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ID0316311100

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    Deutscher Bundestag 163. Sitzung Bonn, den 16. Juni 1961 Inhalt: Erweiterung der Tagesordnung . . . . 9397 B Zusammenstellung der über- und außerplanmäßigen Haushaltsangaben im ersten Vierteljahr des Rechnungsjahres 1961 (Drucksache 2808) 9397 B Fragestunde (Drucksachen 281,1, 2828) Frage des Abg. Jahn (Marburg) : Unterschiedliche Rechtsgrundlagen für die Beurteilung der Erwerbsunfähigkeit Blank, Bundesminister 9397 C, 9398 A, B, D, 9399 A Jahn (Marburg) (SPD) . . 9397 D, 9398 B Büttner (SPD) 9398 C, D Geiger (Aalen) (SPD) . . . . . 9399 A Fragen des Abg. Dr. Rutschke: Fahrplan von Bahnbus- und Kraftpostlinien im Gebiete Karlsruhe Dr.-Ing. Seebohm, Bundesminister . 9399 B, C, D, 9400 A Dr. Rutschke (FDP) . . . 9399 D, 9400 A Frage des Abg. Enk: Bundesverkehrswacht Dr.-Ing. Seebohm, Bundesminister 9400 B, C Enk (CDU/CSU) . . . . . . . 9400 C Frage des Abg. Ritzel: Autobahnstrecke Freiburg—Basel Dr.-Ing. Seebohm, Bundesminister . 9400 D, 9401 A, B Ritzel (SPD) . . . . . . . 9401 A, B Frage des Abg. Hansing: Memorandum der vier Küstenländer betr. die Wettbewerbsunterlegenheit der Küstenschiffahrt und Werften Dr.-Ing. Seebohm, Bundesminister . 9401 C Frage des Abg. Hansing: Äußerung des Bundeskanzlers gegenüber dem Reederverband Dr.-Ing. Seebohm, Bundesminister . 9401 C Frage des Abg. Ritzel: Bestimmungen zur Vermeidung des Autodiebstahls Dr.-Ing. Seebohm, Bundesminister . 9401 D, 9402 B, C Ritzel (SPD) 9402 A, B Dr. Höck (Salzgitter) (CDU/CSU) . 9402 C Frage des Abg. Wittrock: Ablassen von unverbrauchtem Treibstoff aus Düsenflugzeugen Dr.-Ing. Seebohm, Bundesminister . 9402 D, 9403 A, B Wittrock (SPD) . . . . . . . 9403 A, B II Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 163. Sitzung. Bonn, Freitag, den 16. Juni 1961 Frage der Abg. Frau Dr. Schwarzhaupt: Selbstwählverkehr in Wiesbaden . . 9403 B Frage des Abg. Bauer (Würzburg) : Nichtverwendung von Liegenschaften des Bundes vor Abschluß militärischer Planungen Dr. Wilhelmi, Bundesminister . . 9403 C, D Bauer (Würzburg) (SPD) 9403 C Frage des Abg. Ritzel: Verkauf von Grundstücken des Bundes seit dem 1. April 1959 Dr. Wilhelmi, Bundesminister . . . 9403 D, 9404 A, B Ritzel (SPD) . . . . . . . . 9404 A, B Frage des Abg. Bucher: Äußerung des Bundeswirtschaftsministers auf einer Pressekonferenz in Lissabon Dr. Dr. h. c. Erhard, Bundesminister 9404 B, D Dr. Bucher (FDP) . . . . . . . 9404 C Entwurf eines Dritten Gesetzes zur Änderung des Milch- und Fettgesetzes (CDU/ CSU) (Drucksache 2771); Schriftlicher Bericht des Ernährungsausschusses (Drucksache 2827) — Zweite und dritte Beratung — Hoogen (CDU/CSU) . . . . . . 9405 A Dr. Arndt (SPD) . . . . 9405 C, 9407 B Dr. Weber (Koblenz) (CDU/CSU) . . 9406 B Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Arzneimittelgesetzes (CDU/CSU, SPD, FDP) (Drucksache 2782) — Zweite und dritte Beratung — Frau Dr. Steinbiß (CDU/CSU) . . . 9408 A Große Anfrage der Fraktion der SPD betr. Bericht über die Lage der Mittelschichten (Drucksache 2758) Dr. Dr. h. c. Erhard, Bundesminister 9408 B, 9429 B Lange (Essen) (SPD) . . 9409 A, 9435 B Wieninger (CDU/CSU) 9416 A Dr. Imle (FDP) 9419 D Regling (SPD) . . . . . . . 9423 A Schmücker (CDU/CSU) 9426 A Dr. Starke (FDP) 9429 D Kurlbaum (SPD) 9433 D Dr. Dollinger (CDU/CSU) . . . 9434 A Simpfendörfer (CDU/CSU) . . . . 9434 D Antrag betr. Gesetz über die Sammlung des Bundesrechts vom 10. Juli 1958 (Hoogen, Jahn [Marburg], Dr. Bucher u. Gen.) (Drucksache 2838) . . . . . . . . . 9437 C Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Bundesvertriebenengesetzes (SPD, FDP) (Drucksache 1633); Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Heimatvertriebene (Drucksache 2849 [neu]) — Zweite und dritte Beratung — 9437 C Antrag des Bundesministers der Finanzen betr. Veräußerung des bundeseigenen Jade-Wasserwerkes Wilhelmshaven (Drucksache 2848) . . . . . . . . . 9437 D Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Wehrsoldgesetzes (Drucksache 2359) . . 9437 D Nächste Sitzung 9437 D Berichtigungen 9438 Anlagen 9439 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 163. Sitzung. Bonn, Freitag, den 16. Juni 1961 9397 163. Sitzung Bonn, den 16. Juni 1961 Stenographischer Bericht Beginn: 9.02 Uhr
