, von sozialem Geiste erfüllten Verwaltungsrechts zerschlug.
    Er stellt dann schließlich fest:
    Dieser Vorgang hat nicht nur seine staatsrechtliche und für Staat und Gemeinden finanzielle Seite, sondern auch eine allgemein politische Bedeutung... Es war das Mißtrauen gegen ein auf der Souveränität des Volkes beruhendes Parlament, das alle Kreise, welche die Demokratie ablehnten, aufrief, nach Mitteln zu suchen, um der Legislative Schranken zu setzen, sie daran zu hindern, weitergreifende soziale Umstellungen durchzuführen.
    Meine Damen und Herren, ich kennzeichne hier nur eine Entwicklung. Der Bundesgerichtshof hat leider diese Rechtsprechung aufgenommen und weitergeführt. Ich möchte kein Mißverständnis aufkommen lassen: es liegt mir völlig fern, dem Bundesgerichtshof politische Motive bei seiner Rechtsprechung unterschieben zu wollen. Mir kommt es, nur darauf an, diesen Bedeutungswandel der Eigentumsgarantie klar herauszustellen.
    Im Zuge dieses Bedeutungswandels muß der Versuch gesehen werden, den Begriff des wirtschaftlichen Eigentums zur Kennzeichnung der Mitgliedschaftsrechte der Aktionäre in die offizielle Begründung des Gesetzentwurfs einzuführen. Die Verfasser wissen natürlich genau, daß die Begründung eines Gesetzentwurfs durch die Regierung zu den Gesetzesmaterialien gehört. Sie wissen genau, daß sie in diesem Bundestag damit rechnen können, daß die



    Dr. Deist
    gleiche Melodie von der Mehrheit hier weitergespielt wird. Und sie wissen auch, daß damit Fakten geschaffen werden, mit denen man eine Auslegung des Grundgesetzes vorbereiten kann, die jede soziale Ausgestaltung des Verfassungsrechts der Unternehmungen verfasungsrechtlich blockiert.
    Diesen Sachverhalt und die Tendenzen, die hier obwalten, muß man sehr deutlich sehen, und in bezug auf das Mitbestimmungsrecht als einen wichtigen Teil des Verfassungsrechts der Großwirtschaft hat der Herr Bundesjustizminister, möchte ich sagen, auch kein Hehl aus dieser Absicht gemacht.
    Meine Damen und Herren, das ist auch der Grund dafür — einen anderen sehe ich nicht —, daß Sie sich so dagegen wehren, das begrenzte Gesellschaftsrecht zu einem umfassenden Unternehmensrecht auszugestalten. Die Beschränkung auf gesellschaftsrechtliche Beziehungen bedeutet nämlich, daß alle wesentlichen Bestimmungen des Gesetzes unter dem Gesichtspunkt der Beziehungen zwischen Gesellschafter bzw. Anteilseigner auf der einen und den Unternehmen auf der anderen Seite gesehen werden, daß man auch bei der Großgesellschaft entgegen der tatsächlichen Entwicklung von der Identität zwischen Unternehmensinhaber und Unternehmen ausgeht, als ob nicht hier sich nur der Inhaber und das Vermögensobjekt, über das er zu bestimmen hat, einander gegenüberstünden.
    Wenn man nicht bereit ist, anzuerkennen, daß diese modernen Unternehmen als soziale Tatbestände zu eigener Bedeutung und zu eigenem Gewicht — in vielfältigen Beziehungen zur Belegschaft, zur übrigen Wirtschaft, zur gesamten Gesellschaft stehen, dann kann allerdings die Begrenzung auf die gesellschaftsrechtlichen Beziehungen in einem Unternehmen zu Fehlschlüssen — vielleicht zu gewollten Fehlschlüssen — führen.
    Es ist nicht so, Herr Bundeswirtschaftsminister, daß dieser Entwurf auch in diesem Punkt auf der Höhe der modernen Wissenschaft stände. Es ist nicht so, daß z. B. die Studienkommission des Juristentags auch diese Auffassung verträte. Da finden sich zwei bemerkenswerte Hinweise. Der erste Hinweis in dem Gutachten, das von Herrn Professor Ballerstedt im Auftrage der Studienkommission erstattet ist, lautet:
    Auch die gesamtwirtschaftliche Rolle des Unternehmens, wie sie namentlich in der Bindung der Unternehmungsführung an das Gemeinwohl — § 70 — zum Ausdruck kommt, läßt sich nur dann befriedigend einordnen, wenn man das Unternehmen nicht unter dem Gesichtspunkt rein erwerbswirtschaftlicher Interessen betrachtet.
    Und ein zweiter Hinweis:
    Nach der Meinung der Mehrheit der Ausschußmitglieder sei in dem Begriff Unternehmensrecht ein systematischer Ansatzpunkt dafür geboten, Unternehmer, Kapitaleigner und Arbeitnehmer als jeweils in besonderer Weise Beteiligte und Mitträger zu würdigen.
    Nun, Herr Bundeswirtschaftsminister, wir haben von Ihnen vernommen: das eben durfte nicht sein; die angemessene Würdigung und Berücksichtigung dieser anderen Teilnehmer — auch der Arbeitnehmer — z. B. in der Unternehmensverfassung durfte nicht sein. Die Ausweitung zu einem Unternehmensrecht hätte zwangsläufig dazu geführt, an diese Grundlagen der Unternehmensverfassung heranzugehen. Die Beschränkung auf das Gesellschaftsrecht macht es halt einfacher, über diese Probleme eines modernen Großunternehmens hinwegzugehen.
    Herr Bundesjustizminister, ich möchte sagen: das ist der grundlegende, entscheidende Mangel dieser Aktienrechtsreform, daß die Konstruktion eines wirtschaftlichen Eigentums und der Verzicht auf ein umfassendes Unternehmensrecht dem Ziele dienen, eine fortschrittliche Entwicklung der Unternehmensverfassung zu verhindern.
    Meine Damen und Herren, damit komme ich zu einigen wichtigen Problemen des Entwurfs. Ich möchte naturgemäß Einzelfragen der Beratung im Ausschuß und der zweiten Lesung überlassen. Kennzeichnend für den Geist der vorgelegten Aktienrechtsreform ist die Tatsache, daß der § -70 deis geltenden Aktienrechts, der ausdrücklich beistimmte, daß die Interessen des Unternehmens, der Arbeitnehmer, die Gesamtinteressen zu berücksichtigen seien, ersatzlos gestrichen ist. Die Begründung sagt, dieser Paragraph könne gestrichen Werden, weil er eigentlich selbstverständlich sei. Der Bundesjustizminister muß jedoch wissen, daß es viele Kommentatoren gibt — er möge sich dazu das neue Handbuch für die Sozialwissenschaften ansehen —, die durchaus anderer Meinung sind. Sie meinen, daß z. B. die Berücksichtigung der Arbeitnehmerinteressen ein Sonderfall des deutschen Aktienrechts sei. Es ist also nicht richtig, daß es sich hier um einen selbstverständlichen Bestandteil des Aktienrechts handelt, insbesondere dann, wenn man alle Organe und ihre Befugnisse zentral auf das sogenannte wirtschaftliche Eigentum zurückzuführen sucht.
    Ein zweites, meine Damen und Herren! Diesle falsche Blickrichtung führt dazu, daß die Besonderheit der kleinen Unternehmen, insbesondere der Familiengesellschaften, völlig vernachlässigt wird. Es ist bei der Differenzierung in den Größenordnungen einfach unmöglich, alle Aktiengesellschaften gleichen Bestimmungen zu unterwerfen. In einem Punkte ist das auch dem Bundesjustizministerium und der Bundesregierung aufgefallen. Auch sie haben bemerkt, daß der Ausweis der Bruttoumsätze für kleine Unternehmungen etwas ganz anderes bedeutet als für Großunternehmungen. Das ist ein erster Ansatzpunkt — entgegen Ihrer Theorie, Herr Bundesjustizminister —, kleine und mittlere Unternehmen angemessen zu berücksichtigen. Dieser Ansatz müßte systematisch weiter verfolgt werden. Der Gleichheitsgrundsatz kann nur bedeuten, daß gleiche Tatbestände gleich behandelt werden und daß infolgedessen für Unternehmen gleicher Art und Größe und gleicher volkswirtschaftlicher Bedeutung die gleichen Bestimmungen gelten. Das sollte für die Publizität, das sollte für die Mitbestimmung, und das sollte wohl auch für die steuerliche Seehandlung gelten. Ich meine, die selbständigen Unternehmer und die kleineren und mittleren Aktiengesellschaften, insbesondere die Familiengesellschaften, sollten sich



