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ID0316310900

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    Deutscher Bundestag 163. Sitzung Bonn, den 16. Juni 1961 Inhalt: Erweiterung der Tagesordnung . . . . 9397 B Zusammenstellung der über- und außerplanmäßigen Haushaltsangaben im ersten Vierteljahr des Rechnungsjahres 1961 (Drucksache 2808) 9397 B Fragestunde (Drucksachen 281,1, 2828) Frage des Abg. Jahn (Marburg) : Unterschiedliche Rechtsgrundlagen für die Beurteilung der Erwerbsunfähigkeit Blank, Bundesminister 9397 C, 9398 A, B, D, 9399 A Jahn (Marburg) (SPD) . . 9397 D, 9398 B Büttner (SPD) 9398 C, D Geiger (Aalen) (SPD) . . . . . 9399 A Fragen des Abg. Dr. Rutschke: Fahrplan von Bahnbus- und Kraftpostlinien im Gebiete Karlsruhe Dr.-Ing. Seebohm, Bundesminister . 9399 B, C, D, 9400 A Dr. Rutschke (FDP) . . . 9399 D, 9400 A Frage des Abg. Enk: Bundesverkehrswacht Dr.-Ing. Seebohm, Bundesminister 9400 B, C Enk (CDU/CSU) . . . . . . . 9400 C Frage des Abg. Ritzel: Autobahnstrecke Freiburg—Basel Dr.-Ing. Seebohm, Bundesminister . 9400 D, 9401 A, B Ritzel (SPD) . . . . . . . 9401 A, B Frage des Abg. Hansing: Memorandum der vier Küstenländer betr. die Wettbewerbsunterlegenheit der Küstenschiffahrt und Werften Dr.-Ing. Seebohm, Bundesminister . 9401 C Frage des Abg. Hansing: Äußerung des Bundeskanzlers gegenüber dem Reederverband Dr.-Ing. Seebohm, Bundesminister . 9401 C Frage des Abg. Ritzel: Bestimmungen zur Vermeidung des Autodiebstahls Dr.-Ing. Seebohm, Bundesminister . 9401 D, 9402 B, C Ritzel (SPD) 9402 A, B Dr. Höck (Salzgitter) (CDU/CSU) . 9402 C Frage des Abg. Wittrock: Ablassen von unverbrauchtem Treibstoff aus Düsenflugzeugen Dr.-Ing. Seebohm, Bundesminister . 9402 D, 9403 A, B Wittrock (SPD) . . . . . . . 9403 A, B II Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 163. Sitzung. Bonn, Freitag, den 16. Juni 1961 Frage der Abg. Frau Dr. Schwarzhaupt: Selbstwählverkehr in Wiesbaden . . 9403 B Frage des Abg. Bauer (Würzburg) : Nichtverwendung von Liegenschaften des Bundes vor Abschluß militärischer Planungen Dr. Wilhelmi, Bundesminister . . 9403 C, D Bauer (Würzburg) (SPD) 9403 C Frage des Abg. Ritzel: Verkauf von Grundstücken des Bundes seit dem 1. April 1959 Dr. Wilhelmi, Bundesminister . . . 9403 D, 9404 A, B Ritzel (SPD) . . . . . . . . 9404 A, B Frage des Abg. Bucher: Äußerung des Bundeswirtschaftsministers auf einer Pressekonferenz in Lissabon Dr. Dr. h. c. Erhard, Bundesminister 9404 B, D Dr. Bucher (FDP) . . . . . . . 9404 C Entwurf eines Dritten Gesetzes zur Änderung des Milch- und Fettgesetzes (CDU/ CSU) (Drucksache 2771); Schriftlicher Bericht des Ernährungsausschusses (Drucksache 2827) — Zweite und dritte Beratung — Hoogen (CDU/CSU) . . . . . . 9405 A Dr. Arndt (SPD) . . . . 9405 C, 9407 B Dr. Weber (Koblenz) (CDU/CSU) . . 9406 B Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Arzneimittelgesetzes (CDU/CSU, SPD, FDP) (Drucksache 2782) — Zweite und dritte Beratung — Frau Dr. Steinbiß (CDU/CSU) . . . 9408 A Große Anfrage der Fraktion der SPD betr. Bericht über die Lage der Mittelschichten (Drucksache 2758) Dr. Dr. h. c. Erhard, Bundesminister 9408 B, 9429 B Lange (Essen) (SPD) . . 9409 A, 9435 B Wieninger (CDU/CSU) 9416 A Dr. Imle (FDP) 9419 D Regling (SPD) . . . . . . . 9423 A Schmücker (CDU/CSU) 9426 A Dr. Starke (FDP) 9429 D Kurlbaum (SPD) 9433 D Dr. Dollinger (CDU/CSU) . . . 9434 A Simpfendörfer (CDU/CSU) . . . . 9434 D Antrag betr. Gesetz über die Sammlung des Bundesrechts vom 10. Juli 1958 (Hoogen, Jahn [Marburg], Dr. Bucher u. Gen.) (Drucksache 2838) . . . . . . . . . 9437 C Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Bundesvertriebenengesetzes (SPD, FDP) (Drucksache 1633); Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Heimatvertriebene (Drucksache 2849 [neu]) — Zweite und dritte Beratung — 9437 C Antrag des Bundesministers der Finanzen betr. Veräußerung des bundeseigenen Jade-Wasserwerkes Wilhelmshaven (Drucksache 2848) . . . . . . . . . 9437 D Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Wehrsoldgesetzes (Drucksache 2359) . . 9437 D Nächste Sitzung 9437 D Berichtigungen 9438 Anlagen 9439 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 163. Sitzung. Bonn, Freitag, den 16. Juni 1961 9397 163. Sitzung Bonn, den 16. Juni 1961 Stenographischer Bericht Beginn: 9.02 Uhr
