Rede:
ID0314501000

insert_comment

Metadaten
  • sort_by_alphaVokabular
    Vokabeln: 7
    1. Herr: 1
    2. Kollege: 1
    3. Schütz,: 1
    4. gestatten: 1
    5. Sie: 1
    6. eine: 1
    7. Zwischenfrage?: 1
  • tocInhaltsverzeichnis
    Deutscher Bundestag 145. Sitzung Bonn, den 23. Februar 1961 Inhalt: Entwurf eines Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Gesetzes zur Verbesserung der wirtschaftlichen Sicherung der Arbeiter im Krankheitsfalle (CDU/CSU) (Drucksache 2478) — Erste Beratung — Horn (CDU/CSU) 8215 B Dr. Schellenberg (SPD) 8218D, 8234 B Dr. Stammberger (FDP) . . . . . 8226 C Schütz (München) (CDU/CSU) . . . 8229 A Dr. Mommer (SPD) 8234 C Nächste Sitzung 8234 C Anlage 8235 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 145. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 23. Februar 1961 8215 145. Sitzung Bonn, den 23. Februar 1961 Stenographischer Bericht Beginn: 14.31 Uhr
  • folderAnlagen
    Anlage Liste der beurlaubten Abgeordneten Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich a) Beurlaubungen Dr. Atzenroth 24. 2. Dr. Baade 23. 2. Bazille 15. 3. Bettgenhäuser 4. 3. Frau Beyer (Frankfurt) 23. 2. Dr. Birrenbach 6. 3. Fürst von Bismarck 24. 2. Börner 24. 2. Caspers 1. 4. Dr. Deist 2. 3. Demmelmeier 18. 3. Deringer 24. 2. Frau Döhring (Stuttgart) 24. 2. Dowidat 24. 2. Eberhard 7. 3. Ehren 28. 2. Eilers (Oldenburg) 23. 2. Eisenmann 24. 2. Enk 24. 2. Erler 24. 2. Dr. Furler 24. 2. Gehring 23. 2. Geiger (München) 28. 2. Dr. Gossel 23. 2. Dr. Götz 24. 2. Dr. Gradl 24. 2. Freiherr zu Guttenberg 24. 2. Haage 24. 2. Heiland 23. 2. Hellenbrock 23. 2. Höfler 24. 2. Hörauf 10. 3. Dr. Hoven 23. 2. Huth 23. 2. Jacobi 24. 2. Dr. Jordan 25. 2. Frau Kettig 23. 2. Dr. Knorr 23. 2. Anlage zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich Dr. Kopf 6. 3. Kraus 23. 2. Kühn (Bonn) 28. 2. Kühn (Köln) 18. 3. Leber 24. 2. Logemann 23. 2. Lücker (München) 23. 2. Dr. Baron Manteuffel-Szoege 23. 2. Dr. Martin 6. 3. Dr. Mende 4. 3. Mensing 24. 2. Dr. Menzel 28. 2. Dr. Meyer (Frankfurt) 24. 2. Freiherr von Mühlen 24. 2. Neubauer 10. 3. Nieberg 24. 2. Frau Dr. Probst 24. 2. Probst (Freiburg) 24. 2. Dr. Ripken 24. 2. Dr. Rüdel (Kiel) 3. 3. Ruhnke 25. 3. Scharnberg 24. 2. Scheel 24. 2. Dr. Schmid (Frankfurt) 24. 2. Schmidt (Hamburg) 24. 2. Dr. Schneider (Saarbrücken) 24. 2. Schüttler 24. 2. Dr. Seffrin 1. 3. Frau Dr. Steinbiß 4. 3. Stenger 28. 2. Storch 25. 2. Theil (Bremen) 24. 2. Vehar 25. 2. Dr. Vogel 24. 2. Wacher 24. 2. Welke 25. 2. Wendelborn 26. 2. Werner 25. 2. Dr. Zimmer 27. 2. b) Urlaubsanträge Schultz 18. 3.
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Hans Schütz


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Herr Kollege Schellenberg hat zu dem Antrag, den die CDU/CSU-Fraktion eingereicht und begründet hat, drei beachtenswerte Bemerkungen gemacht. Er hat gesagt:
    1. Mir gefällt nur die Überschrift nicht.

