Rede:
ID0401100400

insert_comment

Metadaten
  • sort_by_alphaVokabular
    Vokabeln: 6
    1. Das: 1
    2. Wort: 1
    3. hat: 1
    4. der: 1
    5. Abgeordnete: 1
    6. Jaeger.: 1
  • tocInhaltsverzeichnis
    Deutscher Bundestag 11. Sitzung Bonn, den 19. Januar 1962 Inhalt: Glückwünsche zum Geburtstag des Abg. Dr. Siemer 261 A Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Wehrpflichtgesetzes (Drucksache IV/ 92) — Erste Beratung — Strauß, Bundesminister . 261 B, 280 B Erler (SPD) 268 D Dr. Jaeger (CDU/CSU) 274 A Schultz (FDP) 277 B Entwurf eines Vierten Gesetzes zur Änderung des Soldatengesetzes (CDU/CSU, FDP) (Drucksache IV/115) — Erste Beratung —Dr. Zimmermann (München) (CDU/CSU) 284 B Entwurf eines Gesetzes zur Gleichstellung der Wehrpflichtigen und der ehemaligen Wehrpflichtigen in der sozialen Rentenversicherung (SPD) (Drucksache IV/ 122) — Erste Beratung — Dr. Schellenberg (SPD) 285 B Nächste Sitzung 286 D Anlage 287 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 11. Sitzung. Bonn, Freitag, den 19. Januar 1962 261 11. Sitzung Bonn, den 19. Januar 1962 Stenographischer Bericht Beginn: 9.03 Uhr.
  • folderAnlagen
    Liste der beurlaubten Abgeordneten Abgeordnete (r) beurlaubt bis einschließlich a) Beurlaubungen Dr. Achenbach* 19. 1. Altmaier 1. 2. Dr. Arndt 19. 1. Dr. Atzenroth 19. 1. Bauer (Würzburg) * 19. 1. Bauknecht 19. 1. Dr. Bechert 20. 1. Berkhan* 19.1. Dr. Birrenbach 19. 1. Fürst von Bismarck * 19. 1. Blachstein * 19. 1. Börner 19. 1. Dr. h. c. Brauer 19. 1. Dr. Brenck 19. 1. Dr. Bucerius 19. 1. Burckhardt 19. 1. Corterier 19. 1. Dr. Deist 21. 1. van Delden 1. 2. Dr. Dichgans 28. 1. Dr. Dittrich 19. 1. Drachsler 19. 1. Ehnes 19. 1. Eisenmann 19. 1. Etzel 19.1. Frau Dr. Flitz * 19. 1. Dr. Dr. h. c. Friedensburg 19. 1. Dr. Furler * 19. 1. Gedat 15. 2. Gerns * 19. 1. Dr. Gleissner 19. 1. Haage (München) 19. 1. Haase (Kellinghusen) 19. 1. Hammersen 19. 1. Harnischfeger 19. 1. Hilbert 2,1.1. Dr. Höchst 19. 1. Höfler * 19. 1. Frau Dr. Hubert * 19. 1. Illerhaus 19. 1. Jacobi (Köln) 19. 1. Jacobs * 19. 1. Jaksch 20. 1. Frau Kalinke 19. 1. Frau Keilhack 19. 1. Kemmer 19.1. Dr. Kempfler 19. 1. Frau Kettig 19. 1. Killat 19. 1. Dr. Klein 14. 2. Dr. Kliesing (Honnef) 4. 2. Dr. Kopf * 19. 1. Frau Korspeter 19. 1. Frau Krappe 20. 1. Krüger 27. 1. Kühn (Bonn) 19. 1. Lenz (Bremerhaven) 20. 1. Lenze (Attendorn) * 19. 1. Lohmar 19. 1. Lücker (München) 19. 1. Anlage zum Stenographischen Bericht Abgeordnete (r) beurlaubt bis einschließlich Maier (Mannheim) 14. 2. Mattick 19. 1. Mauk 19. 1. Frau Dr. Maxsein* 19. 1. Dr. h. c. Menne (Frankfurt) 19. 1. Dr. Meyer (Frankfurt) * 19. 1. Meyer (Oppertshofen) 19. 1. Dr. Morgenstern 19. 1. Müller (Worms) 27. 1. Müller-Hermann 19. 1. Paul * 19. 1. Peters (Norden) 19. 1. Dr. h. c. Pferdmenges 19. 1. Dr. Pflaumbaum 19. 1. Pöhler 19. 1. Rademacher 19. 1. Frau Dr. Rehling * 19. 1. Reitzner 31. 1. Frau Renger * 19. 1. Ritzel 19. 1. Rohde 19. 1. Dr. Rutschke 26. 1. Scheuren 31. 1. Dr. Schmid (Frankfurt) * 19. 1. Schmidt (Braunschweig) 2. 2. Schmidt (Hamburg) 31. 1. Schmidt (Würgendorf) 19. 1. Dr. Schneider 19. 1. Schütz (München) 19. 1. Seidel (Fürth) 19. 1. Seidl (München) * 19. 1. Seither 19. 1. Dr. Serres * 19. 1. Dr. Siemer 19. 1. Soetehier 19. 1. Stooß 19. 1. Striebeck 9. 2. Dr. Süsterhenn * 19. 1. Frau Vietje 19. 1. Dr. Wahl * 19. 1. Frau Dr. h. c. Weber (Essen) * 19. 1. Wegener 19. 1. Weinzierl 19. 1. Werner 15. 2. Wienand* 19. 1. Windelen 19. 1. Winkelheide 19. 1. Wittrock 19. 1. Dr. Zimmer * 19. 1. b) Urlaubsanträge Rasner 1. 2. Dr. Rieger 10. 3. *. für die Teilnahme an der Tagung der Beratenden Versammlung dies Europarates. Abweichungen und Veränderungen bitte dem zuständigen Büro - Zimmer A 336 bzw. Hausapparat Nr. 2885 - melden.
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Fritz Erler


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Auch aus der Rede des Herrn Verteidigungsministers zur Begründung der Regierungsvorlage ist deutlich geworden, daß wir nur mit großer Bedachtsamkeit, gepaart mit ernster Sorge, an die Regelung jener Fragen herangehen können, die in der Regierungsvorlage behandelt werden. Niemand in diesem Hause geht an dieses Problem leichtfertig oder gar mit Begeisterung heran.

    (Sehr wahr! in der Mitte.)

    Wer das so darstellen würde, würde die Gefühle unseres Volkes verzerren und auch die Gefühle der Abgeordneten des Deutschen Bundestages.




    Erler
    In der Regierungsvorlage wird von einem Teil unserer jungen Staatsbürger und damit auch von deren Familien — Eltern oder Ehegatten, je nachdem — ein größeres Opfer gefordert.

    (Sehr richtig! bei der SPD.)

