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ID0401100800

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Metadaten
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    Vokabeln: 7
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    3. Wort: 1
    4. hat: 1
    5. Herr: 1
    6. Bundesminister: 1
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  • tocInhaltsverzeichnis
    Deutscher Bundestag 11. Sitzung Bonn, den 19. Januar 1962 Inhalt: Glückwünsche zum Geburtstag des Abg. Dr. Siemer 261 A Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Wehrpflichtgesetzes (Drucksache IV/ 92) — Erste Beratung — Strauß, Bundesminister . 261 B, 280 B Erler (SPD) 268 D Dr. Jaeger (CDU/CSU) 274 A Schultz (FDP) 277 B Entwurf eines Vierten Gesetzes zur Änderung des Soldatengesetzes (CDU/CSU, FDP) (Drucksache IV/115) — Erste Beratung —Dr. Zimmermann (München) (CDU/CSU) 284 B Entwurf eines Gesetzes zur Gleichstellung der Wehrpflichtigen und der ehemaligen Wehrpflichtigen in der sozialen Rentenversicherung (SPD) (Drucksache IV/ 122) — Erste Beratung — Dr. Schellenberg (SPD) 285 B Nächste Sitzung 286 D Anlage 287 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 11. Sitzung. Bonn, Freitag, den 19. Januar 1962 261 11. Sitzung Bonn, den 19. Januar 1962 Stenographischer Bericht Beginn: 9.03 Uhr.
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    Liste der beurlaubten Abgeordneten Abgeordnete (r) beurlaubt bis einschließlich a) Beurlaubungen Dr. Achenbach* 19. 1. Altmaier 1. 2. Dr. Arndt 19. 1. Dr. Atzenroth 19. 1. Bauer (Würzburg) * 19. 1. Bauknecht 19. 1. Dr. Bechert 20. 1. Berkhan* 19.1. Dr. Birrenbach 19. 1. Fürst von Bismarck * 19. 1. Blachstein * 19. 1. Börner 19. 1. Dr. h. c. Brauer 19. 1. Dr. Brenck 19. 1. Dr. Bucerius 19. 1. Burckhardt 19. 1. Corterier 19. 1. Dr. Deist 21. 1. van Delden 1. 2. Dr. Dichgans 28. 1. Dr. Dittrich 19. 1. Drachsler 19. 1. Ehnes 19. 1. Eisenmann 19. 1. Etzel 19.1. Frau Dr. Flitz * 19. 1. Dr. Dr. h. c. Friedensburg 19. 1. Dr. Furler * 19. 1. Gedat 15. 2. Gerns * 19. 1. Dr. Gleissner 19. 1. Haage (München) 19. 1. Haase (Kellinghusen) 19. 1. Hammersen 19. 1. Harnischfeger 19. 1. Hilbert 2,1.1. Dr. Höchst 19. 1. Höfler * 19. 1. Frau Dr. Hubert * 19. 1. Illerhaus 19. 1. Jacobi (Köln) 19. 1. Jacobs * 19. 1. Jaksch 20. 1. Frau Kalinke 19. 1. Frau Keilhack 19. 1. Kemmer 19.1. Dr. Kempfler 19. 1. Frau Kettig 19. 1. Killat 19. 1. Dr. Klein 14. 2. Dr. Kliesing (Honnef) 4. 2. Dr. Kopf * 19. 1. Frau Korspeter 19. 1. Frau Krappe 20. 1. Krüger 27. 1. Kühn (Bonn) 19. 1. Lenz (Bremerhaven) 20. 1. Lenze (Attendorn) * 19. 1. Lohmar 19. 1. Lücker (München) 19. 1. Anlage zum Stenographischen Bericht Abgeordnete (r) beurlaubt bis einschließlich Maier (Mannheim) 14. 2. Mattick 19. 1. Mauk 19. 1. Frau Dr. Maxsein* 19. 1. Dr. h. c. Menne (Frankfurt) 19. 1. Dr. Meyer (Frankfurt) * 19. 1. Meyer (Oppertshofen) 19. 1. Dr. Morgenstern 19. 1. Müller (Worms) 27. 1. Müller-Hermann 19. 1. Paul * 19. 1. Peters (Norden) 19. 1. Dr. h. c. Pferdmenges 19. 1. Dr. Pflaumbaum 19. 1. Pöhler 19. 1. Rademacher 19. 1. Frau Dr. Rehling * 19. 1. Reitzner 31. 1. Frau Renger * 19. 1. Ritzel 19. 1. Rohde 19. 1. Dr. Rutschke 26. 1. Scheuren 31. 1. Dr. Schmid (Frankfurt) * 19. 1. Schmidt (Braunschweig) 2. 2. Schmidt (Hamburg) 31. 1. Schmidt (Würgendorf) 19. 1. Dr. Schneider 19. 1. Schütz (München) 19. 1. Seidel (Fürth) 19. 1. Seidl (München) * 19. 1. Seither 19. 1. Dr. Serres * 19. 1. Dr. Siemer 19. 1. Soetehier 19. 1. Stooß 19. 1. Striebeck 9. 2. Dr. Süsterhenn * 19. 1. Frau Vietje 19. 1. Dr. Wahl * 19. 1. Frau Dr. h. c. Weber (Essen) * 19. 1. Wegener 19. 1. Weinzierl 19. 1. Werner 15. 2. Wienand* 19. 1. Windelen 19. 1. Winkelheide 19. 1. Wittrock 19. 1. Dr. Zimmer * 19. 1. b) Urlaubsanträge Rasner 1. 2. Dr. Rieger 10. 3. *. für die Teilnahme an der Tagung der Beratenden Versammlung dies Europarates. Abweichungen und Veränderungen bitte dem zuständigen Büro - Zimmer A 336 bzw. Hausapparat Nr. 2885 - melden.
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    Rede von Fritz-Rudolf Schultz