    (Abg. Dr. Schellenberg: „Nur" habe ich nicht gesagt!)

    2. Es fehlt eine Zwischenüberschrift.
    3. Sonst bin ich im großen und ganzen damit einverstanden.

    (Lachen bei der SPD. — Zuruf des Abg. Dr. Schellenberg — Abg. Wittrock: Das ist aber sehr verniedlicht!)

    Herr Kollege Schellenberg, ich möchte mich für diese Kritik an unserer Vorlage sehr herzlich bedanken.

    (Abg. Wittrock: Das ist sehr verniedlicht!)

    Herr Kollege Schellenberg, ich möchte mir es aber wirklich nicht so leicht machen.

    (Abg. Wittrock: Das sind die kleinen Tricks! Abg. Dr. Schellenberg: Das ist doch lächerlich!)

    Ich will vor allem versuchen, auf das, was Herr Schellenberg, nicht gerade zu der Vorlage, sondern zu dem ganzen Problem gesagt hat, einzugehen.

    (Abg. Dr. Schellenberg: Gut!)

    Ich möchte auch zu den Fragen Stellung nehmen, die Herr Schellenberg an meine Fraktion gerichtet hat, damit die deutsche Öffentlichkeit sich durchaus darüber im klaren ist, wo die CDU/CSU-Fraktion, was die Krankenversicherungsreform in ihrer Gesamtproblematik angeht, steht.

    (Sehr gut! bei der CDU/CSU. — Abg. Dr. Schellenberg: Endlich erfahren wir es einmal! — Weitere Zurufe von der SPD.)

    Gestatten Sie mir einige wenige grundsätzliche Vorbemerkungen. Es ist allgemein bekannt — in der Öffentlichkeit wird das allerdings zu wenig beachtet —: wir haben 25 Millionen Pflichtversicherte, und diese 25 Millionen Pflichtversicherten bringen 17 Millionen mitversicherte Familienangehörige in die Sozialversicherung mit. Wir haben also 42 Millionen Männer, Frauen und Kinder, für die die soziale Krankenversicherung mit Ausnahme des Krankengeldes für alle gleiche Leistungen auf den Tisch legen muß. Aber wir haben nicht 42 Millionen, sondern nur 25 Millionen Beitragszahler. Daraus ergibt sich, daß dieser Beitrag so sein muß, daß die 25 Millionen Beitragszahler — selbstverständlich mit den Arbeitgeberzuschlägen — die Aufwendungen -für 42 Millionen Versicherte und Mitversicherte decken können.
    Das zweite Phänomen der sozialen Krankenversicherung ist heute folgendes: So wie auf vielen Gebieten des modernen Lebens können wir im Reich der Medizin, der Heilbehandlung und der Vorbeugung beachtliche Fortschritte feststellen. Es ist unser aller Wille, die Menschen im Bereich der sozialen Krankenversicherung an dieser fortschrittlichen Entwicklung ohne Einschränkung teilnehmen zu lassen. Das verursacht Kosten. Die Aufwendungen in der gesetzlichen Krankenversicherung haben sich von 1950 bis 1960 vervierfacht. Sie stiegen von 2 auf 8 Milliarden DM. Wir sind erst am Beginn dieser Entwicklung. Daher die Überlegung, wie diese wachsenden Kosten sinnvoll und sozial gerecht aufgebracht werden können.
    Die Konsequenz aus einer solchen Überlegung schlug sich in der so sehr umkämpften Regierungsvorlage nieder. Auch uns war klar — und der Kollege Stingl hat es dargelegt —, daß diese Vorlage wie jede andere, die wir in dieses Haus bekommen, kein Dogma, wohl aber eine brauchbare Arbeitsgrundlage darstellte.

    (Sehr richtig! bei der CDU/CSU.)

    Weil uns die Sache, um die wir hier diskutieren, sehr ernst ist — Herr Kollege von der FDP, nicht um der Optik willen! —, möchte ich mit einem kritischen Wort gegenüber uns selber beginnen.

    (Abg. Dr. Schellenberg: Das ist notwendig!)

