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ID0401100600

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    Deutscher Bundestag 11. Sitzung Bonn, den 19. Januar 1962 Inhalt: Glückwünsche zum Geburtstag des Abg. Dr. Siemer 261 A Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Wehrpflichtgesetzes (Drucksache IV/ 92) — Erste Beratung — Strauß, Bundesminister . 261 B, 280 B Erler (SPD) 268 D Dr. Jaeger (CDU/CSU) 274 A Schultz (FDP) 277 B Entwurf eines Vierten Gesetzes zur Änderung des Soldatengesetzes (CDU/CSU, FDP) (Drucksache IV/115) — Erste Beratung —Dr. Zimmermann (München) (CDU/CSU) 284 B Entwurf eines Gesetzes zur Gleichstellung der Wehrpflichtigen und der ehemaligen Wehrpflichtigen in der sozialen Rentenversicherung (SPD) (Drucksache IV/ 122) — Erste Beratung — Dr. Schellenberg (SPD) 285 B Nächste Sitzung 286 D Anlage 287 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 11. Sitzung. Bonn, Freitag, den 19. Januar 1962 261 11. Sitzung Bonn, den 19. Januar 1962 Stenographischer Bericht Beginn: 9.03 Uhr.
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    Liste der beurlaubten Abgeordneten Abgeordnete (r) beurlaubt bis einschließlich a) Beurlaubungen Dr. Achenbach* 19. 1. Altmaier 1. 2. Dr. Arndt 19. 1. Dr. Atzenroth 19. 1. Bauer (Würzburg) * 19. 1. Bauknecht 19. 1. Dr. Bechert 20. 1. Berkhan* 19.1. Dr. Birrenbach 19. 1. Fürst von Bismarck * 19. 1. Blachstein * 19. 1. Börner 19. 1. Dr. h. c. Brauer 19. 1. Dr. Brenck 19. 1. Dr. Bucerius 19. 1. Burckhardt 19. 1. Corterier 19. 1. Dr. Deist 21. 1. van Delden 1. 2. Dr. Dichgans 28. 1. Dr. Dittrich 19. 1. Drachsler 19. 1. Ehnes 19. 1. Eisenmann 19. 1. Etzel 19.1. Frau Dr. Flitz * 19. 1. Dr. Dr. h. c. Friedensburg 19. 1. Dr. Furler * 19. 1. Gedat 15. 2. Gerns * 19. 1. Dr. Gleissner 19. 1. Haage (München) 19. 1. Haase (Kellinghusen) 19. 1. Hammersen 19. 1. Harnischfeger 19. 1. Hilbert 2,1.1. Dr. Höchst 19. 1. Höfler * 19. 1. Frau Dr. Hubert * 19. 1. Illerhaus 19. 1. Jacobi (Köln) 19. 1. Jacobs * 19. 1. Jaksch 20. 1. Frau Kalinke 19. 1. Frau Keilhack 19. 1. Kemmer 19.1. Dr. Kempfler 19. 1. Frau Kettig 19. 1. Killat 19. 1. Dr. Klein 14. 2. Dr. Kliesing (Honnef) 4. 2. Dr. Kopf * 19. 1. Frau Korspeter 19. 1. Frau Krappe 20. 1. Krüger 27. 1. Kühn (Bonn) 19. 1. Lenz (Bremerhaven) 20. 1. Lenze (Attendorn) * 19. 1. Lohmar 19. 1. Lücker (München) 19. 1. Anlage zum Stenographischen Bericht Abgeordnete (r) beurlaubt bis einschließlich Maier (Mannheim) 14. 2. Mattick 19. 1. Mauk 19. 1. Frau Dr. Maxsein* 19. 1. Dr. h. c. Menne (Frankfurt) 19. 1. Dr. Meyer (Frankfurt) * 19. 1. Meyer (Oppertshofen) 19. 1. Dr. Morgenstern 19. 1. Müller (Worms) 27. 1. Müller-Hermann 19. 1. Paul * 19. 1. Peters (Norden) 19. 1. Dr. h. c. Pferdmenges 19. 1. Dr. Pflaumbaum 19. 1. Pöhler 19. 1. Rademacher 19. 1. Frau Dr. Rehling * 19. 1. Reitzner 31. 1. Frau Renger * 19. 1. Ritzel 19. 1. Rohde 19. 1. Dr. Rutschke 26. 1. Scheuren 31. 1. Dr. Schmid (Frankfurt) * 19. 1. Schmidt (Braunschweig) 2. 2. Schmidt (Hamburg) 31. 1. Schmidt (Würgendorf) 19. 1. Dr. Schneider 19. 1. Schütz (München) 19. 1. Seidel (Fürth) 19. 1. Seidl (München) * 19. 1. Seither 19. 1. Dr. Serres * 19. 1. Dr. Siemer 19. 1. Soetehier 19. 1. Stooß 19. 1. Striebeck 9. 2. Dr. Süsterhenn * 19. 1. Frau Vietje 19. 1. Dr. Wahl * 19. 1. Frau Dr. h. c. Weber (Essen) * 19. 1. Wegener 19. 1. Weinzierl 19. 1. Werner 15. 2. Wienand* 19. 1. Windelen 19. 1. Winkelheide 19. 1. Wittrock 19. 1. Dr. Zimmer * 19. 1. b) Urlaubsanträge Rasner 1. 2. Dr. Rieger 10. 3. *. für die Teilnahme an der Tagung der Beratenden Versammlung dies Europarates. Abweichungen und Veränderungen bitte dem zuständigen Büro - Zimmer A 336 bzw. Hausapparat Nr. 2885 - melden.
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Richard Jaeger


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich will den Versuch machen, mich auf das Thema des Gesetzes, auf die Bundeswehr, die Wehrpflicht, ihre Notwendigkeit und ihre Dauer zu beschränken und Ausflüge in andere interessante Gebiete der Politik — wie etwa in das Gebiet der Steuer- und Sozialpolitik — an diesem Tage zu unterlassen.

