Rede:
ID0316700600

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Metadaten
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    Deutscher Bundestag 167. Sitzung Bonn, den 18. August 1961 Inhalt: Entgegennahme einer Erklärung der Bundesregierung zur politischen Lage und Beratung über die Lage Berlins Dr. Adenauer, Bundeskanzler . . . 9769 B Brandt, Regierender Bürgermeister von Berlin . . . . . 9773 C Dr. Krone (CDU/CSU) 9777 A Ollenhauer (SPD) 9779 D Dr. Mende (FDP) 9781 A Schneider (Bremerhaven) (fraktionslos) 9783 C Behrisch (fraktionslos) 9786 A Neubauer (SPD) 9788 A D. Dr. Gerstenmaier, Präsident . 9788 C Anlage 9791 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 167. Sitzung. Bonn, Freitag, den 18. August 1961 9769 167. Sitzung Bonn, den 18. August 1961 Stenographischer Bericht Beginn: 11.04 Uhr
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    Anlage 1 Liste ber beurlaubten Abgeordneten Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich Dr. Bärsch 18. 8. Bettgenhäuser 22. 8. Caspers 22. 8. Dewald 22. 8. Dr. Frey 22. 8. Dr. Greve 22. 8. Hauffe 22. 8. Jaksch 18. 8. Frau Klemmert 22. 8. Dr. Königswarter 22. 8. Kuntscher 18. 8. Anlage zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich Lena (Trossingen) 22. 8. Meitmann 22. 8. Dr. Menzel 18. 8. Neuburger 22. 8. Pelster 22. 8. Dr. Pferdmenges 22. 8. Pohle 22. 8. Reitzner 22. 8. Scharnowski 22. 8. Schoettle 18. 8. Struve 22. 8. Strauß 18. 8. Dr. Tamblé 22. 8. Frau Welter (Aachen) 22. 8.
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Heinrich Krone


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Was sich in Berlin seit dem letzten Sonntag zugetragen hat und was in seinen Auswirkungen noch nicht zu überblicken ist, darüber hat das Hohe Haus soeben einen erschütternden Bericht bekommen.
    Zahllose deutsche Familien auf beiden Seiten des Drahtverhaues sind in ihren persönlichen Beziehungen hart und schwer betroffen. Es gibt bestimmt kein Haus in unserem Vaterlande, wo dieses Geschehen die Menschen nicht leidenschaftlich bewegt. Das ganze deutsche Volk ist tief ,erschüttert. Es mehren sich die Meldungen, daß sich die Lage verschärft. Der Druck auf die Kirchen steigert sich. Führende Männer beider Kirchen werden an der kirchlichen Tätigkeit im Bereich ihrer Zuständigkeit gehindert. Selbst innerhalb der Zone sind gegen die Kirchen Maßnahmen getroffen worden.
    Als die Fraktionen dieses Hohen Hauses diese Sitzung vereinbarten, wollten sie nicht, daß sich an die Regierungserklärung eine außenpolitische Debatte anschlässe. Uns ging es nicht darum, uns auseinander zu setzen. Wir wollten uns vielmehr zueinander setzen — und das trotz des Wahlkampfes.

    (Lebhafter Beifall auf allen Seiten des Hauses.)

    Was uns bewegte, war: Hier soll in einer Schicksalsstunde des deutschen Volkes der Deutsche Bundestag mit jener Autorität Stellung nehmen, die er als frei ,gewählter Sprecher des ganzen deutschen Volkes eben für dieses ganze deutsche Volk hat. Wir wollten für die Deutschen der Bundesrepublik sprechen. Wir wollten aber auch und besonders für jene Deutsche sprechen, die jetzt nur schweigen können, die aber hinter dem Stacheldraht darauf warten, daß wir hier in der Freiheit für sie sprechen.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Und dieses Wort muß genauso wie in der ,großen Freiheitskundgebung in Berlin lauten: Weg mit dem Stacheldraht! Gebt unseren deutschen Brüdern nach zwölf Jahren der Knechtschaft endlich ,die Freiheit!

