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    Deutscher Bundestag 163. Sitzung Bonn, den 16. Juni 1961 Inhalt: Erweiterung der Tagesordnung . . . . 9397 B Zusammenstellung der über- und außerplanmäßigen Haushaltsangaben im ersten Vierteljahr des Rechnungsjahres 1961 (Drucksache 2808) 9397 B Fragestunde (Drucksachen 281,1, 2828) Frage des Abg. Jahn (Marburg) : Unterschiedliche Rechtsgrundlagen für die Beurteilung der Erwerbsunfähigkeit Blank, Bundesminister 9397 C, 9398 A, B, D, 9399 A Jahn (Marburg) (SPD) . . 9397 D, 9398 B Büttner (SPD) 9398 C, D Geiger (Aalen) (SPD) . . . . . 9399 A Fragen des Abg. Dr. Rutschke: Fahrplan von Bahnbus- und Kraftpostlinien im Gebiete Karlsruhe Dr.-Ing. Seebohm, Bundesminister . 9399 B, C, D, 9400 A Dr. Rutschke (FDP) . . . 9399 D, 9400 A Frage des Abg. Enk: Bundesverkehrswacht Dr.-Ing. Seebohm, Bundesminister 9400 B, C Enk (CDU/CSU) . . . . . . . 9400 C Frage des Abg. Ritzel: Autobahnstrecke Freiburg—Basel Dr.-Ing. Seebohm, Bundesminister . 9400 D, 9401 A, B Ritzel (SPD) . . . . . . . 9401 A, B Frage des Abg. Hansing: Memorandum der vier Küstenländer betr. die Wettbewerbsunterlegenheit der Küstenschiffahrt und Werften Dr.-Ing. Seebohm, Bundesminister . 9401 C Frage des Abg. Hansing: Äußerung des Bundeskanzlers gegenüber dem Reederverband Dr.-Ing. Seebohm, Bundesminister . 9401 C Frage des Abg. Ritzel: Bestimmungen zur Vermeidung des Autodiebstahls Dr.-Ing. Seebohm, Bundesminister . 9401 D, 9402 B, C Ritzel (SPD) 9402 A, B Dr. Höck (Salzgitter) (CDU/CSU) . 9402 C Frage des Abg. Wittrock: Ablassen von unverbrauchtem Treibstoff aus Düsenflugzeugen Dr.-Ing. Seebohm, Bundesminister . 9402 D, 9403 A, B Wittrock (SPD) . . . . . . . 9403 A, B II Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 163. Sitzung. Bonn, Freitag, den 16. Juni 1961 Frage der Abg. Frau Dr. Schwarzhaupt: Selbstwählverkehr in Wiesbaden . . 9403 B Frage des Abg. Bauer (Würzburg) : Nichtverwendung von Liegenschaften des Bundes vor Abschluß militärischer Planungen Dr. Wilhelmi, Bundesminister . . 9403 C, D Bauer (Würzburg) (SPD) 9403 C Frage des Abg. Ritzel: Verkauf von Grundstücken des Bundes seit dem 1. April 1959 Dr. Wilhelmi, Bundesminister . . . 9403 D, 9404 A, B Ritzel (SPD) . . . . . . . . 9404 A, B Frage des Abg. Bucher: Äußerung des Bundeswirtschaftsministers auf einer Pressekonferenz in Lissabon Dr. Dr. h. c. Erhard, Bundesminister 9404 B, D Dr. Bucher (FDP) . . . . . . . 9404 C Entwurf eines Dritten Gesetzes zur Änderung des Milch- und Fettgesetzes (CDU/ CSU) (Drucksache 2771); Schriftlicher Bericht des Ernährungsausschusses (Drucksache 2827) — Zweite und dritte Beratung — Hoogen (CDU/CSU) . . . . . . 9405 A Dr. Arndt (SPD) . . . . 9405 C, 9407 B Dr. Weber (Koblenz) (CDU/CSU) . . 9406 B Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Arzneimittelgesetzes (CDU/CSU, SPD, FDP) (Drucksache 2782) — Zweite und dritte Beratung — Frau Dr. Steinbiß (CDU/CSU) . . . 9408 A Große Anfrage der Fraktion der SPD betr. Bericht über die Lage der Mittelschichten (Drucksache 2758) Dr. Dr. h. c. Erhard, Bundesminister 9408 B, 9429 B Lange (Essen) (SPD) . . 9409 A, 9435 B Wieninger (CDU/CSU) 9416 A Dr. Imle (FDP) 9419 D Regling (SPD) . . . . . . . 9423 A Schmücker (CDU/CSU) 9426 A Dr. Starke (FDP) 9429 D Kurlbaum (SPD) 9433 D Dr. Dollinger (CDU/CSU) . . . 9434 A Simpfendörfer (CDU/CSU) . . . . 9434 D Antrag betr. Gesetz über die Sammlung des Bundesrechts vom 10. Juli 1958 (Hoogen, Jahn [Marburg], Dr. Bucher u. Gen.) (Drucksache 2838) . . . . . . . . . 9437 C Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Bundesvertriebenengesetzes (SPD, FDP) (Drucksache 1633); Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Heimatvertriebene (Drucksache 2849 [neu]) — Zweite und dritte Beratung — 9437 C Antrag des Bundesministers der Finanzen betr. Veräußerung des bundeseigenen Jade-Wasserwerkes Wilhelmshaven (Drucksache 2848) . . . . . . . . . 9437 D Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Wehrsoldgesetzes (Drucksache 2359) . . 9437 D Nächste Sitzung 9437 D Berichtigungen 9438 Anlagen 9439 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 163. Sitzung. Bonn, Freitag, den 16. Juni 1961 9397 163. Sitzung Bonn, den 16. Juni 1961 Stenographischer Bericht Beginn: 9.02 Uhr