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    9438 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 163. Sitzung. Bonn, Freitag, den 16. Juni 1961 Berichtigungen Es ist zu lesen: 136. Sitzung Seite 7775 B Zeile 22 statt „Gewerbesteuerausgleichs": Gewerbesteuerausfalls; 158. Sitzung Seite 9189 A Zeile 10 statt „auch": durch; 161. Sitzung Seite 9292 D Zeile 14 statt „Zuschuß des Verbandes der Rentenversicherungsträger" : Zuschuß der Rentenversicherungsträger; Seite 9294 C Zeile 17 statt „Bedarf im Zusammenhang mit der Solidarhaftung," : men auch in gleichem Maße den Solidaritätsbeitrag. Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 163. Sitzung. Bonn, Freitag, den 16. Juni 1961 9439 Anlage 1 Liste der beurlaubten Abgeordneten Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich a) Beurlaubungen Frau Ackermann 17. 6. Bading 16. 6. Frau Berger-Heise 16. 6. Blöcker 16. 6. Börner 16. 6. Dr. Bucerius 15. 7. Corterier 16. 6. Dr. Dahlgrün 16. 6. Drachsler 18. 6. Dr. Eckhardt 16. 6. Eichelbaum 16. 6. Eilers (Oldenburg) 16. 6. Engelbrecht-Greve 16. 6. Finkh 16. 6. Dr. Franz 16. 6. Frehsee 16. 6. Dr. Dr. h. c. Friedensburg 16. 6. Frau Friese-Korn 16. 6. Dr. Furler 16. 6. Geiger (München) 16. 6. Glüsing (Dithmarschen) 16. 6. Goldhagen 1. 7. Dr. Görgen 1. 7. Dr. Gradl 16. 6. Dr. Greve 16. 6. Freiherr zu Guttenberg 16. 6. Dr. von Haniel-Niethammer 18. 6. Hauffe 1. 7. Höcherl 16. 6. Höhne 1. 7. Holla 16. 6. Horn 16. 6. Huth 16. 6. Keller 16. 6. Killat (Unterbach) 24. 6. Frau Kipp-Kaule 16. 6. Frau Klemmert 1. 7. Dr. Königswarter 16. 6. Dr. Kopf 16. 6. Dr. Krone 16. 6. Lantermann 16. 6. Leber 16. 6. Lermer 16. 6. Leukert 16. 6. Lohmar 16. 6. Dr. Löhr 16. 6. Lücker (München) 16. 6. Frau Dr. Dr. h. c. Lüders 1. 7. Margulies 16. 6. Mauk 16. 6. Frau Dr. Maxsein 16. 6. Mensing 16. 6. Dr. Menzel 16. 6. Neuburger 16. 6. Pietscher 20. 6. Pohle 3, 7, Prennel 16. 6. Anlagen zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich Rademacher 1. 7. Ramms 16. 6. Riedel (Frankfurt) 16. 6. Ruhnke 1. 7. Ruland 16. 6. Frau Schanzenbach 16. 6. Scharnberg 16. 6. Scharnowski 16. 6. Schmidt (Hamburg) 16. 6. Schoettle 16. 6. Schüttler 16. 6. Schütz (Berlin) 16. 6. Dr. Seffrin 16. 6. Seuffert 16. 6. Spitzmüller 16. 6. Stahl 16. 6. Frau Strobel 24. 6. Struve 17. 6. Dr. Toussaint 16. 6. Wacher 16. 6. Walter 16. 6. Wegener 16. 6. Wehner 16. 6. Werner 16. 6. b) Urlaubsanträge Dr. Rüdel (Kiel) 23. 6. Anlage 2 Umdruck 938 Änderungsantrag der Abgeordneten Hoogen, Bauknecht, Kriedemann, Mauk zur zweiten Beratung des von der Fraktion der CDU/CSU eingebrachten Entwurfs eines Dritten Gesetzes zur Ändederung des Milch- und Fettgesetzes (Drucksachen 2717,2827). Der Bundestag wolle beschließen: 1. In Artikel 1 wird vor Nr. 1 folgende Nr. vor 1 eingefügt, „vor 1. In § 5 werden hinter den Worten „zur Sicherung der Versorgung" die Worte „oder zur Annäherung der wirtschaftlichen Ergebnisse" eingefügt. 2. Artikel 4 erhält folgende Fassung: „Artikel 4 (1) Dieses Gesetz tritt, mit Ausnahme des Artikels 1 Nr. vor 1, mit Wirkung vom 1. Juli 1957 in Kraft; Artikel 1 Nr. vor 1 tritt am Tage nach der Verkündung dieses Gesetzes in Kraft. (2) Die Verordnung M Nr 2/57 über Milchauszahlungspreise vom 24. Juli 1957 (Bundesanzeiger Nr. 142 vom 27. Juli 1957) gilt, mit Ausnahme von § 8, mit Wirkung vom 1. Juli 1957. Die in dieser Verordnung den nach Landesrecht zuständigen Landesbehörden erteilten Ermächtigungen zum Erlaß von Rechtsverordnungen gelten als den Landesregierungen erteilt; die Lan- 9440 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 163. Sitzung. Bonn, Freitag, den 16. Juni 1961 desregierungen können diese Befugnis auf oberste Landesbehörden übertragen. § 8 der Verordnung M Nr. 2/57 gilt vom Tage nach der Verkündung dieses Gesetzes. Die Verordnung M Nr. 2/57 tritt mit dem Inkrafttreten einer auf Grund des § 20 a des Milch- und Fettgesetzes in der Fassung dieses Gesetzes erlassenen Rechtsverordnung außer Kraft. Bonn, den 15. Juni 1961 Hoogen Bauknecht Kriedemann Mauk Anlage 3. Zweite Berichtigung zu dem Schriftlichen Bericht des Abgeordneten Dr. Wahl (Drucksache 2816). *) Es ist zu lesen: Rechte Spalte Zeile 3 statt „im eigenen Recht hinweisen in der Weise, daß entweder Unterhaltsgläubiger": des eigenen Rechts hinweisen, nämlich wenn Unterhaltsgläubiger; Zeile 5 statt „dieses Staates": des Gerichtsstaates; Zeile 8 statt „oder": während. *) Siehe auch 162. Sitzung Seite 9381 B.
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    Rede von Erwin Lange


