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ID0315501500

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    Deutscher Bundestag 155. Sitzung Bonn, den 20. April 1961 Inhalt: Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Einkommensteuergesetzes, des Körperschaftsteuergesetzes, des Gewerbesteuergesetzes, des Bewertungsgesetzes, des Vermögensteuergesetzes, des Steuersäumnisgesetzes, der Reichsabgabenordnung, des Steueranpassungsgesetzes und des Gesetzes zur Förderung der Wirtschaft von Berlin (West) (Steueränderungsgesetz 1961) (Drucksache 2573) — Erste Beratung — Dr. Hettlage, Staatssekretär . . . 8913 B Seuffert (SPD) . . . . . . . . 8915 C Freiherr von Kühlmann-Stumm (FDP) 8919 A Krammig (CDU/CSU) 8923 D Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Artikels 120 des Grundgesetzes und Entwurf eines Gesetzes über die Tilgung von Ausgleichsforderungen (Drucksache 2590) — Erste Beratung — Dr. Hettlage, Staatssekretär . . . 8925 B Jahn (Marburg) (SPD) . 8925 D, 8928 A Dr. Schmidt (Wuppertal) (CDU/CSU) 8926 D Beratung des Mündlichen Berichts des Immunitätsausschusses betr. Genehmigung zur Durchführung eines Ehrengerichtsverfahrens gegen den Abg. Dr. Eckhardt (Drucksache 2611) Wittrock (SPD) . . . . . . . . 8928 D Beratung des Mündlichen Berichts des Immunitätsausschusses betr. Ermächtigung zur Strafverfolgung gegen den Forstwirt Werner v. d. Ohe aus Oberohe Kr. Celle (Drucksache 2612) Wittrock (SPD) . . . . . . . 8929 A Nächste Sitzung 8929 C Anlage 8931 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 155. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 20. April 1961 8913 155. Sitzung Bonn, den 20. April 1961 Stenographischer Bericht Beginn: 17.02 Uhr
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    Anlage Liste der beurlaubten Abgeordneten Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich Dr. Achenbach 21. 4. Dr. Atzenroth 21. 4. Bach 21. 4. Bading 21. 4. Dr. Bartels 20. 4. Bauer (Wasserburg) 21. 4. Bausch 21. 4. Bazille 29. 4. Bergmann 22. 4, Berkhan 20. 4. Bettgenhäuser 20. 4. Birkelbach 20. 4. Dr. Birrenbach 30. 4. Blachstein 28. 4. Dr. Böhm 6. 5. Bruse 27. 4. Dr. Bucerius 20. 4. Dr. Burgbacher 22. 4. Corterier 21. 4. Dr. Dahlgrün 21. 4. Dr. Deist 21. 4. Demmelmeier 6. 5. Frau Dr. Diemer-Nicolaus 21. 4. Dr. Dollinger 21. 4. Dürr 29. 4. Dr. Eckhardt 21. 4. Dr. Friedensburg 21. 4. Frau Friese-Korn 21. 4. Fuchs 21. 4. Geiger 21. 4. Dr. Greve 21. 4. Haage 21. 4. Hansing 21. 4. Hauffe 1. 7. Heix 21. 4. Heye 20. 4. Hilbert 21. 4. Höfler 21. 4. Holla 20. 4. Dr. Hoven 20. 4. Huth 21. 4. Illerhaus 21. 4. Dr. Jaeger 2. 5. Dr. Jordan 21. 4. Dr. Kempfler 23. 4. Frau Klemmert 1. 7. Koenen (Lippstadt) 20. 4. Anlage zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich Dr. Kreyssig 21. 4. Kühlthau 21. 4. Kühn (Köln) 21. 4. Kurlbaum 21. 4. Leber 21. 4. Lenz (Brühl) 21. 4. Lenz (Trossingen) 27. 4. Leukert 20. 4. Lohmar 21. 4. Lücker (München) 21. 4. Frau Dr. Dr. h. c. Lüders 1. 7. Lulay 1. 5. Dr. Baron Manteuffel-Szoege 21. 4. Frau Dr. Maxsein 21. 4. Dr. Menzel 31. 5. Frau Nadig 21. 4. Neuburger 21. 4. Ollenhauer 20. 4. Paul 21. 4. Dr. Philipp 20. 4. Pohle 21. 4. Dr. Preusker 21. 4. Rademacher 6. 5. Ramms 20. 4. Dr. Reith 30. 4. Dr. Rüdel (Kiel) 21. 4. Dr. Schäfer 20. 4. Schlick 20. 4. Dr. Schmid (Frankfurt) 21. 4. Schneider (Hamburg) 21. 4. Dr. Schneider (Saarbrücken) 21. 4. Schüttler 21. 4. Frau Dr. Schwarzhaupt 20. 4. Dr. Seffrin 21. 4. Dr. Serres 21. 4. Siebel 20. 4. Stahl 21. 4. Dr. Stammberger 21. 4. Dr. Starke 21. 4. Frau Dr. Steinbiß 21. 4. Stenger 21. 4. Struve 22. 4. Dr. Vogel 27. 4. Wacher 21. 4. Wagner (Ludwigshafen) 21. 4. Weber (Georgenau) 21. 4. Wehking 21. 4. Wehner 21. 4. Welke 20. 4. Frau Wolff 22. 4.
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Otto Schmidt