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    9438 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 163. Sitzung. Bonn, Freitag, den 16. Juni 1961 Berichtigungen Es ist zu lesen: 136. Sitzung Seite 7775 B Zeile 22 statt „Gewerbesteuerausgleichs": Gewerbesteuerausfalls; 158. Sitzung Seite 9189 A Zeile 10 statt „auch": durch; 161. Sitzung Seite 9292 D Zeile 14 statt „Zuschuß des Verbandes der Rentenversicherungsträger" : Zuschuß der Rentenversicherungsträger; Seite 9294 C Zeile 17 statt „Bedarf im Zusammenhang mit der Solidarhaftung," : men auch in gleichem Maße den Solidaritätsbeitrag. Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 163. Sitzung. Bonn, Freitag, den 16. Juni 1961 9439 Anlage 1 Liste der beurlaubten Abgeordneten Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich a) Beurlaubungen Frau Ackermann 17. 6. Bading 16. 6. Frau Berger-Heise 16. 6. Blöcker 16. 6. Börner 16. 6. Dr. Bucerius 15. 7. Corterier 16. 6. Dr. Dahlgrün 16. 6. Drachsler 18. 6. Dr. Eckhardt 16. 6. Eichelbaum 16. 6. Eilers (Oldenburg) 16. 6. Engelbrecht-Greve 16. 6. Finkh 16. 6. Dr. Franz 16. 6. Frehsee 16. 6. Dr. Dr. h. c. Friedensburg 16. 6. Frau Friese-Korn 16. 6. Dr. Furler 16. 6. Geiger (München) 16. 6. Glüsing (Dithmarschen) 16. 6. Goldhagen 1. 7. Dr. Görgen 1. 7. Dr. Gradl 16. 6. Dr. Greve 16. 6. Freiherr zu Guttenberg 16. 6. Dr. von Haniel-Niethammer 18. 6. Hauffe 1. 7. Höcherl 16. 6. Höhne 1. 7. Holla 16. 6. Horn 16. 6. Huth 16. 6. Keller 16. 6. Killat (Unterbach) 24. 6. Frau Kipp-Kaule 16. 6. Frau Klemmert 1. 7. Dr. Königswarter 16. 6. Dr. Kopf 16. 6. Dr. Krone 16. 6. Lantermann 16. 6. Leber 16. 6. Lermer 16. 6. Leukert 16. 6. Lohmar 16. 6. Dr. Löhr 16. 6. Lücker (München) 16. 6. Frau Dr. Dr. h. c. Lüders 1. 7. Margulies 16. 6. Mauk 16. 6. Frau Dr. Maxsein 16. 6. Mensing 16. 6. Dr. Menzel 16. 6. Neuburger 16. 6. Pietscher 20. 6. Pohle 3, 7, Prennel 16. 6. Anlagen zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich Rademacher 1. 7. Ramms 16. 6. Riedel (Frankfurt) 16. 6. Ruhnke 1. 7. Ruland 16. 6. Frau Schanzenbach 16. 6. Scharnberg 16. 6. Scharnowski 16. 6. Schmidt (Hamburg) 16. 6. Schoettle 16. 6. Schüttler 16. 6. Schütz (Berlin) 16. 6. Dr. Seffrin 16. 6. Seuffert 16. 6. Spitzmüller 16. 6. Stahl 16. 6. Frau Strobel 24. 6. Struve 17. 6. Dr. Toussaint 16. 6. Wacher 16. 6. Walter 16. 6. Wegener 16. 6. Wehner 16. 6. Werner 16. 6. b) Urlaubsanträge Dr. Rüdel (Kiel) 23. 6. Anlage 2 Umdruck 938 Änderungsantrag der Abgeordneten Hoogen, Bauknecht, Kriedemann, Mauk zur zweiten Beratung des von der Fraktion der CDU/CSU eingebrachten Entwurfs eines Dritten Gesetzes zur Ändederung des Milch- und Fettgesetzes (Drucksachen 2717,2827). Der Bundestag wolle beschließen: 1. In Artikel 1 wird vor Nr. 1 folgende Nr. vor 1 eingefügt, „vor 1. In § 5 werden hinter den Worten „zur Sicherung der Versorgung" die Worte „oder zur Annäherung der wirtschaftlichen Ergebnisse" eingefügt. 2. Artikel 4 erhält folgende Fassung: „Artikel 4 (1) Dieses Gesetz tritt, mit Ausnahme des Artikels 1 Nr. vor 1, mit Wirkung vom 1. Juli 1957 in Kraft; Artikel 1 Nr. vor 1 tritt am Tage nach der Verkündung dieses Gesetzes in Kraft. (2) Die Verordnung M Nr 2/57 über Milchauszahlungspreise vom 24. Juli 1957 (Bundesanzeiger Nr. 142 vom 27. Juli 1957) gilt, mit Ausnahme von § 8, mit Wirkung vom 1. Juli 1957. Die in dieser Verordnung den nach Landesrecht zuständigen Landesbehörden erteilten Ermächtigungen zum Erlaß von Rechtsverordnungen gelten als den Landesregierungen erteilt; die Lan- 9440 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 163. Sitzung. Bonn, Freitag, den 16. Juni 1961 desregierungen können diese Befugnis auf oberste Landesbehörden übertragen. § 8 der Verordnung M Nr. 2/57 gilt vom Tage nach der Verkündung dieses Gesetzes. Die Verordnung M Nr. 2/57 tritt mit dem Inkrafttreten einer auf Grund des § 20 a des Milch- und Fettgesetzes in der Fassung dieses Gesetzes erlassenen Rechtsverordnung außer Kraft. Bonn, den 15. Juni 1961 Hoogen Bauknecht Kriedemann Mauk Anlage 3. Zweite Berichtigung zu dem Schriftlichen Bericht des Abgeordneten Dr. Wahl (Drucksache 2816). *) Es ist zu lesen: Rechte Spalte Zeile 3 statt „im eigenen Recht hinweisen in der Weise, daß entweder Unterhaltsgläubiger": des eigenen Rechts hinweisen, nämlich wenn Unterhaltsgläubiger; Zeile 5 statt „dieses Staates": des Gerichtsstaates; Zeile 8 statt „oder": während. *) Siehe auch 162. Sitzung Seite 9381 B.
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    Rede von Karl Wieninger