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Aber natürlich! Ich wollte Herrn Kollegen Ruf nicht das Recht auf Zwischenrufe streitig machen, sondern wollte ihn nur davor warnen, hier eine Fülle von Einzelproblemen zur Debatte zu stellen. Ich müßte darauf eingehen, weil Sie sonst hinterher sagen würden: Darauf habt ihr keine Antwort, ihr traut euch nicht! Wir wollen also die Dinge ganz fair miteinander behandeln.
    Es geht hier um folgendes. Die Bundesregierung hat erklärt, eine solche Bundeskredit- und Garantiekasse sei als dirigistisch verdächtig, außerdem wollten die Betroffenen sie gar nicht. Ich darf die Bundesregierung daran erinnern, daß am 1. Oktober 1958 zwischen dem Bundesministerium für wirtschaftlichen Besitz des Bundes und der Lastenausgleichsbank in Bad Godesberg ein Abkommen unterzeichnet worden ist, durch das der Lastenausgleichsbank der Auftrag erteilt wird, für diejenigen, die in den freien Berufen tätig sind oder die eine freiberufliche Existenz gründen wollen, als eine Bundes-Kredit- und Garantiekasse — das Wort erscheint in dem Abkommen zwar nicht, aber die Aufgabe ist so umrissen — zu fungieren. Damals hatten Sie nicht solche Skrupel wegen vermeintlicher zentralverwaltungswirtschaftlicher oder dirigistischer Tendenzen, und sie sind in dem Abkommen auch gar nicht enthalten. Die Lastenausgleichsbank bedient sich ja des vorhandenen Banken- und Kreditapparates; man muß ja nicht ein neues Mammutgebilde schaffen.
    Das, was Sie selber auf dem Gebiet der freien Berufe getan haben, lehnen Sie hier für den gewerblichen Sektor, weil es in einem Antrag der sozialdemokratischen Fraktion ausdrücklich verlangt wird, als dirigistisch und möglicherweise auch zentralverwaltungswirtschaftlich ab. Das scheint mir doch ein unauflösbarer Widerspruch zu sein. Die Bundesregierung wird sich dazu äußern müssen, weshalb sie damals ein solches Abkommen zwischen einem ihrer Ministerien das ja auch nicht, wie ich vermute, ohne den Willen des Kabinetts gehandelt hat — und der Lastenausgleichsbank, also einem solchen Kopfinstitut, gebilligt hat.
    Meine Damen und Herren, wir wollen nicht mehr und nicht weniger, als für den gewerblichen Sektor die Benachteiligungen ausräumen, von denen heute noch weite Teile kleiner und mittlerer Betriebe und Unternehmungen der Industrie und des übrigen Gewerbes betroffen werden. Deshalb wollen wir diese Vereinfachung der Kredit- und Garantieprogramme durch die Schaffung einer solchen Bundes-Kredit- und -Garantiekasse, die genauso als Kopfinstitut gedacht ist und sich dann der vorhandenen Einrichtungen auf dem Kapitalmarkt bedienen kann, der Banken einschließlich der geschaffenen Kreditgarantiegemeinschaften in den einzelnen Wirtschaftszweigen und dann der darunter liegenden Hausbanken.
    Insoweit, glaube ich, stellt sich das Problem etwas anders dar, als es uns die Bundesregierung in ihrer Regierungserklärung unterschieben wollte. Man sollte sich auch bei als politisch notwendig erkannten Maßnahmen nicht immer nur auf die Auffassung der Betroffenen berufen. Das tut nämlich die Bundesregierung in diesem Zusammenhang auch, die da sagt, die Betroffenen wollten das ja selbst nicht. Aber die Betroffenen wollten es doch wahrscheinlich deshalb nicht, weil sie sich nicht ganz klar darüber waren oder sind, wie die Konstruktion einer solchen Bundes-Kredit- und -Garantiekasse ist, obwohl wir verschiedentlich auf das seitens der Bundesregierung zugunsten der freien Berufe getroffene Abkommen mit der Lastenausgleichsbank hingewiesen haben.
    Ich bin also der Überzeugung, daß man sich auch diesen Fragen der Vereinheitlichung der Kredit-und Bürgschaftsprogramme und der Schaffung einer Bundes-Kredit- und Garantiekasse oder eines Bundes-Kredit- und -Garantiefonds noch einmal zuwenden muß, auch wenn die Bundesregierung in ihrer Regierungserklärung eine andere Stellung bezogen hat. Vielleicht auch ist sie von falschen Voraussetzungen hinsichtlich der Absicht der Antragsteller ausgegangen. Die Bundesregierung und die sie tragende Mehrheitsfraktion der CDU/CSU sollten sich auch das in dem Zusammenhang noch einmal überlegen.
    Im übrigen ist zu sagen, daß man eine entsprechende Beobachtung ides Arbeitsmarkts braucht, daß man eine entsprechende Berufsausbildung braucht, um die Leistungsfähigkeit zu gewährleisten. Das sind Binsenwahrheiten, das ist eine völlig klare Sache. Das steht überdies schon in unserem Aktionsprogramm von 1954 und das haben wir bei anderer Gelegenheit — aus Anlaß der Wahlen im September 1957 — schon einmal veröffentlicht. Man kann also durchaus den Eindruck gewinnen, daß die Bundesregierung insoweit weitgehend mit den Vorstellungen der Opposition übereinstimmt. Entscheidend ist nur, ob man sich dabei immer mit Erklärungen begnügen kann, daß man dieses und jenes tun wolle, oder ob man endlich einmal aus den Worten Taten werden läßt.
    Nach unserer Überzeugung werden, damit die Wettbewerbsbenachteiligungen, die die Selbständigen heute bedrängen, beseitigt werden können, zwei große Gruppen von Maßnahmen erforderlich sein, eine Gruppe wirtschaftspolitischer Maßnahmen und eine Gruppe sozialpolitischer Maßnahmen.
    Ich habe in meinen Darlegungen einen Teil der Notwendigkeiten wirtschaftspolitischer Art skizziert. Zu einem Teil handelt es sich um unmittelbar wirkende Maßnahmen, die durch die mittelbar wirkenden Maßnahmen ergänzt werden müssen.
    Unter diesen mittelbar wirkenden Maßnahmen sind Maßnahmen im Hinblick auf die Kartell- und Monopolpolitik zu verstehen, entsprechende Maßnahmen in bezug auf die marktbeherrschenden Unternehmungen, entsprechende Maßnahmen in bezug auf die Vertikalverträge, auf die Individualverträge oder Knebelungsverträge, die die Wettbewerbisfrei-