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es wird sicherlich Aufgabe des Rechtsausschusses sein, sich mit dem hier anstehenden schwierigen Problem der Rückwirkung eingehend zu befassen. Ich glaube nur, daß das Problem im vorliegenden konkreten Fall sehr viel einfacher liegt, als es Herr Kollege Jahn dargestellt hat.
    Eines spricht sicherlich für die Ausführungen des Herrn Kollegen Jahn: daß nämlich in der Begründung des Gesetzes gewisse Formulierungen gebraucht sind, die zu der Annahme verleiten könnten, daß der hier anstehende Wortlaut einen solchen Rückwirkungsinhalt habe. Betrachtet man aber — ich wäre dankbar, Herr Kollege Jahn, wenn Sie mir jetzt einen Augenblick Aufmerksamkeit schenkten — den Wortlaut ohne die Begründung des verfassungändernden Gesetzentwurfs, so muß man zunächst einmal feststellen, daß in Art. II steht, daß das Gesetz mit seiner Verkündung in Kraft tritt. Das bedeutet, daß erst von diesem Tage an bestimmte Verfassungsänderungen gelten sollen.



    Dr. Schmidt (Wuppertal)

    Wie Herr Staatssekretär Hettlage bereits ausgeführt hat, beschäftigt sich der erste Satz, der den eigentlich verfassungändernden Charakter hat, nicht mit der Vergangenheit, nämlich mit Aufwendungen, die auf Grund der Kriegsfolgelastengesetze gemacht worden sind, sondern mit den entstehenden Aufwendungen, d. h. mit den Aufwendungen, die vom Zeitpunkt des Inkrafttretens an entstehen werden. Der Vordersatz „Soweit Besatzungskosten und die sonstigen inneren und äußeren Kriegsfolgelasten bis zum 1. September 1961 durch Bundesgesetze geregelt worden sind, . . ." bedeutet also — in gewisser Abweichung von den Ausführungen, die der Herr Staatssekretär soeben gemacht hat — nun nicht etwa die verfassungsmäßige Bestätigung dieser Gesetze und deren Verteilungsgrundsätze für die Vergangenheit, sondern er bedeutet nur, daß mit dem Inkrafttreten des Gesetzes jedenfalls diese Verteilungsgrundsätze unangefochten bleiben sollen, so daß alles, was in der Vergangenheit auf Grund dieser Gesetze geschehen ist, verfassungsmäßig nicht fundierter Tatbestand der Vergangenheit bleibt. Theoretisch könnte er also noch angefochten werden. Er wird nicht angefochten werden, weil alle Beteiligten sich in dem Vergleich für die Zukunft auf bestimmte Grundsätze geeignet haben. Sie wollen gewissermaßen die Vergangenheit als Tatsache auf sich beruhen lassen. Recht haben Sie, Herr Kollege Jahn, insofern, als die Begründung von einer Bestätigung der bisher geltenden Rechtslage spricht. Das ist aber in der nach meiner Auffassung sehr sorgfältig überlegten Formulierung nicht enthalten. Ich wäre sehr dankbar, Herr Kollege Jahn, wenn Sie im Rechtsausschuß — ich gehöre dem Rechtsausschuß
    leider nicht an — diesen Gesichtspunkt mit berücksichtigen wollten.
    Sie haben nämlich selbst in Ihren Ausführungen gesagt, praktisch werde es gewissermaßen nachträglich geheilt. Praktisch mag das sein. Aber Sie haben ja im Rechtsausschuß nicht darüber zu entscheiden, was praktisch die Wirkungen sind, sondern ob rechtlich die Rückwirkung von einem bestimmten Zeitpunkt an in Kraft gesetzt wird.
    In einem einzigen Punkt ist die Formulierung des verfassungändernden Gesetzes schwach. Es ist das kleine Wörtchen „auch" in dem vorletzten Satz, wo gesagt wird:
    Soweit Aufwendungen für Kriegsfolgelasten .. bis zum 1. September 1961 von den Ländern, Gemeinden (Gemeindeverbänden) oder sonstigen Aufgabenträgern erbracht wurden, ist der Bund zur Übernahme von Aufwendungen dieser Art auch nach diesem Zeitpunkt nicht verpflichtet.
    Das „auch" schließt natürlich insofern eine gewisse Rückwirkung ein, als es sagen soll: Vorher hat es gegolten, und jetzt wird es bestätigt; es soll auch in Zukunft gelten. Ich bitte zu überlegen, ob nicht durch die Streichung des Wörtchens „auch" dem Gesetz der Charakter der beanstandeten Rückwirkung genommen werden kann. Ich meine, verehrter Herr Kollege Jahn, das könnte die Brücke sein, um diesen geduldig und sorgfältig ausgehandelten Vergleich abzusichern. Das Gefüge unserer ganzen
    Finanzwirtschaft könnte sonst auf das schwerste erschüttert werden. Das sorgfältig ausgeklügelte Werk sollte nicht durch, sagen wir, übersteigertes juristisches Formdenken unter Umständen zunichte gemacht werden. Das würde weder der Rechtsaufgabe, die wir haben, noch den praktischen Bedürfnissen gerecht.
    Lassen Sie mich nun zu Ihren grundsätzlichen Ausführungen noch zwei Bemerkungen machen. Wenn wir dem Bundesverfassungsgericht rechtlich die Möglichkeit einräumen, etwas, was gegolten hat und auf Grund von Gesetzen gutgläubig praktiziert worden ist, rückwirkend für nichtig zu erklären und damit einem Geschehen, einem tatsächlichen Verhalten die Rechtsgrundlage zu entziehen — das Recht haben wir dem Bundesverfassungsgericht gegeben, und sicherlich hat das auch gute Gründe für sich —, dann müssen wir aber auch darüber nachdenken, wie man einen solchen geschaffenen, oft unwiderruflichen Tatbestand rechtlich heilen oder reparieren und in Ordnung bringen kann. Andernfalls hängt das Recht des Bundesverfassungsgerichts in der Luft; denn wir können ja einen nun einmal geschaffenen Tatbestand nicht beliebig rückwirkend umformen. Was geschehen ist, ist nun einmal geschehen.
    Insofern unterscheidet sich nach meiner Auffassung ein Gesetz, das zum Ziel hat, etwas, was nachträglich seine Rechtsgrundlage verloren hat, zu heilen oder zu reparieren, d. h. eventuell auch zu bestätigen, von anderen rückwirkenden Gesetzen. Ein solches Gesetz hat überhaupt keinen echten Rückwirkungscharakter. Wirklichen Rückwirkungscharakter hat ein Gesetz nach meiner Auffassung nur dann, wenn es zu einem dem Gesetz voraufgehenden Zeitpunkt fiktiv etwas an Rechten, Verpflichtungen, Institutionen usw. begründet. Dann wird nämlich so getan, als ob in der Vergangenheit dieses oder jenes schon Rechtens gewesen wäre. Darüber bin ich mit Ihnen einig, und darüber werden wir alle im Hause einig sein: das geht nicht. Aber es muß die Möglichkeit bestehen, auf die Dauer etwas, was seiner förmlichen Grundlage beraubt worden ist, nachträglich in Ordnung zu bringen, zu heilen, zu reparieren. Aber das tut dieses Gesetz nicht einmal. Dieses Gesetz geht vielmehr von dem strengsten Standpunkt aus, den Sie, Herr Jahn, hier soeben dargelegt haben, von dem allerstrengsten: es ist nämlich eine Rückwirkung auch im Sinne der Heilung und Reparierung eines einmal vollzogenen Tatbestandes hier bewußt umschifft und vermieden worden; vielleicht mit Ausnahme des Wörtchens „auch", vielleicht mit Ausnahme einiger mißverständlicher Sätze in der Begründung.
    Unter diesem Gesichtspunkt bitte ich, im Rechtsausschuß nicht die verfassungsmäßige Absicherung des Vergleiches zu gefährden.