    Dieses Opfer ist nur zu rechtfertigen, wenn es notwendig ist, wenn es im einzelnen zweckmäßig gestaltet ist und wenn man sich dabei um ein Höchstmaß an Gerechtigkeit bemüht.
    Wir können die Erörterung dieser Vorlage natürlich nicht von dem allgemein politischen Hintergrund, den man dabei auch sehen muß, trennen, auch wenn der Herr Minister im wesentlichen und in erster Linie die militärtechnischen Gründe behandelt hat. Der politische Hintergrund der Vorlage ist vor allem der sowjetische Druck auf unser Volk und auf unsere Hauptstadt Berlin.
    Wir unterhalten uns also darüber, ob ein Schritt wie dieser notwendig sein mag. Einmal geht es um die Einhaltung der Verpflichtungen, die wir mit den abgeschlossenen Verträgen übernommen haben. Die Verträge sprechen nicht von der Dienstzeit. Das englische Beispiel etwa oder auch die Verschiedenheit der Dienstzeit in anderen Ländern zeigt, daß das Wehrsystem Sache eines jeden einzelnen Landes selbst ist. Aber jedes Land muß im Rahmen der abgeschlossenen Verträge den übernommenen Beitrag zur Verfügung stellen. Es ist also zu prüfen, ob der deutsche Beitrag so, wie wir bisher verfahren sind, tatsächlich den versprochenen Umfang und versprochenen Wert erreicht hat. Zahl und
    Wert der Verbände müssen den eingegangenen Verpflichtungen gerecht sein.
    Es ist sicher richtig, wenn wir dabei auch an die Anstrengungen unserer Partner, insbesondere der Vereinigten Staaten von Amerika, denken, die eben in der Begründung mit erwähnt worden sind. Es würde eine Vertrauenskrise im Bündnis auslösen, wenn es so aussehen würde, als würden die Deutschen in der augenblicklichen Lage ihres Volkes und ihrer Hauptstadt die größeren Anstrengungen allein den Verbündeten überlassen und sich selbst nicht darum bemühen, wenigstens den von ihnen zugesagten Beitrag in dem vorgesehenen Umfange bereitzustellen. Dabei geht es letzten Endes doch auch um unsere eigene Freiheit.

    (Sehr wahr! in der Mitte.)

    Aber lassen Sie mich weiterhin einen Punkt erwähnen, bei dem möglicherweise der Verteidigungsminister und ich etwas anderes denken. Aber deshalb soll es doch ausgesprochen werden. Ich bin der Meinung, daß die westliche Allianz aus der tödlichen Alternative heraus muß, in der sie allzulange gewesen ist: für den Fall eines Konflikts nur die Wahl zu haben zwischen Kapitulation oder atomarem Selbstmord. Wir müssen über eine größere Breite auch auf dem Gebiet der Verteidigungsmöglichkeiten verfügen, um aus dieser tödlichen Alternative herauszukommen. Daher hat man mit größerem Gewicht als früher innerhalb der Allianz der Stärkung vor allem der konventionellen Schlagkraft eine entsprechend größere Bedeutung beigemessen. Ich glaube, daß die Regierungsvorlage auch im Lichte dieser Erwägungen gesehen werden sollte.
    Wir diskutieren in einer ernsten Lage. Es hat nicht viel Sinn, miteinander zu rechten, wie diese Lage entstanden sein mag. Die Mauer in Berlin ist von den Beauftragten der Sowjets gezogen worden, und die Drohreden im Zeitalter der atomaren Erpressung durch die Sowjetunion zeugen vom Ernst der Lage. Unsere westlichen Freunde und wir selbst sind trotz dieser Drohungen immer um Gespräche und Verhandlungen bemüht. Vielleicht wären wir heute in einer besseren Lage, wenn diese Bemühungen zu einer Zeit unternommen worden wären, als die Sowjetunion noch nicht einer so gefährlichen Euphorie der Macht verfallen war wie heute,

    (Sehr richtig! bei der SPD)

    als sie eine wirkliche Befürchtung hegte vor einer deutsch-amerikanischen Allianz zu einer Zeit der strategischen Überlegenheit der Vereinigten Staaten von Amerika. Doch diese ist dahin. Heute ist die Lage viel ungünstiger. Was in Berlin geschieht, ist ein Beispiel dafür, und auch diese Vorlage ist ein Beispiel.
    Schon vor dem 13. August 1961 hat es in Paris einige Erörterungen verteidigungspolitischer Fragen bei der Außenministerkonferenz gegeben. Kurz vorher hatte sich der Verteidigungsminister in die Vereinigten Staaten von Amerika begeben. Dann kam der 13. August mit seiner schweren Schockwirkung für uns alle, und es stellte sich die Frage: Welche Auswirkungen wird nicht nur dieses Ereignis, sondern auch das, was vorher in Paris und in den Vereinigten Staaten besprochen wurde, auf die künftige Gestaltung der Bundeswehr haben?
    Meine Freunde waren damals der Meinung, daß sich die Parteien des Bundestages trotz des Wahlkampfes im Verteidigungsausschuß über dieses Problem hätten unterhalten sollen, um beizeiten die Voraussetzungen zu prüfen, die eventuell für eine Umgestaltung der Bundeswehr in einem gewissen Ausmaß geschaffen werden müßten. Wir haben in einer Sitzung des Verteidigungsausschusses am 22. August vergangenen Jahres danach gefragt. Wir bedauern es heute noch, daß die Mehrheit damals eine Erörterung dieser Fragen im Verteidigungsausschuß verweigert hat,

    (Sehr wahr! bei der SPD) wahrscheinlich mit Rücksicht auf den Wahlkampf.

    Vor der Wahl wurden von der Bundesregierung dann einige unklare Andeutungen gemacht, daß vielleicht ein Teil der Wehrpflichtigen noch ein paar Monate länger behalten werden muß. Aber am Tage nach der Wahl wußte man es dann ganz genau. Da wurde plötzlich bekanntgegeben, daß, nun ganz präzis, diejenigen, die am 30. September hätten ausscheiden können, ein weiteres Vierteljahr zum Zweck einer Übung — der Minister hat es uns ja vorhin dargelegt — in der Bundeswehr verbleiben müßten.
    Die Sorge für die rechtzeitige Informierung der davon Betroffenen — denn ihr Entlassungstermin war nahe herangerückt, und es hieß, Vorkehrungen zu treffen für die weitere Berufsausbildung, etwa für die Belegung von Studienplätzen an Universitäten, die Bereitstellung von Zimmern usw.; aber es



    Erler
    0 geht ja nicht nur um die akademischen Berufe, sondern auch um die anderen —, die Sorge für die rechtzeitigen Vorkehrungen, die jene Männer nun treffen mußten, weil der Entlassungstermin hinausgeschoben wurde, hat man damals bei der Truppe den Offizieren überlassen. Ich glaube, es wäre besser gewesen, wenn die Bundesregierung unter ihrer klaren Verantwortung und vielleicht sogar nach Anhörung des Verteidigungsausschusses des Deutschen Bundestages beizeiten Klarheit geschaffen hätte; dann hätte man gewußt, woran man war.

    (Beifall bei der SPD.)

    Meine Damen und Herren, doch nun zu der Vorlage selbst. Niemand leugnet die Probleme, die wir dabei sehen müssen. Die Schlagkraft der Bundeswehr leidet tatsächlich vierteljährlich durch die Entlassung gerade derer, die nach neun Monaten erst voll ausgebildet sind und nun nur ein weiteres Vierteljahr als vollwertige Soldaten der Bundeswehr zur Verfügung stehen. Der Ausbildungsaufwand und die Ausbildungskosten, die neun Monate lang aufgebracht wurden, um aus dem frisch eingezogenen einen vollwertigen Soldaten zu machen, werden dann nur ein Vierteljahr ausgenutzt.
    Die Verlängerung um ein weiteres halbes Jahr löst dieses Problem auf die Dauer auch nicht befriedigend; ich will das ganz offen sagen. Es handelt sich hier auch nur um eine Notlösung. Das Argument, den Ausbildungsstand für längere Zeit den Verbänden der Bundeswehr zu erhalten, spricht eigentlich für eine Zusammensetzung der Feldverbände ganz aus längerdienenden Freiwilligen und Berufssoldaten.

    (Sehr richtig! bei der SPD.)