    Lange (Essen)

    heit ,der kleinen und mittleren Selbständigen am Markt einengen und ihnen unerträgliche Verpflichtungen auferlegen. In diesem Zusammenhang ist auch das Problem der Preisbindung, das im letzten Bericht des Bundeskartellamtes eine außerordentliche Rolle spielt, eingehend zu überprüfen. Es ist zu überprüfen, in welchem Umfang und in welcher Art die Preisbindung wirkt, und man müßte dabei Vergleiche mit ,dem Ausland anstellen. Das gehört also zu den unmittelbaren und mittelbaren Maßnahmen.
    Die mittelbaren Maßnahmen müssen sich auf eine Reform des Gesellschaftsrechts erstrecken; ebenso auf die von mir vorher genannten Tatbestände der Organschaft, ,der Fusion, die ich im Zusammenhang mit den steuerpolitischen Maßnahmen skizziert habe.
    Die sozialpolitischen Maßnahmen müßten so aussehen, daß dort, wo sich Umstellungsnotwendigkeiten ergeben und aus der Situation des einzelnen Härten entstehen, die er nicht überwinden kann, entsprechende unmittelbare Hilfen geleistet werden einschließlich derjenigen, die auch den Selbständigen für sein Alter in einer Form sichert, wie das meine Fraktion und meine Partei jüngst vor der Öffentlichkeit dargelegt haben. Man sollte den Selbständigen ebenso Möglichkeiten zur Alterssicherung einräumen man muß sie ihnen einräumen —, wie das für die abhängig Beschäftigten auch geschieht, unter der Voraussetzung, daß die Selbständigen dann auch Gebrauch davon machen, weil sie nämlich auf diese Art und Weise in Sicherungsmaßnahmen eingebaut werden, die denen für Arbeiter und Angestellten vergleichbar sind. Ein Teil der Selbständigen befindet sich gesellschaftlich wie wirtschaftlich in mit den Arbeitern und Angestellten durchaus vergleichbarer Situation. Das gilt hinsichtlich ihrer Lebenshaltungsmöglichkeiten und ihrer Existenzsicherung. Also müßte man ihnen eine ähnliche Alterssicherung anbieten.
    Es ist uns im Grunde unverständlich, daß die Bundesregierung einen Gesetzentwurf über die Alterssicherung der Rechtsanwälte vorlegt, nach dem sich der Bundestag oder der Gesetzgeber, so muß ich sagen, nicht nur der Bundestag — praktisch der Gesetzgebungskompetenz begibt. Nach den Vorstellungen der Bundesregierung bleibt hier der Gruppe die Entscheidung überlassen. Innerhalb der Berufsgruppe soll durch eine Abstimmung für oder gegen eine solche Regelung entschieden werden. Wenn der Gesetzgeber der Überzeugung ist, er müsse solche Hilfen anbieten, dann müssen sie so angeboten werden, daß er seine Aufgaben als Gesetzgeber erfüllt, dann darf er nicht praktisch seine gesetzgeberischen Kompetenzen auf andere, der Öffentlichkeit nicht verantwortliche gesellschaftliche Gruppen übertragen.
    Wir halten also die Konstruktion, die in diesem Gesetzentwurf angeboten wird, nicht für eine Lösung. Das, verehrter Herr Minister — den leisen Zwischenruf habe ich hier schon mitbekommen —, hat nach meiner Überzeugung mit Demokratie nichts zu tun. Es kann nicht in das Belieben einer Gruppe gestellt werden, ob ein Gesetzentwurf Gesetz wird.
    Wenn ich ein Gesetz mache, dann muß es umfassend sein. Allerdings muß der Grundsatz der Freiwilligkeit aufrechterhalten werden, es muß dem einzelnen Staatsbürger freigestellt sein, ob er von der gesetzlich gegebenen Möglichkeit Gebrauch machen will oder nicht.

    (Sehr richtig! bei der SPD.)

    Man darf aber nicht umgekehrt vorgehen und einer Gruppe das Recht einräumen, über gesetzgeberische Maßnahmen zu entscheiden. Das verträgt sich wohl nicht mit dem Prinzip der Gleichheit aller Staatsbürger in einer Demokratie, das würde eine Sonderbehandlung bestimmter .Staatsbürger auf der einen wie auf der anderen Seite bedeuten. Das scheint mir wohl die Grundlage zu sein, von der wir auszugehen haben. Keine falsch verstandenen demokratischen Vorstellungen! Sonst würde ich die Frage stellen müssen, Herr Minister, ob Sie in alte, mittelalterliche ständestaatliche Vorstellungen zurückfallen wollen. Nach solchen Auslegungen und Darlegungen scheint mir das durchaus möglich zu sein.
    Man muß dann also, wie gesagt, dieses Bündel sozialpolitischer Maßnahmen mittelbarer und unmittelbarer Art ergreifen, in dem Sinne, daß man auch für die Selbständigen eine Alterssicherung einführt. Dazu gehört im übrigen eine Prüfung des Problems — ich habe mich vorhin etwas eingehender darüber ausgelassen — der lohnbezogenen Lasten oder Abgaben. Darüber wird, wie gesagt, noch mein Kollege Regling ausführlicher sprechen. Man muß sich also bemühen, diesen Gruppen durch solche Maßnahmen soziale Gerechtigkeit widerfahren
    zu lassen.
    Meine Damen und Herren, ,die Bundesregierung müßte einmal den Versuch machen, eine Gesamtkonzeption zu entwickeln, aus der erkennbar wird, daß die einleitenden Maßnahmen alle aufeinander abgestimmt sind. Die Bundesregierung sollte weiter bereit sein, sich unverzüglich das notwendige Material zu beschaffen. Sie sollte nicht bis 1963 warten, auch wenn in diesem Jahre ein Weltzensus
    dieser Industriezensus, von ,dem Sie, Herr Minister, ,gesprochen haben — vorgenommen wird. Sie sollte sich die erforderlichen Unterlagen unverzüglich beschaffen oder sich die Instrumente in die Hand geben lassen, die sie in den Stand setzt, sich diese Unterlagen zu beschaffen.
    Nur dann, meine Damen und Herren von der CDU/CSU und meine Herren von der Regierung, sind wir nach unserer Überzeugung alle miteinander imstande, auf einer solchen geschlossenen Grundlage auch eine geschlossene Vorstellung über die notwendige gesellschaftliche und wirtschaftliche Sicherung und Gleichbehandlung der Selbständigen zu entwickeln und zu verwirklichen. Uns kommt es auf dieses geschlossene Mittelschichtenprogramm an. Uns kommt es auf organische Maßnahmen an, die auch in aufeinander abgestimmten Zeiträumen vorgenommen werden und die gleichzeitig zu wirken vermögen, damit aus unorganischen Einzelmaßnahmen sich ergebende zusätzliche Bedrohungen abgewehrt werden. Dann haben wir das, was



