Deutscher Bundestag
12. Sitzung
Bonn, den 24. Januar 1962
Inhalt:
Mandatsniederlegung der Abg.
Schmidt (Hamburg) und Frau Keilhack . 289 A
Fragestunde (Drucksache IV/139) . . . . Frage des Abg. Dr. Kohut:
Vollstreckung von sowjetzonalen Unterhaltsurteilen
Dr. Strauß, Staatssekretär . . 289 B, C, D Dr. Kohut (FDP) 289 C, D
Frage des Abg. Funk (Neuses am Sand) :
Waldabtretung für den Exerzierplatz Brönnhof
Dr. Hettlage, Staatssekretär . . . . 289 D Frage des Abg. Dr. Böhm (Frankfurt) :
Leistungen zugunsten von Nationalgeschädigten 290 A
Fragen des Abg. Glüsing (Dithmarschen) : Dieselkraftstoff
Dr. Hettlage, Staatssekretär . . . 290 B, D Glüsing (Dithmarschen) (CDU/CSU) . 290 D Frage des Abg. Matthöfer:
Nichtanerkennung des Anspruchs der Witwe Marie Zilg auf Witwenrente
Dr. Claussen, Staatssekretär . 291 A, C
Matthöfer (SPD) 291 B, C Fragen des Abg. Funk (Neuses am Sand) :
Beanspruchung von Wald in der Gemarkung Reupelsdorf für militärisches Übungsgelände
Hopf, Staatssekretär . . 291 D, 292 B
Funk (Neuses am Sand) (CDU/CSU) 292 A Frage des Abg. Ritzel:
Deutscher Flugsicherungsdienst
Dr.-Ing. Seebohm, Bundesminister
292 B, C, D, 293 A, B, C, D
Ritzel (SPD) 292 C, D
Börner (SPD) 293 A
Dr. Kohut (FDP) 293 B
Brück (CDU/CSU) 293 D
Braun (SPD) 293 D
Frage des Abg. Hermsdorf:
Cuxhaven als Seenot-Hafen
Dr.-Ing. Seebohm, Bundesminister 294 A, B Hermsdorf (SPD) 294 B
Frage des Abg. Müller-Hermann:
Sachverständigenkommission betr. Verbesserung der Verkehrsverhältnisse in den Gemeinden
Dr.-Ing. Seebohm, Bundesminister . 294 C
Frage des Abg. Freiherrn von KühlmannStumm:
Empfang des zweiten Fernsehprogramms in Nordhessen
Stücklen, Bundesminister . . . 294 D
II Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 12. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 24. Januar 1962
Frage des Abg. Matthöfer:
Verschleppung des Redakteurs Heinz Brandt nach Ostberlin
Lemmer, Bundesminister . 295 A, B, C, D
Matthöfer (SPD) 295 B
Neumann (Berlin) (SPD) 295 C
Dr. Zimmer (CDU/CSU) 295 D
Frage des Abg. Dr. Kohut:
Kosten einer Rom-Reise des Bundesministers für Familien- und Jugendfragen
Dr. Wuermeling, Bundesminister . . 295 D,
296 B, C
Dr. Kohut (FDP) . . . . . . . 296 B, C Frage des Abg. Dr. Bechert:
Sammelstelle für Atommüll
Dr.-Ing. Balke, Bundesminister . . . 296 D,
297 A
Dr. Bechert (SPD) 297 A
Frage des Abg. Dr. Bechert:
Genehmigung zur Sicherstellung von Atommüll
Dr.-Ing. Balke, Bundesminister . 297 A, B, C Dr. Bechert (SPD) 297 B
Frage des Abg. Dr. Kohut:
Eintragung von Blutgruppen in die Personalausweise
Frau Dr. Schwarzhaupt,
Bundesminister . . 297 C, 298 A, B
Dr. Kohut (FDP) 298 A, B
Frau Dr. Pannhoff (CDU/CSU) . . 298 B
Frage des Abg. Dr. Bechert:
Zulassung von Hexamethylentetramin als Konservierungsstoff
Frau Dr. Schwarzhaupt,
Bundesminister . . 298 C, . 299 A, B
Dr. Bechert (SPD) . . 298 D, 299 A, B
Große Anfrage betr. Schutz der Gesundheit gegen radioaktive Strahlung (SPD) (Drucksache IV/26); in Verbindung mit dem
Antrag betr. Radioaktivität der Luft und des Regens (CDU/CSU, FDP) (Drucksache IV/15)
Frau Dr. Hubert (SPD) . . 299 C, ,314 A
Frau Dr. Schwarzhaupt,
Bundesminister . . . 300 C, 314 B
Dr. Dittrich (CDU/CSU) . . . . . 303 A
Dr. Bechert (SPD) . . . 305 C, 314 D
Dr.-Ing. Balke, Bundesminister . . . 311 B
Abgabe einer Erklärung der Bundesregierung
Schwarz, Bundesminister . . . . . 315 D
Bericht des Petitionsausschusses über seine Tätigkeit; in Verbindung mit der
Sammelübersicht 2 des Petitionsausschusses über Anträge zu Petitionen und systematische Übersicht über die in der Zeit vom 17. Oktober 1961 bis 31. Dezember 1961 eingegangenen Petitionen (Drucksache IV/114)
Frau Wessel (SPD) 323 A
Antrag des Bundesministers der Finanzen betr. Veräußerung einer Teilfläche der ehem. Flakkaserne Bremen-Lesum (Drucksache IV/126) 327 A
Entwurf eines Gesetzes über Mindesturlaub für Arbeitnehmer (Bundesurlaubsgesetz) (SPD) (Drucksache IV/142) — Erste Beratung — 327 A
Ubersicht 1 über Streitsachen vor dem Bundesverfassungsgericht (Drucksache
IV/130) 327 A
Mündlicher Bericht des Immunitätsausschusses betr. Genehmigung zur Durchführung eines Strafverfahrens gegen. den Abg. Dr. Nissen (Drucksache IV/136)
Dr. Dittrich (CDU/CSU) . . . . . 327 B
Präsident D. Dr. Gerstenmaier . . . 328 C
Mündlicher Bericht des Rechtsausschusses über die Streitsache vor dem Bundesverfassungsgericht — Antrag der Bayerischen Staatsregierung auf Feststellung der Nichtigkeit des Gesetzes zur Reinhaltung der Bundeswasserstraßen (WStrRG) vom 17. August 1960 (Drucksache IV/137) 328 D
Mündlicher Bericht des Rechtsausschusses betr. Antrag auf Normenkontrolle bei dem Bundesverfassungsgericht wegen des Sammlungsgesetzes (Drucksache IV/138) . 329 A
Nachwahl eines Mitglieds des Rundfunkrats der gemeinnützigen Anstalt des öffentlichen Rechts „Deutschlandfunk" . . 329 A
Nächste Sitzung 329 C
Anlagen 331
Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 12. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 24. Januar 1962 289
12. Sitzung
Bonn, den 24. Januar 1962
Stenographischer Bericht
Beginn: 9.01 Uhr
Anlage 1
Liste der beurlaubten Abgeordneten
Abgeordneter) beurlaubt bis einschließlich
a) Beurlaubungen
Dr. Aigner * 26. 1.
Frau Albertz 24. 1.
Altmaier 1. 2.
Arendt (Wattenscheid) * 26. 1.
Dr. Arndt (Berlin) 27. 1.
Dr. Aschoff * 26. 1.
Dr. Barzel 24. 1.
Bergmann* 26. 1.
Birkelbach* 26. 1.
Fürst von Bismarck 24. 1.
Dr. Bucerius 24. 1.
Dr. Burgbacher * 26. 1.