    (Lebhafter Beifall auf allen Seiten des Hauses.)

    In jedem Volke gibt es Grundelemente des Gemeinsamen, auch in unserem deutschen Volke. Wir wollen alle, daß uns der Friede erhalten bleibt. Wir wollen alle die Freiheit für unser ganzes deutsches Volk. Wir stehen alle für Berlin und gegen das System in der Zone.
    Wenn ich das sage, was uns eint, so darf dieses Bekenntnis zum Gemeinsamen doch kein Anlaß zur Mißdeutung der Politik sein.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Wenn angesichts des Geschehens am 13. August gesagt werden konnte, dieser Tag sei das Ergebnis einer verfehlten Politik,

    (Hört! Hört! bei der CDU/CSU)

    er ,sei Grund und Anlaß zu einer Neuorientierung der deutschen Sicherheitspolitik, so halten wir uns, gerade in dieser ernsten Stunde, verpflichtet, auch dieses ganz unmißverständlich zusagen: Wir halten die Politik, die wir in den vergangenen zwölf Jahren getrieben haben, die Politik des engsten Bündnisses mit dem Westen, den Eintritt in die Atlantische Verteidigungsgemeinschaft und die deutsche Beteiligung an der Verteidigungspolitik des Westens, auch weiterhin für die einzig richtige Politik.

    (Lebhafter Beifall bei der CDU/CSU.)

    Wir danken der Bundesregierung und besonders
    dem Bundeskanzler dafür, daß er diese Politik konsequent gegen alle Widerstände durchgeführt hat.

    (Bravo-Rufe und erneuter lebhafter Beifall bei der CDU/CSU.)

    Diese Politik dient nicht zuletzt auch Berlin, dem unser aller Sorge gilt.

    (Wiederholter lebhafter Beifall bei der CDU/CSU.)

    In diesem Zusammenhang muß ich einen Vorschlag erwähnen, der Berlin betrifft und der heute in den Zeitungen veröffentlicht worden ist. Ich glaube nicht, daß es klug ist, den Viermächtestatus von Berlin auch nur in Frage zu stellen.

    (Zustimmung bei der CDU/CSU.)

    Auch wenn durch das Vorgehen der Sowjets dieser Status erneut auf das schwerste verletzt ist, so hieße ein Verzicht auf ihn für spätere Verhandlungen eine wichtige Rechtsposition aufgeben.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Die CDU/CSU-Fraktion hat die heutige Bundestagssitzung vor allem deshalb begrüßt, damit von der Tribüne des Parlaments das Wort der Wahrheit über Mitteldeutschland und Ost-Berlin gesagt wird, damit falsche Vorstellungen korrigiert werden und damit die Bankrotterklärung des kommunistischen Zonenregimeis erneut ins Bewußtsein der Weltöffentlichkeit gerufen wird. Die Massenflucht, derent-
    9778 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 167. Sitzung. Bonn, Freitag, den 18. August 1961
    Dr. Krone
    wegen Ost-Berlin und die Zone nunmehr als riesiges Konzentrationslager mit Stacheldraht abgesperrt worden ist, war von seiten der Bundesrepublik in keiner Weise ermutigt worden. Die Kommunisten selbst hatten sie mit der Ankündigung eines separaten Friedensvertrages für die sowjetische Besatzungszone ausgelöst. Die Bevölkerung der Zone befürchtete, mußte befürchten, daß dieser Separatfriede das Tor zum Westen, das in Berlin noch offen geblieben war, auf lange Zeit verschließen würde. Sie m u ßt e zu dieser Schlußfolgerung gelangen, nachdem ihr von ihren Unterdrückern immer wieder versichert worden war, daß sie die Kontrolle über sämtliche Wege nach West-Berlin übernehmen würden. So haben sich Tausende und aber Tausende, indem sie sich zur Flucht entschlossen, gegen den Kommunismus und für die Freiheit entschieden. Diese Massenflucht, diese „Volksabstimmung mit den Füßen", ist in der Tat zum großen Plebiszit geworden, das den Kommunismus noch nach 16 Jahren Gewaltherrschaft moralisch erledigt hat.