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Herr Präsident! Moine sehr geehrten Damen und Herren! Der vorliegende Gesetzentwurf mit seiner Forderung nach Verlängerung der Grundwehrdienstzeit auf 18 Monate erfüllt einen Wunsch, der, von den Angehörigen der Bundeswehr — ob Offizier, Unteroffizier oder Mann — ausgesprochen, aus den Diskussionen mit den Besuchergruppen, die durch das Haus geführt werden, manchem Kollegen in diesem Hohen Hause geläufig ist.
    Dieser Wunsch ist im Laufe der letzten Jahre immer wieder vorgetragen worden. Es wurde immer wieder gesagt, daß zwölf Monate eben nicht genügten, um aus einem Wehrpflichtigen einen vollwertigen Soldaten zu machen, der sein Waffenhandwerk tatsächlich versteht. Wer sich darüber hinaus in der Truppe umgesehen hatte, mußte zugeben, daß diese Forderung ihre Berechtigung gehabt hat.
    Es wurde hier schon darüber diskutiert, warum zunächst eine Dienstzeit von zwölf Monaten eingesetzt, geplant werden mußte, und ich möchte mich darüber nicht weiter verbreiten. Aber ich glaube, daß heute tatsächlich der Zeitpunkt da ist, um über die Verlängerung der Grundwehrdienstzeit auf 18 Monate zu diskutieren.
    Die Freie Demokratische Partei begrüßt, daß dieser Gesetzentwurf hier eingebracht worden ist. Wir begrüßen auch, daß sich das Parlament unverzüglich damit beschäftigt hat, und wir hoffen, daß die Beratungen im Ausschuß entsprechend zügig vorangehen, allerdings nicht ohne Diskussion der vielen Einzelprobleme, über die auch Kollege, Erler gesprochen hat; sie müssen ihre gebührende Berücksichtigung finden, und wir brauchen Zeit, um sie diskutieren zu können.
    Ohne Zweifel hat das angesprochene Problem durch die Ereignisse des 13. August und durch die Verhärtung der außenpolitischen Lage eine besondere Bedeutung und Dringlichkeit und Beschleunigung bekommen. Die Freien Demokraten hatten schon in der Aussprache zur Regierungserklärung durch ihren Vorsitzenden die Feststellung getroffen, daß sie diesem Gesetzentwurf im Grundsatz zustimmen werden, und ich kann bei der ersten Lesung diese Feststellung nur wiederholen. Aber, wie gesagt, man wird sich im Ausschuß über die Einzelprobleme unterhalten müssen.
    Insbesondere wird man darüber sprechen müssen, wie man eine möglichst gleiche Behandlung aller Wehrpflichtigen erreichen kann. Wir hatten bei der ersten Änderung des Wehrpflichtgesetzes den Los-. entscheid eingeführt, da das Potential an Wehrpflichtigen heute und auch in den nächsten Jahren noch nicht ausgeschöpft werden kann, wie hier ja auch schon gesagt worden ist, und glaubten damit einen gangbaren Weg gefunden zu haben. Wir müssen uns aber darüber klar sein, daß bei einer 18monatigen Dienstzeit der Vorsprung der Nichtdienenden in ihrem beruflichen Fortkommen noch größer sein wird,

    (Sehr richtig! bei der FDP)

    und es ist nicht mehr als recht und billig, einen entsprechenden Ausgleich zu schaffen. Auch darüber haben meine beiden Herren Vorredner, insbesondere aber Herr Erler, schon gesprochen.
    Dieser Ausgleich kann nicht allein durch dieses Gesetz erfolgen, sondern es ist notwendig, daß wir eine gesetzliche Regelung für die Zivilverteidigung ebenfalls sobald als möglich verabschieden. Wir hatten auf den Zusammenhang zwischen diesen beiden Gebieten schon anläßlich der Verabschiedung des Ersten Änderungsgesetzes zum Wehrpflichtgesetz hingewiesen und hatten betont, daß die Verteidigung der Bundesrepublik nur möglich .ist, wenn neben den Anstrengungen auf dem militärischen Gebiet die gleichen Anstrengungen auch im zivilen Feld eingeleitet werden. Wir hoffen daher, daß