Dr. Deist * 26. 1.
van Delden 1. 2.
Deringer * 26. 1.
Dr. Dichgans * 26. 1.
Diekmann 26. 1.
Eisenmann 24. 1.
Frau Dr. Elsner * 26. 1.
Engelbrecht-Greve* 26. 1.
Faller * 26. 1.
Dr. Dr. h. c. Friedensburg * 26. 1.
Dr. Furler * 26. 1.
Gedat 15. 2.
Hahn (Bielefeld) * 26. 1.
Hammersen 24. 1.
Illerhaus * 26. 1.
Kalbitzer * 26. 1.
Frau Kettig 1. 2.
Dr. Klein (Berlin) 14. 2.
Dr. Kopf 26. 1.
Dr. Kliesing (Honnef) 4. 2.
Dr. Koch 24. 1.
Frau Krappe 27. 1.
Dr. Kreyssig* 26. 1.
Kriedemann* 26. 1.
Krüger 27. 1.
Kühn (Hildèsheim) 24. 1.
Leber 24. 1.
Lenz (Brühl) * 26. 1.
Dr. Löhr * 26. 1.
Lücker (München) * 26. 1.
Maier (Mannheim) 14. 2.
Margulies * 26. 1.
Mauk * 26. 1.
Dr. h. c. Menne (Frankfurt) 24. 1.
Metzger * 26. 1.
Meyer (Oppertshofen) 24. 1.
Michels* 26. 1.
Müller (Worms) 27. 1.
Müller-Hermann * 26. 1.
Dr. Philipp * 26. 1.
Frau Dr. Probst * 26. 1.
* für die Teilnahme an einer Tagung des Europäischen Parlaments
Anlagen zum Stenographischen Bericht
Abgeordneter) beurlaubt bis einschließlich
Rademacher* 26. 1.
Rasner 1. 2.
Reitzner 31. 1.
Richarts * 26. 1.
Rollmann 24. 1.
Dr. Rutschke 26. 1.
Scheuren 31. 1.
Schmidt (Braunschweig) 2. 2.
Dr. Schneider (Saabrücken) 26. 1.
Schulhoff 24. 1.
Seidel (Fürth) 26. 1.
Seifriz* 26. 1.
Storch* 26. 1.
Striebeck 9. 2.
Frau Strobel* 26. 1.
Wacher 24. 1.
Weinkamm* 26. 1.
Weinzierl 24. 1.
Werner 15. 2.
Wilhelm 26. 1.
Wischnewski* 26. 1.
b) Urlaubsanträge
Dr. Löbe 2. 2.
Anlage 2
Schriftliche Begründung
des Abgeordneten Behrendt zu .dem von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurf eines Gesetzes über Mindesturlaub für Arbeitnehmer (Bundesurlaubsgesetz) (Drucksache IV/142).
Die sozialdemokratische Bundestagsfraktion
brachte im 3. Deutschen Bundestag am 16. 3. 1960 ein Gesetz über Mindesturlaub für Arbeitnehmer ein. Das Gesetz wurde vom Bundestag nicht mehr verabschiedet, weil es nur zu einer Beratung im zuständigen Ausschuß für Arbeit kam. In dieser Sitzung des Ausschusses für Arbeit wurden am 15. 6. 1961 sieben Sachverständige gutachtlich zum vorgenannten Mindesturlaubsgesetz gehört. Die SPD wurde durch die Anhörung der Sachverständigen in ihren Vorstellungen bestärkt, die Forderungen sowohl in ihrem Regierungsprogramm als auch im seinerzeitigen Gesetzentwurf auf einen Mindesturlaub von drei Wochen für alle Arbeitnehmer berechtigt aufgestellt zu haben.