    Dr. Deist
    dagegen wehren, daß sie mit ihrem Eigentum in gleicher Weisse behandelt werden wie anonyme Großgesellschaften in der Wirtschaft. Sie sollten sich dagegen wehren, nicht weil sie besser wären oder weil die Großgesellschaften schlechter wären, sondern weil sie anders sind und ein Recht darauf haben, anders behandelt zu werden.
    Wir haben uns bemüht, in dem Entwurf über Publizität, den wir vorgezogen haben, diesem Gesichtspunkt in weiterem Umfang Rechnung zu tragen, als das in dem Regierungsentwurf geschieht. Wir sind der Auffassung, daß diesem Problem in den Beratungen im Ausschuß besondere Bedeutung beigemessen werden muß.
    Die verfassungsmäßige innere Ordnung, die Bildung und die Zuständigkeit der Organe, ist ein Kapitel, an das sich der Entwurf überhaupt nicht ernsthaft heranwagt. Es ist wirklich kein Zeichen besonderen Wohlwollens für das Mitbestimmungsrecht der Arbeitnehmer, und es ist auch kein Zeichen einer wesentlichen Verbesserung des Gesetzes, wenn der Entwurf dazu übergeht an der einen oder anderen Stelle darauf hinzuweisen, daß auch das Mitbestimmungsgesetz berücksichtigt werden müsse. Das ist rechtstechnisch sauber, hat aber mit einer wirklichen Reform und einer Neugestaltung des Aktienrechts nicht das mindeste zu tun.
    Es ist nicht sehr sinnvoll, wie es im Entwurf vorgesehen ist, weitere Rechte an eine Hauptversammlung zu übertragen, die keine ausreichende Legitimation und keine Möglichkeit autonomer Willensbildung hat, sondern im Grunde genommen ferngesteuert wird. Jede Übertragung von Befugnissen an eine solche Hauptversammlung und jede Übertragung von Befugnissen an Aufsichtsräte, die in keiner ernsthaften Beziehung zu dieser Hauptversammlung stehen, werden zu Scheinmaßnahmen. Es ist besser, eine unabhängige, funktionsfähige Hauptversammlung mit geringeren Befugnissen als ein ferngesteuertes Organ mit formal großen Befugnissen zu haben.
    Meine Damen und Herren, die bisherige Entwicklung gibt an sich Ansatzpunkte für eine solche Ausgestaltung der Unternehmensverfassung. Aber alle diese Ansatzpunkte sind im Entwurf unberücksichtigt geblieben.
    Zunächst einmal das Depotstimmrecht. Sie geben sich sehr viel Mühe, die Bedenken, die gegen das Depotstimmrecht bestehen, auszuräumen. Wir sollten offen sehen, daß wirklich Bedenken bestehen, so zu tun, als wenn die Depotbanken im Auftrage, in Vertretung, in Vollmacht der Aktionäre handelten. Die Verhältnisse sind nicht so. Nun gibt sich der Entwurf Mühe, einige formale Maßnahmen bis zur Schaffung eines Musters für die Vollmachterteilung zu treffen, um dieser Fehlkonstruktion einige Korsettstangen einzuziehen. Dabei sind Sie aber nicht konsequent, Herr Bundesjustizminister. In dem Gesetz über das Volkswagenwerk hatten Sie noch den Mut, konsequent zu sein. Da heißt es: Die Depotbank darf nur abstimmen, wenn sie spezielle Weisungen der Aktionäre hat. Das wäre vielleicht noch eine Abart von Vertretungsverhältnis. Aber
    Sie wissen, daß das nicht geht. Infolgedessen ist diese Bestimmung im vorliegenden Aktienrecht nicht mehr erschienen. Im Gegenteil, Sie sagen sehr deutlich, die Bank solle dem ihr erkennbaren Interesse des Aktionärs entsprechen.
    Daß Sie im Grunde genommen nur formale Änderungen vornehmen, ergibt sich aus Ihrer eigenen Begründung, in der es heißt: Die Bedenken können nicht mehr erhoben werden, wenn das Stimmrecht der Banken, wie es der Entwurf vorschlägt, eindeutig zu einem von den Banken im Auftrag des Aktionärs nach dessen Weisung ausgeübten Stimmrecht umgeformt wird. Hier wird sehr deutlich, daß an der Sache gar nichts geändert wird, sondern nur etwas an der rechtlichen Konstruktion.
    Ich frage mich, Herr Bundesjustizminister: Warum keine sachgerechte Konsequenz aus den Tatsachen? Das Depotstimmrecht ist heute unverzichtbar; ich konzediere das ohne weiteres. Ohne Depotstimmrecht hätten wir viele nicht beschlußfähige Hauptversammlungen, da eben der Aktionär alles das, was Sie ihm zurechnen wollen, einfach nicht erfüllen kann.
    Ich gebe auch zu, daß die Banken in gewissem Umfange sachgerechte Entscheidungen in der Hauptversammlung ermöglichen. Aber warum sind Sie nicht konsequent? In Ihrem Entwurf findet sich ein bemerkenswerter Satz. Da heißt es nämlich nicht, daß das Depotstimmrecht aus dem Eigentumsrecht entwickelt werde, sondern da heißt es, das Depotstimmrecht sei „eine der Grundlagen der Verfassung der Aktiengesellschaft."
    Meine Damen und Herren, warum gestaltet die Bundesregierung dieses Depotstimmrecht nicht entsprechend aus als eine eigenständige und eigene Verantwortung begründende Aufgabe der Bank im Rahmen der körperschaftlichen Verfassung dieser Unternehmen? Warum diese Konstruktion einer Vollmachterteilung, die kein Mensch ernst nehmen kann? Und warum nicht durch Gesetz die Legitimation und den Aktionsrahmen der Depotbanken klar regeln und damit die so legitimierte Bank zu einem Hilfsorgan der Willensbildung im Rahmen einer körperschaftlichen Unternehmensverfassung machen? Dann brauchen Sie diese gewaltsamen Konstruktionen einer zivilrechtlichen Vollmachtserteilung nicht. Meine Damen und Herren, hier wäre ein Ansatzpunkt zu einer sachgerechten, wirklichkeitsnahen Ausgestaltung des Unternehmensrechts gegeben. Aber Sie würden natürlich in Konflikt mit Ihrer nicht mehr haltbaren Theorie von der Eigentümerstellung der Aktionäre kommen.
    Ich meine, daß in den von Ihnen so propagierten und geförderten Aktionärvereinen auch ein Ansatzpunkt zu einer modernen Ausgestaltung der Unternehmensverfassung wäre. Da der einzelne Aktionär nicht zu reaktivieren ist, wäre es schon der Mühe wert, sich zu überlegen, ob man nicht durch eine Zusammenfassung in Gruppen, die demokratisch geordnet werden und ihre Meinung demokratisch bilden, einen Ansatzpunkt zu einer modernen Verfassung finden könnte. Aber da hängen Sie wieder an Ihrem Gleichheitsgrundsatz und binden die Aktio-



