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ID0315500500

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    Deutscher Bundestag 155. Sitzung Bonn, den 20. April 1961 Inhalt: Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Einkommensteuergesetzes, des Körperschaftsteuergesetzes, des Gewerbesteuergesetzes, des Bewertungsgesetzes, des Vermögensteuergesetzes, des Steuersäumnisgesetzes, der Reichsabgabenordnung, des Steueranpassungsgesetzes und des Gesetzes zur Förderung der Wirtschaft von Berlin (West) (Steueränderungsgesetz 1961) (Drucksache 2573) — Erste Beratung — Dr. Hettlage, Staatssekretär . . . 8913 B Seuffert (SPD) . . . . . . . . 8915 C Freiherr von Kühlmann-Stumm (FDP) 8919 A Krammig (CDU/CSU) 8923 D Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Artikels 120 des Grundgesetzes und Entwurf eines Gesetzes über die Tilgung von Ausgleichsforderungen (Drucksache 2590) — Erste Beratung — Dr. Hettlage, Staatssekretär . . . 8925 B Jahn (Marburg) (SPD) . 8925 D, 8928 A Dr. Schmidt (Wuppertal) (CDU/CSU) 8926 D Beratung des Mündlichen Berichts des Immunitätsausschusses betr. Genehmigung zur Durchführung eines Ehrengerichtsverfahrens gegen den Abg. Dr. Eckhardt (Drucksache 2611) Wittrock (SPD) . . . . . . . . 8928 D Beratung des Mündlichen Berichts des Immunitätsausschusses betr. Ermächtigung zur Strafverfolgung gegen den Forstwirt Werner v. d. Ohe aus Oberohe Kr. Celle (Drucksache 2612) Wittrock (SPD) . . . . . . . 8929 A Nächste Sitzung 8929 C Anlage 8931 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 155. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 20. April 1961 8913 155. Sitzung Bonn, den 20. April 1961 Stenographischer Bericht Beginn: 17.02 Uhr
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    Anlage Liste der beurlaubten Abgeordneten Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich Dr. Achenbach 21. 4. Dr. Atzenroth 21. 4. Bach 21. 4. Bading 21. 4. Dr. Bartels 20. 4. Bauer (Wasserburg) 21. 4. Bausch 21. 4. Bazille 29. 4. Bergmann 22. 4, Berkhan 20. 4. Bettgenhäuser 20. 4. Birkelbach 20. 4. Dr. Birrenbach 30. 4. Blachstein 28. 4. Dr. Böhm 6. 5. Bruse 27. 4. Dr. Bucerius 20. 4. Dr. Burgbacher 22. 4. Corterier 21. 4. Dr. Dahlgrün 21. 4. Dr. Deist 21. 4. Demmelmeier 6. 5. Frau Dr. Diemer-Nicolaus 21. 4. Dr. Dollinger 21. 4. Dürr 29. 4. Dr. Eckhardt 21. 4. Dr. Friedensburg 21. 4. Frau Friese-Korn 21. 4. Fuchs 21. 4. Geiger 21. 4. Dr. Greve 21. 4. Haage 21. 4. Hansing 21. 4. Hauffe 1. 7. Heix 21. 4. Heye 20. 4. Hilbert 21. 4. Höfler 21. 4. Holla 20. 4. Dr. Hoven 20. 4. Huth 21. 4. Illerhaus 21. 4. Dr. Jaeger 2. 5. Dr. Jordan 21. 4. Dr. Kempfler 23. 4. Frau Klemmert 1. 7. Koenen (Lippstadt) 20. 4. Anlage zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich Dr. Kreyssig 21. 4. Kühlthau 21. 4. Kühn (Köln) 21. 4. Kurlbaum 21. 4. Leber 21. 4. Lenz (Brühl) 21. 4. Lenz (Trossingen) 27. 4. Leukert 20. 4. Lohmar 21. 4. Lücker (München) 21. 4. Frau Dr. Dr. h. c. Lüders 1. 7. Lulay 1. 5. Dr. Baron Manteuffel-Szoege 21. 4. Frau Dr. Maxsein 21. 4. Dr. Menzel 31. 5. Frau Nadig 21. 4. Neuburger 21. 4. Ollenhauer 20. 4. Paul 21. 4. Dr. Philipp 20. 4. Pohle 21. 4. Dr. Preusker 21. 4. Rademacher 6. 5. Ramms 20. 4. Dr. Reith 30. 4. Dr. Rüdel (Kiel) 21. 4. Dr. Schäfer 20. 4. Schlick 20. 4. Dr. Schmid (Frankfurt) 21. 4. Schneider (Hamburg) 21. 4. Dr. Schneider (Saarbrücken) 21. 4. Schüttler 21. 4. Frau Dr. Schwarzhaupt 20. 4. Dr. Seffrin 21. 4. Dr. Serres 21. 4. Siebel 20. 4. Stahl 21. 4. Dr. Stammberger 21. 4. Dr. Starke 21. 4. Frau Dr. Steinbiß 21. 4. Stenger 21. 4. Struve 22. 4. Dr. Vogel 27. 4. Wacher 21. 4. Wagner (Ludwigshafen) 21. 4. Weber (Georgenau) 21. 4. Wehking 21. 4. Wehner 21. 4. Welke 20. 4. Frau Wolff 22. 4.
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Walter Seuffert


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Steueränderungsgesetz, das, wie wir soeben auch in der mündlichen Begründung gehört haben, eine Technik sein soll, in der wir irgendwie auf das Ziel des Jahressteuergesetzes zuzukommen versuchen, soll technische Änderungen zusammenfassen, soll aber auch materielle Steueränderungen jeweils zeitnah bringen, — wobei natürlich „zeitnah" im Jahre 1961 auch so zu verstehen ist: ins Wahljahr passend.
    Wie Sie schon aus der schriftlichen Begründung sehen, läßt aber dieses Steueränderungsgesetz einige, auch von der Begründung — ich verweise auf Abschnitt IV der allgemeinen Begründung — als außerordentlich dringlich und eben auch in der mündlichen Begründung hervorgehobene Fragen ungelöst. Sie sind in diesem Bundestag gar nicht angefaßt worden. Es handelt sich um die Neuordnung der Gewerbesteuer — in der mündlichen Begründung erweitert auf Neuordnung des gemeindlichen Steuersystems überhaupt —, der Vermögensteuer und der Erbschaftsteuer. Auch wir sehen diese Fragen als durchaus dringlich an.
    Mit dankenswerter Klarheit ist in der Begründung des Gesetzentwurfs festgestellt, warum diese Fragen zurückgestellt worden sind. Der Grund liegt darin, daß eine Neuregelung der Einheitswerte des Grundbesitzes nicht durchgeführt worden ist. Die Gründe, warum sie wieder nicht durchgeführt worden ist, sind jedem bekannt. Wir müssen diese Feststellungen festnageln; wir sagen, daß das nicht so weitergehen kann und daß die Ursachen, die zu diesem Rückstand in der Gesetzgebung geführt haben, beseitigt werden müssen.
    In der Begründung sind auch andere Probleme genannt worden, das Problem der Organschaft, das Problem des Schachtelprivilegs, ich möchte richtiger sagen: das Problem der Körperschaftsteuer und der Unternehmensbesteuerung überhaupt. Auch das sind Probleme, die mit diesem letzten Steueränderungsgesetz dieses Bundestages leider nicht erledigt werden.
    Das Gesetz selbst berührt eine Reihe von technischen Fragen, auf die ich nicht weiter eingehen werde. Zu den Punkten, die im zweiten Abschnitt der Begründung als besonders wichtig hervorgehoben sind, gehört zunächst die sehr weitgehende Ermächtigung für Steuerbegünstigungen zugunsten von Privatkapital, das im Sinne der Entwicklungs-



    Seuffert
    hilfe in Entwicklungsländern angelegt wird. Es ist nur in großen Zügen angedeutet, nach welchen Gesichtspunkten das erfolgen soll. Der Rahmen ist ziemlich weit gesteckt, er bedarf noch sehr der Ausfüllung.
    Wir von der Opposition sind bereit, auf den Gedanken dieser Ermächtigung einzugehen. Wir weisen aber darauf hin, daß diese Ermächtigung die absolute Verpflichtung für die Bundesregierung bedeutet, nun auch ein präzises und sachlich durchdachtes Programm ohne Verzug aufzubauen für das, was sie sich unter Entwicklungshilfe vorstellt.

