Rede:
ID0401213000

insert_comment

Metadaten
  • sort_by_alphaVokabular
    Vokabeln: 7
    1. Das: 1
    2. Wort: 1
    3. hat: 1
    4. der: 1
    5. Abgeordnete: 1
    6. Dr.: 1
    7. Bechert.: 1
  • tocInhaltsverzeichnis
    Deutscher Bundestag 12. Sitzung Bonn, den 24. Januar 1962 Inhalt: Mandatsniederlegung der Abg. Schmidt (Hamburg) und Frau Keilhack . 289 A Fragestunde (Drucksache IV/139) . . . . Frage des Abg. Dr. Kohut: Vollstreckung von sowjetzonalen Unterhaltsurteilen Dr. Strauß, Staatssekretär . . 289 B, C, D Dr. Kohut (FDP) 289 C, D Frage des Abg. Funk (Neuses am Sand) : Waldabtretung für den Exerzierplatz Brönnhof Dr. Hettlage, Staatssekretär . . . . 289 D Frage des Abg. Dr. Böhm (Frankfurt) : Leistungen zugunsten von Nationalgeschädigten 290 A Fragen des Abg. Glüsing (Dithmarschen) : Dieselkraftstoff Dr. Hettlage, Staatssekretär . . . 290 B, D Glüsing (Dithmarschen) (CDU/CSU) . 290 D Frage des Abg. Matthöfer: Nichtanerkennung des Anspruchs der Witwe Marie Zilg auf Witwenrente Dr. Claussen, Staatssekretär . 291 A, C Matthöfer (SPD) 291 B, C Fragen des Abg. Funk (Neuses am Sand) : Beanspruchung von Wald in der Gemarkung Reupelsdorf für militärisches Übungsgelände Hopf, Staatssekretär . . 291 D, 292 B Funk (Neuses am Sand) (CDU/CSU) 292 A Frage des Abg. Ritzel: Deutscher Flugsicherungsdienst Dr.-Ing. Seebohm, Bundesminister 292 B, C, D, 293 A, B, C, D Ritzel (SPD) 292 C, D Börner (SPD) 293 A Dr. Kohut (FDP) 293 B Brück (CDU/CSU) 293 D Braun (SPD) 293 D Frage des Abg. Hermsdorf: Cuxhaven als Seenot-Hafen Dr.-Ing. Seebohm, Bundesminister 294 A, B Hermsdorf (SPD) 294 B Frage des Abg. Müller-Hermann: Sachverständigenkommission betr. Verbesserung der Verkehrsverhältnisse in den Gemeinden Dr.-Ing. Seebohm, Bundesminister . 294 C Frage des Abg. Freiherrn von KühlmannStumm: Empfang des zweiten Fernsehprogramms in Nordhessen Stücklen, Bundesminister . . . 294 D II Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 12. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 24. Januar 1962 Frage des Abg. Matthöfer: Verschleppung des Redakteurs Heinz Brandt nach Ostberlin Lemmer, Bundesminister . 295 A, B, C, D Matthöfer (SPD) 295 B Neumann (Berlin) (SPD) 295 C Dr. Zimmer (CDU/CSU) 295 D Frage des Abg. Dr. Kohut: Kosten einer Rom-Reise des Bundesministers für Familien- und Jugendfragen Dr. Wuermeling, Bundesminister . . 295 D, 296 B, C Dr. Kohut (FDP) . . . . . . . 296 B, C Frage des Abg. Dr. Bechert: Sammelstelle für Atommüll Dr.-Ing. Balke, Bundesminister . . . 296 D, 297 A Dr. Bechert (SPD) 297 A Frage des Abg. Dr. Bechert: Genehmigung zur Sicherstellung von Atommüll Dr.-Ing. Balke, Bundesminister . 297 A, B, C Dr. Bechert (SPD) 297 B Frage des Abg. Dr. Kohut: Eintragung von Blutgruppen in die Personalausweise Frau Dr. Schwarzhaupt, Bundesminister . . 297 C, 298 A, B Dr. Kohut (FDP) 298 A, B Frau Dr. Pannhoff (CDU/CSU) . . 298 B Frage des Abg. Dr. Bechert: Zulassung von Hexamethylentetramin als Konservierungsstoff Frau Dr. Schwarzhaupt, Bundesminister . . 298 C, . 299 A, B Dr. Bechert (SPD) . . 298 D, 299 A, B Große Anfrage betr. Schutz der Gesundheit gegen radioaktive Strahlung (SPD) (Drucksache IV/26); in Verbindung mit dem Antrag betr. Radioaktivität der Luft und des Regens (CDU/CSU, FDP) (Drucksache IV/15) Frau Dr. Hubert (SPD) . . 299 C, ,314 A Frau Dr. Schwarzhaupt, Bundesminister . . . 300 C, 314 B Dr. Dittrich (CDU/CSU) . . . . . 303 A Dr. Bechert (SPD) . . . 305 C, 314 D Dr.-Ing. Balke, Bundesminister . . . 311 B Abgabe einer Erklärung der Bundesregierung Schwarz, Bundesminister . . . . . 315 D Bericht des Petitionsausschusses über seine Tätigkeit; in Verbindung mit der Sammelübersicht 2 des Petitionsausschusses über Anträge zu Petitionen und systematische Übersicht über die in der Zeit vom 17. Oktober 1961 bis 31. Dezember 1961 eingegangenen Petitionen (Drucksache IV/114) Frau Wessel (SPD) 323 A Antrag des Bundesministers der Finanzen betr. Veräußerung einer Teilfläche der ehem. Flakkaserne Bremen-Lesum (Drucksache IV/126) 327 A Entwurf eines Gesetzes über Mindesturlaub für Arbeitnehmer (Bundesurlaubsgesetz) (SPD) (Drucksache IV/142) — Erste Beratung — 327 A Ubersicht 1 über Streitsachen vor dem Bundesverfassungsgericht (Drucksache IV/130) 327 A Mündlicher Bericht des Immunitätsausschusses betr. Genehmigung zur Durchführung eines Strafverfahrens gegen. den Abg. Dr. Nissen (Drucksache IV/136) Dr. Dittrich (CDU/CSU) . . . . . 327 B Präsident D. Dr. Gerstenmaier . . . 328 C Mündlicher Bericht des Rechtsausschusses über die Streitsache vor dem Bundesverfassungsgericht — Antrag der Bayerischen Staatsregierung auf Feststellung der Nichtigkeit des Gesetzes zur Reinhaltung der Bundeswasserstraßen (WStrRG) vom 17. August 1960 (Drucksache IV/137) 328 D Mündlicher Bericht des Rechtsausschusses betr. Antrag auf Normenkontrolle bei dem Bundesverfassungsgericht wegen des Sammlungsgesetzes (Drucksache IV/138) . 329 A Nachwahl eines Mitglieds des Rundfunkrats der gemeinnützigen Anstalt des öffentlichen Rechts „Deutschlandfunk" . . 329 A Nächste Sitzung 329 C Anlagen 331 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 12. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 24. Januar 1962 289 12. Sitzung Bonn, den 24. Januar 1962 Stenographischer Bericht Beginn: 9.01 Uhr
  • folderAnlagen