    — Jawohl, das ist notwendig, und wir wären nicht wahrhaftig, täten wir es nicht. Gehe hin und tue desgleichen!

    (Beifall bei -der CDU/CSU.)

    Aus welchen Gründen, bleibt vorläufig dahingestellt, — wir müssen mit Bedauern feststellen, daß es uns nicht gelungen ist, allen Betroffenen die ideellen und materiellen Sachverhalte so klar darzustellen, daß unsere redliche Absicht das verdiente Verständnis und die notwendige Zustimmung gefunden hat.

    (Abg. Killat [Unterbach] : Wollen Sie noch mehr Flugschriften machen?)

    Und wiederum, aus welchen Gründen auch immer, es bleibt weiter festzustellen, daß nicht -einmal -der Versuch einer sachlichen Untersuchung und Prüfung der vorgelegten Vorschläge gemacht wurde.

    (Sehr richtig! bei -der CDU/CSU. — Abg. Killat [Unterbach] : Sie haben doch immer die Sachverständigen abgelehnt! — Weitere erregte Zurufe von der SPD.)

    Im Gegenteil, weithin ist unter Einsatz erheblicher Mittel, die weit über das hinausgehen, was der Regierung zu tun möglich war, der Eindruck erweckt worden, daß die Vorlage tatsächlich nur Nachteile bringe.

    (Abg. Horn: Sehr gut!)

    Die Kampagne gegen die Vorstellungen der Regierung begann bereits zu einer Zeit, als diese Vor-



    Schütz (München)

    stellungen nur in Referentenentwürfen niedergelegt waren.

    (Sehr richtig! bei der CDU/CSU. — Zurufe von der SPD.)

    Der Herr Arbeitsminister hat die Referentenentwürfe einem außerordentlich großen Kreis aller Beteiligten zugänglich gemacht.

    (Abg. Dr. Reith: Fairerweise!)

    Wer ein schlechtes Gewissen gehabt hätte, hätte das nicht getan.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Schon in diesen Stadien setzten die scharfen Angriffe ein. In der Regierungsvorlage haben immerhin eine Fülle von Anregungen Beachtung gefunden. Dieser Arbeitsminister hat den Mut gehabt, ein neues Konzept zu entwickeln, zu dessen Grundgedanken der Gesetzgeber früher oder später zurückfinden muß, wenn er mit der Krankenversicherung nicht scheitern will.

    (Erneuter Beifall bei der CDU/CSU. — Zuruf von der Mitte: Sehr gut, Schütz!)

    Der bunte Chor der Nein-Sager war sich zwar einig in der Ablehnung.

    (Abg. Dr. Reith: Sehr richtig! Zuruf des Abg. Dr. Schellenberg.)

    Aber eine Verständigung darüber, wie man die auseinanderklaffenden Meinungen zusammenführen und damit die anstehenden Probleme wirklich bewältigen könnte, fand dieser Chor der Nein-Sager nicht.

    (Zustimmung bei der CDU/CSU. — Abg. Dr. Schellenberg meldet sich zu einer Zwischenfrage.)

    — Herr Schellenberg, Sie haben geredet, jetzt darf ich reden; wir diskutieren nachher.

    (Beifall be der CDU/CSU.)

    Wir haben bei dieser Gelegenheit festzustellen, daß die Schwierigkeiten ganz wesentlich darauf beruhten, daß einflußreiche Kräfte außerhalb dieses Hauses in einer bisher kaum gekannten Weise auf politische Entscheidungen, die letztlich allein diesem Hohen Hause anvertraut sind, Einfluß genommen haben.

    (Zurufe von der SPD: Das waren die Betroffenen! — Meinen Sie den Bundeskanzler?)

    — Ich meine alle diejenigen, die sich betroffen fühlen. Der Redner der Opposition hat darauf verwiesen

    (Abg. Dr. Schellenberg: Welcher?)

    — Herr Schellenberg, ich habe dafür Verständnis daß die CDU/CSU-Fraktion in diesem Hause doch die Mehrheit habe — und Herr Stammberger hat sich dem angeschlossen —, und damit sei sie für alle Verzögerungen und schließlich auch für den Verzicht auf die abschließende Beratung in diesem Bundestag verantwortlich.
    Im Ausschuß dagegen hörten wir freilich ganz andere Melodien.