    Lange (Essen)

    wir zur Herstellung gleichartiger Wettbewerbsvoraussetzungen und zur entsprechenden gesellschaftspolitischen Sicherung der Selbständigen brauchen.
    Ich wäre dankbar, wenn sich Regierung und Parlament zu einer solchen Behandlung des Komplexes verstehen könnten, wenn wir endlich einmal davon loskämen, immer wieder nur etwas zu erklären. Sie als Mehrheit hatten in den vier Jahren dieser Legislaturperiode die Gelegenheit dazu. Sie haben die Konzentration weiterlaufen lassen, ohne den davon Bedrängten entsprechende Hilfe zu leisten. Sie haben immer nur deklamiert. Sie hatten Gelegenheit, die Regierungserklärung vom Oktober 1957 zu verwirklichen.
    Ganz im Gegensatz zu der Feststellung am Schluß der schriftlichen Regierungserklärung, daß sie wohl doch den Raum der Selbständigen gesichert habe, wage ich hier zu behaupten, daß dieser Raum am Ende dieser Legislaturperiode gefährdeter erscheint als zu Beginn dieser Legislaturperiode.

    (Beifall bei der SPD.)



Rede von Dr. Carlo Schmid
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Das Wort hat der Abgeordnete Wieninger.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Karl Wieninger


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)

    Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die SPD hat heute eine Große Anfrage ohne Fragegehalt eingereicht. Denn das, was sie nach der Drucksache 2758 fragt, hat die Regierung just einen Tag, bevor diese Frage gestellt wurde, bereits beantwortet. Wir wollen der SPD gar keinen Vorwurf machen, daß sie die Frage gestellt hat: Wo bleibt die zugesagte Erklärung der Bundesregierung über eine zusammenfassende Initiative zur Förderung des gewerblichen Mittelstandes und der freien Berufe gemäß Drucksache 2012? Diese Frage ist berechtigt gewesen, solange diese Erklärung der Bundesregierung nicht da war. Nun sie aber da ist, ist der Grund der Frage in Wegfall gekommen. Trotzdem hat die SPD darauf bestanden, die Frage hier in abgewandelter Form vorzubringen.
    Wir meinen, daß die SPD das getan hat, weil sie der Bundesregierung und der Mehrheit des Bundestages eins auswischen wollte, weil sie im Hinblick auf den Wahlkampf Stimmung machen wollte. Sie wollte zu behaupten versuchen, es sei für den Mittelstand nichts oder zuwenig geschehen. Herr Abgeordneter Lange hat ja am Schluß seines Referats, das hinsichtlich seiner gesellschaftspolitischen Betrachtungen bemerkenswert sachlich gewesen ist, gesagt, die Mittelschichten — wie er sich auszudrücken beliebte — seien am Ende der Legislaturperiode gefährdeter als 1957 am Anfang dieser Legislaturperiode.

    (Vorsitz : Vizepräsident Dr. Dehler.)

    Nicht nur der Kollege Lange hat diese Behauptung aufgestellt. Wie wir zu wissen glauben, wird auch die FDP in dieselbe Kerbe schlagen. Denn gestern hat die Pressestelle der FDP bekanntgegeben, die von der Bundesregierung in der Regierungserklärung 1957 angekündigte Hilfe für den Mittelstand sei ausgeblieben.
    Wir haben uns heute zu fragen, ob diese Behauptungen richtig sind oder aber ob solche Darstellungen leichtfertig genannt werden müssen, weil sie an der Wirklichkeit vorbeigehen. Wir sind gar nicht traurig darüber, daß wir hier heute eine Große Anfrage ohne Fragestellung behandeln. Wir sind deswegen nicht traurig, weil wir Gelegenheit haben, zu sagen, daß die Bundesregierung und die Mehrheit des Parlaments das Wort, sie würden den Mittelstand fördern, eingelöst haben. Freilich es muß hier festgestellt werden, daß auf dem Gebiet der Mittelstandspolitik noch vieles, noch sehr vieles getan werden muß. Es ist richtig, daß die kleineren und mittleren Unternehmen noch weit von einer vollen Gerechtigkeit in der Steuer- und Sozialbelastung entfernt sind. Wir müssen feststellen, daß wir erst im letzten Bundestag auf dem Weg, eine Wettbewerbsneutralität herbeizuführen, ein Stück vorangekommen sind. Die CDU/CSU und auch die Bundesregierung sind sich darüber im klaren, daß die vier Hauptsorgen der mittelständischen Betriebe, nämlich die Gefahr der Konzentration, die Kopflastigkeit unseres Steuersystems, der Mangel an Arbeitskräften und die daraus resultierende erhöhte Anforderung an freiwillige und gesetzliche Sozialbelastungen, daß diese Probleme, Sorgen und Verärgerungsquellen für die mittelständische Wirtschaft, existieren. Wir wissen aber auch, daß wir diese Sorgen nicht einfach dadurch beseitigen können, daß wir auf den berühmten Knopf drücken.
    In der Debatte über die Große Anfrage der CDU/CSU vom Oktober 1960 betr. die Gefahr der Konzentration waren sich alle Fraktionen des Hauses gemeinsam mit der Bundesregierung darüber im klaren, daß der Gefahr der Konzentration begegnet werden müsse. Die gründliche Untersuchung über Ursachen, Ausmaß und Folgen der Konzentration ist im Gange. Der Verdacht, wir hätten uns durch diese Ingangsetzung der Konzentrationsenquete in papierene Untersuchungen gerettet, statt ad hoc mutige und notwendige Entscheidungen herbeizuführen, ist falsch. Dem Übel der Konzentration kann nicht durch zwar wohlgemeinte, doch letzten Endes dilettantische Maßnahmen begegnet werden. Für die Gesamtwirtschaft, für uns alle, wäre es höchst gefährlich, wenn ohne genaue Kenntnis von Ausmaß und Ursachen und auch der Wirkung auf das Ganze Eingriffe durchgeführt würden. Das Getriebe unserer differenzierten, arbeitsteiligen Wirtschaft läßt es einfach nicht zu, daß tiefgreifende Reformen ohne Kenntnis der Auswirkungen durchgeführt werden.