    Auf lange Sicht wird eine solche Lösung auch für unser Wehrsystem die zweckmäßigste sein. Allerdings leugnet auch von uns niemand, daß diese Lösung heute, im Zeichen der gegenwärtigen wirtschaftlichen Lage und der bisherigen Entwicklung der Wehrpflicht, innerhalb der Bundeswehr nicht durchführbar ist; darüber sind wir uns einig. Aber auf lange Sicht sollten wir dieses Ziel im Auge behalten, weil die heute zur Beschlußfassung anstehende Maßnahme dieses Problem auch nicht befriedigend löst. Wenn man das sorgfältig durchrechnet, könnte man sogar zu der Auffassung neigen, daß der durch eine solche Umgestaltung höher werdende Personalaufwand sich durch eine längere Amortisierung der Ausbildungskosten langfristig wieder ausgleicht. Aber das brauchen wir heute nicht auszudiskutieren. Die Entscheidung ist 1955/56/57 in den damaligen Auseinandersetzungen andersherum, entgegen unseren Vorstellungen, gefallen; heute kann das nicht über Nacht korrigiert werden.
    Wir haben im Regierungsprogramm der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands zu dem Gesamtthema folgende Feststellung getroffen:
    Die neue Bundesregierung wird die notwendigen Lasten auch dem eigenen Volke zumuten müssen. Die Bundeswehr muß den in der NATO beschlossenen Umfang haben. Dazu kann derzeit auf die Wehrpflicht nicht verzichtet werden.
    Eine Partei, die das vor der Wahl sagt, steht auch nach der Wahl zu ihrem gegebenen Wort.
    Ich bin mir also sicher, daß das eigentliche Ziel, das wir langfristig erstreben müssen — die Umgestaltung in dem eben von mir angegebenen Sinne —, heute nicht erreichbar ist. Die Freiwilligenwerbung ist schwierig geworden, wenn wir auch, wie die Zahlen zeigen, die erfreuliche Feststellung treffen können, daß sich vor allem die Zahl der sich relativ langfristig verpfichtenden Freiwilligen erheblich besser entwickelt hat, als es einer relativ kurzen Verlängerung der Dienstzeit entspräche. Das zeigt, daß es sich lohnt, die Anstrengungen in der angegebenen Richtung zu verstärken und uns noch etwas einfallen zu lassen, wobei ich auch hier dem Herrn Minister recht geben muß: das ist nicht nur ein Problem der Besoldung, sondern da geht es auch um die Berufschancen für die Zeit nach Verlassen der Bundeswehr, um eine Reihe von psychologischen Problemen usw. Das alles können wir in der ersten Lesung nicht ausdiskutieren.
    Selbst bei einer solchen langfristig zu erreichenden Umgestaltung bliebe die Landesverteidigung dennoch Sache 'aller Bürger. Hier geht es u. a. um die Territorialverteidigung, um die großen Aufgaben des zivilen Bevölkerungsschutzes, — bisher kaum ernsthaft angepackt.

    (Beifall bei der SPD.)

    Hier geht es darum, daß in einer arbeitsteiligen Gesellschaft die Verteidigungsfähigkeit der Gesellschaft im ganzen von der inneren Gesundheit, von der Solidität, von ihrer Stärke, von der Hingabe der Bürger an die demokratische Staatsverfassung und auch von .der Wirtschaftskraft abhängt, die ein solches Volk aufzubringen vermag, so daß in der arbeitsteiligen Gesellschaft so manche Leistung für die Verteidigung wichtig ist, die nicht in Uniform, in den Verbänden der Bundeswehr erbracht wird.
    Mit Recht stellt sich natürlich — da hier von dem Opfer eines Teils unserer jungen Generation gesprochen wird — die Frage nach der Gerechtigkeit. Bisher sind ja auch schon nicht alle Tauglichen eingezogen worden, nicht einmal vor 1914. Das würde den Rahmen der Bundeswehr völlig sprengen. Das würde sogar gegen Verträge verstoßen. Während auf der einen Seite von uns innerhalb der NATO ein Mindestbeitrag verlangt wird, verbietet ja auf der anderen Seite die Westeuropäische Union die Überschreitung eines Höchstbeitrages. Das zeigt, daß das Gleichgewicht in der Skala völlig zerstört würde und auch unerwünschte politische Wirkungen innerhalb und außerhalb unseres Volkes entstünden, wenn die Bundeswehr in der Weise ausgeweitet würde, daß man nur um der Gerechtigkeit willen alle Tauglichen in die Verbände der Bundeswehr hineinholte. Wir bekennen uns doch wohl zu dem Grundsatz, daß wir uns vor den gemeinsamen Anstrengungen im Verband der Allianz nicht drücken wollen, daß es aber auch nicht unsere Aufgabe ist, uns vorzudrängen und damit Unruhe in die Allianz zu tragen.



    Erler
    Die Verlängerung des Grundwehrdienstes, die hier vorgeschlagen ist, bedeutet also, daß für eine gewisse Zeit, so lange die geburtenschwachen Jahrgänge sich noch nicht sehr stark auswirken, künftig der Anteil derjenigen, die man zur Bundeswehr heranzieht, an einem Jahrgang noch etwas gegenüber bisher sinkt. Das erweckt bei denen, die dienen müssen, Unzufriedenheit im Verhältnis zu den anderen.
    Hier begegnet sich dieses Problem mit einigen der Fragen, von denen ich soeben gesprochen habe. Sowohl der Bundesgrenzschutz als auch die Polizei und vor allem der zivile Bevölkerungsschutz haben Personalsorgen. Diese Personalsorgen wären leichter zu beheben, wenn wenn man denen, die dort Leistungen auf sich nehmen, die auch der Sicherheit unseres Volkes dienen, die Gewißheit gibt, daß sie dann nicht außerdem noch mit der Einberufung zur Bundeswehr zu rechnen haben. Die Ausbildung dort wäre nahezu sinnlos, wenn man damit rechnen müßte, daß dann, wenn die Leute gebraucht werden, sie nicht von dieser Ausbildung Gebrauch machen könnten, sondern zur Bundeswehr abwandern müßten.
    Deshalb bietet sich eine klare Regelung über den Zugang der verschiedenen Bedarfsträger zu den personellen Hilfsquellen an. Eine solche Regelung kann nicht allein der Bundeswehr überlassen bleiben; das würde sie überfordern. Hier sind Absprachen nötig. Der Minister hat davon gesprochen, daß die Regelung dieses Problems nicht einmal eines Gesetzes bedarf. Wir sollten im Ausschuß sorgfältig prüfen, wie man dieses Problem vernünftig regeln kann.

    (Sehr gut! bei der CDU/CSU.)

    Wir sollten auch dafür sorgen, daß die Dienstzeitverlängerung nicht schematisch angewendet wird. Die Absätze 1 bis 3 des neugefaßten § 5 des Wehrpflichtgesetzes geben elastische Möglichkeiten. Wenn man den verkürzten Grundwehrdienst einbezieht, reicht die Skala von einem Monat bis zu 18 Monaten. Dabei rust klar, daß man zu einem Teil die Ungerechtigkeit der verschieden langen Dienstzeit dann durch das wiederholte Üben ausgleichen muß.
    Ich möchte entgegen der Meinung des Ministers doch noch eine Frage zur Diskussion stellen, die uns auch im Ausschuß eingehender beschäftigen muß: die Frage nämlich, ob es wahr ist, daß man um der Gleichheit willen in den Verbänden, die der Allianz zur Verfügung gestellt werden, allgemein auf eine einheitliche Dienstzeit achten muß. Die Gleichheit der Bürger vor dem Gesetz hat doch nichts zu tun mit der gleichen Stellung oder Dienstzeit der Soldaten in bestimmten militärischen Verbänden, wenn es schon verschieden lange Dienstzeiten gibt. Die Ungleichheit zwischen der kurzzeitigen Ausbildung etwa für die Territorialverteidigung und den 18 Monaten bei anderen Verbänden bleibt auf alle Fälle bestehen. Ich habe das Gefühl, daß es jedenfalls heute im Bereiche der Verbände der Bundeswehr eine Reihe von Einheiten gibt, bei deinen die Verlängerung nicht jene Notwendigkeit ist und auch nicht jene erwünschten Folgen hätte, von denen der Minister hier gesprochen hat. Vielleicht ist das ein Anzeichen dafür, daß jene Verbände eigentlich gar nicht in die Divisionen der Bundeswehr hineingehörten, sondern Aufgaben lösen, die die Bundeswehr heute nur deshalb zu erfüllen hat, weil die Territorialverteidigung noch nicht richtig da ist und funktioniert. Also sollte man prüfen, inwieweit nicht jene Verbände durch die Überführung in die Territorialverteidigung dazu beitragen könnten, daß auch diese endlich einen vernünftigen, etwas besseren Start bekommt, als das zur Zeit der Fall ist.
    Es ist, glaube ich, Sache des Ausschusses, die Einzelheiten möglichst undogmatisch weiter zu erörtern. Es besteht um so weniger Anlaß zum Dogmatismus, als die Frage der Wehrdienstdauer auch in der Vergangenheit relativ undogmatisch behandelt worden ist, wenn ich das einmal milde ausdrücken darf. Der Herr Verteidigungsminister hat hier geschildert: 1955 bis 1956 haben Sachverständige gesagt: 24 Monate. Der damalige Minister Blank hat gesagt: 18 Monate. Es ist der Vorsitzende des Verteidigungsausschusses, der Abgeordnete Jaeger, gewesen, der sich dann für 12 Monate ausgesprochen hat.