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    9438 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 163. Sitzung. Bonn, Freitag, den 16. Juni 1961 Berichtigungen Es ist zu lesen: 136. Sitzung Seite 7775 B Zeile 22 statt „Gewerbesteuerausgleichs": Gewerbesteuerausfalls; 158. Sitzung Seite 9189 A Zeile 10 statt „auch": durch; 161. Sitzung Seite 9292 D Zeile 14 statt „Zuschuß des Verbandes der Rentenversicherungsträger" : Zuschuß der Rentenversicherungsträger; Seite 9294 C Zeile 17 statt „Bedarf im Zusammenhang mit der Solidarhaftung," : men auch in gleichem Maße den Solidaritätsbeitrag. Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 163. Sitzung. Bonn, Freitag, den 16. Juni 1961 9439 Anlage 1 Liste der beurlaubten Abgeordneten Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich a) Beurlaubungen Frau Ackermann 17. 6. Bading 16. 6. Frau Berger-Heise 16. 6. Blöcker 16. 6. Börner 16. 6. Dr. Bucerius 15. 7. Corterier 16. 6. Dr. Dahlgrün 16. 6. Drachsler 18. 6. Dr. Eckhardt 16. 6. Eichelbaum 16. 6. Eilers (Oldenburg) 16. 6. Engelbrecht-Greve 16. 6. Finkh 16. 6. Dr. Franz 16. 6. Frehsee 16. 6. Dr. Dr. h. c. Friedensburg 16. 6. Frau Friese-Korn 16. 6. Dr. Furler 16. 6. Geiger (München) 16. 6. Glüsing (Dithmarschen) 16. 6. Goldhagen 1. 7. Dr. Görgen 1. 7. Dr. Gradl 16. 6. Dr. Greve 16. 6. Freiherr zu Guttenberg 16. 6. Dr. von Haniel-Niethammer 18. 6. Hauffe 1. 7. Höcherl 16. 6. Höhne 1. 7. Holla 16. 6. Horn 16. 6. Huth 16. 6. Keller 16. 6. Killat (Unterbach) 24. 6. Frau Kipp-Kaule 16. 6. Frau Klemmert 1. 7. Dr. Königswarter 16. 6. Dr. Kopf 16. 6. Dr. Krone 16. 6. Lantermann 16. 6. Leber 16. 6. Lermer 16. 6. Leukert 16. 6. Lohmar 16. 6. Dr. Löhr 16. 6. Lücker (München) 16. 6. Frau Dr. Dr. h. c. Lüders 1. 7. Margulies 16. 6. Mauk 16. 6. Frau Dr. Maxsein 16. 6. Mensing 16. 6. Dr. Menzel 16. 6. Neuburger 16. 6. Pietscher 20. 6. Pohle 3, 7, Prennel 16. 6. Anlagen zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich Rademacher 1. 7. Ramms 16. 6. Riedel (Frankfurt) 16. 6. Ruhnke 1. 7. Ruland 16. 6. Frau Schanzenbach 16. 6. Scharnberg 16. 6. Scharnowski 16. 6. Schmidt (Hamburg) 16. 6. Schoettle 16. 6. Schüttler 16. 6. Schütz (Berlin) 16. 6. Dr. Seffrin 16. 6. Seuffert 16. 6. Spitzmüller 16. 6. Stahl 16. 6. Frau Strobel 24. 6. Struve 17. 6. Dr. Toussaint 16. 6. Wacher 16. 6. Walter 16. 6. Wegener 16. 6. Wehner 16. 6. Werner 16. 6. b) Urlaubsanträge Dr. Rüdel (Kiel) 23. 6. Anlage 2 Umdruck 938 Änderungsantrag der Abgeordneten Hoogen, Bauknecht, Kriedemann, Mauk zur zweiten Beratung des von der Fraktion der CDU/CSU eingebrachten Entwurfs eines Dritten Gesetzes zur Ändederung des Milch- und Fettgesetzes (Drucksachen 2717,2827). Der Bundestag wolle beschließen: 1. In Artikel 1 wird vor Nr. 1 folgende Nr. vor 1 eingefügt, „vor 1. In § 5 werden hinter den Worten „zur Sicherung der Versorgung" die Worte „oder zur Annäherung der wirtschaftlichen Ergebnisse" eingefügt. 2. Artikel 4 erhält folgende Fassung: „Artikel 4 (1) Dieses Gesetz tritt, mit Ausnahme des Artikels 1 Nr. vor 1, mit Wirkung vom 1. Juli 1957 in Kraft; Artikel 1 Nr. vor 1 tritt am Tage nach der Verkündung dieses Gesetzes in Kraft. (2) Die Verordnung M Nr 2/57 über Milchauszahlungspreise vom 24. Juli 1957 (Bundesanzeiger Nr. 142 vom 27. Juli 1957) gilt, mit Ausnahme von § 8, mit Wirkung vom 1. Juli 1957. Die in dieser Verordnung den nach Landesrecht zuständigen Landesbehörden erteilten Ermächtigungen zum Erlaß von Rechtsverordnungen gelten als den Landesregierungen erteilt; die Lan- 9440 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 163. Sitzung. Bonn, Freitag, den 16. Juni 1961 desregierungen können diese Befugnis auf oberste Landesbehörden übertragen. § 8 der Verordnung M Nr. 2/57 gilt vom Tage nach der Verkündung dieses Gesetzes. Die Verordnung M Nr. 2/57 tritt mit dem Inkrafttreten einer auf Grund des § 20 a des Milch- und Fettgesetzes in der Fassung dieses Gesetzes erlassenen Rechtsverordnung außer Kraft. Bonn, den 15. Juni 1961 Hoogen Bauknecht Kriedemann Mauk Anlage 3. Zweite Berichtigung zu dem Schriftlichen Bericht des Abgeordneten Dr. Wahl (Drucksache 2816). *) Es ist zu lesen: Rechte Spalte Zeile 3 statt „im eigenen Recht hinweisen in der Weise, daß entweder Unterhaltsgläubiger": des eigenen Rechts hinweisen, nämlich wenn Unterhaltsgläubiger; Zeile 5 statt „dieses Staates": des Gerichtsstaates; Zeile 8 statt „oder": während. *) Siehe auch 162. Sitzung Seite 9381 B.
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    Rede von Dr. Wolfgang Imle