    Schultz
    möglichst bald entsprechende Gesetzentwürfe an das Hohe Haus gelangen, zumal der Herr Bundesverteidigungsminister im Bulletin vom 12. Dezember erklärt hat, daß er die Ausbildung und Dienstleistung im zivilen Bevölkerungsschutz als dem Dienst in der Bundeswehr gleichwertig anerkannt.
    Leider hat man am 9. Januar in der Zeitung lesen können, daß man auf der anderen Seite der Regierungsbank nicht eine so enge Verzahnung zwischen diesen beiden Gebieten herbeiführen will, daß man also den Militärdienst und den zivilen. Dienst fein säuberlich trennen will. Ich glaube, daß man darüber noch sprechen wird und daß das nicht die letzte Aussage gewesen ist.
    Wir dürfen nicht vergessen, daß uns das NATO- Bündnis auch auf dem Gebiet der Zivilverteidigung ganz bestimmte Verpflichtungen auferlegt. Ich darf nur an die Debatten erinnern, die wir seinerzeit im dritten Bundestag geführt haben, als, glaube ich, der heutige Wehrbeauftragte Admiral Heye und auch Frau Renger und Frau Dr. Lüders gemeinsam über die Maßnahmen, die in der WEU für notwendig gehalten werden, hier sprachen. Wir dürfen die Dinge deswegen nicht beiseite lassen, sondern müssen vielleicht noch dringender an sie herangehen als unsere Verbündeten in der NATO, weil wir doch schließlich die direkten Anrainer der vermutlichen Gegner sein werden.
    Ich darf wohl auch sagen und Ihre Zustimmung dazu finden, daß der Soldat nicht stehen und kämpfen kann, wenn er sich sagen muß, daß für das Überleben der Angehörigen nicht das Menschenmögliche getan ist. Auch das gehört eben mit zu dem Gedanken der Abschreckung des Gegners überhaupt. Wir sollten uns auch davor hüten, vor dem Blick auf Waffen und modernste Waffen und auf die Technik dein Menschen als Träger des Widerstandes gegen einen entschlossenen Gegner zu übersehen.
    Nun ist in der Begründung zur Regierungsvorlage zu lesen, daß die Zahl der freiwillig Längerdienenden in den Jahren 1956 bis 1961 aus verschiedenen Gründen geringer war, als zunächst angenommen werden konnte. Auch darüber hat der Herr Bundesverteidigungsminister hier gesprochen, und die beiden Herren Vorredner sind ebenfalls darauf eingegangen.
    Die Gründe sind also bekannt. Da war zunächst einmal die Situation nach 1945, in der der deutsche Soldat nicht gefragt war. Nur langsam ist das Pendel wieder zur Mitte zurückgeschwungen, und die absolute Verdammung hat einer ruhigeren Beurteilung Platz gemacht. Da wird zum zweiten die Hochkonjunktur ins Feld geführt, die den Soldatenberuf vom Finanziellen her nicht attraktiv erscheinen läßt. Schließlich ist es das Absinken der Jahrgangsstärken überhaupt, d. h. des Potentials, aus dem sich die Wehrpflichtigen rekrutieren.
    Wir sind allerdings der Meinung, daß es neben diesen Gründen, die durchaus zutreffen, auch Gründe gibt, die in der Soldatengesetzgebung von 1955 und 1956 schlechthin liegen. Man begeht wohl kein Sakrileg, wenn man sagt, daß eben diese Soldatengesetzgebung unter ganz bestimmten politischen
    Situationen geboren wurde und daß es notwendig 1 ist, nach fünf Jahren Aufbau und Erfahrung an manche Änderung heranzugehen. Ich bin der Auffassung — und habe das bei Truppenbesuchen und bei Fragen, die man gestellt hat, eigentlich bestätigt gefunden —, daß manche Gesetzesbestimmung die Dienstausübung des Soldaten erheblich behindert, dar damit die Freude am Dienst getötet wird und daß sich Soldaten — zu Recht oder zu Unrecht — nicht als Staatsbürger des gleichen Ranges wie ihre zivilen Genossen fühlen.
    Wir hatten daher, als das erste Mal, noch vor dem 17. September, von der Verlängerung des Wehrdienstes gesprochen wurde, gesagt, daß sie eine Einzelmaßnahme sei — ich freue mich, daß das auch von den beiden anderen Parteien heute bestätigt worden ist — und daß sie keine Besserung der Verhältnisse bringe, wenn nicht gleichzeitig oder zumindest in ihrem Gefolge eine Überprüfung der Soldatengesetzgebung stattfinde.
    Da wir wissen, daß das Anpacken eines solchen Problems und die Änderung einer gesetzlichen Regelung eine Folge von Überlegungen und Änderungen in anderen gesetzlichen Bestimmungen mit sich bringt, wissen wir auch, daß man hier nicht munter darauflosarbeiten kann, ohne die Folgen zu bedenken. Man muß aber an diese Arbeit herangehen in der Erkenntnis, daß die Bundeswehr eine andere Aufgabe hat als Bundesbahn und Bundespost und daß das, was dort richtig sein mag, hier eben nicht paßt.
    Wir glauben, daß viele Dinge zu kompliziert geregelt sind. Wir müssen vereinfachen und auch Ermessensentscheidungen ermöglichen. Wir sollten alles tun, um auf dem Gesetzgebungsweg Verantwortungsfreude und Zivilcourage zu stärken; denn nur dann kann Zug in die Sache kommen und der Wehrpflichtige Freude am Dienst und damit auch Lust zur Weiterverpflichtung bekommen. Ich glaube, daß gerade das Problem der Längerdienenden von der Bundeswehr her gelöst werden muß. Aber sie muß ihnen Dienst so gestalten können, daß tatsächlich eine Ausstrahlung auf die ihre Dienstzeit Ableistenden geschehen kann, daß der Wehrpflichtige sagt: Das ist doch eine feine Sache.
    Wir sind auch der Meinung, daß den Vorgesetzten aller Grade von Gesetzes wegen mehr Autorität zugestanden werden muß und daß trotz der letzten Novellierung der Disziplinargewalt das Optimum hier nicht erreicht ist.
    Wir halten es für notwendig, daß analog zu den Offiziersschulen wieder eine Unteroffiziersschule eingerichtet wird. Sicher werden die 18 Monate zunächst eine Erleichterung in Ausbildung und Einsatzbereitschaft der Bundeswehr bringen; aber man muß wissen, daß ein ordentlicher Soldat in den letzten drei Monaten seiner Dienstzeit eben nicht mehr als ein Hilfs-Unterführer sein kann. Es wurde ja von Vertretern des Ministeriums im persönlichen Gespräch gesagt, daß man die guten Wehrpflichtigen am Ende ihres Dienstes als solche Unterführer einsetzen wolle. Aber man muß sich über die darin enthaltene Problematik klar sein. Die richtigen Grundsätze der inneren Führung sind eben nicht