    (Zustimmung bei der CDU/CSU.)

    Dort wurde tagelang über Teile, um nicht zu sagen, über Moleküle von Paragraphen endlos geredet, obwohl eingestandenermaßen neue Gesichtspunkte nicht mehr vorgebracht werden konnten.

    (Abg. Frau Korspeter: Sie haben sich oft revidiert!)

    Wurde dann ein Antrag auf Schluß der Debatte gestellt, dann begann es damit, daß wir „brutal von der Mehrheit Gebrauch machten", daß wir „die Demokratie vergewaltigten",

    (Hört! Hört! bei der CDU/CSU)

    daß wir nicht zulassen wollten, daß darüber geredet werde.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Meine Damen und Herren, nur eins von beiden kann richtig sein. Die Wahrheit ist — da haben Sie recht —, ,daß wir von dieser Mehrheit dort zuwenig Gebrauch gemacht haben.

    (Abg. Dr. Schellenberg: Das können Sie ja noch!)

    Einer Ihrer Kollegen, Herr Schellenberg, der in den 30 Sitzungen über achtzigmal das Wort ergriffen hat, begann davon einunddreißigmal: „Ich habe zwar nichts Neues zu sagen, aber ich möchte unterstreichen, was der und der schon gesagt hat."

    (Beifall bei der CDU/CSU. — Abg. Memmel: Wer ist der Ausschußvorsitzende?! — Heiterkeit.)

    In den 30 Sitzungstagen, die der Sozialpolitische Ausschuß mit der Beratung der Regierungsvorlage zugebracht hat, ist trotz dieser augenfälligen Verzögerungstaktik nur neunmal Schluß der Debatte beantragt worden.

    (Abg. Dr. Schellenberg: Ihr habt wohl genau Statistik geführt?)

    — Ich habe es mir einmal herausgeschrieben, Herr Kollege Schellenberg. Nichts über Zahlen und Tatsachen, die Sie so sehr lieben!

    (Abg. Killat [Unterbach] : Es geht um sozialpolitische Grundsätze, Herr Kollege!)

    — Darauf komme ich gleich, Herr Kollege, die bleiben Ihnen nicht erspart!
    So umstritten einzelne Bestimmungen jener Vorlage gewesen sein mögen, nicht bestritten werden kann die Tatsache, daß unsere Kollegen von der sozialdemokratischen Opposition mit dem alten bewährten Mittel des Filibusterns die Verzögerung auf die Spitze getrieben haben.

    (Sehr gut! in der Mitte.)

    Es ist allzu billig und gewiß keine demokratische
    Tugend, dem anderen eine Schuld zuzumessen, von
    der man selber zumindest in keiner Weise frei ist.

    (Sehr gut! und Beifall in der Mitte.)




    Schütz (München)

    Lassen Sie mich nun ein Wort zur Sache selber sagen!

    (Zuruf von der SPD.)



Rede von Dr. Thomas Dehler
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Herr Kollege Schütz, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Hans Schütz


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)

    Herr Kollege (zur SPD), lassen Sie mich jetzt reden! Sie kommen dann dran!

    (Zurufe von der SPD. -Zuruf links: Zurufe sind nicht gestattet?)

    Herr Kollege Schellenberg und auch der Kollege von der FDP glaubten feststellen zu müssen, daß die Regierung und die sie tragende Mehrheit in diesem Bundestag sozialpolitisch versagt haben, weil zwei Vorlagen — unter anderen — nicht oder nicht vollständig verabschiedet werden konnten. Bei der Unfallversicherung haben wir immerhin das Leistungsgesetz, das fast allen wesentlichen Anliegen der Leistungsempfänger Rechnung trägt, verabschiedet. Es ging dabei nicht nur um ,die Höhe der Sätze, sondern auch um eine Ausweitung des Empfängerkreises selber. Das Fremd- und Auslandsrenten-Neuregelungsgesetz ist — darin stimmen wir hoffentlich überein — eine beachtliche Leistung dieses Deutschen Bundestages.