    (Beifall bei der SPD.)

    Dazu gehört insbesondere auch, daß die notwendigen Stellen aufgebaut und in die richtige Verantwortung gesetzt werden, die imstande sind, ein solches Programm überhaupt aufzubauen und nach ihm zu arbeiten.
    Wir wollen auf der anderen Seite mit jeder Deutlichkeit auch sagen, daß wir nicht beabsichtigen, in den steuerlichen Begünstigungen weiter zu gehen, als die Regierung hier vorschlägt. Es ist leider geradezu symptomatisch für die Einstellung gewisser wirtschaftlicher und auch politischer Kreise, daß, bevor überhaupt ein Programm für diese Entwicklungshilfe vorliegt, in einem Zeitpunkt, wo die Hauptschwierigkeit eben darin liegt, daß ein solches Programm fehlt, sich schon alle möglichen Leute um nichts anderes bemühen wollen, als den Rahmen von vornherein noch weiter zu spannen, und schon genau wissen wollen — ohne daß überhaupt ein Programm vorliegt —, was darüber hinaus noch alles zugunsten privater Anlagen gefordert werden könnte.

    (Abg. Dr. Dr. h. c. Dresbach: Leider haben Sie recht!)

    Das sind Leute, die immer nur daran interessiert sind, einen möglichst großen Rahmen für Interessentenwünsche zu haben. Solche Forderungen scheinen uns nicht im Sinne des Gedankens der Entwicklungshilfe selbst zu liegen.

    (Beifall bei der SPD.)

    Wir möchten also nicht weiter gehen als die Regierungsvorlage und hier vor allen Dingen keine pauschalen Regelungen sehen, also etwa Pauschalwertberichtigungen, die bei der Steuer überhaupt nicht mehr hereingeholt werden können und etwa schon auf die bloße Tatsache der Auslandsanlage hier gegeben werden könnten.
    Diese Bestimmung macht eine sehr intensive Verwaltungsarbeit notwendig. Aber nach unserer Ansicht ist das sorgfältigst überdachte, das allergründlichste, wenn auch großzügige Verwaltungsverfahren für diese Zwecke erforderlich und gerade gut genug.
    Meine Damen und Herren, ein weiterer Punkt, der auch in der Begründung als sehr wichtig hervorgehoben worden ist — merkwürdigerweise, möchte ich allerdings sagen —, ist jene Ermächtigung für Sonderabschreibungen bei einer etwa eintretenden Konjunkturabschwächung. Es ist eine Ermächtigung, die zwar nur mit Zustimmung des Bundestages gebraucht werden soll, aber doch ganz offenbar auf pauschale Beschlüsse abzielt und dafür wieder merkwürdig spezifiziert ist. Es muß fast einigermaßen komisch erscheinen, daß gerade dieser Fall im gegenwärtigen Zeitpunkt als besonders dringlich und wichtig erachtet wird. Ganz abgesehen davon ist es merkwürdig, daß die Vorstellung besteht, im Falle des Falles, im Falle einer Konjunkturabschwächung, die eine Konjunkturspritze notwendig macht, könnten ausgerechnet Sonderabschreibungen wieder das womöglich einzige, jedenfalls aber hauptsächliche und vordringliche Mittel sein. Wir wissen doch alle, welches die Folgen der 7er-Gruppe — das sind die Sonderabschreibungen — im Einkommensteuergesetz, aus welchen Gründen, zwingenden oder nicht zwingenden, sie damals auch eingeführt sein mögen, für die Vermögensbildung und für die Einkommensverteilung in der Bundesrepublik gewesen sind. Das ist von allen Seiten dieses Hauses, auch von vielen Herren der Mehrheit, sehr oft beklagt und hervorgehoben worden. Es hat sogar einen Zeitpunkt gegeben, wo der Eindruck bestand, daß selbst der Herr Bundeskanzler einiges gesehen habe, das ihn habe angst und bange werden lassen.
    Vielleicht haben einige immer noch nicht eingesehen, daß die Gesundheit und deswegen auch die Gesundungsprozesse einer Wirtschaft sich auf das Masseneinkommen stützen müssen und nicht auf Steuerbegünstigungen für Unternehmer.

    (Zustimmung bei der SPD.)

    Die konservative Regierung in England will sich gerade im Augenblick für eine ähnliche Situation vorsorglich Ermächtigungen zur Erhöhung von Verbrauchsteuern geben lassen. Ich will diesem Verfahren ganz und gar nicht das Wort reden, obwohl die englische Purchase tax der deutschen Umsatzsteuer in keiner Weise vergleichbar ist. Aber Sie sehen daraus doch schon, daß für einen Fall, der eine Konjunkturspritze notwendig macht, andere und bessere Mittel als allein nur wieder Sonderabschreibungen in Frage kommen.
    Im übrigen muß ich fragen: Wenn man schon besondere Instrumente der Konjunkturpolitik einbauen will, wo bleibt dann das im Augenblick doch viel aktuellere Gegenstück, nämlich das Instrumentarium für konjunkturdämpfende Maßnahmen von seiten der Regierung, etwa die Herabsetzung der Abschreibungssätze oder andere Mittel?! Daran denkt anscheinend niemand, davon spricht man nur.

    (Abg. Dr. Dr. h. c. Dresbach: Baugenehmigungsstopp!)

    — Ja, das ist ein Kapitel, das einen veranlassen könnte, von der Sache abzuschweifen.

    (Abg. Dr. Dr. h. c. Dresbach: Ich bin kein Freund davon!)

    Was steckt denn dahinter? Es ist ja schon ganz unverblümt ausgesprochen worden. Dahinter steckt die Vorstellung, daß der derzeitige Stand der Abschreibungen einschließlich der degressiven Zusatzabschreibungen und der Stand der Unternehmensbesteuerung überhaupt ein Minimum darstelle, un-



    Seuffert
    ter das nicht heruntergegangen werden könne, daß es sich hier um einen Besitzstand handle, der nicht angetastet werden dürfe, auch wenn die Lage einmal ganz anders sei. Das ist die Vorstellung, die wir hinter diesem Paragraphen erkennen und der wir uns in gar keiner Weise anschließen können.

    (Beifall bei der SPD.)

    Da scheiden sich also die Geister sehr, und da können wir nicht mitmachen.
    Nun zu der Frage der Gewerbesteuersenkung für natürliche Personen und Personengesellschaften. Soeben ist von Herrn Staatssekretär Hettlage hervorgehoben worden, daß das der finanzielle Schwerpunkt der ganzen Vorlage ist. Es ist natürlich sehr beachtlich, daß der finanzielle Schwerpunkt eines Steueränderungsgesetzes im Bundestag bei Steuern liegt, die die Bundeskasse nichts angehen und die allein anderen Steuerträgern gehören.