    Schultz
    ohne ein gut ausgebildetes Unteroffizierskorps zu verwirklichen, das die notwendige Entlastung für das Offizierskorps bringt.
    Nun hatte der Bundesverteidigungsminister — nach dem schon zitierten Bulletin der Bundesregierung — vor der Presse u. a. auch erklärt, daß mit der Verlängerung des Grundwehrdienstes keine Erhöhung der Präsenzstärke der Bundeswehr beabsichtigt sei, und er hat das heute hier noch einmal bekräftigt. Ich glaube, daß eine solche Maßnahme augenblicklich auch gar nicht erfolgen kann. Die vorübergehende Vermehrung muß außer Betracht bleiben; sie wirkt sich auf die absolute Zahl nicht aus, da noch nicht alle Aufstellungen vorgenommen sind.
    Wir hatten aber im letzten Bundestag einmal den Antrag gestellt, die Friedensstärke der einzelnen Einheiten zu erhöhen, um die durch Krankheit, Urlaub, Kommandierung Abwesenden in etwa zu ersetzen. Dieser Antrag wurde damals mit der Begründung abgelehnt, daß bei dem Fehlen von Offiziers- und Unteroffiziersstellen dieser Zuwachs nicht verkraftet werden könne. Ich habe das noch einmal überprüft und bin zu dem Ergebnis gekommen, daß zusätzliche Offiziere und Unteroffiziere gar nicht gebraucht würden. Andererseits könnte aber durch eine solche Maßnahme eine bessere Ausbildung gewährleistet werden, weil sich dann eine Zug- oder Kompanieausbildung lohnen würde, die sonst gar nicht in Angriff genommen wird, da bei der Einteilung praktisch nur ein paar Leute übrig bleiben. Das, Herr Kollege Jaeger, ist nämlich der eigentliche Grund, weshalb man überhaupt von gammeln sprechen kann: daß bei der angespannten Personallage und der Stärke der Einheiten der Bundeswehr nach Abzug derjenigen, die wegen Krankheit, Urlaub oder Kommandierung ausfallen, für den Dienst im Rahmen einer sogenannten Verbandsausbildung, Zug- oder Kompanieausbildung, zuwenig übrig bleiben.
    Die Personaldecke ist so knapp, daß — um ein Beispiel zu nennen — die durch die Straßenverkehrsordnung vorgeschriebenen Beifahrer für den 5-t-Lkw gegenwärtig bei der Nachbarkompanie ausgeborgt werden müssen; oder die Fahrzeuge bleiben stehen. Auch diese Dinge muß man berücksichtigen, wenn man über die Verlängerung der Wehrpflicht spricht.
    Der Verteidigungsausschuß des 3. Bundestages hatte einen Unterausschuß gebildet, der sich mit der Überprüfung der Stärke- und Ausrüstungsnachweisung beschäftigen sollte. Leider kam er nicht zur Arbeit. Ich würde von mir aus anregen, daß wir im Verteidigungsausschuß dieses Bundestages etwas Ähnliches tun. Denn mir scheint — bei aller Achtung vor dem Bundesrechnungshof und vor den Beamten des Bundesfinanzministeriums —, daß die an sich durchaus notwendige Sparsamkeit übertrieben wird, was das Personal und seine Einstufung angeht. Ich würde auch hier wünschen, daß die Entscheidungen nicht von dem Vergleich mit anderen Ressorts, sondern in erster Linie von der militärischen Notwendigkeit abhängig gemacht werden, insbesondere dann, wenn es sich um die Truppe handelt; bei den Stäben kann man noch anderer Meinung sein.
    Ein Übermaß an Sparsamkeit, wenn man an Stellen bei der Truppe spart, kann teuer werden, vor allem dann, wenn als letztes Argument, um eine Stelle nicht zu bewilligen, gesagt wird: Aber, meine Herren, wenn ich auch diese Forderung noch durchgehen lasse, bin ich ja in meinem Hause nicht mehr glaubwürdig. Ich sitze doch hier, um etwas wegzustreichen, ich kann Ihnen doch nicht alles bewilligen. Wie Sie es auch immer begründen, diesen letzten Posten muß ich meines Hauses wegen streichen." — Das ist selbstverständlich eine Einzeläußerung, für die ich mich verhältnismäßig gut verbürgen kann, aber man darf nicht übersehen, daß so etwas, obwohl es sich nicht bei der Truppe, sondern im Schoße der Bürokratie ereignet, selbstverständlich seine psychologischen Auswirkungen zur Truppe hinunter hat. Die Gewinnung von Freiwilligen, von länger Dienenden, ist in sehr starkem Maße ein psychologisches Problem, wo auch die Von-Mund-zu-Mund-Propaganda ihre Wirkung hat.
    Wir werden uns auch immer wieder Gedanken darüber machen müssen, wie wir trotz des Sogs der freien Wirtschaft eine genügende Anzahl von Technikern zum Zeitdienst in der Bundeswehr veranlassen können. Auch hierüber wurde schon gesprochen. Sicherlich ist den finanziellen Mitteln, die als Anreiz ausgeworfen werden können, eine Grenze gesetzt. Mir scheint aber, daß gerade in der Dienstpostenbewertung und in den Laufbahnrichtlinien noch ein Weg gegangen werden kann, der eine längere Dienstzeit in der Bundeswehr für die, die sich für den Besuch von höheren technischen Lehranstalten entschieden oder sie durchlaufen haben, attraktiv erscheinen lassen kann.
    Schließlich wollen wir auch nicht vergessen, daß der Mensch Äußerlichkeiten recht zugänglich ist und daß seine Leistung mit der Befriedigung der Eitelkeit steigt, um es ganz grob auszudrücken. Haben wir nicht die Idee, daß die Uniform nur ein Arbeitskleid sei, etwas übertrieben? Meinen Sie nicht auch, meine Damen und Herren, daß wir aus dem Extrem des Lametta in das andere der übergroßen Schlichtheit verfallen sind?

    (Sehr richtig! bei der CDU/CSU.)

    Wir sollten nicht in jedem Abzeichen, das verliehen oder gestiftet werden kann, ein Politikum sehen, zumal dieses Abzeichen nicht einmal wesentliches Geld kostet, außer dem der Beschaffung. Auch im 20. Jahrhundert hat Schiller immer noch recht, wenn er in Wallensteins Lager" sagt: Der Soldat muß sich können fühlen.

    (Abg. Schmitt-Vockenhausen: Damals gab es aber auch noch keine Autos!)

    Es scheint mir auch die Aufgabe gerade des Politikers zu sein, in der Öffentlichkeit für die Bundeswehr zu werben und das nicht der Bundeswehr allein zu überlassen. Tage der Offenen Tür und der Ausstellungszug der Bundeswehr, der von Flecken zu Flecken reist, sind neben der Ausstrahlung des Führerkorps der Bundeswehr auf die Geführten richtige Mittel zur Werbung für die Verteidigungsbe-,



    Schultz
    reitschaft. Aber sie vermögen schließlich nicht mehr als freundliches Interesse zu erzielen, wenn auf der Tagung der Fremdenverkehrsverbände ein Politiker sagt, er werde dafür sorgen oder sich dafür einsetzen, daß die Kurorte von der Belästigung durch Düsenjägerlärm oder Panzerkettengerassel bei Übungen von einigen Tagen verschont bleiben. Was ist heute nicht alles Erholungsgebiet in der Bundesrepublik?! Wo soll dann noch geübt werden, wenn man solche Maximen aufstellt?
    Von der Opferbereitschaft und vom Opfer schlechthin ist heute schon gesprochen worden. Wir müssen unserer Gesellschaft überhaupt ein höheres Maß an persönlicher Opferbereitschaft zumuten. Man sollte den Appell an die Opferbereitschaft nicht immer gleich wieder einschränken.

    (Abg. Schmitt-Vockenhausen: Herr Kollege Pferdmenges hat aus seiner Sicht schon das Volk angespornt!)

    — Ich glaube, daß Sie das Problem durch Ihren Zwischenruf zu sehr vereinfacht haben, lieber Kollege Schmitt-Vockenhausen.
    Ich komme zum Schluß. Wir müssen an das Problem der Verlängerung der Wehrdienstzeit herangehen, insbesondere im Interesse des Leistungs- und Ausbildungsstandes der Bundeswehr. Wir würden uns etwas vormachen, wenn wir auf der einen Seite den Verteidigungsetat bewilligen, auf der anderen Seite aber nicht das tun, was menschenmöglich ist, um einen Höchststand an Ausbildung zu erreichen. Nur mit solchen Soldaten wird der Poli) tiker einen Krieg verhindern können.

    (Beifall bei der FDP und in der Mitte.)