    (Zurufe von der SPD.)

    Wenn ich von der Bundeswehr und von der Wehrpflicht rede, dann darf ich wohl daran erinnern, daß wir vor sechs Jahren in diesem Hohen Hause Diskussionen hatten, die sich von der heutigen sehr unangenehm unterschieden haben.

    (Sehr gut! in der Mitte. — Abg. Wehner: Nur so lange, wie Sie noch nicht geredet haben! — Abg. Schmitt-Vockenhausen: Sie wollen wohl bei Ihrem alten Stil bleiben!)

    — Ach, Herr Kollege Schmitt-Vockenhausen, was Schärfe und Hitzigkeit angeht, übertreffen Sie mich bei weitem.

    (Heiterkeit bei der CDU/CSU.).

    Außerdem meinte ich weniger den rednerischen Inhalt dieser Auseinandersetzung als das abstimmungsmäßige Ergebnis. Wenn Herr Kollege Erler hier zum Ausdruck gebracht hat — darin kann ich ihm nur zustimmen, weil ich das selber schon oft genug vor vielen Jahren hier gesagt habe —, daß die Bundeswehr eine Armee des ganzen Volkes und nicht einer Partei oder einiger Parteien ist, dann kann ich andererseits nur sagen, daß es nicht an der Bundeswehr liegt, wenn ihre Beziehungen nicht zu allen Parteien von gleicher Herzlichkeit . getragen gewesen sein sollten; das hing dann eben von dem Verhalten dieser einzelnen Parteien ab.

    (Zurufe von der SPD.)

    Lassen Sie mich, nachdem ich den Zuruf beantwortet habe, zum Thema meiner Rede kommen. Es ging damals vor sechs Jahren um die Wehrpflicht, jene Wehrpflicht, die wir vor diesem Hohen Hause mit vielen Gründen, mit militärischen und politischen Gründen, vertreten haben. Die militärischen Gründe lagen damals in dem Umstand — sie liegen heute noch mehr als damals darin —, daß wir die erforderliche Zahl von Soldaten auf der Basis der Freiwilligkeit nun eben einmal nicht erhalten. Ein anders Argument für die Wehrpflicht war, daß wir
    Reserven brauchen und daß diese herangebildet werden müssen.
    Wir hatten aber auch politische Gründe. Wir sind der Auffassung, daß die Wehrpflicht einen Gegenpol zu den Grundrechten, die der freiheitliche Staat gewährt, darstellt, daß die Wehrpflicht sozusagen eine demokratische Grundpflicht des Bürgers ist. Wir waren und wir sind der Meinung, daß die Verankerung einer Armee im Volk durch die Wehrpflicht stärker, nachhaltiger und dauerhafter ist — sowohl was das Bewußtsein der Armee als was das Bewußtsein des ganzen Volkes angeht — als bei einem Heer, das nur aus Freiwilligen besteht.
    Wenn wir auf die sechs Jahre des Bestehens unserer Bundeswehr, auf die außerordentlichen Schwierigkeiten, die wir in diesen sechs Jahren gehabt haben, zurückblicken, dann erkennen wir erst, was in diesen Jahren geleistet worden ist. Wir standen damals, im Jahre 1956, an einem vierfachen Nullpunkt. Es war der personelle Nullpunkt, denn wir hatten keinen einzigen Soldaten; wir mußten nach einer mehr als zehnjährigen Pause ganz von vorn anfangen. Es war 'der materielle Nullpunkt, denn weder Bekleidung noch Waffen noch Gerät noch Unterkunft waren vorhanden. Alles mußte erst angeschafft, Kasernen mußten erst geräumt, hergerichtet oder neu gebaut werden. Was dieses Hohe Haus betrifft, so hat uns am meisten der rechtliche Nullpunkt zu schaffen gemacht, die Tatsache, daß wir kein einziges Gesetz hatten, das für .die Aufstellung von Soldaten maßgebend war, ja, .daß wir erst einmal unsere Verfassung, das Grundgesetz, reformieren mußten, um die gesetzlichen Bestimmungen in die Verfassung einzubauen, die die Grundlage dafür waren, die Bundeswehr aufzustellen und sie gegenüber irgendwelchen Klagen gerichtlicher Art sozusagen kugelsicher zu machen. Das hat den Verteidigungsausschuß, das hat dieses Hohe Haus lange Jahre beschäftigt.
    Schließlich aber war es — und das war die schwierigste Aufgabe, vor der wir standen — die Überwindung des moralischen Nullpunktes, der darin lag, .daß weite Kreise unseres Volkes ,die Notwendigkeit der Wehrpflicht, die Notwendigkeit des Dienstes an der Freiheit damals nicht einsahen, daß die Parole des „Ohne-mich" — vom Osten gesteuert — auch in weiten Kreisen unseres Volkes leider zeitweise ein recht lebhaftes Echo fand.
    Wenn ich mir überlege, wieviel Mühe es gekostet hat, Mühe bei den Soldaten der Bundeswehr, Mühe bei ihren Beamten, Anstrengungen bei den Politikern, um alle diese Schwierigkeiten zu überwinden, dann kann ich wohl sagen, daß das, was in diesen Jahren geschaffen worden ist, eine stolze Leistung ist.

    (Sehr wahr! bei der CDU/CSU.)

    Bei unserer Bundeswehr steht nun der weitaus größte Teil dessen, was geplant war: Neun Divisionen sind bereits der NATO unterstellt. Die Wehrpflicht ist bei unserer Jugend eine Sache sicherlich nicht der Begeisterung, aber doch der selbstverständlichen Pflichterfüllung. Die Zahl der Dienstverweigerer aus Gewissensgründen liegt bei nur 7 Promille



    Dr. Jaeger
    der Erfaßten, ist also wesentlich geringer, als weite Kreise dieses Hohen Hauses seinerzeit befürchtet hatten. Die Bundeswehr hat ihren festen Platz im Volksganzen gefunden. Die Ressentiments sind weitgehend überwunden, und der Ohne-michKomplex stirbt langsam aus. Ich glaube, meine Damen und Herren, das ist ein Grund, um der jungen Generation, die so selbstverständlich die Pflicht des Wehrdienstes auf sich genommen hat, auch den Dank dieses Hauses auszusprechen.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Vor allem aber möchte ich gerade im Hinblick auf meine nun mehr als achtjährige Tätigkeit als Vorsitzender des Bundestagsausschusses für Verteidigung den Dank an die Freiwilligen, besonders an die Offiziere und Unteroffiziere unserer Bundeswehr aussprechen, die unter Umständen, die es früher noch nie gegeben hat, ein einmaliges Aufbauwerk für unser Volk und seine Freiheit geleistet haben.