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)

    Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die SPD hat heute eine Große Anfrage ohne Fragegehalt eingereicht. Denn das, was sie nach der Drucksache 2758 fragt, hat die Regierung just einen Tag, bevor diese Frage gestellt wurde, bereits beantwortet. Wir wollen der SPD gar keinen Vorwurf machen, daß sie die Frage gestellt hat: Wo bleibt die zugesagte Erklärung der Bundesregierung über eine zusammenfassende Initiative zur Förderung des gewerblichen Mittelstandes und der freien Berufe gemäß Drucksache 2012? Diese Frage ist berechtigt gewesen, solange diese Erklärung der Bundesregierung nicht da war. Nun sie aber da ist, ist der Grund der Frage in Wegfall gekommen. Trotzdem hat die SPD darauf bestanden, die Frage hier in abgewandelter Form vorzubringen.
    Wir meinen, daß die SPD das getan hat, weil sie der Bundesregierung und der Mehrheit des Bundestages eins auswischen wollte, weil sie im Hinblick auf den Wahlkampf Stimmung machen wollte. Sie wollte zu behaupten versuchen, es sei für den Mittelstand nichts oder zuwenig geschehen. Herr Abgeordneter Lange hat ja am Schluß seines Referats, das hinsichtlich seiner gesellschaftspolitischen Betrachtungen bemerkenswert sachlich gewesen ist, gesagt, die Mittelschichten — wie er sich auszudrücken beliebte — seien am Ende der Legislaturperiode gefährdeter als 1957 am Anfang dieser Legislaturperiode.

    (Vorsitz : Vizepräsident Dr. Dehler.)

    Nicht nur der Kollege Lange hat diese Behauptung aufgestellt. Wie wir zu wissen glauben, wird auch die FDP in dieselbe Kerbe schlagen. Denn gestern hat die Pressestelle der FDP bekanntgegeben, die von der Bundesregierung in der Regierungserklärung 1957 angekündigte Hilfe für den Mittelstand sei ausgeblieben.
    Wir haben uns heute zu fragen, ob diese Behauptungen richtig sind oder aber ob solche Darstellungen leichtfertig genannt werden müssen, weil sie an der Wirklichkeit vorbeigehen. Wir sind gar nicht traurig darüber, daß wir hier heute eine Große Anfrage ohne Fragestellung behandeln. Wir sind deswegen nicht traurig, weil wir Gelegenheit haben, zu sagen, daß die Bundesregierung und die Mehrheit des Parlaments das Wort, sie würden den Mittelstand fördern, eingelöst haben. Freilich es muß hier festgestellt werden, daß auf dem Gebiet der Mittelstandspolitik noch vieles, noch sehr vieles getan werden muß. Es ist richtig, daß die kleineren und mittleren Unternehmen noch weit von einer vollen Gerechtigkeit in der Steuer- und Sozialbelastung entfernt sind. Wir müssen feststellen, daß wir erst im letzten Bundestag auf dem Weg, eine Wettbewerbsneutralität herbeizuführen, ein Stück vorangekommen sind. Die CDU/CSU und auch die Bundesregierung sind sich darüber im klaren, daß die vier Hauptsorgen der mittelständischen Betriebe, nämlich die Gefahr der Konzentration, die Kopflastigkeit unseres Steuersystems, der Mangel an Arbeitskräften und die daraus resultierende erhöhte Anforderung an freiwillige und gesetzliche Sozialbelastungen, daß diese Probleme, Sorgen und Verärgerungsquellen für die mittelständische Wirtschaft, existieren. Wir wissen aber auch, daß wir diese Sorgen nicht einfach dadurch beseitigen können, daß wir auf den berühmten Knopf drücken.
    In der Debatte über die Große Anfrage der CDU/CSU vom Oktober 1960 betr. die Gefahr der Konzentration waren sich alle Fraktionen des Hauses gemeinsam mit der Bundesregierung darüber im klaren, daß der Gefahr der Konzentration begegnet werden müsse. Die gründliche Untersuchung über Ursachen, Ausmaß und Folgen der Konzentration ist im Gange. Der Verdacht, wir hätten uns durch diese Ingangsetzung der Konzentrationsenquete in papierene Untersuchungen gerettet, statt ad hoc mutige und notwendige Entscheidungen herbeizuführen, ist falsch. Dem Übel der Konzentration kann nicht durch zwar wohlgemeinte, doch letzten Endes dilettantische Maßnahmen begegnet werden. Für die Gesamtwirtschaft, für uns alle, wäre es höchst gefährlich, wenn ohne genaue Kenntnis von Ausmaß und Ursachen und auch der Wirkung auf das Ganze Eingriffe durchgeführt würden. Das Getriebe unserer differenzierten, arbeitsteiligen Wirtschaft läßt es einfach nicht zu, daß tiefgreifende Reformen ohne Kenntnis der Auswirkungen durchgeführt werden.

    (Abg. Lange [Essen] : Sehr richtig! Da sind wir auch Ihrer Meinung!)

    Hinsichtlich der zweiten Sorge der mittelständischen Wirtschaft, ,dem Mangel an Steuergerechtigkeit, ist festzustellen, daß diese Sorge zwar verringert, doch noch nicht beseitigt werden konnte. Professor Dr. Schmölders hat das Wort von ,der „Kopflastigkeit" unseres Steuersystems geprägt und er ist zu dem Schluß gekommen, daß sich diese Kopflastigkeit zum Schaden der mittelständischen Wirtschaft auswirke. Seit Generationen schon leidet unser Steuersystem an dieser Kopflastigkeit. Da gibt es viele Probleme, wie z. B. die Bemessung der



