Rede von
Dr.
Ludwig
Erhard
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Wer hat es zu verantworten, wie ist es dazu gekommen, warum mußten wir zu einem solch einschneidenden,
Dr. Dahlgrün
alle Teile des Volkes, alle Zweige der Wirtschaft gleichmäßig schwer treffenden Schnitt kommen? Ich weiß, viele unter Ihnen werden sagen, es sei müßig, sich darüber zu unterhalten und zu fragen, ob es nicht besser gewesen wäre, vor einer solchen Maßnahme im Wege internationaler Verhandlungen den Versuch zu machen, den Druck der überschüssigen Zahlungsbilanz zu mildern. Sie wissen, daß gerade von unserer Notenbank insoweit ganz konkrete Vorschläge gemacht worden sind, um keinen Alleingang zu wagen, der nun doch hat getan werden müssen. Man könnte sich darüber unterhalten, ob es durch Maßnahmen der Wirtschaftspolitik nicht möglich gewesen wäre, diesen Überschuß gar nicht erst entstehen zu lassen. Ich erinnere daran, daß wir von der FDP uns seit vielen Monaten — ich möchte fast sagen: seit Jahren — dafür eingesetzt haben, Steuern zu ermäßigen und die hereinkommenden Mehreinnahmen mindestens nicht in voller Höhe sofort durch steigende Staatsausgaben zu „verbraten". Sie wissen, daß mit Mehreinnahmen von 8 oder 9 Milliarden DM nicht gerechnet wurde. Sie sind dann doch hereingekommen, aber auch ausgegeben worden.
Alle diese Dinge liegen in der Vergangenheit. Wir sollten nach dem Schnitt, der nun vorgenommen worden ist, den Blick in die Zukunft richten und überlegen, was wir jetzt tun können.
Ich will gerade als Hamburger Abgeordneter hier an dieser Stelle nicht verschweigen, daß einzelne Zweige der Wirtschaft, beispielsweise die Werften an der Küste und die deutsche Schiffahrt, durch die D-Mark-Aufwertung in ganz besonderer Weise betroffen werden. Ich will auch nicht verschweigen, daß zum Beispiel die Kohle, die sich in den letzten Jahren sehr viel Mühe gegeben hat, in ihren Exportbemühungen zurückgeworfen werden wird. Möglicherweise werden wir vor Überlegungen gestellt werden, wie wir helfen können, was wir bei der Kohle in der Vergangenheit soundso oft haben tun müssen. Alle diese Dinge sind bitter und müssen jetzt ins Auge gefaßt werden.
Es ist verhältnismäßig billig, zu sagen — wie das heute morgen geschehen ist —, einzelne Wirtschaftszweige, einzelne Teile der Volkswirtschaft müßten zum Besten des Ganzen leiden. Natürlich müssen sie das; trotzdem dürfen wir sie in ihren Nöten nicht im Stich lassen. Wir müssen in die Zukunft sehen und versuchen — wie das Herr Professor Erhard auch schon gesagt hat —, das Beste aus der Sache zu machen. Dabei scheint es mir besonders wichtig zu sein, daß wir uns alle, die wir in diesen Dingen tätig sind, ganz klar darüber bleiben, daß die D-Mark-Aufwertung keine Alternative ist, daß sie kein Allheilmittel gewesen ist, mit dem wir nun aus allen Sorgen herausgekommen sind. Ich möchte sagen: gerade weil wir die D-Mark haben aufwerten müssen, gerade weil wir diesen globalen, alle treffenden Schritt wahrscheinlich nicht mehr haben vermeiden können, desto sorgfältiger, desto überlegter und desto vorsichtiger müssen in der Zukunft die Haushalts-, Wirtschafts- und Steuerpolitik betrieben werden. Ich glaube, darüber hat niemand in diesem Hause einen Zweifel. Wir müssen noch vorsichtiger und noch sorgfältiger als zuvor sein; denn nach diesem Währungsschnitt, den man nicht ohne weiteres redressieren kann, sind steigende Staatsausgaben, steigende Soziallasten, steigende Löhne, also ein weiteres Hochtreiben des Kostengefüges der Wirtschaft, ganz besonders gefährlich geworden.
Mit dem Appell des Bundeswirtschaftsministers an die Sozialpartner, an beide Teile — an die Arbeitgeber, die vielleicht unter dem Druck des Mangels an Arbeitskräften geneigt sein könnten, leichthin etwas zuzubilligen, weil es noch zu tragen ist, und an die Arbeitnehmer, an die Gewerkschaften —, muß nun nach diesem Währungsschnitt endlich versucht werden, die Einsicht zu vermitteln, daß jetzt die Grenze erreicht ist und daß es wirklich notwendig ist, sehr vorsichtig und sehr sorgfältig vorzugehen, Disziplin zu wahren und Maß zu halten.
Den gleichen Appell hat man aber auch an den Staat, an die Länder und an die Kommunen zu richten. Auch die steigenden Staatsausgaben müssen, nachdem wir an diesem bedauerlichen Punkt angelangt sind, gebremst werden. Es ist wirklich unmöglich — ich schließe hier den Bundestag in vollem Umfange ein —, trotz der bevorstehenden Wahl so zu tun, als ob wir wirklich reich wären und mit der Gießkanne über alle Gebiete hinweggehen und mit vollen Händen irgendwelchen vermeintlichen Segen ausstreuen könnten. Das wird nach diesem Währungsschnitt nicht mehr möglich sein. Ich hoffe, daß die Appelle, die der Bundesfinanzminister ebenso wie der Bundeswirtschaftsministers in den vergangenen Jahren so oft an die Öffentlichkeit gerichtet haben, nun mehr befolgt werden, als das in der Vergangenheit der Fall war.