    (Abg. Schmitt-Vockenhausen: Fangschuß für Blank!)

    Wenn ich mich recht entsinne, ist an der Entscheidung für die 12 Monate damals auch der jetzige Verteidigungsminister nicht ganz unschuldig gewesen.

    (Zustimmung bei der SPD. — Abg. SchmittVockenhausen: Herr Strauß war wohl beim Fangschuß nicht dabei!)

    Aber das wollen wir nicht weiter untersuchen. Diese Diskussion zeigt doch, daß eine Entscheidung solcher Art immer zeitbedingt ist. Wir sollten uns daher vornehmen, die Lage immer wieder neu zu prüfen.
    Ich habe Ihnen vorhin schon gesagt, daß wir auf lange Sicht wahrscheinlich zu einer anderen Zusammensetzung der Feldverbände kommen müssen. Bei Erreichung dieses Zieles wäre ohnehin der Zeitpunkt für eine Überprüfung der Dienstzeit der Soldaten für die Territorialverteidigung gekommen.
    Wir müssen von dem Grundsatz ausgehen, daß Opfer gebracht werden müssen, soweit sie notwendig sind; denn ein Weniger gefährdet unsere Sicherheit. Aber auch nur soweit sie notwendig sind; denn ein Mehr schadet unserer Wirtschaftskraft und der geistigen Verfassung unseres Volkes. Diese beiden sind doch lein entscheidender Teil der inneren Gesundheit und Abwehrkraft unseres Volkes. Eis geht also darum, das zu tun, was notwendig und möglich ist, zum Schutz für alle.
    In diesem Zusammenhang möchte ich noch einmal daran erinnern, daß der zivile Bevölkerungsschutz mindestens das gleiche Maß an Aufmerksamkeit von uns erfordert wie andere Formen der Landesverteidigung. Ich bedauere immer noch, daß die dafür bereitgestellten Mittel den Aufgaben nicht annähernd angemessen sind.
    Die Politik — um die geht es ja in diesem Hause — ist dazu bestimmt, den schlimmsten Fall zu verhüten. Es geht um die Bewahrung unserer Freiheit und um die Verhinderung eines Krieges. Angesichts



    Erler
    der besonderen Problematik, vor der wir in Deutschland stehen, müssen wir redlich und zäh darum ringen, daß die Gefahr von Berlin abgewandt wird und unsere Landsleute in Ostberlin und Mitteldeutschland ein besseres Los erleben können als das, das ihnen heute aufgezwungen wird.

    (Zustimmung.)

    Die Krise, von der ich vorhin gesprochen habe, betrifft nicht nur unsere Hauptstadt Berlin, sie betrifft unser ganzes Volk. Heute wird doch wohl sichtbar, daß die Sowjetunion die Deutschland-Frage im ganzen auf den Tisch gelegt hat. Sie hat ausgeholt, unser Volk so lange zu zerreißen, bis sie von einer für sie gesicherteren Position in Mitteldeutschland aus auch in die Bundesrepublik hineinwirken könnte. Das macht doch klar, daß es in Wahrheit auf die Dauer keine Sicherheit für die Bundesrepublik allein gibt, sondern daß zur Sicherheit für uns und für andere auf lange Sicht auch die Gewährung des Selbstbestimmungsrechts für alle Deutschen gehört.
    Ich sage das selbst in diesem mehr technischen Zusammenhang, weil ich davon überzeugt bin, daß als Antwort auf die Krise eben doch mehr nötig ist als isolierte Berlin-Gespräche und bestimmte technische Maßnahmen zur Verstärkung der Verteidigungsbereitschaft wie die, mit denen wir es heute zu tun haben. Natürlich — haben Sie keine Sorge! —, über ein gesamtpolitisches Konzept als Antwort auf die Krise muß man bei anderer Gelegenheit reden. Heute haben wir es mit dem Teilaspekt der Sicherheit zu tun. Eigentlich gehört dazu viel mehr, nämlich das Gesamtkonzept der Verteidigung und der Außenpolitik einschließlich deutscher Anregungen für Rüstungsbegrenzung und Rüstungskontrolle. Ich möchte das heute bewußt nicht ausdiskutieren, aus dem einfachen Grunde, den mein Freund 011enhauer in der Plenarsitzung des Bundestages bei der Debatte über die Regierungserklärung am 6. Dezember 1961 ausgesprochen hat. Damals hat Herr Ollenhauer hier gesagt: Wir haben uns mit vollem Bedacht zurückgehalten, dieses sehr komplizierte Problem im einzelnen unter Aufnahme aller möglichen Gerüchte und Kombinationen zu diskutieren. Wir respektieren den Wunsch der Regierung, in den kommenden schwierigen Verhandlungen nicht durch öffentliche Parlamentsverhandlungen belastet zu werden.
    Meine Damen und Herren, das ist leider auch heute noch wahr. Es sind immer noch Erörterungen innerhalb des Westens über die gemeinsame Marschroute in der kommenden weltpolitischen Verhandlungsrunde nicht nur um Berlin, sondern auch um die anderen Probleme zwischen Ost und West im Gange. Es kommt jetzt darauf an, eine solche einheitliche westliche Position zustande zu bringen und dieses Zustandekommen nicht von uns aus zu gefährden. Das ist der Grund, weshalb manche an sich notwendige Einzelerörterung auf dieser Tribüne zur Stunde zurückgehalten werden muß.
    Ich möchte allerdings eines hinzufügen. Wir sind uns wohl alle darüber klar, daß auch die jetzt ausgebrochene Krise uns nicht davon entbindet, immer wieder von deutscher Seite her unsere westlichen
    Freunde bei ihrem redlichen Bemühen um Entspannung zu unterstützen. Aber eine solche Entspannung kann nicht mit einseitiger Schwächung des Westens verbunden sein. Entspannung ist nur möglich, durch ein entsprechendes Verhalten beider Seiten, zu dem wir durchaus bereit sind, auch den entsprechenden westlichen und auch deutschen Beitrag zu leisten. Es wäre gar nicht schlecht, wenn wir uns um mehr Anregungen zu diesem Thema bemühten. Aber auch für uns Sozialdemokraten gibt es eine einfache Grenze der Bemühungen dort, wo solche Bemühungen als Ermunterung zu verstärktem sowjetischem Druck mißdeutet werden oder gar wirken könnten.

    (Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der CDU/CSU.)

    Wir tragen Verantwortung für das Ganze in gefährlicher Lage. Wir haben doch damals das Angebot einer Allparteienregierung nicht in Unkenntnis der innen- und außenpolitischen Lage gemacht. Lassen Sie mich hier freimütig bekennen, daß es wohl nicht angeht, eine große Partei von der Mitbestimmung auszusperren, aber dort und nur dort Verantwortung dann mittragen zu lassen, wo es unangenehm wird.