Rede von Dr. Eugen Gerstenmaier
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Das Wort hat der Herr Bundesminister der Verteidigung.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Franz Josef Strauß


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (None)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Von jeder Fraktion hat nun ein Redner Stellung genommen und dabei eine Reihe von beachtlichen Gesichtspunkten vorgebracht. Ich erhebe keinen Anspruch darauf, zu behaupten, daß der Gesetzentwurf, obwohl er gründlich überlegt und gerade in den schwierigen Einzelpunkten monatelang poliert worden ist, in der vorliegenden Fassung nunmehr das Optimum dessen darstellt, was erzielt werden kann. Ich bitte aber andererseits um Verständnis dafür, daß ich an zwei Punkten festhalten muß.
    Erstens muß ich daran festhalten — ich denke jetzt nicht an die Länge von 18 Monaten, über die hier ja als solche nicht mehr diskutiert worden ist --, daß .das Gesetz, wenn irgend möglich vor dem 1. April dieses Jahres in Kraft zu setzen ist.
    Zweitens müßte, was die Übergangsregelung anbetrifft, jede wesentliche Änderung des hier gemachten Vorschlags zur Folge haben, daß ,die Bundesregierung weiterhin auf ,dem Wege der Rechtsverordnungen oder der Verlängerung der Übergangsfrist kraft Gesetzes die 15 Monate beibehalten müßte. Beides ist nicht sehr schön.
    Der 13. August spielt hierbei natürlich eine Rolle, und zwar nicht die, mehr zu tun, als wir früher vorhatten, sondern endlich das tun zu können, was wir immer schon vorhatten, was aber wegen der heute genannten Gründen nicht möglich war. Ich sehe aber mit großem Interesse — das gleiche darf ich auch für die beteiligten Mitarbeiter sagen — der Diskussion gerade der wesentlichen Einzelprobleme entgegen, die heute angeschnitten worden sind.
    In einem Punkte könnte ich nach dem, was Kollege Schultz dazu gesagt hat, vielleicht mißverstanden worden sein. Ich bin an sich immer ein Anhänger einer gesetzlichen Verteidigungspflicht gewesen, die sich auf mehrere Sektoren erstreckt, auf den militärischen Sektor wie auch auf den zivilen Sektor. Ich meine jetzt nicht die Verpflichtung an einen Arbeitsplatz. Dafür bedarf es keiner militärischen oder zivilen Organisation. Das kann durch andere Mittel geschehen. Das hatte wohl, Kollege Schultz, auch der Herr Innenminister Höcherl im Sinne, als er die von Ihnen vorhin apostrophierten Äußerungen machte. Andererseits stellt die Verteidigung, . die militärische und die zivile, eine Gesamtheit dar. Deshalb bedarf es sehr wohl einer gesetzlichen Verpflichtung, nicht nur damit die militärischen Erfordernisse erfüllt werden, sondern auch damit die zivilen Erfordernisse erfüllt werden.
    . Ich bin auch nicht der Meinung, daß der zivile Bevölkerungsschutz unter militärische Führung gestellt und durch militärisches Personal wahrgenommen werden soll. Vielmehr meine ich, daß die Tätigkeit im zivilen Bevölkerungsschutz, da wir, was die zur Verfügung stehenden menschlichen Kräfte anlangt, erfreulicherweise keine Personalsorgen haben, gleichgestellt werden soll und angerechnet werden kann, wobei aber auf Grund der bestehenden Verhältnisse eine ausreichend befriedigende Lösung nur durch die gesetzliche Verpflichtung gefunden werden kann. Ich selber würde es vorziehen, wenn wir zu einer beide Teile umfassenden Verteidigungspflicht in Reform der Wehrgesetzgebung kämen. Das Ganze kann aber auch auf anderem Wege erfüllt werden ohne eine solche umfassende Regelung. Der klassische Wehrdienst trägt natürlich sehr leicht die Züge einer sehr traditionellen und konservativen Lösung an sich, die den heute leider zugrunde zu legenden Gesichtspunkten nicht mehr gerecht wird.
    Ich darf einen zweiten Gesichtspunkt herausgreifen, der vom Herrn Kollegen Erler in einer kritischen Bemerkung angeschnitten worden ist: Wenn die Truppe verständigt werden muß, daß eine Änderung ihrer Dienstzeit auf Grund der politischen Ereignisse notwendig ist, so soll die Bundesregierung sich selbstverständlich nicht um die unangenehme Bekanntgabe, etwa durch Abwälzung der Lasten auf die Offiziere, herumbewegen. Andererseits erfordert es das Vertrauensverhältnis zwischen Offizier und untergebenem Soldaten, daß die Übermittlung der Entscheidungen der Bundesregierung nicht auf dem Weg über Presse oder andere öffentliche Nachrichtenorgane an ihn erfolgt, sondern daß der Offizier, sein Kompaniechef, sein Bataillonskommandeur, ihm diese Entscheidung be-



    Bundesverteidigungsminister Strauß
    kanntgibt und auch die Gründe nennt, die von der Regierung dafür angeführt werden. Das gegenseitige Vertrauensverhältnis — Verantwortung und Vertrauen, Befehl und Gehorsam sind ja immer ein zusammengehörendes Ganzes — macht auch in diesen Fällen eine solche Lösung erforderlich.
    Ich mache keinen Hehl daraus, wir hätten sehr gerne auf eine Verlängerung von 12 auf 15 Monate durch die bekannte Maßnahme verzichtet. Die Bundesregierung — ich darf sie hier einmal in ihrer Gesamtheit ansprechen — hat sich die Sache sehr gründlich überlegt. Ich glaube, daß die Gesichtspunkte, die der Außenminister und der Verteidigungsminister zugrunde legen mußten, sich dann zum Schluß bei der Entscheidung durchgesetzt haben. Das war aber das Ergebnis einer sehr ernsten und verantwortungsbewußten, mit dem Wahlkampf nicht unmittelbar zusammenhängenden Prüfung. An sich bin ich es ja gewohnt, wenig attraktive Entscheidungen vertreten und in der Öffentlichkeit verantworten zu müssen.

    (Abg. Wehner: Es war eine schwere Sache!) — Ja, man lernt im Laufe der Zeit dazu.


    (Abg. Erler: Nach der Wahl waren die Überlegungen abgeschlossen?!)