Aus diesen Überlegungen bringt die sozialdemokratische Bundestagsfraktion dem 4. Deutschen Bundestag gleich zu Beginn seiner Legislaturperiode erneut den Entwurf eines Gesetzes über Mindesturlaub für Arbeitnehmer (Bundesurlaubsgesetz) ein. Wir haben den Gesetzentwurf auf Grund der Sachverständigenanhörung in einigen Punkten geändert; entscheidende Veränderungen wurden jedoch nicht vorgenommen. Unverändert blieben daher die zwei Ziele: erstens auf dem Gebiete der materiellen Urlaubsbedingungen einen Mindesturlaub von 18
332 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 12. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 24. Januar 1962
Werktagen für alle Arbeitnehmer festzulegen und zweitens eine einheitliche Regelung der grundsätzlichen Bestimmungen des Urlaubsrechts auf Bundesebene zu schaffen.
Zur allgemeinen Begründung des Gesetzentwurfes ist anzuführen, daß ein längerer Urlaub als 12 Tage heute als notwendig betrachtet wird. Für die Arbeitsmediziner sind drei Wochen Urlaub sogar das Minimum dessen, was ohne Zweifel erwünscht ist. Die Verdichtung des Arbeitsprozesses mit seiner stärkeren arbeitsphysiologischen Belastung, die tägliche Arbeitszeit und die mit ihr gebundenen Zeiten der Wegstrecken — sie betragen nach Professor Dr. med. Graf insgesamt täglich zwischen 10 und 11 Stunden —, aber auch die erschreckenden Belastungen bei den berufstätigen Frauen lassen einen Mindesturlaub von 18 Werktagen für die Wiederherstellung und Erhaltung der Leistungsfähigkeit unserer Arbeitskraft nunmehr unbedingt notwendig werden. Der hohe Grad der Frühinvalidität ist ein nicht zu übersehendes Alarmzeichen und ein weiterer Beweis für die Berechtigung der Forderung auf einen Mindesturlaub von drei Wochen. Diese Forderung wird auch von denen nicht bestritten, die noch Bedenken hinsichtlich einzelner Wirtschafts- und Berufszweige vorbringen. Diese Bedenken und jene Einwände betreffend Kostenlage und Wettbewerbsmöglichkeiten können bei dem heutigen Stand unserer Erkenntnisse vom Gesundheitszustand unserer arbeitenden Bevölkerung nicht mehr als ernsthaft berücksichtigt werden. Wir sind an dem Punkt angelangt, an dem der Erhaltung der Arbeitskraft alle anderen Gesichtspunkte unterzuordnen sind.
In diesem Zusammenhang sei darauf verwiesen, daß die Beratende Versammlung des Europarates in der Europäischen Sozialcharta einen dreiwöchigen Mindesturlaub festgelegt hat. Des weiteren erscheint es uns nur folgerichtig, daß wir nach der einmütigen Festlegung eines Urlaubs von vier Wochen in dem verabschiedeten Jugendarbeitsschutzgesetz gerade bei den jungen Menschen vom 18. Lebensjahr ab den Urlaub nicht wieder von vier auf zwei Wochen herabsetzen dürfen.
Dieses Mindesturlaubsgesetz ist zugleich ein Schutzgesetz für mehr als drei Millionen Arbeitnehmer, für die es in der Bundesrepublik keine tarifvertraglichen Regelungen für den Urlaub gibt. Die tarifvertraglichen Regelungen bestehen deshalb nicht, weil ein Tarifpartner fehlt, und zwar in den weitaus meisten Fällen auf der Arbeitgeberseite. Um so dringender bedarf dieser Personenkreis einer vernünftigen und einwandfreien gesetzlichen Urlaubsregelung.