    (Beifall bei der CDU/CSU).

    Die Kommunisten haben die Volksabstimmung nur mit den brutalsten Mitteln zu stoppen vermocht, mit der Annexion Ost-Berlins, mit der Unterdrükkung der Freizügigkeit, mit schwersten Verstößen also gegen internationales, auch von den Sowjets anerkanntes Recht. Das ist Ulbrichts traurige Bilanz, daß er 16 Millionen Deutsche nur noch mit Stacheldraht zusammenhalten kann. Im sowjetischen Auftrag hat er ein riesiges Konzentrationslager zu verwalten. Was hier geschehen ist, ist ein schwere Verletzung des internationalen Rechts und der Rechtsmoral. Klare Rechte, die in internationalen Verträgen und Abmachungen von 1944, 1945 und 1949 begründet sind und die Ost-Berlin ausdrücklich der Mächte gemeinschaft unterstellen, nicht der Sowjetunion und ihren Verwaltern, sind gewaltsam beiseite geschoben, de facto zerstört worden. Wenn Vertrauen in künftige Verträge wieder einkehren soll, so nur dann, wenn das Recht in Berlin wieder hergestellt wird. Deshalb müssen die Stacheldrahtverhaue weg.

    (Lebhafter Beifall in der Mitte.)

    Am 13. August ist in Ost-Berlin klar und unmißverständlich eine Annexion vollzogen worden. Ost-Berlin ist als Viermächtegebiet auch Zuständigkeitsbereich der drei Westmächte. Diese aber sind durch sowjetzonale Hilfstruppen der Sowjetunion und durch die Zonenbehörden herausgedrängt worden. Damit ist auch dieser Vorgang eine Sache der Geltung der drei westlichen Mächte, aber damit der westlichen Gemeinschaft überhaupt, in der die drei Mächte die entscheidende Rolle spielen.
    Schließlich — erwähne ich noch — die hohnvolle Verletzung der Menschenrechte, der Freizügigkeit und der freien Wahl des Arbeitsplatzes, die hier Menschen trifft, die seit Jahrhunderten eine menschliche und nationale Einheit in diesem Teil unseres Vaterlandes bilden. Wenn etwas zum Himmel schreit, dann ist es dieses menschliche Leid, das dadurch herbeigeführt worden ist, daß Millionen menschlicher Bande zerrissen worden sind. Damit ist aber auch eine neue Gefahr für den Frieden geschaffen worden. Ich will nicht provozieren und nichts auslösen. Aber es glaube doch niemand, daß dieses Leid sich nicht in Haß verwandelt und eines Tages auch entladen kann.
    Dieses alles deute ich auch an, damit niemand glaube, am 13. August sei nichts Entscheidendes geschehen, weil die Rechtsbrecher unmittelbar vor der konkreten Verletzung West-Berlins Halt gemacht haben.
    Es ist richtig, die freiheitliche Demokratie ist nicht immer eine leichte und bequeme Sache. In mancher Hinsicht haben es totalitäre Staaten leichter. Da wird befohlen und gehorcht, und deshalb kann schnell und überraschend gehandelt werden. Die Freiheit ist es aber — so meine ich — schon wert, daß wir gewisse Nachteile und Belastungen mit ihr in Kauf nehmen,

    (Beifall in der Mitte)

    auch in der Zusammenarbeit mit den Mächten, die unsere Bundesgenossen sind. Doch — so sage ich auch — sollte diese Zusammenarbeit schneller vonstatten gehen, als wir das in den letzten Tagen erlebt haben.