    (Beifall bei der SPD.)

    Wir verschließen uns den Notwendigkeiten der Stunde nicht. Aber nehmen Sie bitte zur Kenntnis, daß Entscheidungen auch in wichtigen Einzelfragen davon abhängen werden, wie man im ganzen innerhalb und außerhalb dieses Hauses mit uns verfährt,

    (Beifall bei der SPD)

    ob man uns rechtzeitig unsere Mitgestaltung ermöglicht, bevor hier oder bei internationalen Verhandlungen vollendete Tatsachen geschaffen werden.
    Ich will jetzt nur etwa die gestrige Kurzdiskussion in diesem Hause über die Methoden der Vorbereitung einer Finanzreform erwähnen, die ja nicht ohne uns durchgeführt werden kann. Bei dieser Debatte hat sich zum Schluß doch die bessere Einsicht gegen den Widerstand der Regierungsbank wenigstens in der ersten Runde durchgesetzt. Hoffen wir, daß das auch für die zweite gilt!
    Ein anderes Beispiel war etwa die überraschende Rede des Verteidigungsministers in Paris, bei der es besser gewesen wäre, wenn wenigstens der Verteidigungsausschuß des Bundestages von seinen Absichten informiert worden wäre, bevor er dort diesen Vorstoß unternahm.
    Ein gutes Beispiel ist der wesentlich bessere Ansatz, den der jetzige Bundesinnenminister Höcherl im Gegensatz zu seinem Vorgänger zur Lösung einiger Probleme gefunden hat.
    Meine Damen und Herren, die Sicherung und Stärkung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung ist mehr als ein militärisches Problem, aber wir wollen nicht leugnen: auch ein militärisches Problem. Zu dem Mehr gehört das Hinführen der Staatsbürger zu der Demokratie, die sie mittragen müssen. Die Weimarer Republik ist vielleicht auch daran zugrunde gegangen, daß es nicht genug Republikaner in der Republik gegeben hat. Eine Demokratie ohne Demokraten gibt es nicht. Wir brauchen die



    Erler
    lebendige Mitwirkung aller unserer Staatsbürger. Der Regierungsstil, die Rolle des Parlaments, die freiheitliche Luft in unserem Staatswesen — das alles gehört mit dazu. Und dann auch jenes Kapitel, um dessen Gestaltung wir hier so oft ringen: die soziale 'Gerechtigkeit, die Freiheit von Not bei Alter, Invalidität und Krankheit, bis hin zur Steuerpolitik.
    Ich erwähne das jetzt, meine Damen und Herren, weil, wenn schon von Opfern — und hier in der Regierungsvorlage von Opfern bei einem Teil unserer Jungmannschaft — die Rede ist, wir wohl allgemein akzeptieren müssen, daß die leistungsfähigeren Schultern auch die größere Last zu trägen haben.

    (Beifall bei der SPD.)

    Sie werden an einem anderen Unterpunkt der Tagesordnung einen Vorschlag hören, der in dieses Kapitel mit hineingehört, den Vorschlag einer Berücksichtigung bereits durch Wehrdienst erbrachter Opfer auf dem Gebiet der Sozialversicherung. Darüber möchte ich jetzt nicht sprechen; das wird mein Freund Schellenberg tun.
    Im Ausschuß werden wir weiter wohl sorgfältig die sozialen Auswirkungen der Wehrdienstverlängerung auf die Betroffenen selbst, ihren Beruf, ihre Familie und ähnliches zu prüfen haben.
    Wir müssen uns auch mit der Frage beschäftigen, wie wir ihrem Opfer von uns aus auch in einem bescheidenen Umfange ein gewisses Maß an Anerkennung entgegenbringen.

    (Sehr richtig! bei der SPD.)

    Ich darf einmal daran erinnern, daß, als wir uns hier in diesem Hause über den Wehrsold unterhielten, damals der sozialdemokratische Antrag, den Wehrsold auf 2,50 DM zu erhöhen, abgelehnt worden ist und dann schließlich nur 2,30 DM herausgekommen sind.
    Laßt uns all diese Dinge im Zusammenhang mit der jetzt zur Diskussion stehenden Maßnahme noch einmal neu prüfen, ob man nicht vielleicht sogar noch etwas mehr tun kann: nämlich wenigstens die zusätzlichen sechs Monate — wenn schon nicht die ganze Zeit — mit den bisher nur bei freiwilliger Weiterverpflichtung gewährten Vergünstigungen auszustatten, damit der, der künftig kraft Gesetzes sechs Monate mehr leistet, nicht schlechter gestellt wird als derjenige, der bisher freiwillig sechs Monate mehr geleistet hat.

    (Beifall bei der SPD.)

    Sie finden darüber eine ausführliche Darlegung von Weinstein in der FAZ. Ich glaube, wir sollten uns mit dem Problem sehr ernst, und zwar wohlwollend, beschäftigen.
    Ich möchte hier noch eine andere Anregung vorbringen; sie betrifft den Verpflegungssatz für die schwierige Zeit der Eingewöhnung in die Bundeswehr in den Ausbildungseinheiten. Der Verpflegungssatz mag ein allgemeines Problem für die gesamte Bundeswehr sein; aber für die erste Zeit in den Ausbildungseinheiten ist das eine besonders wichtige Frage. Ich bezweifle, ob wir heute noch mit 2,75 DM auskommen.
    Meine Damen und Herren, ein weiteres. Die zusätzlich gewonnenen sechs Monate dienen der Erhaltung des einmal erworbenen militärischen Könnens, der Möglichkeit, auch mehr im Verband zu tun. Aber es entsteht während der Erhaltung dieser Fähigkeiten ein zusätzlicher Zeitraum, den man auch — der Minister sprach davon für ein größeres Ausmaß an Unterricht insbesondere auf staatspolitischem, auf staatsbürgerlichem Gebiet verwenden kann. Wir sollten uns damit beschäftigen, was eigentlich für die Gestaltung dieses Unterrichts beabsichtigt ist und ob wir nicht dazu kommen sollten, dort auch die Mitwirkung jener demokratischen Kräfte vorzusehen, die nicht dem Regierungslager angehören,

    (Sehr richtig! bei der SPD.)

    damit die Bundeswehr immer weiß, daß sie zu allen demokratischen Teilen unseres Volkes ein gutes Verhältnis hat.

    (Beifall bei der SPD. — Abg. Wehner: Also auch die demokratischen Kräfte und nicht nur die demokratischen Kreise!)

    — Eindeutig.
    Wir sollten schließlich — trotz der Bemerkungen, die der Herr Minister vorhin machte — auch prüfen, ob nicht die ursprünglichen Intentionen seines Hauses für das erstmalige Wirksamwerden der vorgeschlagenen Maßnahme richtiger gewesen sind, nämlich daß die volle Verlängerung erst für diejenigen wirksam wird, die zu einem Zeitpunkt in die Bundeswehr eingetreten sind, zu dem bereits über die Verlängerung öffentlich diskutiert wurde — nämlich am 1. Oktober 1961 —; die anderen, die seit 1. Juli 1961 bei der Bundeswehr dienen, sind gewissermaßen überrascht worden, und von ihnen mußten manche ihre Lebenspläne erst entscheidend ändern, als sie sich schon in der Bundeswehr befanden. Sie wußten zwar auch, daß sie die vierteljährliche Übung mit ableisten müßten; das hatte sich inzwischen herumgesprochen. Wir sollten prüfen, ob es wirklich notwendig ist, jemanden, der auf ein Jahr einberufen wurde, nun plötzlich 50 % länger zu behalten, obwohl er zu dem Zeitpunkt der Einberufung von der möglichen Verlängerung noch nichts auch nur von ferne geahnt hat. Ich würde sagen, hier geht es u. a. auch ein wenig um den Grundsatz von Treu und Glauben. Diese Frage sollten wir im Ausschuß noch einmal sorgfältig prüfen.
    Daneben gibt es noch die Probleme der Aufnahme-, Ausbildungs- und Ausrüstungskapazitäten. Darüber sollte man uns genau unterrichten; hier sollte die zweckmäßigste Organisation für die Durchführung gesucht werden.
    Meine Ausführungen haben Ihnen, meine Damen und Herren, klargemacht, daß sich meine Fraktion dem Notwendigen nicht versagt. Ich hoffe, daß die Ausschußberatungen auch in den Einzelfragen zu befriedigenden Ergebnissen führen, die dann später eine breite Zustimmung ermöglichen können. Wir müssen sorgfältig prüfen: Was ist notwendig, wie ist das Notwendige am zweckmäßigsten zu gestalten, wie können wir das so gerecht wie möglich machen, und wie können wir die Auswirkungen der