    (Erneuter Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Die militärischen Erfolge und die politische Situation der Gegenwart beweisen die Richtigkeit unseres Entscheides für die allgemeine Wehrpflicht. Dabei zeigt sich insbesondere, daß die Wehrpflichtigen wie eine Art kommunizierender Röhren zwischen dem zivilen und dem militärischen Sektor unseres Volkes wirken. Sie haben wesentlich dazu beigetragen, daß man in unserem Volk nun nicht mehr von „den" Soldaten spricht, sondern daß aus den Soldaten unsere Soldaten geworden sind. Die Wehrpflicht hat dazu beigetragen, daß die Schilder, die anfänglich an manchen Gaststätten der Großstädte anzutreffen waren, „Eintritt für Uniformierte verboten" längst verschwunden sind.

    (Zuruf von der SPD: Ist das ein militärischer Erfolg?)

    — Das ist kein militärischer, das ist ein politischer Erfolg. Aber Sie können doch in einer Demokratie Politik und Militär nicht trennen. Gerade Sie wollen das doch genauso wenig wie wir.
    .Meine Damen und Herren, unserer Bundeswehr ist der Schutz der Freiheit unseres Volkes aufgetragen. Sie ist sich dieser Aufgabe bewußt und ist von einer lebendigen demokratischen Staatsgesinnung getragen. Das sind auch Erfolge, über die wir uns in diesem Hause freuen können.
    Als wir an die Ausgestaltung der Wehrpflicht herangingen — damals, im Jahre 1956 —, stimmte die Mehrheit dieses Hohen Hauses und meine eigene Fraktion — die Fraktion der Christlich-Demokratischen und Christlich-Sozialen Union — dem Vorschlag der Bundesregierung und damit des Verteidigungsministers Strauß zu, daß diese Dienstpflicht im Unterschied zu weiter zurückliegenden Planungen 12 Monate — als Grundwehrdienst — betragen soll. Es waren die politischen und die militärischen Notwendigkeiten der Aufbauzeit, die uns zu dieser Haltung veranlaßten. Damals waren die geistigen Voraussetzungen für die Wehrpflicht in unserem Volk noch so gering entwickelt, daß schon aus diesem Grund eine weitergehende Verpflichtung über das im Anfang unbedingt Notwendige hinaus nicht angebracht gewesen wäre. Vor allem aber standen damals im Vordergrund die Ausbildung und die schnelle Bildung der Reserven, wovon gerade die letztere durch eine kürzere Ausbildung rascher erreicht werden konnte als durch die im jetzigen Augenblick zweckmäßigere längere.
    Aber von diesen Gesichtspunkten abgesehen, stehen wir überhaupt auf dem Standpunkt, daß die Dauer der Wehrpflicht kein Dogma, kein Satz ist, der für alle Zeiten fest und unverrückbar dasteht. Es gelten für die Dauer der Wehrpflicht vielmehr die Überlegungen, daß eine Wehrpflicht so kurz wie möglich und so lang wie nötig sein muß. So kurz wie möglich, meine Damen und Herren, weil das Opfer, das dem jungen Mann zugemutet wird an Bequemlichkeiten, vor allem aber an Verlust an Berufs- und Ausbildungszeit, vom Staat so niedrig wie eben möglich gehalten werden soll. Andererseits aber so lange wie notwendig; denn der Zweck der Wehrpflicht ist es ja, den einzelnen Soldaten in den Stand zu setzen, seine Aufgabe in den Streitkräften zu erfüllen und die Bundeswehr als Ganzes bereit zu machen zur Landesverteidigung. Nur wenn dieser Zweck erfüllt ist, nur wenn die Wehrpflicht entsprechend lange ist, ist diese Aufgabe richtig gelöst.
    Nun, 12 Monate, wie wir sie ursprünglich eingeführt hatten, sind — das ist auch aus der Rede des Ministers hervorgegangen — für die Ausbildung an sich ausreichend. Ich war und bleibe der Meinung, daß ein Kompaniechef, der Rekruten in 12 Monaten nicht zu echten Soldaten erziehen kann, es auch in 18 oder 24 Monaten nicht können wird, weil es entweder an den Rekruten fehlt oder am Kompaniechef.
    Diese meine Auffasung ist durch Gutachten bestätigt worden, die die NATO erhoben hat und die auch eine Dauer von etwa 12 Monaten als das Minimum einer Ausbildungszeit festgestellt haben. Sie ist auch durch das Interview bestätigt, das der neue Generalinspekteur der Bundeswehr der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung" am 11. Dezember des letzten Jahres gegeben hat.
    Für die Ausbildung und für die Bildung der Reserven also waren 12 Monate ausreichend. Aber damit, meine Damen und Herren, haben wir ja erst das erste Stadium der Bundeswehr hinter uns gebracht. In dem neuen, zweiten Stadium, in das wir nun eintreten, ist der vorherrschende Gesichtspunkt die Einsatzbereitschaft unserer Streitkräfte.
    Wir wissen, daß gerade unter diesem Gesichtspunkt die Verbandsausbildung eine noch größere Bedeutung bekommen soll, als sie bisher zwangsläufig haben konnte, bisher schon auch deswegen weitgehend nicht haben konnte, weil eigene Übungsplätze nur in geringem Umfang zur Verfügung standen und sich erst in jüngster Zeit für uns die Möglichkeit ergeben hat, auf die Übungsplätze unserer Verbündeten — der Franzosen und der Engländer —auszuweichen. Dazu aber kommt, daß es sich bei dem Mangel an Freiwilligen, den wir haben, um die bedauerlichen Auswirkungen einer erfreulichen und erfolgreichen Wirtschaftspolitik handelt. Viele Funktionen unserer Bundeswehr sind von Wehrpflich-