    Anlage 1 Liste der beurlaubten Abgeordneten Abgeordneter) beurlaubt bis einschließlich a) Beurlaubungen Dr. Aigner * 26. 1. Frau Albertz 24. 1. Altmaier 1. 2. Arendt (Wattenscheid) * 26. 1. Dr. Arndt (Berlin) 27. 1. Dr. Aschoff * 26. 1. Dr. Barzel 24. 1. Bergmann* 26. 1. Birkelbach* 26. 1. Fürst von Bismarck 24. 1. Dr. Bucerius 24. 1. Dr. Burgbacher * 26. 1. Dr. Deist * 26. 1. van Delden 1. 2. Deringer * 26. 1. Dr. Dichgans * 26. 1. Diekmann 26. 1. Eisenmann 24. 1. Frau Dr. Elsner * 26. 1. Engelbrecht-Greve* 26. 1. Faller * 26. 1. Dr. Dr. h. c. Friedensburg * 26. 1. Dr. Furler * 26. 1. Gedat 15. 2. Hahn (Bielefeld) * 26. 1. Hammersen 24. 1. Illerhaus * 26. 1. Kalbitzer * 26. 1. Frau Kettig 1. 2. Dr. Klein (Berlin) 14. 2. Dr. Kopf 26. 1. Dr. Kliesing (Honnef) 4. 2. Dr. Koch 24. 1. Frau Krappe 27. 1. Dr. Kreyssig* 26. 1. Kriedemann* 26. 1. Krüger 27. 1. Kühn (Hildèsheim) 24. 1. Leber 24. 1. Lenz (Brühl) * 26. 1. Dr. Löhr * 26. 1. Lücker (München) * 26. 1. Maier (Mannheim) 14. 2. Margulies * 26. 1. Mauk * 26. 1. Dr. h. c. Menne (Frankfurt) 24. 1. Metzger * 26. 1. Meyer (Oppertshofen) 24. 1. Michels* 26. 1. Müller (Worms) 27. 1. Müller-Hermann * 26. 1. Dr. Philipp * 26. 1. Frau Dr. Probst * 26. 1. * für die Teilnahme an einer Tagung des Europäischen Parlaments Anlagen zum Stenographischen Bericht Abgeordneter) beurlaubt bis einschließlich Rademacher* 26. 1. Rasner 1. 2. Reitzner 31. 1. Richarts * 26. 1. Rollmann 24. 1. Dr. Rutschke 26. 1. Scheuren 31. 1. Schmidt (Braunschweig) 2. 2. Dr. Schneider (Saabrücken) 26. 1. Schulhoff 24. 1. Seidel (Fürth) 26. 1. Seifriz* 26. 1. Storch* 26. 1. Striebeck 9. 2. Frau Strobel* 26. 1. Wacher 24. 1. Weinkamm* 26. 1. Weinzierl 24. 1. Werner 15. 2. Wilhelm 26. 1. Wischnewski* 26. 1. b) Urlaubsanträge Dr. Löbe 2. 2. Anlage 2 Schriftliche Begründung des Abgeordneten Behrendt zu .dem von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurf eines Gesetzes über Mindesturlaub für Arbeitnehmer (Bundesurlaubsgesetz) (Drucksache IV/142). Die sozialdemokratische Bundestagsfraktion brachte im 3. Deutschen Bundestag am 16. 3. 1960 ein Gesetz über Mindesturlaub für Arbeitnehmer ein. Das Gesetz wurde vom Bundestag nicht mehr verabschiedet, weil es nur zu einer Beratung im zuständigen Ausschuß für Arbeit kam. In dieser Sitzung des Ausschusses für Arbeit wurden am 15. 6. 1961 sieben Sachverständige gutachtlich zum vorgenannten Mindesturlaubsgesetz gehört. Die SPD wurde durch die Anhörung der Sachverständigen in ihren Vorstellungen bestärkt, die Forderungen sowohl in ihrem Regierungsprogramm als auch im seinerzeitigen Gesetzentwurf auf einen Mindesturlaub von drei Wochen für alle Arbeitnehmer berechtigt aufgestellt zu haben. Aus diesen Überlegungen bringt die sozialdemokratische Bundestagsfraktion dem 4. Deutschen Bundestag gleich zu Beginn seiner Legislaturperiode erneut den Entwurf eines Gesetzes über Mindesturlaub für Arbeitnehmer (Bundesurlaubsgesetz) ein. Wir haben den Gesetzentwurf auf Grund der Sachverständigenanhörung in einigen Punkten geändert; entscheidende Veränderungen wurden jedoch nicht vorgenommen. Unverändert blieben daher die zwei Ziele: erstens auf dem Gebiete der materiellen Urlaubsbedingungen einen Mindesturlaub von 18 332 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 12. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 24. Januar 1962 Werktagen für alle Arbeitnehmer festzulegen und zweitens eine einheitliche Regelung der grundsätzlichen Bestimmungen des Urlaubsrechts auf Bundesebene zu schaffen. Zur allgemeinen Begründung des Gesetzentwurfes ist anzuführen, daß ein längerer Urlaub als 12 Tage heute als notwendig betrachtet wird. Für die Arbeitsmediziner sind drei Wochen Urlaub sogar das Minimum dessen, was ohne Zweifel erwünscht ist. Die Verdichtung des Arbeitsprozesses mit seiner stärkeren arbeitsphysiologischen Belastung, die tägliche Arbeitszeit und die mit ihr gebundenen Zeiten der Wegstrecken — sie betragen nach Professor Dr. med. Graf insgesamt täglich zwischen 10 und 11 Stunden —, aber auch die erschreckenden Belastungen bei den berufstätigen Frauen lassen einen Mindesturlaub von 18 Werktagen für die Wiederherstellung und Erhaltung der Leistungsfähigkeit unserer Arbeitskraft nunmehr unbedingt notwendig werden. Der hohe Grad der Frühinvalidität ist ein nicht zu übersehendes Alarmzeichen und ein weiterer Beweis für die Berechtigung der Forderung auf einen Mindesturlaub von drei Wochen. Diese Forderung wird auch von denen nicht bestritten, die noch Bedenken hinsichtlich einzelner Wirtschafts- und Berufszweige vorbringen. Diese Bedenken und jene Einwände betreffend Kostenlage und Wettbewerbsmöglichkeiten können bei dem heutigen Stand unserer Erkenntnisse vom Gesundheitszustand unserer arbeitenden Bevölkerung nicht mehr als ernsthaft berücksichtigt werden. Wir sind an dem Punkt angelangt, an dem der Erhaltung der Arbeitskraft alle anderen Gesichtspunkte unterzuordnen sind. In diesem Zusammenhang sei darauf verwiesen, daß die Beratende Versammlung des Europarates in der Europäischen Sozialcharta einen dreiwöchigen Mindesturlaub festgelegt hat. Des weiteren erscheint es uns nur folgerichtig, daß wir nach der einmütigen Festlegung eines Urlaubs von vier Wochen in dem verabschiedeten Jugendarbeitsschutzgesetz gerade bei den jungen Menschen vom 18. Lebensjahr ab den Urlaub nicht wieder von vier auf zwei Wochen herabsetzen dürfen. Dieses Mindesturlaubsgesetz ist zugleich ein Schutzgesetz für mehr als drei Millionen Arbeitnehmer, für die es in der Bundesrepublik keine tarifvertraglichen Regelungen für den Urlaub gibt. Die tarifvertraglichen Regelungen bestehen deshalb nicht, weil ein Tarifpartner fehlt, und zwar in den weitaus meisten Fällen auf der Arbeitgeberseite. Um so dringender bedarf dieser Personenkreis einer vernünftigen und einwandfreien gesetzlichen Urlaubsregelung. Zum Abschluß .der allgemeinen Begründung sei auch noch. die Frage der Tarifautonomie angesprochen. Seit der Entstehung des modernen Arbeitsrechts sind auch solche zum Bereich der Arbeitsbedingungen gehörenden Gebiete gesetzlich geregelt worden, die zur eigentlichen Zuständigkeit der Sozialpartner gehören. Gesetzliche Regelungen bestimmen also lediglich das Mindestniveau, und an dieser untersten Grenze beginnt das Wirken der Tarifpartner. Ein solches Recht zur Schaffung von Mindestnormen ist dem Gesetzgeber bisher nie ernsthaft bestritten worden. Folglich haben die einzelnen Länder der Bundesrepublik nach 1945 Urlaubsgesetze verabschiedet. Die Länder haben damit die Tarifautonomie der Sozialpartner dort ergänzt, wo das Schutzerfordernis von den Tarifpartnern nicht wahrgenommen werden konnte. Dabei darf weiter nicht übersehen