Zum Abschluß .der allgemeinen Begründung sei auch noch. die Frage der Tarifautonomie angesprochen. Seit der Entstehung des modernen Arbeitsrechts sind auch solche zum Bereich der Arbeitsbedingungen gehörenden Gebiete gesetzlich geregelt worden, die zur eigentlichen Zuständigkeit der Sozialpartner gehören. Gesetzliche Regelungen bestimmen also lediglich das Mindestniveau, und an dieser untersten Grenze beginnt das Wirken der Tarifpartner. Ein solches Recht zur Schaffung von
Mindestnormen ist dem Gesetzgeber bisher nie ernsthaft bestritten worden. Folglich haben die einzelnen Länder der Bundesrepublik nach 1945 Urlaubsgesetze verabschiedet. Die Länder haben damit die Tarifautonomie der Sozialpartner dort ergänzt, wo das Schutzerfordernis von den Tarifpartnern nicht wahrgenommen werden konnte. Dabei darf weiter nicht übersehen werden, daß nicht alle Arbeitnehmer an Tarife gebunden sind und auch nicht alle durch Tarifbestimmungen erfaßt werden können. Und für die Allgemeinverbindlichkeitserklärung von Tarifverträgen ist neben bestimmten zu erfüllenden Bedingungen vor allem ein Tarifvertrag Voraussetzung. Das ist aber, wie bereits erwähnt, für mehr als drei Millionen Arbeitnehmer nicht möglich.
Durch Gebots- und Verbotsgesetze ist weitgehend in die Gestaltung der Arbeitsbedingungen eingegriffen worden. Hier sei nur an die vielen gesetzlichen Arbeitszeitschutzbestimmungen erinnert. Noch nie wurde bisher geltend gemacht, daß dadurch die Tarifautonomie eingeschränkt wird. So wurden auch bisher von seiten der Arbeitgeberverbände keine Einwendungen gegen die Regelung eines Mindesturlaubs von 12 Tagen in den Ländergesetzen erhoben. Wer also von einem Eingriff in die Tarifautonomie spricht, will keine bundeseinheitliche Regelung von 18 Werktagen Mindesturlaub für alle Arbeitnehmer. Eine gesetzliche Mindestregelung auf Teilgebieten der Arbeitsbedingungen schaltet die Wirksamkeit der Tarifautonomie nicht aus. Durch den vorliegenden Gesetzentwurf, durch den ein Mindesturlaub von drei Wochen erstrebt wird, ist die Tarifautonomie der Tarifpartner in der Urlaubsfrage unangetastet; denn weiterer und ausreichender Spielraum ist vorhanden, zusätzliche Urlaubsvereinbarungen und -vergünstigungen
zu gewähren.
Zum Gesetz selbst ist zu sagen, daß es von einem unabdingbaren Anspruch auf einen bezahlten jährlichen Erholungsurlaub von mindestens 18 Werktagen für alle Arbeitnehmer ausgeht. Durch die Bezeichnung Werktage ist klargestellt, daß der Samstag als Urlaubstag anzurechnen ist. Durch das Gesetz werden alle Arbeitnehmer erfaßt, also auch diejenigen in Heimarbeit und diejenigen, die in einem arbeitnehmerähnlichen Abhängigkeitsverhältnis beschäftigt sind. Für den letztgenannten Personenkreis ergibt sich lein besonderes Schutzbedürfnis.
Einen Zusatzurlaub von 6 Werktagen sollen diejenigen Arbeinehmer erhalten, die untererheblichen Gefahren für Leben und Gesundheit arbeiten. Insbesondere ist hier gedacht an die Arbeitnehmer im Bergbau sowie an solche, die in außergewöhnlichem Grade der Einwirkung von Kälte, Lärm, Hitze, Nässe, Druckluft, giftigen Stoffen, Staub, Röntgenstrahlen, radioaktiven Strahlen oder Infektionserregern ausgesetzt sind. Die Festlegung eines derartigen Zusatzurlaubs soll nach Anhören der Tarifpartner durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates vom Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung erfolgen.
Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 12. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 24. Januar 1962 333
Urlaubsjahr ist das Kalenderjahr. Grundsätzlich soll der Urlaub im Urlaubsjahr gewährt und genommen werden. Nur aus zwingenden betrieblichen oder zwingenden in der Person des Arbeitnehmers liegenden Gründen ist eine Übertragung in den ersten drei Monaten des folgenden Jahres gestattet.
Urlaubsanspruch entsteht erstmalig sechs Monate nach Beginn des Arbeitsverhältnisses. Derjenige, der kein volles Jahr beschäftigt war, soll für jeden vollen Monat der Beschäftigung ein Zwölftel des ihm zustehenden Urlaubs erhalten, wobei eine Beschäftigung von mindestens 12 Tagen als voller Monat zu zählen ist. Erhaltener Urlaub kann beim Wechsel des Arbeitsverhältnisses nicht noch einmal geltend gemacht werden.
Die Festlegung des Urlaubs soll vom Arbeitgeber und Betriebsrat nach § 56 Abs. 1 c BVG unter Berücksichtigung ,der Wünsche des Arbeitnehmers erfolgen. Der Urlaub soll zusammenhängend gewährt werden, und seine Abgeltung ist nur statthaft, wenn der Urlaub wegen Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr als Freizeit gewährt werden kann.
Urlaubsentgelt soll nach dem Durchschnittsverdienst der letzten drei Monate berechnet werden. Mögliche Ausfallzeiten durch Freistellung, Krankheit, Arbeitsmangel oder andere Umstände sind bei der Berechnung des Arbeitsverdienstes so zu behandeln, als hätte der betreffende Arbeitnehmer in dieser Zeit voll gearbeitet. Urlaubsentgelt ist vor Urlaubsantritt auszuzahlen.
Im Falle der Krankheit dürfen die durch ärztliches Zeugnis nachgewiesenen Tage der Arbeitsunfähigkeit auf den Jahresurlaub nicht angerechnet werden. Neu aufgenommen wurde in den Gesetzentwurf, — aber in der Praxis zumeist schon so wie vorgesehen behandelt —, daß Zeiten einer Kur oder eines Heilverfahrens, die von den Trägern der Rentenversicherung oder nach gleichen Maßstäben von anderen Stellen gewährt werden, auf den Urlaub nicht angerechnet werden dürfen. Der Zweck des Urlaubs ist die Erhaltung und Wiederherstellung der Arbeitskraft. Kuren und Heilverfahren sind auf die Erhaltung, Wiederherstellung oder Besserung der durch Krankheit oder Gebrechen beeinträchtigten Erwerbsfähigkeit gerichtet. Es ist dem Arbeitnehmer nicht zuzumuten, auf diese Kur oder ein Heilverfahren zu verzichten, zumal es ein Fall nicht zu vertretender Unmöglichkeit der Arbeitsleistung ist. Eine Anrechnung auf den Jahresurlaub wird auch dadurch ausgeschlossen, daß für solche Zeiten eines Kur- oder Heilverfahrens seitens des Arbeitnehmers kein Anspruch auf Weiterzahlung des Arbeitsentgelts besteht.
Selbstverständlich sollen bestehende und zukünftige günstigere Regelungen diesem Gesetz vorgehen.
Die sozialdemokratische Bundestagsfraktion legt entscheidenden Wert darauf, daß das Gesetz mit Wirkung vom 1. Januar 1962 in Kraft tritt. Eine vordringliche Behandlung durch den Ausschuß für Arbeit ist daher erforderlich. Die ständige Zunahme der Arbeitsintensität bei gleichzeitiger Steigerung der physischen oder nervlichen Beanspruchung der Arbeitnehmer macht das Inkrafttreten dieses Gesetzentwurfes zum 1. Januar 1962 besonders notwendig. Die deutsche Arbeitnehmerschaft erwartet, nicht zuletzt durch maßgebliche Äußerungen von Vertretern der Bundesregierung bestärkt, die baldige Verabschiedung eines Mindesturlaubsgesetzes.