    Wieninger
    Plafonds, die unterschiedlichen Auswirkungen der Abschreibungsmöglichkeiten, die Möglichkeiten der Unterkapitalisierung, ,die Bewertungssysteme von Wertpapieren, ,die Rückstellungsmöglichkeiten von freiwilligen Sozialleistungen, das umstrittene Schachtelprivileg usw. Durch diese und ähnliche Umstände ist ,die Bildung von Eigenkapital im Mittelstand auch unter Berücksichtigung des relativen Kräfteverhältnisses weit weniger möglich als in der Großwirtschaft. Die Herbeiführung einer höheren Gerechtigkeit im Steuersystem ist ein gutes Ziel für den 4. Bundestag.
    Zu der Sorge ,des Mittelstandes wegen des Arbeitskräftemangels ist folgendes zu bemerken. Infolge der Hochkonjunktur haben wir Vollbeschäftigung. Daraus resultiert der Mangel an Arbeitskräften. Niemand von uns wünscht sich die Zeiten der Arbeitslosigkeit zurück. Damals hatten wir genügend Arbeitskräfte, und wir hatten keine Sorge um Arbeitskräfte. Aber es würde uns grauen, wenn solche Zustände wiederkämen. Leider geht mit dem Kräftemangel ein bedauerliches Nachlassen des Leistungsstrebens Hand in Hand. Auch ,das ist eine Quelle ,der Verärgerung. Besonders bedenklich für den Mittelstand ist ein Gefälle des Arbeitseinsatzes hin zu den großwirtschaftlichen Betrieben.
    Um diese Sorgen des Mittelstandes allmählich zu vermindern, gibt es nur eine Möglichkeit: es muß der Versuch gemacht werden, die kleineren und mittleren Betriebe zu beraten und ihnen zu zeigen, wie sich bei ihnen die Lohnintensität vermindern läßt. Wir müssen sie durch vermehrte Möglichkeiten .der Kreditaufnahme in die Lage versetzen, mehr als bisher durch den Einsatz kräftesparender Maschinen zu rationalisieren.
    Im Zusammenhang mit dem Mangel an Arbeitskräften stellen wir ein Ansteigen von Sozialansprüchen fest. Das Ansteigen der Soziallasten — teils beruhen die Sozialleistungen auf gesetzlicher Grundlage, teils werden sie freiwillig gewährt — wird in der vielfach lohnintensiven mittelständischen Wirtschaft als ungerecht empfunden. Wir müssen dafür Verständnis haben, wenn z. B. ,die Soziallasten eines Dekorations-Malermeisters mit denen eines Betriebes der chemischen Indubstrie verglichen werden. Gemessen am Umsatz ist der mittelständische lohnintensive Betrieb bedeutend schlechter gestellt als der mechanisierte, ja zum Teil sogar automatisierte Großbetrieb.
    Die FDP hat es uns in ihrem Pressedienst besonders angekreidet, daß wir z. B. das System der Mittelaufbringung für das Kindergeld aufrechterhielten und daß wir im Gesetz über die Lohnfortzahlung Anhebungen vorgenommen haben. Dazu möchte ich folgendes sagen. Zu Beginn der 3. Legislaturperiode haben wir mit Blickrichtung auf die Angehörigen des Mittelstandes hinsichtlich des Kindergeldes versprochen, wir würden uns dafür einsetzen, daß die Belastung durch das Kindergeld ein Prozent der Lohnsumme nicht übersteige. Dieses Versprechen ist eingehalten warden.
    Damit, meine Herren von der FDP, möchte ich nicht sagen, daß wir das System der Mittelaufbringung für das Kindergeld als etwas Gerechtes ansehen. Ich möchte auch nicht sagen, daß man nicht danach streben sollte, ein anderes Aufbringungssystem zu erreichen. Andererseits dürfen wir jedoch die Mittelaufbringung für das Kindergeld nicht dramatisieren. Vergessen wir nicht, daß 15 Staaten der Erde ein lohnbezogenes Aufbringungssystem für das Kindergeld haben, nur mit dem Unterschied, daß in allen anderen Staaten tdie Beiträge viel höher sind als bei uns. Ich erinnere nur an Frankreich mit 16 %, an Italien mit 13 %, an Holland mit 7 %, an Belgien und Österreich mit 6 %, an die Schweiz und die Türkei mit 4 %. Bei uns ist die Belastung am geringsten, aber bei uns schreit man am meisten darüber.
    Zur Novelle über die Lohnfortzahlung! Meine Herren von der FDP, wenn Sie realpolitisch denken und wenn Sie selber im Wirtschaftsleben stehen, werden Sie zugeben müssen, daß es ganz unmöglich ist, sich der Lösung dieses Problems zu entziehen. Die Arbeiterschaft wächst einfach in eine Emanzipation hinein, die man respektieren muß. Die Großindustrie ist mit freiwilligen Sozialleistungen vorangegangen. Wir haben mit unseren gesetzlichen Maßnahmen nur nachgezogen, um zu vermeiden, daß ein Sog der Arbeitskräfte nach der Großindustrie entsteht. Es wäre der mittelständischen Wirtschaft ein schlechter Dienst erwiesen, wenn wir einen Beitrag dazu leisteten, daß die Entblößung von Arbeitskräften bei ihr noch gefördert wird.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Zu unserer Sozialpolitik insgesamt möchte ich als mittelständischer Unternehmer folgendes bekennen. Meine Kollegen und ich, die wir uns hauptsächlich in der Mittelstandspolitik betätigen, halten die Sozialpolitik der CDU/CSU für richtig, nützlich und notwendig. In der Zeit der Hochkonjunktur ist es eine christliche und soziale Selbstverständlichkeit, auch unsere Mitarbeiter am wirtschaftlichen Anstieg partizipieren zu lassen.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Auch vom rein wirtschaftlichen Standpunkt aus ist es notwendig, den Lebensstandard der Arbeitnehmerschaft zu heben. Wir können nämlich die Hochkonjunktur nur aufrechterhalten, wenn die Arbeitnehmerschaft in kräftigem Maße auch als Käuferschaft in Erscheinung tritt.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Schließlich mußten wir aus einem weltpolitischen Grunde so handeln, wie es geschehen ist. Nur dadurch, daß wir in unserem Vaterland die Begriffe „Proletariertum" und „Proletariat" abschaffen, gelingt es, unser Volk vor den Verführungen aus dem Osten zu immunisieren.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Ich glaube, alle können stolz darauf sein, daß wir seinerzeit durch die große Rentenreform dem Arbeiter die Angst vor dem Alter genommen haben.