    Herr Kollege Erler hat recht, daß eine über die NATO-Ziele hinausgehende militärische Planung der Bundesrepublik natürlich Unruhe auch in die Reihe der Allianz bringen würde. Aber von der Gefahr sind wir wahrlich verschont. Bis jetzt ist nur eine einzige Unruhe in den Reihen der Allianz entstanden, daß wir nämlich zu wenig tun, jedenfalls nicht das tun, was wir nach Meinung sowohl der integrierten NATO-Stäbe, der zivilen und der militärischen Stellen, wie nach Meinung unserer Bundesgenossen tun sollten. Daß hierbei die Verhältnisse umgekehrt liegen als nach dem ersten Weltkriege, gehört zu den Seltsamkeiten dieses Zeitalters. Nach dem ersten Weltkriege haben sich alle Reichsregierungen bemüht, ein größeres Maß an militärischer Verteidigungsfähigkeit zu erhalten, weil die Beschränkungen des Versailler Vertrages sehr einschneidend waren. Bei dem Wiederaufbau der deutschen Streitkräfte, also beim Aufbau der Bundeswehr, mußten wir die Erwartungen der Alliierten auf einen sehr starken deutschen Beitrag von vornherein dämpfen.
    Dabei gebe ich gerne zu, daß manchmal gewisse publizistische Äußerungen über die Bundeswehr in keiner Weise im Einklang stehen mit der Meinung der offiziellen Stellen im Ausland, daß gewisse öffentliche Äußerungen über angeblich stärkere Ausrüstung der Bundeswehr, Äußerungen, die wir lesen, in keiner Weise mit dem übereinstimmen, was die Stäbe der NATO, was die verantwortlichen militärischen Befehlshaber und was die verantwortlichen Regierungen unserer NATO-Partner für möglich oder für notwendig halten.
    Ich möchte Herrn Kollegen Erler bitten, sich noch einmal ernsthaft zu überlegen, ob er seine Anregung, verschiedene Dienstzeiten innerhalb der NATO-Einheiten vorzusehen, aufrechterhalten will.
    Aber das gehört zu den Punkten, die wir im Ausschuß im einzelnen besprechen können. Diese Regelung könnte eine Gefällwirkung auslösen, die dann Soldaten erster und zweiter Klasse schafft.

    (Abg. Erler: Bestimmte Verbände haben in den NATO-Einheiten eigentlich nichts zu suchen, sondern gehören zur territorialen Verteidigung!)

    Das würde Ihre Meinung dann verständlich machen. Nur glaube ich, daß die Annahme wohl nicht ganz richtig ist.
    Wir bekommen aber auf die Weise auch die Möglichkeit, Soldaten in verschiedenen Funktionen auszubilden. Denn man müßte ja bei dem Zweck, für den die Bundeswehr aufgestellt wird, bei dem Ernst der Verteidigung, auch mit Ausfällen rechnen; und wenn man dann nur Soldaten hat, die, wie Sie, glaube ich, einmal in einer früheren Diskussion sagten, „Deckputzer" sind — im Zusammenhang mit der Frage: Was haben Wehrpflichtige in der Marine verloren? —, dann allerdings wäre dafür sogar d i e Ausbildung noch zu kostspielig.
    Der Herr Kollege Schultz hat die Frage der Soldatengesetzgebung angeschnitten. Wir haben immer die Linie verfolgt, Erfahrungen zu sammeln bis an eine Reform der Gesetzgebung gedacht wird, wobei man unter dem Wort Reform im allgemeinen Verbesserung versteht. Nicht immer haben sich Änderungsgesetze auch als Verbesserungen erwiesen. Wir sind aber der Meinung, daß eine wirkliche Verbesserung der Soldatengesetzgebung erst dann 1 erfolgen kann, wenn ausreichende Erfahrungen mit den bisherigen Gesetzen — die ich in keiner Weise für ideal halte — vorliegen. Es stürmt eine Fülle von Vorschlägen, Novellen zu vielen Einzelheiten zu erlassen, auf uns ein. Es hätte auch den Wert der Gesetzgebung und den Wert der Gesetze vermindert, wenn man wegen der Notwendigkeit, eine einzelne Härte oder eine einzelne Schwäche zu beheben, jeweils ein Änderungsgesetz gemacht hätte. -- Ich weiß, was Sie meinen, Herr Kollege Schultz, und möchte deshalb nicht im einzelnen darauf eingehen. Aber hier ist es doch bei allen Fraktionen, auch bei Ihrer Fraktion, damals so gewesen, daß die Meinungen in keiner Weise einheitlich waren. Ich sage das ohne jeden Unterton eines Vorwurfs. Bestimmte Gesetze, die dem Aufbau der Bundeswehr dienten -- vor allem auf dem personellen Gebiet —, sind im Beamtenrechtsausschuß behandelt worden. Bei dem Prinzip, nach welchem die Ausschüsse zusammengesetzt werden, war der Beamtenrechtsausschuß immer so zusammengesetzt, daß seine Vertreter die ganze personelle Wehrgesetzgebung unter dem Aspekt des Beamtenrechts gesehen haben. Das galt auch für die Vertreter derjenigen Fraktionen, deren mehr militärisch orientierte Sprecher dann hier lebhaft beklagt haben, daß die Gesetze oft den Verhältnissen nicht gerecht würden. — Ich möchte aber weder Namen noch Einzelheiten nennen. Im Ziel könnten wir uns weitgehend einig sein.
    Ich möchte die Debatte auch nicht durch eine nochmalige Behandlung Ihrer Frage wegen der Reserveplanstellen ausweiten; aber Ihre Gesichts-