werden, daß nicht alle Arbeitnehmer an Tarife gebunden sind und auch nicht alle durch Tarifbestimmungen erfaßt werden können. Und für die Allgemeinverbindlichkeitserklärung von Tarifverträgen ist neben bestimmten zu erfüllenden Bedingungen vor allem ein Tarifvertrag Voraussetzung. Das ist aber, wie bereits erwähnt, für mehr als drei Millionen Arbeitnehmer nicht möglich. Durch Gebots- und Verbotsgesetze ist weitgehend in die Gestaltung der Arbeitsbedingungen eingegriffen worden. Hier sei nur an die vielen gesetzlichen Arbeitszeitschutzbestimmungen erinnert. Noch nie wurde bisher geltend gemacht, daß dadurch die Tarifautonomie eingeschränkt wird. So wurden auch bisher von seiten der Arbeitgeberverbände keine Einwendungen gegen die Regelung eines Mindesturlaubs von 12 Tagen in den Ländergesetzen erhoben. Wer also von einem Eingriff in die Tarifautonomie spricht, will keine bundeseinheitliche Regelung von 18 Werktagen Mindesturlaub für alle Arbeitnehmer. Eine gesetzliche Mindestregelung auf Teilgebieten der Arbeitsbedingungen schaltet die Wirksamkeit der Tarifautonomie nicht aus. Durch den vorliegenden Gesetzentwurf, durch den ein Mindesturlaub von drei Wochen erstrebt wird, ist die Tarifautonomie der Tarifpartner in der Urlaubsfrage unangetastet; denn weiterer und ausreichender Spielraum ist vorhanden, zusätzliche Urlaubsvereinbarungen und -vergünstigungen zu gewähren. Zum Gesetz selbst ist zu sagen, daß es von einem unabdingbaren Anspruch auf einen bezahlten jährlichen Erholungsurlaub von mindestens 18 Werktagen für alle Arbeitnehmer ausgeht. Durch die Bezeichnung Werktage ist klargestellt, daß der Samstag als Urlaubstag anzurechnen ist. Durch das Gesetz werden alle Arbeitnehmer erfaßt, also auch diejenigen in Heimarbeit und diejenigen, die in einem arbeitnehmerähnlichen Abhängigkeitsverhältnis beschäftigt sind. Für den letztgenannten Personenkreis ergibt sich lein besonderes Schutzbedürfnis. Einen Zusatzurlaub von 6 Werktagen sollen diejenigen Arbeinehmer erhalten, die untererheblichen Gefahren für Leben und Gesundheit arbeiten. Insbesondere ist hier gedacht an die Arbeitnehmer im Bergbau sowie an solche, die in außergewöhnlichem Grade der Einwirkung von Kälte, Lärm, Hitze, Nässe, Druckluft, giftigen Stoffen, Staub, Röntgenstrahlen, radioaktiven Strahlen oder Infektionserregern ausgesetzt sind. Die Festlegung eines derartigen Zusatzurlaubs soll nach Anhören der Tarifpartner durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates vom Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung erfolgen. Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 12. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 24. Januar 1962 333 Urlaubsjahr ist das Kalenderjahr. Grundsätzlich soll der Urlaub im Urlaubsjahr gewährt und genommen werden. Nur aus zwingenden betrieblichen oder zwingenden in der Person des Arbeitnehmers liegenden Gründen ist eine Übertragung in den ersten drei Monaten des folgenden Jahres gestattet. Urlaubsanspruch entsteht erstmalig sechs Monate nach Beginn des Arbeitsverhältnisses. Derjenige, der kein volles Jahr beschäftigt war, soll für jeden vollen Monat der Beschäftigung ein Zwölftel des ihm zustehenden Urlaubs erhalten, wobei eine Beschäftigung von mindestens 12 Tagen als voller Monat zu zählen ist. Erhaltener Urlaub kann beim Wechsel des Arbeitsverhältnisses nicht noch einmal geltend gemacht werden. Die Festlegung des Urlaubs soll vom Arbeitgeber und Betriebsrat nach § 56 Abs. 1 c BVG unter Berücksichtigung ,der Wünsche des Arbeitnehmers erfolgen. Der Urlaub soll zusammenhängend gewährt werden, und seine Abgeltung ist nur statthaft, wenn der Urlaub wegen Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr als Freizeit gewährt werden kann. Urlaubsentgelt soll nach dem Durchschnittsverdienst der letzten drei Monate berechnet werden. Mögliche Ausfallzeiten durch Freistellung, Krankheit, Arbeitsmangel oder andere Umstände sind bei der Berechnung des Arbeitsverdienstes so zu behandeln, als hätte der betreffende Arbeitnehmer in dieser Zeit voll gearbeitet. Urlaubsentgelt ist vor Urlaubsantritt auszuzahlen. Im Falle der Krankheit dürfen die durch ärztliches Zeugnis nachgewiesenen Tage der Arbeitsunfähigkeit auf den Jahresurlaub nicht angerechnet werden. Neu aufgenommen wurde in den Gesetzentwurf, — aber in der Praxis zumeist schon so wie vorgesehen behandelt —, daß Zeiten einer Kur oder eines Heilverfahrens, die von den Trägern der Rentenversicherung oder nach gleichen Maßstäben von anderen Stellen gewährt werden, auf den Urlaub nicht angerechnet werden dürfen. Der Zweck des Urlaubs ist die Erhaltung und Wiederherstellung der Arbeitskraft. Kuren und Heilverfahren sind auf die Erhaltung, Wiederherstellung oder Besserung der durch Krankheit oder Gebrechen beeinträchtigten Erwerbsfähigkeit gerichtet. Es ist dem Arbeitnehmer nicht zuzumuten, auf diese Kur oder ein Heilverfahren zu verzichten, zumal es ein Fall nicht zu vertretender Unmöglichkeit der Arbeitsleistung ist. Eine Anrechnung auf den Jahresurlaub wird auch dadurch ausgeschlossen, daß für solche Zeiten eines Kur- oder Heilverfahrens seitens des Arbeitnehmers kein Anspruch auf Weiterzahlung des Arbeitsentgelts besteht. Selbstverständlich sollen bestehende und zukünftige günstigere Regelungen diesem Gesetz vorgehen. Die sozialdemokratische Bundestagsfraktion legt entscheidenden Wert darauf, daß das Gesetz mit Wirkung vom 1. Januar 1962 in Kraft tritt. Eine vordringliche Behandlung durch den Ausschuß für Arbeit ist daher erforderlich. Die ständige Zunahme der Arbeitsintensität bei gleichzeitiger Steigerung der physischen oder nervlichen Beanspruchung der Arbeitnehmer macht das Inkrafttreten dieses Gesetzentwurfes zum 1. Januar 1962 besonders notwendig. Die deutsche Arbeitnehmerschaft erwartet, nicht zuletzt durch maßgebliche Äußerungen von Vertretern der Bundesregierung bestärkt, die baldige Verabschiedung eines Mindesturlaubsgesetzes.
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Stefan Dittrich