    Erler
    Maßnahmen auf die Betroffenen und ihre Familien nach Möglichkeit lindern? Wir müssen die Gewißheit schaffen, daß als Betroffene nicht allein die Wehrpflichtigen die Folgen unserer Lage zu tragen haben, sondern daß die gesamte Politik der Bundesrepublik Deutschland in umfassender Weise die Probleme unserer Zeit auch auf dem Gebiet der Sicherheit unseres Staates gegen die Gefahren von innen und außen einzugehen bereit ist.

    (Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der FDP.)



Rede von Dr. Carlo Schmid
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Das Wort hat der Abgeordnete Jaeger.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Richard Jaeger


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich will den Versuch machen, mich auf das Thema des Gesetzes, auf die Bundeswehr, die Wehrpflicht, ihre Notwendigkeit und ihre Dauer zu beschränken und Ausflüge in andere interessante Gebiete der Politik — wie etwa in das Gebiet der Steuer- und Sozialpolitik — an diesem Tage zu unterlassen.

    (Zurufe von der SPD.)

    Wenn ich von der Bundeswehr und von der Wehrpflicht rede, dann darf ich wohl daran erinnern, daß wir vor sechs Jahren in diesem Hohen Hause Diskussionen hatten, die sich von der heutigen sehr unangenehm unterschieden haben.

    (Sehr gut! in der Mitte. — Abg. Wehner: Nur so lange, wie Sie noch nicht geredet haben! — Abg. Schmitt-Vockenhausen: Sie wollen wohl bei Ihrem alten Stil bleiben!)

    — Ach, Herr Kollege Schmitt-Vockenhausen, was Schärfe und Hitzigkeit angeht, übertreffen Sie mich bei weitem.

    (Heiterkeit bei der CDU/CSU.).

    Außerdem meinte ich weniger den rednerischen Inhalt dieser Auseinandersetzung als das abstimmungsmäßige Ergebnis. Wenn Herr Kollege Erler hier zum Ausdruck gebracht hat — darin kann ich ihm nur zustimmen, weil ich das selber schon oft genug vor vielen Jahren hier gesagt habe —, daß die Bundeswehr eine Armee des ganzen Volkes und nicht einer Partei oder einiger Parteien ist, dann kann ich andererseits nur sagen, daß es nicht an der Bundeswehr liegt, wenn ihre Beziehungen nicht zu allen Parteien von gleicher Herzlichkeit . getragen gewesen sein sollten; das hing dann eben von dem Verhalten dieser einzelnen Parteien ab.

    (Zurufe von der SPD.)

    Lassen Sie mich, nachdem ich den Zuruf beantwortet habe, zum Thema meiner Rede kommen. Es ging damals vor sechs Jahren um die Wehrpflicht, jene Wehrpflicht, die wir vor diesem Hohen Hause mit vielen Gründen, mit militärischen und politischen Gründen, vertreten haben. Die militärischen Gründe lagen damals in dem Umstand — sie liegen heute noch mehr als damals darin —, daß wir die erforderliche Zahl von Soldaten auf der Basis der Freiwilligkeit nun eben einmal nicht erhalten. Ein anders Argument für die Wehrpflicht war, daß wir
    Reserven brauchen und daß diese herangebildet werden müssen.
    Wir hatten aber auch politische Gründe. Wir sind der Auffassung, daß die Wehrpflicht einen Gegenpol zu den Grundrechten, die der freiheitliche Staat gewährt, darstellt, daß die Wehrpflicht sozusagen eine demokratische Grundpflicht des Bürgers ist. Wir waren und wir sind der Meinung, daß die Verankerung einer Armee im Volk durch die Wehrpflicht stärker, nachhaltiger und dauerhafter ist — sowohl was das Bewußtsein der Armee als was das Bewußtsein des ganzen Volkes angeht — als bei einem Heer, das nur aus Freiwilligen besteht.
    Wenn wir auf die sechs Jahre des Bestehens unserer Bundeswehr, auf die außerordentlichen Schwierigkeiten, die wir in diesen sechs Jahren gehabt haben, zurückblicken, dann erkennen wir erst, was in diesen Jahren geleistet worden ist. Wir standen damals, im Jahre 1956, an einem vierfachen Nullpunkt. Es war der personelle Nullpunkt, denn wir hatten keinen einzigen Soldaten; wir mußten nach einer mehr als zehnjährigen Pause ganz von vorn anfangen. Es war 'der materielle Nullpunkt, denn weder Bekleidung noch Waffen noch Gerät noch Unterkunft waren vorhanden. Alles mußte erst angeschafft, Kasernen mußten erst geräumt, hergerichtet oder neu gebaut werden. Was dieses Hohe Haus betrifft, so hat uns am meisten der rechtliche Nullpunkt zu schaffen gemacht, die Tatsache, daß wir kein einziges Gesetz hatten, das für .die Aufstellung von Soldaten maßgebend war, ja, .daß wir erst einmal unsere Verfassung, das Grundgesetz, reformieren mußten, um die gesetzlichen Bestimmungen in die Verfassung einzubauen, die die Grundlage dafür waren, die Bundeswehr aufzustellen und sie gegenüber irgendwelchen Klagen gerichtlicher Art sozusagen kugelsicher zu machen. Das hat den Verteidigungsausschuß, das hat dieses Hohe Haus lange Jahre beschäftigt.
    Schließlich aber war es — und das war die schwierigste Aufgabe, vor der wir standen — die Überwindung des moralischen Nullpunktes, der darin lag, .daß weite Kreise unseres Volkes ,die Notwendigkeit der Wehrpflicht, die Notwendigkeit des Dienstes an der Freiheit damals nicht einsahen, daß die Parole des „Ohne-mich" — vom Osten gesteuert — auch in weiten Kreisen unseres Volkes leider zeitweise ein recht lebhaftes Echo fand.
    Wenn ich mir überlege, wieviel Mühe es gekostet hat, Mühe bei den Soldaten der Bundeswehr, Mühe bei ihren Beamten, Anstrengungen bei den Politikern, um alle diese Schwierigkeiten zu überwinden, dann kann ich wohl sagen, daß das, was in diesen Jahren geschaffen worden ist, eine stolze Leistung ist.

    (Sehr wahr! bei der CDU/CSU.)

    Bei unserer Bundeswehr steht nun der weitaus größte Teil dessen, was geplant war: Neun Divisionen sind bereits der NATO unterstellt. Die Wehrpflicht ist bei unserer Jugend eine Sache sicherlich nicht der Begeisterung, aber doch der selbstverständlichen Pflichterfüllung. Die Zahl der Dienstverweigerer aus Gewissensgründen liegt bei nur 7 Promille



    Dr. Jaeger
    der Erfaßten, ist also wesentlich geringer, als weite Kreise dieses Hohen Hauses seinerzeit befürchtet hatten. Die Bundeswehr hat ihren festen Platz im Volksganzen gefunden. Die Ressentiments sind weitgehend überwunden, und der Ohne-michKomplex stirbt langsam aus. Ich glaube, meine Damen und Herren, das ist ein Grund, um der jungen Generation, die so selbstverständlich die Pflicht des Wehrdienstes auf sich genommen hat, auch den Dank dieses Hauses auszusprechen.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Vor allem aber möchte ich gerade im Hinblick auf meine nun mehr als achtjährige Tätigkeit als Vorsitzender des Bundestagsausschusses für Verteidigung den Dank an die Freiwilligen, besonders an die Offiziere und Unteroffiziere unserer Bundeswehr aussprechen, die unter Umständen, die es früher noch nie gegeben hat, ein einmaliges Aufbauwerk für unser Volk und seine Freiheit geleistet haben.