    (Abg. Horn: Sehr richtig!)

    Die zweimaligen Rentenerhöhungen und die Leistungsverbesserungen im Kindergeld sind ein Beweis für den guten Willen und das Verantwortungsbewußtsein der Mehrheit dieses Hauses, sozialpolitisch das Erforderliche zu tun.
    Aus den eingangs erwähnten Gründen und im Hinblick auf das seinerzeit zu erwartende Karlsruher Urteil in der Zulassungsfrage ist die Regierungsvorlage trotz aller Bedenken bezüglich der Zeit vorgelegt worden. Meine Damen und Herren, halten Sie uns doch nicht für so naiv, daß nicht auch wir daran gedacht hätten, daß die Zeitspanne etwas knapp ist. Aber da kam halt das Karlsruher Urteil herangerollt, und eine ganze Reihe anderer Dinge gab es auch. Ein bißchen haben wir natürlich auch mit dem guten Willen der Kollegen von der Opposition gerechnet. Daß wir uns dabei so gründlich verrechnet haben, das können Sie uns zum Vorwurf machen; da haben Sie recht behalten. Das ist eine der großen Enttäuschungen, die wir erlebt haben.
    Daß nun die Vorlage an mindestens 10 Stellen zum Teil sehr beachtliche Verbesserungen vorsah, hat bisher noch niemand bestritten. Umstritten blieb im Grund allein die allerdings entscheidende Frage der Kostendeckung. Wir haben es ja heute wieder gehört, daß alle oder fast alle zusätzlichen Kosten durch die Entlastung der Krankenversicherung von den Fremdkosten — wie die SPD-Fraktion sie sich vorstellt — gedeckt werden könnten.
    So steht es auch in dem so sehr empfohlenen Vorschaltgesetz, das heute erneut als der geradezu klassische Ausweg bezeichnet worden ist,

    (Abg. Dr. Schellenberg: Wenn das klassisch ist, können Sie es ja nachmachen!)

    ohne Beitragserhöhung, ohne Kostenbeteiligung! — Wenn es von uns direkt nachgemacht ist, können Sie für unsere Vorlage stimmen. Da können Sie sich ja freuen. Über Urheberrechte werden wir nicht streiten, Herr Schellenberg.

    (Zurufe von der SPD.)

    Man sagt: „Ohne Beitragserhöhung", ohne Kostenbeteiligung", „man nehme das Vorschaltgesetz, und alles wird gut!".

    (Zuruf des Abg. Dr. Schellenberg.)

    So gut, Herr Kollege Schellenberg, würde es auch wieder nicht nach Ihrem Vorschaltgesetz. Die Mehreinnahmen werden auf 630 Millionen DM geschätzt. Hier steht: monatlich; aber das ist sicher ein Druckfehler; es soll wohl „jährlich" heißen. Die Mehrausgaben werden auf 425 Millionen veranschlagt. Welch geradezu gigantisches Geschäft! Die Rechnung hat allerdings den einzigen Fehler, daß sie falsch ist. Unterstellt man, daß die Mehreinnahmen, wie sie das Vorschaltgesetz vorsieht, wirklich eingehen und daß die SPD schließlich auch einen brauchbaren Deckungsvorschlag hinsichtlich der vorgesehenen Zuschüsse aus Mitteln des Bundeshaushalts machen kann, so sind doch jedenfalls die Mehrausgaben, gelinde gesagt, in unbegründetem Optimismus zu niedrig geschätzt.

    (Zuruf von der SPD: Das zahlt die Regierung!)

    — Ja, „das zahlt die Regierung", natürlich! — Der Krankengeldmehraufwand würde nicht 240, sondern 340 Millionen DM ausmachen.

    (Abg. Dr. Schellenberg: Würden Sie vielleicht einmal etwas zur Finanzierung Ihres Gesetzentwurfes sagen?)

    — Ich komme gleich dazu, Herr Schellenberg, nur Geduld! Ich bleibe nichts schuldig. Ich weiß, daß man bei einem so sachlichen und korrekten Mann wie Herrn Schellenberg nicht mit halber Arbeit aufwarten kann. Das geht nicht, nein. Herr Kollege Schellenberg, ich meine, bei aller Meinungsverschiedenheit sollten wir einander doch nicht für dumm verkaufen.