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Große Anfrage der SPD- Fraktion vom 21. November 1961 und der Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und der FDP vom 14. November 1961 sind ohne Zweifel verursacht durch die Drohungen Moskaus, neue Monsterbomben in die Luft zu jagen. Der unmittelbare Anlaß mag die Explosion der 50-Megatonnen-Bombe — oder mag sie größer gewesen sein — über den arktischen Gewässern gewesen sein. Das hat die sozialdemokratische Fraktion, das hat die Fraktionen der CDU/CSU und der FDP dazu geführt, an die Bundesregierung Anfragen zu stellen oder — wie es aus der Drucksache IV/15 zu entnehmen ist — Ersuchen an die Bundesregierung zu richten.
    Meine Damen und Herren! Die radikalste Änderung einer künstlichen Verseuchung der Luft mit radioaktiven Strahlen wäre ohne Zweifel das Einstellen der Atomwaffenversuche. In den Tageszeitungen des In- und Auslandes ist wiederholt diskutiert worden, ob die Versuche der Sowjets überhaupt noch Tests darstellen oder ob sie nicht als Schreckmittel aus machtpolitischen Gründen betrachtet werden müssen, ob sie nicht dazu bestimmt sind, Angst zu verbreiten oder die Luft so mit radioaktiven Strahlen zu versehen, daß andere Mächte gar nicht mehr oder nur noch schwerlich in der Lage sind, weitere Versuche zu starten. Ist es nicht bezeichnend, daß Chruschtschow, als die Kritik aus der ganzen Welt an ihn herangetragen wurde, weil diese neuen Atomwaffenversuche gestartet wurden, erklärte, er wäre ein blöder und fauler Ministerpräsident, wenn er die letzten sowjetischen Kernwaffenversuche nicht angeordnet hätte?
    Meine Damen und Herren! Wir ersehen daraus ein Auseinanderklaffen der Einstellung, der Gesinnung der beiden Welten, und wir ersehen daraus eine Mißachtung des Menschen und seiner Gesundheit, von denen aus wir ja heute die Große Anfrage und das Ersuchen der Fraktionen der CDU/CSU und der FDP zu beurteilen haben. Es ist ein Erzeugen einer Atomangst, die ohne Zweifel beabsichtigt ist, und wir sollten dem Kreml, wir sollten Chruschtschow nicht den Gefallen tun, diese Angst in unserem deutschen Volke noch zu vertiefen.