    (Abg. Lange [Essen] : Sehr richtig! Da sind wir auch Ihrer Meinung!)

    Hinsichtlich der zweiten Sorge der mittelständischen Wirtschaft, ,dem Mangel an Steuergerechtigkeit, ist festzustellen, daß diese Sorge zwar verringert, doch noch nicht beseitigt werden konnte. Professor Dr. Schmölders hat das Wort von ,der „Kopflastigkeit" unseres Steuersystems geprägt und er ist zu dem Schluß gekommen, daß sich diese Kopflastigkeit zum Schaden der mittelständischen Wirtschaft auswirke. Seit Generationen schon leidet unser Steuersystem an dieser Kopflastigkeit. Da gibt es viele Probleme, wie z. B. die Bemessung der



    Wieninger
    Plafonds, die unterschiedlichen Auswirkungen der Abschreibungsmöglichkeiten, die Möglichkeiten der Unterkapitalisierung, ,die Bewertungssysteme von Wertpapieren, ,die Rückstellungsmöglichkeiten von freiwilligen Sozialleistungen, das umstrittene Schachtelprivileg usw. Durch diese und ähnliche Umstände ist ,die Bildung von Eigenkapital im Mittelstand auch unter Berücksichtigung des relativen Kräfteverhältnisses weit weniger möglich als in der Großwirtschaft. Die Herbeiführung einer höheren Gerechtigkeit im Steuersystem ist ein gutes Ziel für den 4. Bundestag.
    Zu der Sorge ,des Mittelstandes wegen des Arbeitskräftemangels ist folgendes zu bemerken. Infolge der Hochkonjunktur haben wir Vollbeschäftigung. Daraus resultiert der Mangel an Arbeitskräften. Niemand von uns wünscht sich die Zeiten der Arbeitslosigkeit zurück. Damals hatten wir genügend Arbeitskräfte, und wir hatten keine Sorge um Arbeitskräfte. Aber es würde uns grauen, wenn solche Zustände wiederkämen. Leider geht mit dem Kräftemangel ein bedauerliches Nachlassen des Leistungsstrebens Hand in Hand. Auch ,das ist eine Quelle ,der Verärgerung. Besonders bedenklich für den Mittelstand ist ein Gefälle des Arbeitseinsatzes hin zu den großwirtschaftlichen Betrieben.
    Um diese Sorgen des Mittelstandes allmählich zu vermindern, gibt es nur eine Möglichkeit: es muß der Versuch gemacht werden, die kleineren und mittleren Betriebe zu beraten und ihnen zu zeigen, wie sich bei ihnen die Lohnintensität vermindern läßt. Wir müssen sie durch vermehrte Möglichkeiten .der Kreditaufnahme in die Lage versetzen, mehr als bisher durch den Einsatz kräftesparender Maschinen zu rationalisieren.
    Im Zusammenhang mit dem Mangel an Arbeitskräften stellen wir ein Ansteigen von Sozialansprüchen fest. Das Ansteigen der Soziallasten — teils beruhen die Sozialleistungen auf gesetzlicher Grundlage, teils werden sie freiwillig gewährt — wird in der vielfach lohnintensiven mittelständischen Wirtschaft als ungerecht empfunden. Wir müssen dafür Verständnis haben, wenn z. B. ,die Soziallasten eines Dekorations-Malermeisters mit denen eines Betriebes der chemischen Indubstrie verglichen werden. Gemessen am Umsatz ist der mittelständische lohnintensive Betrieb bedeutend schlechter gestellt als der mechanisierte, ja zum Teil sogar automatisierte Großbetrieb.
    Die FDP hat es uns in ihrem Pressedienst besonders angekreidet, daß wir z. B. das System der Mittelaufbringung für das Kindergeld aufrechterhielten und daß wir im Gesetz über die Lohnfortzahlung Anhebungen vorgenommen haben. Dazu möchte ich folgendes sagen. Zu Beginn der 3. Legislaturperiode haben wir mit Blickrichtung auf die Angehörigen des Mittelstandes hinsichtlich des Kindergeldes versprochen, wir würden uns dafür einsetzen, daß die Belastung durch das Kindergeld ein Prozent der Lohnsumme nicht übersteige. Dieses Versprechen ist eingehalten warden.
    Damit, meine Herren von der FDP, möchte ich nicht sagen, daß wir das System der Mittelaufbringung für das Kindergeld als etwas Gerechtes ansehen. Ich möchte auch nicht sagen, daß man nicht danach streben sollte, ein anderes Aufbringungssystem zu erreichen. Andererseits dürfen wir jedoch die Mittelaufbringung für das Kindergeld nicht dramatisieren. Vergessen wir nicht, daß 15 Staaten der Erde ein lohnbezogenes Aufbringungssystem für das Kindergeld haben, nur mit dem Unterschied, daß in allen anderen Staaten tdie Beiträge viel höher sind als bei uns. Ich erinnere nur an Frankreich mit 16 %, an Italien mit 13 %, an Holland mit 7 %, an Belgien und Österreich mit 6 %, an die Schweiz und die Türkei mit 4 %. Bei uns ist die Belastung am geringsten, aber bei uns schreit man am meisten darüber.
    Zur Novelle über die Lohnfortzahlung! Meine Herren von der FDP, wenn Sie realpolitisch denken und wenn Sie selber im Wirtschaftsleben stehen, werden Sie zugeben müssen, daß es ganz unmöglich ist, sich der Lösung dieses Problems zu entziehen. Die Arbeiterschaft wächst einfach in eine Emanzipation hinein, die man respektieren muß. Die Großindustrie ist mit freiwilligen Sozialleistungen vorangegangen. Wir haben mit unseren gesetzlichen Maßnahmen nur nachgezogen, um zu vermeiden, daß ein Sog der Arbeitskräfte nach der Großindustrie entsteht. Es wäre der mittelständischen Wirtschaft ein schlechter Dienst erwiesen, wenn wir einen Beitrag dazu leisteten, daß die Entblößung von Arbeitskräften bei ihr noch gefördert wird.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Zu unserer Sozialpolitik insgesamt möchte ich als mittelständischer Unternehmer folgendes bekennen. Meine Kollegen und ich, die wir uns hauptsächlich in der Mittelstandspolitik betätigen, halten die Sozialpolitik der CDU/CSU für richtig, nützlich und notwendig. In der Zeit der Hochkonjunktur ist es eine christliche und soziale Selbstverständlichkeit, auch unsere Mitarbeiter am wirtschaftlichen Anstieg partizipieren zu lassen.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Auch vom rein wirtschaftlichen Standpunkt aus ist es notwendig, den Lebensstandard der Arbeitnehmerschaft zu heben. Wir können nämlich die Hochkonjunktur nur aufrechterhalten, wenn die Arbeitnehmerschaft in kräftigem Maße auch als Käuferschaft in Erscheinung tritt.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Schließlich mußten wir aus einem weltpolitischen Grunde so handeln, wie es geschehen ist. Nur dadurch, daß wir in unserem Vaterland die Begriffe „Proletariertum" und „Proletariat" abschaffen, gelingt es, unser Volk vor den Verführungen aus dem Osten zu immunisieren.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Ich glaube, alle können stolz darauf sein, daß wir seinerzeit durch die große Rentenreform dem Arbeiter die Angst vor dem Alter genommen haben.