    (Zustimmung bei allen Fraktionen.)

    Protestschritte, über die tagelang hin- und herberaten wird, haben ihren psychologischen Effekt oft schon zu einem großen Teil verloren. Wir richten daher an alle Regierungen die dringende Bitte, die Nerven der Bevölkerung nicht zu sehr zu strapazieren und alles zu tun, um die jeweils erforderlichen gemeinsamen Schritte zu beschleunigen.

    (Beifall in der Mitte.)

    Wir sagen aber auch, daß die politische Zusammenarbeit freier Staaten nicht kommandiert werden kann, und wir möchten es der deutschen Öffentlichkeit nahelegen, die Geduld und die Besonnenheit aufzubringen, ohne die man in einer Allianz freier Staaten nicht auskommt.

    (Erneuter Beifall in der Mitte.)

    Lassen Sie mich auch das offen sagen: Eine nicht gute Kritik ist nahe daran gewesen, aus einer Krise, die in Wahrheit eine Krise des Kommunismus auf deutschem Boden ist, eine Krise des deutschen Vertrauens zu den Westmächten zu machen.

    (Beifall in der Mitte.)

    Manche Leute sind soweit gegangen, sich mehr mit den Westmächten auseinanderzusetzen als mit der Sowjetunion und ihren deutschen Handlangern.

    (Sehr richtig! bei der CDU/CSU. — Abg. Wehner: Manche sogar mit dem Berliner Bürgermeister!)

    Vor einer solchen Kritik kann nur eindringlich gewarnt werden. Sie dient nicht dem deutschen Interesse, auch dann nicht, wenn der Ruf nach Gegenmaßnahmen nur allzu verständlich ist. Gerade weil die Gefahren, die die Kommunisten heraufzubeschwören drohen, unabsehbar sind, ist jeder Anschein deutscher oder westlicher Unbesonnenheit zu vermeiden.
    Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 167. Sitzung. Bonn, Freitag, den 18. August 1961 9779
    Dr. Krone
    Wir sind der Meinung, am 13. August ein warnendes Zeichen dafür erhalten zu haben, in welchem Maße die Sowjets ihre eigene Stärke überschätzen, und sehen deshalb keine andere Gegenmaßnahme als s o entscheidend an wie eine auch für die Sowjets eindrucksvolle Verstärkung der atlantischen und europäischen Verteidigung.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Nur ein solches Handeln, bei dem auch wir nach Kräften mitzuwirken haben, kann die Sowjets zum Einlenken veranlassen und ihre Bereitschaft zum Risiko in die Bereitschaft zum Verhandeln umwandeln. Sagen wir es doch offen: Nur weil die NATO existiert, sind Ulbrichts Panzer nicht durch das Brandenburger Tor nach West-Berlin gerollt.

    (Lebhafter Beifall bei der CDU/CSU.)

    Die CDU/CSU möchte auch in dieser Stunde keinen Zweifel daran lassen: Das Ziel aller Bemühungen müssen aussichtsreiche Verhandlungen sein. Nur auf diesem Wege kann der Friede gewahrt werden. Der Wahrung des Friedens muß alle unsere Kraft dienen; der Wahrung des Friedens hat auch die Politik dieser Tage gedient. Mit den Westmächten und insbesondere mit den Vereinigten Staaten müssen wir in .der großen Auseinandersetzung mit dem Weltkommunismus den Weg der Festigkeit, aber auch der klugen Besonnenheit gehen. Nur so kann der Frieden in ,der Welt gewahrt werden und für unser Volk die Gesichertheit und spätere Einheit gewährleistet werden.
    Die Fraktion der CDU/CSU betrachtet es als eine Selbstverständlichkeit, daß das Gebot deutscher Selbstachtung von allen Verbänden und Organisationen, die es irgendwie mit dem Zonen-Regime zu tun haben, auch beachtet wird.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Sie verweist auf das Beispiel, das der Deutsche Sportbund und die deutsche Industrie gegeben haben.