    (Sehr richtig! bei der CDU/CSU.)

    Die Tageszeitungen und Wochenzeitschriften haben, zum Teil in Schlagzeilen, von einer Atomangst gesprochen. Die Gefahr für Neugeborene wächst, hieß es. Ein Teil der Presse hat objektiv berichtet und hat die Dinge so gesehen, wie sie gesehen werden müssen.
    Meine Damen und Herren! Die Besorgnis nicht nur in der Bevölkerung der Bundesrepublik, sondern darüber hinaus, ist nicht unbegründet. Nach dem Ansteigen der Radioaktivität der Luft in den Jahren 1957 und 1958 bis Mitte 1959 kam einmal eine Zeit der Beruhigung. Durch die in sehr schneller Folge in den Monaten September, Oktober und
    November 1961 abgewickelten Atomwaffenversuche ist die Radioaktivität der Luft schnell angestiegen. Es hatte den Anschein, als ob die UdSSR die Atmosphäre so stark wie möglich mit Radioaktivität belasten wollte, um wenigstens für einige Zeit den anderen Atommächten keinen Raum mehr für Atomwaffenversuche zu lassen. Der höchste Monatsmittelwert betrug in der Zeit nach den russischen Atomexplosionen etwa 10 Pikocurie pro cbm, wie aus den wöchentlichen Mitteilungen des Bundesatomministeriums hervorgeht. Hier darf ich anmerken, Frau Kollegin Hubert, — und Sie, wenn ich Sie nicht falsch verstanden habe, auch berichtigen — daß die Radioaktivität sowohl in der Luft als auch im Wasser als auch in den Lebensmitteln in der Bundesrepublik gemessen wird und die Meßergebnisse auch veröffentlicht werden.
    Es hat sich gezeigt, daß diese Veröffentlichung im Fernsehen und in den Tageszeitungen, soweit sie sie aufgenommen haben und noch aufnehmen — hier ist eine Verminderung festzustellen —, auf die Bevölkerung außerordentlich beruhigend gewirkt hat, weil die Gefahren, die von den Wissenschaftlern vermutet wurden, Gott sei Dank nicht in dem angenommenen Ausmaß eingetreten sind.
    Die Tageseinzelwerte schwanken natürlich. Als höchster Tageseinzelwert wurde ein Wert von ca. 50 Einheiten gemessen. Diese Werte müssen mit den maximal zulässigen Werten in eine vernünftige Beziehung gesetzt werden. Die maximal zulässigen Werte sind nun aber keine Festwerte, sondern veränderliche Werte, da sie von der Zeitspanne nach der Explosion abhängen. In der letzten Zeit konnte ein zulässiger Wert von 200 bis 400 Einheiten zugrunde gelegt werden. Man kann also sagen, die Luftradioaktivität hat diese Werte nicht überschritten.
    Durch die russischen Atomwaffenversuche stieg auch die Rädioaktivität des Regenwassers an. Der höchste Monatsmittelwert betrug etwa 1500 Einheiten. Er kann wiederum aus den Informationen des Atomministeriums entnommen werden. Eine Einheit ist gleich 1 Picocurie pro Liter. Die Meßwerte hinsichtlich der Radioaktivität schwanken für einzelne Regenfälle sehr stark. Insbesondere ist zu beachten, daß bei sehr geringen Regenmengen oder bei Beginn eines Regens die Radioaktivität unverhältnismäßig hoch ist. Die Physiker wissen diese Erscheinung gut zu erklären. Sie hängt mit dem Prozeß des starken Auswaschens der Atmosphäre zusammen. Es ist daher nicht verwunderlich, daß kurzzeitige Einzelwerte der Regenaktivität von bis zu 50 000 Einheiten gemessen worden sind. Dies bedeutet aber gesundheitlich für den Menschen gar nichts, wenn es sich, wie dies tatsächlich der Fall war, dabei nicht um eine Dauererscheinung handelt.
    Die für Trinkwasser zulässigen, zeitlich veränderlichen Werte betragen zur Zeit etwa 4000 bis 7500 Einheiten. Das sind Durchschnittswerte, meine Damen und Herren! Einige wenige kurzzeitige Spitzenwerte des Regenwassers überschreiten diese für das Trinkwasser gültige Grenze. Das darf aber aus den