    (Abg. Dr. Mommer: Es ist noch einiges zu tun!)




    Wieninger
    Der Konzentration Einhalt gebieten und die Bemühung um die Herbeiführung einer größeren Gerechtigkeit im Steuerwesen sind, wie ich schon sagte, die großen Aufgaben des 4. Bundestages. Mehr als bisher muß unser Steuersystem als Instrument der Wirtschaftspolitik benutzt werden, damit sich die auseinanderklaffende Schere der Wettbewerbslage besser schließt. Im Steueränderungsgesetz 1960 und 1961 ist dieser Weg bereits erfolgreich beschritten worden.
    Nur einige Stichworte, die diese Tendenz offenbaren. Wir haben eine Beschränkung der Abschreibungsmöglichkeit um 20 % vorgenommen. Wir haben den Abbau der steuerlichen Begünstigung der Pensionsrückstellungen herbeigeführt. Wir haben die Fristen für Spekulationsgewinne verlängert. Wir haben die Sperrfristen bei Sparverträgen verlängert. Wir haben den Abbau des Organschaftsvorteils nun in Angriff genommen. Wir werden im Elften Umsatzsteueränderungsgesetz den Abbau von Privilegien in der Ölindustrie durchführen usw. usf.
    Aus diesen Handlungen zeigt sich die Tendenz, die Belastung unten etwas zu vereinfachen, dort aber, wo es möglich ist, oben, sie dann, wenn die Gerechtigkeit es gebietet, zu verstärken.
    Ich gestehe ohne weiteres, daß diese Maßnahmen noch nicht ausreichen. Es ist notwendig, daß mehr getan wird. Wieder möchte ich die Pressestelle der FDP zitieren. Sie sagt, daß die Hilfe für den Mittelstand, die ,die Regierung vesprochen habe, ausgeblieben sei. Was hat die Regierung versprochen? Der Passus in der Regierungserklärung vom 29. Oktober lautete so:
    Weite Schichten der Bevölkerung,
    — sagte seinerzeit der Bundeskanzler —
    die der Mittelklasse angehören, bedürfen der Sorge des Staates. Sie sind hinter anderen Schichten zurückgeblieben. Wir brauchen aus staatspolitischen und kulturpolitischen Gründen unbedingt eine gesunde mittlere Schicht . . . Wir brauchen unabhängige mittlere und kleinere Existenzen in Handwerk, Handel und Gewerbe.
    Nun fragen wir uns: Hat der Staat, haben die Bundesregierung und die Mehrheit des Parlaments sich dieser Verpflichtung entzogen? Oder haben Regierung und Bundestag den Mittelstand nach dem Maße der bestehenden Kräfte gefördert? Nur ein Tor wird aus der Regierungserklärung herauslesen wollen, daß goldene Berge versprochen worden sind. Nur ein Anfänger wird glauben, daß sich die Struktur unserer Wirtschaft blitzschnell verändern lasse. Nur ein Demagoge wird in der Öffentlichkeit den Eindruck hervorrufen, daß es nur die Angelegenheit einer guten Laune sei, schlagartige Wandlungen herbeizuführen.
    Der Mittelstandsbericht der Bundesregierung vom 13. Juli 1960 stellt zutreffend fest, daß zugunsten des Mittelstandes nur gezielte, punktuelle Maßnahmen notwendig und sinnvoll sind. In der Tat, die Situation der mittelständischen Wirtschaft ist nicht so wie die der Landwirtschaft. Für den Mittelstand
    läßt sich nicht so etwas aufstellen, wie es der Grüne Plan ist. Die Verhältnisse und Erfordernisse in der mittelständischen Wirtschaft sind zu uneinheitlich, und die Interessenlage ist zu heterogen, als daß nach einem einheitlichen und festgefügten Plan verfahren werden könnte.
    Weil hier behauptet wurde und mutmaßlich noch weiter behauptet werden wird, für den Mittelstand sei nichts oder zu wenig geschehen, will ich nur einen Auszug aus der Liste der Förderungsmaßnahmen für den Mittelstand anführen, einen Auszug aus der Liste der Maßnahmen, die wir im 3. Deutschen Bundestag beschlossen haben.
    Erstens. Im Lastkraftwagengewerbe sind die Maße und Gewichte nach den Wünschen dieses Erwerbszweiges geregelt worden.
    Des weiteren sind im Lastkraftwagengewerbe hohe Steuernachforderungen bei fehlender Konzessionsidentität gestrichen worden.
    Das Kraftdroschkengewerbe ist in den Genuß der Umsatzsteuervergünstigung für Kleinbetriebe gekommen.
    Durch die Reform der Gewerbeordnung sind die Wünsche von Handel und Handwerk erfüllt worden.
    Duch das Apothekengesetz und das Arzneimittelgesetz sind in diesem Wirtschaftszweig klare Verhältnisse geschaffen worden.
    Der Kreditplafond des Mittelstandes ist von 51 Millionen DM auf 158 Millionen DM gehoben worden, wobei erreicht worden ist, daß die ERP-Mittel für den Mittelstand im Zuge der Maßnahmen für die Entwicklungshilfe nicht angetastet worden sind.
    Die Altersversorgung des Handwerks ist nach dessen Wünschen geregelt worden.
    Die Altersvorsorge für die Rechtsanwälte ist in Beratung, und wir hoffen, daß sie noch in diesem Bundestag aus dem Ausschuß kommt und verabschiedet werden kann.

    (Abg. Lange wie sie da vorgelegt ist! Das ist doch unmöglich!)