    (Abg. Dr. Mommer: Es ist noch einiges zu tun!)




    Wieninger
    Der Konzentration Einhalt gebieten und die Bemühung um die Herbeiführung einer größeren Gerechtigkeit im Steuerwesen sind, wie ich schon sagte, die großen Aufgaben des 4. Bundestages. Mehr als bisher muß unser Steuersystem als Instrument der Wirtschaftspolitik benutzt werden, damit sich die auseinanderklaffende Schere der Wettbewerbslage besser schließt. Im Steueränderungsgesetz 1960 und 1961 ist dieser Weg bereits erfolgreich beschritten worden.
    Nur einige Stichworte, die diese Tendenz offenbaren. Wir haben eine Beschränkung der Abschreibungsmöglichkeit um 20 % vorgenommen. Wir haben den Abbau der steuerlichen Begünstigung der Pensionsrückstellungen herbeigeführt. Wir haben die Fristen für Spekulationsgewinne verlängert. Wir haben die Sperrfristen bei Sparverträgen verlängert. Wir haben den Abbau des Organschaftsvorteils nun in Angriff genommen. Wir werden im Elften Umsatzsteueränderungsgesetz den Abbau von Privilegien in der Ölindustrie durchführen usw. usf.
    Aus diesen Handlungen zeigt sich die Tendenz, die Belastung unten etwas zu vereinfachen, dort aber, wo es möglich ist, oben, sie dann, wenn die Gerechtigkeit es gebietet, zu verstärken.
    Ich gestehe ohne weiteres, daß diese Maßnahmen noch nicht ausreichen. Es ist notwendig, daß mehr getan wird. Wieder möchte ich die Pressestelle der FDP zitieren. Sie sagt, daß die Hilfe für den Mittelstand, die ,die Regierung vesprochen habe, ausgeblieben sei. Was hat die Regierung versprochen? Der Passus in der Regierungserklärung vom 29. Oktober lautete so:
    Weite Schichten der Bevölkerung,
    — sagte seinerzeit der Bundeskanzler —
    die der Mittelklasse angehören, bedürfen der Sorge des Staates. Sie sind hinter anderen Schichten zurückgeblieben. Wir brauchen aus staatspolitischen und kulturpolitischen Gründen unbedingt eine gesunde mittlere Schicht . . . Wir brauchen unabhängige mittlere und kleinere Existenzen in Handwerk, Handel und Gewerbe.
    Nun fragen wir uns: Hat der Staat, haben die Bundesregierung und die Mehrheit des Parlaments sich dieser Verpflichtung entzogen? Oder haben Regierung und Bundestag den Mittelstand nach dem Maße der bestehenden Kräfte gefördert? Nur ein Tor wird aus der Regierungserklärung herauslesen wollen, daß goldene Berge versprochen worden sind. Nur ein Anfänger wird glauben, daß sich die Struktur unserer Wirtschaft blitzschnell verändern lasse. Nur ein Demagoge wird in der Öffentlichkeit den Eindruck hervorrufen, daß es nur die Angelegenheit einer guten Laune sei, schlagartige Wandlungen herbeizuführen.
    Der Mittelstandsbericht der Bundesregierung vom 13. Juli 1960 stellt zutreffend fest, daß zugunsten des Mittelstandes nur gezielte, punktuelle Maßnahmen notwendig und sinnvoll sind. In der Tat, die Situation der mittelständischen Wirtschaft ist nicht so wie die der Landwirtschaft. Für den Mittelstand
    läßt sich nicht so etwas aufstellen, wie es der Grüne Plan ist. Die Verhältnisse und Erfordernisse in der mittelständischen Wirtschaft sind zu uneinheitlich, und die Interessenlage ist zu heterogen, als daß nach einem einheitlichen und festgefügten Plan verfahren werden könnte.
    Weil hier behauptet wurde und mutmaßlich noch weiter behauptet werden wird, für den Mittelstand sei nichts oder zu wenig geschehen, will ich nur einen Auszug aus der Liste der Förderungsmaßnahmen für den Mittelstand anführen, einen Auszug aus der Liste der Maßnahmen, die wir im 3. Deutschen Bundestag beschlossen haben.
    Erstens. Im Lastkraftwagengewerbe sind die Maße und Gewichte nach den Wünschen dieses Erwerbszweiges geregelt worden.
    Des weiteren sind im Lastkraftwagengewerbe hohe Steuernachforderungen bei fehlender Konzessionsidentität gestrichen worden.
    Das Kraftdroschkengewerbe ist in den Genuß der Umsatzsteuervergünstigung für Kleinbetriebe gekommen.
    Durch die Reform der Gewerbeordnung sind die Wünsche von Handel und Handwerk erfüllt worden.
    Duch das Apothekengesetz und das Arzneimittelgesetz sind in diesem Wirtschaftszweig klare Verhältnisse geschaffen worden.
    Der Kreditplafond des Mittelstandes ist von 51 Millionen DM auf 158 Millionen DM gehoben worden, wobei erreicht worden ist, daß die ERP-Mittel für den Mittelstand im Zuge der Maßnahmen für die Entwicklungshilfe nicht angetastet worden sind.
    Die Altersversorgung des Handwerks ist nach dessen Wünschen geregelt worden.
    Die Altersvorsorge für die Rechtsanwälte ist in Beratung, und wir hoffen, daß sie noch in diesem Bundestag aus dem Ausschuß kommt und verabschiedet werden kann.