    (Beifall bei der SPD. — Abg. Börner: Schön bequem!)

    Wir möchten keinen Zweifel darüber lassen, daß wir Steuersenkungen zugunsten des gewerblichen Mittelstandes, vor allen Dingen desjenigen, der in persönlicher unternehmerischer Verantwortung da tätig ist, wo es praktisch auf eigene selbständige Arbeit hinausläuft, sehr gern mitmachen. Aber wir finden es nicht sehr anständig, solche Gedanken, die im Wahljahr natürlich sehr passend sind, ausschließlich auf Kosten der hier im Bundestag wehrlosen Gemeindekassen verwirklichen zu wollen,

    (Beifall bei der SPD)

    und das sogar mit Steuervorteilen für Bund und Länder!
    Der Ausfall wird bekanntlich auf 530 Millionen DM, ohne die Stadtstaaten auf 480 Millionen DM berechnet. Damit verbunden sind 120 Millionen DM allein an Mehreinnahmen für Bund und Länder. Herr Staatssekretär Hettlage hat am 12. Dezember 1960 im Bundestag allein den unzumutbaren Ausfall auf 250 Millionen DM bei den Gemeinden beziffert. Ich fürchte, das ist noch eine sehr konservative Schätzung, wenn ich bedenke, daß der Ausfall allein in München 12 bis 15 Millionen DM beträgt. Das ist ein Ausfall, der bei der Lage dieser ungefähr finanzschwächsten aller deutschen Großstädte in vollem Umfang als ein unzumutbarer bezeichnet werden muß.
    Ich spreche hier nicht von der Frage der Einkommensgrenze. Leider ist die Frage der Einkommensgrenze nichts, was das Problem wesentlich verändert. Das ist eine Frage von 10 bis 20 0/o mehr oder weniger Ausfall mit außerordentlich verschiedener Auswirkung bei den einzelnen Gemeinden. Das Problem selbst wird dadurch nicht wesentlich geändert, ob Sie überhaupt Einkommensgrenzen festsetzen oder sie etwas heruntersetzen, oder was sonst.
    Meine Damen und Herren, wir sind der Ansicht, daß, da nun in diesem September Bundestagswahlen stattfinden und nicht Landtags- und Kommunalwahlen, man sich auch entschließen sollte, die gewünschte steuerliche Erleichterung für den gewerblichen Mittelstand aus Bundesmitteln zu beschaffen,

    (Beifall bei der SPD)

    das heißt auf dem sehr viel wirksameren Weg einer Umsatzsteuersenkung,

    (Erneuter Beifall bei der SPD)

    wofür Ihnen präzise Anträge der SPD auf Senkung der Umsatzsteuer von 4 auf 3 % für die Umsätze bis zu 120 000 DM jährlich bereits vorliegen. Diese Anträge würden den Betroffenen ein Vielfaches der Steuererleichterungen bringen, die Sie hier über die Gewerbesteuer vorsehen, ohne daß die Gemeinden in Beklemmung geraten. Die dritte Säule ist doch nicht die Säule, auf die man nach Bedarf immer nur ablädt.
    Es hat einmal Zeitungsmeldungen gegeben, in denen es geheißen hat, daß die viel gelästerte Grüne Front zu der Erkenntnis gekommen sei, daß die Gewerbesteuersenkung gerade sehr viele ländliche Gemeinden in ihrer Existenzfähigkeit — im Hinblick auf ihre Aufgaben — bedrohen könnte. Die Grüne Front soll sehr mit Recht und Besorgnis erwogen haben, daß dann in diesen Gemeinden nur Grundsteuererhöhungen der Ausweg sein könnten. Die Grüne Front soll daher den Entschluß gefaßt haben, diese Steuersenkung aus fremden Taschen zu verhindern und dafür den viel mittelstandsfreundlicheren Anträgen ,der SPD zu einer Reform der Umsatzsteuer ihre Zustimmung zu geben.

    (Zurufe: Hört! Hört! — Abg. Dr. Dr. h. c. Dresbach: Da haben Sie sich aber einen netten Kartellbruder ausgesucht! Die Grüne Front! — Heiterkeit.)

    — Alles zu seiner Zeit, Herr Dresbach!

    (Erneute Zurufe.)

    — Ich beziehe mich auf Zeitungsmeldungen und auf Begründungen in diesen Meldungen, die vollständig logisch und einleuchtend sind. Ich möchte im Interesse der Gemeinden und vor allem des gewerblichen Mittelstandes, für den das viel besser wäre, hoffen, daß sich das bewahrheitet. Wir, meine Damen und Herren, möchten jedenfalls großzügig aus eigener Tasche sein und möchten dem gewerblichen Mittelstand mehr zukommen lassen und nicht gerade die Gemeinden, auf deren Leistungen und Leistungsfähigkeit der Mittelstand so sehr angewiesen ist, schwächen.
    Wir möchten keinesfalls die vorgeschlagene Operation mitmachen, ohne daß sichergestellt ist — aber auch wirklich sichergestellt ist, meine Damen und Herren —, daß keine Gemeinde einen unzumutbaren Ausfall erleidet bzw. daß ein Ausfall ersetzt wird. Ich möchte bezweifeln, ob Erklärungen der Länder, in welcher Form sie auch bisher vorliegen mögen, schon eine solche Sicherheit bieten können.
    Welche Schwierigkeiten diese Sicherstellung macht, brauche ich hier nicht darzulegen, glaube aber, daß diese Schwierigkeiten ein Grund mehr sein sollten, den richtigeren Weg zugunsten des gewerb-