    (Beifall bei ,der CDU/CSU.)

    Die Fraktion gibt der Erwartung Ausdruck, daß das deutsche Volk bei solchen unerläßlichen Konsequenzen, zu denen es gegenüber dem kommunistischen Terror gezwungen ist, von keinem der mit ihm befreundeten Völker im Stich gelassen wird.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Daß die Sowjet-Armee in Deutschland einrückte, ist die unerbittliche Folge eines Krieges, den einer begann, der in seinem Wahn ein großgermanisches Reich errichten wollte. Daß dieselbe Sowjet-Armee auch heute noch auf deutschem Boden steht, ist mit dem Recht, auch einer Besatzungsmacht, nicht vereinbar. Wir Deutsche haben mehr als einmal betont, daß uns an einem geordneten, ich möchte sagen, an einem guten Verhältnis auch mit der Sowjet-Union gelegen ist; wir erklären das auch heute wieder, wo der sowjetische Botschafter den Bundeskanzler aufgesucht hat. Doch alle Bereitschaft und aller gute Wille hat dort ein Ende, wo es um die Freiheit unseres deutschen Volkes geht.

    (Beifall bei der CDU/CSU.) Nie und nimmer können wir Deutsche auf das verzichten, was jedem anderen Volk in der Welt zugebilligt wird: Das Recht auf Einheit, auf Freiheit, auf Selbstbestimmung steht ,auch dem deutschen Volke zu. Es steht, das sei in dieser Stunde noch einmal besonders betont, auch den 17 Millionen Deutschen in der Zone und Ost-Berlins zu.


    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Wir wollen denen helfen, 'die fliehen mußten und die noch fliehen konnten. Wir müssen sie schnell wieder zu Arbeit, Brot und zu einer Bleibe bringen. Hier liegen neue Aufgaben für den Wohnungsbau.
    Wir wissen es, die Stunde ist furchtbar hart. Die kommunistischen Machthaber wollen uns auseinanderreißen. Wir rufen unseren Brüdern und Schwestern in Ost-Berlin und in der Zone zu: Glaubt an uns! Haltet zu uns, wie wir zu euch halten! Wir rufen ihnen zu Bleibt, was ihr wart: gute Deutsche! Die Freiheit ist dem Menschen eingeboren. Nie kann euch ein Terrorsystem den Willen zur Freiheit aus der Seele reißen. Wir rufen ihnen auch zu: Seht darauf, daß eure Kinder gute Christen bleiben! Vertraut auf ,den, der auch Herr ,der Völkerschicksale ist! Auf ,die Dauer kann kein Volk vergewaltigt werden. Auf ,dieser Wahrheit beruht eure und unsere Zukunft, eure und unsere Zuversicht.

    (Anhaltender lebhafter Beifall bei der CDU/CSU.)



Rede von Dr. Eugen Gerstenmaier
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Ollenhauer.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Erich Ollenhauer


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte im Namen meiner Fraktion folgende Erklärung abgeben. Die sozialdemokratische Bundestagsfraktion verurteilt auf das schärfste den Gewaltakt der sowjetzonalen Machthaber vom 13. August. Er ist ein Bruch internationaler Vereinbarungen und eine brutale Verletzung der Menschenrechte.
    Die hermetische Isolierung des Ostsektors von Berlin ist eine gewaltsame Annexion und die Einleitung der endgültigen Spaltung Deutschlands.
    Das Vorgehen der sowjetzonalen kommunistischen Machthaber bedroht die Existenz und die Freiheit von West-Berlin, es bedroht die Freiheit und den Frieden in der ganzen Welt. Die Verantwortung für diese gefährliche Zuspitzung trägt die Sowjetunion, ohne deren Zustimmung der Gewaltakt des 13. August nicht möglich gewesen wäre.