    (Beifall in der Mitte. — Rufe von der SPD: Sehr wahr!)

    Wir verkaufen Sie nicht für dumm; aber Sie sollten es auch uns gegenüber nicht tun. Man kann durchaus eine andere Meinung haben, und diese Meinung kann korrekt und redlich sein!
    Für das, was der Wegfall der Karenztage an Kosten verursacht — ich hoffe, daß das Vorschaltgesetz diese Kosten nicht ganz vergißt —, ist kein Pfennig eingesetzt.

    (Abg. Dr. Schellenberg: Stimmt nicht!)

    Die Karenztage verursachen wohl immerhin auch 150 bis 200 Millionen DM Kosten. Für Wochenhilfe veranschlagt die SPD 39 Millionen DM. In Wirklichkeit werden es 180 Millionen sein.
    Für die Mehrausgaben nach dem Vorschaltgesetz wird man, ohne daß man übertreibt, folgende An-



    Schütz (München)

    Sätze machen müssen. Sie selber sehen 425 Millionen DM vor. Dazu kommen noch 100 Millionen DM für Krankengeld, 140 Millionen DM für Wochenhilfe, Vorsorgehilfe — die Regelung für den Zahnersatz ist auch hinten runtergefallen — 230 Millionen DM. Das macht zusammen 895 Millionen DM. 895 bis 900 Millionen DM an Mehrausgaben brächte das Vorschaltgesetz der SPD. Wenn man Ihren Vorstellungen mit einer Kostenverlagerung auf den Bund — und dazu die Unfallversicherung — folgte, bliebe noch ein ungedecktes Defizit von 270 bis 280 Millionen DM. Das können Sie auch nicht aus der Westentasche bezahlen, sondern das müßte durch Beiträge gedeckt werden.

    (Zuruf des Abg. Dr. Schellenberg.)

    Nach unserer Vorlage betrüge das Defizit nur 210 Millionen DM gegenüber dem Defizit von 280 Millionen DM, das bei Ihrem Gesetzentwurf entstehen würde. Wenn schon Beiträge, dann sind wir immer noch um 70 Millionen DM unter Ihren Vorstellungen.
    Nun aber noch einmal ein Blick auf die so heiß umkämpfte Regierungsvorlage. Der Streit, um nicht zu sagen: der Aufruhr, wurde entfacht durch den gespaltenen Beitrag oder durch den Grundsatz der Beteiligung an den Kosten für den Arztbesuch, die Medikamente und den Krankenhausaufenthalt. Die sozialdemokratische Opposition hat damit gedroht, daß sie diesen Gedanken jetzt erst recht in den Vordergrund stellen will. Wir wollen uns daran beteiligen mit sauberen Zahlen und sauberen Fakten.
    Ein Beispiel für viele: Bei 80 % aller Versicherten, die sich in den letzten zwei Jahren einen Krankenschein besorgten, lagen die Arztkosten, die über diesen Krankenschein verrechnet wurden, unter 20 DM. Eine 10%ige Kostenbeteiligung hätte also bei 80 v. H. der Betroffenen zunächst einmal 2 DM betragen. Hätte Herr Jedermann aber im Jahr drei solche Krankenscheine benötigt so hätte er eine Kostenbeteiligung von dreimal diesen 2 DM getragen — die meisten lagen ja darunter —, zusammen also höchstens 6 DM.
    Eine lineare Beitragserhöhung von einem einzigen Prozent beträgt dagegen bei einem Monatseinkommen von 500 DM im Jahr 60 DM und, wenn Sie Wert darauf legen, daß davon die Arbeiter nur die Hälfte zahlen und die andere Hälfte aus der Westentasche der Arbeitgeber gezahlt wird, im Jahr immer noch 30 DM gegenüber 6 DM bei 80 % aller Betroffenen. Und das ist der „große unsoziale Raubzug auf die Taschen der Versicherten"!