    Dr. Dittrich
    dargelegten Gründen nicht zu einer Panik führen. Das Regenwasser wird ja im allgemeinen nicht getrunken. In das Grundwasser oder in das Flußwasser aber wird nachweislich wegen der Selbstreinigung keine nennenswerte Radioaktivität eingeführt. Selbst bei Trinkwasserzisternen sind die Radioaktivitätswerte in der Vergangenheit noch unter der Schädigungsgrenze geblieben, weil die Selbstreinigung die Radioaktivität des Zisternenwassers auf etwa den fünften Teil der durchschnittlichen Radioaktivität des Regenwassers herabdrückt. Trotzdem ist es vernünftig, daß die öffentliche Hand Filtergeräte für die Zisternen-Wasserversorgungsanlagen bereitstellt, damit notfalls die Selbstreinigung durch technische Reinigungsmittel unterstützt werden kann.
    Wenn zum Vergleich maximal zulässige Werte für die Radioaktivität der Luft und des Wassers genannt worden sind, so muß hinzugefügt werden, daß diese Werte von Radiologen und Medizinern unter Anwendung eines sehr strengen Maßstabs und eines sehr großen Sicherheitsfaktors in internationalen Vereinbarungen festgelegt worden sind. Weiterhin muß mit Nachdruck festgestellt werden, daß diese zulässigen Werte unter der Voraussetzung gelten, daß die Luft und das Trinkwasser diese Radioaktivität dauernd aufweisen, es sich also um eine Dauerzufuhr handelt, die praktisch das ganze Leben hindurch fortgesetzt wird. Die kurzzeitigen Erhöhungen wirken sich sehr viel weniger oder gar nicht aus.
    Angesichts dieser Situation fasse ich die Große Anfrage der sozialdemokratischen Fraktion so auf, daß die SPD von der Bundesregierung wissen will, was sie angesichts der möglichen Gefahren zu veranlassen gedenkt. Das hat letztlich — eine Woche vor Einbringen der Großen Anfrage der sozialdemokratischen Fraktion — die Fraktionen der CDU/CSU und FDP veranlaßt, einen Antrag auf Drucksache IV/15 zu stellen, nämlich:
    Der Bundestag wolle beschließen: Die Bundesregierung wird ersucht,
    angesichts des Ansteigens der Radioaktivität der Luft und des Regens unverzüglich alle Maßnahmen zu ergreifen, die zur Abwendung von Gefahren für die Bevölkerung erforderlich sind.
    Verstehen Sie mich deshalb richtig, meine Damen und Herren: Eine unmittelbare Gefahr ist nicht zu erkennen. Aber die Bundesregierung und nicht sie allein, sondern darüber hinaus auch die Länder, die Kommunen und der einzelne sind aufgerufen, Vorsorge für einen Ernstfall zu treffen. Denn wir wissen ja nicht, in welcher Weise die UdSSR diese Versuche über der Erde fortsetzt, so daß vermehrte Gefahren auf uns zukommen können. Wir sind auch bei der Obsorge nicht allein. Die umliegenden Staaten machen sich in ebenderselben Weise Gedanken darüber, was geschehen soll, wenn die Radioaktivität der Luft so zunimmt, daß eine gesundheitliche Gefahr unmittelbar bevorsteht.
    Wir wissen beispielsweise aus Belgien und aus Holland, daß sich dort die zuständigen Gremien, insbesondere die Kabinette und die Parlamente mit der
    Angelegenheit beschäftigt haben. Wir wissen, daß dort die zuständigen Minister Antworten auf Anfragen gegeben haben, die etwa in derselben Richtung liegen, wie sie heute in den Ausführungen der Gesundheitsministerin deutlich geworden ist. In Holland hat zum Beispiel Minister Dr. Veldkamp zum Ausdruck gebracht, daß im gegenwärtigen Zeitpunkt besondere Maßnahmen für die Lebensmittelversorgung nicht notwendig sind. Nach einer hoch gegriffenen Schätzung, so sagt er, soll achtmal soviel radioaktives Strontium auf die Erde niederkommen als 1958 und 1959 nach den russischen Versuchen auf den gleichen Strecken. Das Strontium, das sich im Knochenmark festsetzt, soll bei den gebräuchlichen niederländischen Nahrungsmitteln dann noch nicht höher als auf ungefähr 10 % der zulässigen Menge kommen.
    Aus Belgien wird uns berichtet, daß dort auf die Diskussion geantwortet wurde, daß sich infolge der Wiederaufnahme der Atombombenversuche der Grad der Radioaktivität im Lande Belgien im Vergleich zu den früheren Werten, die praktisch dem naturgegebenen Zustand entsprechen, erhöht habe; es sei jedoch noch nicht so weit, daß ein beunruhigendes Ausmaß erreicht worden sei, selbst wenn sich dieser höhere Grad auf ein ganzes menschliches Leben erstrecke.
    Wir sehen daraus, daß nicht allein in der Bundesrepublik Besorgnisse hochkommen, sondern auch in den anderen Ländern, und daß man sich mit diesen Fragen beschäftigt.
    Nun kurz noch einiges, was in diesem Zusammenhang auszuführen ist. Die Frau Gesundheitsministerin hat bereits dargelegt, daß in der Bundesrepublik ein umfangreiches Meßnetz vorhanden ist — und das ist zunächst einmal die Grundlage, die wir benötigen — und daß die Meßergebnisse für die gesamte Bevölkerung publiziert werden, so daß jeder Wissenschaftler und auch der Laie daraus das entnehmen kann, was erforderlich ist, sofern er die Werte zu lesen versteht. Kommentationen erscheinen ja ohnedies in Zeitungen und Zeitschriften, was ich für notwendig halte; denn die Werte allein genügen natürlich dem Laien nicht; es ist erforderlich, sie in einer allgemein verständlichen Weise zu interpretieren. Es kann aber festgestellt werden, daß der Deutsche Wetterdienst an elf über die Bundesrepublik verteilten Stationen regelmäßig die Gesamt-Radioaktivität der Luft und an 16 Stationen die der Niederschläge mißt und untersucht, welchen Anteil elf besonders gefährliche radioaktive Stoffe an der Gesamtaktivität haben. Der Deutsche Wetterdienst veröffentlicht die Meßergebnisse und warnt nach einem festgelegten Plan die zuständigen Bundes- und Landesbehörden, wenn die Toleranzwerte erreicht werden. Es darf weiterhin ausgeführt werden, daß die Wasser- und Schiffahrtsverwaltung in Zusammenarbeit mit den Landesbehörden die Radioaktivität des Oberflächenwassers der Bundeswasserstraßen mißt. Das Deutsche Hydrographische Institut bereitet die systematische Untersuchung des Seewassers, insbesondere die Feststellung der Bruttotamma-Aktivität der deutschen Küste und Stichprobenmessungen in Seegebieten, die für die Deut-