    Dr. Deist
    närvereine bei der Stimmabgabe an dieselben Formalien, die Sie für das Depotstimmrecht der Aktiengesellschaften vorschreiben. Dabei müßten Sie doch zugeben: die technische Bewältigung dieses Formularkrams ist für die Bank kein Problem: an der Tatsache, daß es sich trotzdem um keine echte Vollmacht und Beauftragung handelt, ändert das nichts. Für die Aktionärvereine, wenn Sie sie schon aktivieren wollen, ist dieser Formalkram eine große Belastung, und es ist sehr zweifelhaft, inwieweit sie ihn bewältigen können. Aber auf die Idee, daß hier vielleicht Ansatzpunkte für die Bildung demokratischer Einrichtungen für Geltendmachung der Gesellschafterinteressen gegeben wären, daß man daran denken könnte, gesetzlich Vorschriften über den zulässigen Mitgliederkreis, über die innere demokratische Ordnung, über die Offenlegung der Finanzierung in derartigen Aktionärvereinen zu erlassen und so funktionsfähige Gremien der Aktionäre zu schaffen, die in demokratischer Form bei der Bildung der Organe der Unternehmen mitwirken könnten — auf diese Idee sind Sie leider nicht gekommen; diesen Ansatzpunkt haben Sie bedauerlicherweise nicht genutzt. Hier ist dem Gesetzgeber die Möglichkeit gegeben, rechtsgestaltend zu wirken und nicht nur einige rechtstechnische Verbesserungen anzubringen.
    Der dritte Ansatzpunkt, Herr Bundesjustizminister, mit dem auch Sie sich, wenn auch überwiegend negativ, befaßt haben, ist das Mitbestimmungsrecht in Kohle und Stahl. Nun, meine Damen und Herren — Sie haben es selber gesagt —: das ist ein wesentlicher Bestandteil des Verfassungsrechts unserer Großwirtschaft. Warum haben Sie dann nicht den Mut, es entsprechend in das Aktienrecht einzupassen, warum nicht den Mut, hier wirklich eine Unternehmensverfassung moderner Art zu begründen? Die Studienkommission des Juristentags war sich bewußt, daß es eine dringliche Aufgabe sei, idas Mitbestimmungsrecht in das Aktienrecht einzubauen. Der Entwurf der Bundesregierung begnügt sich mit idem Hinweis, idas sei noch zu früh. Wie lange wollen Sie eigentlich warten? Wir haben über 15 Jahre Erfahrungen mit diesem Mitbestimmungsrecht gesammelt. Ich will Ihnen konzedieren, bei einer solch neuen Institution gibt es Kinderkrankheiten wie überall, und es gibt Fehlbesetzungen auf der Arbeitnehmerseite, genauso wie es Fehlbesetzungen auf der Unternehmerseite gibt. Das ist menschlich und kein Einwand gegen eine Institution. Aber im ganzen gesehen, meine Damen und Herren, sollte man nicht nur bei der Festveranstaltung deklamieren, sondern bei solchen Gesetzen berücksichtigen, daß sich dieses Mitbestimmungsrecht ausgezeichnet bewährt hat

    (Beifall bei der SPD)