    Bundesverteidigungsminister Strauß
    punkte würden mich im Ausschuß sehr interessieren. Denn wenn wir auch, ohne die Zahl der Einheiten zu vermindern oder das Tempo des Aufbaues zu verlangsamen, mehr Planstellen schaffen würden, so würde dadurch das personelle Fehl höchstens optisch, aber nicht in der tatsächlichen qualitativen Besetzung ausgeglichen werden können. Wie Sie diese Quadratur des Zirkels lösen wollen, das würde mich wahrlich interessieren.
    Wenn der Verteidigungsausschuß die Absicht haben sollte, einen Unterausschuß zur Bearbeitung von StANs einzurichten, dann möchte ich nichts gegen den sachkundigen Beitrag sagen; nur hätte ich dann den Wunsch, daß dabei die Gesprächspartner nicht allein die Vertreter des Verteidigungsministeriums sind, sondern daß bei der Erarbeitung der StANs die von den Parlamentariern vertretenen Ansichten zur Geltung kommen oder zumindest mit einem gewissen Einfluß gehört werden. Denn damit, daß wir für die Aufstellung der einzelnen StANs noch ein neues Diskussionsgremium mehr bekommen, vermehrt sich nur die Zahl der Diskussionsstunden, aber es ändern sich noch nicht die StANs. Wenn ein solcher Vorschlag gemacht wird, dann würde ich sehr wünschen, daß in diesem Gremium die Vertreter des Finanzministeriums und des Rechnungshofs mit denen des Verteidigungsministeriums und Experten aus der Truppe zusammen bei der Erarbeitung der StANs tätig sind.
    Ich darf zum Schluß noch, weil es der Verhinderung von Legendenbildung dient — ein Bemühen, das zwar meistens nicht gerade große Aussichten auf Erfolg hat, dem man sich aber trotzdem nie entziehen soll —, zur Frage des Werdeganges und damit für mich abschließend folgendes sagen. In der öffentlichen Diskussion, auch in der Kommentierung, haben sich im Laufe der letzten Wochen und Monate Ansichten bemerkbar gemacht, die mit dem tatsächlichen Ablauf nicht übereinstimmen. Ich darf deshalb in Stichworten folgendes vortragen.
    Die Vorlage eines Entwurfs des Wehrpflichtgesetzes durch das Verteidigungsministerium an das Kabinett ist am 30. Januar 1956 erfolgt. Damals war ein Grundwehrdienst von 18 Monaten vorgesehen, ein verkürzter Grundwehrdienst von sechs Monaten und Wehrübungen für Offiziere bis zu 12 Monaten und für Unteroffiziere und Mannschaften bis zu sechs Monaten. Am 8. Februar 1956 hat das Kabinett diesen Entwurf des Wehrpflichtgesetzes gebilligt. Am 1. März 1956 ist dieser Entwurf vom Kabinett an den Bundesrat gegangen. Am 23. März 1956 hat der Bundesrat dem Kabinett eine Begrenzung des Grundwehrdienstes auf 12 Monate vorgeschlagen mit der Begründung, daß die Ausbildung mehr auf taktische und technische Notwendigkeiten abgestellt werden solle und daß die rein formale Exerzierausbildung wegfallen solle; ferner müßten die Lage des Arbeitsmarktes und die familiären und beruflichen Auswirkungen für die Wehrpflichtigen berücksichtigt werden. Aus diesen Gründen sei bei den technischen Spezialisten eine längere Ausbildung als 18 Monate erforderlich; bei den anderen sei dagegen eine Begrenzung auf 12 Monate möglich. Am 4. April 1956 hat das Verteidigungsministerium den Vorschlag des Bundesrates in seinen
    Bemerkungen für den zweiten Durchgang im Kabinett abgelehnt und empfohlen, an einem 18monatigen Grundwehrdienst festzuhalten. Am 12. April 1956 ist dieser Entwurf des Wehrpflichtgesetzes von der Bundesregierung an den Bundestag gegeben worden. Dabei war eine ablehnende Stellungnahme zu den Änderungsvorschlägen des Bundesrates abgegeben worden.
    Am 4. Mai 1956 hat Bundesverteidigungsminister Blank in erster Lesung als Sprecher der Regierung die Forderung auf allgemeine Wehrpflicht und 18monatigen Grundwehrdienst vertreten. Es kamen die Äußerungen von Ihnen, Herr Kollege Erler, in denen Sie sich — wie bekannt und hier nicht im einzelnen zu wiederholen — unter den damaligen Umständen überhaupt gegen die Einführung der Wehrdienstleistung, gleichgültig in welcher Form und Länge, wandten. Dr. Jaeger sagte damals etwa: Ob sechs Monate, 18 Monate, wie die Bundesregierung meint, oder 12 Monate, wie der Bundesrat meint — das ist eine Fachfrage. Wir müssen uns darüber klar sein, daß Sie, wenn Sie nicht einen Volkssturm wollen, eben eine sehr gründliche Ausbildung brauchen. -
    Das Ergebnis der ersten Beratung war die Überweisung an die Ausschüsse. Am 20. Juni 1956 erfolgte die Vorlage des auf Veranlassung der SPD erarbeiteten Sachverständigengutachtens, der sogenannten Manstein-Studie, vor dem Verteidigungsausschuß. Sein Inhalt: Allgemeine Wehrpflicht, Dienstzeit 24 Monate, mindestens 18 Monate, 500 000 Mann, davon 230 000 Berufssoldaten oder Längerdienende. Am 29. Juni 1956 hat auf Antrag des Abgeordneten Dr. Jaeger die Mehrheit im Verteidigungsausschuß beschlossen, die Dauer des Grundwehrdienstes und der Wehrübungen durch ein späteres besonderes Gesetz zu regeln, d. h. diese Frage aus dem Wehrpflichtgesetz auszuklammern. Der Grund war, daß eine weitere Verzögerung des Aufbaus der gesamten Organisation infolge des Hin und Hers um diese Frage nicht tragbar sei. Am 4. Juli 1956 erfolgte dann die Annahme des Entwurfs in Abwesenheit der SPD und des GB/ BHE. Am 6. und 7. Juli fand die dritte Lesung im Bundestag statt, bei der die Kollegen Berendsen, Erler, Mende und andere gesprochen haben. Das Ergebnis war die Annahme des Gesetzes unter Ausklammerung der Frage der Dauer des Grundwehrdienstes und der Wehrübungen. Am 21. Juli 1956 trat das Wehrpflichtgesetz in Kraft.
    Am 24. August 1956 hat das Verteidigungsministerium einen Gesetzentwurf über die Dauer des Grundwehrdienstes und die Gesamtdauer der Wehrübungen an das Kabinett weitergeleitet. Sein Inhalt: Festhalten in dem ersten Entwurf eines Dienstzeitdauergesetzes am Grundwehrdienst von 18 Monaten. Zwischen dem 24. August und dem 24. September 1956 erfolgte eine Änderung des Standpunktes. Ich zitiere in verkürzter Form eine Veröffentlichung des Presse- und Informationsamtes vom 27. September: „Bundeskanzler glaubt auf Grund des Radford-Planes an 18 monatiger Dienstzeit nicht festhalten zu können und entscheidet sich für 12 Monate." In der Zwischenzeit — am 24. September 1956 — war bereits von Bundesminister Blank ein neu geänderter Entwurf des Gesetzes über die Dauer des