    Seuffert
    lichen Mittelstandes zu gehen und den Anträgen der SPD zur Umsatzsteuer zu folgen.
    Ich komme zu den vorgeschlagenen Erhöhungen bei den Vermögensteuerireibeträgen und Bewertungsfreibeträgen. Einverstanden, sage ich, einverstanden; aber wir werden Sie dann erst recht ersuchen, auch dem Antrag Ihre Zustimmung zu geben, gleichzeitig die Abzugsfähigkeit der Vermögensteuer bei der Einkommensteuer zu beseitigen. Das ware ein Anfang zur Neuordnung der Vermögensteuer; denn das ist ja die Aufgabe, und auch in der Begründung des Gesetzes wird es als ein Rückstand der Gesetzgebung bezeichnet, daß es noch nicht dazu gekommen ist.
    Das ist noch nicht die Frage einer progressiven Gestaltung der Vermögensteuer — eine Frage, die durchaus der Überlegung wert wäre —, sondern das ist zunächst nur einmal die Beseitigung der Degressivität der Vermögensteuer, die darin besteht, daß der Empfänger eines hohen Einkommens praktisch die Vermögensteuer, die sonst ein anderer zu einem erheblichen Teil 'selber zahlen muß, nur zur Hälfte zahlt. Gerade wenn Sie die Vermögensteuerfreibeträge jetzt erhöhen, ist die Abzugsfähigkeit bei der Vermögensteuer nur noch eine einseitige Begünstigung hoher Einkommen. Um so berechtigter ist dieser Antrag, zumal die Beseitigung der Abzugsfähigkeit der Vermögensteuer genügen würde, um den Normalsteuersatz für das Durchschnittseinkommen von 20 % auf 18 % zu senken. Auch das werden wir beantragen.
    Wir Sozialdemokraten gehen immer von der Erkenntnis aus, daß die Verbesserung der Vermögensstruktur in der Bundesrepublik über die Erleichterung der Vermögensbildung bei Massen- und Durchschnittseinkommen zu erfolgen hat. Das kann wieder nur durch steuerliche Entlastung eben dieser Einkommenschichten erfolgen, die in der Bundesrepublik immer noch — direkt und indirekt — viel höher besteuert sind ich kann nicht müde werden, das zu wiederholen — als in den vergleichbaren Ländern.
    Die Beseitigung der Abzugsfähigkeit der Vermögensteuer, die gerade nach der Erhöhung der Freibeträge ein Privileg der hohen Einkommen ist, würde ausreichen, um für das Massen- und Durchschnittseinkommen zur Erleichterung seiner Vermögensbildung und damit zu einer wesentlichen Verbesserung der Vermögensbildung überhaupt den Steuersatz von 20 % auf 18 % zu senken. Das werden wir beantragen.
    Diese Normalsteuerpflichtigen, mit Einkommen bis zu 16 000 DM —, machen, wie Sie wissen, rund 90 % aller Steuerpflichtigen aus. Diese Gruppe der Normalsteuerpflichtigen umfaßt vor allen Dingen 95 bis 98 % aller Lohnsteuerpflichtigen, aller in unselbständiger Arbeit, im Arbeitnehmerverhältnis Stehenden. Wir glauben, daß in dieser Situation auch für die Arbeitnehmer selber endlich einmal etwas getan werden muß, die doch auch schließlich neben dem gewerblichen Mittelstand ihre Rechte und ihre Ansprüche haben. Sie stellen heute auch eine wichtige mittelständische Schicht dar, Man darf nicht vergessen, daß von der Kaufkraft dieser Schicht der Arbeitnehmer das Wohlergehen gerade ,des gewerblichen Mittelstandes weitgehend abhängt; denn gerade diese Schicht stellt ,den allergrößten Teil seiner Kunden.
    Ich werde Ihnen, meine Damen und Herren, in dieser kurzen Rede nicht die vielen Gründe wiederholen, warum ein Ausgleichsfreibetrag für Arbeitseinkommen einfach aus Gründen der Steuergerechtigkeit erforderlich ist. Aber ich erinnere daran, daß man sich im Jahre 1958 viel darauf zugute getan hat, daß durch die damalige Tarifreform, durch die einige vorher hartnäckig abgelehnte SPD-Anträge verwirklicht worden sind, fast die Hälfte der Arbeitnehmer, natürlich die schwächste Hälfte, die eigentlich schon gar nicht belastbare Hälfte, aus der Lohnsteuerpflicht herausgenommen worden ist. Eine überwiegende Mehrheit dieses Hauses — einige hartnäckige Gegenstimmen sind immer dagewesen — hat das begrüßt.
    Es ist aber weiter bekannt, daß infolge der Preisentwicklung, der Konjunkturentwicklung und der ihr folgenden Lohnentwicklung die lohnsteuerbefreiten Arbeitnehmer heute bereits nicht mehr annähernd die Hälfte, sondern vielleicht nur noch ein Drittel der Arbeitnehmer ausmachen. Infolge dieser Entwicklung sind inzwischen schon wieder Millionen aus dieser schwächsten Schicht der Arbeitnehmer in die Lohnsteuerpflicht hineinwachsen, ohne daß sich ihre relative Lage und die absolute Lage ihrer Lebenshaltung und ihrer Steuerfähigkeit dabei verbessert hätte. Daß es auf diese Art und Weise und bei solchen Entwicklungen mit der gewünschten breiten Vermögensbildung nicht weitergehen kann, dürfte klar sein.
    Wir halten es deswegen für hoch an der Zeit, daß wir wieder einmal an die Forderung des Freibetrages für Arbeitseinkommen erinnern. Wir halten das für eine notwendige Ergänzung gerade zu der hier vorgeschlagenen Entlastung des gewerblichen Mittelstandes. In der heutigen Situation und bei der Notwendigkeit eines Ausgleichs der soeben geschilderten Entwicklung bei der Lohnsteuer sollte dieser Freibetrag etwa bei 600 DM im Jahre liegen.
    Wir werden erwägen, ob als weitere Maßnahme zur wirklichen Verbesserung der Vermögensbildung das Sparprämiengesetz etwa zugunsten kinderreicher Familien im Sinne eines durchdachten Familienprogramms verbessert werden müßte. Wir behalten uns vor, Ihnen solche Vorschläge unabhängig von diesem Gesetz zu übergeben.
    Ich möchte noch dem Wunsche Ausdruck geben, daß entspechend der neulich geäußerten Bereitwilligkeit des Herrn Finanzministers vielleicht schon in diesem Gesetz etwas für die steuerlichen Hilfen für Ausbildungskosten geschieht. Wie nötig das ist, habe ich neulich hier Gelegenheit gehabt darzulegen.
    Meine Damen und Herren, damit möchte ich meine Ausführungen schließen. Ich habe Ihnen dargelegt, unter welchen Gesichtspunkten und mit welchen Forderungen wir an die Bearbeitung dieses Gesetzes herangehen werden.

    (Beifall bei der SPD.)






Rede von Dr. Thomas Dehler
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Das Wort hat der Herr Abgeordnete von Kühlmann-Stumm.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Freiherr Knut von Kühlmann-Stumm