    und daß dieses Mitbestimmungsrecht einen wesentlichen Beitrag zum sozialen Frieden im Ruhrgebiet geleistet hat.
    Dieses Mitbestimmungsgesetz für Kohle und Stahl enthält einige wesentliche Elemente einer modernen Unternehmensverfassung. Hier wird nämlich ein wichtiger Grundsatz für die Ordnung unserer pluralistischen Gesellschaft durchgeführt: idas machtverteilende Prinzip, um einseitiger Machtausübung entgegenzutreten. Das ist schon ein wichtiger Grundsatz, für den Sie Verständnis haben sollten. Hier werden die Arbeitnehmer als Träger der Arbeitskraft als ein wichtigstes Element des Unternehmens in das Verfassungsrecht eingeführt. Hier sind die institutionellen und die personellen Voraussetzungen geschaffen, um das Problem einer gesunden menschlichen Verfassung in den Unternehmungen zu lösen und das starre System einer Sachen- und menschenbeherrschenden Apparatur etwas aufzulockern. Hier hat man mit idem Institut des elften Mannes, mit dem Vertreter öffentlicher Interessen, mit der Feststellung der Verantwortung der Aufsichtsratsmitglieder auch Elemente eingeführt, die der volkswirtschaftlichen Bedeutung der Großunternehmungen Rechnung tragen.
    Meine Damen und Herren, das sind doch alles keine Argumente, die hier vorgebracht werden, um einen organischen Einbau abzulehnen! Wir denken gar nicht an eine Erweiterung des Mitbestimmungsrechts auf andere große Teile der Wirtschaft. Der organische Einbau dieses Mitbestimmungsrechts — das wurde mehrfach dargelegt — würde etwa 200 his 300 Aktiengesellschaften von insgesamt 2400 erfassen. Aber es sind die großen Unternehmungen, in denen die Überlegungen, die im Mitbestimmungsrecht ihren Niederschlag gefunden haben, Berücksichtigung finden müssen.
    Wenn Sie versuchen, zu überlegen, was die Bundesregierung und den Herrn Bundesjustizminister veranlaßt haben könnte, von einem Einbau des Mitbestimmungsrechts abzusehen, dann sehe ich nur drei Gründe.
    Der erste: Es ist wirklich ein Mangel des Mitbestimmungsrechts, daß es sich auf zwei aus der Gesamtwirtschaft herausgeschnittene Bereiche beschränkt. Vielleicht wollen Sie mit Absicht diesen Mangel nicht beseitigen und damit neue Ansatzpunkte für die Kritik am Mitbestimmungsgesetz geben, die sich in Wirklichkeit nicht gegen das Mitbestimmungsrecht, sondern gegen die aus 'der Not der Zeit geborene und inzwischen sachlich überholte Beschränkung auf Eisen und Stahl und Kohle richtet.
    Zweitens: Die Tatsache, daß es sich um ein Sondergesetz handelt, gibt jeder Argumentation Raum, — und davon wird weidlich Gebrauch gemacht —, dieses Mitbestimmungsrecht, das der Herr Bundesjustizminister hier amtlich als einen wesentlichen Bestandteil des Verfassungsrechts darstellt, in der Offentlichkeit draußen als einen Fremdkörper im Verfassungsrecht der Gesellschaften zu diffamieren.
    Und ein drittes, meine Damen und Herren: Der Verzicht auf 'den Einbau solcher Elemente einer modernen Unternehmensverfassung macht Ihnen überhaupt nur noch möglich, Ihre auf grundfalschen Voraussetzungen aufbauende Eigentumstheorie für die 'Großunternehmen aufrechtzuerhalten.
    Das ist der zweite schwere Mangel des Entwurfs, daß nicht ein einziger Versuch gemacht wird, eine Unternehmungsverfassung zu schaffen, die den heutigen tatsächlichen Verhältnissen gerecht wird.



    Dr. Deist
    Und nun lassen Sie mich noch eine grundsätzliche Bemerkung zum Publizitätsrecht machen. Ich gehe auf die einzelnen Probleme der Publizität nicht ein. Hier sind einige Fortschritte zu verzeichnen. Wir sind der Auffassung, daß der Grundsatz der Publizität nicht konsequent durchgeführt worden ist; aber darüber läßt sich im Ausschuß reden. Ich möchte ein anderes, meines Erachtens entscheidendes Problem anschneiden. Der Entwurf macht es sich sehr einfach. Er sagt: Die Gesellschaft sind die Aktionäre; die Aktionäre haben über das Unternehmen zu entscheiden; wenn sie sachgerecht entscheiden müssen, dann müssen sie wissen, was im Unternehmen los ist; darum muß ausreichende Publizität sein. Nun, meine Damen und Herren, diese Argumentation ist durchaus logisch aufgebaut; der Wert hängt davon ab, ob die Prämissen stimmen.

    (Zuruf.)

    — Darauf komme ich gleich, daß die Prämissen nicht stimmen. Meine Damen und Herren, dabei haben Sie gar nicht sehr viel Mut gehabt, wirklich Konsequenzen zu ziehen. Das einzige Recht, das Sie dem Aktionär geben wollen, ist das Recht, über die Verwendung des Gewinns und damit über die Dividende zu bestimmen. Weitergehende Rechte kommen diesem Aktionär, der eigentlich zu entscheiden hat, was in dem Unternehmen geschehen soll, auch nach Ihrem Entwurf nicht zu. Sie sind gar nicht in der Lage, die Konsequenz, daß der Aktionär über alle wichtigen Dinge zu entscheiden hat, wirklich zu ziehen, und Sie sind auch nicht in der Lage — das ist bemerkenswert —, die Publizität konsequent durchzuführen; denn schon beim Bewertungsrecht hört es bei Ihnen sehr früh auf.
    Sehen Sie, Herr Kollege Atzenroth, das ist es eben, daß, wenn man von der falschen Prämisse ausgeht, daß die Aktionäre in diesen Großgesellschaften Eigentümer sind, die sachgerecht zu entscheiden haben und auch sachgerecht entscheiden können, die an sich logischen Konsequenzen trotzdem falsch sind. Meine Damen und Herren, sollte man nicht in der Frage der Publizität — und ich glaube, da sind wir im Prinzip weitgehend einer Meinung — von realistischeren Voraussetzungen ausgehen? Sollte man nicht sehen, daß die Kleinaktionäre naturgemäß entweder an der Kurssteigerung oder an der Höhe der Dividende interessiert sind? Es ist noch sehr fraglich, woran sie ein höheres Interesse haben, jedenfalls nicht an einer sachgerechten Unternehmungsführung, denn die können sie in den Großgesellschaften nicht beurteilen. Und sollte man nicht auch daran denken, daß es auch bei den Großaktionären noch darauf ankommt, ob das Interesse des Unternehmens oder ihr Vermögensinteresse, z. B. ihren Lebensunterhalt in möglichst großem Umfange aus den Revenuen zu sichern, eine Rolle spielt? Und sollten wir nicht sehen, daß eine große Publizität, die auch den Gewinn ausweist, d. h. einen echten Ausweis der Erträge zum Gegenstand hat, bei der Entwicklung unserer Aktiengesellschaften zwangsläufig die Gefahr einer unsachgemäßen Entscheidung in der Hauptversammlung heraufbeschwört? Daher Ihre Inkonsequenz; daher der Drang, die Publizität, die man erst bejaht, nicht allzuweit auszudehnen; daher der Drang, den Aktionären nicht allzu viele Befugnisse zu geben, und zugleich die Hoffnung, daß die Hauptversammlung über den Hauptaktionär oder über das Depotstimmrecht in jedem Fall richtig gesteuert wird.
    Meine Damen und Herren, ich glaube, hier geht es um ein entscheidendes Problem. Professor Kronstein, der an sich die Theorie, daß hier wirtschaftliches Eigentum zugrunde liegt, und damit Ihren theoretischen Ausgangspunkt teilt, kommt zu dem Ergebnis — ich darf es kurz zitieren —:
    Das Eigentum des Aktionärs ist kein sachenrechtliches Eigentum. Es gewährt kein unmittelbar dingliches Recht am Gesellschaftsvermögen und kein aus dem sachenrechtlichen Eigentum fließendes Herrschaftsrecht, sondern es gewährt einen mitgliedschaftlichen Anspruch auf einen Bruchteil am jeweiligen Gesellschaftsvermögen. Die AG führt als juristische Person ein Eigenleben, und die Verfügungsmacht des Aktionärs über sein in der Aktie verbrieftes Mitgliedschaftsrecht darf nicht in ein Herrschaftsrecht über Vermögenswerte, die der Gesellschaft gehören, ausgeweitet werden.
    Und er zieht die Konsequenz: radikale Publizität, insbesondere auch Ausweis der echten Erträge, aber Entscheidung über die Gewinnverwendung durch die Verwaltung und nicht durch die Aktionäre; das entscheidende Recht der Hauptversammlung soll darin bestehen, auf Grund einer völligen Publizität und eines entsprechenden Auskunft- und Fragerechts die Kontrolle über das Unternehmen auszuüben und diese Kontrolle in der Wahl des Aufsichtsrats zu betätigen.
    Meine Damen und Herren, die Vereinigten Staaten von Amerika, deren Wirtschaft ja wohl auf der Anerkennung des privaten Eigentums beruht — —