    Bundesverteidigungsminister Strauß
    Grundwehrdienstes und die Gesamtdauer der Wehrübungen an das Kabinett geleitet worden. Sein Inhalt war: Forderung eines Grundwehrdienstes von 12 Monaten, Gesamtdauer der Wehrübungen für Unteroffiziere und Mannschaften von 6 Monaten, für Offiziere von 12 Monaten, dafür aber 300 000 statt 230 000 Berufs- und Zeitsoldaten. Dieser Gesetzentwurf ging dann im Laufe des September durch den Bundesrat, der seine Zustimmung am 19. Oktober gab.
    Wenige Tage später, am 8. November, — kurz nach meiner Ernennung zum Verteidigungsminister — hatte ich die Ehre, dieses Gesetz am Beginn einer langen Serie von Debatten hier vertreten zu dürfen. Ich habe damals gesagt, diese Zeit stelle das Mindestmaß dessen dar, was mit Verantwortungsbewußtsein überhaupt vertreten werden könne, sie sei gleichzeitig die Höchstgrenze dessen, was vom Staat dem einzelnen zugemutet werden sollte. Eine Verkürzung der Dienstzeit von 18 auf 12 Monate sei nur möglich, wenn Mängel und Schwächen, die sich daraus ergeben, durch geeignete Maßnahmen ausgeglichen werden könnten.
    Bereits damals brachte der Vorschlag gewisse Vorhaltungen von seiten der NATO. Ich habe dann während der parlamentarischen Beratungen im Ausschuß noch eine Änderung dieses Gesetzentwurfs, und zwar in zwei Punkten, erreicht. Der Entwurf hatte nur eine Verkürzung der Dienstzeit von 18 auf 12 Monate vorgesehen, die Dauer der Wehrübungen aber gegenüber dem früheren Entwurf
    3) nicht geändert. Ich habe deshalb im Ausschuß vorgeschlagen — ich wurde dabei von einer Reihe von Kollegen unterstützt —, statt dessen die Dauer der Wehrübungen zum Ausgleich für die Verkürzung des Grundwehrdienstes um einen entsprechenden Zeitraum zu verlängern und außerdem die Möglichkeit des verlängerten Grundwehrdienstes von 18 Monaten einzuführen. Damals hat der Kollege Mende der Einführung des 12monatigen Grundwehrdienstes unter Hinweis auf den Radford-Plan zugestimmt, der von seiten der FDP schon mehrmals zitiert worden war. Ich habe dann am 15. November 1956 vor dem Verteidigungsausschuß gesagt, daß die militärischen Belange nach wie vor eine Dauer des Grundwehrdienstes von 18 Monaten erforderlich machten. Wenn man aber bei einem 12monatigen Grundwehrdienst die ständige Einsatzbereitschaft erhalten wolle, sei eine Änderung des Verhältnisses zwischen Langdienenden und Wehrpflichtigen und eine Straffung der Ausbildung erforderlich.
    Dann war am 5. Dezember 1956 im Bundestag die zweite und dritte Lesung, bei der der Entwurf vom September des Jahres 1956 mit den eben erwähnten Änderungen tatsächlich angenommen wurde.
    Sie haben, Herr Kollege Erler, heute mit Recht gesagt, die Bundeswehr gehöre nicht einer bestimmten politischen Gruppierung an, sondern sie sei eine in der Verfassung vorgesehene Verteidigungsorganisation, die allen demokratischen Kräften gleich nahestehen müsse. Sie haben damit einen Grundsatz betont, den auch wir nicht nur als Lippenbekenntnis, sondern mit Überzeugung mehrmals vertreten haben, der der Ansicht der Bundesregierung und der Mehrheit dieses Hauses entspricht, ein Grundsatz, der sicherlich — das ist verständlich — im Hin und Her des politischen Kampfes manchmal angezweifelt wird.

    (Abg. Schmitt-Vockenhausen: Der aber auch manchmal verletzt wird!)

    Wenn aber Kollege Jaeger sagte, daß das weniger an der Regierung oder der Mehrheit in diesem Hause oder an der Bundeswehr lag, sondern daß der größere Teil des Weges, um diesen Idealzustand zu erreichen, auf Ihrer Seite hätte zurückgelegt werden müssen, so hat das natürlich auch seine gewisse Berechtigung. Ich verkenne dabei in keiner Weise die Schwierigkeiten, denen Sie in besonderer Weise ausgesetzt waren, wenn Sie diesen Weg gehen wollten.

    (Abg. Erler: Und auch die Wirkungen, die manche hier gehaltenen Reden des Kollegen Jaeger bei der Bundeswehr hatten!)

    Bei der dritten Lesung des Wehrpflichtgesetzes im Dezember 1956 haben Sie dieses Gesetz, das Dienstzeitdauergesetz — nach der von mir angeordneten Auslese aus den Debatten — abgelehnt, wie allgemein bekannt ist, weil es ein Bestandteil des Wehrpflichtgesetzes sei, und haben dabei wörtlich gesagt: Die Sozialdemokraten werden wenigstens die Wehrpflicht abschaffen, wenn sie stark genug werden. Dann bin ich zufrieden.
    Der Weg, den Sie unter dem Druck der Verantwortung, die auch die andere Seite des Hauses hat, zurückzulegen hatten, ist sicherlich nicht leicht zu gehen gewesen.
    Wenn ich mich heute in erster Linie auf militärtechnische Gesichtspunkte beschränken konnte, so nicht deshalb — ich sage das nicht als Exkulpation, aber gerade um die Sachlichkeit der Debatten in . diesem Hause zu betonen —, weil ich der politischen Debatte aus dem Wege gehen wollte, sondern deshalb, weil immer stärker die Gemeinsamkeit der Bemühungen und nicht die Frage des Ob-Oder zum Ausdruck gekommen ist — ob wir Soldaten haben sollen oder nicht —, und vor allem, um immer stärker das gemeinsame Bemühen, die richtige politische, militärische und technische Form dafür zu finden. Das ermöglicht es jedenfalls dem Ressortminister, sich in der Debatte sozusagen auf seine Aufgabe im engeren Sinne zu beschränken.
    Wenn es möglich ist, die Beratungen so anzusetzen, daß das Gesetz zum 1. April in Kraft treten kann, dann ist den politischen und den militärischen Notwendigkeiten am besten Rechnung getragen. Ich halte es für selbstverständlich und stelle es hier in Aussicht, daß wir mit allem Material, das wir auf Grund von Erfahrungen und ,sonstigen Möglichkeiten zu dieser Debatte beitragen können, zur Verfügung stehen werden.
    Die Verabschedung dieses Gesetzes wird ebenfalls ein wesentlicher Bestandteil des Gesetzgebungswerks dieses Bundestags sein, eines Werks, das dem Ausbau unseres Lebens und unserer Lebensverhältnisse im Innern, aber auch unserem Willen in aller Bescheidenheit, aber auch in aller Unzweideutigkeit Ausdruck geben soll, diesen Teil



    Bundesverteidigungsminister Strauß
    Deutschlands am Leben zu erhalten und dem anderen Teil Deutschlands die Hoffnung zu geben, eines Tages mit uns gemeinsam dasselbe Leben führen zu können.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)