    Dr. Jaeger
    tigen, die nur 12 Monate dienen, nun einmal nicht auszufüllen. Freiwillige waren aber in hinreichendem Ausmaße nicht zu bekommen. Die Planungen, die vorgesehen waren, sahen für das Heer einen Stand der Freiwilligen von 55 % vor — es sind heute faktisch nur 40 % —, bei der Luftwaffe einen einen Stand von 82 % — es sind deren nur 61 % --, bei der Bundesmarine sogar einen Stand von 95 % — es sind deren nur 88 % —. Im Zeichen der Hochkonjunktur, von der wir aus vielen Gründen wünschen, daß sie uns erhalten bleiben möge, ist an eine durchgreifende Änderung nicht zu denken, zumal die Möglichkeiten materieller Art in der Verbesserung der Besoldung unserer Soldaten so ziemlich im großen und ganzen ausgeschöpft worden sind. Dieses Haus ist in dieser Hinsicht sicherlich mit Recht großzügig gewesen.
    Wir werden deshalb Wehrpflichtige mit einer Ausbildung von 18 Monaten brauchen, um Lücken, die auf dem Gebiete der Freiwilligen bestehen, auszufüllen und auf diese Weise eine Reihe von Funktionen, die eigentlich Freiwillige übernehmen sollten, durch Wehrpflichtige mit einem Grundwehrdienst von 18 Monaten übernehmen zu lassen. Dazu aber kommt sicherlich — auch der Redner der Opposition hat auf diesen Gesichtspunkt hingewiesen —, daß wir seit den Beratungen des Jahres 1956 eine weitgehende Verschärfung der außenpolitischen Lage erlebt haben. Wir hatten im November 1958 das Ultimatum, das Berlin betrifft, wir hatten den bisherigen Höhepunkt der Auseinandersetzungen um die alte Reichshauptstadt am 13. August des letzten Jahres.
    Meine Damen und Herren, wenn wir wie bisher nur Wehrpflichtige hätten, die 12 Monate dienen, bliebe eben der Ausgebildete nur eine sehr kurze Zeit von wenigen Wochen, allenfalls von 2 bis 3 Monaten, bei der Truppe. Der volle Wert, den er für die Kampfkraft der Truppe hat, erlischt in dem Augenblick wieder, in dem er ausscheidet. Der Kampfwert der Bundeswehr sinkt alle Vierteljahre ganz erheblich. Die Stetigkeit der Einsatzbereitschaft in einem so schwierigen Augenblick wie dem derzeitigen macht deshalb zusätzlich zu den Überlegungen, die ich Ihnen soeben schon dargelegt habe, zweifellos die Verlängerung der Dienstzeit notwendig.
    Notwendig ist die Verlängerung der Dienstzeit aber auch wegen des Grundsatzes einer gewissen Gleichbelastung der hauptsächlichen Träger der Verteidigung innerhalb des Atlantikpaktes. Es ist kein Zweifel, die Führung der NATO wünscht, daß auf dem europäischen Kontinent durchweg eine Dienstzeit von wenigstens 18 Monaten eingeführt wird. Bei einem Vergleich mit den anderen NATO-Partnern ergibt sich folgendes. Zwar liegen Dänemark und Norwegen mit 16 Monaten knapp unter dieser Grenze, Italien, die Niederlande und Portugal haben aber diese Grenze von 18 Monaten bereits erreicht. Griechenland, die Türkei und die Vereinigten Staaten von Nordamerika als der wichtigste Träger der Verteidigung der freien Welt haben 24 Monate. Frankreich hat derzeit sogar 28 Monate Grundwehrdienst. Es handelt sich also um eine Angleichung an unsere Partner und an ihre
    Verpflichtungen. Es handelt sich aber sicherlich auch um ein gewisses Gegengewicht gegen die Staaten des Warschauer Paktes, die mit mindestens 24 bis zu 36 Monaten Dienstzeit erheblich mehr von ihren Untertanen verlangen, als wir von unseren Bürgern erwarten.
    Schließlich ist es niemandem in unserem Volke verborgen geblieben, daß die Vereinigten Staaten von Amerika unter ihrer neuen Regierung verstärkte Anstrengungen für die Verteidigung der Freiheit gerade auf dem unmittelbaren Gebiet der militärischen Verteidigung unternommen haben und unternehmen. Es ist für uns als die Hauptbetroffenen des kalten Krieges nicht möglich, hinter den Anstrengungen der Amerikaner — relativ jedenfalls — zurückzubleiben. Absolut werden wir nie das gleiche leisten können, was diese größte Wirtschaftsmacht der westlichen Welt zu leisten vermag.
    Meine Damen und Herren, ich bin mir vollkommen darüber klar, daß die Verlängerung der Dienstzeit um die Hälfte der jetzigen, nämlich von 12 Monaten auf 18 Monate, ein schweres Opfer für die jungen Männer unseres Volkes ist, ein Opfer durch die Unbequemlichkeiten, die ein militärischer Dienst immer mit sich bringt und mit sich bringen muß, soll er seinen Zweck erfüllen, vor allem aber ein Opfer insofern, als dadurch in den Berufsplänen, in denen Ausbildungsplänen nun eine noch größere Lücke entsteht als bisher. Dieses Opfer ist am schwersten bei den qualifizierten Berufen, nicht zuletzt bei den Menschen, die sich dem Hochschulstudium widmen, zumal diese akademisch und nichtakademisch „qualifizierten" Berufe auf Grund ihrer Qualifikation im allgemeinen einen besonders hohen Prozentsatz der Wehrpflichtigen stellen müssen. Wir wollen dieses Opfer nicht verkleinern, aber wir sind davon überzeugt, daß die junge Mannschaft unseres Volkes ebenso, wie sie bisher die Notwendigkeit der Wehrpflicht eingesehen hat, diese auch für die Zukunft verstehen wird.
    An und für sich liegt ja eine Tragik darin, daß die freiheitliche Lebensordnung in der Auseinandersetzung mit einer Gewaltherrschaft den Raum der Freiheit selbst auf den verschiedensten Gebieten, nicht nur auf dem der Wehrpflicht, einschränken muß, um sich selbst zu behaupten und um die Idee der Freiheit zu retten. Wir haben aber die gemeinsame Überzeugung, daß eine mit den Mitteln des Rechts beschränkte Freiheit in ihrer Qualität ganz unvergleichlich höher und lebenswerter ist als die Herrschaft des Unrechts, die wir erlebt und erlitten haben und die 17 Millionen unserer Landsleute auch heute noch täglich und stündlich erleben und erleiden.
    Wenn wir unter diesem Gesichtspunkt unsere Forderung an die jungen Männer unseres Volkes stellen, glaube ich, daß wir dort das Echo finden, das wir bisher gefunden haben und das wir auch in den nächsten Wochen bei der Beratung dieses Gesetzentwurfs erhoffen.
    Wenn es aber ein schweres Opfer für unsere jungen Männer ist, 18 Monate zu dienen, dann können wir andererseits auch erwarten, daß die Planung der Ausbildung in unserer Bundeswehr sehr sorg-