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das Steueränderungsgesetz 1961 liegt uns vor. Es besteht die Gefahr, daß es unter Zeitdruck verabschiedet wird, da wir damit rechnen müssen, daß der Bundesrat Einwendungen erhebt und der Vermittlungsausschuß angerufen werden muß. Ich darf Sie daher eingangs meiner Ausführungen bitten, dem Vorschlage des Finanzausschusses zu folgen, der gebeten hat, dieses Gesetz nur dem Finanzausschuß und dem Haushaltsausschuß zu überweisen, damit es rechtzeitig verabschiedet werden kann. Die anderen Ausschüsse sollten selbstverständlich konsultiert werden. Wir wollen aber vermeiden, daß dieses wichtige Gesetz etwa nicht mehr vor Ende dieser Legislaturperiode verabschiedet werden kann.
    Diese Steueränderungsgesetze sind eine sehr problematische Sache. Der Herr Staatssekretär hat sich vorhin beschwert, daß eine Fülle von Anträgen auf ihn zukommt und eine große Zahl von Verbänden und Interessengruppen im Zuge dieser Steueränderungsgesetze neue Wünsche vortragen. Der Nachteil liegt ja darin, daß diese Gesetze jedes Jahr neu eingebracht werden. Damit wird natürlich der Anreiz gegeben, entsprechende Anträge zu stellen. Der Herr Bundeskanzler hat in seiner Regierungserklärung gerade diese Interessentengruppen sehr stark angegriffen. Wir haben im Finanzausschuß, glaube ich, über 200 Anträge zu diesem Steueränderungsgesetz liegen, und es ist schwierig, alle diese Anregungen zu bearbeiten.
    Die Steueränderungsgesetze werden jedes Jahr unter einem besonderen Gesichtspunkt herausgebracht und von der Regierung hier vorgelegt. Herr Dr. Dresbach hat das einmal mit „Leipziger Allerlei" bezeichnet. Der Herr Bundeskanzler selber hat damals in seiner Regierungserklärung gesagt, unter einer echten Reform verstehe er nicht das Einschieben des einen oder anderen Paragraphen Litera x, y, z in ein vorhandenes Gesetz. Genau das ist es aber, was die Steueränderungsgesetze — so wie sie gehandhabt werden — vorsehen. Wir halten das nicht für den richtigen Weg und hoffen, daß gleich bei Beginn des nächsten Bundestages eine gesetzliche Regelung beschlossen wird, wonach die Steuergesetze für einen längeren Zeitraum geplant und abgewickelt werden, so daß wir nicht jedes Jahr wieder mit solchen Steueränderungsgesetzen zu tun haben.
    Über die Reform der Finanzverfassung in diesem Zusammenhang ist bereits anläßlich der Haushaltsdebatte ausgiebig gesprochen worden, und ich glaube, die Schwierigkeiten, die sich hier ergeben, sind ebenfalls ausreichend berücksichtigt worden.
    Das vorliegende Gesetz steht im Zeichen der Eigentumsbildung in breiten Schichten der Bevölkerung, und es steht im Zeichen der steuerlichen Entlastung und der Stärkung der mittelständischen Wirtschaft. Unter diesem Gesichtspunkt müssen wir es sehen, und in dieser Hinsicht müssen meines Erachtens noch Verbesserungen in dieses Gesetz eingebaut werden.
    Die FDP hat hierzu verschiedene Anträge gestellt. Wir können zu unserer Freude erklären, daß diesen Anträgen in der Regierungsvorlage in weitem Umfange Rechnung getragen wird. Ich glaube aber, daß wir im Hinblick auf die augenblickliche konjunkturpolitische Lage und auf die Unruhe, die sich zur Zeit aus verschiedenen Gründen — auf die ich noch eingehen werde — in der Bundesrepublik abzeichnet, noch auf anderen Gebieten Korrekturen vornehmen sollten, um hier, soweit es die Steuergesetzgebung zuläßt, unseren Beitrag zu leisten.
    In der Haushaltsdebatte ist gesagt worden, daß wir uns am Rande des Defizits bewegen. Zunächst liegen uns nur die Schätzungen für Januar und Februar 1961 vor. Danach sind in den ersten zwei Monaten dieses Jahres die Steuereinnahmen des Bundes um 17 % und die der Länder um 28 % gestiegen. Die Steigerung ist also wesentlich höher, als vorher angenommen worden war. Wir stehen auf dem Standpunkt, daß diese Steuermehreinnahmen zu Steuersenkungen verwendet werden sollten, und bitten, unsere Anträge so zu verstehen. Die- Wirtschaft in der Bundesrepublik ist die höchstbesteuerte in der gesamten westlichen Welt. Unter allen westlichen Industrieländern ist die Bundesrepublik dasjenige Land, dessen Volkswirtschaft die höchsten fiskalischen Lasten zu tragen hat.

    (Abg. Seuffert: Die Verteilung ist entscheidend!)

    — Ich kann ja nur die steuerliche Gesamtbelastung hier erwähnen. Über die Differenzierung in der steuerlichen Belastung hat ja Herr Seuffert hier schon genügend Ausführungen gemacht.
    Die Steuereinnahmen sind stärker gestiegen als das Sozialprodukt und machen derzeit etwa 25 % des Sozialprodukts aus. Es hat sich gezeigt, daß die öffentliche Hand in der Bundesrepublik ihr Vermögen Jahr für Jahr erheblich vergrößern konnte, im Gegensatz zur Entwicklung in den Ländern der übrigen westlichen Welt, in denen die Staatsfinanzierung stärker auf Kredite geschaltet ist, wodurch mehr Raum für die private Vermögensbildung bleibt. Bei uns werden die Aufwendungen des außerordentlichen Haushalts durch den ordentlichen Haushalt finanziert. Dadurch wurden in den Nachkriegsjahren Milliardenbeträge angesammelt, und zwar waren es im Jahre 1958 13 Milliarden, im Jahre 1959 17 Milliarden und im Jahre 1960 22 Milliarden, die in Form von Investitionen oder Darlehen von der öffentlichen Hand angelegt wurden. Ich darf hier nur auf den Wohnungsbau verweisen. Diese Zahlen stammen aus den Ausführungen des Herrn Dr. Deuß in Düsseldorf, und ich glaube, sie sind jederzeit nachzuprüfen. Dieser Vermögenszuwachs der öffentlichen Hand übersteigt den Wert der Volkswagenprivatisierung um ein Vielfaches.
    Nun darf ich noch allgemein etwas zu den Maßnahmen sagen, die wir im Hinblick auf den selbständigen Mittelstand im Zuge der Steuergesetzänderung zu ergreifen gedenken. Wir dürfen nicht vergessen, daß all die Maßnahmen, die wir hier er-



    Freiherr von Kühlmann-Stumm
    greifen, und all die Erleichterungen, die wir der mittelständischen Wirtschaft und den freien Berufen zukommen lassen, in einem großen Umfange durch die Belastungen wieder aufgefangen werden, die auf dem Gebiete der Sozialgesetzgebung gerade auf die Kreise zukommen, die in diesem Steueränderungsgesetz angesprochen werden. Ich darf dabei auf drei sehr wichtige Gesetze hinweisen, die in diesem Bundestag noch verabschiedet werden: erstens das Kindergeldgesetz, zweitens die Regelung der Lohnfortzahlung im Krankheitsfall und drittens das Gesetz zur Eigentumsbildung in Arbeitnehmerhand, wobei wir noch nicht wissen, in welcher Form diese Gesetze endgültig verabschiedet werden. Es besteht aber kein Zweifel, daß gerade auf die Selbständigen und die mittelständische Wirtschaft sowie die freien Berufe mit diesen Gesetzen eine ganz erhebliche Belastung zukommt, die wir gar nicht hoch genug einschätzen können. Der vorliegende Gesetzentwurf gibt die Möglichkeit zum Ausgleich.
    Daß das Steueränderungsgesetz 1961 keine Vereinfachung bringt, möchte ich hier nur noch einmal erwähnen. Wir hoffen, ,daß im nächsten Bundestag tatkräftig Schritte unternommen werden, um auf diesem Wege ein wesentliches Stück vorwärtszukommen.
    Ich möchte noch eine allgemeine Bemerkung zu unserer Wirtschaftslage im Zusammenhang mit diesem Steueränderungsgesetz machen. Es besteht kein Zweifel, daß man mit diesem Gesetz verschiedenes erreichen kann und zumindest zu einem bescheidenen Teil in verschiedene Entwicklungen eingreifen kann, die uns augenblicklich in der Bundesrepublik beschäftigen. Der Bundesbürger leidet im Augenblick unter einer gewissen Inflationsangst. Er sagt, das Bauen wird in jedem Jahre teurer. Die Konjunktur wird dadurch angeheizt. Er bekommt ja auch den Beweis, indem er, wenn er in einem Jahr nicht gebaut hat, entsprechend mehr bezahlen muß. Die D-Mark-Aufwertung hat eine große Unruhe in die Bevölkerung gebracht.

    (Abg. Dr. Schmidt [Wuppertal] : Ach du liebe Zeit! Das glauben Sie selber nicht! — Weitere Zurufe.)