    (Abg. Lange wie sie da vorgelegt ist! Das ist doch unmöglich!)

    Das Gesetz gegen den Werks- und Belegschaftshandel ist vom Bundestag mit großer Mehrheit beschlossen worden; es ist noch nicht verkündet, weil die Frage, ob es in Übereinstimmung mit dem Grundgesetz steht, noch geklärt werden muß. Wichtig ist aber bei diesem Gesetz, daß der Bundestag fast einmütig und auch der Bundesrat deklariert haben, daß diese Entartung des Handelslebens wettbewerbverfälschend und damit unerwünscht ist.
    Der Bericht der Bundesregierung über die Lage der Mittelschichten vom 13. Juli 1960 gibt den Abgeordneten, den gewerblichen Verbänden und der Wissenschaft — da, Herr Lange, bin ich mit Ihnen nicht einer Meiunng, nämlich daß wir diesen Bericht unbedingt hier diskutieren müssen — die Möglichkeit, sich über die Struktur der mittelständischen Wirtschaft besser, als es bisher möglich war, zu orientieren. Ich nehme Anlaß, hervorzuheben, daß dieser



    Wieninger
    Bericht auf Ihre, meine Damen und Herren von der SPD, Initiative hin erstellt worden ist. Allerdings war das, wie ich mich erinnere, Ihre einzige antragsmäßige Initiative zugunsten des Mittelstandes.
    Im Verteidigungswesen hat der Auftragsanteil der mittelständischen Wirtschaft an den dafür geeigneten Aufträgen die Quote von 45 % überschritten.
    Durch den Erlaß des Bundesverteidigungsministers vom 4. Februar 1961 ist die regionale Streuung der Aufträge für das Verteidigungswesen entscheidend verbessert worden.
    Im Schwerbeschädigtengesetz sind weitgehende Ermäßigungen der monatlichen Ausgleichsabgabe für kleinere Betriebe eingeführt worden.
    Die Berufsordnung für Wirtschaftsprüfer und Buchprüfer ist erlassen.
    Und nun zum Wesentlichsten, zu den Steuergesetzen.
    Durch die Einführung des Splitting in der Einkommensteuer ist die Forderung nach der Berücksichtigung der mitverdienenden Ehefrau erfüllt.
    Im Nahrungsmittelgroßhandel ist durch die Maßnahme vom Dezember 1960 der größte Teil des Nahrungsmittelsortiments von der Umsatzsteuer befreit. Zur Gänze wird diese Befreiung bei der Verabschiedung der Elften Umsatzsteuer-Novelle durchgeführt werden.
    Aus dem Steuerneuregelungsgesetz von 1961 ist hervorzuheben der Freibetrag in der Gewerbesteuer; er ist auf 7200 DM erhöht worden.
    In der Vermögensteuer sind so starke Erhöhungen der Freigrenze durchgeführt worden, daß eine Familie, Mann, Frau und zwei Kinder, die vordem eine Freigrenze von 30 000 DM hatten, heute eine solche von 80 000 DM haben.
    In der Einkommensteuer sind die zusätzlichen Freibeträge für die Altersversorgung angehoben worden.
    In der demnächst noch zu beschließenden Elften Novelle zum Umsatzsteuergesetz wird der Freibetrag für Kleinfirmen von 8000 DM auf 12 000 DM heraufgesetzt und für freie Berufe auf 20 000 DM bei Umsatzgrößen bis zu 120 000 DM.
    Meine Damen und Herren! Seit 1955 haben wir bereits eine Reihe von Steuerermäßigungen eintreten lassen. Noch nie haben wir so hohe und insbesondere so auf den Mittelstand gezielte Maßnahmen durchgeführt wie diesmal. Sie betragen in dieser Legislaturperiode einschließlich der Einführung des Splitting über 2,5 Milliarden DM.

    (Hört! Hört! bei der CDU/CSU.)

    Wer angesichts der soeben vorgetragenen Liste und angesichts der Steuerermäßigungen zu behaupten wagt, für den Mittelstand sei nichts geschehen, muß entweder blind oder böswillig sein. Diese Steuerermäßigungen sind ein guter Anfang, die Eigenkapitalbildung in der mittelständischen Wirtschaft zu verbessern, und sie haben uns auf dem Wege, die auseinanderklaffende Schere im Wettbewerb zu schließen, weitergebracht. Im kommenden Bundestag werden wir tatkräftig zu arbeiten haben, um dem Ziele noch näherzukommen. Der Aufgaben sind viele. Wir glauben, daß die Vorschläge, die in der Erklärung der Bundesregierung für eine zusammenfassende Initiative zur Förderung des gewerblichen Mittelstandes und der freien Berufe enthalten sind, eine gute Grundlage darstellen, um auf dem eingeschlagenen Weg weiterzukommen.
    Ich möchte nicht behaupten, daß die Vorschläge der Bundesregierung nicht ergänzt oder bereichert werden könnten. Da ist Ihrer Initiative, meine Herren von der SPD und der FDP, Raum gegeben.
    Manche zusätzlichen Probleme werden sich noch auftun; aber das, was vorgeschlagen wurde, ist sinnfällig und nützlich, damit die steuerliche Gerechtigkeit wachse, damit die Konkurrenzfähigkeit der kleinen und mittleren Betriebe zunehme und die Startgleichheit zwischen Kleinen und Großen einigermaßen ins rechte Lot gebracht werde.
    Meine Damen und Herren, ich unterstelle ohne weiteres, daß wir es alle ernst meinen mit dem Anliegen, die Mittelklasse unseres Volkes, den Mittelstand, zu fördern. Ich erinnere daran, Herr Kollege Lange, daß wir im Ausschuß für Mittelstandsfragen immer einträchtig diesem Ziele dienten. Übertragen wir diesen guten Willen auf unsere gesamte Arbeit!

    (Zuruf von der SPD: Lassen Sie den Worten die Taten folgen; dann ist alles in Ordnung!)

    — Ja, recht gern. Halten wir in diesen Zielen zusammen, so werden unsere Bemühungen draußen in den Reihen der mittelständischen Wirtschaft auf Verständnis stoßen, und so werden wir der Forderung, die mittelständische Wirtschaft zu festigen, am besten dienen.

    (Beifall in der Mitte.)