    Dr. Jaeger
    fältig vorgenommen wird, daß diese Ausbildung selbst hart, umfassend und wirklichkeitsnah gestaltet wird und daß das, was heute unter dem Schlagwort gammeln verstanden wird, immer mehr zur Ausnahmeerscheinung wird. Die Tatsache, daß wir unsere jungen Soldaten länger als bisher bei den Waffen halten, verpflichtet uns zu einer noch besseren und sorgfältigeren Ausbildung, damit der wirkliche Zweck dieser Verlängerung der Dienstpflicht auch erreicht wird.
    Meine Damen und Herren, wir stehen in der ersten Lesung des Gesetzentwurfs und haben uns nur mit seinen Grundzügen zu befassen. Es geht hier nicht um die Einzelheiten, etwa um das Problem des verkürzten Grundwehrdienstes oder die Probleme des materiellen Entgelts oder des Verpflegungssatzes. Wir wollen diese Fragen den Beratungen des Ausschusses überlassen und uns dann mit dem Ergebnis der Ausschußberatungen in der zweiten Lesung befassen, darüber im einzelnen diskutieren und entscheiden.
    Wichtig aber erscheint mir in der ersten Lesung, daran zu erinnern, daß in diesem Hause und außerhalb dieses Hauses in den letzten eineinhalb Jahren recht oft die Forderung nach einer gemeinsamen Außenpolitik erhoben worden ist. Wir von der Christlich-Demokratischen und Christlich-Sozialen Union haben diese Forderung schon früh erhoben und haben sie, als sie später von anderer Seite gestellt wurde, selbstverständlich bejaht. Wir waren aber immer der Meinung, daß sich die Gemeinsamkeit einer Außenpolitik an den innenpolitischen Konsequenzen, an dem Verhalten aller Beteiligten bei den Beratungen in diesem Hohen Hause erweist.

    (Sehr gut! bei der CDU/CSU.)

    Wir sind der Meinung, daß die Gemeinsamkeit der Außenpolitik in erster Linie eine Einigkeit in den Grundfragen der Verteidigung unseres Landes bedingt. Ich hoffe, daß die Beratung dieses Gesetzentwurfs im Bundestagsausschuß für Verteidigung, die in der nächsten Woche beginnen wird, uns auf diesem Wege einen Schritt weiter bringen wird.

    (Beifall bei der CDU/CSU und bei Abgeordneten der FDP.)



Rede von Dr. Carlo Schmid
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Das Wort hat der Abgeordnete Schultz.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Fritz-Rudolf Schultz


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Herr Präsident! Moine sehr geehrten Damen und Herren! Der vorliegende Gesetzentwurf mit seiner Forderung nach Verlängerung der Grundwehrdienstzeit auf 18 Monate erfüllt einen Wunsch, der, von den Angehörigen der Bundeswehr — ob Offizier, Unteroffizier oder Mann — ausgesprochen, aus den Diskussionen mit den Besuchergruppen, die durch das Haus geführt werden, manchem Kollegen in diesem Hohen Hause geläufig ist.
    Dieser Wunsch ist im Laufe der letzten Jahre immer wieder vorgetragen worden. Es wurde immer wieder gesagt, daß zwölf Monate eben nicht genügten, um aus einem Wehrpflichtigen einen vollwertigen Soldaten zu machen, der sein Waffenhandwerk tatsächlich versteht. Wer sich darüber hinaus in der Truppe umgesehen hatte, mußte zugeben, daß diese Forderung ihre Berechtigung gehabt hat.
    Es wurde hier schon darüber diskutiert, warum zunächst eine Dienstzeit von zwölf Monaten eingesetzt, geplant werden mußte, und ich möchte mich darüber nicht weiter verbreiten. Aber ich glaube, daß heute tatsächlich der Zeitpunkt da ist, um über die Verlängerung der Grundwehrdienstzeit auf 18 Monate zu diskutieren.
    Die Freie Demokratische Partei begrüßt, daß dieser Gesetzentwurf hier eingebracht worden ist. Wir begrüßen auch, daß sich das Parlament unverzüglich damit beschäftigt hat, und wir hoffen, daß die Beratungen im Ausschuß entsprechend zügig vorangehen, allerdings nicht ohne Diskussion der vielen Einzelprobleme, über die auch Kollege, Erler gesprochen hat; sie müssen ihre gebührende Berücksichtigung finden, und wir brauchen Zeit, um sie diskutieren zu können.
    Ohne Zweifel hat das angesprochene Problem durch die Ereignisse des 13. August und durch die Verhärtung der außenpolitischen Lage eine besondere Bedeutung und Dringlichkeit und Beschleunigung bekommen. Die Freien Demokraten hatten schon in der Aussprache zur Regierungserklärung durch ihren Vorsitzenden die Feststellung getroffen, daß sie diesem Gesetzentwurf im Grundsatz zustimmen werden, und ich kann bei der ersten Lesung diese Feststellung nur wiederholen. Aber, wie gesagt, man wird sich im Ausschuß über die Einzelprobleme unterhalten müssen.
    Insbesondere wird man darüber sprechen müssen, wie man eine möglichst gleiche Behandlung aller Wehrpflichtigen erreichen kann. Wir hatten bei der ersten Änderung des Wehrpflichtgesetzes den Los-. entscheid eingeführt, da das Potential an Wehrpflichtigen heute und auch in den nächsten Jahren noch nicht ausgeschöpft werden kann, wie hier ja auch schon gesagt worden ist, und glaubten damit einen gangbaren Weg gefunden zu haben. Wir müssen uns aber darüber klar sein, daß bei einer 18monatigen Dienstzeit der Vorsprung der Nichtdienenden in ihrem beruflichen Fortkommen noch größer sein wird,