    Das Gesetz gegen den Werks- und Belegschaftshandel ist vom Bundestag mit großer Mehrheit beschlossen worden; es ist noch nicht verkündet, weil die Frage, ob es in Übereinstimmung mit dem Grundgesetz steht, noch geklärt werden muß. Wichtig ist aber bei diesem Gesetz, daß der Bundestag fast einmütig und auch der Bundesrat deklariert haben, daß diese Entartung des Handelslebens wettbewerbverfälschend und damit unerwünscht ist.
    Der Bericht der Bundesregierung über die Lage der Mittelschichten vom 13. Juli 1960 gibt den Abgeordneten, den gewerblichen Verbänden und der Wissenschaft — da, Herr Lange, bin ich mit Ihnen nicht einer Meiunng, nämlich daß wir diesen Bericht unbedingt hier diskutieren müssen — die Möglichkeit, sich über die Struktur der mittelständischen Wirtschaft besser, als es bisher möglich war, zu orientieren. Ich nehme Anlaß, hervorzuheben, daß dieser



    Wieninger
    Bericht auf Ihre, meine Damen und Herren von der SPD, Initiative hin erstellt worden ist. Allerdings war das, wie ich mich erinnere, Ihre einzige antragsmäßige Initiative zugunsten des Mittelstandes.
    Im Verteidigungswesen hat der Auftragsanteil der mittelständischen Wirtschaft an den dafür geeigneten Aufträgen die Quote von 45 % überschritten.
    Durch den Erlaß des Bundesverteidigungsministers vom 4. Februar 1961 ist die regionale Streuung der Aufträge für das Verteidigungswesen entscheidend verbessert worden.
    Im Schwerbeschädigtengesetz sind weitgehende Ermäßigungen der monatlichen Ausgleichsabgabe für kleinere Betriebe eingeführt worden.
    Die Berufsordnung für Wirtschaftsprüfer und Buchprüfer ist erlassen.
    Und nun zum Wesentlichsten, zu den Steuergesetzen.
    Durch die Einführung des Splitting in der Einkommensteuer ist die Forderung nach der Berücksichtigung der mitverdienenden Ehefrau erfüllt.
    Im Nahrungsmittelgroßhandel ist durch die Maßnahme vom Dezember 1960 der größte Teil des Nahrungsmittelsortiments von der Umsatzsteuer befreit. Zur Gänze wird diese Befreiung bei der Verabschiedung der Elften Umsatzsteuer-Novelle durchgeführt werden.
    Aus dem Steuerneuregelungsgesetz von 1961 ist hervorzuheben der Freibetrag in der Gewerbesteuer; er ist auf 7200 DM erhöht worden.
    In der Vermögensteuer sind so starke Erhöhungen der Freigrenze durchgeführt worden, daß eine Familie, Mann, Frau und zwei Kinder, die vordem eine Freigrenze von 30 000 DM hatten, heute eine solche von 80 000 DM haben.
    In der Einkommensteuer sind die zusätzlichen Freibeträge für die Altersversorgung angehoben worden.
    In der demnächst noch zu beschließenden Elften Novelle zum Umsatzsteuergesetz wird der Freibetrag für Kleinfirmen von 8000 DM auf 12 000 DM heraufgesetzt und für freie Berufe auf 20 000 DM bei Umsatzgrößen bis zu 120 000 DM.
    Meine Damen und Herren! Seit 1955 haben wir bereits eine Reihe von Steuerermäßigungen eintreten lassen. Noch nie haben wir so hohe und insbesondere so auf den Mittelstand gezielte Maßnahmen durchgeführt wie diesmal. Sie betragen in dieser Legislaturperiode einschließlich der Einführung des Splitting über 2,5 Milliarden DM.

    (Hört! Hört! bei der CDU/CSU.)

    Wer angesichts der soeben vorgetragenen Liste und angesichts der Steuerermäßigungen zu behaupten wagt, für den Mittelstand sei nichts geschehen, muß entweder blind oder böswillig sein. Diese Steuerermäßigungen sind ein guter Anfang, die Eigenkapitalbildung in der mittelständischen Wirtschaft zu verbessern, und sie haben uns auf dem Wege, die auseinanderklaffende Schere im Wettbewerb zu schließen, weitergebracht. Im kommenden Bundestag werden wir tatkräftig zu arbeiten haben, um dem Ziele noch näherzukommen. Der Aufgaben sind viele. Wir glauben, daß die Vorschläge, die in der Erklärung der Bundesregierung für eine zusammenfassende Initiative zur Förderung des gewerblichen Mittelstandes und der freien Berufe enthalten sind, eine gute Grundlage darstellen, um auf dem eingeschlagenen Weg weiterzukommen.
    Ich möchte nicht behaupten, daß die Vorschläge der Bundesregierung nicht ergänzt oder bereichert werden könnten. Da ist Ihrer Initiative, meine Herren von der SPD und der FDP, Raum gegeben.
    Manche zusätzlichen Probleme werden sich noch auftun; aber das, was vorgeschlagen wurde, ist sinnfällig und nützlich, damit die steuerliche Gerechtigkeit wachse, damit die Konkurrenzfähigkeit der kleinen und mittleren Betriebe zunehme und die Startgleichheit zwischen Kleinen und Großen einigermaßen ins rechte Lot gebracht werde.
    Meine Damen und Herren, ich unterstelle ohne weiteres, daß wir es alle ernst meinen mit dem Anliegen, die Mittelklasse unseres Volkes, den Mittelstand, zu fördern. Ich erinnere daran, Herr Kollege Lange, daß wir im Ausschuß für Mittelstandsfragen immer einträchtig diesem Ziele dienten. Übertragen wir diesen guten Willen auf unsere gesamte Arbeit!

    (Zuruf von der SPD: Lassen Sie den Worten die Taten folgen; dann ist alles in Ordnung!)

    — Ja, recht gern. Halten wir in diesen Zielen zusammen, so werden unsere Bemühungen draußen in den Reihen der mittelständischen Wirtschaft auf Verständnis stoßen, und so werden wir der Forderung, die mittelständische Wirtschaft zu festigen, am besten dienen.

    (Beifall in der Mitte.)



Rede von Dr. Thomas Dehler
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Imle.