    (Zuruf des Abg. Dr. Atzenroth.)

    — Ich nehme zur Kenntnis, daß Herr Atzenroth auch in Frage stellt, ob die Wirtschaftsordnung der Vereinigten Staaten von Amerika auf dem privaten Eigentum beruhe. Dann sind wir allerdings sehr weit gekommen, wenn jeder den Rahmen unserer Wirtschaftsordnung jeweils so eng zieht, wie es ihm gerade paßt, und damit alle unerwünschten Auseinandersetzungen ausschließt. Aber bis jetzt habe ich immer nur gelesen — und bei meinen Reisen in die Vereinigten Staaten erfahren —, daß d Privateigentum dort tatsächlich eine entscheidende Grundlage der Wirtschaftsordnung darstellt. Sonst pflege ich aus Ihren Reihen, Herr Atzenroth, zu hören, daß auch die Gewerkschaften in Amerika diese privatrechtliche Grundlage des Eigentums anerkennen, während dies leider die Gewerkschaften in Deutschland nicht täten.

    (Abg. Dr. Atzenroth: Das stimmt!) Aber lassen wir das beiseite!

    In den Vereinigten Staaten, in denen das Privateigentum eine entscheidende Rolle spielt, ist man jedenfalls zu dem Ergebnis gekommen, daß die Offenlegung wirtschaftlicher Tatbestände wichtiger



    Dr. Deist
    ist als die Übertragung der Feststellung des Jahresabschlusses an die Hauptversammlung.
    Das ist der dritte Mangel, den ich sehe: daß diese Vulgärtheorie des Eigentumsrechts die Regierung daran hindert, eine realistische Lösung des Publizitätsproblems zu finden; diese Vulgärtheorie, die so tut, als ob bei den großen anonymen Gesellschaften wirklich noch privates Eigentum vorhanden sei, und die mit dieser Gleichstellung denen, die wirklich über privates Eigentum verfügen und auch verfügen sollen, bitter Unrecht tut. Darum haben wir einen eigenen Entwurf gebracht, der die Publizität stärker ausgestaltet und davon ausgeht, daß die Entscheidung über die Gewinnverwendung nicht der Hauptversammlung übertragen werden kann.
    Ich habe diese wichtigen Gesichtspunkte aus zweierlei Gründen vorgetragen. Erstens einmal: ich will nicht verkennen — ich habe das bereits angedeutet —, daß dieser Gesetzentwurf auf dem Gebiete der Publizität Fortschritte gegenüber den bisherigen Verhältnissen bringt. Ich will auch nicht verkennen, daß das Dritte Buch, daß die Grundzüge einer modernen Konzernverfassung enthält, gegenüber dem bisherigen Aktienrecht ein Fortschritt ist. Ich will schließlich auch nicht verkennen, daß die Neufassung des ganzen Aktienrechts unter Einarbeitung der Ergebnisse der Rechtsprechung eine rechtstechnische Verbesserung ist. Aber ich frage mich — ich nehme die Frage vom Beginn auf —: ist das eine Reform, die diesen Namen verdient, ist das eine angemessene Lösung, die unserer Zeit entspricht?
    Ich habe — ich darf es zusammenfassen — drei entscheidende Feststellungen treffen müssen. Die erste ist, daß die Unterschiede zwischen kleinen, mittleren und großen Unternehmungen einfach nicht gesehen, sondern übersehen werden, daß die Interessen der kleinen und mittleren Unternehmungen und der Familiengesellschaften infolgedessen vernachlässigt und daß die großen Mammutgesellschaften nicht angemessen behandelt werden. Die zweite Feststellung war, daß das Problem der Unternehmensverfassung, obwohl sich aus dem bestehenden Recht und der jetzigen Entwicklung dafür Ansatzpunkte ergeben, überhaupt nicht angepackt ist. Die dritte bezog sich darauf, daß die 'Bedeutung des Publizitätsproblems nicht im Zusammenhang mit der Frage der Rechte der Hauptversammlung gesehen wird und damit der Entwurf bei der Erweiterung des Publizitätsrechts verhältnismäßig früh steckengeblieben ist.
    Schließlich, Herr Bundesjustizminister, möchte ich dabei bleiben — ohne daß ich das jetzt näher auszuführen brauche —: die Konzernbestimmungen des Entwurfs, die sich eben nicht nur auf Aktiengesellschaften beschränken sollten, müßten zu einem selbständigen umfassenden Konzernrecht ausgestaltet werden. Eigentlich gehört das Konzernrecht nicht in die Aktienrechtsreform hinein.
    Aus allen diesen Gründen sollten wir ernsthaft erwägen, ob mit dem vorliegenden Entwurf wirklich die Voraussetzungen für eine umfassende Reform gegeben sind. Wir neigen zu der Auffassung — ich bin ganz vorsichtig, und wir möchten darüber im Ausschuß mit Ihnen sprechen —, daß man das vordringliche Problem der Publizität vorziehen sollte. Wir haben deshalb, um einen Ansatzpunkt hierfür zu schaffen, einen eigenen Gesetzentwurf eingebracht. Wir sind der Auffassung, daß man die Neugestaltung der Unternehmensverfassung in Angriff nehmen sollte und daß man die Verabschiedung einer Reform zurückstellen sollte, bis man auch dieses Kernstück eines modernen Unternehmensrechts in den Griff bekommen hat. Wir meinen endlich, daß das Konzernrecht ein umfassendes Recht sein sollte, das losgelöst vom Aktienrecht behandelt werden sollte.
    Nach Abschluß solcher Vorarbeiten wäre wirklich die Grundlage für ein umfassendes Reformwerk gegeben. Wenn behauptet wird, daß die Wissenschaft nicht wesentlich weiter sei als die Bundesregierung mit ihrem Entwurf, so trifft das einfach nicht zu. Ich habe bei mehreren Punkten angedeutet, welchen Stand die Wissenschaft bei der Lösung dieser Probleme schon erreicht hat. Wir sollten uns diese Erkenntnisse der modernen Wissenschaft zu. nutze machen und ein wirkliches Reformwerk verabschieden.
    Eines möchte ich allerdings hinzufügen. Wir fürchten sehr, daß die Regierungskoalition in ihrer heutigen Zusammensetzung nicht in der Lage ist, eine Aktienrechtsreform vorzulegen und durchzuführen, die wirklich den Namen einer Reform verdient.