    Dr. Dittrich
    sehe Hochseefischerei und Seeschiffahrt von besonderer Bedeutung sind, vor. Einzeluntersuchungen werden bereits durchgeführt. Auch die Radioaktivität unserer Nahrung wird untersucht. Damit hat die Bundesregierung in Verbindung mit den Landesregierungen, die bekanntlich in Friedenszeiten die Sorge für die Gesundheit der Bevölkerung haben, ein Meßnetz über das ganze Bundesgebiet ausgedehnt, das genügend Möglichkeiten zum Erkennen radioaktiver Gefahren in sich birgt.
    Wenn auch die Gefahr nicht eingetreten ist, die wir in der zweiten Hälfe des vergangenen Jahres glaubten befürchten zu müssen, so stehen wir doch vor der Notwendigkeit, Vorsorge zu treffen. Ich glaube, die SPD-Fraktion hat aus dem Mund der Bundesministerin für Gesundheitswesen entnommen, daß sich die Bundesregierung in Verbindung mit den Ländern — das sei immer wieder zum Ausdruck gebracht — Gedanken darüber gemacht hat, wie diesen Gefahren begegnet werden kann, daß die Bundesregierung hier aber nicht allein die Verantwortung trägt, sondern daß darüber hinaus auch die Länder das Ihre tun müssen. Ich erinnere nur an mein Heimatland Bayern, wo sich der Innenminister Goppel bemüht, den Gefahrenmöglichkeiten zu begegnen. Ich erinnere an Baden-Wüttemberg und an Nordrhein-Westfalen, die zum Teil schon nicht unerhebliche Mittel für die Bevorratung von radioaktivverseuchten Lebensmitteln eingesetzt und ausgegeben haben.
    Es wäre mir ein leichtes, auch noch auszuführen, daß Überwachungen der Radioaktivität der Seefischanlandungen vorgenommen werden. Man kann daraus ersehen, daß die Bundesregierung alles tut, um Gefahrenquellen rechtzeitig zu erkennen. Es ist nicht meine Aufgabe, die besonderen Gefahren des Trinkwassers, der Milch und des Brotgetreides hier zu dramatisieren. Aus all den Messungen, die uns zugänglich gemacht worden sind, geht hervor, daß unmittelbare ,Gefahrenquellen in dieser Hinsicht nicht vorhanden sind.
    Wenn man die Arbeiten kompetenter Wissenschaftler und die offiziellen Äußerungen und Berichte wie die Vierteljahresberichte des Bundesministeriums für Atomenergie und Wasserwirtschaft, den zweiten Report des Britischen Medizinischen Forschungsrates 1960 sowie unter acht anderen die Messungen der Leitstellen für Radioaktivität in der Bundesrepublik, die Beurteilung von Einlagerungen radioaktiver Stoffe im menschlichen Knochen und die Messungen von Privatdozent Dr. Pribilla aus dem Gerichtmedizinischen Institut der Universität Kiel usw. zugrunde legt, so ist es nach unserer Meinung falsch und gefährlich, draußen in der Öffentlichkeit eine Panik zu erzeugen und das zu tun, was der Kreml so gern bei uns tun möchte, nämlich eine Angst zu verbreiten, die mindestens im gegenwärtigen Zeitpunkt und für die nächste Zeit nicht veranlaßt ist Wer im Hinblick auf Dinge, von denen die Allgemeinheit im großen und ganzen nicht allzuviel weiß und nicht allzuviel informiert ist, so verfährt, der handelt nicht pflichtgemäß.
    Freilich müssen wir der Öffentlichkeit sagen, was sie in einem solchen Fall zu tun hat. Das geschieht auch von seiten der Bundesregierung. Frau Bundesministerin, wäre nicht einmal die Veranlassung gegeben, die Öffentlichkeit in einer Broschüre darauf aufmerksam zu machen, wie die einzelne Familie durch eine gewisse Bevorratung — der Gedanke daran ist leider bei uns in der Bundesrepublik noch nicht allzusehr heimisch geworden — selbst 'dafür Sorge tragen kann, daß sie für den Ernstfall gewappnet ist?
    Alles in allem glauben wir, daß wir mit diesem Ersuchen an die Bundesregierung, alles zu tun, was in ihren Kräften steht, um solchen Gefahren zu begegnen, das getan haben, was notwendig ist. Die Große Anfrage der SPD, die eine Woche später eingebracht wurde, ergänzt das. Wir sind der Meinung, daß die Bundesregierung in Verbindung mit den Ländern auf dem besten Weg ist, ihre Pflicht für 'den Fall zu tun, daß eine solche Gefahr drohen sollte.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)



Rede von Dr. Richard Jaeger
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CSU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Bechert.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Karl Bechert


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mein verehrter Vorredner, Herr Dr. Dittrich, sagte eben: Wer so verfährt, der handelt nicht pflichtgemäß. Wer also die Öffentlichkeit vor diesen Gefahren warnt, der handelt nicht pflichtgemäß.

    (Abg. Dr. Dittrich: „Wer vor den Gefahren warnt", Herr Professor, habe ich nicht gesagt!)

    — Das war aber der Sinn der Aussage.

    (Abg. Dr. Dittrich: Nein, das war er nicht!)

    Das bedeutet also: Albert Schweitzer hat unrecht. Das bedeutet: die 9000 Wissenschaftler, die vor der Fortsetzung der Atomwaffenversuche gewarnt haben, sind Idioten und Narren und haben zu Unrecht gewarnt. Ich verbitte mir eine solche Äußerung im Namen der Wissenschaftler,

    (Abg. Dr. Dittrich: Verzeihung, Herr Professor, das habe ich nicht gesagt!)

    die angesichts ihres Wissens über das, was kommen kann, die Verantwortung fühlen, darüber zu reden.
    Das ist auch der Sinn unserer Großen Anfrage. Es heißt ja im ersten Satz:
    Angesichts der Wiederaufnahme von Atombombenversuchen in der Atmosphäre durch die Sowjetunion ist im Frühjahr 1962 mit einem verstärkten Befall durch radioaktive Stoffe zu rechnen.
    Das ist die Meinung aller sachverständigen Meteorologen, aller führenden Wissenschaftler auf diesem Gebiet, die sich zu dieser Frage geäußert haben. Es ist weiter die Meinung der führenden Wissenschaftler, daß eine sehr viel größere radioaktive Bedrohung infolge der neuen Atomwaffen-