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Am Anfang und Ende jeder Legislaturperiode konzentriert sich hergebrachtermaßen der Bundestag auf das Problem des Mittelstandes. Das ist ein Zeichen dafür, daß man mit diesem Problem noch nicht zu Ende gekommen ist. Es ist nur bedauerlich, daß so viele Zeit vergangen ist, ohne daß man an eine Endlösung herangekommen ist.
    Hier wurde soeben die Erklärung beanstandet, die die FDP abgegeben hat, daß die Hilfe für den Mittelstand ausgeblieben sei. Mit dieser Erklärung ist nicht gesagt worden, daß überhaupt nichts geschehen sei — das möchte ich ausdrücklich betonen —, sondern wir wollen damit sagen, daß das Ziel nicht erreicht worden ist, den Mittelstand gleichzustellen. Das läßt sich an manchen Dingen eindeutig nachweisen.
    Ich bin sehr dankbar, daß hier dargelegt wurde, was erreicht worden ist: z. B. das Splitting, der Ein-



    Dr. Imle
    bruch in die Gewerbesteuer mit 7200 DM, der Einbruch in die Vermögenssteuer, die Anhebung der Freibeträge für die Altersvorsorge.
    Ich bin sehr erfreut darüber, daß das erwähnt wurde; denn das ist ausgerechnet auf Anträge zurückzuführen, die die FDP zum erstenmal eingebracht hat.