    (Beifall bei der SPD.)



Rede von Dr. Carlo Schmid
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Meine Damen und Herren, ich habe in der Zwischenzeit feststellen lassen, wie der Justizminister heißt, unter dessen Ägide der Entwurf im März 1930 veröffentlicht worden ist. Es war Justizminister Bredt im Kabinett Brüning. Er gehörte der Wirtschaftspartei an.

(Abg. Ritzel: Sehr gut!)

Das Wort hat der Abgeordnete Wilhelmi.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Hans Wilhelmi


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir verhandeln heute zum zweitenmal über die Aktienrechtsreform. Zum erstenmal geschah das noch im letzten Bundestag am 7. Dezember 1960, und nun verhandeln wir heute vor diesem Bundestag. Ich muß feststellen, dieses Gesetz hat offenbar das Mißgeschick, daß in den Debatten ungewöhnlich wenig über das Gesetz selbst gesprochen wird und ungewöhnlich viel über Dinge, die mit dem Gesetz nichts zu tun haben.

    (Zustimmung bei der CDU/CSU. — Hört! Hört! bei der SPD.)

    Ich mußte zur Vorbereitung auf den heutigen Tag die seinerzeitige Debatte nachlesen. Dabei konnte ich feststellen, daß zu zwei Dritteln die Debatte über die Volksaktie der CDU und die deutsche Volksaktie der SPD geführt worden ist. Über diese Angelegenheit kann man wohl den Mantel, na, nicht der Liebe, aber des Wahlkampfes decken. Das interessiert heute, wo wir an die sachliche Behandlung dieses Gesetzes herangehen, wohl uns alle nicht mehr.



    Dr. Wilhelmi
    Heute ist tatsächlich über etwas gesprochen worden, was zwar nicht im Gesetzentwurf steht, aber von der Opposition gern in dieses Gesetz hineingearbeitet werden würde. Oder richtiger gesagt — ein Hineinarbeiten in dieses Gesetz ist wohl schlechterdings nicht möglich —: Die Opposition will, daß dieses Gesetz überhaupt nicht kommt, sondern nur einige Bestimmungen daraus, die dankenswerterweise in den Eingaben der SPD im wesentlichen aus dem Regierungsentwurf abgeschrieben worden sind.

    (Widerspruch bei der SPD. — Zuruf von der SPD: Unsinn!)