    (Zustimmung bei der SPD.)

    Die sozialdemokratische Bundestagsfraktion bekennt sich in dieser Stunde zu den Menschen im Ostsektor von Berlin und in der sowjetisch besetzten Zone.

    (Beifall bei der SPD.)

    Wir wissen, daß sie die Sorgen und Leiden, die sie jetzt in dem großen Konzentrationslager der Stacheldrähte und Panzer auf sich nehmen müssen, für uns alle tragen. Sie sollen die Gewißheit haben, daß
    9780 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 167. Sitzung. Bonn, Freitag, den 18. August 1961
    Ollenhauer
    keine Gewalt uns trennen kann, daß wir ein Volk bleiben

    (Beifall auf allen Seiten des Hauses)

    und daß wir hier nicht ruhen werden, bis wir wieder in einem Deutschland in Freiheit zusammen leben können.

    (Beifall bei der SPD und Abgeordneten der CDU/CSU und FDP.)

    Wir wissen uns eins mit der Bevölkerung des freien Berlin. Wir danken ihr für ihre tapfere und verantwortungsbewußte Haltung während dieser neuen schweren Belastungsprobe.

    (Beifall bei der SPD und Abgeordneten der CDU/CSU und FDP.)

    Die Erhaltung der Lebensmöglichkeiten und der Freiheit von Berlin ist die Sache des ganzen deutschen Volkes. Wir stehen für sie ein.

    (Beifall bei der SPD und Abgeordneten der CDU/CSU und FDP.)

    Die sozialdemokratische Bundestagsfraktion appelliert an das deutsche Volk in der Bundesrepublik, sich in der Verurteilung und in der Abwehr des Gewaltstreichs vom 13. August zu vereinigen. Die Not unserer Landsleute in Ostberlin und in der Sowjetzone ist eine nationale Not; sie wird zur Not aller Deutschen. In dem Existenz- und Freiheitskampf der Ostberliner und unserer Landsleute in der Zone entscheiden sich auch unser Schicksal und unsere Hoffnungen auf eine friedliche und lebenswerte Zukunft.
    Unsere Solidarität muß zuerst ihren praktischen Ausdruck finden in der materiellen und menschlichen Hilfe für die Landsleute, die als Flüchtlinge über Westberlin zu uns gekommen sind und in der Zukunft — trotz der Absperrungen — noch zu uns kommen werden. In der Art und Weise, wie wir uns hier als einzelne und als Volk bewähren, wird sich vor der ganzen Welt die Ernsthaftigkeit unseres gesamtdeutschen Bewußtseins beweisen müssen.

    (Beifall bei der SPD.)

    Die Machthaber in der Sowjetzone und ihre Einrichtungen und Organisationen haben es sich selbst zuzuschreiben, wenn die Ansätze zum kulturellen Austausch auf den verschiedensten Gebieten nach den Ereignissen um den 13. August bei der Bevölkerung der Bundesrepublik auf kalte Ablehnung stoßen.
    Die Antwort der Bundesregierung und unserer Verbündeten auf den Gewaltakt vom 13. August darf sich nicht in Protesten in Berlin-Karlshorst und in Moskau erschöpfen. Das Ziel muß sein, den Gewaltakt vom 13. August rückgängig zu machen und die Stacheldrähte und Betonpfeiler in Ostberlin zum Verschwinden zu bringen.

    (Beifall bei der SPD und Abgeordneten der CDU/CSU und FDP.)

    Die sozialdemokratische Bundestagsfraktion erwartet von der Bundesregierung, daß sie unverzüglich und nachdrücklich über die Stärkung der Verteidigungsnotwendigkeiten hinaus gemeinsam mit unseren Verbündeten alle Maßnahmen prüft und durchführt, die geeignet sind, dieses Ziel der Aufhebung des Gewaltaktes vom 13. August zu erreichen.