    (Beifall bei der FDP.)

    Herr Kollege Wieninger, Sie haben einen Katalog all der Dinge, die erreicht worden sind, vorgetragen. Ich möchte Ihnen einen Katalog der Anträge der FDP, die abgelehnt worden sind, vortragen; das scheint mir viel entscheidender zu sein. Ich nenne folgende: Änderung der Tabelle des Einkommensteuergesetzes zugunsten der mittleren Einkommen. Bekanntlich ist im Jahre 1958 zuletzt die Einkommensteuertabelle geändert worden, und darin ist diese Ausbuchtung in den Einkommensstufen zwischen 8000 und 50 000 DM. Wir wollten eine lineare Steigerung. Das hätte zwar einen Einkommensteuerausfall von 500 Millionen DM ergeben, hätte aber andererseits eine Entlastung gerade bei den mittleren Existenzen — zwischen 20- und 40 000 DM — gebracht. Sie werden mir sicher zugeben, daß diese Unternehmen ebenfalls noch zum Mittelstand gehören.
    Ein ähnlicher Antrag auf Änderung des Körperschaftsteuergesetzes wurde abgelehnt. Auch hier wollten wir eine Entlastung, in diesem Fall für die kleineren Kapitalgesellschaften, herbeiführen.
    Dann haben wir einen Verzicht auf Erhöhung der Kaffeesteuer und der Teesteuer anläßlich der EWG-Maßnahmen, die auf uns zukamen, beantragt. Auf Grund dieser Maßnahmen müssen ja die Zölle abgebaut werden, während auf der anderen Seite die Verbrauchsteuern angehoben werden.
    Weiter: Umstellungsbeihilfe für Tabakwareneinzelhändler im Saarland, Beförderungsteuerermäßigung im Werkfernverkehr im Saarland, Einkommensteuerermäßigung für natürliche Personen im Saarland.
    Die Kindergeldregelung! Ich will diesen Punkt gleich erläutern. Sie haben vorhin gesagt, ein Prozent der Lohnsumme wäre wirklich nicht viel, in anderen Ländern müßten erheblich größere Beträge aufgebracht werden. Es ist richtig, daß in anderen Ländern mehr aufgebracht werden muß; aber deswegen braucht es ja bei uns nicht auf dem gleichen Wege zu geschehen. In dem Bericht wird noch über die lohnbezogenen Abgaben erklärt, das Aufbringen von Kindergeld gehöre zum Leistungslohn. Das ist doch wohl etwas schief gesehen, das Kindergeld muß infolge der Tatsache aufgebracht werden, daß Kinder da sind. Das hat doch mit Leistungslohn nichts zu tun. Diese Milliarde, die für das Kindergeld aufgebracht wird, muß nicht unbedingt wieder von einem bestimmten Teil des Volkes, von den Selbständigen, aufgebracht werden, sondern es sollte endlich einmal damit begonnen werden — die Freien Demokraten vertreten dieses Anliegen schon seit Jahren —, diese Leistungen aus allgemeinen Steuermitteln aufzubringen. Man braucht ja nicht einfach auf einmal diese Milliarde zu übernehmen, sondern man kann langsam abbauen, beginnend mit
    0,25 %. Das sind jährlich 250 Millionen DM, die doch bei unserem großen Steuerzuwachs nicht wehtun,