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Ihr Einwand — auch darauf will ich gern eingehen —, daß dann die übrigen 20 %, bei denen die Kosten über 20 DM lagen, die von Haus aus schwerer Belasteten, einen unzumutbaren Beitrag hätten aufbringen müssen, kann nur — ich bedaure aufrichtig, es sagen zu müssen — ausgesprochen bösem Willen entstammen.
    In der Regierungsvorlage des Arbeitsministers, in den Darlegungen unseres Kollegen Stingl bei der ersten Lesung wurde betont, daß die CDU/CSU-
    Fraktion über die Grenzen der Vorlage hinaus bei den zu kleinen Einkommen, bei den kinderreichen Familien und in den Fällen länger andauernder Krankheit die normale Kostenbeteiligung begrenzt oder ganz ausschaltet. Hierin unterscheiden wir uns.
    Kann den hier und heute, in diesem Teil Deutschlands, der Bundesrepublik heißt, im Normalfall dem Arbeiter und Angestellten eine Beteiligung in der Höhe, wie sie die Vorlage, wie sie unser Kommentar vorsah, nicht als sozialpolitisch vertretbar zugemutet werden? Darüber hinaus liegt es doch im eigenen wohlverstandenen Interesse des Versicherten, wenn wir ihn an ,die Verantwortung für sich selbst erinnern und ihn mit den Solidaritätsverpflichtungen, die er auf sich genommen hat, nicht über Gebühr belasten.
    Meine Damen und Herren, der Versicherte von heute ist nicht mehr der Versicherte von 1880.

    (Sehr richtig! in der Mitte.)

    Natürlich ist die SPD die älteste Partei in diesem Haus, und sie ist sehr stolz darauf. Aber die sozialen Verhältnisse sind heute anders, als sie zur Gründerzeit waren, und man muß sich — auch ohne Godesberg und Hannover — den neuen Verhältnissen etwas zuneigen.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Ich sage das aus innerster Uferzeugung: 100 Jahre deutsche Arbeiterbewegung oder Arbeiterbewegung in Deutschland, — bei Gott, sie sind nicht ohne Wirkung auf den Menschen „Arbeiter" geblieben! Selbstverständlich sind neue soziale Aufgaben entstanden. Aber wenn wir uns von den alten Vorstellungen nicht lösen können, müssen wir die neuen Aufgaben vernachlässigen. Das kommt mir vor, wie wenn eine Feuerwehr noch auf ein Haus spritzt, das vor 80 Jahren einmal gebrannt hat, und auf den Einwand, es brenne doch nicht mehr, erwidert: „Aber es hat vor 80 Jahren einmal gebrannt, und darum muß ich heute noch hinspritzen."

    (Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU.)

    Inzwischen kann die ganze Umgebung niederbrennen, ohne daß es uns einfällt, aufzuziehen und uns mit den neuen Problemen, die sozialpolitisch und gesellschaftlich auf uns zukommen, auseinanderzusetzen!! Ich weiß, daß hier die Vorstellungen auseinandergehen; deshalb wollte ich die Sachlage einmal klar darstellen. Die Reformgedanken des Bundesarbeitsministers sollten den Weg zu einer Anpassung an die neuen sozialen Verhältnisse frei machen helfen.
    Der „Vorwärts" vom 17. Februar gibt in einer Traueranzeige bekannt — —

    (Abg. Dr. Schellenberg: Gut, daß Sie dafür Propaganda machen, Herr Schütz!)

    — Warten Sie nur!

    (Abg. Dr. Schellenberg: Der kriegt Provision! — Heiterkeit.)

    — Herr Schellenberg, ich werde sie kassieren! — Der „Vorwärts" gibt in dieser „Traueranzeige" bekannt, daß bei der Bundestagswahl am 17. Septem-



    Schütz (München)

    ber die Kassenreform endgültig beigesetzt wird. Nun, Herr Schellenberg, Sie sind nicht der Herausgeber, und deshalb wende ich mich nicht an Sie.

    (Zurufe von der CDU/CSU: Es gefällt ihm aber!)