    (Beifall bei der SPD und Abgeordneten in der Mitte.)

    Der Ernst der Stunde und die Schwierigkeiten der Probleme verbieten eine detaillierte Aufzählung der möglichen und wirksamen Maßahmen. Die Bevölkerung von Berlin erwartet mit Recht und mit Ungeduld derartige Schritte, und auch wir erwarten in Kürze weitere Informationen der Bundesregierung über das Resultat ihrer Bemühungen.

    (Beifall bei der SPD und Abgeordneten der FDP.)

    Wir appellieren an alle, sich der tiefgreifenden Bedeutung der Ereignisse des 13. August voll bewußt zu werden. Der Gewaltakt vom 13. August ist ein entscheidender Schritt in der Richtung der sowjetischen Vorstellungen für die Zementierung der Spaltung Deutschlands und der Einverleibung ganz Berlins in den kommunistischen Machtbereich. Die Tolerierung dieses Schrittes schafft keine Befriedung, sondern wird neue Spannungen und Konflikte hervorrufen. Sie wird die Position der freien Welt nicht erleichtern, sondern erschweren und die Kriegsgefahr vergrößern.

    (Sehr wahr! bei der SPD.)

    Der Gewaltakt vom 13, August ist aber auch vor allem ein brutaler Angriff auf die elementarsten Menschenrechte. Die Grundrechte der Charta der Vereinten Nationen, die auch die Sowjetunion unterzeichnet hat, werden vergewaltigt.
    Das Leid, das in ,diesen Tagen erneut über die Menschen in Ostberlin und in der Sowjetzone ,gekommen ist, ist unermeßlich. Sie leben in Furcht, und ihre einzige Hoffnung ist ,die freie Welt. Sie werden zerbrechen, wenn wir sie enttäuschen. Die Anklage wegen dieser brutalen Verletzung der Menschenrechte gehört vor die Vereinten Nationen.

    (Beifall bei der SPD.)

    Die Menschen in West und Ost leben in Furcht vor dem Krieg. Seit dem 13. August ist diese Furcht gestiegen. Wir erwarten von der Bundesregierung, daß ,sie unsere Verbündeten drängt, ohne Verzögerung ,den Versuch zu unternehmen, in Verhandlungen mit der Sowjetunion den Gewaltakt vom 13. August rückgängig zu machen und eine mit unseren freiheitlichen Grundsätzen und Lebensvorstellungen und mit den Grundsätzen des Selbstbestimmungsrechts zu vereinbarende friedliche Lösung der internationalen Spannungen, vor allem auch des Deutschlandproblems, zu erreichen. Die Unterlassung eines solchen Versuchs, durch den die Aufrichtigkeit des Willens aller Beteiligten zu einer solchen friedlichen Lösung unter Beweisgestellt werden muß, ist angesichts der drohenden Kriegsgefahr nicht zu verantworten.
    Meine Damen und Herren! Wir mstehen vor der Gefahr einer Vertrauenskrise in der westlichen Welt. Würde sie Wirklichkeit, dann wäre das ein großer Erfolg der sowjetischen Politik. Die Art und
    Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode 167. Sitzung. Bonn, Freitag, den 18. August 1961 9781
    Ollenhauer
    Weise, wie die Bundesregierung und unsere Verbündeten in den nächsten Tagen auf die Ereignisse vom 13. August reagieren, wird entscheidend sein für die Frage, ob die westliche Gemeinschaft ihre Bewährungsprobe besteht.

    (Beifall bei der SPD.)

    Das deutsche Volk ist durch die dramatische Zuspitzung der Entwicklung aufgerufen, sich als Volk zu bewähren, Wir Sozialdemokraten sind bereit, mit allen, die guten Willens sind, für die Freiheit und die Einheit unseres Volkes in allen seinen Teilen und für die Erhaltung des Friedens gemeinsam zu wirken.

    (Starker Beifall bei der SPD.)