    (Sehr richtig! bei der FDP)

    und es ist nicht mehr als recht und billig, einen entsprechenden Ausgleich zu schaffen. Auch darüber haben meine beiden Herren Vorredner, insbesondere aber Herr Erler, schon gesprochen.
    Dieser Ausgleich kann nicht allein durch dieses Gesetz erfolgen, sondern es ist notwendig, daß wir eine gesetzliche Regelung für die Zivilverteidigung ebenfalls sobald als möglich verabschieden. Wir hatten auf den Zusammenhang zwischen diesen beiden Gebieten schon anläßlich der Verabschiedung des Ersten Änderungsgesetzes zum Wehrpflichtgesetz hingewiesen und hatten betont, daß die Verteidigung der Bundesrepublik nur möglich .ist, wenn neben den Anstrengungen auf dem militärischen Gebiet die gleichen Anstrengungen auch im zivilen Feld eingeleitet werden. Wir hoffen daher, daß



    Schultz
    möglichst bald entsprechende Gesetzentwürfe an das Hohe Haus gelangen, zumal der Herr Bundesverteidigungsminister im Bulletin vom 12. Dezember erklärt hat, daß er die Ausbildung und Dienstleistung im zivilen Bevölkerungsschutz als dem Dienst in der Bundeswehr gleichwertig anerkannt.
    Leider hat man am 9. Januar in der Zeitung lesen können, daß man auf der anderen Seite der Regierungsbank nicht eine so enge Verzahnung zwischen diesen beiden Gebieten herbeiführen will, daß man also den Militärdienst und den zivilen. Dienst fein säuberlich trennen will. Ich glaube, daß man darüber noch sprechen wird und daß das nicht die letzte Aussage gewesen ist.
    Wir dürfen nicht vergessen, daß uns das NATO- Bündnis auch auf dem Gebiet der Zivilverteidigung ganz bestimmte Verpflichtungen auferlegt. Ich darf nur an die Debatten erinnern, die wir seinerzeit im dritten Bundestag geführt haben, als, glaube ich, der heutige Wehrbeauftragte Admiral Heye und auch Frau Renger und Frau Dr. Lüders gemeinsam über die Maßnahmen, die in der WEU für notwendig gehalten werden, hier sprachen. Wir dürfen die Dinge deswegen nicht beiseite lassen, sondern müssen vielleicht noch dringender an sie herangehen als unsere Verbündeten in der NATO, weil wir doch schließlich die direkten Anrainer der vermutlichen Gegner sein werden.
    Ich darf wohl auch sagen und Ihre Zustimmung dazu finden, daß der Soldat nicht stehen und kämpfen kann, wenn er sich sagen muß, daß für das Überleben der Angehörigen nicht das Menschenmögliche getan ist. Auch das gehört eben mit zu dem Gedanken der Abschreckung des Gegners überhaupt. Wir sollten uns auch davor hüten, vor dem Blick auf Waffen und modernste Waffen und auf die Technik dein Menschen als Träger des Widerstandes gegen einen entschlossenen Gegner zu übersehen.
    Nun ist in der Begründung zur Regierungsvorlage zu lesen, daß die Zahl der freiwillig Längerdienenden in den Jahren 1956 bis 1961 aus verschiedenen Gründen geringer war, als zunächst angenommen werden konnte. Auch darüber hat der Herr Bundesverteidigungsminister hier gesprochen, und die beiden Herren Vorredner sind ebenfalls darauf eingegangen.
    Die Gründe sind also bekannt. Da war zunächst einmal die Situation nach 1945, in der der deutsche Soldat nicht gefragt war. Nur langsam ist das Pendel wieder zur Mitte zurückgeschwungen, und die absolute Verdammung hat einer ruhigeren Beurteilung Platz gemacht. Da wird zum zweiten die Hochkonjunktur ins Feld geführt, die den Soldatenberuf vom Finanziellen her nicht attraktiv erscheinen läßt. Schließlich ist es das Absinken der Jahrgangsstärken überhaupt, d. h. des Potentials, aus dem sich die Wehrpflichtigen rekrutieren.
    Wir sind allerdings der Meinung, daß es neben diesen Gründen, die durchaus zutreffen, auch Gründe gibt, die in der Soldatengesetzgebung von 1955 und 1956 schlechthin liegen. Man begeht wohl kein Sakrileg, wenn man sagt, daß eben diese Soldatengesetzgebung unter ganz bestimmten politischen
    Situationen geboren wurde und daß es notwendig 1 ist, nach fünf Jahren Aufbau und Erfahrung an manche Änderung heranzugehen. Ich bin der Auffassung — und habe das bei Truppenbesuchen und bei Fragen, die man gestellt hat, eigentlich bestätigt gefunden —, daß manche Gesetzesbestimmung die Dienstausübung des Soldaten erheblich behindert, dar damit die Freude am Dienst getötet wird und daß sich Soldaten — zu Recht oder zu Unrecht — nicht als Staatsbürger des gleichen Ranges wie ihre zivilen Genossen fühlen.
    Wir hatten daher, als das erste Mal, noch vor dem 17. September, von der Verlängerung des Wehrdienstes gesprochen wurde, gesagt, daß sie eine Einzelmaßnahme sei — ich freue mich, daß das auch von den beiden anderen Parteien heute bestätigt worden ist — und daß sie keine Besserung der Verhältnisse bringe, wenn nicht gleichzeitig oder zumindest in ihrem Gefolge eine Überprüfung der Soldatengesetzgebung stattfinde.
    Da wir wissen, daß das Anpacken eines solchen Problems und die Änderung einer gesetzlichen Regelung eine Folge von Überlegungen und Änderungen in anderen gesetzlichen Bestimmungen mit sich bringt, wissen wir auch, daß man hier nicht munter darauflosarbeiten kann, ohne die Folgen zu bedenken. Man muß aber an diese Arbeit herangehen in der Erkenntnis, daß die Bundeswehr eine andere Aufgabe hat als Bundesbahn und Bundespost und daß das, was dort richtig sein mag, hier eben nicht paßt.
    Wir glauben, daß viele Dinge zu kompliziert geregelt sind. Wir müssen vereinfachen und auch Ermessensentscheidungen ermöglichen. Wir sollten alles tun, um auf dem Gesetzgebungsweg Verantwortungsfreude und Zivilcourage zu stärken; denn nur dann kann Zug in die Sache kommen und der Wehrpflichtige Freude am Dienst und damit auch Lust zur Weiterverpflichtung bekommen. Ich glaube, daß gerade das Problem der Längerdienenden von der Bundeswehr her gelöst werden muß. Aber sie muß ihnen Dienst so gestalten können, daß tatsächlich eine Ausstrahlung auf die ihre Dienstzeit Ableistenden geschehen kann, daß der Wehrpflichtige sagt: Das ist doch eine feine Sache.
    Wir sind auch der Meinung, daß den Vorgesetzten aller Grade von Gesetzes wegen mehr Autorität zugestanden werden muß und daß trotz der letzten Novellierung der Disziplinargewalt das Optimum hier nicht erreicht ist.
    Wir halten es für notwendig, daß analog zu den Offiziersschulen wieder eine Unteroffiziersschule eingerichtet wird. Sicher werden die 18 Monate zunächst eine Erleichterung in Ausbildung und Einsatzbereitschaft der Bundeswehr bringen; aber man muß wissen, daß ein ordentlicher Soldat in den letzten drei Monaten seiner Dienstzeit eben nicht mehr als ein Hilfs-Unterführer sein kann. Es wurde ja von Vertretern des Ministeriums im persönlichen Gespräch gesagt, daß man die guten Wehrpflichtigen am Ende ihres Dienstes als solche Unterführer einsetzen wolle. Aber man muß sich über die darin enthaltene Problematik klar sein. Die richtigen Grundsätze der inneren Führung sind eben nicht