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    Rede von Dr. Wolfgang Imle


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Am Anfang und Ende jeder Legislaturperiode konzentriert sich hergebrachtermaßen der Bundestag auf das Problem des Mittelstandes. Das ist ein Zeichen dafür, daß man mit diesem Problem noch nicht zu Ende gekommen ist. Es ist nur bedauerlich, daß so viele Zeit vergangen ist, ohne daß man an eine Endlösung herangekommen ist.
    Hier wurde soeben die Erklärung beanstandet, die die FDP abgegeben hat, daß die Hilfe für den Mittelstand ausgeblieben sei. Mit dieser Erklärung ist nicht gesagt worden, daß überhaupt nichts geschehen sei — das möchte ich ausdrücklich betonen —, sondern wir wollen damit sagen, daß das Ziel nicht erreicht worden ist, den Mittelstand gleichzustellen. Das läßt sich an manchen Dingen eindeutig nachweisen.
    Ich bin sehr dankbar, daß hier dargelegt wurde, was erreicht worden ist: z. B. das Splitting, der Ein-



    Dr. Imle
    bruch in die Gewerbesteuer mit 7200 DM, der Einbruch in die Vermögenssteuer, die Anhebung der Freibeträge für die Altersvorsorge.
    Ich bin sehr erfreut darüber, daß das erwähnt wurde; denn das ist ausgerechnet auf Anträge zurückzuführen, die die FDP zum erstenmal eingebracht hat.

    (Beifall bei der FDP.)

    Herr Kollege Wieninger, Sie haben einen Katalog all der Dinge, die erreicht worden sind, vorgetragen. Ich möchte Ihnen einen Katalog der Anträge der FDP, die abgelehnt worden sind, vortragen; das scheint mir viel entscheidender zu sein. Ich nenne folgende: Änderung der Tabelle des Einkommensteuergesetzes zugunsten der mittleren Einkommen. Bekanntlich ist im Jahre 1958 zuletzt die Einkommensteuertabelle geändert worden, und darin ist diese Ausbuchtung in den Einkommensstufen zwischen 8000 und 50 000 DM. Wir wollten eine lineare Steigerung. Das hätte zwar einen Einkommensteuerausfall von 500 Millionen DM ergeben, hätte aber andererseits eine Entlastung gerade bei den mittleren Existenzen — zwischen 20- und 40 000 DM — gebracht. Sie werden mir sicher zugeben, daß diese Unternehmen ebenfalls noch zum Mittelstand gehören.
    Ein ähnlicher Antrag auf Änderung des Körperschaftsteuergesetzes wurde abgelehnt. Auch hier wollten wir eine Entlastung, in diesem Fall für die kleineren Kapitalgesellschaften, herbeiführen.
    Dann haben wir einen Verzicht auf Erhöhung der Kaffeesteuer und der Teesteuer anläßlich der EWG-Maßnahmen, die auf uns zukamen, beantragt. Auf Grund dieser Maßnahmen müssen ja die Zölle abgebaut werden, während auf der anderen Seite die Verbrauchsteuern angehoben werden.
    Weiter: Umstellungsbeihilfe für Tabakwareneinzelhändler im Saarland, Beförderungsteuerermäßigung im Werkfernverkehr im Saarland, Einkommensteuerermäßigung für natürliche Personen im Saarland.
    Die Kindergeldregelung! Ich will diesen Punkt gleich erläutern. Sie haben vorhin gesagt, ein Prozent der Lohnsumme wäre wirklich nicht viel, in anderen Ländern müßten erheblich größere Beträge aufgebracht werden. Es ist richtig, daß in anderen Ländern mehr aufgebracht werden muß; aber deswegen braucht es ja bei uns nicht auf dem gleichen Wege zu geschehen. In dem Bericht wird noch über die lohnbezogenen Abgaben erklärt, das Aufbringen von Kindergeld gehöre zum Leistungslohn. Das ist doch wohl etwas schief gesehen, das Kindergeld muß infolge der Tatsache aufgebracht werden, daß Kinder da sind. Das hat doch mit Leistungslohn nichts zu tun. Diese Milliarde, die für das Kindergeld aufgebracht wird, muß nicht unbedingt wieder von einem bestimmten Teil des Volkes, von den Selbständigen, aufgebracht werden, sondern es sollte endlich einmal damit begonnen werden — die Freien Demokraten vertreten dieses Anliegen schon seit Jahren —, diese Leistungen aus allgemeinen Steuermitteln aufzubringen. Man braucht ja nicht einfach auf einmal diese Milliarde zu übernehmen, sondern man kann langsam abbauen, beginnend mit
    0,25 %. Das sind jährlich 250 Millionen DM, die doch bei unserem großen Steuerzuwachs nicht wehtun,

    (Zuruf von der Mitte: Die Kinder können auch langsamer kommen!)

    — Bitte?

    (Erneuter Zuruf von der Mitte: Die Kinder fragen nicht danach!)