    — Das ist eine andere Sache; über Motive wird in der Politik nicht abgestimmt, nur über Fakten.
    Über diese Form der Stellungnahme gestatten Sie mir zwei Bemerkungen! Über Geschmäcker und Ähnliches läßt sich in dieser buckligen Welt streiten. Aber der von uns allen geforderte Respekt vor dem Phänomen des Todes und der Respekt, den wir doch hoffentlich alle gemeinsam vor der Reform der Krankenversicherung haben, läßt uns dieses Inserat als eine echte Entgleisung erscheinen. Als ich es las, habe ich an den Kollegen Preller denken müssen, der den ganzen Ringelnatz auswendig konnte, und wo der Ringelnatz kein Verslein hatte, hat's der Preller gemacht. Ich habe mir gedacht, er würde gesagt haben: „Ärger' dich nicht", Vater Ringelnatz hätte gesagt:
    Die SPD tut so dabei,
    als ob's noch immer Fasching sei.

    (Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU.)

    Dieses Winken hier und anderswo mit dem Wahltag ist eine nicht ganz originelle Erfindung. In diesem Hause sitzen noch ein paar Leute, die auch im Wirtschaftsrat gesessen haben. Ich erinnere mich, wie unsere Freunde von der Linken so in den letzten Wochen vor dem „Sonnenuntergang" uns all das, was wir im Wirtschaftsrat getan hatten — z B. die Marktwirtschaft und all ihre „bösen Folgen" —, als Anlaß für die kommende Abrechnung vor die Nase hielten.

    (Abg. Horn: Sehr richtig! Generalstreik, die Geschichte mit dem kalten Wasser, und was es nicht alles gab. Wenn sich davon nur ein Viertel im Jahre 1949 eingestellt hätte, hätte hier in der Mitte nur ein armseliges Häuflein geschlagener Invaliden gesessen. Es ist aber etwas anders gekommen. Das sind Fakten. In diesem Hause wurden aber diese Töne 1953 und 1957 wiederholt. Ja, meine Damen und Herren, warum sollen sie denn 1961 ausbleiben?! Wir wollen uns an jenem 17. September durchaus mit diesem Thema dem deutschen Volk stellen. Ich erinnere an meine Zahlen, und hoffentlich sorgt jemand dafür, daß diese und viele anderen Zahlen und nicht die Dichtung aus Tausendundeiner Nacht dem Volk gesagt werden. Wenn es dann eine Alternative gibt, kann es doch wohl nur die sein: Die CDU/CSU-Fraktion will eine fortschrittliche Sozialversicherung. Sie will sie aber nicht über die Sozialisierung des Lohnes. Die SPD hat zwar in Godesberg und Hannover auf die Sozialisierung der Hobelbänke und der Spinnmaschinen verzichtet, die Sozialisierung des Lohnes ist aber als der letzte Rest aus der alten Vorstellungswelt geblieben. In unseren Augen aber ist diese viel gefährlicher als die Sozialisierung der sichtbaren Gegenstände, denn sie greift nach dem lebendigen Menschen und zieht ihn ins Kollektiv, nimmt ihm von seinem Lohn den wohlverdienten Teil, ohne daß er in eigener Verantwortung darüber entscheiden könnte. (Beifall bei der CDU/CSU und Zurufe: Ausgezeichnet!)


    (Heiterkeit bei der CDU/CSU.)


    (Abg. Horn: Sehr gut!)


    (Beifall bei der CDU/CSU.)


    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Meine Damen und Herren, wir werden uns dieser Alternative stellen. Wir haben keine Angst, daß das Volk, daß der deutsche Arbeiter, wenn es darauf ankommt, nicht das Wesen der Sache erkennt.

    (Abg. Horn: Sehr gut!)

    Auch der moderne Arbeiter und Angestellte ist ein Mensch, der in eigener Verantwortung für sich, für seine Familie und, wenn der Bruder neben ihm es nicht selber kann, durch einen Solidaritätsbeitrag in der sozialen Versicherung auch für seinen Mitarbeiter geradestehen will.
    Eine soziale Krankenversicherung — jawohl, hundert Mal ja! Eine sozialistische Sozialversicherungsreform, meine Damen und Herren — nein!

    (Anhaltender Beifall bei der CDU/CSU — Abg. Dr. Schellenberg: Wer hat denn davon gesprochen?)