    (Zuruf von der Mitte: Die Kinder können auch langsamer kommen!)

    — Bitte?

    (Erneuter Zuruf von der Mitte: Die Kinder fragen nicht danach!)

    — Das hat doch hiermit nichts zu tun. — Ich darf fortfahren: wir haben weiter den Wegfall aller bis zum 31. März 1960 angefallenen Ausgabenreste bis auf 2 Milliarden DM beantragt. Auch das hätte zum Anlaß einer Steuersenkung genommen werden können. Weiter haben wir beantragt: Abschreibung für Kapitalanlagen in Entwicklungsländern, Steuerbegünstigung für Kapitalansammlungsverträge, Steuerfreiheit von Überstundengrundlohn und von Überstundenzuschlägen, soweit eine wöchentliche Arbeitszeit von 45 Stunden überschritten wird, Verkürzung der Abschreibungszeiträume für Althausbesitz. Ich glaube, das dürfte reichen. Es sind noch sieben oder acht Punkte mehr, auf die sich jetzt nicht eingehen möchte. Da Sie selbst zugegeben haben, daß eine Menge nicht erreicht worden ist, ist unsere Behauptung, daß die angekündigte Hilfe ausgeblieben ist, durchaus zutreffend.
    Ich möchte jetzt noch einige Worte zu dem uns vorgelegten Bericht sagen. Hier wird erklärt, daß sich der Mittelstand einer generellen Förderung entziehe, daß man also hier nur mit punktuell gezielten Maßnahmen etwas erreichen könne. — Das ist allerdings der Weg in den letzten Jahren gewesen. Gleichwohl sind wir der Meinung, daß man hier zu umfassenden Maßnahmen, zu umfassenden Überlegungen für die Teile des Mittelstandes kommen muß, wenn man ihn insgesamt erhalten will und sich zu diesem gesellschaftspolitischen Ziel bekennt, wie es ja auch — was von uns voll unterstützt wird — in der Erklärung der Bundesregierung durch den Bundeskanzler im Jahre 1957 zum Ausdruck gebracht worden ist.
    In dem Bericht wird weiter erklärt, daß von allgemeiner Notlage oder Benachteiligung nicht gesprochen werden könne. Diese Behauptung ist eben schon durch die Ausführungen meines Vorredners und auch meines Vorvorredners widerlegt worden; denn wenn keine Benachteiligung vorhanden wäre, brauchte man sich mit dem ganzen Problem nicht zu befassen.
    In der Erklärung wird weiter gesagt, daß die Herbeiführung einer wettbewerbsneutralen Umsatzbesteuerung vordringlich sei und die Untersuchungen mit Nachdruck fortgesetzt werden sollten. Wir müssen allerdings mit Bedauern feststellen, daß dazu auch in der vergangenen Legislaturperiode Zeit gewesen wäre. Vom Bundesfinanzministerium ist ein Entwurf herausgegeben und dann zurückgezogen worden. Wir Freie Demokraten haben ebenfalls einen Diskussionsentwurf herausgegeben. Sie sehen also, daß auch wir etwas tun.

    (Abg. Schmücker: Sie müßten hören, was der Mittelstand sagen würde, wenn Ihr Vorschlag Gesetz geworden wäre! Ich werde gleich darauf antworten!)




    Dr. Imle
    — Wir haben ja gar nicht gesagt, daß er Gesetz werden soll, es war ja ein Diskussionsentwurf.

    (Oh-Rufe von der Mitte. — Zuruf des Abg. Schmücker.)