    — Sie hat eine große Unruhe in die Bevölkerung gebracht, wobei ich sie als Pfostenschuß bezeichnen möchte. Der Fußball ist ja seit Millowitschs Auftreten in Bonn einigermaßen populär geworden. Bei diesem Pfostenschuß wird scharf geschossen; es gibt einen großen Knall, die gegnerische Mannschaft ist vorübergehend deprimiert, aber es ist eben kein Tor. Der Präsident der Weltbank hat außerdem bereits jetzt angedeutet, daß die Absicht besteht, im Herbst die Bandbreiten zu erweitern. Dadurch ist natürlich neue Unruhe entstanden. Die Spekulation ist nicht abgebremst worden; sie ist gestiegen. Die Devisenzuflüsse bei der Bundesbank sind größer geworden. Der Export hat keine Einschränkungen erfahren. Die Preise sind, abgesehen von denen der Mineralölindustrie, nicht gefallen. Die Überhitzung der Konjunktur, die durch alle diese Maßnahmen hervorgerufen wird, ist völlig natürlich.
    Um noch einmal von dem Baustopp zu sprechen: wir haben uns darüber gewundert, daß gerade der
    Herr Bundesbankpräsident an die Fraktionen ein Telegramm geschickt hat, in dem er den Baustopp empfiehlt. Es ist doch eine selbstverständliche Tatsache, daß durch ,die laufende Senkung des Diskonts die Bautätigkeit angeheizt wird. Es wird doch geradezu ein Anreiz zum weiteren Bauen gegeben. Wir glauben, daß der geplante Baustopp eine Kurzschlußhandlung darstellt. Man hätte mit rechtzeitigen konjunkturpolitischen Maßnahmen dasselbe erreichen konnen. Man hätte z. B. bei der Steuergesetzgebung früher Maßnahmen zur Dämpfung ergreifen müssen. Ich stehe außerdem auf dem Standpunkt, daß dirigistische Maßnahmen, wie sie jetzt getroffen werden sollen, nicht nötig wären, wenn wir in Bund, Ländern und Gemeinden maßgehalten hätten und maßhalten würden. Man sollte aber doch verstehen, daß durch die Bekanntgabe von Baustoppideen eine Unruhe hervorgerufen wird. Die Leute bauen dann schneller. Die Konjunktur wird mehr angeheizt.
    Wir sollten im Wege der Steuergesetzgebung auf einen Konsum- und Investitionsverzicht hinwirken

    (Beifall bei der FDP)

    und Anreize dafür geben, damit es sich lohnt, nicht zu bauen, sondern das Geld entsprechend stillzulegen. Wenn solche Maßnahmen rechtzeitig getroffen warden wären, gäbe es keine Diskussion über Baustopp.
    Nicht zuletzt sollten wir mit diesem Baustopp hier im Hause beginnen. In der Frage des Umbaus des Bundeshauses sollten wir mit gutem Beispiel vorangehen.

    (Beifall bei der FDP.)

    Ich möchte nun auf die Einzelheiten des Gesetzes eingehen. Zunächst ist darauf hinzuweisen, daß wir im Jahre 1958 einen Einkommensteuertarifänderungsvorschlag vorgelegt haben, bei ,dessen Annahme ,die mittleren Einkommen — gerade die Einkommen derjenigen Gruppen, die hier angesprochen sind — immer noch höher belastet worden wären, als es z. B. in Amerika der Fall ist. Den Anträgen ist damals nicht Folge geleistet worden mit dem Hinweis, daß die Tarifänderung etwa 900 Millionen DM Mindereinnahmen gebracht hätte. Dabei haben Bund und Länder im nächsten Jahr erheblich größere Steuereinnahmen ausweisen können. Wir haben weiter beantragt, den § 10 a, der jetzt nur noch für Heimatvertriebene vorgesehen ist, für alle gelten zu lassen. Auch das ist abgelehnt worden.
    Wir schlagen daher vor, ernsthaft zu prüfen, ob man nicht das steuerlich begünstigte Sparen, also die steuerliche Begünstigung von Kapitalansammlungs- und Sparratenverträgen, wieder einführen sollte, wobei hierbei auch die Festbesoldeten, die leitenden Angestellten besonders angesprochen werden könnten. Wir begrüßen eine Erweiterung des prämienbegünstigten Sparens, wie es zumindest in der Presse von der SPD gefordert wird. Allerdings glauben wir, daß das prämienbegünstigte Sparen bisher nicht genügende Auswirkungen auf die Konjunktur gehabt hat.
    Nun wird uns entgegengehalten, daß das steuerbegünstigte Sparen nicht in vollem Umfang, nicht in



    Freiherr von Kühlmann-Stumm
    der alten Form wieder eingeführt werden könnte. Aber hinsichtlich der Begrenzung nach Jahren könnte man sich ja im Ausschuß ohne weiteres auf eine etwas längere Zeitspanne einigen. Hier ist eine Möglichkeit gegeben, dem Steuerzahler einen Anreiz zu bieten, Geld stillzulegen.
    Wenn man erreichen will, daß ein Bürger der Bundesrepublik Kapital im Ausland investiert, so muß man ihm dazu einen Anreiz geben. In der Welt gibt es sehr viele Beispiele dafür, wie man das macht. Die Amerikaner haben nach meinen Informationen einen privaten Kapitalexport von etwa 40 Milliarden DM. Sie geben die Steuererleichterungen in der Form, daß diese privaten Kapitalinvestitionen in fünf Jahren voll abgeschrieben werden können. Außerdem geben Sie für Gewinne aus diesen Kapitalbeteiligungen, die im Ausland reinvestiert werden, ebenfalls steuerliche Erleichterungen.
    Die Vorschläge der Bundesregierung in dieser Frage werden nicht ausreichen, um den privaten Kapitalexport wirklich zu fördern, da sie nur Rücklagenbildung vorsieht. Man muß größere Hilfe geben, denn man hegt doch den Wunsch, den Devisenturm abzubauen.
    Wir Freien Demokraten wünschen, daß die Entwicklungshilfe und der Kapitalexport weitmöglichst von privater Seite ausgehen. Wir wollen nicht, daß sich in diesem Punkte wieder ein Bundesmonopol bildet. Darum sollten alle steuerlichen Maßnahmen ergriffen werden, damit die Hilfen wirklich in der von unserer Fraktion gewünschten Form gegeben werden. Die Fraktion der Freien Demokraten schlägt vor, zu überlegen, ob für Entwicklungsanleihen, soweit sie nicht vom Bund gegeben werden, nicht die gleichen Vergünstigungen eingeräumt werden können, die das Sparprämiengesetz vorsieht.
    In diesem Hause bestand bei der Haushaltsdebatte Einmütigkeit darüber, daß die Ausbildungsbeihilfen für Kinder wesentlich verbessert werden sollten. Wir glauben, daß die Grenze von 25 Jahren, die heute im Gesetz vorgesehen ist, nicht ausreicht.

    (Abg. Krammig: Nehmen wir 50 Jahre! — Heiterkeit.)

    — Nein! Aber Herr Krammig, Sie müssen doch zugeben, daß die Altersgrenze von 18 bis 25 Jahren, die in dem Gesetz vorgesehen ist, überholt ist, weil es leider wegen der unterschiedlichen Schulsysteme der einzelnen Länder kaum noch möglich ist, mit 18 Jahren das Abitur zu machen.

    (Abg. Dr. Dr. h. c. Dresbach: Aber, Herr von Kühlmann-Stumm, Sie wollen doch nicht den Bummelstudenten!)

    — Nein, Herr Dr. Dresbach, das will ich weiß Gott nicht. Wir wollen die Regelung aber auf die wirkliche Studiums- und Ausbildungszeit abgestellt haben. Wir möchten, daß die 25 Jahre in die Diskussion gebracht werden.

    (Abg. Dr. Dr. h. c. Dresbach: Das wäre zu unserer Zeit eine nette Sache gewesen!)