    Schultz
    ohne ein gut ausgebildetes Unteroffizierskorps zu verwirklichen, das die notwendige Entlastung für das Offizierskorps bringt.
    Nun hatte der Bundesverteidigungsminister — nach dem schon zitierten Bulletin der Bundesregierung — vor der Presse u. a. auch erklärt, daß mit der Verlängerung des Grundwehrdienstes keine Erhöhung der Präsenzstärke der Bundeswehr beabsichtigt sei, und er hat das heute hier noch einmal bekräftigt. Ich glaube, daß eine solche Maßnahme augenblicklich auch gar nicht erfolgen kann. Die vorübergehende Vermehrung muß außer Betracht bleiben; sie wirkt sich auf die absolute Zahl nicht aus, da noch nicht alle Aufstellungen vorgenommen sind.
    Wir hatten aber im letzten Bundestag einmal den Antrag gestellt, die Friedensstärke der einzelnen Einheiten zu erhöhen, um die durch Krankheit, Urlaub, Kommandierung Abwesenden in etwa zu ersetzen. Dieser Antrag wurde damals mit der Begründung abgelehnt, daß bei dem Fehlen von Offiziers- und Unteroffiziersstellen dieser Zuwachs nicht verkraftet werden könne. Ich habe das noch einmal überprüft und bin zu dem Ergebnis gekommen, daß zusätzliche Offiziere und Unteroffiziere gar nicht gebraucht würden. Andererseits könnte aber durch eine solche Maßnahme eine bessere Ausbildung gewährleistet werden, weil sich dann eine Zug- oder Kompanieausbildung lohnen würde, die sonst gar nicht in Angriff genommen wird, da bei der Einteilung praktisch nur ein paar Leute übrig bleiben. Das, Herr Kollege Jaeger, ist nämlich der eigentliche Grund, weshalb man überhaupt von gammeln sprechen kann: daß bei der angespannten Personallage und der Stärke der Einheiten der Bundeswehr nach Abzug derjenigen, die wegen Krankheit, Urlaub oder Kommandierung ausfallen, für den Dienst im Rahmen einer sogenannten Verbandsausbildung, Zug- oder Kompanieausbildung, zuwenig übrig bleiben.
    Die Personaldecke ist so knapp, daß — um ein Beispiel zu nennen — die durch die Straßenverkehrsordnung vorgeschriebenen Beifahrer für den 5-t-Lkw gegenwärtig bei der Nachbarkompanie ausgeborgt werden müssen; oder die Fahrzeuge bleiben stehen. Auch diese Dinge muß man berücksichtigen, wenn man über die Verlängerung der Wehrpflicht spricht.
    Der Verteidigungsausschuß des 3. Bundestages hatte einen Unterausschuß gebildet, der sich mit der Überprüfung der Stärke- und Ausrüstungsnachweisung beschäftigen sollte. Leider kam er nicht zur Arbeit. Ich würde von mir aus anregen, daß wir im Verteidigungsausschuß dieses Bundestages etwas Ähnliches tun. Denn mir scheint — bei aller Achtung vor dem Bundesrechnungshof und vor den Beamten des Bundesfinanzministeriums —, daß die an sich durchaus notwendige Sparsamkeit übertrieben wird, was das Personal und seine Einstufung angeht. Ich würde auch hier wünschen, daß die Entscheidungen nicht von dem Vergleich mit anderen Ressorts, sondern in erster Linie von der militärischen Notwendigkeit abhängig gemacht werden, insbesondere dann, wenn es sich um die Truppe handelt; bei den Stäben kann man noch anderer Meinung sein.
    Ein Übermaß an Sparsamkeit, wenn man an Stellen bei der Truppe spart, kann teuer werden, vor allem dann, wenn als letztes Argument, um eine Stelle nicht zu bewilligen, gesagt wird: Aber, meine Herren, wenn ich auch diese Forderung noch durchgehen lasse, bin ich ja in meinem Hause nicht mehr glaubwürdig. Ich sitze doch hier, um etwas wegzustreichen, ich kann Ihnen doch nicht alles bewilligen. Wie Sie es auch immer begründen, diesen letzten Posten muß ich meines Hauses wegen streichen." — Das ist selbstverständlich eine Einzeläußerung, für die ich mich verhältnismäßig gut verbürgen kann, aber man darf nicht übersehen, daß so etwas, obwohl es sich nicht bei der Truppe, sondern im Schoße der Bürokratie ereignet, selbstverständlich seine psychologischen Auswirkungen zur Truppe hinunter hat. Die Gewinnung von Freiwilligen, von länger Dienenden, ist in sehr starkem Maße ein psychologisches Problem, wo auch die Von-Mund-zu-Mund-Propaganda ihre Wirkung hat.
    Wir werden uns auch immer wieder Gedanken darüber machen müssen, wie wir trotz des Sogs der freien Wirtschaft eine genügende Anzahl von Technikern zum Zeitdienst in der Bundeswehr veranlassen können. Auch hierüber wurde schon gesprochen. Sicherlich ist den finanziellen Mitteln, die als Anreiz ausgeworfen werden können, eine Grenze gesetzt. Mir scheint aber, daß gerade in der Dienstpostenbewertung und in den Laufbahnrichtlinien noch ein Weg gegangen werden kann, der eine längere Dienstzeit in der Bundeswehr für die, die sich für den Besuch von höheren technischen Lehranstalten entschieden oder sie durchlaufen haben, attraktiv erscheinen lassen kann.
    Schließlich wollen wir auch nicht vergessen, daß der Mensch Äußerlichkeiten recht zugänglich ist und daß seine Leistung mit der Befriedigung der Eitelkeit steigt, um es ganz grob auszudrücken. Haben wir nicht die Idee, daß die Uniform nur ein Arbeitskleid sei, etwas übertrieben? Meinen Sie nicht auch, meine Damen und Herren, daß wir aus dem Extrem des Lametta in das andere der übergroßen Schlichtheit verfallen sind?