    — Das hat doch hiermit nichts zu tun. — Ich darf fortfahren: wir haben weiter den Wegfall aller bis zum 31. März 1960 angefallenen Ausgabenreste bis auf 2 Milliarden DM beantragt. Auch das hätte zum Anlaß einer Steuersenkung genommen werden können. Weiter haben wir beantragt: Abschreibung für Kapitalanlagen in Entwicklungsländern, Steuerbegünstigung für Kapitalansammlungsverträge, Steuerfreiheit von Überstundengrundlohn und von Überstundenzuschlägen, soweit eine wöchentliche Arbeitszeit von 45 Stunden überschritten wird, Verkürzung der Abschreibungszeiträume für Althausbesitz. Ich glaube, das dürfte reichen. Es sind noch sieben oder acht Punkte mehr, auf die sich jetzt nicht eingehen möchte. Da Sie selbst zugegeben haben, daß eine Menge nicht erreicht worden ist, ist unsere Behauptung, daß die angekündigte Hilfe ausgeblieben ist, durchaus zutreffend.
    Ich möchte jetzt noch einige Worte zu dem uns vorgelegten Bericht sagen. Hier wird erklärt, daß sich der Mittelstand einer generellen Förderung entziehe, daß man also hier nur mit punktuell gezielten Maßnahmen etwas erreichen könne. — Das ist allerdings der Weg in den letzten Jahren gewesen. Gleichwohl sind wir der Meinung, daß man hier zu umfassenden Maßnahmen, zu umfassenden Überlegungen für die Teile des Mittelstandes kommen muß, wenn man ihn insgesamt erhalten will und sich zu diesem gesellschaftspolitischen Ziel bekennt, wie es ja auch — was von uns voll unterstützt wird — in der Erklärung der Bundesregierung durch den Bundeskanzler im Jahre 1957 zum Ausdruck gebracht worden ist.
    In dem Bericht wird weiter erklärt, daß von allgemeiner Notlage oder Benachteiligung nicht gesprochen werden könne. Diese Behauptung ist eben schon durch die Ausführungen meines Vorredners und auch meines Vorvorredners widerlegt worden; denn wenn keine Benachteiligung vorhanden wäre, brauchte man sich mit dem ganzen Problem nicht zu befassen.
    In der Erklärung wird weiter gesagt, daß die Herbeiführung einer wettbewerbsneutralen Umsatzbesteuerung vordringlich sei und die Untersuchungen mit Nachdruck fortgesetzt werden sollten. Wir müssen allerdings mit Bedauern feststellen, daß dazu auch in der vergangenen Legislaturperiode Zeit gewesen wäre. Vom Bundesfinanzministerium ist ein Entwurf herausgegeben und dann zurückgezogen worden. Wir Freie Demokraten haben ebenfalls einen Diskussionsentwurf herausgegeben. Sie sehen also, daß auch wir etwas tun.

    (Abg. Schmücker: Sie müßten hören, was der Mittelstand sagen würde, wenn Ihr Vorschlag Gesetz geworden wäre! Ich werde gleich darauf antworten!)




    Dr. Imle
    — Wir haben ja gar nicht gesagt, daß er Gesetz werden soll, es war ja ein Diskussionsentwurf.

    (Oh-Rufe von der Mitte. — Zuruf des Abg. Schmücker.)

    — Herr Kollege Schmücker, für die Änderung eines Umsatzsteuergesetzes bedarf es sehr eingehender Überlegungen. Das kann man nicht so übers Knie brechen, wie das manchmal bei den Gesetzen geschieht.

    (Beifall bei der FDP. — Zurufe von der Mitte.)

    Das wollen wir doch einmal festhalten. Man muß über die Dinge reden. 1934 hat man noch vier Jahre für die Verabschiedung eines neuen Umsatzsteuergesetzes gebraucht.

    (Zuruf von der Mitte: Das dauert noch länger!)

    Ferner wird gesagt, daß man mit dem neuen Gesetz zugleich eine Angleichung an die EWG einleiten wolle. Darüber kann man durchaus reden, und das tun wir auch, aber man kann doch wohl sagen, daß das an sich kein Grund zu einem Umbau ist; denn dazu gehört doch wohl noch mehr als nur Frankreich. Lassen Sie sich einmal von den Experten aus dem Saargebiet erzählen, wie sich dort das Gesetz ausgewirkt hat. Wenn man das weiß, muß man doch erhebliche Bedenken haben.
    Unser geltendes Umsatzsteuergesetz krankt überhaupt daran, daß wir die Forderung des Schöpfers der Umsatzsteuer, des preußischen Finanzministers Popitz — Höchstgrenze 2 % —, um das Doppelte überschritten haben. Bei den wachsenden Einnahmen aus der Umsatzsteuer sollte man durchaus einmal zu einem Abbau der Steuer gelangen, nicht zuletzt u n auf diese Art und Weise ein weiteres Ansteigen des Volumens der öffentlichen Haushalte zu verhirdern. Diese Forderung scheint mir sehr wesentlich zu sein.

    (Beifall bei der FDP. — Abg. Ruf: Das ist die bequeme Tour der Freien Demokraten! — Weitere Zurufe von der Mitte.)

    — Ja, das sagen Sie, aber das trifft hier nicht zu.
    Ein Wort zu dem grundsätzlichen Problem. Worum geht es hier? Im Grunde geht es bei der Behandlung von Mittelstandsfragen um unsere gesellschaftspolitischen Ziele, um unsere Gesellschaftspolitik. Wir wollen gar keine Umkehrung der Struktur, wie es hier soeben gesagt worden ist, sondern wir wollen das, was sich da anbahnt in der Struktur, nämlich ein dauerndes Hinstreben zum und ein Ausweichen auf den Großbetrieb, vermeiden. Wir wollen die Erhaltung eines, wie es in der Regierungserklärung heißt, „gesunden selbständigen Mittelstandes". Das ist keine Umkehrung der Struktur, sondern bedeutet die Beibehaltung der Struktur.
    Wie sind die Dinge nun vorangegangen? Es ist schon richtig, daß auf einzelnen Gebieten und mit einzelnen Maßnahmen dem Mittelstand Vergünstigungen gewährt worden sind. Aber diese Einzelmaßnahmen — das haben wir in unserer Presseerklärung gesagt — sind ohne durchschlagenden
    Erfolg, weil ihre Wirkungen durch andere Maßnahmen wieder aufgehoben werden.
    Ich darf in diesem Zusammenhang auf das auch heute wieder gesprochene Gesetz über die Lohnfortzahlung eingehen. Sie können in den Tageszeitungen nachlesen, daß bereits 1350 Betriebskrankenkassen im Hinblick auf dieses Lohnfortzahlungsgesetz eine Erhöhung der Beiträge angekündigt haben. Das heißt: ich muß das, was ich im Falle der Krankheit mehr bekomme, bereits vorher durch Abführung von erhöhten Beiträgen einschließen.

    (Abg. Ruf: Aber nicht allein wegen dieses Gesetzes, sondern wegen der gescheiterten Reform!)

    — Sie ist ja vorweggenommen worden! Das ist ja eben so bei diesen Vorschaltgesetzen: man nimmt die Vergünstigungen vorweg, und die Beitragserhöhungen kommen dann hinterher.