    (Beifall bei der CDU/CSU. — Abg. Jahn [Marburg] meldet sich zum Wort.)



Rede von Dr. Thomas Dehler
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Herr Kollege Jahn, das ist eine sehr interessante Frage. Ein Wort nur. Herr Kollege Krammig hat vorhin bei der anderen



Vizepräsident Dr. Dehler
Vorlage mit Recht gesagt: bei der ersten Lesung soll man von den Grundzügen der Vorlage sprechen. Es ist ein sehr interessantes Rechtsproblem, das Sie aufgeworfen haben. Sollen wir es wirklich jetzt bei der ersten Lesung austragen?

(Abg. Jahn einige Worte der Erwiderung für notwendig!)

— Bitte schön!

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Gerhard Jahn


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Ich glaube, Verfassungsfragen sind es immerhin wert, daß sie mit hinreichendem Ernst hier diskutiert werden.
    Herr Kollege Dr. Schmidt, ich glaube, der Hinweis darauf, daß in Artikel 2 steht: „Dieses Gesetz tritt am Tage seiner Verkündung in Kraft", war nicht so ganz ernst gemeint, um darzutun, daß darin keine Rückwirkung liegt. Davor wird man sich natürlich hüten, das wäre ja auch allzu offenkundig, wenn man das Gesetz auch noch ausdrücklich rückwirkend in Kraft setzen wollte. Aber materiell steckt in diesem Gesetz eine Rückwirkung, und das können Sie, glaube ich, auch mit Formulierungen nicht ausräumen. Denn es steckt doch darin die Sanktionierung eines vom Bundesverfassungsgericht ausdrücklich als nichtig erklärten Gesetzes und eines Sachverhalts, dem Sie nachträglich Verfassungskraft verleihen wollen, indem Sie dem für nichtig erklärten Gesetz nun außerdem auch noch für die Zukunft die volle Verfassungswirkung zugestehen wollen.
    Ich glaube, man kann solchen Einwänden nicht damit begegnen, daß man sagt, man solle diesen kunstvollen Vergleich nicht an übersteigertem Formalismus scheitern lassen. Meine Damen und Herren, im Hinblick darauf, daß es sich hier immerhin um das Grundgesetz handelt, ist es nicht sehr angebracht, von „übersteigertem Formalismus" zu reden. Bedenken Sie bitte einmal, auf welchen Weg Sie sich begeben, wenn Sie hier einen Präzedenzfall dafür schaffen, daß Sie auf Grund einer Feststellung des Bundesverfassungsgerichts, ein Gesetz sei nichtig, daraufhin das Grundgesetz ändern. Sie können darin den Auftrag sehen — und da machen wir mit, da gibt es gar keinen Vorbehalt, wenn das notwendig ist —, das Gesetz zu ändern und im normalen Gesetzgebungsgang die Schäden, die sich herausgestellt haben — um bei Ihrer Formulierung zu bleiben —, zu reparieren. Aber Sie können es doch nicht so machen, daß Sie einen Spruch des Verfassungsgerichts zum Anlaß nehmen, dann einfach die Verfassung zu ändern. Sind Sie sich denn gar nicht bewußt, daß Sie damit überhaupt die ganze Verfassung, das ganze Grundgesetz unglaubwürdig machen und unsere verfassungsmäßige Ordnung in ihrer Vorrangigkeit überhaupt in Frage stellen?

    (Abg. Krammig: Das ist Übertreibung!)

    Ich glaube, das hat nichts mit übersteigertem Formalismus zu tun, sondern es ist die Frage: Wie
    stellt man sich zu diesem Grundgesetz, wie betrachtet man seine Stellung in unserer Rechtsordnung, und welchen Rang mißt man ihm bei? Ich glaube, diese Frage können wir nicht ernst genug nehmen. Anhaltspunkte dafür, daß man sie nicht ernst genug nehmen kann, haben wir ja in den letzten Monaten hinreichend gehabt.

    (Abg. Krammig: Nicht in den letzten Monaten allein, auch in den letzten Jahren!)