    Dr. Bechert
    versuche auf uns zukommt, als das bisher der Fall war.
    Es ist jetzt etwa sechs Jahre her, daß ich in der deutschen Öffentlichkeit als erster auf diese Gefahren, die kommen können, hingewiesen habe. Ich hatte darauf hingewiesen, .daß die Radioaktivität des Regens damals — 1956 — und schon einige Zeit vorher — 1955 und 1954 — bedenklich hoch gewesen war. Seinerzeit hat die Bundesregierung wesentlich anders geantwortet, als sie es heute tut. Ich hatte damals darauf aufmerksam gemacht, daß die radioaktive Verseuchung des Regens für die Menschen, die Regenwasser als Trinkwasser verwenden müssen, weil sie keine anderen Wasserquellen zur Verfügung haben, eine Gefährdung bedeuten könne. Damals hatte die Bundesregierung die Kühnheit, durch ihren Sprecher antworten zu lassen, es seien ja nur einige wenige Höfe im Hochschwarzwald, auf denen Regenwasser als Trinkwasser verwendet werde. Damals war Atomminister der jetzige Verteidigungsminister Strauß. Heute hat man etwas anderes gehört.
    Von der Sprecherin unserer Fraktion, der Kollegin Dr. Hubert, ist darauf hingewiesen worden, daß Professor Hinzpeter von der Technischen Hochschule Hannover, der im Auftrage der niedersächsischen Regierung diese Probleme zu bearbeiten hat, im Oktober vorigen Jahres betont hat, daß allein in Niedersachsen etwa 300 000 Menschen auf Regenwasser als Trinkwasser angewiesen sind. Vorhin hat uns die Frau Bundesministerin für das Gesundheitswesen versichert, daß sich diese Zahl unterdessen verringert habe. Worauf geht das zurück? — Darauf, daß die Warner — ich gehöre zu denen, die zuerst gewarnt haben — verlangt haben, daß das geändert wird, daß für diese Menschen die Wasserversorgung auf Grundwasser umgestellt wird!
    Nebenbei gesagt: wie notwendig es ist, in dieser Frage aufklärend zu wirken, das haben die Äußerungen, die hier im Bundestag getan worden sind — auch die Antwort des Bundesministeriums für Gesundheitswesen — ganz deutlich gemacht.. Das hat auch die Äußerung gezeigt, die sich der Herr Bundesinnenminister Höcherl vor kurzem im Fernsehen geleistet hat, nämlich, daß nach einem Atomwaffenangriff, nach einer Atomwaffenexplosion der radioaktive Befall auf den Boden nur einige Wochen dauere und die Gefahr dann vorbei sei. Das zeigt, wie notwendig die Aufklärung ist. Die Wissenschaftler wissen, daß es Jahre dauert, bis die radioaktiven Stoffe einigermaßen vollständig wieder auf der Erde gelandet sind.
    Es sind einige Gebiete in der Bundesrepublik genannt worden, in denen Regenwasser als Trinkwasser verwendet wird. Es ist aber nicht davon gesprochen worden, daß das nicht nur in Schleswig-Holstein und in Niedersachsen der Fall ist. Es gibt Landgemeinden am Rand des Neckartals, in der Rauhen Alb, im Hochschwarzwald, in denen Regenwasser als Trinkwasser verwendet wird.
    Die Öffentlichkeit hat nicht erfahren, daß der Boden durch die Niederschläge der letzten Monate sehr viel stärker radioaktiv verseucht worden ist, obwohl die Aufklärungsaktion der Bundesregierung angeblich den Zweck hatte, die Bevölkerung über das zu unterrichten, was an radioaktiver Gefährdung zur Zeit gegeben ist. Wir haben nichts darüber erfahren, wie hoch die Radioaktivität des Regens war.
    Wie steht es überhaupt mit der Zuständigkeit? Es ist uns heute versichert worden, zuständig sei das Bundesministerium für Gesundheitswesen.
    Am 27. November vorigen Jahres hat der Deutsche Wetterdienst auf Anweisung des Bundesverkehrsministeriums damit begonnen, die Radioaktivität der Luft in den Wetterberichten bekanntzugeben. Das geschah dann einige Wochen lang, von Ende November bis Mitte Dezember. Schon lange steht nichts mehr darüber in der Zeitung.

    (Zuruf von der Mitte: Lesen Sie mal „Die Welt" !)

    Aber das Wesentliche ist — alle Sachverständigen haben es als wahrscheinlich vorausgesagt —: nicht die Radioaktivität der Luft ist das Bedenkliche. Professor Hinzpeter hat z. B. vor vielen Monaten darauf hingewiesen, daß es nicht um die Radioaktivität der Luft, sondern um die der Niederschläge geht. Über die Stärke der Radioaktivität der Niederschläge ist uns aber nichts berichtet worden. Daß es darum geht, konnte der Herr Bundesverkehrsminister natürlich nicht wissen. Das Bundesatomministerium hätte ihn aber darauf aufmerksam machen können, daß nicht die Veröffentlichung der Radioaktivität der Luft, sondern die der Niederschläge notwendig gewesen wäre. Ich werde später die Zahlen nennen. Ich habe sie vom Präsidenten des Deutschen Wetterdienstes auf meine Bitte zugeschickt bekommen. Ich werde dann auch von den Mittelwerten sprechen, die Herr Dr. Dittrich als weit unter der höchstzulässigen Grenze liegend bezeichnet hat. Ich werde Ihnen deutlich machen, ob das richtig ist oder nicht.
    Ich wiederhole: man hat der Öffentlichkeit nur mitgeteilt — was die Fachleute von vornherein als wahrscheinlich angenommen haben; auch das Atomministerium hat das gewußt —, daß es nicht zu einer Überschreitung der höchstzulässigen Menge in der Luft kommen könne. Man hat aber nur von der Radioaktivität der Luft und nicht von der der Niederschläge berichtet.