    — Herr Kollege Schmücker, für die Änderung eines Umsatzsteuergesetzes bedarf es sehr eingehender Überlegungen. Das kann man nicht so übers Knie brechen, wie das manchmal bei den Gesetzen geschieht.

    (Beifall bei der FDP. — Zurufe von der Mitte.)

    Das wollen wir doch einmal festhalten. Man muß über die Dinge reden. 1934 hat man noch vier Jahre für die Verabschiedung eines neuen Umsatzsteuergesetzes gebraucht.

    (Zuruf von der Mitte: Das dauert noch länger!)

    Ferner wird gesagt, daß man mit dem neuen Gesetz zugleich eine Angleichung an die EWG einleiten wolle. Darüber kann man durchaus reden, und das tun wir auch, aber man kann doch wohl sagen, daß das an sich kein Grund zu einem Umbau ist; denn dazu gehört doch wohl noch mehr als nur Frankreich. Lassen Sie sich einmal von den Experten aus dem Saargebiet erzählen, wie sich dort das Gesetz ausgewirkt hat. Wenn man das weiß, muß man doch erhebliche Bedenken haben.
    Unser geltendes Umsatzsteuergesetz krankt überhaupt daran, daß wir die Forderung des Schöpfers der Umsatzsteuer, des preußischen Finanzministers Popitz — Höchstgrenze 2 % —, um das Doppelte überschritten haben. Bei den wachsenden Einnahmen aus der Umsatzsteuer sollte man durchaus einmal zu einem Abbau der Steuer gelangen, nicht zuletzt u n auf diese Art und Weise ein weiteres Ansteigen des Volumens der öffentlichen Haushalte zu verhirdern. Diese Forderung scheint mir sehr wesentlich zu sein.

    (Beifall bei der FDP. — Abg. Ruf: Das ist die bequeme Tour der Freien Demokraten! — Weitere Zurufe von der Mitte.)

    — Ja, das sagen Sie, aber das trifft hier nicht zu.
    Ein Wort zu dem grundsätzlichen Problem. Worum geht es hier? Im Grunde geht es bei der Behandlung von Mittelstandsfragen um unsere gesellschaftspolitischen Ziele, um unsere Gesellschaftspolitik. Wir wollen gar keine Umkehrung der Struktur, wie es hier soeben gesagt worden ist, sondern wir wollen das, was sich da anbahnt in der Struktur, nämlich ein dauerndes Hinstreben zum und ein Ausweichen auf den Großbetrieb, vermeiden. Wir wollen die Erhaltung eines, wie es in der Regierungserklärung heißt, „gesunden selbständigen Mittelstandes". Das ist keine Umkehrung der Struktur, sondern bedeutet die Beibehaltung der Struktur.
    Wie sind die Dinge nun vorangegangen? Es ist schon richtig, daß auf einzelnen Gebieten und mit einzelnen Maßnahmen dem Mittelstand Vergünstigungen gewährt worden sind. Aber diese Einzelmaßnahmen — das haben wir in unserer Presseerklärung gesagt — sind ohne durchschlagenden
    Erfolg, weil ihre Wirkungen durch andere Maßnahmen wieder aufgehoben werden.
    Ich darf in diesem Zusammenhang auf das auch heute wieder gesprochene Gesetz über die Lohnfortzahlung eingehen. Sie können in den Tageszeitungen nachlesen, daß bereits 1350 Betriebskrankenkassen im Hinblick auf dieses Lohnfortzahlungsgesetz eine Erhöhung der Beiträge angekündigt haben. Das heißt: ich muß das, was ich im Falle der Krankheit mehr bekomme, bereits vorher durch Abführung von erhöhten Beiträgen einschließen.

    (Abg. Ruf: Aber nicht allein wegen dieses Gesetzes, sondern wegen der gescheiterten Reform!)

    — Sie ist ja vorweggenommen worden! Das ist ja eben so bei diesen Vorschaltgesetzen: man nimmt die Vergünstigungen vorweg, und die Beitragserhöhungen kommen dann hinterher.


Rede von Dr. Thomas Dehler
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
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    Rede von Dr. Wolfgang Imle


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    Bitte!