    Im übrigen soll dann dieses bis jetzt nicht ganz klare, etwas schwammige Unternehmensrecht geschaffen werden. Das ist immerhin ein sehr ernstes Problem, das in engem Zusammenhang mit der Aktienrechtsreform steht. Ich bin deshalb dem Herrn Minister ganz besonders dankbar, daß er bei der Einbringung der Vorlage nicht auf einzelne Bestimmungen eingegangen ist, sondern daß er ein ganz zentrales Problem angeschnitten hat, das sich aus der ersten Debatte im 3. Bundestag ergab. Die Frage des einheitlichen Unternehmensrechts ist in der Tat außerordentlich schwierig. Ich kann nur feststellen, Herr Kollege Deist, daß in der Wissenschaft bisher gar nichts Konkretes erreicht worden ist, wenn man vielleicht von den Vorschlägen absieht, die Herr Rechtsanwalt Kunze vom Gewerkschaftsverband gemacht hat. Sie stehen aber ziemlich allein da und haben wenig, um nicht zu sagen, gar keinen Widerhall in der Wissenschaft gefunden.
    Die Wissenschaft geht bisher davon aus, daß man der Wirtschaft verschiedene Rechtsformen zu ihrer Betätigung 'zur Verfügung stellen soll und daß es ihr überlassen bleiben muß, welche dieser rechtlichen Formen sie anwenden will. Sie wird die Form anwenden, die jeweils für die Größe des Unternehmens, für die Art der Betätigung, für die Notwendigkeit der Kapitalbeschaffung und dergleichen am günstigsten ist. Wir haben deshalb auf dem Gebiet der juristischen Personen die beiden Formen, die Aktiengesellschaft und die GmbH. Damit haben wir — über den Daumen gepeilt gesprochen — auf der einen Seite für kleinere Gesellschaften, die einen geschlossenen Mitgliederkreis haben, eine Konstruktion zur Verfügung gestellt, nämlich die GmbH, und auf der anderen Seite für die Großgesellschaften und damit auch für die heute vorhandenen ganz großen Unternehmungen eine andere Gesellschaftsform, nämlich die Aktiengesellschaft, die aber durchaus auch für die kleinen Unternehmen praktikabel ist.
    Es gibt natürlich unter den ganz kleinen Gesellschaften Fälle, für die der Mantel, der jetzt für die Aktiengesellschaften geschneidert wird, nicht paßt. Nun, dann mögen diese Aktiengesellschaften in die GmbH hinübergehen, sie mögen sich die Form aussuchen, die für sie geeignet ist. Aber ich glaube nicht, daß das in der Praxis eine große Rolle spielen wird.
    Der Herr Justizminister hat bei seinen Ausführungen an die Debatte über die Einführung eines einheitlichen Unternehmensrechts angeknüpft, wie es von der Opposition vorgeschlagen war. Es ist immerhin fünf viertel Jahre her, daß dieser Gedanke hier vorgetragen wurde. Ich nehme an, er ist Ihnen schon vorher gekommen, denn er ist ja bereits vorher erörtert worden. Dennoch ist bis heute nichts Konkretes vorgelegt worden. Was hier vorgelegt worden ist, hat doch mit dem großen Gedanken, ein Unternehmensrecht zu schaffen, gar nichts zu tun, und das enttäuscht mich sehr. Wenn schon von Ihnen beantragt wird, das ganze Aktienrecht zurückzustellen und ein Unternehmensrecht zu schaffen, dann muß doch wohl etwas präziser gesagt werden, was los ist. Es hätte doch einmal ein Rohentwurf -gemacht werden müssen, der eine Grundlage für eine Reform darstellt. Das ist nicht geschehen. Sie haben praktisch — mit ganz kleinen Änderungen, die allerdings in die Sache gehen — das vorgelegt, was Sie vor fünfviertel Jahren vorgelegt haben. Das war eine große Enttäuschung für mich. Ich habe gedacht, es gibt jetzt etwas Neues. Aber dieses Neue kommt von Professor Kronstein. Es ist anerkennenswert, daß das hineingearbeitet ist; darüber werden wir diskutieren müssen. Aber es ist etwas erschütternd und eigentlich etwas beschämend, daß wir uns hier wieder über das Unternehmensrecht unterhalten müssen, ohne daß eine klare Konzeption vorliegt.
    Auch das, was hier als Kritik an dem Entwurf der Regierung vorgetragen worden ist, läßt gar keine Konzeption erkennen. Damit steht diese Kritik in deutlichem Gegensatz zu dem Regierungsentwurf, der eine sehr klare Konzeption erkennen läßt. Gut, Sie lehnen sie ab und sagen, man dürfe nicht in der Weise von dem Privateigentum, von dem wirtschaftlichen Eigentum des Aktionärs ausgehen, wie das in dem Entwurf geschehen sei, denn es gebe innerhalb einer Aktiengesellschaft neben dem wirtschaftlichen Eigentum noch eine ganze Reihe anderer Kräfte und Aufgaben, die bei dem Organisationsrecht, um das es sich bei der Aktienrechtsreform handle, zu berücksichtigen seien. Das ist selbstverständlich richtig. Aber man muß doch von einer klaren Konzeption ausgehen. Der Entwurf hat die in der Wissenschaft vertretene privatrechtliche Auffassung aufgegriffen, der wir von der CDU/CSU von ganzem Herzen und aus voller Überzeugung zustimmen. Für uns kann gar nichts anderes der Ausgangspunkt sein als das Privateigentum und die sich daraus ergebenden Kontrollrechte des Aktionärs über die anderen Organe, die eine Gesellschaft selbstverständlich haben muß.
    Das ist das eigentliche Problem bei jeder Aktienrechtsreform: die Rechte der Aktionäre als der wirtschaftlichen Eigentümer abzugrenzen gegen die notwendigen Rechte, die der Vorstand in der Führung der Geschäfte einer Aktiengesellschaft haben muß, damit die Aktiengesellschaft im Wirtschaftsleben überhaupt tätig werden kann, und gegen die Rechte des Aufsichtsorgans, des Aufsichtsrates. Diese Rechte richtig abzugrenzen, ist und bleibt das Problem bei jeder Aktienrechtsreform, und damit müssen wir uns hier auseinandersetzen. Es ist natürlich wichtig, klar zu erkennen, von welchen Grundsätzen wir ausgehen. Man kann nicht ein Gesetz machen, das überhaupt keine Grundsätze hat und das die Dinge rein zufällig ordnet. Im Grunde genommen ist die Frage des Privateigentums des Aktionärs eng mit der Frage verknüpft: Wer übt die Kontrolle über



    Dr. Wilhelmi
    die übrigen Organe der Gesellschaft aus? Das ist die entscheidende Frage, und deshalb kommt man praktisch, wenn man die Kontrolle dies Aktionärs ablehnt und sagt, der ist gar nicht in der Lage, diese Kontrolle auszuüben, immer mehr zu einer Entwicklung, die in einer öffentlichen Aufsicht irgendwelcher Art enden muß. Das wäre das Ende der privatwirtschaftlichen Natur unserer großen Gesellschaften und damit ein tödlicher Stoß gegen die soziale Marktwirtschaft, die wir betreiben.
    Infolgedessen ist es richtig, wenn man im Rahmen der sozialen Marktwirtschaft und aus dem Gedanken des Privateigentums alles tut, um den Aktionär zu aktivieren und ihm die Kontrollfunktionen zu geben, die ihm als dem Eigentümer zustehen. Meine Damen und Herren, es ist selbstverständlich, daß der Aktionär nicht Eigentümer des Unternehmens und auch nicht Miteigentümer des Unternehmens in dem Sinne ist wie irgendein Mann, der sich ein Haus kauft, Eigentümer dieses Hauses ist und selbstverständlich auch darüber verfügen kann.
    Aber es ist auch nicht richtig, was Herr Kollege Deist gesagt hat: daß dieses Mitgliedschaftsrecht, das rein juristisch betrachtet das wirtschaftliche Eigentum des Aktionärs am Unternehmen ist, nicht von unserer Rechtsprechung als Eigentum aufgefaßt würde. Sie haben zwar die Rechtsprechung und Literatur zur Weimarer Verfassung zitiert, Herr Deist, aber Sie haben nicht zitiert, was heute unstreitig ist: daß unter Art. 14 unseres Grundgesetzes, nämlich Schutz des Eigentums, auch derartige Rechte wie Mitgliedschaftsrechte fallen.

    (Abg. Dr. Deist: Doch, das habe ich gesagt und festgestellt!)

    — Dann habe ich geschlafen; ich bitte um Entschuldigung.

    (Heiterkeit.)