    (Sehr richtig! bei der CDU/CSU.)

    Wir sollten nicht in jedem Abzeichen, das verliehen oder gestiftet werden kann, ein Politikum sehen, zumal dieses Abzeichen nicht einmal wesentliches Geld kostet, außer dem der Beschaffung. Auch im 20. Jahrhundert hat Schiller immer noch recht, wenn er in Wallensteins Lager" sagt: Der Soldat muß sich können fühlen.

    (Abg. Schmitt-Vockenhausen: Damals gab es aber auch noch keine Autos!)

    Es scheint mir auch die Aufgabe gerade des Politikers zu sein, in der Öffentlichkeit für die Bundeswehr zu werben und das nicht der Bundeswehr allein zu überlassen. Tage der Offenen Tür und der Ausstellungszug der Bundeswehr, der von Flecken zu Flecken reist, sind neben der Ausstrahlung des Führerkorps der Bundeswehr auf die Geführten richtige Mittel zur Werbung für die Verteidigungsbe-,



    Schultz
    reitschaft. Aber sie vermögen schließlich nicht mehr als freundliches Interesse zu erzielen, wenn auf der Tagung der Fremdenverkehrsverbände ein Politiker sagt, er werde dafür sorgen oder sich dafür einsetzen, daß die Kurorte von der Belästigung durch Düsenjägerlärm oder Panzerkettengerassel bei Übungen von einigen Tagen verschont bleiben. Was ist heute nicht alles Erholungsgebiet in der Bundesrepublik?! Wo soll dann noch geübt werden, wenn man solche Maximen aufstellt?
    Von der Opferbereitschaft und vom Opfer schlechthin ist heute schon gesprochen worden. Wir müssen unserer Gesellschaft überhaupt ein höheres Maß an persönlicher Opferbereitschaft zumuten. Man sollte den Appell an die Opferbereitschaft nicht immer gleich wieder einschränken.

    (Abg. Schmitt-Vockenhausen: Herr Kollege Pferdmenges hat aus seiner Sicht schon das Volk angespornt!)

    — Ich glaube, daß Sie das Problem durch Ihren Zwischenruf zu sehr vereinfacht haben, lieber Kollege Schmitt-Vockenhausen.
    Ich komme zum Schluß. Wir müssen an das Problem der Verlängerung der Wehrdienstzeit herangehen, insbesondere im Interesse des Leistungs- und Ausbildungsstandes der Bundeswehr. Wir würden uns etwas vormachen, wenn wir auf der einen Seite den Verteidigungsetat bewilligen, auf der anderen Seite aber nicht das tun, was menschenmöglich ist, um einen Höchststand an Ausbildung zu erreichen. Nur mit solchen Soldaten wird der Poli) tiker einen Krieg verhindern können.

    (Beifall bei der FDP und in der Mitte.)