    Wenn man auf dem Gebiet der Ausbildungsbeihilfen wirklich helfen will, dann bietet sich der § 33 a an. Wird möchten anregen, hier die Freibeträge zu erhöhen. Das sollte man tun, wenn man die Absicht hat — man hat das gesagt —, eine wirkungsvolle Hilfe zu geben.
    Wir haben aus der Presse entnommen, daß die beiden großen Parteien die Absicht haben, den Freibetrag für das erste Kind generell von 900 auf 1200 DM zu erhöhen. Dieses Problem ist bei uns im Arbeitskreis auch diskutiert worden. Nach den Ohrfeigen, die wir wegen unserer Anträge vom Finanzminister bekommen haben, wagten wir gar nicht mehr, einen solchen Antrag zu stellen. Die Freien Demokraten würden aber diesen Antrag, wenn er gestellt würde, energisch unterstützen, denn das wäre wirklich eine gute Sache.
    In diesen Zusammenhang gehört auch eine Angelegenheit hinein, die die Freien Demokraten schon bei den früheren Debatten über Steueränderungsgesetze nachdrücklich vertreten haben. Ich meine hier die Gleichstellung der Altersversorgung der Selbständigen mit der der Unselbständigen. Die Bundesregierung hat hierzu im Zusammenhang mit dem § 10 Vorschläge gemacht. Ich habe nicht ganz verstanden, warum der Bundesrat diese Vorschläge ablehnte. Wir würden befürworten, keine Einkommenhöchstgrenze zu ziehen. Der Finanzausschuß hat darüber schon debattiert. Wir begrüßen die Vorschläge, die die Bundesregierung zu diesem Punkte gemacht hat.
    Ich darf außerdem einen Beschluß des Bundestages vom 19. Februar 1959 in Erinnerung rufen, mit dem die Bundesregierung aufgefordert wurde, zu diesem Punkt Vorschläge zu unterbreiten. In der Drucksache 2018 macht das Bundesfinanzministerium unter Bezugnahme auf die eben erwähnte Entschließung Vorschläge zur Gleichstellung der privaten Altersversorgung mit der Versorgung der Unselbständigen, auch auf dem Gebiet der Erbschaftsteuer.
    Ich möchte jetzt noch einmal auf den Investitionsverzicht zu sprechen kommen. Ich habe in der letzten Debatte schon einmal angeregt, zu überprüfen, ob man nicht einen ähnlichen Weg gehen könnte, wie es die Schweiz und Schweden — wohlgemerkt unter ganz anderen Voraussetzungen — getan haben, indem man einem Steuerzahler, der ein Investitionsvorhaben nicht ausführt, sondern den entsprechenden Betrag bei der Notenbank oder wo immer für eine gewisse Zeit stillegt, dieselben Abschreibungsvergünstigungen gewährt, die er bekäme, wenn er die Investition vorgenommen hätte. Eine solche Maßnahme würde auf lange Sicht wirken. Wenn man sie früher ergriffen hätte, brauchte man vielleicht heute nicht über den Baustopp zu diskutieren.
    Noch ein Wort zu den Pensionsrückstellungen. Wir bitten, die Begrenzung auf hundert Pensionszusagen zu streichen; eine solche Einschränkung ist eine mittelstandsunfreundliche Maßnahme. Wir sehen nicht ein, warum ein selbständiger mittelständischer Betrieb, der nur 10 oder 15 Pensionszusagen gegeben hat, nicht die gleichen Vergünstigungen bekom-



    Freiherr von Kühlmann-Stumm
    men soll wie ein Betrieb mit über hundert Pensionszusagen.
    Wir möchten weiterhin anregen, in die Diskussion über das Steueränderungsgesetz auch das Problem der Überstunden einzubeziehen. Der überspannte Arbeitsmarkt hat große Schwierigkeiten mit sich gebracht. Ich denke hier an Schwarzarbeit und Abwerbung. Ich selbst habe in meinem Betrieb verschiedentlich erlebt, daß Arbeitnehmer mir gesagt haben: Wozu sollen wir Überstunden machen; wir kommen dadurch in eine höhere Progression und müssen Steuern zahlen; das wollen wir nicht. Man sollte sich darüber Gedanken machen, ob es nicht richtiger wäre, den Überstundengrundlohn und die Überstundenzuschläge von der Lohnsteuer zu befreien. Ich glaube, daß damit ein wesentlicher Schritt getan würde. Es ist mir gegenüber zwar eingewandt worden, daß durch diese Maßnahme die Bestrebungen der Gewerkschaften auf weitere Verkürzung der Arbeitszeit gefördert werden könnten. Ich glaube aber, diese Einwände sind nicht stichhaltig.
    Es ist, glaube ich, notwendig zu der Frage des Althausbesitzes Vorschläge zu machen; denn der Althausbesitz hinkt noch erheblich nach. Man hat zu berücksichtigen, daß in der Bundesrepublik derzeit auf 1000 Einwohner mehr Wohnungen vorhanden sind als vor dem Krieg, und es wird eines Tages so weit kommen, daß der Althausbesitz in einen wirklichen Konkurrenzkampf eintreten muß. Er sollte dann auch auf dem Gebiet der Steuergesetzgebung so weit berücksichtigt sein, daß er in der Lage ist, im Wettbewerb zu bestehen.
    Ich komme zur Gewerbesteuer. Hierzu liegt unser Antrag vom Oktober vor. Wir haben den Unternehmerfreibetrag vorgeschlagen und wir haben die Grenze nach oben unbeschränkt gefordert. Die Ertragsgrenze hat bei den Debatten im Bundesrat eine große Rolle gespielt, und wir hoffen, daß es im Finanzausschuß gelingen wird, die Begrenzung fallenzulassen. Es ist bereits erwähnt worden, daß es durch diese Maßnahme selbstverständlich zu einem Rückfluß der Körperschaft- und Einkommensteuer kommt. Ich darf darauf hinweisen, daß die Länder im Januar und Februar 28 % mehr Einnahmen hatten als vorher. Ich darf weiter darauf hinweisen, daß die Gewerbesteuer in den Gemeindefinanzen bereits auf über 80 % angestiegen ist.
    Ich möchte ferner an dem Kommentar, den der Finanzminister des Landes Hessen im Bundesrat zu diesem Gesetz gegeben hat, Kritik üben. Wir stehen auf dem Standpunkt, daß dieses Gesetz sehr wohl der mittelständischen Wirtschaft hilft. Es ist sehr erwünscht, daß das ganze Problem der Gewerbesteuer erneut zur Diskussion gestellt wird. Das gilt auch in bezug auf die Reform der Finanzverfassung. Deshalb können wir nicht verstehen, daß Herr Minister Conrad zum Beispiel sagt:
    Trotz erheblicher Zweifel an der Begründetheit der als Mittelstandshilfe gedachten Maßnahme schlägt Ihnen der Finanzausschuß vor, einer Erhöhung des Freibetrages im Grundsatz zuzustimmen. Er weist dabei aber darauf hin, daß dadurch neue, und zwar erhebliche Kaufkraft geschaffen wird, die bei der heutigen Konjunkturlage im Grunde genommen nicht zu verantworten ist. Ob der Abzug eines Unternehmerlohnes, der mit als Grund für eine so erhebliche Erhöhung des Freibetrages angegeben wird, bei der Gewerbesteuer gerechtfertigt ist, möchte ich als mindestens zweifelhaft bezeichnen.
    Für diese Ausführungen haben wir kein Verständnis. Ich glaube, daß die mittelständische Wirtschaft und die freien Berufe zur Konjunkturüberhitzung am wenigsten beigetragen haben.

    (Beifall bei der FDP und SPD.)