    (Erneuter Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Die militärischen Erfolge und die politische Situation der Gegenwart beweisen die Richtigkeit unseres Entscheides für die allgemeine Wehrpflicht. Dabei zeigt sich insbesondere, daß die Wehrpflichtigen wie eine Art kommunizierender Röhren zwischen dem zivilen und dem militärischen Sektor unseres Volkes wirken. Sie haben wesentlich dazu beigetragen, daß man in unserem Volk nun nicht mehr von „den" Soldaten spricht, sondern daß aus den Soldaten unsere Soldaten geworden sind. Die Wehrpflicht hat dazu beigetragen, daß die Schilder, die anfänglich an manchen Gaststätten der Großstädte anzutreffen waren, „Eintritt für Uniformierte verboten" längst verschwunden sind.

    (Zuruf von der SPD: Ist das ein militärischer Erfolg?)

    — Das ist kein militärischer, das ist ein politischer Erfolg. Aber Sie können doch in einer Demokratie Politik und Militär nicht trennen. Gerade Sie wollen das doch genauso wenig wie wir.
    .Meine Damen und Herren, unserer Bundeswehr ist der Schutz der Freiheit unseres Volkes aufgetragen. Sie ist sich dieser Aufgabe bewußt und ist von einer lebendigen demokratischen Staatsgesinnung getragen. Das sind auch Erfolge, über die wir uns in diesem Hause freuen können.
    Als wir an die Ausgestaltung der Wehrpflicht herangingen — damals, im Jahre 1956 —, stimmte die Mehrheit dieses Hohen Hauses und meine eigene Fraktion — die Fraktion der Christlich-Demokratischen und Christlich-Sozialen Union — dem Vorschlag der Bundesregierung und damit des Verteidigungsministers Strauß zu, daß diese Dienstpflicht im Unterschied zu weiter zurückliegenden Planungen 12 Monate — als Grundwehrdienst — betragen soll. Es waren die politischen und die militärischen Notwendigkeiten der Aufbauzeit, die uns zu dieser Haltung veranlaßten. Damals waren die geistigen Voraussetzungen für die Wehrpflicht in unserem Volk noch so gering entwickelt, daß schon aus diesem Grund eine weitergehende Verpflichtung über das im Anfang unbedingt Notwendige hinaus nicht angebracht gewesen wäre. Vor allem aber standen damals im Vordergrund die Ausbildung und die schnelle Bildung der Reserven, wovon gerade die letztere durch eine kürzere Ausbildung rascher erreicht werden konnte als durch die im jetzigen Augenblick zweckmäßigere längere.
    Aber von diesen Gesichtspunkten abgesehen, stehen wir überhaupt auf dem Standpunkt, daß die Dauer der Wehrpflicht kein Dogma, kein Satz ist, der für alle Zeiten fest und unverrückbar dasteht. Es gelten für die Dauer der Wehrpflicht vielmehr die Überlegungen, daß eine Wehrpflicht so kurz wie möglich und so lang wie nötig sein muß. So kurz wie möglich, meine Damen und Herren, weil das Opfer, das dem jungen Mann zugemutet wird an Bequemlichkeiten, vor allem aber an Verlust an Berufs- und Ausbildungszeit, vom Staat so niedrig wie eben möglich gehalten werden soll. Andererseits aber so lange wie notwendig; denn der Zweck der Wehrpflicht ist es ja, den einzelnen Soldaten in den Stand zu setzen, seine Aufgabe in den Streitkräften zu erfüllen und die Bundeswehr als Ganzes bereit zu machen zur Landesverteidigung. Nur wenn dieser Zweck erfüllt ist, nur wenn die Wehrpflicht entsprechend lange ist, ist diese Aufgabe richtig gelöst.
    Nun, 12 Monate, wie wir sie ursprünglich eingeführt hatten, sind — das ist auch aus der Rede des Ministers hervorgegangen — für die Ausbildung an sich ausreichend. Ich war und bleibe der Meinung, daß ein Kompaniechef, der Rekruten in 12 Monaten nicht zu echten Soldaten erziehen kann, es auch in 18 oder 24 Monaten nicht können wird, weil es entweder an den Rekruten fehlt oder am Kompaniechef.
    Diese meine Auffasung ist durch Gutachten bestätigt worden, die die NATO erhoben hat und die auch eine Dauer von etwa 12 Monaten als das Minimum einer Ausbildungszeit festgestellt haben. Sie ist auch durch das Interview bestätigt, das der neue Generalinspekteur der Bundeswehr der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung" am 11. Dezember des letzten Jahres gegeben hat.
    Für die Ausbildung und für die Bildung der Reserven also waren 12 Monate ausreichend. Aber damit, meine Damen und Herren, haben wir ja erst das erste Stadium der Bundeswehr hinter uns gebracht. In dem neuen, zweiten Stadium, in das wir nun eintreten, ist der vorherrschende Gesichtspunkt die Einsatzbereitschaft unserer Streitkräfte.
    Wir wissen, daß gerade unter diesem Gesichtspunkt die Verbandsausbildung eine noch größere Bedeutung bekommen soll, als sie bisher zwangsläufig haben konnte, bisher schon auch deswegen weitgehend nicht haben konnte, weil eigene Übungsplätze nur in geringem Umfang zur Verfügung standen und sich erst in jüngster Zeit für uns die Möglichkeit ergeben hat, auf die Übungsplätze unserer Verbündeten — der Franzosen und der Engländer —auszuweichen. Dazu aber kommt, daß es sich bei dem Mangel an Freiwilligen, den wir haben, um die bedauerlichen Auswirkungen einer erfreulichen und erfolgreichen Wirtschaftspolitik handelt. Viele Funktionen unserer Bundeswehr sind von Wehrpflich-