    Wir sind uns dann also darüber einig, daß heute nach unserem Grundgesetz dieses Mitgliedschaftsrecht als eigentumsähnliches Recht behandelt wird, und darauf kommt es uns an. Denn alle diese eigentumsähnlichen Rechte sind die, Grundlage, auf der nach unserer Auffassung die Wirtschaft basiert.
    Nun hat der neue Entwurf in der Tat einen entscheidenden Schritt in dieser Richtung getan. Sie berufen sich auf Rathenau, der im Jahre 1922 führend war in der Aufstellung der These, daß es ein Unternehmen an sich gebe, daß es Interessen gebe, die das Unternehmen unter Umständen gegen seine Aktionäre vertreten müsse. Das ist etwas lange her, und die Wissenschaft ist längst über diese These hinweg, weil sie nämlich erkannt hat, daß diese These des Unternehmens an sich zu nichts anderem führt als dazu, die jeweilige Verwaltung zu stärken. Denn ein Unternehmen an sich gibt es nicht.
    Wir Juristen sind zwar sehr tüchtige Leute. Wir haben es fertiggebracht, eine juristische Person zu erfinden und diese juristische Person im Rechtsleben so zu stellen wie eine natürliche Person. Aber eins haben wir nicht gekonnt: Wir haben ihr nicht Geist einhauchen und haben sie nicht lehren können, als Unternehmen an sich zu denken und zu handeln; dazu brauchen wir vielmehr Menschen, und diese Menschen sind eben der Vorstand, der Aufsichtsrat und die Hauptversammlung. Die müssen das tun und tun's ja auch, und ich darf hinzufügen: sie tun's sehr gut. Aber das Problem bleibt natürlich bestehen, daß eine solche Gesellschaft ihren Willen in verschiedenen Gremien bilden muß und daß die Tätigkeit dieser Gremien sinnvoll koordiniert sein muß. Ich gebe Ihnen völlig recht, Herr Dr. Deist, daß nicht der Aktionär allein bestimmen kann und bestimmen soll. Aber das können Sie doch auch wirklich nicht aus dem Entwurf herauslesen. Meines Erachtens ist in diesem Entwurf sehr sauber entwickelt, daß der Aktionär über alles das bestimmen soll, was sein Geld angeht, wenn ich es mal primitiv sagen soll. Er hat ein erhöhtes Mitbestimmungsrecht nach dem neuen Entwurf bei der Frage der Gewinnverteilung, die ihn besonders angeht. Er stellt sein Geld zur Verfügung, also muß er auch mit darüber entscheiden können, wieviel an Gewinnen als Verzinsung seines hineingesteckten Geldes an ihn auszuschütten ist, und wieviel etwa aus dem Gewinn wieder neu angelegt wird, wieviel also von seinem Geld in das Unternehmen hineinkommt. Das ist eine ganz vernünftige Regelung und ist einer der Punkte, durch die die Stellung des Aktionärs verstärkt wird.
    Ich habe an diesem Punkt des Entwurfs eine gewisse Kritik anzumelden, daß nämlich hier vielleicht der Verwaltung zu enge Grenzen gezogen sind. Ich bin der Auffassung, daß die Entscheidung über die Frage, wieviel Gewinn auszuschütten ist, bis zu einem gewissen Grad Aufgabe der Verwaltung sein muß; denn sie ist dafür verantwortlich, daß der Bestand und die Wettbewerbsfähigkeit eines Unternehmens erhalten bleibt. Das kann nicht bestritten werden. Aber nun kommen wir zu dem etwas umstrittenen Punkt, inwieweit die Verwaltung auch die Verantwortung allein dafür tragen muß, daß Rücklagen geschaffen werden, um beispielsweise Strukturveränderungen, die im Unternehmen notwendig sind, vorzunehmen. Wir werden uns in den Ausschüssen darüber unterhalten müssen, ob die in ,dem Entwurf gesetzten Grenzen richtig sind. Aber das sind Einzelfragen, auf die ich nicht eingehen will. Der Entwurf sieht auch an dieser Stelle vor, daß der Aktionär eine stärkere Stellung haben soll.
    Was können wir nun unter dem Gesichtspunkt der Stärkung des Aktionärs in der Gesellschaft Entscheidendes tun? Ich glaube, das Wichtigste ist, daß wir dem Aktionär und auch demjenigen, der Aktionär werden will, zunächst einmal sagen, was eine Aktie wert ist. Dieses Thema haben wir schon in der Kleinen Aktienrechtsform angeschnitten, nämlich das Thema der Publizität in der Gewinn- und Verlustrechnung. Jetzt gehen wir auch an die Bilanzen heran und vor allem an die Bewertungsprinzipien für Rücklagenbildung, stille und offene Rücklagen. Das scheint mir eines der wichtigsten Themen zu sein.
    In diesem Zusammenhang ist von Herrn Deist Herr Kronstein erwähnt worden, der eine sehr wichtige Schrift zu diesem Thema geschrieben hat, dem man in manchen Punkten zustimmen kann.



    Dr. Wilhelmi
    Wir werden uns auch darüber im Ausschuß eingehend unterhalten müssen. Es geht nicht, daß man die amerikanischen Prinzipien, die sich teilweise aus einem ganz anderen Aufbau des Aktienrechts ergeben haben, einfach auf unsere Verhältnisse überträgt. Das sind also Dinge, über die man im Ausschuß noch reden muß.
    Aber es ist nun doch nicht richtig, was Herr Deist gesagt hat, daß der Aktionär nur die Möglichkeit habe, bei der Gewinnverteilung. und bei der Wahl des Aufsichtsrats mitzuwirken. Es sind ihm eine Fülle von Rechten gegeben, die noch weiter ausgebaut werden. Zu diesen Rechten gehört z. B. das Auskunftsrecht:

    (Abg. Dr. Deist: Das habe ich genannt!)

    Das Auskunftsrecht ist wesentlich dadurch ausgebaut worden, daß die Anfechtung der Verweigerung des Auskunftsrechts in einem besonderen Gerichtsverfahren eingeführt ist. Im übrigen gibt es das Anfechtungsrecht als solches für Beschlüsse über die Verwendung von Gewinnen, das neu und praktisch geregelt ist, so daß der Aktionär also eine Fülle von Rechten hat, die letzten Endes darauf hinauslaufen, die Verwaltung zu kontrollieren. Alle diese Dinge sind ja eine Auswirkung der Kontrolle über die Tätigkeit der Verwaltung. Die Frage, wie der Aufsichtsrat gewählt wird und damit das Organ, das u. a. die Vertretung der Aktionäre darstellt, vor allem aber das eigentliche Aufsichtsratsorgan, wird in den Ausschüssen noch sehr eingehend behandelt werden müssen. Ich glaube, hier liegt in der Tat ein sehr ernstes Anliegen vor. Wir sind auch der Auffassung, daß die Hauptversammlung in irgendeiner Weise griffiger gestaltet werden muß, daß irgendeine Lösung dafür gefunden werden muß, wie gerade die Wahl des Aufsichtsrats auch durch eine Riesenhauptversammlung noch praktikabel ist. Das ist eine echte Aufgabe, und das gehört logischerweise in den ganzen Gedankenzug des neuen Entwurfs hinein. Es ist ja mit Recht von Ihnen, Herr Deist, gesagt worden, man müsse dem Aktionär mehr Rechte geben. Gut, dazu sind wir durchaus bereit. Wir wollen dem Aktionär mehr Rechte geben. Aber wir sind der Ansicht, daß er typisch dafür da ist, die Kontrolle auszuüben, wobei ich nicht meine, daß er es selber machen muß.