    Die Länder sind in der Lage, den finanzschwachen Gemeinden den Ausgleich zu gewähren.
    Die Dauerschulden und Dauerschuldzinsen bilden ein wirkliches Problem. Die Abgrenzung sollte überprüft werden, denn es entstehen erhebliche Härten.
    Die Vermögensteuer ist hier angeführt worden. Wir begrüßen die von der Bundesregierung vorgeschlagene Erhöhung der Freibeträge; die Bundesregierung ist mit dieser Erhöhung unserem Antrag gefolgt. Eine weitere Anhebung — wie es von dem Herrn Staatssekretär erwähnt worden ist — erscheint uns wirklich nicht mehr notwendig; denn auf diesem Gebiet ist, glaube ich, eine wirkliche Hilfe geleistet worden. Man sollte aber prüfen, ob nicht das private Kapitalvermögen im Verhältnis zum privaten Grundvermögen noch ungerechtfertigt belastet ist. Man könnte sich Gedanken darüber machen, ob man nicht dem privaten Kapitalvermögen durch eine Anhebung der Freibeträge eine zusätzliche Hilfe gewähren könnte. Dadurch würde die private Kapitalbildung gefördert werden, und es würden Härten gemildert, die sich besonders dadurch ergeben haben, daß wir bei der letzten Vermögensteuerveranlagung z. B. die Kurse von Wertpapieren nach dem damaligen Börsenkurs bewertet haben. Dadurch sind zweifellos den Besitzern solcher Wertpapiere — und diese Art der Eigentumsbildung soll ja möglichst breit gestreut erfolgen — ganz erhebliche Nachteile entstanden.
    Wir möchten dann noch einen recht wichtigen Punkt in die Diskussion bringen, nämlich die Frage: Warum zahlt die öffentliche Hand keine Vermögensteuer? Das ist mir als Neuling in diesem Hause völlig unverständlich. Ich habe das schon in meiner Heimat immer kritisiert, daß z. B. die Staatsforstverwaltungen, die ja ein unwahrscheinliches Vermögen mit einem sehr niedrigen Einheitswert haben, keine Vermögensteuer zahlen. Ich sehe eigentlich nicht ein, warum wir diesen Antrag nicht im Finanzausschuß stellen sollten.

    (Abg. Seuffert: Die Holzpreise!)

    — Das hat mit den Holzpreisen nichts zu tun, Herr Seuffert.

    (Abg. Seuffert: Nein?)

    Die Staatsforstverwaltung ist leider in der Holzpreisgestaltung maßgebend. Sie hat auch dazu beigetragen, daß die Holzpreise angeheizt worden sind, besonders in Hessen. Sie haben ganz recht.

    (Erneuter Zuruf des Abg. Seuffert. — Zuruf von der SPD: Sie sind auf dem Holzweg!)




    Freiherr von Kühlmann-Stumm
    Aber ich glaube, es wäre durchaus gerechtfertigt,
    wenn man diese Frage einmal zur Diskussion stellte.
    Ich möchte noch eine wichtige Frage des Steuerrechts aufwerfen. Von den Ländern ist eine Erhöhung der Streitwertgrenze von 200 auf 1000 DM vorgeschlagen worden. Das ist eine Maßnahme, die wir Freien Demokraten kritisieren müssen; denn hier wird ein Schritt unternommen, der es eben z. B. einem Steuerzahler, in dessen Fall der Streitwert in Zukunft unter 1000 DM liegt, nicht mehr möglich macht, den Bundesfinanzhof anzurufen. Wir haben sowieso nur zwei wirklich unabhängige Instanzen auf diesem Finanzgerichtswege, und ich darf in diesem Zusammenhang auf den sehr interessanten Leitartikel hinweisen, den die „Welt" gerade heute über diese Frage veröffentlicht hat.
    Wir wollen auf jeden Fall keine neuen Steuern, weder jetzt noch später. Ich möchte darauf hinweisen, daß gerade die Einheitswerterhöhungen, die heute wieder von mehreren Herren angesprochen worden sind, eine ganz erhebliche zusätzliche Steuerbelastung bringen werden, und zwar gerade für die Kreise, die hier in diesem Steuränderungsgesetz besonders angesprochen werden.

    (Abg. Krammig: Aber die Hebesätze werden nicht gesenkt!)

    — Das liegt nicht in der Hand des Bundestages. Der Herr Finanzminister hat hier erklärt, daß er die Einnahmen aus der Gewerbesteuer von jetzt 80 auf später 60 % der Gemeindefinanzen herabgesetzt haben will und daß dann die Grundsteuer 40 % der Gemeindefinanzen ausmachen soll. Aber woher wissen wir, wie das in den einzelnen Gemeindeparlamenten beschlossen werden wird?

    (Abg. Dr. Dr. h. c. Dresbach: Wenn überhaupt schon Einheitswerte, dann doch halbwegs ehrliche!)

    — Sicher, aber ich wollte nur sagen, daß im Zug der Einheitswerterhöhung, die aus verfassungsrechtlichen Gründen überhaupt nicht mehr weiter verhindert werden kann, gerade auf die mittelständische Wirtschaft neue Belastungen zukommen — daran ist gar kein Zweifel — und daß diese Belastungen schon eine Steuererhöhung ausmachen werden. Das wird im nächsten Bundestag sofort auf uns zukommen.

    (Abg. Dr. Königswarter: Keine Angst! Wir sprechen uns wieder!)

    — Ich glaube, inzwischen ist die Zeit so weit fortgeschritten — die letzte Bewertung ist im Jahre 1935 erfolgt —, daß es tatsächlich auf die Dauer nicht mehr aufzuhalten ist. Dabei wird natürlich gerade die Frage der Bewertung bei der Landwirtschaft sehr interessant sein. Wenn man heute wie damals den achtzehnfachen Ertragswert bei der Ermittlung des Einheitswertes zugrunde legt, wird die Landwirtschaft, zumindest in unseren Zonenrandgebieten, kaum höhere Einheitswerte bekommen, als sie sie bisher gehabt hat.
    Wir hoffen, daß dieses Gesetz, das im Finanzausschuß schon in erster Lesung beraten ist, in verbesserter Form in das Plenum zurückkehren wird, und zwar besonders im Hinblick auf diejenigen Kreise
    — das möchte ich noch einmal betonen —, die in diesem Gesetz, besonders in der Begründung der Bundesregierung, angesprochen sind: freie Berufe und die mittelständische Wirtschaft. Dabei betone ich noch einmal, daß die politische Bedeutung der kleinen und mittleren Selbständigen in unserer Bundesrepublik gar nicht hoch genug eingeschätzt werden kann. Wir müssen alle Wege beschreiten, um auf dem steuerlichen Sektor der mittelständischen Wirtschaft zu helfen, ,die eine Säule in unserer Marktwirtschaft darstellt.
    Wir sollten in dem Steueränderungsgesetz alle Mittel einsetzen, und zwar drastisch einsetzen, die im Zeichen einer überschäumenden Konjunktur zum Investitionsverzicht und Konsumverzicht anregen und dem Steuerzahler den Anreiz geben, Geld stillzulegen. Wir sollten den privaten Kapitalexport fördern, erstens im Hinblick auf den Devisenturm und zweitens im Hinblick darauf, daß wir den Entwicklungsländern tatkräftig helfen wollen. Wenn uns das gelingt, werden wir, wohl nur zu einem kleinen Teil, aber immerhin dazu beitragen, daß unsere bisher so erfolgreiche Marktwirtschaft nicht durch dirigistische Maßnahmen zunächst ausgehöhlt, eines Tages aber unter Umständen ganz beseitigt werden wird.

    (Beifall bei der FDP.)