    Dr. Jaeger
    tigen, die nur 12 Monate dienen, nun einmal nicht auszufüllen. Freiwillige waren aber in hinreichendem Ausmaße nicht zu bekommen. Die Planungen, die vorgesehen waren, sahen für das Heer einen Stand der Freiwilligen von 55 % vor — es sind heute faktisch nur 40 % —, bei der Luftwaffe einen einen Stand von 82 % — es sind deren nur 61 % --, bei der Bundesmarine sogar einen Stand von 95 % — es sind deren nur 88 % —. Im Zeichen der Hochkonjunktur, von der wir aus vielen Gründen wünschen, daß sie uns erhalten bleiben möge, ist an eine durchgreifende Änderung nicht zu denken, zumal die Möglichkeiten materieller Art in der Verbesserung der Besoldung unserer Soldaten so ziemlich im großen und ganzen ausgeschöpft worden sind. Dieses Haus ist in dieser Hinsicht sicherlich mit Recht großzügig gewesen.
    Wir werden deshalb Wehrpflichtige mit einer Ausbildung von 18 Monaten brauchen, um Lücken, die auf dem Gebiete der Freiwilligen bestehen, auszufüllen und auf diese Weise eine Reihe von Funktionen, die eigentlich Freiwillige übernehmen sollten, durch Wehrpflichtige mit einem Grundwehrdienst von 18 Monaten übernehmen zu lassen. Dazu aber kommt sicherlich — auch der Redner der Opposition hat auf diesen Gesichtspunkt hingewiesen —, daß wir seit den Beratungen des Jahres 1956 eine weitgehende Verschärfung der außenpolitischen Lage erlebt haben. Wir hatten im November 1958 das Ultimatum, das Berlin betrifft, wir hatten den bisherigen Höhepunkt der Auseinandersetzungen um die alte Reichshauptstadt am 13. August des letzten Jahres.
    Meine Damen und Herren, wenn wir wie bisher nur Wehrpflichtige hätten, die 12 Monate dienen, bliebe eben der Ausgebildete nur eine sehr kurze Zeit von wenigen Wochen, allenfalls von 2 bis 3 Monaten, bei der Truppe. Der volle Wert, den er für die Kampfkraft der Truppe hat, erlischt in dem Augenblick wieder, in dem er ausscheidet. Der Kampfwert der Bundeswehr sinkt alle Vierteljahre ganz erheblich. Die Stetigkeit der Einsatzbereitschaft in einem so schwierigen Augenblick wie dem derzeitigen macht deshalb zusätzlich zu den Überlegungen, die ich Ihnen soeben schon dargelegt habe, zweifellos die Verlängerung der Dienstzeit notwendig.
    Notwendig ist die Verlängerung der Dienstzeit aber auch wegen des Grundsatzes einer gewissen Gleichbelastung der hauptsächlichen Träger der Verteidigung innerhalb des Atlantikpaktes. Es ist kein Zweifel, die Führung der NATO wünscht, daß auf dem europäischen Kontinent durchweg eine Dienstzeit von wenigstens 18 Monaten eingeführt wird. Bei einem Vergleich mit den anderen NATO-Partnern ergibt sich folgendes. Zwar liegen Dänemark und Norwegen mit 16 Monaten knapp unter dieser Grenze, Italien, die Niederlande und Portugal haben aber diese Grenze von 18 Monaten bereits erreicht. Griechenland, die Türkei und die Vereinigten Staaten von Nordamerika als der wichtigste Träger der Verteidigung der freien Welt haben 24 Monate. Frankreich hat derzeit sogar 28 Monate Grundwehrdienst. Es handelt sich also um eine Angleichung an unsere Partner und an ihre
    Verpflichtungen. Es handelt sich aber sicherlich auch um ein gewisses Gegengewicht gegen die Staaten des Warschauer Paktes, die mit mindestens 24 bis zu 36 Monaten Dienstzeit erheblich mehr von ihren Untertanen verlangen, als wir von unseren Bürgern erwarten.
    Schließlich ist es niemandem in unserem Volke verborgen geblieben, daß die Vereinigten Staaten von Amerika unter ihrer neuen Regierung verstärkte Anstrengungen für die Verteidigung der Freiheit gerade auf dem unmittelbaren Gebiet der militärischen Verteidigung unternommen haben und unternehmen. Es ist für uns als die Hauptbetroffenen des kalten Krieges nicht möglich, hinter den Anstrengungen der Amerikaner — relativ jedenfalls — zurückzubleiben. Absolut werden wir nie das gleiche leisten können, was diese größte Wirtschaftsmacht der westlichen Welt zu leisten vermag.
    Meine Damen und Herren, ich bin mir vollkommen darüber klar, daß die Verlängerung der Dienstzeit um die Hälfte der jetzigen, nämlich von 12 Monaten auf 18 Monate, ein schweres Opfer für die jungen Männer unseres Volkes ist, ein Opfer durch die Unbequemlichkeiten, die ein militärischer Dienst immer mit sich bringt und mit sich bringen muß, soll er seinen Zweck erfüllen, vor allem aber ein Opfer insofern, als dadurch in den Berufsplänen, in denen Ausbildungsplänen nun eine noch größere Lücke entsteht als bisher. Dieses Opfer ist am schwersten bei den qualifizierten Berufen, nicht zuletzt bei den Menschen, die sich dem Hochschulstudium widmen, zumal diese akademisch und nichtakademisch „qualifizierten" Berufe auf Grund ihrer Qualifikation im allgemeinen einen besonders hohen Prozentsatz der Wehrpflichtigen stellen müssen. Wir wollen dieses Opfer nicht verkleinern, aber wir sind davon überzeugt, daß die junge Mannschaft unseres Volkes ebenso, wie sie bisher die Notwendigkeit der Wehrpflicht eingesehen hat, diese auch für die Zukunft verstehen wird.
    An und für sich liegt ja eine Tragik darin, daß die freiheitliche Lebensordnung in der Auseinandersetzung mit einer Gewaltherrschaft den Raum der Freiheit selbst auf den verschiedensten Gebieten, nicht nur auf dem der Wehrpflicht, einschränken muß, um sich selbst zu behaupten und um die Idee der Freiheit zu retten. Wir haben aber die gemeinsame Überzeugung, daß eine mit den Mitteln des Rechts beschränkte Freiheit in ihrer Qualität ganz unvergleichlich höher und lebenswerter ist als die Herrschaft des Unrechts, die wir erlebt und erlitten haben und die 17 Millionen unserer Landsleute auch heute noch täglich und stündlich erleben und erleiden.
    Wenn wir unter diesem Gesichtspunkt unsere Forderung an die jungen Männer unseres Volkes stellen, glaube ich, daß wir dort das Echo finden, das wir bisher gefunden haben und das wir auch in den nächsten Wochen bei der Beratung dieses Gesetzentwurfs erhoffen.
    Wenn es aber ein schweres Opfer für unsere jungen Männer ist, 18 Monate zu dienen, dann können wir andererseits auch erwarten, daß die Planung der Ausbildung in unserer Bundeswehr sehr sorg-



    Dr. Jaeger
    fältig vorgenommen wird, daß diese Ausbildung selbst hart, umfassend und wirklichkeitsnah gestaltet wird und daß das, was heute unter dem Schlagwort gammeln verstanden wird, immer mehr zur Ausnahmeerscheinung wird. Die Tatsache, daß wir unsere jungen Soldaten länger als bisher bei den Waffen halten, verpflichtet uns zu einer noch besseren und sorgfältigeren Ausbildung, damit der wirkliche Zweck dieser Verlängerung der Dienstpflicht auch erreicht wird.
    Meine Damen und Herren, wir stehen in der ersten Lesung des Gesetzentwurfs und haben uns nur mit seinen Grundzügen zu befassen. Es geht hier nicht um die Einzelheiten, etwa um das Problem des verkürzten Grundwehrdienstes oder die Probleme des materiellen Entgelts oder des Verpflegungssatzes. Wir wollen diese Fragen den Beratungen des Ausschusses überlassen und uns dann mit dem Ergebnis der Ausschußberatungen in der zweiten Lesung befassen, darüber im einzelnen diskutieren und entscheiden.
    Wichtig aber erscheint mir in der ersten Lesung, daran zu erinnern, daß in diesem Hause und außerhalb dieses Hauses in den letzten eineinhalb Jahren recht oft die Forderung nach einer gemeinsamen Außenpolitik erhoben worden ist. Wir von der Christlich-Demokratischen und Christlich-Sozialen Union haben diese Forderung schon früh erhoben und haben sie, als sie später von anderer Seite gestellt wurde, selbstverständlich bejaht. Wir waren aber immer der Meinung, daß sich die Gemeinsamkeit einer Außenpolitik an den innenpolitischen Konsequenzen, an dem Verhalten aller Beteiligten bei den Beratungen in diesem Hohen Hause erweist.

    (Sehr gut! bei der CDU/CSU.)

    Wir sind der Meinung, daß die Gemeinsamkeit der Außenpolitik in erster Linie eine Einigkeit in den Grundfragen der Verteidigung unseres Landes bedingt. Ich hoffe, daß die Beratung dieses Gesetzentwurfs im Bundestagsausschuß für Verteidigung, die in der nächsten Woche beginnen wird, uns auf diesem Wege einen Schritt weiter bringen wird.

    (Beifall bei der CDU/CSU und bei Abgeordneten der FDP.)